Ein Modell zur Verknüpfung des persönlichen Gedächtnisses mit externen Informationsspeichern DISSERTATION zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie eingereicht am Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie und Sportwissenschaft der Freien Universität Berlin vorgelegt von Klaus Berthold Esser aus Grevenbroich Berlin 1998 Erster Gutachter: Prof. Dr. W. Schönpflug Zweiter Gutachter: PD Dr. S. Dutke 2 VORWORT UND DANKSAGUNG Als ich mich als begeisterter Student mit den externen Speichern zu befassen begann, blieb bei aller Begeisterung für das Thema im Laufe der Zeit eine gewiße Unzufriedenheit übrig. Auf der einen Seite war da ein Thema, daß große praktische Relevanz hat und die selbstgesetzten Grenzen der Gedächtnispsychologie zu sprengen in der Lage ist. Auf der anderen Seite aber war die Forschung auf Einzelphänomene begrenzt, der theoretische Rahmen fehlte oder war so generell, daß er nicht recht mit empirischen Daten in Verbindung gebracht werden konnte. Aus dieser Zwickmühle heraus ist die Motivation für die vorliegende Arbeit geboren. Mein Ziel war es, einen theoretischen Rahmen aufzuspannen, der sich nicht auf einzelne Speicher begrenzt; der aber nichtsdestotrotz präzise Vorhersagen von Verhalten erlaubt. Inwieweit mir das gelungen ist, möge der geneigte Leser selbst beurteilen. Diese Arbeit verdankt ihr Entstehen der tatkräftigen Unterstützungen von vielerlei Seiten. Meiner Frau und meinen Kindern möchte ich besonders für ihre Geduld mit mir danken. Herzlicher Dank gilt auch Christina Weidelt und Gesine Grossmann, die einTeil der Daten erhoben haben. Stephan Dutke hat mir an verschiedenen Stellen im Laufe der Entstehung durch anregende Kritiken weitergeholfen. Auch all den anderen, die mich in informellen Gesprächen unterstützt und kritisiert haben, ein herzliches Dankeschön! An erster Stelle muß hier aber Wolfgang Schönpflug stehen. In den Jahren, die ich bei ihm gearbeitet habe, hat er mich für dieses Thema begeistert. Er hat mir jederzeit jede Form von Unterstützung zukommen lassen, ob wissenschaftlich oder privat. Von meinem Erziehungsurlaub war er begeistert und hat alles getan, damit ich auch in dieser Zeit mit meiner Promotion weiterkomme. Ohne ihn wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. 3 INHALTSVERZEICHNIS 1 Theorie ....................................................................................................................................6 1.1 Externe Speicher in der psychologischen Forschung...................................................................6 1.1.1 Forschung zu externen Speichern: empirische Vielfalt und theoretisches Defizit .................................. 6 1.1.2 Solipsistische Perspektive und implizite Theorie externer Speicher ...................................................... 9 1.2 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung ..........................................................14 1.2.1 Metagedächtnis: das Konstrukt und seine Probleme ............................................................................ 14 1.2.2 Handlungspsychologie: hierarchische Handlungsregulation ................................................................ 17 1.2.3 Metagedächtnis als hierarchische Regulation von Gedächtnistätigkeit ................................................ 19 1.3 Modellierung der Wahl eines Speichers.....................................................................................21 1.3.1 Kritische Parameter bei der Speicherwahl .......................................................................................... 21 1.3.1.1 Erfolgswahrscheinlichkeit der externen Speicherung .................................................................. 22 1.3.1.2 Aufwand der Speicherung ........................................................................................................... 23 1.3.1.3 Valenz des Erinnerns .................................................................................................................. 26 1.3.1.4 Zusammenspiel der Parameter .................................................................................................... 27 1.3.2 Unterschiedliche Prozesse zur Speicherwahl....................................................................................... 28 1.3.2.1 Speicherwahl bei häufigen, sehr geläufigen Aufgaben ................................................................. 29 1.3.2.2 Speicherwahl bei ungeläufigen, sehr seltenen Aufgaben .............................................................. 32 1.4 Das Modell zur Speicherwahl im erweiterten Gedächtnissystem (SWIEGS)............................34 1.4.1 Das Gesamtmodell ............................................................................................................................. 34 1.4.2 Ableitung empirisch prüfbarer Hypothesen aus dem SWIEGS-Modell................................................ 37 1.4.2.1 Planungszeit ............................................................................................................................... 38 1.4.2.2 Speicherwahl .............................................................................................................................. 39 1.4.2.3 Valenz der Aufgaben .................................................................................................................. 40 2 Empirie ................................................................................................................................. 42 2.1 Erster empirischer Teil: Planungszeit und Speicherzahl ............................................................42 2.1.1 Studie 1: Planungszeit, Speicherzahl und Umgebungsvariation .......................................................... 42 2.1.2 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben ................................................... 54 2.2 Zweiter empirischer Teil: metakognitive Parameter ..................................................................67 2.2.1 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie ...................................................................................... 68 2.2.2 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test ........................................................................................ 74 3 Schlußdiskussion................................................................................................................. 100 3.1 Synopsis der Ergebnisse: wurden die Hypothesen bestätigt ?.................................................100 3.1.1 Die Basishypothesen......................................................................................................................... 100 3.1.2 Die differenzierenden Hypothesen .................................................................................................... 104 4 3.2 Von den Hypothesen zum Modell.............................................................................................107 3.3 Die Frage der ökologischen Validität.......................................................................................113 3.4 Folgerungen und Ausblick........................................................................................................115 4 Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 119 5 Anhang ............................................................................................................................... 131 5.1 Versuchsmaterialien.................................................................................................................131 5.1.1 Repräsentationsaufgaben der Studie 1............................................................................................... 131 5.1.2 Repräsentationsaufgabe der Studien 2 & 4 ........................................................................................ 133 5.1.3 Repräsentationsaufgaben der Studie 3............................................................................................... 136 5.2 Auswertungsschema der zwar-aber Urteilskombination in Studie ........................................139 4 5.3 Lebenslauf ................................................................................................................................141 5.4 Erklärung.................................................................................................................................142 5 Externe Speicher in der psychologischen Forschung 1 Theorie 1.1 Externe Speicher in der psychologischen Forschung First, more research is needed on the way people use external aids as memory devices - to recall their plans, their intentions, and their progress in executing their plans. In our enthusiasm for memorizing nonsense syllables we have overlooked the importance of some of these ancillary kinds of memory. (Miller, Galanter & Pribram, 1960, pp.70) Die von Miller, Galanter und Pribram (1960) benannte Begeisterung für das Lernen sinnloser Silben hat in den letzten 38 Jahren psychologischer Forschung drastisch abgenommen, weitere Apolo geten der Wichtigkeit des Themas external aids haben ihre Position unterstützt (z.B. Neisser, 1982; Norman, 1988; Intons-Peterson, 1993). Es gibt einen repräsentativen Stammvater - erste Untersuchungen zur Bedeutung der Umwelt als externer Informationsspeicher sind schon von Lewin (1926) unternommen worden - und eine Vielfalt von Studien, die sich dem Thema aus unterschiedlichsten Perspekti ven nähern. Trotzdem: einen wirklichen Durchbruch hat es in der psychologischen Forschung nicht gegeben. Vor allem zeigt sich ein erhebliches theoretisches Defizit, das sich durch alle Studien zieht und hauptverantwortlich für den mangelnden Fortschritt in der Erforschung von externen Speichern gemacht werden muß (Intons-Peterson & Newsome, 1992). 1.1.1 Forschung zu externen Speichern: empirische Vielfalt und theoretisches Defizit Als ‘externe Speicher’ werden alle Möglichkeiten bezeichnet,außerhalb des eigenen Gedächtnisses Informationen zu speichern (Muthig & Schönpflug, 1981). Damit ein Gegenstand, eine Konstellation der Umgebung, eine andere Person oder anderes außerhalb des Gedächtnisses als externer Speicher fungieren kann, muß es vier Bedingungen erfüllen (Muthig, 1983): es muß erstens wandelbar sein, d.h. mehr als einen Zustand annehmen können. Zweitens muß es manipulierbar sein, Zustandsänderungen müssen also willkürlich herbeigeführt werden können. Mindestens ein Zustand des externen Speichers muß drittens zeitlich permanent sein, sich also über einen bestimmten Zeitraum nicht verändern. Viertens muß sein Zustand semantisch interpretierbar sein: der Anwender muß ihm einen kognitiven Inhalt zuschreiben können. 6 Externe Speicher in der psychologischen Forschung Da die vier von Muthig (1983) genannten Bedingungen für externe Speicher häufig erfüllt sind, kann ein Großteil der Umwelt zum externen Speicher werden. Der Anwender entscheidet letztlich selbst, was ein externer Speicher ist und was nicht. ‘Externe Speicher’ wird so zum Sammelbegriff, der eine Fülle unterschiedlichster Phänotypen umfaßt, deren entscheidende Gemeinsamkeit eine negative Definition ist: die Information wird nicht (ausschließlich) im Gedächtnis gespeichert. Entsprechend unterschiedlich sind die externen Speicher, die zum Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses wurden: Von Kerbstöcken oder Knotenschrift der Naturvölker (Leontjev, 1971/1959) über Aufkleber auf Schlüsseln (Meacham & Leiman, 1982) bis hin zur Nutzung von BTX (Piekara, Ulrich & Muthig, 1986); vom Positionieren von Gläsern in einer bestimmten Reihenfolge, um sich als Kellner Bestellungen zu merken (Beach, 1988) über Einkaufslisten (Intons-Peterson & Fournier, 1986) und Adressen für Dateien im Computer (Schönpflug, 1989b) bis hin zu anderen Personen (Schönpflug & Esser, 1995). Externe Speicher sind bekannter als mnemotechnische Merk- und Erinnerungshilfen und werden um vieles häufiger eingesetzt als diese (z.B. Kreutzer, Leonard & Flavell, 1975; Harris, 1980; IntonsPeterson & Fournier, 1986). Sie erweisen sich dabei in unterschiedlichsten Kontexten als hoch effektiv. So konnte bei Flugsimulationen das Fehlen spezifischer externer Speicher als Ursache für Fehler von Flugkapitänen verantwortlich gemacht werden (Drew, 1979/1940). Die Entscheidung für oder gegen den Einsatz externer Speicher erwies sich als der zentrale Prädiktor für erfolgreiches Einhalten von Terminen - wichtiger als das Alter der Probanden (Moscovitsch & Minde; zitiert in Moscovitsch, 1982). Behaltensleistungen können durch den gezielten Einsatz externer Speicher systematisch verbessert werden. Schon ein völlig unspezifischer externer Speicher - ein Anhänger am Schlüsselbund - führt zu häufigerem und pünktlicherem Absenden von Postkarten an den Versuchsleiter (Meacham & Leiman, 1982). Beim prospective remembering (Harris, 1984), der Erinnerung an in der Zukunft zu erledigende Dinge, führt die Einführung einer Belohnung für korrektes Erinnern zu einer besseren Erinnerungs leistung - durch häufigeren Einsatz von externen Speichern (Meacham & Kushner, 1980). Auch Schwierigkeiten mit der Einnahme von Medikamenten lassen sich durch externe Speicher verbessern. Medikamente werden regelmäßiger und häufiger in der richtigen Portionierung eingenommen, wenn externe Speicher eingesetzt werden (Ley, 1972, 1979). Im Zusammenhang mit dem Anfertigen von Notizen in einer Lernsituation, dem note-taking (vgl. Hartley & Davies, 1978 bzw. Kiewra, 1985 für einen Überblick), führt das Betrachten der Notizen vor einem Behaltenstest zu deutlich besseren Behal tensleistungen. In seiner Überblicksarbeit vergleicht Kiewra (1985) die bis dahin vorliegenden Studien bezüglich der Effektivität des note-taking. Siebzehn Arbeiten belegen eine Verbesserung in Behaltenstests, wenn angefertigte Notizen noch einmal betrachtet werden und fünf Studien können keine 7 Externe Speicher in der psychologischen Forschung Verbesserung feststellen. Eine Verschlechterung der Behaltensleistung wurde in keiner Studie gefunden. Auch Kinder können von externen Speichern profitieren: sie führen mit Hilfe externer Speicher Handlungspläne erfolgreicher aus (Meacham & Keller, 1983) und erinnern den Versuchsleiter am Ende des Versuchs signifikant häufiger an eine vorher versprochene Belohnung (Meacham & Colombo, 1980). Im Zusammenspiel mit dem Gedächtnis können externe Speicher unterschiedliche Funktionen er füllen. Externe Speicher können das Gedächtnis unterstützen und so eine zusätzliche Sicherung der zu behaltenden Information bieten. Sie können aber auch an Stelle des Gedächtnisses eingesetzt werden, um das Gedächtnis zu entlasten. So wird vollständiges Erinnern auch dann möglich, wenn die Ressour cen zum Lernen, beispielsweise durch kurze Lernzeiten, begrenzt sind. Die Erwartung der möglichen Rolle des externen Speichers beim Erinnern erwies sich dabei als ein zentraler Prädiktor für die Rolle des externen Speichers (Esser & Schönpflug, in prep.). Bei alltäglichen Merkaufgaben können externe Speicher schwache Gedächtnisleistungen sogar überkompensieren: durch konsequenteren Einsatz von externen Speichern sind ältere Probanden mit schwächerem Gedächtnis in der Lage, Aufgaben, die sie in der Zukunft erledigen sollen, seltener zu vergessen und genauer zu erledigen als jüngere Probanden (Moscovitsch, 1982). Die Fülle der beschriebenen Einzelergebnisse zu verschiedenen Speicherformen, unterschiedlichen Aufgaben und verschiedensten Kontexten zeigt zwar das generelle Interesse an externen Speichern, illustriert aber auch den fehlenden theoretischen Zusammenhang. Die verschiedenen Untersuchungen haben nämlich nicht nur wenig gemeinsam, sondern nehmen sich gegenseitig oft nicht einmal zur Kennt nis. Wenige reichen über die Präsentation von Einzeleffekten hinaus; eine theoretische Basis fehlt. Die ses theoretische Defizit betrifft nicht nur einen übergreifenden Ansatz, der ermöglicht, die verschiedenen Phänomene zueinander in Beziehung zu setzten, sondern oft auch schon die untersuchten Einzelphänomene selbst. So ist das einzige Modell zur Nutzung von Gedächtnishilfen, daß Intons-Peterson und Newsome (1992) in ihrer Literaturübersicht finden, das Test-Wait-Test-Exit-Modell (TWTE) von Harris und Wilkins (1982) bzw. Harris (1984.). Dieses Modell will der Autor selbst aber als deskriptiv verstanden wissen (Harris, 1984, p.84), und tatsächlich scheinen seine Parameter keine psychologische Bedeutung zu haben (Ellis, 1988). Ein zentraler Anspruch der Forschung zu externen Speichern ist, den defizitären Zustand von Gedächtnismodellen nachzuweisen und das Verständnis von ‘Gedächtnis’ grundlegend zu erweitern (Muthig & Schönpflug, 1981; Muthig, 1983). Daher wiegt das theoretische Defizit besonders schwer: ohne eine gemeinsame Perspektive für alle Phänomene von externen Speichern ist ein Vergleich mit dem Gedächtnis schwerlich möglich. Dieser Vergleich würde darüber hinaus aber auch eine theoretische 8 Externe Speicher in der psychologischen Forschung Brücke zwischen beiden Gebieten erfordern. Gerade diese aber fehlt völlig (Intons-Peterson & Newsome, 1992). Verantwortlich für die Theoriearmut des Themas ist auf den ersten Blick die große Fülle unterschiedlicher Phänotypen von externen Speichern. Unterschiedlichste Teile der Umwelt können zu exter nen Speichern gemacht werden - entsprechend wenig können zwei verschiedene externe Speicher gemeinsam haben. Den Knoten im Taschentuch im gleichen theoretischen Rahmen beschreiben zu wol len wie einem CD-ROM Index ist sicherlich eine Herausforderung. Eine zweite Ursache ist subtiler und hängt mit dem Blickwinkel auf Gedächtnis und externe Speicher zusammen. Gedächtnis wird generell als das verstanden, was sich unabhängig von der Umwelt im Inneren des Menschen zuträgt (Muthig, 1983). Diese solipsistische Perspektive war in der Gedächtnispsychologie durchaus fruchtbar und fand ihren Niederschlag in den gängigen Gedächtnismodellen (z.B. Atkinson & Shiffrin, 1968; Anderson, 1983). Wie sich bei der kritischen Sicht auf verschiedene Forschungszweige zu externen Speichern und insbesondere auf die aus der biologische Sicht entstandene implizite Theorie externer Speicher zeigt, wird diese Perspektive für die Betrachtung externer Speicher aber zur Sackgasse. 1.1.2 Solipsistische Perspektive und implizite Theorie externer Speicher Die Forschung zum note-taking stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob das Anfertigen von Notizen zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung der Behaltensleistung führt. Eine Literaturrecherche mittels CD-ROM kommt im Zeitraum von 1970 bis 1990 zwar auf über 300 Beiträge zum Thema. Die Ausbeute für externe Speicher aber ist mager. Die meisten Studien beschäftigen sich nämlich nicht mit der Frage, wie Notizen und Gedächtnis in einer ökologisch validen Situation interagieren, sondern ausschließlich mit der Behaltensleistung des Gedächtnisses allein. Was der Mitschreibende mit seinen Notizen macht oder ob er sie überhaupt wiederfindet (vgl. Norman, 1988), wurde kaum je thematisiert. Da die meisten Studien ausschließlich unter diesem Blickwinkel durchgeführt wurden (Ausnahmen dazu: Piekara, Ciesinger & Muthig, 1987; Spiel, 1992), läßt sich kritisch fragen, ob diese gesamte Forschung überhaupt etwas zur Praxis des Notierens zu sagen hat. Über das Zusammenspiel von Gedächtnis und Notizen als einer Form von externem Speicher ist nämlich wenig bekannt. Dieser reduzierte Blickwinkel muß darüber hinaus dafür verantwortlich gemacht werden, daß trotz jahrelanger Forschung in diesem Bereich die eigenen theoretischen Voraussetzungen nie reflektiert wurden (vgl. die Kritik in Kiewra, 1989). Folglich gelang es auch nicht, die Grundfrage nach der Förderung oder Behinderung der rein internen Behaltensleistung durch das Notieren theoretisch befriedigend zu lösen; es blieb beim einfachen Auszählen für- und widersprechender Studien (z.B. Hartley & Davies, 1978; Kiewra, 1985). 9 Externe Speicher in der psychologischen Forschung Auch zum Thema ‘Gedächtnishilfe’ gibt es intensive Forschungstätigkeit (vgl. den Überblick in Lindenberger, 1989). Allerdings tritt auch sie nicht ‘aus dem Kopf heraus’: es geht ausschließlich um Mnemotechniken, sog. ‘internal memory aids’ (Harris, 1978). Das ist um so verwunderlicher, als der Einsatz solcher mnemotechnischer Methoden außerhalb des Labors kaum je eine Rolle spielt (Harris, 1978, 1980; Hunter, 1979; Intons-Peterson & Fournier, 1986; Soler & Ruiz, 1996). Dies gilt auch für trainierte Probanden (z.B. Bellezza, 1983; Higbee, 1994; Lapp, 1983) und ebenso für Gedächtnispsychologen, die Mnemotechniken untersuchen (Park, Smith & Cavanaugh, 1990). Morris (1978) kommt bei der Analyse von Anforderungen bei Merkaufgaben zu dem Schluß, daß Mnemotechniken überhaupt nur für das Einprägen von sinnloser und unverbundener Information effektiv sind. Es ist evident, daß dieser Spezialfall bei alltäglichen Behaltensaufgaben eine geringe Rolle spielt. Die Reaktion der an der Forschung beteiligten Wissenschaftler auf diese Ergebnisse führte aber nicht zur Beschäftigung mit den auch von diesen Forschern selbst vielfach eingesetzten externen Speichern. Vielmehr wurde versucht, die mangelnde ökologische Validität dieser Forschung zu verbesseren, indem neue Methoden der - natürlich rein internen - Gedächtnisverbesserung entwickelt werden. Die Konstruktion sollte so erfolgen, daß diese neuen Mnemotechniken dann auch im Alltag angewandt werden - um sie danach untersuchen zu können (Herrmann & Searleman, 1992). Die Hartnäckigkeit, mit der diese Perspektive beibehalten wird, läßt Muthig von der „metatheoretischen Vorannahme der Gedächtnispsychologie“ (Muthig, 1983, S. 253) sprechen. Diese besagt, daß Gedächtnis im Kopf und nur im Kopf ist. Tatsächlich wird die Umwelt in Untersuchungen zum Gedächtnis generell ausgeblendet (Baddeley & Wilkins, 1984), und obwohl theoretisch immer wieder die Forderung nach einem erweiterten Verständnis von ‘Gedächtnis’ erhoben wird (z.B. Flavell, 1971; Neisser, 1982; Neisser & Winograd, 1988), findet dieser Gedanke in die Theoriebildung bisher kaum Eingang. Dabei läßt sich der Ansatz einer strikten Trennung von Gedächtnis und Umwelt bis in die theoretischen Überlegungen einzelner Arbeiten verfolgen. Lovelace und Twohig (1990) stellen in einer Interviewstudie älteren Erwachsenen Fragen zu Gedächtnisfehlern und Einsatz von Gedächtnis hilfen. Sie replizieren den Standardbefund, daß externe Speicher eine zentrale Rolle zur Vorbereitung auf zukünftiges Erinnern spielen, interne Strategien wie Mnemotechniken aber bedeutungslos sind. Kritisch aber ist die Begründung für dieses Ergebnis: The major disadvantage of encoding mnemonics is that they often require considerable cognitive effort at time when it is uncertain whether they will be needed in that particular case. (...) The preference for external mnemonics is understandable since they should provide maximum likelihood of success with a minimum of cognitive effort... (Lovelace & Twohig, 1990. p.118). 10 Externe Speicher in der psychologischen Forschung Das heißt: ein Grund für die Wahl eines externen Speichers, ein anderer für die Ablehnung des internen Speichers. Die Frage, ob die Information in Zukunft gebraucht werden wird, ist nur für die Ablehnung der Mnemotechniken wichtig. Werden also unwichtige Informationen extern gespeichert, wichtige aber mnemotechnisch intern? Der Aufwand dagegen wird auf denkognitiven Aufwand reduziert und ist nun seinerseits für die Bevorzugung von externen Speichern verantwortlich. Steht bei externer Speicherung aber nicht sowieso der motorische Aufwand im Mittelpunkt? Und, zentral: spielen nicht sowohl Aufwand als auch Wichtigkeit der Information bei beiden Speicherarten eine Rolle? Die gesamte Begründung ist nur aus einer Dissoziation von Gedächtnis und Umwelt zu verstehen, wobei der Blickwinkel auf die Vorgänge innerhalb des Gedächtnisses beschränkt bleibt. Die strikte Trennung zwischen Gedächtnis und Umwelt findet auch in der Nomenklatur und der daraus ableitbaren impliziten Theorie externer Speicher seinen Ausdruck. ‘Externe Speicher’ ist nämlich nicht die einzige und noch nicht einmal die geläufigste Bezeichnung. Stattdessen wird von Gedächtnis hilfen, Gedächtnisstützen, Erinnerungshilfen bzw. im Englischen vonmemory aids, external memory aids, memory devices oder external devices gesprochen. Diesen Begriffen ist die strikte Trennung von ‘Gedächtnis’ als einer übergeordneten Funktion auf der einen Seite und ‘Hilfen’ als eine Unter stützungsmöglichkeit bei Versagen der übergeordneten Funktion auf der anderen immanent. Es beinhaltet die Vorstellung von einem Gedächtnis, daß ‘von außen’ unterstützt wird. Diese Unterstützung bekommt es dann, wenn es selbst ‘schwach’ ist, also seine Aufgaben nicht allein bewältigen kann und einer Hilfe bedarf (Gedächtnishilfe, memory aid). Externe Speicher werden folglich als eine Art ‘Zusatzspeicher’ verstanden, die immer dann eingesetzt werden, wenn der eigentliche Speicher, das Gedächtnis, ‘überzulaufen’ droht. Nach dieser impliziten Theorie der externer Speicher wird der Einsatz externer Speicher einzig durch die Einschätzung des eigenen Gedächtnisses entschieden. Das Gedächtnis wird in Bezug auf die aktuelle Aufgabe evaluiert, d.h. die Wahrscheinlichkeit seines Erfolges wird eingeschätzt. Externe Speicher kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Evaluation des Gedächtnisses eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung im Gedächtnis ergeben hat (siehe Abb. 1). Explizit findet sich diese Sicht bei Intons-Peterson und Newsome (1992). Die Autoren beschreiben den Umgang mitexternal memory aids in sechs Schritten. Wichtig sind hier die ersten beiden: „1.Recognition of the need for a memory aid of some kind, presumably identified via the monitoring of memory. 2. The selection of a memory aid, given recognition of a need.“ (IntonsPeterson & Newsome, 1992, p.105). Die Wahl eines externen Speichers stellt demnach einen anderen Prozeß dar, als die Feststellung, daß ein Speicher benötigt wird. Ein externer Speicher wird gewählt, 11 Externe Speicher in der psychologischen Forschung nachdem festgestellt wurde, daß er benötigt wird; diese Feststellung wiederum erfolgt durch die Beobachtung des eigenen Gedächtnisses angesichts der gestellten Aufgabe. Repräsentationsaufgabe Erfolgreiche Speicherung im Gedächtnis möglich? ja Speicherung im Gedächtnis nein Speicherung im externen Speicher Abb.1 Die im plizite Theorie der Speicherwahl im Erweiterten Gedächtnissystem : ein externer Speicher wird nur gewählt, wenn das Gedächtnis als Speicher nicht auszureichen scheint. Diese Position findet sich auch in empirischen Arbeiten wieder. Wenn Kreutzer, Leonard und Flavell (1975) Kinder fragen, was sie tun würden, um ganz sicher zu sein, daß sie ihre Schlittschuhe mit in die Schule nehmen, ist der zugrundeliegende Gedanke dabei deutlich: Das Gedächtnis reicht nicht aus und braucht zusätzliche Hilfe. Ist diese Vorstellung bei der Studie von Kreutzer et al. (1975) unproblematisch, so wird sie zum zentralen Problem der Studie von Dobbs und Rule (1987). Die Autoren untersuchen fünf Altersgruppen (30-39/40-49/50-59/60-69/>70), bei denen sie die Beziehung zwischen Metagedächtnis, Einsatz von externen Speichern und prospektivem Erinnern p( rospective remembering) in den Mittelpunkt stellen. Prospectives Erinnern bedeutet die Fähigkeit, sich zukünftig an bestimmte Informationen zu erinnern, die aktuell gegeben werden, z.B. sich daran zu erinnern, morgen jemanden anzurufen (Harris, 1984; für einen Vergleich zum retrospektivem Erinnern: Meacham & Leiman, 1982; Wilkins & Baddeley, 1978). Dobbs und Rule (1987) erheben über einen Fragebogen u.a. die Häufigkeit verschiedenster Gedächtnisfehler und die Häufigkeit des Einsatzes von externen Speichern. Prospective remembering wird über zwei Aufgaben operationalisiert: In der ersten Aufgabe bekommen die Probanden zu Beginn der Sitzung die Information, daß sie eine spätere Zeichenaufgabe während der Sitzung mit einem roten Stift auszuführen haben, daß sie aber daran nicht mehr erinnert 12 Externe Speicher in der psychologischen Forschung werden und daß sie nach diesem roten Stift fragen müssen. Die zweite Aufgabe betrifft einen Fragebogen, den die Probanden zwei Tage nach der Sitzung mit dem Versuchsleiter ausfüllen sollen. Dabei wird besonders betont, daß Datum und Uhrzeit des Ausfüllens auf dem Fragebogen festgehalten werden müssen. Wurde nach dem roten Stift gefragt bzw. das Datum und die Uhrzeit beim Bearbeiten des Fragebogens aufgeschrieben, galt die Aufgabe als erfüllt. Die Autoren erwarten einen negativen Zusammenhang zwischen dem Erfolg der beidenprospective remembering Aufgaben und der Anzahl berichteter Gedächtnisfehler sowie einen positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl berichteter Gedächtnisfehler und der Häufigkeit des Einsatzes von Gedächtnishilfen. Dabei soll die Anzahl der Fehler beim Test wie beim Fragebogen über das Alter steigen soll. Die Ergebnisse sind enttäuschend. Zwar finden Dobbs und Rule (1987) einen schwachen Zusammenhang von der Altersgruppe auf der einen Seite und den berichteten Gedächtnisfehlern bzw. der prospective remembering task auf der anderen. Die angegebene Nutzung von Gedächtnishilfen hat aber weder mit den Leistungen bei der prospective remembering task noch mit den angegebenen Gedächtnisfehlern noch mit dem Alter etwas zu tun. Mehr noch: die Altersgruppe mit den besten Ergebnissen bei der prospective remembering task (40 bis 49 Jahre alt) ist die, die auch über den häufigsten Einsatz von Gedächtnishilfen berichtet. Das weist aber genau in die Gegenrichtung der ursprünglichen Überlegungen. Die Autoren tun sich schwer, diese Ergebnisse zu interpretieren. Sie vermuten, daß Probanden ihr Gedächtnis generell schlecht einschätzen, daß unterschiedliche Lebenssituationen zu unterschiedlichem Umgang mit Gedächtnishilfen führen oder daß ältere Menschen über die Effektivität von Gedächtnis hilfen nichts wissen oder nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Ein überzeugendes Gesamtbild können sie aber nicht liefern. Die Studie hat sicherlich eine Reihe methodischer Probleme. Beim Einsatz von Fragebogen zum Metagedächtnis stößt man auf das memory introspection paradox (Herrmann, 1979, 1984): Je mehr Gedächtnisfehler auftauchen, um so besser müßte das Gedächtnis sein, um sich an all diese Fehler zu erinnern (vgl. Morris, 1984, für weitere Problem beim Einsatz von Metagedächtnisfragebögen). Der Vergleich von Fragebogendaten und Testdaten impliziert einen asymmetrischen Schluß von der verbalen Ebene auf die Verhaltensebene oder umgekehrt, was ebenfalls mit methodischen Probleme behaftet ist. Aber auch ohne methodische Probleme bleibt die Frage, ob ein Zusammenhang überhaupt zu erwarten wäre. Denn mit einem etwas anderen Ansatz kommen Lovelace und Twohig (1990) zu ähnlichen Ergebnissen. In ihrer Interviewstudie fragen sie ältere Erwachsene, ob bei ihnen bestimmte Typen von Gedächtnisfehlern mit dem Alter häufiger oder seltener auftreten bzw. ob sie bestimmte 13 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung Gedächtnishilfen häufiger oder seltener einsetzten würden als früher. Zur Auswertung vergleichen die Autoren die Anzahl der Probanden, die eine Zunahme, mit der Anzahl derer, die eine Verminderung des jeweiligen Parameters angaben. Bei fünf von sieben Typen von Gedächtnisfehlern berichteten signifikant mehr Probanden von einer Zunahme der Fehler über das Alter als von einer Abnahme solcher Fehler. Dagegen gaben bei fünf von sechs externen Speichertypen signifikant mehr Probanden eine Verminderung der Einsatzhäufigkeit der externen Speicher mit steigendem das Alter an. Die Ergebnisse weisen also in die gleiche Richtung wie Dobbs und Rule (1987): eine Verschlechterung des Gedächtnisses wird nicht durch einen Mehreinsatz von ‘Gedächtnishilfen’ ausgeglichen. Auch diese Untersuchung erscheint methodisch nicht unproblematisch (z.B. die Art der Aggregation der Fragebogendaten; die statistische Auswertung, die keine Überprüfung des hier diskutierten Zusammenhanges erlaubt). Die zentrale Frage scheint allerdings nicht methodologisch, sondern theoretisch zu sein: Die implizite Theorie der Speicherwahl ist bei genauerer Betrachtung völlig unzureichend und führt zu Hypothesen, deren Validierung auch theoretisch nicht zu erwarten ist. 1.2 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung Um eine vollständige Theorie der Speicherwahl zu entwerfen, können zwei Ansätze fruchtbar gemacht werden, die die Spaltung zwischen Gedächtnis und Umwelt aufheben: das Konstrukt des Metagedächtnisses und die Handlungstheorie. Metagedächtnis als Wissen über Speichermöglichkeiten kann, je nach Verständnis des Konstruktes, durchaus auch externe Speicher einbeziehen. Die handlungstheoretische Perspektive erlaubt, von der Bearbeitung einer Repräsentationsaufgabe auszugehen, für deren Lösung externe und interne Speichermöglichkeiten gleichberechtigt zur Verfügung stehen. 1.2.1 Metagedächtnis: das Konstrukt und seine Probleme Ein wesentlicher Baustein zur theoretischen Verknüpfung von Gedächtnispsychologie und externen Speichern ist prinzipiell schon vor über 25 Jahren durch die Einführung des Begriffs Metagedächtnis (Flavell, 1971) entwickelt worden. Metagedächtnis als „individual’s knowledge of and awareness of memory, or of anything pertinent to information storage and retrieval“ (Flavell & Wellman, 1977, p. 4) impliziert nämlich Wissen über das eigene Gedächtnisund die äußere Welt, soweit sie gedächtnisrelevant ist: In fact, what we are calling „knowledge about memory“ may itself be too narrow a designation, since some of the „knowledge“ one might wish to talk about in this connection may not be about „memory“ as conventionally understood. It might, for example, consist of knowledge about how 14 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung to search the external world intelligently, a form of knowledge, that also undergoes a marked development with age...(Flavell & Wellman, 1977, p. 6, Hervorhebung im Original). Metagedächtnis ist demnach eine übergeordnete Ebene, auf der alle Speichermöglichkeiten repräsentiert sind. Die große Extension des Begriffs Metagedächtnis führte zu einer Fülle von Klassifikationsversuchen (z.B. Flavell & Wellman, 1977;Brown, 1978; Flavell, 1979, 1981, 1984; Wellman, 1983, 1985; Kluwe 1981, 1982; Kluwe & Schiebler, 1984; Paris & Lindauer, 1982; Oka & Paris, 1987; der Versuch eines Überblicks findet sich in Schneider, 1989), deren Beziehung zueinander unklar bleibt. Dieser Fülle steht ein Mangel an empirischen Belegen gegenüber; so bewertet Schneider (1989) die zur Veranschaulichung des jeweiligen Modells eingesetzten Pfeildiagramme als genauso beliebt wie beliebig. Sie mögen intuitiv mehr oder weniger plausibel sein, entziehen sich aber weitgehend der empirischen Überprüfung (vgl. Hasselhorn, 1986). Die schwammige Verwendung des Begriffs (z.B. Weinert, 1990) führte zu harscher Kritik: Er wurde als ein „vielköpfiges Monstrum ungeklärter Elternschaft“ bezeichnet (Schneider, 1989, S. 28; Brown, 1984), und als ‘Emma’ bezeichnet; ein Kürzel füreven more mysterious apparatus: ein Apparat der bedeutende Leistungen vollbringt, ohne daß irgend jemand wüßte, wie er funktioniert (Marshall und Morton, 1978). Die generelle Problematik beim Versuch zu beschreiben, was nun genau Metagedächtnis ist, zeigt sich bei der Debatte um den Begriff Metakognition (metacognition). Mitte der siebziger Jahre kam dieser Terminus in Mode und begann, den des Metagedächtnisses zu ersetzen (Brown, 1984). Metakognition erweitert den Begriff Metagedächtnis; trotzdem ist die Trennung beider Konstrukte schwierig. Metagedächtnis zielt auf das Wissen über Kognitionen, während Metakognition zudem auch exekutive Prozesses wie die Planung einer Aufgabenbearbeitung, Überwachung des Lernens und Ergebnisprüfung umfaßt (Brown, 1984). Diese Erweiterung wurde kontrovers diskutiert. Sie wurde als modisch und überflüssig bewertet (Marshall & Morton, 1978), und ihr wurde vorgeworfen, die Konfusion um das Konstrukt zu erhöhen, ohne einen Erkenntnisfortschritt zu bringen (Cavanaugh & Perlmutter, 1982). Folgerichtig wurde die Einschränkung der Bedeutungsweite des Konstrukts als Weg zur Klärung seines Inhaltes empfohlen (Brown, 1984). Das Problem scheint aber tiefer zu liegen. Exekutive Prozesse sind durchaus schon in der ursprünglichen Definition von Metagedächtnis enthalten. Neben dem Wissen um das eigene Wissen umfaßt Flavell (1971) damit nämlich auch : „...structuring and storage of input,... search and retrieval operations, and... monitoring and knowledge of these storage and retrieval operations....“ (Flavell, 1971, p.277). Tatsächlich scheint es schwer möglich zu sein, diese Aspekte überhaupt auszuklammern. 15 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung Wenn Metagedächtnis das Wissen vom eigenen Gedächtnis ist und Gedächtnisinhalte in deklaratives und prozedurales Wissen unterteilt werden (z.B. Anderson, 1982, 1983), dann müßte Metagedächtnis auch beide Gedächtniskomponenten umfassen: Wissen um deklaratives Wissen ebenso wie Wissen um prozedurales Wissen. Umgekehrt scheint es dann aber willkürlich, deklaratives Wissen über das eigene Gedächtnis (z.B. „Ich weiß, daß ich eine Vokabel behalte, wenn ich sie lange genug lerne“) in den Bedeutungszusammenhang von Metagedächtnis zu bringen, prozedurales Wissen über das eigene Gedächtnis (z.B. „Ich beherrsche diese Vokabel noch nicht, deswegen muß ich sie länger lernen“) aber nicht. Wird von Metagedächtnis oder Metakognition in der Literatur gesprochen, so kann damit unterschiedlichstes gemeint sein. Mit Metakognition wird von Flavell (1979) die exekutive und prozedurale Komponenten des Wissens über das Wissen zu bezeichnet. Mecklenbräuker, Wippich und Bredenkamp (1992) bezeichnen diese prozedurale Komponente als Metagedächtnis. Schneider (1989) spricht von Metagedächtnis als deklarativem Teil des Wissens über das eigene Wissen und kontrastiert dazu die prozeduralen Aspekte des Wissens über das Wissen, die er exekutive Prozesse nennt. Brown (1984) oder Wellman (1983) schließlich fassen wieder beide Bedeutungsbereiche unter dem Begriff Metakognition zusammen. Der Umgang mit diesem Begriffspaar scheint auch ein sprachliches Phänomen zu sein. Während in der anglo-amerikanischen Literaturmetacognition fast vollständig metamemory ersetzt hat, findet sich Metagedächtnis noch häufig in der deutschsprachigen Literatur; m.E. ohne daß damit eine andere Intension oder Extension ausgedrückt wird. Grundsätzlich ist es aber fraglich, ob die Extension des Begriffs für seine Unschärfe verantwortlich gemacht werden kann. Wie Mecklenbräuker, Wippich und Bredenkamp (1992) richtig argumentieren, hat auch der Begriff ‘Säugetier“ eine größere Extension als der Begriff ‘Hund’, ist deswegen aber nicht unschärfer definiert. Es scheint eher die breite, teilweise unreflektierte Nutzung des Terminus zu sein, der ihn unscharf macht. Wellman (1983) bringt diese Problematik auf den Punkt. Er bezeichnet Metagedächtnis bzw. Metakognition alsfuzzy concept und charakterisiert es durch vier Merkmale. Erstens, es gibt einen zentralen Unterschied zu anderen Phänomenen. Zweitens, dieser Unterschied verankert das Konstrukt zwar, definiert es aber nicht. Drittens gibt es bei vielen Phänomenen keine Übereinstimmung darüber, ob sie zu Metakognition gehören oder nicht. Viertens haben verschiedene Phänomene, die unter dem Oberbegriff Metakognition gefaßt werden, wenig miteinander zu tun. Dabei muß man die Problematik des Begriffs ‘Metagedächtnis’ in Relation zu anderen psychologischen Termini sehen. Für andere zentrale Konstrukte wie ‘Intelligenz’, ‘Gedächtnis’ oder ‘Wissen’ ist die Situation nicht anders: Obwohl sie äußerst unscharf definiert sind, kann die empirische Forschung fruchtbar mit diesen Konstrukten arbeiten (Wellman, 1983; Mecklenbräuker et 16 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung al., 1992). Die Definitionsproblematik kann, wenn man sie bewußt reflektiert und in die jeweilige Arbeit integriert, das Verständnis der zugrundeliegenden kognitiven Vorgänge inspirieren und fördern (Schneider, 1989; Paris & Lindauer, 1982) - was u.a. die intensiven Forschungsaktivitäten zum Metagedächtnis belegen. Vielleicht liegt die Spezifität bei ‘Metagedächtnis’ darin, daß es ein Kunstwort der psychologischen Wissenschaft ist und deswegen eine exakte Definition erwarten läßt, während andere Konstrukte schon eine umgangssprachliche Bedeutung mitbringen und daher eine wissenschaftliche Definition nicht ebenso vermißt wird. Um das Konstrukt Metagedächtnis trotz dieser Ausgangslage für eine empirische Arbeit fruchtbar zu machen, müssen folglich zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muß bei der Fülle der Möglichkeiten beschrieben werden, was in der vorliegenden Arbeit unter Metagedächtnis verstanden wird. Zweitens muß das Konstrukt zumindest teilweise soweit präzisiert werden, daß sich davon empirisch überprüfbare Hypothesen ableiten lassen. Wenn sich ein deskriptives Konstrukt nämlich in Teilkomponenten präzise beschreiben läßt und dadurch empirische Fakten korrekt vorhersagen kann, legitimiert das auch wissenschaftstheoretisch seine Nutzung (Kluwe & Friedrichsen, 1984). 1.2.2 Handlungspsychologie: hierarchische Handlungsregulation Die Handlungspsychologie bietet einen fruchtbaren theoretischen Rahmen für die Behandlung von externen Speichern. Da die Handlung im Mittelpunkt steht, ist die Kluft zwischen Gedächtnis als internem Speicher und externen Speichern aufgehoben: beides sind Werkzeuge, um Informationen, die in einem Handlungszusammenhang wichtig werden, zu erhalten oder zu sichern. So verstanden wird Behalten und Erinnern von einem rein mentalen Akt zu einer rekonstruktiven Handlung (Muthig & Schönpflug, 1981); zu einem Prozeß also, der auch sensumotorische Komponenten umfaßt. Im alltäglichen Umgang mit zu merkender Information ist Behalten und Erinnern immer in eine umfassendere theoretische oder praktische Tätigkeit eingebettet, die die Möglichkeit externer Speicherung gleichberechtigt neben die interne Speicherung stellt. Auch wo das Einprägen von Information im Gedächtnis ein Selbstzweck zu sein scheint, beispielsweise in der Schule oder dem psychologischen Labor, bestimmt der Handlungszusammenhang - die nächste Klassenarbeit oder der Versuchspersonenschein - die Notwendigkeit der Informationsspeicherung. Spezifisch ist dabei, daß dieser Handlungskontext die sonst freie Speicherwahl ausschließt und tatsächlich die rein interne Speicherung fordert. Dieses Paradigma diente als Grundlage für eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung des Gedächtnisses. So stellt Piekenhain (1988) die externe Informationsspeicherung in den Rahmen der Evolutionsgeschichte, wo Veränderung der Umwelt durch das Verhalten von Organismen wieder auf 17 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung die Organismen zurückwirkte und neue Entwicklungen ermöglichte. Der externen Speicherung weist er dabei im Rahmen der stürmischen Entwicklung der psychischen Funktionen beim Menschen eine zentrale Rolle zu (vgl. Leontjev, 1971/1959). Muthig (1983) sieht in der externen Speicherung einen Zielpunkt der Gedächtnisentwicklung. Ausgangspunkt bildet das Artgedächtnis der Kleinstlebewesen, wo Information schon permanent, aber weder veränderbar noch flexibel nutzbar war. Erster individueller Gedächtnisbesitz ist zwar veränderbar, aber weder permanent noch kollektiv nutzbar. Durch Erfahrungstransfer wird dieses Wissen zumindest bedingt kollektiv nutzbar. Mit der Entwicklung externer Informationsspeicherung kann sich schließlich ein permanentes, flexibles und kollektiv nutzbares Gesellschaftsgedächtnis herausbilden. Aus der Perspektive einer empirischen Wissenschaft sind die Überlegungen dieser und anderer Autoren (z.B. Hunter, 1979) aber zunächst zu allgemein, um konkrete Forschungstätigkeit anregen zu können. Es bedarf also der Entwicklung von Modellen, die die handlungstheoretische Perspektive beibehalten, aber manifestes Verhalten tatsächlich erklären und vorhersagen können (vgl. Oppenheimer, 1987, 1991). Ein wertvollen Ansatz dafür sind die Modelle zur Steuerung von Handlungen (z.B. Hacker, 1973) oder kognitiven Funktionen (z.B. Morris, 1981; Morris & Hampson, 1983). Grundannahme ist eine hierarchische Struktur, bei der eine übergeordnete Ebene eine untergeordnete Ebene kontrolliert und, soweit erforderlich, direkt steuert. Auf kognitive Funktionen wendet das BOSSModell diesen Ansatz an. Aus der Frage, welche kognitiven Prozesse einer introspektiven Betrachtung zugänglich sind, entwickelt Morris (1981) das zweistufige Modell. Es gibt eine übergeordnete Ebene, die er - analog der Leitung eines Betriebes - als BOSS bezeichnet und eine untergeordnete Ebene, die er die EMPLOYEE-Systeme nennt. Die Information, die auf der BOSS-Ebene verarbeitet wird, ist bewußt, im Unterschied zu den EMPLOYEE-Systemen, zu denen ein introspektiver Zugang nicht möglich ist. Auf der BOSS-Ebene sind übergeordnete Ziele, Pläne und Handlungsabsichten repräsentiert. Die Ausführung von Handlungen oder kognitiven Funktionen wird von den verschiedenen EMPLOYEESystemen durchgeführt. Das EMPLOYEE-System hat drei Funktionen: es transformiert ankommende Signale in eine Form, wie sie für das kognitive System verarbeitbar ist (z.B. Worte, Wahrnehmungs objekte aus den verschiedenen Sinnesmodalitäten). Es benutzt diese Informationen, um auf stereotype Art zu handeln, wenn diese Handlung nicht der Steuerung durch BOSS erfordert. Schließlich kontrollieren die EMPLOYEE-Systeme wiederum untergeordnete Funktionen, um Handlungen durchzuführen. Die EMPLOYEE-Systeme sind also selbst wieder hierarchisch organisiert und können untereinander interagieren. BOSS greift immer dann ein, wenn ein neuer Plan initiiert werden soll oder aber bewußte Kontrolle routinierter Handlungsabläufe erforderlich wird. Auf der BOSS-Ebene wird 18 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung zukünftiges Verhalten geplant, vor allem, wenn es von Tagesroutinen abweicht. Zielgerichtetes Verhalten wird dort organisiert und Strategien dafür entwickelt bzw. ausgewählt. Die Durchführung von Handlungsplänen wird kontrolliert und der flexible Einsatz von alternativen Strategien bei Fehlern im Handlungsplan wird gesteuert. Entscheidungen werden, wenn sie nicht trivial sind, sondern eine Evaluation der Situation verlangen, von der BOSS-Ebene gefällt. Schließlich ist die BOSS-Ebene fähig zu introspektiver Selbstbeobachtung. Beispielsweise ist das Erinnern an bestimmte Informationen zunächst ein automatischer, von den EMPLOYEE-Systemen getragener Prozeß, der von BOSS nur initiiert wird. Die erinnerte Information wird von BOSS geprüft; ist sie unzureichend, initiiert BOSS unter Umständen eine intensive, bewußt gesteuerte Suche im Gedächtnis (recollection; Baddeley, 1982), bei der BOSS unterschiedlichste Strategien entwickelt und anwendet. 1.2.3 Metagedächtnis als hierarchische Regulation von Gedächtnistätigkeit Die vorliegende Arbeit behandelt die Begriffe Metagedächtnis und Metakognition synonym. Im Sinne der Definition des Metagedächtnisses von Nelson und Narens (1990) wird Metagedächtnis nicht nur als Abbildungssystem verstanden, sondern auch als Exekutive, die kognitive Funktionen auf der Ebene des Gedächtnisses initiiert, steuert und beendet. Nelson und Narens (1990) sehen drei Prinzipien als konstitutiv für den Begriff des Metagedächtnisses an: 1. Der kognitive Prozeß wird unterteilt in (mindestens) zwei Ebenen: die Objektebene und die Metaebene; 2. Die Metaebene beinhaltet eine dynamische Repräsentation der Objektebene, während die Objektebene keine Information über den Zustand der Metaebene hat; 3. Die Beziehungen beider Ebenen zueinander sind durch die Art des Informationsflusses gekennzeichnet: monitoring von Objektebene zur Metaebene und control von Metaebene zur Objektebene, d.h. die Metaebene erhält von der Objektebene Informationen über den Zustand der Objektebene, die Objektebene erhält von der Metaebene Anweisungen um kognitive Prozesse zu initiieren, weiterzuführen, zu modifizieren und abzubrechen. Die Metaebene ist relativ zu verstehen: Die Metaebene wird zur Metaebene, weil sie ein dynamisches Modell der Objektebene beinhaltet; die Objektebene wird zur Objektebene, da sie keinerlei Repräsentation der Metaebene kennt. Das läßt ein rekursives Verständnis zu: Es ist eine MetaMetaebene denkbar, eine Meta-Meta-Meta-ebene usf. Definierendes Merkmal ist jeweils die durch Beobachtung und Kontrolle bestimmte Beziehung zur Objektebene. Metagedächtnis ist die Metaebene, 19 Externe Speicher in der psychologischen Theoriebildung auf der alle Einheiten, Funktionen und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Speicherung, dem Erinnern und Verarbeiten von Informationen beobachtet und kontrolliert werden. Das kann sowohl interne Gedächtniszustände als auch externe Speichermöglichkeiten umfassen. Die Ähnlichkeit dieser Definition mit dem BOSS-Modell (Morris, 1981; s.o.) ist auffällig. Das Metagedächtnis entspricht weitgehend der BOSS-Ebene, die Objektebene entspricht in etwa den EMPLOYEE-Systemen des BOSS-Modells. Das BOSS-Modell macht über beide Ebenen weitere Aussagen, die einer Differenzierung der Metagedächtnisdefinition von Nelson und Narens (1990) gleichkommt. So stehen beispielsweise die Bewußtseinsfähigkeit der BOSS-Ebene oder die Erledigung stereotypischer Aufgaben durch das EMPLOYEE-System nicht im Widerspruch zu den Funktionen von Metaebene und Objektebene, spielen in deren Definition aber keine Rolle. Die wesentliche Gemeinsamkeit ist die Vorstellung einer hierarchischen Regulation von Gedächtnistätigkeiten, wo eine übergeordnete Ebene eine untergeordnete repräsentiert und steuert. Mit diesem Verständnis vom Metagedächtnis wird auch der Umgang mit externen und internen Speichern theoretisch faßbar. Das Gesamtsystem von externen und internen Speichermöglichkeiten unter Steuerung einer Metaebene, auf der diese Speichermöglichkeiten repräsentiert sind, läßt sich alsExtended Memory Sytem (EMS) bzw. Erweitertes Gedächtnissystem (EGS) verstehen (Schönpflug & Esser, 1995). Im EGS ist das individuelle Gedächtnis Teil eines Gesamtsystems, das gleichberechtigt auch technische und soziale Komponenten zur Informationsspeicherung enthält. Vor dem Hintergrund der Metagedächtnisdefinition von Nelson und Narens (1990) stellt sich das Zusammenspiel dieser Teilkomponenten wie folgt dar: Zum Metagedächtnis fließen die Informationen über die Eigenschaften, den Zustand usw. der jeweiligen Speicher. Das aktualisiert und verändert gegebenenfalls die Repräsentation dieser Speicher im Metagedächtnis. Das Metagedächtnis steuert direkt den Einsatz der verschiedenen Speicher. Dabei bilden die funktionelle Merkmale, die das Metagedächtnis von den verschiedenen Speichersystemen kennt (Beobachtung), die Grundlage für seine Entscheidung (Kontrolle). Je nachdem, ob ein Speicher für eine bestimmte Repräsentationsaufgabe gesucht, ein Speicher bewirtschaftet oder ein Informations abruf aus einem Speicher initiiert wird, benötigt das Metagedächtnis unterschiedliche Information über die Speicher. Beim Abruf muß es so beispielsweise die Inhalte der einzelnen Speicher kennen (vgl. Schönpflug, 1986b; Schönpflug & Esser, 1991; vgl. Abb. 2). Aus diesem Modell können noch keine empirisch prüfbare Hypothesen abgeleitet werden. Es bietet aber einen fruchtbaren Ausgangspunkt, um einzelne Teilprozesse weiter zu differenzieren. Die Entscheidung für einen bestimmten Speicher, in dem die jeweilige Information repräsentiert werden soll, bietet sich als erster Teilprozeß an. Die Speicherwahl steht am Anfang des Gesamtprozesses; 20 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) METAEBENE INFOFLUß Metagedächtnis Kontrolle OBJEKTGedächtnis EBENE Terminkalender Abb. 2 Beobachtung ... Notizzettel Das Erweiterte Gedächtnissystem (EGS), modifiziert dargestellt nach der Metagedächtniskonzeption von Nelson und Narens (1990). weitere Teilprozesse wie die Bewirtschaftung des Speichers oder der Abruf aus dem Speicher sind von der Wahl des Speichers abhängig. Um auch diese weiteren Teilprozesse differenzierter zu modellieren, muß als erstes der Prozeß der Speicherwahl geklärt sein. Es ist beispielsweise anzunehmen, daß die Art der Speicherwahl den Abruf aus dem Speicher maßgeblich beeinflußt. Im folgenden soll deswegen, durch refining (vgl. Nelson & Narens, 1990, pp.139) der Speicherwahl im EGS von Schönpflug & Esser (1995) ein Modell formuliert werden, das einerseits die bisherigen Forschungsergebnisse aufnimmt, andererseits aber auch so konkret ist, daß sich empirisch überprüfbare Hypothesen ableiten lassen. 1.3 Modellierung der Wahl eines Speichers Für die Modellierung der Speicherwahl müssen zwei Ebenen unterschieden werden. Die erste betrifft die Evaluation verschiedener metakognitiver Parameter. Die zweite Ebene ist dieser übergeordnet und behandelt die Frage, ob es zur Speicherwahl überhaupt dieser metakognitiver Parameter bedarf. 1.3.1 Kritische Parameter bei der Speicherwahl Geht man davon aus, daß die Wahl eines Speichers auf der Grundlage von Einschätzungen metakognitiver Parameter geschieht, zeigt die relevante Forschung, daß die Einschätzung des eigenen Gedächtnisses nicht - wie in der impliziten Theorie angenommen - der einzige wirksame Parameter ist. 21 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) 1.3.1.1 Erfolgswahrscheinlichkeit der externen Speicherung Ein externer Speicher sollte nur dann gewählt wird, wenn sein Einsatz Erfolg verspricht. Die Wirkung der Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit des externen Speichers konnten Esser und Schönpflug (in prep.) demonstrieren. Probanden sollten Texte lernen, um sich auf Fragen zum Text vorzubereiten. Eine Kontrollgruppe bearbeitete diese Aufgabe, ohne daß sie einen externen Speicher zur Verfügung hatte. Beide Experimentalgruppen dagegen konnten Teile der Texte in eine Datenbank auslagern. Die Texte wurden am Rechner präsentiert; die Lernzeit war für die Probanden selbstgesteuert. In der Testphase mußten alle Probanden die Fragen zu den Texten ohne externen Speicher beantworten. Danach konnten die Experimentalgruppen ihre Antworten aber mit Hilfe der ausgelagerten Textteile korrigieren und ergänzen. Durch unterschiedliche Trainigsphasen wurde die Erwartungshaltung der Probanden gegenüber dem externen Speicher variiert. Experimentalgruppe A mußte in der Trainigsphase die Fragen erst aus dem Kopf beantworten, um sie danach mit Hilfe des externen Speichers zu korrigieren. Experimental gruppe B dagegen bekam sofort mit den Fragen auch die entsprechenden Teile der Texte präsentiert, soweit diese vorher von ihr abgespeichert worden waren. Gruppe A half der externe Speicher bei der ersten Beantwortung der Fragen nicht. Die Erwartung der Unterstützung durch den externen Speicher konnte also nur eine nachträgliche Verbesserung der Antworten betreffen. Für Experimentalgruppe B dagegen war die Erwartung der Unterstützung hoch: hier konnte der externe Speicher als möglicher Ersatz für das eigene Gedächtnis erscheinen. Ist die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit des externen Speichers kritisch für seinen Einsatz, so müßte diese Variation in der Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit entscheidenden Einfluß auf den Umgang mit dem Speicher haben. Die Ergebnisse bestätigen diese Hypothese (siehe Tab. 1). Experimentalgruppe A zeigt bei der Beantwortung der Fragen ohne Hilfe des externen Speichers die gleichen Ergebnisse wie die Kontrollgruppe. Erscheint die Erfolgswahrscheinlichkeit des Speichereinsatzes also fraglich, wird der Text genauso gelernt wie ohne externen Speicher. Anders Experimentalgruppe B: Ausgelagerte Textteile werden nicht gelernt. Das führt zwar zu einem Einbruch bei der Beantwortung der Fragen ohne Hilfe des Speichers, aber zur besten Gesamtleistung, da die Lernkapazität vollständig für die nicht ausgelagerten Sätze aufgewandt wurde. Bei hoher Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der externen Speicherung kann der externen Speicher das Gedächtnis also ersetzen, was eine optimale Verteilung der Ressourcen zwischen dem externen und internen Speicher und damit die beste Gesamtleistung ermöglicht. Wird die Erfolgswahrscheinlichkeit des externen Speichers gering eingeschätzt, so wird der Speicher in der Lernphase auch wenig genutzt. 22 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Richtige Antworten je nach Einsatzart des externen Speichers Versuchspersonengruppen: Anteil richtig beantworteter Fragen... Kontrollgruppe ohne externen Speicher ...ohne externen Speicher 46.5% ...mit externem Speicher - Gruppe A Gruppe B Externer Speicher Externer Speicher mit ohne Erwartung Erwartung sofortiger sofortiger Hilfe Hilfe 44.4% 37.5% 66.9% 78.8% Tab. 1 Ergebnisse aus der Studie von Esser und Schönpflug (in prep.). Erwarten die Probanden Unterstützung durch den externen Speichers, konzentrieren sie sich beim Lernen auf die nicht vom externen Speicher unterstützten Elemente; ist die Unterstützung unsicher, wird die Information sowohl extern als auch intern gespeichert. Die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der externen Speicherung ist auch für das Gedächtnis im Alltag bedeutsam. Schönpflug und Fritsch (1994) konnten zeigen, daß eine Probandengruppe im Alter von 65 - 80 Jahre sich deutlich schlechter als Probanden im Alter von 30 45 Jahren daran erinnern konnte, ob sie zu einer bestimmten Information eine Notiz angefertigt hatte oder nicht. Das Wissen darum, daß eine bestimmte Information extern gespeichert ist, ist aber eine Grundvoraussetzung der erfolgreichen Suche (Schönpflug, 1986b, 1987). Ist diese Information nicht vorhanden, ist die Gefahr groß, entweder eine extern gespeicherte Information nicht abzurufen oder eine Suche nach einer Information zu starten, die nicht extern abgespeichert wurde. Beide Fälle verringern die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen externen Speicherung. Wird bei der Speicherwahl auch die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit des externen Speichers berücksichtigt, müßte der externe Speicher seltener gewählt werden. Diese Überlegungen führen zu einer ersten theoretischen Kritik der Hypothesen von Dobbs und Rule (1987) bzw. Lovelace und Twohig (1990, vgl. 1.1.2). Selbst wenn bei älteren Menschen Gedächtnisfehler häufiger auftreten als bei jüngeren, ist es nur dann rational, diese Fehler durch häufigeren Einsatz von externen Speichern zu kompensieren, wenn der Einsatz externer Speicher eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit verspricht. Sollten aber der Einsatz von externen Speichern für ältere Menschen nur eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit haben - worauf die Studie von Schönpflug und Fritsch (1994) hinweist - ist es rational, ihren Einsatz selbst bei steigender Anzahl von Gedächtnisfehlern nicht zu intensivieren. 1.3.1.2 Aufwand der Speicherung Nicht nur der Nutzen vom, sondern auch die Kosten beim Einsatz eines Speichers sind für seinen Einsatz kritisch. Je höher der Aufwand einer Speicherung, um so weniger wahrscheinlich findet sie statt. 23 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) So vermutet Baddeley (1976), daß externe Speicher dem internen vorgezogen werden, weil ihr Einsatz weniger aufwendig ist. Tatsächlich scheinen Mnemotechniken sich hauptsächlich in psychologischen Laboratorien einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen, nicht aber im Alltag: ihre Anwendung erscheint Probanden, im Vergleich zu externen Speichern als zu aufwendig (Bellezza, 1983). Auch in der Interviewstudie von Intons-Peterson und Fournier (1986) geben die Probanden an, die externen Speicher dem internen mit oder ohne mnemotechnische Unterstützung vorzuziehen. Als Grund dafür wird neben der größeren Verläßlichkeit und Genauigkeit des externen Speichers (d.i. der größeren Erfolgswahrscheinlichkeit einer externen Speicherung) die einfachere Handhabung von externen Speichern genannt. Für die externe Speicherung wiesen Schönpflug und Kollegen die Bedeutung des Aufwandes der Speicherung in einer Serie von Studien nach. In einer virtuellen Welt sollten Probanden eine Reihe von Materialien durcharbeiten, um einen Bericht über die Besiedlungsmöglichkeit eines fremden Planeten zu schreiben. Diese Materialien konnten entweder gelernt oder externalisiert werden. Die Externalisierung war durch den Ausdruck der Materialien operationalisiert, dabei wurde der manuelle und zeitliche Aufwand für die Anfertigung eines Ausdrucks variiert. War ein Ausdruck in einer der Bedingungen mit einem einzigen Befehl realisierbar, mußten die Probanden in der anderen Bedingung ein komplexes Menü bearbeiten und eine Wartezeit durchstehen, um einen Ausdruck zu starten. Erwartungsgemäß wurden in dieser Bedingung signifikant weniger Kopien angefertigt (Schönpflug, 1986c). Diese Beziehung gilt nicht nur für die Abspeicherung, sodern auch für den Aufwand des Abrufs aus einem externen Speicher. Um Informationen aus einem externen Speicher abrufen zu können, müssen Informationen über diese Speicherung intern gespeichert werden (Quellwissen, vgl. Schönpflug, 1986b, 1987). Dieses Quellwissen kann, je nach Speicher, mehr oder weniger komplex sein. In einer Reihe von Untersuchungen wurde der Aufwand des Rückrufs einer Information aus einem externen Speicher variiert, indem das zum Rückruf erforderliche Quellwissen manipuliert wurde. Die Adressen, unter denen eine bestimmte Information aus einer Datenbank abgerufen werden konnten, waren mehr oder weniger komplex. Je mehr Informationseinheiten die Adresse eines Textes beinhaltet, um so seltener wird dieser Text eingespeichert (Schönpflug, 1986a, 1987). Sind die Adressen für eine Speicherung mnemotechnisch trainiert, der Lernaufwand für diese Adressen also minimiert, werden mehr Texte extern gespeichert, als bei Adressen, die ohne Training gelernt werden müssen (Schönpflug & Esser, 1991). Schließlich wird häufiger extern gespeichert, wenn Adressen semantisch zu ihren Texten passen. Auch das ist als eine Manipulation des Aufwandes interpretierbar. Da die Makrostruktur eines externalisierten Textes gelernt werden muß, um zu wissen, welcher Text externalisiert worden ist 24 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) (cf. Schönpflug, 1986c) bedeutet das Lernen semantisch passender Adressen weniger zusätzlichen Lernaufwand als das Lernen semantisch nicht passender Adressen (Schönpflug, 1988, 1989b). Wichtig an diesen Studien ist auch, daß der Aufwand beim Abruf aus einen externen Speicher bei der Speicherwahl antizipiert zu werden scheint und in die Entscheidung für einen Speichers einfließt. Während der eingeschätzte Aufwand der Speicherung bei interner Speicherung hauptsächlich den Aufwand der Enkodierung meint, ist für externe Speicher folglich auch der Aufwand für den Abruf der Information zentral (vgl. Schönpflug, 1988). Das stimmt mit Überlegungen zum Informationsabruf überein: Der Informationsabruf aus dem internen Speicher ist in hohem Maße automatisiert und läuft zum Großteil ohne bewußte Kontroll- und Suchfunktionen (Raajimakers & Shiffrin, 1981). Anders beim externen Speicher: hier stellt die Suche nach einer ausgelagerten Information ein zur Enkodierung gleichwertiges Problem dar, daß aufwendiger werden kann als die Enkodierung selbst. Es ist zu vermuten, daß noch eine dritte Größe den Aufwand beim Einsatz eines externen Speichers bestimmt. Gerade bei längeren Behaltensintervallen muß der Speicher nämlich ‘bewirtschaftet’ werden, um den Zugang zu der in ihm enthaltenen Informationen zu erhalten (Muthig & Schönpflug, 1981). Beispielsweise ist der Inhalt einer Festplatte kaum noch erfaßbar, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit ‘aufgeräumt’ wird. Der Aufwand für den Einsatz eines externen Speichers würde sich demnach als Summe aus dem Aufwand für die Enkodierung und dem Abruf der Information sowie der Bewirtschaftung des Speichers zusammensetzen. Studien, die den Aufwand des Speichereinsatz im Altersvergleich thematisieren, sind nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß höheres Alter zu höherem Aufwand führen. So könnten Probleme mit der Feinmotorik bei älteren Menschen den Einsatz eines externen Speichers erschweren. Ein anderer Faktor wäre die Übung: da ältere Menschen wohl generell weniger Informationen behalten müssen als middle-ages, dürfte der Einsatz externer Speicher. weniger geübt und allein dadurch schon aufwendiger sein. Dann wäre es aber rational, Gedächtnisschwächen nicht automatisch durch externe Speicher zu kompensieren. Wie schon bei den Überlegungen zur Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung wäre also auch aus Sicht des Aufwandes im Kontrast zu den Erwartungen von Dobbs und Rule (1987) ein Rückgang über die Altersspanne nicht unplausibel. Es bleibt zu fragen, ob bei der internen Speicherung die beiden Größen Aufwand und Erfolg voneinander zu trennen sind; schließlich könnte, bei genügend hohem Aufwand, prinzipiell fast jede Information auch intern mit hoher Genauigkeit gemerkt werden. So werden Texte um so wahrscheinlicher intern gespeichert, je einfacher es den Probanden erscheint, sie zu lernen (Schönpflug, 1986a, 1987). Dies ist interpretierbar als eine Wirkung der größeren Erfolgswahrscheinlichkeit einer internen Speicherung von einfachen Informationen. Es könnte aber ebenso eine Folge des geringeren Aufwandes 25 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) für eine erfolgreiche interne Speicherung von einfachen sein. Studien, die beides voneinander zu trennen suchen, liegen bisher nicht vor. Auch wenn Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit bei der internen Speicherung konfundiert oder zumindest schwer trennbar sind, erscheint es auf Grund der Studien zu externen Speichern sinnvoll, die Einschätzung des Aufwandes auch bei der internen Speicherung als kritischen Parameter miteinzubeziehen. 1.3.1.3 Valenz des Erinnerns Neben Nutzen und Kosten einer Speicherung findet sich in der Literatur die generelle Valenz des erfolgreichen Erinnerns einer Information als dritter Parameter. Während sich Kosten und Nutzen auf die Relation von Speicher und zu speichernder Information beziehen, ist die Valenz des Erinnerns unabhängig vom eingesetzten Speicher und wird einzig durch die Beziehung der Information zum Handlungskontext bestimmt (vgl. 1.2.2). Eine Fülle von Laboruntersuchungen belegt den Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit einer Information und ihrem Behalten. Je wichtiger eine Information eingeschätzt wird, um so besser wird sie intern gespeichert (z.B. Le Ny, Denhiere & Le Taillanter, 1972; Harley, 1965, 1968; Waugh, 1969; Atkinson & Wickens, 1971). Dies gilt auch für das Gedächtnis im Alltag. Ley (1972, 1979) untersucht die Diskrepanz zwischen der Sicht von Krankenhauspatienten, die behaupteten, daß sie vom behandelnden Arzt nicht vollständig über ihre Situation bzw. Medikamentation aufgeklärt worden seien, und der Sicht der jeweiligen Ärzte, die überzeugt waren, diese Information sehr wohl gegeben zu haben. Als Hauptursache ergab sich, daß die Patienten tatsächlich gegebene Informationen wieder vergaßen. Die Patienten zeigten dabei einen klaren Zusammenhang zwischen der subjektiven Einschätzung der Wichtigkeit der Information und ihrem Erinnern. So erwies sich als eine der Ursache für das Vergessen, daß die Ärzte die Relevanz der gegebenen Information anders wichteten als die Patienten. Die Patienten vergaßen die Informationen, die Ihnen unwichtig erschienen - auch wenn sie für die Ärzte sehr bedeutsam waren. Durch ein entsprechendes Training der Ärzte konnte die Erinnerungsleistung der Patienten von 55% auf 70% gesteigert werden (Ley, Bradshaw, Eaves, & Walker, 1973). Für den Einsatz von externen Speichern ist bekannt, daß die Wichtigkeit einer Information die Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der sie ausgelagert wird. Informationen, die wichtig sind, werden so häufiger notiert als weniger wichtige Informationen (z.B. Kiewra, 1987). Auch im experimentellen Paradigma der virtuellen Welt von Muthig und Piekara (1984) bzw. Schönpflug (1986c) war die Wichtigkeit eines bestimmten Textes für den aktuellen Handlungskontext der beste Prädiktor der Häufigkeit, mit der dieser Text extern gespeichert wurde. 26 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Meacham und Singer (1977) zeigten einen Zusammenhang zwischen Speicherwahl und der Valenz des Abrufs. Probanden bekamen die Aufgabe, Postkarten zu bestimmten Terminen an den Versuchsleiter zu schicken. Dabei führte der Einsatz von externen Speichern, um sich an das Abschicken zu erinnern, generell zu mehr korrekt zurückgeschickten Postkarten. Variiert wurde die Valenz dieser Handlung, indem bei der Experimentalgruppe unter den erfolgreichen Einsendern eine Prämie verlost werden. Diese Zusatzinstruktion führte nicht nur zu einer Verringerung von zu spät abgeschickten oder vergessenen Postkarten, sondern auch zu vermehrtem Einsatz von externen Speichern. 1.3.1.4 Zusammenspiel der Parameter Drei für die Speicherwahl kritische Parameter hat die Literaturübersicht ergeben: Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Speicherung, ihr Aufwand und die Valenz des Erinnerns an die abzuspeichernde Information. Es gibt Hinweise darauf, daß die Valenz die zentrale Steuergröße beim Zusammenspiel der drei Variablen ist. So hat der Aufwand der externen Speicherung wenig Einfluß auf die Entscheidung, ob extern gespeichert wird oder nicht, wenn die zu speichernde Information eine hohe Relevanz für den Handlungskontext hat. Auch hoher Aufwand für die Speicherung wird in Kauf genommen, wenn der Rückruf der Information wichtig ist (Schönpflug, 1986c). Umgekehrt gilt das Gleiche: selbst wenn der Aufwand einer internen Speicherung gering bzw. die Erfolgswahrscheinlichkeit einer internen Speicherung relativ hoch ist, wird extern gespeichert, wenn der Rückruf der Information als wichtig eingeschätzt wird. So wurde die externe Speicherung der internen vorgezogen, selbst wenn die zu speichernden Informationseinheiten einen geringen Umfang hatten und dadurch die interne Speicherung sowohl wenig aufwendig als auch erfolgreich hätte sein können (Muthig & Piekara, 1984). Die Wichtigkeit des Rückrufes beeinflußten bei Schönpflug (1986c) und auch bei Muthig und Piekara (1984) sowohl die Frage, wie groß der Aufwand für eine Speicherung werdendarf (Akzeptierter Aufwand des Speicherns, AAS), als auch, wie groß die Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung werden muß (Erforderte Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung, EES). Das Zusammenspiel dieser Parameter ist vorstellbar entsprechend dem fünfstufigen Prozeß, den Le Ny et al. (1972) für das Lernen von Items annehmen, wobei der Valenz der Information die gleiche Rolle zukommt wie der individuellennorm of study bei Le Ny et al. (1972): 1. Erstellung einer individuellen Lernnorm, die sich aus der Wichtigkeit, die der Proband dem Item zuschreibt, ergibt; 27 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) 2. Lernen des Items; 3. Einschätzung des Beherrschens des Items (Feeling of knowing nach Le Ny et al., 1972; nicht zu verwechseln mit dem als FOK abgekürztenfeeling of knowing, das generell als Vorhersage der Wiedergabeleistung eines aktuell nicht beherrschten Items verstanden wird, z.B. Hart, 1965); 4. Vergleich des eingeschätzten Lernergebnisses mit der individuellen Lernnorm 5. Abbruch des Lernens, wenn die Lernnorm erreicht worden ist bzw. Fortführung, wenn sie noch nicht erreicht wurde. Diesen Zusammenhang wiesen die Autoren über von den Probanden selbst gesteuerte Lernzeiten nach. Wenn die Schwierigkeit der Items nicht variiert wurde, folgte die Lernzeit der aufeinander folgenden Items einer umgekehrten U-Funktion, um die durch den Reihenpositionseffekt (Murdock, 1962) beschriebenen Schwierigkeit der Itemabfolge zu kompensieren (Le Ny, 1969; Le Ny & Denhiere, 1970). Bei Variation der Itemschwierigkeit dagegen folgt die Lernzeit der Schwierigkeit der Items (Le Ny et al., 1972; Nelson & Leonesio, 1988). Schließlich läßt sich die Lernzeit auch durch die Variation der Wichtigkeit der einzelnen Items und damit der angenommenennorm of study steuern: monetäre Belohnungen führen z.B. zu deutlich höheren Lernleistungen (Harley, 1965, 1968). Bei der Wahl eines Speichers könnte dieser Prozeß prinzipiell gleich ablaufen, nur die Prüfgröße müßten ausgetauscht bzw. erweitert werden. Erstens wird die individuelle ‘norm of study’ ersetzt durch zwei Parameter: den Akzeptierten Aufwand für die Speicherung (AAS) und die Erforderte Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EES). Beide Parameter sind um so höher, je größer die der Repräsentationsaufgabe zugeschriebene Valenz. Zweitens würden nicht die vollbrachte Lernleistung, sondern die Erfolgswahrscheinlichkeit bzw. der Aufwand der Speicherung der Repräsentationsaufgabe in einem bestimmten Speicher eingeschätzt. Drittens würde über den Vergleich dieser beiden geschätzten Parameter mit den beiden Normparametern nicht der Abbruch des Lernprozesses, sondern die Entscheidung für oder gegen den jeweiligen Speicher steuern. Im Detail wird dieser Prozeß in Kapitel 1.4.1. beschrieben. 1.3.2 Unterschiedliche Prozesse zur Speicherwahl Neben der Frage nach den an der Evaluation eines Speichers beteiligten Parametern stellt sich das grundsätzlichere Problem, ob überhaupt bzw. unter welchen Bedingungen ein Speicher evaluiert wird. Es erscheint bei näherer Betrachtung nämlich wenig plausibel, daß Repräsentationsaufgaben generell über eine Evaluation bekannter Speicher gelöst werden. 28 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) 1.3.2.1 Speicherwahl bei häufigen, sehr geläufigen Aufgaben Drei Argumente sprechen bei sehr geläufigen Aufgaben gegen die generelle Evaluation eines Speichers. Alltagsbeobachtungen, die mangelnde Validität metakognitiver Parameter und die Ergebnisse der Forschung zu Scripten. Alltagsbeobachtung Wenn ein häufig auftauchender Typ von Repräsentationsaufgabe im Alltag gestellt wird, läßt sich ein Verhalten beobachten, das dem oben beschriebenen Prozeß der Evaluation widerspricht. Wie verhält sich beispielsweise eine Person, die gewohnt ist, einen Terminkalender zu benutzen? Jeder Termin wird im Terminkalender notiert, unabhängig von der Art des Termins oder der Zeitspanne bis zum Termin. Allein die Erwartung eines zu merkenden Termins reicht aus, um zum Terminkalender zu greifen, ohne daß schon etwas über den Termins bekannt ist. Die Wichtigkeit des Terminkalenders wird besonders dann deutlich, wenn er plötzlich nicht mehr verfügbar ist. Ein verlorener Terminkalender gleicht dann einem partiellen Gedächtnisschwund - die Orientierung im Alltag ist gestört, neue Termine aufzunehmen ist höchst problematisch und die schon notierten Termine sind definitiv verschwunden. Hier scheint keine Evaluation eines Speichers mehr stattzufinden. Vielmehr scheint es eine feste Verbindung zwischen einem bestimmten Datentyp - dem Termin - und einem bestimmten Speicher dem Terminkalender zu geben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Interviewstudie von IntonsPeterson und Fournier (1986): bestimmte Repräsentationsaufgaben scheinen generell mit bestimmten Speichern verknüpft zu sein. Metakognitive Parameter Wie gut kann eine Speicherwahl sein, die durch Evaluation zustande kommt? Nach den bisherigen Überlegungen scheint die Evaluation eines Speichers hauptsächlich von zwei Parametern abzuhängen: dem geschätzten Aufwand und der geschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung der jeweiligen Repräsentationsaufgabe im zu überprüfenden Speicher. Die Validität der kritischen Parameter bestimmt dabei die Effektivität der Speicherung. Wird die Erfolgswahrscheinlichkeit einer weniger aufwendigen Speicherung unterschätzt, führt das zu einem überflüssigen Aufwand. Schlimmer noch, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit überschätzt wird: im Extremfall kann dies zu einem kompletten Verlust der gespeicherten Information führen. Forschungen zu metakognitiven Parametern stellen aber die Validität der kritischen Parametern in Frage. In der Forschungsliteratur sind mindestens sieben verschiedene Parameter der Einschätzung der Gedächtnisleistung bekannt (vgl. z.B. Leonesio & Nelson, 1990, für einen Überblick). Da die einzelnen Parameter selbst nicht hoch miteinander korrelieren (Leonesio & Nelson, 1990), scheint die 29 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) entscheidende Größe multidimensional zu sein (für Überlegungen zu möglichen Dimensionen vgl. Krinsky & Nelson, 1985; Nelson, Gerler & Narens, 1984, bes. pp.295-299). Ein Ergebnis ist aber bei allen Parametern durchgängig: Der Zusammenhang mit der tatsächlichen Gedächtnisleistung ist gering. Überzufällig hohe korrelative Zusammenhänge zwischen Vorhersage und Erinnern bzw. Wiedererkennen lassen sich immer wieder nachweisen (vgl. Nelson, 1984, für die Diskussion des optimalen statistischen Maßes), sind aber weit vom perfekten Zusammenhang entfernt. Die hohe Korrelation zwischen Ease of Learning und Reproduktion bei frühen Untersuchungen (Richardson & Erlebacher, 1958; Underwood, 1966; Lippman & Kintz, 1968) von teilweise über .9 ist eine Funktion des Versuchsmaterials. Die Autoren arbeiteten mit sinnlosen Silben, und es bestand ein hoher Zusammenhang zwischen der Vorhersage der Erinnerung des Items, der tatsächlichen Erinnerung und der Aussprechbarkeit der Items. Bei homogenerem Material sinkt die Korrelation auf .2 bis maximal .5 (z.B. Nelson & Leonesio, 1988; Leonesio & Nelson, 1990). In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Zusammenhänge zwischen anderen metakognitiven Parametern und Leistungsmessungen (z.B. Nelson, 1988) sowie metakognitiven Parametern und der Zuteilung von Lernzeiten (sog. ‘labor-in-vaineffect’, Nelson & Leonesio, 1988; Le Ny et al., 1972; Mazzoni, Cornoldi & Marchitelli, 1990). Diese metakognitiven Parameter stimmen teilweise mit den für die Speicherwahl zu untersuchenden kritischen Parametern überein. Es ist daher plausibel, auch bei ihnen einen nur schwachen Zusammenhang zwischen Vorhersage und Leistung anzunehmen. Noch deutlicher wird das vor dem Hintergrund neuerer Studien zur Genealogie metakognitiver Urteile. Metakognition scheint ein parasitärer Prozeß des eigentlichen Erinnerns zu sein: über bestimmte Schätzalgorithmen wird die Erinnerung an Teilinformationen genutzt, um die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Erinnerung zu berechnen (vgl. Reder & Ritter, 1992; Koriat, 1993, 1994). Tatsächlich werden metakognitive Urteile um so genauer, je eher sie auf einem tatsächlichen Abrufversuch aus dem Langzeitgedächtnis basieren (delayed-JOL-effect, Nelson & Dunlovsky, 1991; entsprechend für Textreproduktionen: Maki & Serra, 1992). Während die metakognitiven Parameter aber ausschließlich das Gedächtnis betreffen, werden Erfolgswahrscheinlichkeit und Aufwand einer Speicherung nicht nur für das Gedächtnis, sondern zusätzlich auch für externe Speicher erhoben. Bei der Einschätzung externer Speicher fehlt aber nun genau diese kritische Datenbasis; ein teilweiser Rückruf aus einem externen Speicher ist in aller Regel nicht möglich. Diese Einschätzungen müssen folglich allein aus früheren Erfahrungen gespeist werden und können nicht aus der aktuellen Aufgabe entstehen. Dies dürfte die Validität der Einschätzung externer Speicher noch einmal drastisch verschlechtern. 30 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Scripte Wiederholen sich bestimmte Situationen immer wieder, so erfolgt nicht jedesmal neu eine komplette Orientierungsreaktion. Stattdessen wird spezifisches Wissen über diese Situation in Scripten organisiert (Schank & Abelson, 1977) und steht zur Verfügung, wenn diese Situation erneut auftritt. Die oben beschriebene Alltagsbeobachtung der generellen Verknüpfung bestimmter Aufgabentypen mit bestimmten Speichern tritt nur bei sehr geläufigen, also hoch trainierten Repräsentationsaufgaben auf. Die Annahme erscheint plausibel, daß diese Aufgaben durch Scripte bearbeitet werden. Scripte zur Lösung von Repräsentationsaufgabe sollen als Repräsentationsscripte (RS) bezeichnen werden. Verschiedene Repräsentationsaufgaben haben gemeinsame, definierende Merkmale, die das Repräsentationsscript aktivieren, unterscheidende Merkmale, mit denen die Leerstellen slots) ( des Repräsentationsscripts gefüllt werden und einen Speicher, in dem diese unterscheidenden Merkmale gespeichert werden. Analog zu den Scripten von Schank und Abelson (1977) sollten sich Repräsentationsscripte entwickeln, wenn ein bestimmter Aufgabentyp häufig auftaucht. Das beinhaltet, daß sich klassifizierende Merkmale herausbilden, die eine Aufgabe als einen bestimmten Typ klassifizieren. Verknüpft mit diesem klassifizierenden Teil des Scripts ist ein spezieller Speicher, in den Aufgaben dieses Typs gespeichert werden. Beispielsweise könnte der Teil eines Terminscripts, der Aufgaben als Termine klassifiziert, die kennzeichnenden Merkmale haben: etwas, was zu einem genauen Zeitpunkt im Zeitraum des nächsten halben Jahres zu erledigen ist und wichtig genug ist, daß ich mich daran erinnere. Verknüpft damit wäre ein bestimmter Speicher, beispielsweise der Terminkalender. Die Form der Speicherung des Termins im Terminkalender würde durch die Merkmale bestimmt, in denen die Aufgaben dieses Typs sich unterscheiden. Das wäre beispielsweise der Zeitpunkt, das, was zu erledigen ist, usw. Die Genese eines Repräsentationsscriptes läßt sich mit Modellen zur Textverarbeitung beschreiben. Über Makrooperatoren werden Repräsentationsaufgaben in Makropropositionen zerlegt (z.B. Kintsch & van Dijk 1978; van Dijk, 1980; van Dijk & Kintsch, 1983). Die definierende Seite eines Repräsentationsscriptes besteht dann aus einer oder mehreren Makropropositionen, die immer wieder aufgetaucht waren. Der zugeordnete Speicher würde aus Erfahrungen mit diesen Makropropositionen gewählt werden. Er müßte in einer Hinsicht hervorstechend gewesen sein, z.B. für Aufgaben dieses Typs am häufigsten genutzt oder am erfolgreichsten gewesen sein. Natürlich könnte das gesamte Repräsentationsscript auch individuell oder als Teil der Tradition gelernt worden sein. Je nach Genese können Repräsentationsscripte mehr oder weniger individuell sein; ein Terminscript könnte also als Speicher statt des Terminkalenders auch das Gedächtnis, die Pinwand, den Zettel an der Haustür usw. haben. Es wäre ebenso denkbar, daß die Klassifikation der Aufgaben individuell verschieden ist. Für Aufgaben, die sich mit dem Einkaufen beschäftigen, könnte 31 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) beispielsweise ein eigener Einkaufsscript entwickelt worden sein; denkbar wäre aber auch, daß solche Aufgaben den Terminen zugeordnet werden und entsprechend behandelt, also beispielsweise im Terminkalender notiert werden. Repräsentationsscripte machen folglich eine Aussage über intraindividuell gleiche Bearbeitung von bestimmten Aufgabentypen, nicht notwendigerweise über interindividuelle Übereinstimmungen. Interindividuell stimmt nur die Art der Bearbeitung der Repräsentationsaufgabe überein: nicht die Einschätzung von Aufgabe oder Speicher bestimmt die Wahl des Speichers, sondern einzig die Zuordnung zu einer Aufgabenklasse, für die ein Repräsentationsscript existiert. Die Anwendung eines Repräsentationsscriptes hat gegenüber der Evaluation eines Speichers mindestens zwei Vorteile. Erstens ist die Bearbeitung der Aufgabe wesentlich erleichtert; die u.U. komplexe Einschätzung der Aufgabe und unterschiedlicher Speicher wird durch eine einzige Fragestellung - gibt es für die Aufgabe ein Repräsentationsscript - ersetzt. Zweitens wird der Abruf aus dem Speicher wesentlich erleichtert. Ohne Repräsentationsscript muß zu jeder Aufgabe ein eigener Speicher gemerkt werden (Esser, 1992); je nach dem, wie stark die Signalfunktion des Speichers ist (vgl. Norman, 1988), stellt beim Abruf der Information die Suche nach bzw. in einem Speicher eine arbeitsintensive Aufgabe dar, die nicht immer zum Erfolg führt. Mit einem Repräsentationsscript wird der Abruf wesentlich erleichtert: Wissen welcher Typ von Information gesucht wird, heißt dann nämlich auch, wissen wo die abgespeicherte Information zu finden ist. Die Annahme eines Repräsentationsscriptes liefert den schärfsten theoretischen Einwand gegen die implizite Theorie der Speicherwahl. Wird nach der Erledigung von alltäglichen Repräsentationsaufgaben gefragt, ist die Erwartung eines Zusammenhangs zwischen der Einschätzung des eigenen Gedächtnisses und der Speicherwahl schlicht falsch. Alltägliche Typen von Repräsentationsaufgaben werden häufig bearbeitet. Dadurch bietet sich gerade für diese Aufgaben die Bearbeitung über Repräsentationsscripte an. Aufgaben mit unterschiedlichsten Einschätzungen werden dann nach ein und demselben Muster gelöst - ohne daß metakognitive Parameter eine Rolle spielen. 1.3.2.2 Speicherwahl bei ungeläufigen, sehr seltenen Aufgaben Wie merkt man sich das Treffen mit seiner Abiturklasse in zehn Jahren? Auch hier kann die Evaluation an ihre Grenzen stoßen, weil ein passender Speicher für diese Aufgabe u.U. nicht bekannt ist. Gleiches gilt in einer Alltagssituation, in der der passende Speicher nicht verfügbar ist: ohne passenden Speicher kann die Evaluation nicht ans Ziel führen. Prinzipiell sind zwei Lösungen denkbar. Erstens könnten die Vergleichsparameter verändert werden. Konkret: Entweder den Akzeptierten Aufwand der Speicherung erhöhen oder die erforderte 32 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung vermindern oder beides. Der Anwender wäre also bereit, einen höheren Aufwand für die Speicherung in Kauf zu nehmen, als es sich für ihn aus der Valenz des Erinnerns ergeben würde. Oder er würde sich mit einer niedrigeren Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung zufrieden geben. Besteht die Wahl zwischen beidem, so wird bei genügend hoher Valenz die Aufwandserhöhung gewählt werden, um eine entsprechende Erfolgswahrscheinlichkeit zu erzielen (vgl. 1.3.1.4). Die zweite Lösungsmöglichkeit wäre, unter Beibehaltung der kritischen Parameter eine völlig neue Form der Speicherung für die Repräsentationsaufgaben zu finden. Dieser Vorgang wäre ein kreativer Prozeß (z.B. Rhodes, 1961), das Ergebnis ein kreatives Produkt (Landau, 1984). Dieser Speicher oder aber diese Form, in der ein bekannter Speicher genutzt wird, wäre dem Anwender vor der Bearbeitung der Repräsentationsaufgabe nicht bekannt. Die Entscheidung für diese neue Speicherform ist wieder durch Evaluation möglich: der Speicher wirde auf die kritischen Parameter hin überprüft und gewählt, wenn er diese Bedingungen erfüllt. Bei beiden Lösungswegen wird eine neue Situation konstruiert, indem entweder neue Speicher entwickelt oder die kritischen Parameter zur Speicherwahl modifiziert werden. Deswegen wird dieser Art der Speicherwahl alsKonstruktion bezeichnet. Konstruktion, Evaluation und Anwendung könnten in der Entwicklung des Umgangs mit Repräsentationsaufgaben sukzessiv aufeinander aufbauen. In der individuellen Entwicklung gibt es die Möglichkeit, entweder eine Speicherform zu lernen oder aber sie zu entwickeln. Im letzten Fall würde ein Speicher zunächst konstruiert, wie in der klassischen Untersuchung von Kreutzer, Leonard und Flavell (1975) wo Kinder dazu angeregt wurden zu überlegen, was sie beispielsweise tun könnten, um sicher zu sein daß sie ihre Schlittschuhe am nächsten Tag mit in die Schule nehmen. Ist eine Speichermöglichkeit gefunden - beispielsweise das Plazieren der Schlittschuhe vor der Haustür - könnte bei zukünftigen Aufgaben dieser Speicher evaluiert werden; er ist bekannt und es müßte nur noch entschieden werden, ob er für die jeweilige Aufgabe paßt, d.h. ob Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Speicherung den gewünschten Werten entsprechen. Schließlich könnte diese Form der Speicherung Teil eines Repräsentationsscriptes werden. Dies könnte z.B. die Form haben: Dinge, die am nächsten Tag mitgenommen werden, an einem auffälligen Ort plazieren. Auch bei Erwachsenen ist diese Entwicklung denkbar. Ein Beispiel aus den Pilotstudien sind Termine, die über die Jahresfrist, also den Geltungsbereich des Terminkalenders, hinausgehen. Für einige Probanden war diese Aufgabe nur über eine Konstruktion lösbar - sie kannten aus ihrer Erfahrung keinen passenden Speicher dafür. Eine mögliche Lösung - diese Termine auf die letzten Seiten des Terminkalenders aufschreiben und in den dann folgenden Terminkalender übertragen - war anderen Probanden zur 33 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Lösung solcher Aufgaben völlig geläufig; sie hatten diese Speicherform schon früher entwickelt oder einfach gelernt und hatten für Aufgaben des Typs ‘Termine im nächsten Jahr’ ein passendes Script. 1.4 Das Modell zur Speicherwahl im erweiterten Gedächtnissystem (SWIEGS) Die diskutierten Komponenten für ein Modell der Speicherwahl lassen sich in ein Gesamtmodell für die Wahl von Speichern integrieren. Der hohe Auflösungsgrad des Modells ermöglicht eine Darstellung in Form eines Flußdiagramms. Aus diesem Modell können eine Reihe unterschiedlicher, empirisch überprüfbarer Hypothesen abgeleitet werden. 1.4.1 Das Gesamtmodell Die Wahl eines Speichers zur Bearbeitung einer Repräsentationsaufgabe kann über drei unterschiedliche Prozesse ablaufen. Ist ein Repräsentationsscript vorhanden, so wird die Aufgabe durch die Anwendung des Scriptes gelöst. Ist kein Script vorhanden, so wird die Aufgabe über eine Evaluation der bekannten Speicher für die jeweilige Repräsentationsaufgabe gelöst. Ist auch das nicht möglich, da kein passender Speicher für die Repräsentationsaufgabe gefunden wird, wird ein Speicher konstruiert, indem entweder ein neue Formen des Speicherns entwickelt oder die Voraussetzungen für die Speicherung modifiziert werden. Wie Abb. 3 zeigt, lassen sich diese Prozesse in acht Schritten darstellen: 1. Muß eine Repräsentationsaufgabe bearbeitet werden, so wird zunächst geprüft, ob die Repräsentationsaufgabe zu einem Repräsentationsscript gehört. Ist ein passendes Repräsentationsscript vorhanden, wird es angewandt. Die Repräsentationsaufgabe wird im Speicher des Repräsentationsscriptes gespeichert (Speicherscript) und der Prozeß ist beendet. 2. Wird kein passendes Repräsentationsscript gefunden, so wird zunächst die Valenz des Erinnerns eingeschätzt (VE). Aus diesem Parameter werden die beiden Kontrollparameter Erforderte Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EES) und Akzeptierter Aufwand der Speicherung (AAS) abgeleitet. Beide Parameter sollten um so größer sein, je höher die Wichtigkeit des Rückrufs eingeschätzt wird. 3. Der erste Speicher aus der Speicherliste wird für die folgende Prüfungen genommen (i:=1). 4. Für den gewählten Speicher wird die Erfolgswahrscheinlichkeit und der Aufwand der Speicherung der aktuellen Repräsentationsaufgabe im Speicher i (ESi bzw. ASi) geschätzt. Grundlage der Schätzung dürften Erfahrungen mit der Art von Repräsentationsaufgabe, dem Speicher oder beidem sein. 34 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Zum einen wird geprüft, ob die eingeschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (ES i) größer oder gleich der Erforderten Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EES) ist; zum anderen, ob der eingeschätzte Aufwand der Speicherung (ASi) kleiner oder gleich dem Akzeptierten Aufwand der Speicherung (AAS) ist. Sind beide Bedingungen erfüllt, werden die übrigen Speicher der Speicherliste daraufhin geprüft, ob es einen Speicher mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit oder einem geringeren Aufwand als dem zuerst getesteten Speicher gibt. Sollte ein überlegener Speicher gefunden werden, wird dieser gewählt und der Prozeß endet; sollte kein überlegener Speicher gefunden werden, wird der zuerst getestete gewählt und der Prozeß endet. Dieser Teilprozeß ist nur angedeutet und nicht ausgearbeitet; er sollte deutlich weniger aufwendig sein als der erste Prüfprozeß. Prinzipiell wäre auch denkbar, daß unter Verzicht auf bessere Alternativen generell der erste passende Speicher genommen wird. Eine Entscheidung zwischen diesen Alternativen ist nicht Gegenstand des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit; für und wider beider Annahmen werden deswegen hier nicht weiter verfolgt. In beiden Fällen sollte der Prozeß aber rasch beendet werden, sobald ein erster passender Speicher gefunden wurde - entweder, indem die Prüfung der weiteren Speicher oberflächlicher erfolgt oder aber dieser Speicher ohne weiter Prüfung gewählt wird. 6. Sind die erforderlichen Bedingungen nicht erfüllt, so wird die Speicherliste geprüft, ob sie noch weitere Speicher enthält (beschrieben als Frage, i = mi ax ?). Sind noch weitere Speicher vorhanden, wird der nächste Speicher auf der Speicherliste gewählt (i: = i+1) und wie der vorherige getestet, d.h. es wird beim vierten Schritt fortgesetzt. Enthält die Speicherliste keine weiteren Speicher mehr (d.h. die Bedingung i = imax ? ist erfüllt), so wird eine Suche nach weiteren Speichern eingeleitet. 7. Wird ein weiterer Speicher gefunden, so wird er auf die Speicherliste gesetzt (beschrieben als i = i+1 und imax: = imax +1) und wie die ursprünglichen Speicher der Speicherliste getestet (d.h. es geht weiter mit dem 4. Schritt). Das wird so lange wiederholt, bis entweder ein Speicher den Test im fünften Schritt besteht oder aber kein weiterer Speicher mehr gefunden wird. 35 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) 09'0&70) RA Teil eines Repräsentationsscripts Repräsentationsaufgabe (RA) ja RA in Speicher Script ? nein Rating (RA) Valenz des Erinnerns (VE) 8#.7#6+10 Setze Akzeptierter Aufwand des Speicherns (AAS) Setze i:=1 Erforderte Erfolgswahrscheinlichkeit (EEW) Speicherliste Speicher1 Speicher2 Speicher3 ... Speichermax Rating (RA in storei) Rating (RA in storei) Erfolgswahrscheinlichkeit (EWi) Aufwand des Speicherns (ASi) = AAS ASi < und = EEW EWi > ? nein ja Gibt es Speicheri+x mit und ASi+x < ASi EWi+x > EWi ? nein ja i := i+x i = imax i := i+1 nein ? ja RA in Speicheri Suche nach weiterem Speicheri+1 (Si+1) 105647-6+10 i := i+1 imax := imax+1 ja Si+1 gefunden ? nein Erhöhe AAS Vermindere EEW Abb. 3 Das vollständige Modell zur Speicherwahl im Erweiterten Gedächtnissystem (SWIEGS), dargestellt als Flußdiagramm. Die einzelnen Schritte der Speicherwahl, wie sie nach dem Modell ablaufen, werden im Text erläutert. 36 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) 8. Wird kein weiterer Speicher mehr gefunden, so werden die Vergleichsparameter geändert. Möglich ist eine Erhöhung des Akzeptierten Aufwandes des Speicherung (AAS) oder eine Verringerung der Erforderlichen Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EES) oder beides. Das Modell macht keine Aussagen darüber, welcher dieser beiden Schritte präferiert wird oder ob immer beide zugleich stattfinden. Eine Aufgabe könnte für einen Anwender so wenig relevant sein, daß er sie überhaupt nicht speichern möchte. Mit Repräsentationsaufgaben werden im SWIEGS-Modell nur solche Aufgaben bezeichnet, die für den Anwender eine bestimmte minimale Relevanz besitzen und ihn so tatsächlich vor die Aufgabe stellen, die Information zu repräsentieren. Die Ablehnung der Bearbeitung irrelevanter Aufgaben ist nicht Gegenstand des Modells, könnte aber beispielsweise durch eine generelle Vorprüfung aller Aufgaben auf minimale Relevanz beschrieben werden. 1.4.2 Ableitung empirisch prüfbarer Hypothesen aus dem SWIEGS-Modell Frühere Modelle zum Einsatz von externen Speichern krankten daran, daß ihre Allgemeingültigkeit die Ableitung empirisch prüfbarer Hypothesen verhinderte (vgl.1.2.3). So ist die Ableitung empirisch falsifizierbarer Hypothesen ein erster wichtiger Test des SWIEGS-Modells. Das Modell identifiziert drei unterschiedliche Strategien der Wahl eines Speichers. Für häufig bearbeitete Typen von Repräsentationsaufgaben haben sich Repräsentationsscripte gebildet. Für seltener bearbeitete Aufgaben finden sich auf der Speicherliste passende Speicher, die über die Evaluation gewählt werden. Für mehr oder weniger einmalige Repräsentationsaufgaben dagegen sind neue Speicher bzw. Speicherbedingungen zu konstruieren. Die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Repräsentationsaufgabe bzw. ein bestimmter Typ von Repräsentationsaufgabe in der Vergangenheit bearbeitet wurde, bestimmt also, mit welcher der drei Strategien die aktuelle Repräsentationsaufgabe bearbeitet wird. Je häufiger aber ein Aufgabentyp bearbeitet wurde, um so geläufiger müßte er gleichzeitig auch dem Probanden auch sein. Dieser Überlegung folgend, wird die Bearbeitungs häufigkeit eines bestimmten Aufgabentyps über Geläufigkeitseinschätzungen der Aufgaben operationalisiert. Durch diese Operationalisierung wird auch das Problem der Klassifizierung von Aufgaben beim Einsatz von Repräsentationsscripten umgangen. Welche Aufgaben zu einem Aufgabentyp zusammengefaßt und einem bestimmten Speicher zugeordnet werden kann ja interindividuell variieren (z.B. ist ‘Übermorgen um 9.00 beim Bäcker die Sonntagsbrötchen abholen’ vom Typ ‘Termin’, etwas vom Typ ‘Einkaufen’ oder eine Aufgabe, die in kein vorhandenes Script paßt?). Ob nun eine Repräsentationsaufgabe zu einem geläufigen Aufgabentyp mit Repräsentationsscript gehört bzw. zu 37 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) welchem Typ genau, kann vernachlässigt werden, wenn Geläufigkeitseinschätzungen über die Aufgaben vorliegen. Da die Geläufigkeit einer Aufgabe aus dem alltäglichen Umgang mit dieser und ähnlichen Aufgaben gewonnen wurde, muß die Geläufigkeitseinschätzung allerdings entweder von den Probanden direkt selbst abgegeben werden oder zumindest von der gleichen Teilpopulation. So wäre z.B. für Sprechstundenhilfen in Arztpraxen andere Aufgaben geläufig als für Börsenmakler. Zur besseren Übersichtlichkeit gliedern sich die Hypothesen in drei Gruppen: Hypothesen zur Planungszeit, zur Speicherwahl und zu metakognitiven Parametern. Diese Einteilung ist willkürlich; Überschneidungen sind deswegen unvermeidlich. 1.4.2.1 Planungszeit Von der Geläufigkeit der Repräsentationsaufgabe sollte abhängig sein, welche Strategie gewählt wird. Generell wird im folgenden von sehr geläufigen, geläufigen und ungeläufigen Repräsentations aufgaben zur Bezeichnung unterschiedlicher Geläufigkeitsstufen gesprochen. Sehr geläufige Aufgaben würden bei der Speicherwahl über Anwendung eines Repräsentationsscriptes, geläufige über die Evaluation und ungeläufige über die Konstruktion bearbeitet. Die Anwendung eines Scriptes ist die schnellste Form einen Speicher zu finden, da dieser Prozeß am wenigsten Teilschritte beinhaltet. Die Evaluation erfordert die Prüfung mehrerer Parameter für verschiedene Speicher. Die Konstruktion dagegen ist am langwierigsten. Sie tritt nur ein, nachdem die Evaluation der gesamten Speicherliste abgelaufen ist und erweitert diese noch einmal. Je weniger geläufig also eine Repräsentationsaufgabe, um so länger dauert die Wahl eines Speichers (H1). Dieser Unterschied in der Planungszeit müßte unabhängig vom Ergebnis der Wahl sein, da der zugrundeliegende Prozeß, nicht der gewählte Speicher den Unterschied bedingt. Wird beispielsweise das Gedächtnis als Speicher gewählt, so müßte das bei sehr geläufigen Repräsentationsaufgaben durch die Anwendung eines Repräsentationsscriptes ablaufen, das das Gedächtnis als Speicher hat; bei geläufigen Repräsentationsaufgaben als Ergebnis der Evaluation, wo sich das Gedächtnis als optimaler Speicher bewährt hat und bei ungeläufigen Aufgaben durch Veränderung der Prüfgrößen AAS bzw. EES - nachdem sich kein Speicher auf der Speicherliste als für die zu bearbeitende Aufgabe entsprechend der Prüfkriterien passend erwiesen hat. Die steigende Planungszeit zur Wahl eines Speichers bei sinkender Geläufigkeit der Repräsentationsaufgabe gilt also auch dann, wenn bei allen Aufgaben der gleiche Speicher gewählt wird (H2). Die Speicherliste wird nach dem Modell linear, also ein Speicher nach dem anderen in einer gleichbleibenden Reihenfolge abgearbeitet. Wird ein passender Speicher gefunden, so folgt die Prüfung der übrigen Speicher sehr viel schneller oder entfällt (vgl. 1.4.1., Schritt 5). Bei gleicher Geläufigkeit 38 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) mehrerer Repräsentationsaufgaben sollte die Wahl des Speichers deswegen um so schneller gehen, je höher der Speicher in der Speicherliste steht. Die Position eines Speichers in der Speicherliste wird aber von der Häufigkeit des Einsatzes dieses Speichers bestimmt: je häufiger er in der Vergangenheit eingesetzt wurde, um so höher steht er in der Speicherliste. Deswegen erfolgt - bei gleicher Geläufigkeit der Repräsentationsaufgaben - die Entscheidung für einen häufig gewählten Speicher schneller als die für einen seltener gewählten Speicher (H3). Dieser Effekt müßte allerdings bei sehr geläufigen Aufgaben verschwinden, da bei der Anwendung von Repräsentationsscripten die Speicherliste keinen Einfluß hat. Je geläufiger folglich eine Repräsentationsaufgabe ist, um so mehr verschwindet der durch die Einsatzhäufigkeit der Speicher induzierte Unterschied in der Planungszeit (H4). 1.4.2.2 Speicherwahl Nur zwei der drei möglichen Strategien zur Speicherwahl - Evaluation und Konstruktion basieren auf der Einschätzung metakognitiver Parameter. Bei der Anwendung von Repräsentationsscripten dagegen spielt die Einschätzung der Aufgabe keine Rolle. Bei sehr geläufigen Aufgaben sollte die Wahl eines Speichers also unabhängig von metakognitiven Parametern erfolgen; bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben dagegen stellen die metakognitiven Parameter die Grundlage der Entscheidung dar. Je ungeläufiger eine Aufgabe, desto eher ist folglich die Speicherwahl aus der Kenntnis der metakognitiven Parameter vorhersagbar (H5). Die Geläufigkeit von Repräsentationsaufgaben erlaubt auch eine Vorhersage über die Anzahl verschiedener Speicher, mit denen Repräsentationsaufgaben gelöst werden. Sehr geläufige Aufgaben werden als einem bestimmten Aufgabentyp zugehörig klassifiziert und mit einem Repräsentationsscript gelöst. Verschiedene Aufgaben werden in diesem Fall mit dem Einsatz eines einzigen Speichers gelöst. Bei geläufigen oder ungeläufigen Aufgaben dagegen findet diese Klassifikation nicht statt; für jede Aufgabe werden aufs neue unterschiedliche Speicher geprüft. Für sehr geläufige Aufgaben werden folglich deutlich weniger unterschiedliche Speicher eingesetzt als für geläufige oder ungeläufige Aufgaben (H6). Ob ungeläufige Aufgaben mit mehr unterschiedlichen Speichern gelöst werden als geläufige Aufgaben, ist aus dem Modell nicht vorhersagbar. Ungeläufige Aufgaben können entweder über die Konstruktion neuer Speicher oder aber einfach die Modifikation der Speicherbedingungen gelöst werden. Sollten die ungeläufigen Aufgaben über die Konstruktion neuer Speicher gelöst werden, so würden mehr unterschiedliche Speicher eingesetzt als bei der Evaluation. Werden bei der Konstruktion aber nicht neue Speicher, sondern neue Speicherbedingungen konstruiert und die Aufgabe 39 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) dann mit gängigen Speichern repräsentiert, so könnte die Anzahl der unterschiedlicher Speicher bei ungeläufigen Aufgaben sogar geringer sein als bei geläufigen Aufgaben. 1.4.2.3 Valenz der Aufgaben Die Valenz der Aufgabe steuert die kritischen Parameter Erforderliche Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EES) und Akzeptierter Aufwand der Speicherung (AAS). Bei der Evaluation und Konstruktion eines Speichers geschieht die Wahl aber durch den Vergleich der eingeschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit bzw. des eingeschätzten Aufwandes der Speicherung mit diesen beiden Prüfgrößen. Je höher die Valenz einer Aufgabe für einen Probanden, desto höher darf der Aufwand und muß der Erfolg der Speicherung sein. Für sehr geläufige Aufgaben gilt das nicht. Die Anwendung eines Scriptes erfolgt unabhängig von der Aufgabenvalenz. Die folgenden Hypothesen zur Aufgabenvalenz liegen deswegen im folgenden jeweils in zweifacher Form vor: einer Kernaussage für den generellen Effekt der Valenz auf eine Variable (H7, H9 und H11) und einer Spezifikation dieses Effektes durch die Geläufigkeit der Aufgaben (H8, H10 und H12). Je höher die Aufgabenvalenz, um so strenger sind die Prüfkriterien bei der Speicherwahl. Durch die schärferen Kriterien müssen mehr Speicher geprüft werden, bis der erste passende gefunden wird. Daraus folgt, daß die Planungszeit bei Aufgaben mit hoher Valenz größer ist als bei solchen mit niedriger Valenz (H7). Dieser Effekt müßte um so stärker werden, je ungeläufiger die Aufgabe ist. Bei sehr geläufigen Aufgaben spielt die Valenz keine Rolle, da die Aufgaben über das Script gelöst werden. Bei weniger geläufigen Aufgaben führt hohe Valenz zu einer längeren Bearbeitungszeit, da die Prüfkriterien für die Speicher härter sind und somit mehr Speicher geprüft werden müssen, bis einer gefunden wird, der den höheren Anforderungen genügt. Bei sehr ungewöhnlichen Aufgaben müßte die Erhöhung der Planungszeit am größten sein: bei wichtigen Aufgaben wird man seltener den Vergleichsparameter der Erforderlichen Erfolgswahrscheinlichkeit (EEW) herabsetzten als bei weniger wichtigen Aufgaben. Folglich wird häufiger die Konstruktion einer Aufgabe gewählt bzw. länger geprüft werden, bevor die Entscheidung für ein Veränderung der Vergleichsparameter fällt. Je ungeläufiger also eine Aufgabe, um so größer ist die Differenz in der Planungszeit bei Aufgaben mit hoher Valenz im Vergleich zu solchen mit geringer Valenz (H8). Je höher die Aufgabenvalenz, um so mehr Speicher werden zur Lösung der Aufgaben geprüft und um so differenzierter wird die Lösung schließlich ausfallen. Bei der Evaluation führt höhere Valenz einer Aufgabe zur Prüfung von mehr Speichern. Bei der Konstruktion steigt bei höherer Valenz einer Aufgabe darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Speicher zu konstruieren. Je höher die 40 Das Modell zur Speicherwahl (SWIEGS) Aufgabenvalenz, um so mehr unterschiedliche Speicher kommen bei ein und demselben Aufgabentyp zum Einsatz (H9). Bei der Anwendung eines Scriptes ändert sich die Speicherzahl dagegen nicht, da zu jedem Script genau ein Speicher gehört. Je geläufiger also eine Aufgaben, um so weniger führt höhere Aufgabenvalenz zu höherer Speicherzahl (H10). Eine Verschärfung der Prüfgrößen durch die Erhöhung der Aufgabenvalenz müßte schließlich auch dazu führen, daß die dann gewählten Speicher anders beurteilt werden. Die Einschätzung müßte die Prüfgrößen widerspiegeln. Je höher die Aufgabenvalenz, um so höher wird die Erfolgswahrscheinlichkeit und der Aufwand der gewählten Speicherung eingeschätzt (H11). Die Aufgabenvalenz hat nach dem Modell aber keinen Einfluß auf die Speicherwahl bei der Anwendung eines Repräsentationsscripts. Je geläufiger folglich eine Aufgabe, um so weniger führt erhöhte Aufgabenvalenz zu einer veränderten Einschätzung der gewählten Speicherung (H12). Die hier beschriebenen Hypothesen differenzieren sich weiter, wenn sie mit der Einführung hier noch nicht diskutierter Randbedingungen von Erhebungen operationalisiert werden. Die differenzierteren Hypothesen werden erst bei Nennung der Randbedingungen in den entsprechenden Studien eingeführt. 41 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation 2 Empirie In vier Untersuchungen werden die vorgestellten Hypothesen differenziert, operationalisiert und geprüft. Dabei ist empirische Teil zweigeteilt. Im ersten Teil stehen die Hypothesen zur Planungszeit und Speicherzahl im Mittelpunkt, im zweiten kommen die Hypothesen zu den metakognitiven Parametern hinzu. Die erste Studie beider Teile ist jeweils eine Pilotstudie mit kleinerer Versuchspersonenzahl, deren Ergebnisse in die Planung der jeweils folgenden Studie einfließen. Jede Studie wird zunächst für sich diskutiert; ein Vergleich aller Studien im Rahmen des SWIEGS-Modells findet erst in der Schlußdiskussion statt. 2.1 Erster empirischer Teil: Planungszeit und Speicherzahl Im ersten empirischen Teil steht vor allem die Planungszeit im Mittelpunkt. Basis des SWIEGSModells ist die Annahme verschiedener, unterschiedlich aufwendiger Prozesse bei der Speicherwahl je nach Geläufigkeit der zu bearbeitenden Aufgabe. Vor der Prüfung differenzierterer Zusammenhänge ist es deswegen erforderlich, den Nachweis zu erbringen, daß tatsächlich Unterschiede im Zeitbedarf für die Speicherwahl vorhandensind. 2.1.1 Studie 1: Planungszeit, Speicherzahl und Umgebungsvariation Studie 1 ist eine Pilotstudie, in der zwei basale Hypothesen einer ersten empirischen Prüfung unterzogen werden: Je ungeläufiger die Aufgabe, um so länger die Planungszeit, um einen passenden Speicher zu finden (H1); die Aufgabengruppe mit sehr geläufigen Aufgaben wird mit weniger unterschiedlichen Speichern bearbeitet als die Aufgabengruppen mit weniger geläufigen Aufgaben (H6). Erfragt wird das Verhalten im Alltag. Es wäre daher möglich, daß die Laborsituation Effekte zerstört, die in der anregenderen Alltagsumgebung durchaus vorhanden sind. Eine solche Wirkung der Umgebung ist aus Untersuchungen zum Alltagsgedächtnis durchaus bekannt (z.B. ‘strategic time monitoring’, Ceci & Bronfenbrenner, 1985). Zur Planung weiterer Untersuchungen ist es deswegen erforderlich zu wissen, ob die Umwelt, in der der Versuch durchgeführt wird, diesen Einfluß auf die vorhergesagten Effekte hat. Deswegen wird die Umgebung, in der der Versuch durchgeführt wird, als unabhängig Variable in das Design aufgenommen. Material 42 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation In einer Voruntersuchung sollten 30 Studenten und Studentinnen typische Repräsentationsaufgaben aus ihrem Alltag und die Art ihrer Lösung benennen. Aus diesem Pool wurden die 17 am häufigsten genannten Aufgaben ausgewählt. In zwei Stufen wurden nun geläufige Elemente der jeweiligen Aufgabe durch ungeläufige ersetzt. Eine Aufgabe lautete beispielsweise: „Morgen ein Buch in die Bibliothek zurückbringen“. Im studentischen Alltag ist diese Aufgabe sehr geläufig; die in der Voruntersuchung am häufigsten genannte Lösung war, daß das Buch an eine Stelle an der Ausgangstür plaziert wird, wo es beim Verlassen der Wohnung am nächsten morgen auffallen muß. Ein konstituierendes Element dieses Aufgabentyps ist, daß ihre Erledigung nicht zu weit in der Zukunft liegt; ein zweites, daß der Gegenstand, mit dem die Aufgabe durchgeführt wird, präsent ist. Durch Ersetzen dieser für diesen Aufgabentyp geläufigen Elemente wird die Aufgabe ungeläufig: „Du mußt in acht Wochen ein Buch von der Bibliothek abholen“. Der Zeitraum bis zum Erledigen der Aufgabe ist hier gestreckt und das Objekt, mit dem die Aufgabe durchgeführt wird, ist nicht mehr greifbar; die Aufgabe kann dadurch auch nicht mehr mit dem gewohnten Speicher gelöst werden. In einem zweiten Schritt wurden diese beiden Elemente der Aufgabe durch noch ungeläufigere ersetzt: „Du mußt 1996 ein Buch vorbestellen“. Da die Untersuchung im Frühjahr 1995 durchgeführt wurde, lag der Termin in einem Zeitraum, der nicht mehr vom aktuellen Kalender erfaßt wurde. Das Objekt, mit dem die Aufgabe durchgeführt werden muß, ist noch weniger greifbar als in der Vorversion, da es um den allerersten Kontakt - das Bestellen des Buches - geht. In der Version, in der das Buch abzuholen war, mußte dieser Schritt schon geschehen sein; der Titel des Buches ist dadurch schon extern gespeichert - nämlich in der Bibliothek - was die Anzahl möglicher Lösungen erhöht. War in der Vorversion die Lösung über einen geläufigen Speicher wie den Terminkalender noch problemlos möglich, erfordert die Lösung der letzten Version weitere Überlegungen. Es wurde besonders darauf geachtet, daß die Aufgaben nicht aus einem anderen Kontext heraus wieder geläufig wurden. So ist das Abholen eines Buches aus der Bibliothek oder das Bestellen eines Buches in der Bücherei durchaus eine geläufige Aufgabe. Trotzdem können gewohnte Speicherungen dieser Aufgaben nicht greifen: ist ein Buch aus der Bibliothek abzuholen, informiert die Bibliothek in der Regel den Benutzer. Will man ein Buch bestellen, so kann man das unmittelbar tun. Ziel der Verfremdung war, daß die Aufgaben nach der ersten Verfremdung nicht mehr mit dem ursprünglich genannten Speicher zu lösen waren und nach der zweiten Verfremdung mit keinem geläufigen Speicher überhaupt. Hier ist noch einmal wichtig zu betonen, daß die Ungeläufigkeit der Aufgaben kein Aspekt der Aufgaben an sich ist, sondern ein Resultat der Erfahrungen mit Repräsentationsaufgaben. Ungeläufig sollten diese Aufgaben für die Teilpopulation der Versuchspersonen - Studenten und Studentinnen - sein; eine andere Teilpopulation würde eine andere Konstruktion erfordern. So ist die 43 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation letzte Version der beschriebenen Aufgabe - das Bestellen eines Buches im nächsten Jahr - für Buchhändler sicherlich nicht ungeläufig. Hier müßten andere Elemente der Aufgabe ausgetauscht werden, um denselben Effekt zu erzielen. In entsprechender Weise wurden die übrigen 16 Aufgaben verfremdet, so daß ein Pool von 17 Aufgaben in drei Geläufigkeitsstufen, also insgesamt 51 Aufgaben, vorlag (siehe Anhang 5.1.1). Versuchsdurchführung Die Aufgaben wurden in zufälliger Abfolge auf Karteikarten präsentiert. Wenn die Probanden eine Lösung wußten, sollten sie das durch ein „Okay“ dem Versuchsleiter mitteilen. Der Versuchsleiter maß die Zeit vom Beginn der Präsentation bis zu dieser Äußerung mit einer Stoppuhr. Danach nannte die Versuchsperson den Speicher und der Versuchsleiter notierte ihn. Durch die Teilung in zwei Phasen sollte gewährleistet werden, daß die Probanden den Prozeß der Planung tatsächlich abgeschlossen hatten, wenn sie den Speicher nannten. Abschließend schätzten die Probanden die Geläufigkeit der Aufgabe auf einer Skala von eins (sehr geläufig) bis fünf (sehr ungeläufig) ein. Diese Skala lag als Erinnerungsstütze während des gesamten Versuchs vor dem Probanden. Die Versuchspersonen wurden ausführlich über ihre Aufgabe instruiert. Dabei wurde besonders betont, daß es nicht um eine möglichst schnelle Lösung der Repräsentationsaufgaben geht, sondern vielmehr darum, die Lösung zu finden, die sie tatsächlich nehmen würden, wenn ihnen diese Aufgabe in ihrem Alltag begegnen würde. Schließlich wurde das Procedere mit drei Übungsitems trainiert, um insbesondere die Trennung des Endes der Planungszeit durch ein „Okay“ von der Nennung des gewählten Speichers zu üben. Versuchspersonen und Design Zehn Männer und zehn Frauen nahmen an der Untersuchung teil. Alle Probanden waren Studenten und Studentinnen der Psychologie, die für die Teilnahme einen Versuchspersonenschein erhielten. Die Hälfte der Probanden führte den Versuch in ihrer häuslichen Umgebung durch, die andere Hälfte im psychologischen Labor. In beiden Gruppen waren Männer und Frauen gleichverteilt; innerhalb dieser Beschränkung erfolgte die Zuweisung zu einer der beiden Gruppen per Zufall. Das Design war also 2*3 gemischt faktoriell mit der Umgebung - Labor vs. zu Hause - als unabhängiger Variable und den drei Geläufigkeitsstufen der Repräsentationsaufgaben als Meßwiederholungsvariable. Auswertungsprinzip der Studein 1-4 Das Prinzip der Auswertung ist für alle Studien gleich. Signifikanzniveau ist die übliche fünfprozentige Zufallswahrscheinlichkeit; zur besseren Orientierung werden aber alle Ergebnisse bis 44 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation zum 10%-Niveau erwähnt. Zur statistischen Absicherung des Effektes der unabhängigen Variablen und der Meßwiederholungsvariablen werden jeweils eine ein oder zweifaktorielle Varianzanalyse mit Meßwiederholung berechnet. Dazu diente die Prozedur MANOVA des Statistikpaketes SYSTAT in der Version 5.0. Die Berechnung einer Varianzanalyse bei einem Meßwiederholungsdesign hat als Voraussetzung die Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrix (z.B. Bortz, 1979, S. 437ff). Da diese Voraussetzung bei realen Datensätzen fast nie erfüllt ist, berechnet man statt dessen weitere, Meßwiederholungsanalysen, die diese Voraussetzung nicht erfordern (z.B. Wilks’ Lambda oder Pillai Trace, vgl. Systat Manual, 1987, p.581). Kommen diese Analysen zum gleichen Ergebnis wie der FTest, kann man davon ausgehen, daß die Verletzung der Voraussetzung nicht zu einer Verzerrung der Ergebnisse geführt hat (Systat Manual, 1987, p. 582). Der Einfachheit halber werden signifikante Ergebnissse der F-Tests nur dann aufgeführt, wenn sie mit den zusätzlichen Analysen übeinstimmen; diese selbst werden nicht aufgeführt. Soweit die weitere Abklärung signifikanter Haupteffekte oder Interaktionen es erfordert, werden weitere F-Tests zur Berechnung der isolierten Wirkung eines einzelnen Faktors sowie zweiseitige t-Tests zum Paarvergleich bei unabhängigen Stichproben bzw. bei Meßwiederholungsvariablen durchgeführt. Die Gefahr, durch die Berechnung mehrerer t-Test per Zufall ein signifkantes Ergebnis zu bekommen (erhöhterα - Fehler) wäre durch Testverfahren mit einer entsprechenden α - Fehler Adjustierung (z.B. Scheffé - Test) möglich. Dieser zusätzliche Test ist aber nur erforderlich, wenn eine Interpretation wesentlich auf der Signifikanz eines bestimmten Paarvergleichs ruht (vgl. z.B. Czienskowski, 1996). In den hier diskutierten Studien dienen t-Tests aber ausschließlich der Erhellung von komplexeren Zusammenhangsmusters; das Ergebnis eines einzelnen tTests wird also nirgends zentral. Deswegen werden über t-Tests hinaus keine weitergehenden Testverfahren eingesetzt. Ergebnisse Die Ergebnisse zu Studie 1 gliedern sich nach drei abhängigen Variablen: Die Einschätzung der Geläufigkeit der Aufgaben, die zur Lösung der Aufgabe erforderliche Zeit (Planungszeit) und schließlich die gewählten Speicher insgesamt sowie die Anzahl unterschiedlicher Speicher, die zur Lösung einer Aufgabengruppe von jedem einzelnen Probanden eingesetzt wurden. Die Einschätzung der Geläufigkeit der Aufgaben sinkt mit der Aufgabengruppe (siehe Abb. 4). Dabei werden die Aufgaben in der natürlichen Umgebung extremer eingeschätzt: Geläufige Aufgaben wirken geläufiger und ungeläufige Aufgaben ungeläufiger als im Labor. Die Varianzanalyse zeigteinen signifikanten Haupteffekte für die Aufgabengruppe F(2,36)=58.88, p<.001 sowie die Signifikanz der Interaktion zwischen Aufgabengruppe und 45 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation 3 Labor Feld 2 1 sehr geläufig Abb. 4 geläufig ungeläufig Die Geläufigkeitseinschätzung der Aufgaben im der Labor- und in der Feldbedingung. Umgebung, F(2,36)=3.77, p<.05. Der Haupteffekt der Aufgabengruppe bleibt auch bei der Analyse einzelner Effekte für beide Umgebungen signifikant: F(2,18)= 10.73, p=.001 für die Laborbedingung und F(2,18),=112.25, p<.001 für die häusliche Umgebung. T-Tests für Paarvergleiche unabhängiger Variablen zwischen Aufgaben gleicher Aufgabengruppen unter der Labor vs. unter der häuslichen Umgebung ergeben keinerlei signifikanten Unterschiede in der Einschätzung der Aufgaben. Dagegen zeigen alle t-Tests für den Paarvergleich von Meßwiederholungsvariablen sowohl in der gewohnten Umgebung als auch im Labor signifikante oder hochsignifikante Unterschiede in der Einschätzung der drei Aufgabengruppen (vgl. Tab. 2). Einschätzung der Geläufigkeit der Aufgaben (Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Bedingung: Gewohnte Umgebung Labor hoch vs.mittel t(9)=10.34*** t(9)=3,27* mittel vs.gering t(9)=6.84*** t(9)=2.53* gering vs. hoch t(9)=14.22*** t(9)=3.51** Geläufigkeitsgruppe: Tab. 2 Ergebnisse der t-Tests der Paarvergleiche für die Geläufigkeitseinschätzungen der drei Aufgaben-gruppen. * für p<.05, **für p<.01, ***für p<.001. 46 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation Die Planungszeiten sind in Abb. 5 dargestellt. Die Planungszeiten sind am kürzesten für die geläufigsten Aufgaben und steigen mit sinkender Geläufigkeit. Dieser Gradient ist in der natürlichen Umwelt steiler als im Labor. Während die Lösung geläufiger Aufgaben in beiden Umwelten gleich lange benötigt, sind die Lösungszeiten mit sinkender Geläufigkeit der Aufgabe in der natürlichen Umwelt deutlich länger als im Labor. 15 14 13 12 11 10 Labor Feld 9 8 7 6 5 4 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 5 Die Zeit, bis eine passender Speicher genannt wurde, getrennt für die die Geläufigkeit der Aufgaben und Labor- vs. Feldbedingung. Die Varianzanalyse zeigt signifikante Haupteffekte sowohl für die unabhängige Variable Umgebung, F(1,18)=6.28, p<.05 als auch für die Meßwiederholungsvariable Geläufigkeit, F(2,6)=22.66, p<.001 sowie eine signifikante Interaktion beider Variablen, F(2,36)=3,76, p<.05. Der Haupteffekt der Aufgabengruppe bleibt auch bei der Analyse einzelner Effekte - für beide Umgebungen getrennt betrachtet - signifikant: F(2,18)= 4.71, p<.05, für die Laborbedingung und F(2,18),=19.423, p<.001 für die häusliche Umgebung. T-Tests für den Mittelwertsvergleich unabhängige Variablen zeigen, daß sich die Planungszeiten in beiden Umwelten nicht bei sehr geläufigen, t(18)= -1,48, p>.05, wohl aber bei geläufigen, t(18)=-2,46, p<.05, und ungeläufigen Aufgaben, t(18)=-2,49, p<.05, unterscheiden. T-Tests für Meßwiederholungsvariablen zeigen in der natürlichen Umgebung einen signifikanten Unterschied zwischen allen Planungszeiten: t(9)=4.46, p<.05, zwischen sehr geläufigen und geläufigen, t(9) =3.19, p<.01, zwischen geläufigen und ungeläufigen und t(9) =4.99, p<.01, zwischen sehr geläufigen und ungeläufigen Aufgaben. Dagegen verfehlen die Zeitunterschiede im Labor teilweise knapp das Signifikanzniveau: t(9) =2.1, p=.065, zwischen sehr geläufigen und geläufigen, 47 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation t(9)=4.46, p<.05, zwischen geläufigen und sehr ungeläufigen und t(9) =1.98, p=.085, zwischen sehr geläufigen und ungeläufigen Aufgaben. Der korrelative Zusammenhang zwischen der eingeschätzten Geläufigkeit der Aufgaben und der Planungszeit beträgt r=.8, p<.001. Zur Lösung der Repräsentationsaufgaben wurden insgesamt 41 verschiedene Speicher genannt (siehe Tab. 3). Eingesetzte Speicher Speicher Anzahl der Nennungen: absolut / in Speicher Anzahl der Nennungen: absolut / in % % 22. Zettel in Küche 23. Küchenkalender 24. Notizbuch 25. Stadtplan 26. Telefonblock 27. Zettel in Rucksack 28. Telefonischer Weckdienst 29. Zettel im Handschuhfach 30. Zettel in Geldbörse 31. Geburtstagskalender 32. Zettelablage 33. Zettel auf Kommode 34. Zettel auf Fußboden 35. Zettel an Fernseher 36. Adreßbuch in Tasche 37. Kalender und Wecker 38. Abizeitung 39. Zettel an Ofen 40. Karteikasten 41. Tagebuch Keine Angaben 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. Gedächtnis 419 Terminkalender 129 Notizzettel auf Schreibtisch 54 Wandkalender 50 Pinnwand 50 Wecker 34 Zettel in Terminkalender 32 Allzweckbuch 22 Gegenstand plazieren 20 Andere Person 19 Ordner für Uni 16 Jahreskalender 13 Zettel an der Wohnungstür 13 Kalender Einband hinten 13 Anderer Terminkalender 12 Allgemeiner Ordner 11 Einkaufsliste 11 Computer 10 Zettel an Schreibtisch und Tür 8 Zettel über Schreibtisch 7 Adreßbuch 7 34,9% 10,8% 4,5% 4,2% 4,2% 2,8% 2,7% 1,8% 1,7% 1,6% 1,3% 1,1% 1,1% 1,1% 1,0% 0.9% 0.9% 0,8% 0,7% 0,6% 0,6% Gesamt 6 5 5 5 5 4 3 3 3 3 3 2 2 1 1 1 1 1 1 1 14 0,5% 0,4% 0,4% 0,4% 0,4% 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,2% 0,2% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 1,2% 1020 100% Tab. 3 Zur Lösung der Repräsentationsaufgaben eingesetzte Speicher; Prozentangaben auf eine Dezimalstelle hinter dem Komma gerundet. Die Auflistung ist, bis auf Angleichung von Synonymen, unverändert. Die Speicher werden sehr unterschiedlich oft genannt. Über 45% der Aufgaben werden über nur zwei Speicher (Gedächtnis und Terminkalender) gelöst. Dreizehn weitere Speicher werden noch in mehr als einem Prozent der Fälle genannt und 26 Speicher in unter einem Prozent. Der Notizzettel taucht explizit in insgesamt 14 Speichermöglichkeiten auf. Faßt man diese unter dem Oberbegriff Notizzettel zusammen, wäre dieser Speicher mit insgesamt 138 Nennungen oder 13,5% der zweithäufigst genannte Speicher. In diesem Fall würden über 59% der Aufgaben über nur drei verschiedene Speicher gelöst. 48 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation Für jeden Probanden wurde errechnet, mit wie vielen unterschiedlichen Speichern er die Repräsentationsaufgaben der drei Geläufigkeitsstufen gelöst hat. Maximal wären siebzehn unterschiedliche Speicher möglich: wenn nämlich für jede einzelne Aufgabe ein anderer Speicher genannt würde. Weniger als siebzehn Speicher ergeben sich, wenn ein Speicher mehrfach als Lösung für verschiedene Aufgaben auftaucht. Je ungeläufiger die Aufgabengruppe, desto mehr unterschiedliche Speicher wurden zu ihrer Lösung eingesetzt. Dieser Effekt ist in der gewohnten Umgebung stärker als in der Laborumwelt (siehe Abb. 6) Die zweifaktorielle Varianzanalyse mit Meßwiederholung auf dem Faktor Geläufigkeit zeigt, daß der Faktor der Umgebung das Signifikanzniveau knapp verfehlt, F(1,18)=3.17, p=.09, aber sowohl der 8 7 Labor 6 Feld 5 4 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 6 Die Anzahl unterschiedlicher zur Lösung der Aufgaben genannten Speicher, getrennt nach der Geläufigkeit der Aufgabe. Maximal wären 17 unterschiedliche Speicher möglich. Haupteffekt der Geläufigkeit signifikant wird, F(2,36)=12.22, p<.001, als auch die Interaktion zwischen Geläufigkeit und Umgebung, F(2,36)=3.36, p<.05. Der Haupteffekt der Geläufigkeit bleibt - auch für beide Umgebungen getrennt betrachtet - signifikant: F(2,18)= 4.71, p<.05, für die Laborbedingung und F(2,18),=19.423, p<.001 für die häusliche Umgebung. Getrennt für jede der drei Geläufigkeiten, zeigen t-Tests für unabhängige Stichproben nur für sehr ungeläufige Aufgaben eine signifikante Wirkung der Umgebung, t(18)=-2.59, p<.05, nicht aber für geläufige und sehr geläufige Aufgaben. Während sich in der Laborumwelt die Anzahl unterschiedlicher Speicher für die drei Aufgabengruppen durch t-Tests zum Paarvergleich bei Meßwiederholung nicht differenzieren lassen, erreichen alle Paarvergleiche für 49 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation die gewohnte Umwelt das Signifikanzniveau: t(9)=4.31, p<.01 für den Vergleich von geläufigen mit sehr geläufigen Aufgaben; t(9)=4.33, p<.01 für den Vergleich von geläufigen mit ungeläufigen Aufgaben und t(9)=9.22, p<.001 für den Vergleich von sehr geläufigen mit ungeläufigen Aufgaben. Diskussion Zwei Fragen standen im Mittelpunkt der ersten Studie: ob sich die Modellannahmen bezüglich der Bearbeitungszeit und der Anzahl der eingesetzten Speicher bestätigen lassen und ob bzw. wie die Variation der Umgebung die vorhergesagten Effekte verändert. Nach dem SWIEGS-Modell entscheidet die Geläufigkeit einer Repräsentationsaufgabe, durch welchen der drei Prozesse ein Speicher gewählt wird. Die konstruierten Aufgaben müssen sich also aus Sicht der Probanden hinsichtlich ihrer Geläufigkeit deutlich unterscheiden, wenn das Versuchsmaterial zur Überprüfung des Modells taugen soll. Dies wurde durch Einschätzung der Geläufigkeit der einzelnen Aufgaben überprüft und bestätigt: die Einschätzung der Geläufigkeit der Aufgabengruppe folgt den Annahmen zur Geläufigkeit bei der Konstruktion der Aufgaben, wobei die Unterschiede zwischen den drei Aufgabengruppen sowohl in der Laborumwelt als auch in der gewohnten Umgebung hochsignifikant wurden. Das Modell nimmt drei Prozesse zur Wahl eines Speichers an, die sich im kognitiven Aufwand unterscheiden: Die Anwendung eines Repräsentationsscriptes bedarf nur der Klärung einer einzigen Frage, die Evaluation schon der Erhebung und des Vergleichs von mindestens fünf Parametern und die Konstruktion darüber hinaus zusätzlicher Suchprozesse oder Modifikationen der Prüfvoraussetzungen. Da die Geläufigkeit der Aufgabe bestimmt, welcher Prozeß abläuft, sollte die Zeit zur Bearbeitung der Aufgaben von der Geläufigkeit der Aufgabe abhängen (H1). Dies wurde bestätigt: die Bearbeitungszeit steigt in beiden Bedingungen signifikant mit sinkender Geläufigkeit der Aufgabengruppe. Auch unabhängig von der Aufgabengruppe korreliert die Bearbeitungszeit hoch mit der eingeschätzten Geläufigkeit der einzelnen Items. Der steigende Zeitbedarf hängt nach dem Modell mit dem komplexeren Prozeß der Speicherwahl zusammen. Im Vergleich von sehr geläufigen Aufgaben mit geläufigen heißt das, daß an die Stelle der Anwendung eines Scriptes mit nur einem Speicher die Prüfung mehrerer unterschiedlicher Speicher tritt. Deswegen müßten geläufige und ungeläufige Aufgaben mit mehr unterschiedlichen Speichern gelöst werden als sehr geläufige Aufgaben (H6). Genau das ist auch der Fall: die Aufgabengruppe mit sehr geläufigen Aufgaben wird mit deutlich weniger unterschiedlichen Speichern gelöst als die der beiden weniger geläufigen Gruppen. 50 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation Betrachtet man die Ergebnisse zu H1 und H6 gemeinsam, taucht die Frage auf, ob diese Ergebnisse nicht mit einem viel einfacheren Modell zu erklären sind: Seltene Aufgaben brauchen seltene Speicher zur Repräsentation; es dauert aber einfach länger, an seltenere Speicher zu denken, als an öfter gebrauchte. Denn der Unterschied in der Einsatzhäufigkeit von Speichern ist zumindest bei den hier gestellten Aufgaben kraß: Das Gedächtnis und der Terminkalender werden fast genauso oft genannt wie die übrigen 39 genannten Speicher zusammen. Faßt man alle Nennnungen von Notizzetteln zusammen, lösen gar drei Speicher fast 2/3 der Aufgabe und 38 weitere das restliche Drittel. Das SWIEGS-Modell nimmt aber an, daß generell Entscheidung für häufig eingesetzte Speicher schneller ablaufen als für seltener eingesetzten Speicher (H3). Denkbar wäre folglich, daß sehr geläufige Aufga ben mit den häufigen Speichern, geläufige mit regelmäßig eingesetzten Speichern und ungeläufige mit seltenen Speicher gelöst werden. Der Zeitunterschied käme folglich nur durch das Ergebnis - die Häufigkeit des gewählten Speichers - und nicht durch unterschiedliche Prozesse der Speicherwahl zustande. Diese Kritik ist widerlegt, wenn man nachweisen kann, daß die Planungszeit unabhängig vom letztendlich gewählten Speicher über die Geläufigkeit der Aufgabengruppe steigt (H2). Die vorliegenden Daten reichen zur inferenzstatistischen Überprüfung dieser Hypothese allerdings nicht aus; hierzu muß die Anzahl der Probanden und Aufgaben erhöht werden. Die beschriebenen Effekte sind in der Laborsituation signifikant schwächer als in der alltäglichen Umgebung, bleiben aber bestehen. Dies zeigt sich schon bei der Einschätzung der Aufgabengeläufigkeit: die gleichen Aufgaben werden in der Alltagsumgebung extremer eingeschätzt als in der Laborum gebung, also die sehr geläufigen Aufgaben geläufiger und die ungeläufigen Aufgaben ungeläufiger. Das setzt sich auch bei der Planungszeit und bei der Speicherzahl fort. Mit sinkender Geläufigkeit steigt die Planungszeit in der alltäglichen Umgebung stärker als in der Laborumgebung; die Anzahl eingesetzter Speicher steigt in der alltäglichen Umgebung von sehr geläufigen zu geläufigen Aufgaben stärker als in der Laborumgebung. Trotzdem bleiben beide Effekte auch für die Laborsituation alleine betrachtet signifikant. Differenzierter sieht der Effekt der Umwelt für den Vergleich zwischen geläufigen und ungeläufigen Aufgaben aus. Während nämlich im Labor die Anzahl unterschiedlicher Speicher von geläufigen zu ungeläufigen Aufgaben kaum noch steigt, steigt sie signifikant in der häuslichen Umgebung. Nach dem SWIEGS-Modell gibt es für ungeläufige Aufgaben zwei Möglichkeiten der Konstruktion: entweder werden neue Speicher, oder, wenn das mißlingt, neue Speicherbedingungen konstruiert, d.h. die Prüfparameter werden verändert und die bekannten Speicher werden erneut geprüft. Deswegen ist es nicht möglich, aus dem SWIEGS-Modell vorherzusagen, ob bei ungeläufigen Aufgaben mehr unterschiedliche Speicher als bei den geläufigen Aufgaben eingesetzt werden oder nicht. 51 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation Die Ergebnisse geben aber Anlaß zu einer interessanten Überlegung. Da die Bearbeitungszeit von den geläufigen zu den ungeläufigen Aufgaben in beiden Umgebungen deutlich steigt, würde man davon ausgehen, daß in beiden Umgebungen eine Konstruktion stattfindet. Innerhalb des SWIEGS-Modells diskutiert lassen sich die unterschiedlichen Ergebnisse in Bezug auf die Speicherzahl so interpretieren, daß in der Laborumgebung eher die Prüfparameter verändert und bekannte Speicher noch einmal getestet werden; in der häuslichen Umgebung dagegen eher neue Speicher konstruiert werden. Dies wäre als Wirkung der reizarmen Umgebung des psychologischen Laboratoriums im Vergleich zur anregenden häuslichen Umgebung unmittelbar plausibel. Entsprechend dem ‘time-monitoring’ (Ceci & Bronfenbrenner, 1985; vgl. Einleitung zu Studie 1) könnte die Konstruktion neuer Speicher also tatsächlich ein Effekt sein, der nur in der alltäglichen Umgebung auftritt, in der Laborumgebung aber verhindert wird. Hier könnten weitere Untersuchungen ansetzen; da das Ergebnis aber für das Modell aber nicht kritisch ist, wird dieser Gedanke in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt. Die Variation der Umgebung liefert aber auch eine weitere Stützung für das SWIEGS-Modell: Sowohl bei der Planungszeit als auch bei der Anzahl unterschiedlicher Speicher unterscheiden sich die Ergebnisse - im Vergleich über beide Umwelten - für sehr geläufige Aufgaben nicht voneinander, wohl aber die für geläufige und ungeläufige Aufgaben. So würde auch der Einwand entkräftet, es handle sich bei der Feldbedingung einfach um eine unspezifische Motivationserhöhung. Tatsächlich sind die Umgebungseffekte spezifisch für geläufige und ungeläufige Aufgaben. Bei sehr geläufigen Aufgaben reicht nach dem Modell die Identifikation des Aufgabentyps aus, um ein passendes Repräsentationsscript und damit auch unmittelbar einen Speicher zuzuordnen. Dieser Vorgang läuft weitgehend automatisch - ein Einfluß der Umgebung erscheint unwahrscheinlich. Bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben dagegen geht es um die Evaluation oder gar Konstruktion von Speichern bzw. Speicherbedingungen. Diese Prozesse laufen kontrollierter - die Umgebung kann bei beiden Prozessen anregend wirken. Vier Schwachpunkte weist die Diskussion bis hierhin auf. Weder der Einfluß der Lesezeit noch der der Valenz der Aufgaben auf die Bearbeitungszeit ist geklärt. Es erwies sich bei der Itemkonstruktion als schwer möglich, die einzelnen Aufgaben im Hinblick auf Wortzahl oder Propositionenzahl zu standardisieren. Beides hat aber einen Einfluß auf die Lesezeit (vgl. Kintsch & Keenan, 1973). Da ungewöhnliche Aufgaben aber auch komplexer formuliert sind, könnte sich die Bearbeitungszeit als ein Artefakt der Lesezeit herausstellen. Gleiches gilt für die Valenz der einzelnen Aufgaben: eine Standardisierung erscheint hier prinzipiell ausgeschlossen. Zusammenhänge zwischen Valenz und Planungszeit nimmt aber auch das SWIEGS-Modell an: So soll die Planungszeit mit der Valenz der Aufgaben steigen (H7). Sollten die Probanden geläufige und ungeläufige Aufgaben für 52 Studie 1: Planungszeit, Speicherwahl und Umgebungsvariation subjektiv wichtiger halten als sehr geläufige Aufgaben, könnte nicht mehr entschieden werden, ob der Effekt der Planungszeit ein Effekt der Geläufigkeit oder aber ein Effekt der Valenz ist. Die Sensibilität der Planungszeit für die Umgebung, in der die Untersuchung durchgeführt wird, nimmt beiden Einwänden allerdings die Schlagkraft. Es gibt keinen Grund, warum die Lesezeit für gewöhnliche und ungewöhnliche Aufgaben in der gewohnten Umgebung länger sein sollte als in der Laborumgebung, während sie für sehr geläufige Aufgaben in beiden Umgebungen gleich lang ist. Gleiches gilt, wenn man die Variation der Planungszeit als einen Effekt der Valenz der Aufgaben erklären will: Auch hier ist der Einfluß der Umgebung auf die Planungszeit nicht plausibel. Trotzdem muß die Rolle der Lesezeit abgeklärt werden. Ein weiteres Problem ist, daß die Zeitmessung nicht verdeckt erfolgen konnte. Zwar wurde in der Instruktion der Probanden betont, daß es nicht darum geht, die Aufgabe möglichst schnell zu lösen und im postexperimentellen Interview fand sich kein Hinweis auf einen Zeitdruck. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, daß der sichtbare Einsatz der Stoppuhr die Probanden unter Druck gesetzt hat und die Aussagen des postexperimentellen Interviews auf ‘compliance’ (Levy & Loftus, 1994) zurückzuführen sind. Die Probanden würden sich dann daran erinnern, daß sie die Stoppuhr eigentlich nicht unter Druck setzen sollte, und nichts darüber sagen, ob tatsächlich ein Zeitdruck vorhanden war oder nicht. Die Messung der Geläufigkeit erfolgte in Studie 1 unmittelbar, nachdem die Probanden die Aufgabe gelöst hatten. Das könnte aber den angenommenen Zusammenhang zwischen Planungszeit und Geläufigkeit überhaupt erst induzieren: die Probanden beantworten nicht mehr, ob die Aufgabe, verglichen mit ihrer Alltagserfahrung, geläufig ist, sondern, wie einfach oder schwer es war, einen passenden Speicher zu finden. Diese Kritik kann die zentrale Interpretation der Ergebnisse nicht grundsätzlich erschüttern: die drei Geläufigkeitsgruppen der Aufgaben wurden a priori und theoretisch geleitet konstruiert. Fraglich ist aber die Unabhängigkeit des treatment-check - die Einschätzung der Aufgaben - von der Hypothesenprüfung - der Messung der Planungszeit. Die Geläufigkeit der Aufgaben müßte getrennt von der Bearbeitung eingeschätzt werden, um sicherzustellen, daß Geläufigkeit von den Probanden nicht unmittelbar als ‘habe leicht einen passenden Speicher gefunden’ interpretiert wird. Theoretisch wird dieser Zusammenhang zwar angenommen; empirisch den Probanden in Studie 1 aber geradezu in den Mund gelegt. Weitere Studien zur Klärung dieser Fragen können durchaus im Labor durchgeführt werden: die Effekte im Feld unterscheiden sich - mit Ausnahme des hypothesenunkritischen Effektes auf die Speicherzahl - nicht von denen im Labor. Allerdings muß im Labor mit einer Verminderung der 53 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Effektstärke gerechnet werden. Untersuchungen im Labor mit diesem experimentellen Ansatz erfordern also eine größere Versuchspersonenzahl. 2.1.2 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Studie 2 repliziert Studie 1, wobei neben der genaueren Messung und der größeren Datenbasis fünf wesentliche Präzisierungen hinzukommen. • Erstens wird die Lesezeit für die Aufgaben erhoben, so daß die Planungszeit um die Lesezeit korrigiert werden kann; • zweitens erfolgt Zeitmessung verdeckt, um einen unspezifischen Effekt durch Zeitdruck auszuschließen werden; • drittens wird die Valenz der Items erhoben worden, um auszuschließen, daß die Valenz der Aufgaben für die Planungszeiterhöhung verantwortlich ist; • viertens wird die Erhebung der Geläufigkeit aus dem Kontext der Speicherwahl herausgenommen, um einen von der Aufgabenlösung unabhängigen treatment-check zu gewährleisten; • fünftens wir die Itemkonstruktion modifiziert. Studie 1 ergab, daß für sehr geläufige Aufgaben weniger unterschiedliche Speicher eingesetzt werden als für geläufige Aufgaben (H6). Das SWIEGSModell sagt diesen Effekt mit der Begründung vorher, daß zur Lösung sehr geläufiger Aufgaben Repräsentationsscripte eingesetzt wurden. Die einzelnen Aufgaben werden also zu einem Aufgabentyp zusammengefaßt, der auf eine durch das Script bestimmte Art behandelt wird. Dieser Effekt sollte nicht vom Typ der Aufgabe abhängen, sondern ausschließlich von der Geläufigkeit der Aufgabe. Um diese Forderung empirisch zu überprüfen, ist es notwendig, Aufgabentyp und Geläufigkeit unabhängig voneinander zu variieren. Das Versuchsmaterial wurde deswegen für Studie 2 neu konstruiert, wobei sich die Aufgaben in fünf thematische Gruppen gliedern. Innerhalb jeder dieser Gruppen ist jede Geläufigkeitsstufe vertreten. Die Hypothesen in Studie 2 entsprechen denen von Studie 1 bezüglich Planungszeit (H1) und Speicherzahl (H6). Beide Hypothesen konnten in Studie 1 bestätigt werden und sollen in Studie 2 unter Ausschaltung von Alternativerklärungen repliziert werden. Die Erhöhung der Versuchspersonenzahl und der Aufgabenzahl soll die Prüfung weiterer Hypothesen zur Planungszeit ermöglichen. Die Erhöhung der Planungszeit bei sinkender Geläufigkeit der Aufgaben soll unabhängig von dem gewählten Speicher sein (H2). Werden bei Aufgaben gleicher Geläufigkeit unterschiedliche Speicher gewählt, so sollte die Planungszeit für den seltener gewählten Speicher länger sein (H3). Dieser 54 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Unterschied in der Planungszeit sollte um so geringer sein, je geläufiger die bearbeitete Aufgabe ist (H4). Nach den Ergebnissen von Studie 1 ist es möglich, das Forschungsparadigma auch in seiner weniger aufwendigen und kontrollierbareren Form - in der Laborsituation - einzusetzen. Hinweise für spezifische Umgebungseffekte betrafen keine der zu prüfenden Hypothesen. Allerdings waren alle Effekt in der Laborsituation schwächer als in der alltäglichen Umgenung; deswegen muß die Versuchspersonenzahl für Studie 2 erhöht werden. Material und Versuchsdurchführung Fünf Itemgruppen mit unterschiedlichem thematischen Schwerpunkt wurden konstruiert: Termine, zu erledigen, wiederkehrende Aufgaben, Informationsspeicher und einkaufen. Diese Titel sind als Schwerpunkte zu verstehen; trennscharf sind die Gruppen nicht. Termine hatten als Schwerpunkt einen zukünftigen Zeitpunkt, zu dem etwas erinnert werden mußte, z.B. ‘Ein Termin beim Friseur am kommenden Donnerstag um 11.00’. Wiederkehrende Aufgaben waren solche, die in einem bestimmten Turnus immer wieder durchzuführen waren, z.B. ‘Täglich Blumen gießen’. Aufgaben des Typs zu erledigen betrafen Gegenstände, mit denen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Handlung durchgeführt werden mußte, z.B. ’Morgen eine Überweisung zur Bank bringen’. Einkaufen ist eindeutig, z.B. ‘Morgen frische Oliven kaufen’. Informationsspeicher schließlich betraf die Frage, wie bestimmte Informationen gespeichert werden, ohne daß direkt eine Handlung intendiert ist, z.B. ‘Die Telefonnummer eines Bekannten’. Zu jedem Thema wurden vier Aufgaben konstruiert. Wie in Studie 1 wurden nun bei jeder Aufgabe geläufige Elemente in zwei Stufen durch ungeläufige ersetzt, so daß jede Aufgabe in drei Geläufigkeitsstufen vorlag (vgl. Studie1). Insgesamt bestand das Itempool so aus 60 Aufgaben, die vollständig im Anhang 5.1.2 aufgeführt sind. Die Präsentation der Items erfolgte auf einem Computerbildschirm. Er zeigte eine aufgedeckte Karteikarte, in deren Zentrum die jeweilige Aufgabe stand. Die Kontrollgruppe erhielt die Aufgabe, das jeweilige Item zu lesen und danach auf seine Geläufigkeit und Valenz hin einzuschätzen. Durch diesen Kontext sollte sichergestellt werden, daß die Probanden die Aufgaben tatsächlich vollständig lasen und verstanden. Die Experimentalgruppe sollte die Aufgaben lösen, indem sie einen passenden Speicher nannte. Dazu wurden die Items den Probanden in zufälliger Reihenfolge präsentiert. Die Kontrollgruppe erhielt die Aufforderung, ein Item zunächst zu lesen und zu verstehen. Danach konnten die Probanden durch die Leertaste eine fünfstufige Skala für die Einschätzung der Geläufigkeit des Items öffnen. Durch diese Trennung von Lesephase und Ratingphase sollten die Probenden dazu angehalten werden, 55 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Aufgaben vor der Beurteilung wirklich vollständig zu lesen. Zudem konnte so die Zeit zum Lesen eines Items erhoben, ohne daß die Probanden den Eindruck einer Zeitmessung hatten. Nach der Einschätzung der Geläufigkeit erschien automatische eine zweite fünfstufige Skala für die Valenz der Items auf dem Monitor. Die Probanden sollten hier einschätzen, wie wichtig diese Aufgabe für sie wäre, wenn ihnen diese Aufgaben in ihrem Alltag begegnen würde. Nach dieser Einschätzung folgte automatisch das nächste Item. Die Experimentalgruppe erhielt wie in Studie 1 den Auftrag, einen Speicher zu den Aufgaben zu nennen, den Sie auch in Ihrem Alltag benutzen würden. Zur Realisierung der verdeckten Zeitmessung war an den Computer ein Mikrofon angeschlossen; auf dem Bildschirm war das Symbol für ein Tonbandgerät zu sehen. Die Probanden erhielten nun den Auftrag, ihre Antwort in das Mikrofon zu sprechen. Sie wurden instruiert, die Aufnahme durch den Druck einer beliebigen Taste zu starten. Nach dem Tastendruck begannen sich die Tonbandspulen auf dem Monitor zu drehen. Durch eine bestimmte Taste konnte die ‘Aufnahme’ wieder beendet werden; das Tonbandgerät auf dem Monitor stoppte und das nächste Item erschien. Durch dieses Verfahren konnte die Planungszeit der Probanden als Zeit von der Präsentation des Items bis zum Tastendruck verdeckt gemessen werden; tatsächlich erfolgte keinerlei Aufnahme. Der Versuchsleiter notierte die Antwort der Probanden auf einem vorbereiteten Bogen, was mit auswertungstechnischen Gründen erklärt wurde. Experimental- und Kontrollgruppe erhielten drei Übungsitems, um sich mit der Aufgabenstellung vertraut zu machen. Versuchspersonen und Design Vierzig Studenten und Studentinnen der Psychologie nahmen an dem Versuch teil; ihre Aufteilung in Experimental- und Kontrollgruppe erfolgte per Zufall. Die Altersspanne reichte von 19 bis 31 Jahren; 24 Probanden waren Frauen, 16 Männer. Für die Teilnahme erhielten die Probanden einen Versuchspersonenschein. Unabhängige Variablen sind die Aufgabenstellung mit zwei Ausprägungen: Items lesen und beurteilen in der Kontrollgruppe bzw. passende Speicher nennen in der Experimentalgruppe sowie die drei Geläufigkeitsgruppen der Items, die als Meßwiederholungsvariable konzipiert ist. Das Design ist also 2*3 gemischt faktoriell. Abhängige Variablen sind wieder die Zeiten sowie die Einschätzungen und Lösungen der Aufgaben. Ergebnisse Die Ergebnisse werden im folgenden zunächst für die Einschätzung der Items, dann für die Verarbeitungszeit und schließlich für die eingesetzten Speicher präsentiert. 56 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Die drei Geläufigkeitsgrade differenzieren die Items sowohl in Bezug auf deren geschätzte Geläufigkeit als auch deren geschätzte Valenz. Beide Größen nehmen über die drei Geläufigkeits gruppen ab (siehe Abb. 7). Varianzanalysen mit dem Meßwiederholungsfaktor Geläufigkeit zeigen einen hochsignifikanten Einfluß der Geläufigkeitsgruppe sowohl für die geschätzte Geläufigkeit, F(2,38)=182.14, p<.001, als auch für die geschätzte Valenz, F(2,38)=68.80, p<.001 mit einem linearen Trend: F(1,19)=241.60, 5 4 Itemgruppe sehr geläufig 3 geläufig ungeläufig 2 1 Geläufigkeit Abb. 7 Wichtigkeit Die Einschätzung der drei Itemgruppen nach Geläufigkeit und Valenz der einzelnen Items. p<.001, für die Geläufigkeit und F(1,19)=102.49, p<.001für die Valenz. T - Tests differenzieren die einzelnen Mittelwerte alle hochsignifkat; für alle sechs Vergleiche gilt t(19)>4.2, p<.001. Kein Proband bemerkte die verdeckte Messung der Zeiten; auch die ‘Aufnahme’ in der Experimentalgruppe wurde als solche akzeptiert. Die Zeiten für die Verarbeitung der Aufgaben steigen kontinuierlich mit sinkender Geläufigkeit. Dieser Gradient ist steiler, wenn die Aufgabe gelöst werden soll, als wenn sie nur gelesen werden muß. So ist die Differenz zwischen beiden Zeiten bei sehr geläufigen Items unter einer Sekunde und steigt auf 3.5s bei ungeläufigen Items (siehe Abb. 8). 57 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben 10 9 8 7 6 Lesezeit Planungszeit Differenz 5 4 3 2 1 0 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 8 Die Lesezeit, Bearbeitungszeit und Differenz zwischen beiden, getrennt nach der Gleäufigkeit der bearbeiteten Aufgaben. Die Varianzanalyse mit Aufgabenstellung als u.V. und Geläufigkeit als Meßwiederholungsvariable zeigt hoch signifikante Haupteffekte, F(1,38)=110.04, p<.001 für Aufgabenstellung und F(2,76)=99.91, p<.001 für Geläufigkeit sowie für die Interaktion beider Parameter, F(2,76)=12.07, p<.001. T - Tests für abhängige Stichproben trennen die Mittelwerte der Planungs bzw. Lesezeiten über die Geläufigkeitstufen signifikant, bis auf die Lesezeit für Aufgaben mit mittlerem vs. Aufgaben mit geringer Geläufigkeit; hier wird das Signifikanzniveau mit t(19)=-1.94, p=.067 knapp verfehlt. Mittelwertsvergleiche für unabhängige Stichproben zum Vergleich der beiden Aufgabenstellungen ergeben eine signifikante Trennung nur für geläufige, t(38)=-2.09, p<.05, und ungeläufige t(38)=-3.39, p<.01, nicht aber für sehr geläufige Aufgaben, t(38)=-1.53, p>.05. Die durchschnittliche Lesezeit der einzelnen Items wurde für jede Versuchsperson der Experimentalgruppe von ihrer Bearbeitungszeit des jeweiligen Items subtrahiert (vgl. Abb. 8). Eine Varianzanalyse mit dem Faktor Geläufigkeit zeigt hoch signifikante Unterschiede dieser Differenz zwischen Lesezeit und Planungszeit für die drei Geläufigkeitsstufen, F(2,18)=14.88, p=.001. T - Tests für abhängige Stichproben trennen die Differenz für alle Geläufigkeitsstufen signifikant: t(19)=-2.12, p<.05, für hohe vs. mittlere Geläufigkeit, t(19)=-3.93, p=.001, für mittlere vs. geringe Geläufigkeit und t(19)=-4.91, p<.001 für hohe vs. geringe Geläufigkeit. 58 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Mit den in der Lesebedingung gewonnenen Kennwerten der Aufgaben wurde der korrelative Zusammenhang zwischen Bedeutung und Geläufigkeit eines Items auf der einen und seiner Verarbeitungszeit auf der anderen Seite analysiert. Planungszeit, Lesezeit und die Differenz zwischen beiden korrelieren hoch signifikant (p<.001) mit der Geläufigkeit der Items, r=-.69, r=-.52 und r=-.53. Mit der Bedeutung des Items korrelieren nur Planungszeit und die Differenz zwischen Planungszeit und Lesezeit der Items signifikant, r=-.38 und r=-.43, p<.05, nicht aber die Lesezeit r=-.14. Valenz und Geläufigkeit einer Aufgabe korrelieren ebenfalls stark positiv miteinander, r=.7, p<.001. Zur Lösung der Repräsentationsaufgaben wurden 40 verschiedene Speicher genannt (siehe Tab. 4). Eingesetzte Speicher Speicher Anzahl der Nennungen: absolut / in % 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. Gedächtnis 467 38,9% Kalender 272 22,6% Zettel an auffälligem Ort / Pinnwand116 9.7% Zettel (ohne Ortsangabe) 54 4,5% Adreßbuch 49 4,1% Zettel an kritischem Objekt / Ort 36 3% Gegenstand plazieren 30 2,5% Kalender, übertragen 19 1,6% aufschreiben (ohne Ortsangabe) 16 1,3% Mitschrift 12 1% andere Person 13 1,1% Terminkalender vorne/hinten/Notizteil13 1,1% teilweise sofort ausführen 10 0,8% Einkaufszettel 10 0,8% Geburtstagskalender 10 0,8% Notizbuch 9 0,8% modifizierter Kalender 7 0,6% modifiziertes Adreßbuch 6 0.5% Ordner 5 0,4% Zettel im Schrank 6 0,5% Speicher Anzahl der Nennungen: absolut / in % 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. Eselsbrücken Tagebuch Zettel verstecken Langzeitkalender (>1Jahr) Uniblock Telefonbuch anstreichen, plazieren codierte im Telefonbuch Schreibtischunterlage in Holzmöbel einritzen Strichliste Zettel in Ordner ablegen mit rot in Notizteil Kalender Wecker anstreichen und aufheben codiert notieren Fach für geheime Dinge anstreichen Infomaterial Radio Keine Angaben Gesamt 4 4 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 14 0,3% 0,3% 0,3% 0,3% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,2% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 0,1% 1,2% 1200 100% Tab. 4 Zur Lösung der Repräsentationsaufgaben eingesetzte Speicher; Prozentangaben auf eine Dezimalstelle hinter dem Komma gerundet. Speicher Nr.3,6,7 und 13 sind zusammengefaßt, die übrigen unverändert (vgl. Studie 1). Dabei wurden die Angaben der Probanden entsprechend der Auswertung bei Studie 1 nach Möglichkeit wörtlich übernommen. Bei den Speichern Nr. 3, 6, 7 und 13 wurden Synonyme oder offensichtlich gleiche Funktionen der Speicher zusammengefaßt. Bei Speicher Nr. 3, Notizzettel an auffälligem Ort, wurden die unterschiedlichsten Orte genannt, von der Haustür über den Kühlschrank 59 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben bis zum Klo. Ähnlich verhielt es sich bei Speicher Nr. 6, Notizzettel an kritischem Objekt. Hier wurde der Notizzettel direkt an dem Objekt befestigt, mit dem eine Aufgabe in derZukunft verbunden ist, beispielsweise die Hausapotheke, die in zwei Jahren zu überprüfen ist, oder der Wasserfilter, der in einem halben Jahr ausgetauscht werden muß. Bei beiden Gruppen wurde der Einzelfall also nicht noch einmal getrennt aufgeführt, sondern über seine Funktion klassifiziert. Ähnlich bei Speicher Nr. 7, ‘Objekt plazieren’. Hier wird das kritische Objekt, mit dem etwas gemacht werden soll, so plaziert, das es auffällt und damit an die Aufgabe erinnert. Ein Brief, der zur Post mitgenommen werden muß und deswegen vor der Ausgangstür liegt, ein Buch, daß zurückgegeben werden muß und deswegen auf dem Frühstückstisch landet oder eine Gießkanne, die mitten im Raum steht und so das Blumengießen anmahnt, gehören hierzu. Schließlich betrifft Speicher Nr. 13, teilweise sofort ausführen, alle Speicherarten, wo ein Teil der geforderten Handlung sofort ausgeführt wird. Beispielsweise einen Brief, der zur Post gebracht werden muß, sofort in die Jackentasche zu stecken oder ein Script, was zur Uni zu bringen ist, sofort in die Aktenmappe einzupacken. Die verschiedenen Speicher werden sehr unterschiedlich häufig eingesetzt. Fast 72% der Aufgaben werden über drei Speicher gelöst, 24% über weiter 13 Speicher und die verbleibenden 4% der Aufgaben mit 23 Speichern. Für jede der drei Geläufigkeiten der Aufgaben wurde berechnet, wie viele unterschiedliche Speicher die Probanden pro Aufgabengruppe (Termine, zu erledigen, einkaufen usw.) eingesetzt haben. Maximal wären vier unterschiedliche Speicher möglich - wenn ein Proband für jede Aufgabe eines bestimmten Typs und einer bestimmten Geläufigkeitsstufe einen anderen Speicher gewählt hätte. Tatsächlich wurden bei sehr geläufigen Aufgaben durchschnittlich 1.99, bei geläufigen 2.7 und bei ungeläufigen 2.65 unterschiedliche Speicher eingesetzt. Eine Anova mit der Geläufigkeit als Meßwiederholungsvariable zeigt die hohe Signifikanz dieses Effektes, F(2,38)=35.58, p<.001. T-Tests für Meßwiederholungsvariablen belegen, daß dieser Effekt auf der unterschiedlichen Speicherzahl zwischen sehr geläufigen und geläufigen, t(19)=-6.38, p<.001, bzw. sehr geläufigen und ungeläufigen Aufgaben, t(19)=-6.124, p<.001, nicht aber durch die zwischen geläufigen und ungeläufigen Aufgaben zustande kommt, t(19)=1.22, p>.05. Um den Zusammenhang zwischen den tatsächlich gewählten Speichern und der Planungszeit für den Einsatz dieser Speicher zu analysieren, wurden zwei komplementäre Wege eingeschlagen. Zum einen wurden die Planungszeit für die nach der Häufigkeit der gewählten Speicher gruppierten Aufgaben berechnet; zum anderen wurde die Planungszeit für die drei am häufigsten eingesetzten Speicher berechnet. Beide Wege kranken daran, daß nur die Probanden in die Varianzanalyse eingehen können, die die jeweiligen Speicher bzw. Speichergruppen tatsächlich in allen drei Geläufigkeitsstufen von Aufgaben eingesetzt haben (d.h. alle neun Zellen müssen besetzt sein). Diese Voraussetzung führt 60 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben in beiden Fällen dazu, daß nur ein Teil der Probanden in die statistische Analyse einbezogen werden kann. Um den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit, mit der ein Speicher eingesetzt wird, und der Planungszeit für den Einsatz diese Speichers zu analysieren, wurden die Speicher in drei Gruppen unterteilt. Die Gruppe der häufig eingesetzten Speicher betrifft die Speicher, die bei den 1200 Nennungen über 100 mal genannt wurden (das Gedächtnis, der Terminkalender und der Zettel am auffälligem Ort); die Gruppe der regelmäßig eingesetzten Speicher betraf diejenigen, die über 10 mal und unter 100 mal eingesetzt wurden (das betraf 14 Speicher); die Gruppe der selten eingesetzten Speicher bildeten die Speicher, die unter 10 mal eingesetzt wurden (das betraf 25 Speicher, vgl. Tab. 4). Für diese drei Gruppen wurde jeweils die durchschnittliche Planungszeit für ihren Einsatz getrennt nach der Geläufigkeit der Aufgabe berechnet (siehe Abb. 9). 12 11 10 Eingesetzte Speicher wurden... ...häufig... 9 8 ...regelmäßig... ...selten... ...genannt 7 6 5 4 3 2 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 9 Die Zeit, bis ein Speicher zur Lösung der Aufgabe genannt wird, differenziert nach der Aufgabengeläufigkeit und der Häufigkeit, mit der der jeweilige Speicher insgesamt genannt wurde. Die Mittelwerte beziehen sich auf die 16 Probanden, die in die Varianzanalyse aufgenommen wurden. Die Planungszeit steigt für alle Speichergruppen über sinkende Geläufigkeit der Aufgaben. Dabei ist die Planungszeit über alle Aufgaben um so höher, je seltener die jeweiligen Speicher eingesetzt wurden. In die Varianzanalyse mit den beiden Meßwiederholungsvariablen Geläufigkeit der Aufgabe und Häufigkeitsgruppe des eingesetzten Speichers gehen nur 14 Probanden ein, da bei sechs Probanden 61 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben nicht alle Zellen besetzt sind. Trotzdem sind beide Haupteffekt signifikant, F(2,26)=3,75, p<.05 für Speichergruppen und F(2,26)=24,28, p<.001 für die Geläufigkeit. Die Interaktion wird nicht signifikant, F(4,52)=1.49, p>.05. T-Tests für den Mittelwertsvergleich abhängiger Stichproben ergeben hochsignifikante Unterschiede für den Paarvergleich aller drei Geläufigkeitsstufen, t(13)=-6.61, p<.001 sehr geläufige vs. geläufige, t(13)=-5.44, p<.001 für sehr geläufige vs. ungeläufige und t(16)=-2.51, p<.05 geläufige vs. ungeläufige Aufgaben. Bei den Speichergruppen erreicht in der Planungszeit nur der Unterschied in der Planungszeit zwischen häufig und selten eingesetzten Speichern das Signifikanzniveau, t(13)=-2,71, p<.05, nicht aber der Vergleich dieser beider Gruppen mit der mittleren Häufigkeit. Die Interaktion zwischen Geläufigkeit und Speichergruppe ist den Mittelwerten angedeutet (vgl. Abb. 9), erreicht aber das Signifikanzniveau nicht. Dafür zeichnet auch der hohe Ausfall an Probanden verantwortlich. Deswegen werden trotz der fehlenden Interaktion die t-Tests zum Paarvergleich der Speichergruppen bei den drei Geläufigkeitsstufen gerechnet. Bei sehr geläufigen Aufgaben unterscheiden sich die Mittelwerte nicht, bei den beiden ungeläufigeren Aufgaben aber werden zumindest die Unterschiede zwischen der häufigen und der seltenen sowie zwischen der häufigen und regelmäßigen Speichergruppe signifikant. Der Unterschied zwischen der regelmäßigen und seltenen Speichergruppe verpaßt bei geläufigen Aufgaben mit t(16)=-1.7, p=.1, bei ungeläufigen Aufgaben noch deutlicher das Signifikanzniveau (vgl. Tab. 5). Planungszeiten differenziert für häufig, regelmäßig und selten verwandte Speicher(Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Speichergruppe: häufig vs. regelmäßig Geläufigkeitsgruppe: t(19)=-0.3 sehr geläufig häufig vs. selten regelmäßig vs. selten t(19)=0.4 t(19)=0.1 geläufig t(17)=5.1*** t(17)=5.2*** t(16)=-1.7 ungeläufig t(14)=4.3** t(13)=-3.5* t(17)=-0.4 Tab. 5 Ergebnisse der t-Tests der Paarvergleiche für die Planungszeiten über die Speichergruppen getrennt nach den drei Geläufigkeitsstufen. * für p<.05, **für p<.01, ***für p<.001 Die drei am häufigsten eingesetzte Speicher waren das Gedächtnis (467 von 1200 Entscheidungen), der Terminkalender (275 von 1200 Entscheidungen) und der Notizzettel, an einem auffälligen Ort plaziert (119 von 1200 Entscheidungen). Für diese drei Speicher wurde für jede Versuchsperson jeweils nach Geläufigkeitsgruppe der Aufgaben getrennt die Planungszeit berechnet; also die Zeit, die die Probanden brauchten, um sich für den jeweiligen Speicher zu entscheiden. 62 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Für alle drei Speicher wird die Planungszeit um so länger, je geringer die Geläufigkeit der Items. Die Planungszeiten sind für den Notizzettel für alle Geläufigkeitsstufen am längsten, während der Terminkalender nur für bekannte und weniger bekannte Aufgaben längere Planungszeit als das Gedächtnis benötigt. Bei unbekannten Aufgaben kehrt sich dieses Verhältnis um: die Planungszeit ist hier für das Gedächtnis länger (siehe Abb. 10). 12 11 10 9 8 Gedächtis Terminaklender 7 Zettel a. a. Ort 6 5 4 3 2 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 10 Die Planungszeiten über alle Geläufigkeitsstufen getrennt für die drei meistgenannten Speicher. Die Zeiten für das Gedächtnis beziehen sich auf 19, für den Terminkalender auf 17 und für Zettel an auffälligem Ort auf 7 Probanden. Da nur bei drei Versuchspersonen alle neun Zellen gefüllt sind, wird auf eine vollständige MANOVA verzichtet. Stattdessen werden für die drei Speicher jeweils getrennte Varianzanalysen gerechnet. In diese Varianzanalysen konnten für das Gedächtnis als Speicher 19, für den Terminkalender 17 und für den Zettel am auffälligen Ort sieben Versuchspersonen einbezogen werden. In allen drei Fällen war die Wirkung der Geläufigkeit signifikant: F(2,36)=20.08, p<.001 für Gedächtnis, F(2,32)=8.00, p<.01 für Terminkalender und F(2,12)=5.20, p<.05 für Notizzettel an auffälligem Ort. Die Signifikanz der T - Tests zum Vergleich der Mittelwerte hängt hauptsächlich von der Anzahl der Probanden ab, die darin eingehen. Für das Gedächtnis unterscheiden die Geläufigkeitsstufen der Aufgaben alle Mittelwerte signifikant, für den Terminkalender und für Notizzettel an auffälligem Ort wird der Unterschied zwischen geläufigen und ungeläufigen Aufgaben nicht mehr signifikant. Vergleicht man die Planungszeit für die drei Speicher jeweils auf einer Geläufigkeitsstufe der Aufgabe, so wird bei sehr geläufigen Aufgaben nur die unterschiedliche 63 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben Planungszeit von Gedächtnis und Terminkalender signifikant, t(16)=-3.055, p<.01 Bei geläufigen Aufgaben verpaßt der Unterschied zwischen Gedächtnis und Notizzettel an auffälligem Ort mit t(13)=1.91, p=.077 nur knapp das Signifikanzniveau, bei ungeläufigen Aufgaben unterscheiden sich die Speicher nicht mehr. Über alle Geläufigkeitsstufen hinweg erreicht kein Unterschied in der Planungszeit für die drei Speicher das Signifikanzniveau, obwohl er in den Mittelwerten vorliegt: Gedächtnis 10.1s, Terminkalender 10.2s und Zettel am auffälligen Ort 12.0s. Um den mit der Ungeläufigkeit der Speicher und Aufgaben steigenden Datenausfall in den Griff zu bekommen, wurde die Analyse mit den drei für jede Versuchsperson individuell häufigsten Speichern wiederholt. Für jede Versuchsperson wurde dazu die Anzahl der von ihr eingesetzten Speicher ausgezählt. Die Planungszeit wurde nur für die Aufgaben berechnet, bei denen einer der drei vom Probanden am häufigsten genannten Speicher als Lösung genannt wurde. Der Datenausfall wurde aber auch durch diese aufwendigere Analyse kaum reduziert; die Ergebnisse änderten sich insgesamt im Vergleich zur Berechnung über die drei von allen Probanden am häufigsten genannten Speicher nur unwesentlich. Deswegen wird auf ihre Darstellung hier verzichtet. Diskussion Studie 2 sollte Alternativerklärungen für die Ergebnisse von Studie 1 ausschließen sowie einige zusätzliche Hypothesen testen. Auch in Studie 2 folgte die Einschätzung der Geläufigkeit der Aufgaben den Zielsetzungen bei der Konstruktion der Items. Anders als in Studie 1 war die Einschätzung der Items aber nicht mit ihrer Bearbeitung verknüpft. Der hohe korrelative Zusammenhang zwischen Geläufigkeitseinschätzung und Bearbeitungszeit eines Items kann damit nicht mehr darauf zurückgeführt werden, daß die Probanden ihre eigene Bearbeitungszeit als Grundlage für die Einschätzung der Geläufigkeit nehmen. Eine zentrale Hypothese von Studie 2 war die steigende Planungszeit für passende Speicher bei sinkender Geläufigkeit der Aufgaben. Wie in Studie 1 konnte diese Hypothese mit hoher Signifikanz bestätigt werden: je ungeläufiger eine Aufgabe, um so länger dauert es, einen passenden Speicher zu finden. Anders als in Studie 1 können Alternativerklärungen für diese Beobachtung ausgeschlossen werden. Erstens wurde die Zeit verdeckt erhoben, ohne daß dies das Ergebnis verändert hätte; ein Einfluß von Zeitdruck ist damit ausgeschlossen. Zweitens kann die subjektive Valenz einer Aufgabe als Ursache für steigende Planungszeit bei sinkender Aufgabengeläufigkeit ausgeschlossen werden. Ausgangspunkt dieser Frage war, daß höhere Valenz einer Aufgabe auch zu längeren Planungszeiten führen müßte (vgl. 1.4.2.3, H7). Würde nun Aufgabenvalenz mit sinkender Geläufigkeit der Aufgabe steigen, könnte die steigende Planungszeit nicht mehr eindeutig auf die sinkende Aufgabengeläufigkeit 64 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben zurückgeführt werden. Valenz und Geläufigkeit korrelieren aber tatsächlich hoch positiv miteinander: die ungeläufigen Aufgaben wurden als weniger bedeutsam eingeschätzt als die geläufigeren. Wenn aber Aufgaben um so länger bearbeitet werden, je höher ihre Valenz ist, müßte die Valenz alleine zu sinkenden Planungszeiten bei sinkender Geläufigkeit der Aufgaben führen. Die Hypothesen zur Planungszeit sagen aber steigende Planungszeit mit sinkender Aufgabengeläufigkeit voraus (H1). Die mit der Geläufigkeit der Aufgaben sinkende Valenz bietet somit keine Alternativerklärung, sondern erschwert die empirische Verifikation der Hypothese. Drittens erlaubt die Erhebung der Lesezeit für jedes Item eine klarere Aufteilung der Bearbeitungszeit der Items. Zwar steigt auch die Lesezeit mit der sinkenden Geläufigkeit der Items. Dieser Effekt verwundert nicht; sind doch ungewöhnliche Items häufig in der sprachlichen Darstellung komplexer. Die Unterschiede in der Planungszeit lassen sich dadurch aber nicht erklären: selbst die Differenz zwischen Planungs- und Lesezeit zeigt noch einen hochsignifikanten Effekt der Itemgeläufigkeit. Ungeläufige Items erfordern längere Lesezeit; aber auch nachdem sie gelesen worden sind, dauert es länger, einen passenden Speicher zu finden als bei geläufigeren Items. Trotzdem bleibt fraglich, ob die Differenzbildung zwischen Lesezeit und Bearbeitungszeit eines Items sinnvoll ist. Voraussetzung dieser Analyse ist, daß sich die Bearbeitungszeit ergibt als Summe aus der Lesezeit für das Item und der Planungszeit zur Entscheidung für einen passenden Speicher. Für sehr geläufige Items erscheint das - nach dem SWIEGS-Modell - aber fraglich. Wenn ein Repräsentations script angewandt wird, reicht nämlich die einfache Klassifikation des Items aus. Es würde also beispielsweise reichen zu erkennen, daß es sich um einen Termin handelt; die Art des Termins ist dabei unwichtig. Eine differenziertere Analyse der Zeiten für jedes einzelne der sehr geläufigen Items zeigt tatsächlich, daß für fünf der 20 Items die Bearbeitungszeit kürzer ist als die reine Lesezeit. Es dauert also länger, das Item zu lesen und zu verstehen, als einen passenden Speicher für es zu finden (siehe Abb. 11: Item Nr. 1, 46, 55 und 4). Gleiches gilt für immerhin noch drei Items der geläufigen Gruppe und für eines der ungeläufigen. Auch wenn also die Korrektur der Bearbeitungszeit um die Lesezeit von der Versuchsplanung her als notwendig erscheint, wird sie vor dem Hintergrund des untersuchten Modells fraglich. Einen passenden Speicher für eine Aufgabe zu finden, scheint nicht etwas zu sein, was nach dem Lesen und Verstehen der Aufgabe einsetzt. Die Aufgabe scheint von vornherein auf eine andere Art gelesen zu werden, die das vollständige Verarbeiten der Aufgabe nicht notwendig macht. Diese Überlegungen sind zur Verifikation steigender Planungszeiten mit sinkender Aufgabengeläufigkeit (H1) nicht erforderlich, da auch die Differenz der Zeiten mit sinkender Geläufigkeit hochsignifikant 65 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben 8 7 6 5 Bearbeitungszeit Lesezeit 4 3 2 1 1 4655 4 22 7 1013161925283134374043495258 Abb. 11 Die Zeit für die Suche nach einem passenden Speicher (Bearbeitungszeit) kontrastiert mit der Zeit, das Item in Vorbereitung auf die Einschätzung des Items zu lesen (Lesezeit). Für fünf Items ist die Lesezeit länger als die Bearbeitungszeit. steigt. Für weitere Studien ist die Differenzbildung damit aber nicht unproblematisch, da die Lesezeit einen anderen Prozeß zu betreffen scheint als den der Speicherwahl. Die Anzahl unterschiedlicher Speicher zur Lösung eines Aufgabentyps ist für geläufige und ungeläufige Aufgaben signifikant höher als für sehr geläufige Aufgaben. Durch die systematische Variation der Aufgabentypen über die Geläufigkeitsstufen hinweg kann ausgeschlossen werden, daß Unterschiedlichkeit der Aufgabentypen für diesen Effekt verantwortlich waren. Nach den Überlegungen in der Diskussion zu Studie 1 war zu erwarten, daß im Labor kein Unterschied in der Zahl der Speicher zwischen geläufigen und ungeläufigen Aufgaben zu finden sein würde. Das war auch der Fall: die Laborumgebung scheint eher zur Modifikation der kritischen Parameter als zu einer kreativen Lösung mit neuen Speichern anzuregen. Drei zusätzliche Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Planungszeit und Speicherwahl konnten in Studie 2 geprüft werden. Erstens sollt die Planungszeit unabhängig vom tatsächlich gewählten Speicher mit sinkender Geläufigkeit steigen (H2). Zur Testung wurden die Planungszeiten noch einmal danach differenziert, welcher Speicher gewählt worden war. In der ersten Analyse wurden 66 Studie 2: Lesezeit, Itemkonstruktion und Beurteilung der Aufgaben alle Speicher nach ihrer Häufigkeit in drei Gruppen unterteilt. In der zweiten Analyse wurden nur die Aufgaben aufgenommen, in denen einer der drei am häufigsten genannten Speicher gewählt worden war. Die Speichergruppe bzw. die Speicher wurden als zusätzlicher Faktor in die Analyse der Planungszeit aufgenommen. Beide Analysen belegen die Unabhängigkeit der mit sinkender Aufgabengeläufigkeit steigenden Planungszeit von der Speicherwahl. Dieser Effekt war für alle sechs Teilgruppen hochsignifikant. Die Erhöhung der Planungszeit bei sinkender Aufgabengeläufigkeit kann also nicht dadurch zustande kommen, daß ungeläufige Aufgaben mit ungeläufigen Speichern gelöst werden. Es muß tatsächlich die Unterschiedlichkeit im Prozeß der Speicherwahl verantwortlich sein, der unterschiedlich viel Zeit erfordert, auch, wenn schlußendlich der gleiche Speicher gewählt wird. Zweitens sollte die Planungszeit bei gleicher Aufgabengeläufigkeit um so länger sein, je seltener ein Speicher insgesamt eingesetzt wurde (H3) Dieser Effekt sollte drittens um so größer sein, je ungeläufiger die Aufgabe (H4). Beide Hypothesen werden mit der beschriebenen Analyse der Planungszeit mit den Speichergruppen als zusätzlichem Faktor getestet. Die Planungszeit hängt dabei, wie von H3 gefordert, von der Häufigkeit des Speichereinsatzes ab: sie steigt von den häufig über die regelmäßig bis zu den selten eingesetzten Speichern. Allerdings erreicht nur der Unterschied zwischen den häufig und selten eingesetzten Speichern das Signifikanzniveau. Die Differenzierung dieser Hypothese durch die Aufgabengeläufigkeit (H4) ist als Tendenz vorhanden, erreicht aber nicht die zur Bestätigung der Hypothese notwendige Stärke. In den Mittelwerten ist der Effekt deutlich: die Planungszeit unterscheidet sich zwischen den drei Speichergruppen bei sehr geläufigen Aufgaben nicht, wohl aber bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben. Entsprechend trennen t-Tests die Planungszeit zumindest zwischen häufigen und seltenen Speicher bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben signifikant. Die zur Bestätigung der Hypothese erforderliche Interaktion zwischen Geläufigkeit und Speichergruppe erreicht das Signifikanzniveau jedoch nicht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit einer signifikanten Interaktion verringert war, da die Auswertungsmethode zum Ausfall etlicher Versuchspersonen führte. So erscheint es sinnvoll, Hypothese 4 zunächst als plausibel, aber nicht bestätigt, für weitere Untersuchungen offen zu lassen. 2.2 Zweiter empirischer Teil: metakognitive Parameter Die Ergebnisse im ersten empirischen Teil belegen die Hypothesen zur Planungszeit, zur Speicherzahl und zum Zusammenhang zwischen beidem. Deutlich ist, daß je nach Geläufigkeit einer Repräsentationsaufgabe Prozesse ablaufen, die sich in ihrem Zeitbedarf und in der Qualität ihres Ergebnisses - der Anzahl unterschiedlicher Speicher - unterscheiden. Über das, was in den unterschiedlichen Planungszeiten abläuft, sind nur indirekte Rückschlüsse möglich; tatsächlich lassen 67 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie sich die bisherigen Ergebnisse mit einem sehr viel einfacheren Modell als dem im theoretischen Teil entwickelten erklären. Im zweiten empirischen Teil steht deswegen die Rolle der metakognitven Parameter im Mittelpunkt. Sie liefern einen direkteren Zugang zu dem, was in den unterschiedlichen Planungszeiten abläuft. Grundfrage der folgenden Untersuchungen ist, ob Entscheidungen von metakognitiven Parametern geleitet werden. Ziel ist nachzuweisen, daß der Zusammenhang zwischen metakognitiven Parametern und einem gewählten Speicher eine Funktion der Geläufigkeit der Aufgabe ist. Sind Entscheidungen durch solche bestimmt oder gar vorhersagbar, müssen die metakognitiven Parameter bei dem in der Planungszeit ablaufenden Prozeß eine Rolle gespielt haben. Die erste Studie ist eine Pilotstudie, in der erstmals versucht wird, die Frage nach dem Zusammenhang von metakognitiven Parametern und Speicherwahl als eine Funktion der Aufgabe zu verstehen. Die zweite Studie folgt diesem Gedanken, benutzt aber darüber hinaus konkret die im SWIEGS-Modell angenommenen metakognitven Parameter, um damit die Speicherwahl vorherzusagen. 2.2.1 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie Dobbs und Rule fanden in ihrer Studie von 1987 keinerlei Zusammenhang zwischen der Einschätzung des eigenen Gedächtnisses und der Einsatzhäufigkeit von externen Speichern. Im theoretischen Teil wurde dieses Ergebnis in zwei Richtungen problematisiert. Erstens dürfte die Einschätzung des Gedächtnisses nicht der einzige bedeutsame Parameter sein. Zweitens ist nach genauerer theoretischer Analyse ein Zusammenhang überhaupt nur dann zu erwarten, wenn die Aufgaben ungewöhnlich sind, für sie also kein Repräsentationsscript besteht (vgl. 1.3.2.1). Dieser zweite Kritikpunkt soll einer ersten empirischen Prüfung unterzogen werden. Grundthese: der Zusammenhang zwischen metakognitiven Einschätzungen und Speicherwahl hängt von der Aufgabenart ab. Eine sehr geläufige Aufgabe soll durch den Einsatz von Scripten, und das heißt ohne Einfluß der metakognitiven Parameter, gelöst werden. Für ungeläufige Aufgaben dagegen sind keine Repräsentationsscripte vorhanden. Folglich sollten bei diesen Aufgaben metakognitive Parameter die Grundlage für die Entscheidung sein (H5). Ein zweiter Ansatzpunkt der Studie ist neben dem allgemeinpsychologischen, manipulativen einen differentiellen Aspekt zu testen. Auch aus unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften müßten unterschiedliche Umgehensweisen mit externen Speichern folgen. Exemplarisch wird die Ängstlichkeit gewählt, da hier deutliche Effekte zu erwarten sind. Hochängstliche haben eine schlechtere Selbsteinschätzung und ein höheres Sicherheitsbedürfnis als Niedrigängstliche (Schönpflug, 1989a). Für 68 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie die Evaluation und Konstruktion eines Speichers heißt das, daß sich das größere Sicherheitsbedürfnis Ängstlicher in schärferen Prüfgrößen niederschlagen sollte. Ängstliche sollten also eine höhere minimale Erfolgswahrscheinlichkeit haben und dafür zu höherem Aufwand bereit sein als Niedrigängstliche. Für die Anwendung eines Repräsentationsscriptes dürfte sich ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis nur indirekt bemerkbar machen. Hochängstliche müßten ihre eigene Gedächtnisleistung generell schlechter einschätzen als Niedrigängstliche. Daher sollten sie mehr Repräsentationsscripte mit einem externen Speicher gebildet haben als Niedrigängstliche. Dagegen sollte die Frage, auf welche Art ein Speicher gewählt wird, unabhängig von der Ängstlichkeit sein. Ängstlichkeit sollte das ‘was?’ nicht aber das ’wie?’ der Entscheidung beeinflussen. Bei beiden Ängstlichkeitsgruppen dürften die metakognitiven Parameter nur dann die Entscheidung für einen Speicher leiten, wenn die Aufgabe ungeläufig ist. Während Ängstlichkeit also einen Einfluß auf die Entscheidungsparameter und die vorhandenen Scripte haben sollte, sollte die strukturelle Komponente der Entscheidung unbeeinflußt bleiben. Drei Aufgabentypen werden eingesetzt: Termine, kurze Texte und Texte, die eine Information beschreiben. Die Aufgabenstellung, auf die die Probanden sich vorbereiten sollten, war entweder das Einhalten des jeweiligen Termins oder das merken der jeweiligen Information bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Termine einzuhalten ist eine geläufige Aufgaben, für die ein Script vorliegen sollte. Tatsächlich weist darauf ja nicht nur die Alltagsbeobachtung (vgl. 1.3.3.1), sondern auch die Ergebnisse zu den Terminaufgaben in Studie 1 und Studie 2 hin. Texte zu merken sollte dagegen ungeläufig sein, da ein Kontext, der einen Sinnzusammenhang stiftet und bestimmte Scripte aktivieren könnte (z.B. „Diesen Text zu merken ist Teil der Vordiplomsprüfung“), fehlt. Der Einsatz von Scripten ist damit nach den Annahmen des SWIEGS-Modells nicht möglich. Das sollte bei der dritten Aufgabengruppe verstärkt gelten, da bei Texten, die die zu merkende Information nur beschreiben, noch weniger über die eigentliche Zielinformation bekannt ist. Folglich sollten bei kurzen Texten und beschriebener Information metakognitive Parameter die Entscheidung für oder gegen einen Speicher leiten; nicht aber bei Terminen. Studie 3 testet als Pilotstudie eine vereinfachte Form dieser Hypothese. Wenn alle Aufgaben in einer leichteren und einer schwierigeren Form vorliegen, sollte sich das in unterschiedlicher Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Speicherung dieser Aufgabe im Gedächtnis niederschlagen. Dieses vorausgesetzt, ist die kritische Frage, ob diese unterschiedliche Einschätzung auch zu unterschiedlichen Speicherwahlen führen, ob also das Gedächtnis tatsächlich weniger oft gewählt wird, wenn die Einschätzung seines Erfolges geringer ist. Aus den theoretischen Überlegungen folgt die Hypothese, daß bei den ungeläufigeren Aufgaben - den Texten und der beschriebene Information - das auch der Fall sein müßte, nicht aber bei sehr geläufigen Aufgaben - den Terminen. 69 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie Wie oft das Gedächtnis als Speicher eingesetzt wird, müßte also unabhängig von der Einschätzung des Erfolges sein, den der Einsatz des Gedächtnisses zum Merken dieses Termins bringt. Material Von jedem der drei Aufgabentypen wurden 16 Aufgaben konstruiert. Der erste Aufgabentyp, die Termine, waren entsprechend der Alltagserfahrung konstruiert, z.B. ‘Du hast in 2 Tagen, 11 Uhr einen Termin beim Zahnarzt’. Der zweite Aufgabentyp bestand aus kurzen Texten unterschiedlichsten Inhalts wie Zitaten, Definitionen, Theaterstücken usw. von durchschnittlich 30 Worten, z.B. „Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert, aber eine Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere. (Thomas Mann)“. Beim dritten Aufgabentyp waren die Zielinformationen nur beschrieben, z.B. „Stelle Dir vor, wir würden Dir eine Abhandlung über Maler geben, und du sollst dir Informationen über Monet, Picasso und Van Gogh aneignen.“ Jede Aufgabe wurde in zwei Versionen präsentiert. In der leichteren Version lag der Termin in zwei Tagen bzw. war die jeweilige Information bis in zwei Tagen zu merken. In der schwierigen Version betrug die Zeitspanne zwei Wochen: der Termin lag also in zwei Wochen und die Information war bis in zwei Wochen zu merken. Das Versuchsmaterial findet sich vollständig im Anhang 5.1.3. Versuchspersonen, Design und Durchführung Am Versuch nahmen 9 Studenten und 13 Studentinnen der Psychologie als Versuchspersonen teil, deren Teilnahme mit einem Versuchspersonenschein honoriert wurde. Die unabhängige Variable ist die Ängstlichkeitsgruppe, zu der der jeweilige Proband gehört, mit zwei Ausprägungen. Die Art der Aufgabe mit den Faktorstufen Termin, kurzer Text und beschriebene Information sowie die Zeitdauer mit den Faktorstufen zwei Tage und zwei Wochen sind als Meßwiederholungsvariablen operationalisiert. Das Design ist folglich 2*2*3 gemischt faktoriell. Abhängige Variablen sind die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit, eine Aufgabe im eigenen Gedächtnis zu behalten sowie die Entscheidung für oder gegen das eigene Gedächtnis als Speicher. Den Probanden wurden in einer ersten Phase die 48 Aufgaben auf Karteikarten in zufälliger Reihenfolge präsentiert. In der ersten Versuchsphase schätzen die Probanden für jede Aufgabe ein, wie groß der Erfolg in der Bewältigung der Aufgabe wäre, wenn sie die jeweilige Aufgabe nur mit Hilfe des eigenen Gedächtnisses merken würden. Diese Einschätzung erfolgte auf einer Prozentskala, wobei entsprechend 100% absolute Sicherheit, die Aufgabe erfolgreich durch das Gedächtnis bewältigen zu können, und 0% absolute Sicherheit, dies nicht zu können, bedeutet. Die Skala lag den Probanden als Erinnerungshilfe vor. In einer Zwischenphase füllten die Probanden den Trait-Teil der deutschen Ausgabe (Laux, Glanzmann, Schaffner & Spielberger, 1981) des STAI (Spielberger, Gorsuch & 70 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie Lushene, 1970) aus. In der dritten Versuchsphase erhielten die Probanden alle Aufgaben ein zweites Mal in der gleichen Reihenfolge. Die Probanden sollten sich entscheiden, ob sie diese Aufgabe nur mit dem Gedächtnis oder mit einem externen Speicher lösen würden. Die Probanden wurden ausführlich über die Aufgabe instruiert; drei Trainigsaufgaben vor den beiden Einschätzungen sollten zudem Sicherheit im Umgang mit der Skala bzw. der Entscheidungs situation gewährleisten. Ergebnisse Mit den Trait-Werten des STAI wurden über einen Mediansplit zwei Versuchspersonengruppen gebildet. Die Gruppe der niedriger Ängstlichen hatte ein Minimum von 28 und ein Maximum von 38 Skalenpunkten mit einem Mittelwert von 33.2, die Gruppe der höher Ängstlichen hatte Werte von 40 bis 54 Skalenpunkten mit einem Mittelwert von 44.9. Die Einschätzung der Gedächtnisleistung und die Entscheidungen für oder gegen einen extern Speicher sind in Abb. 12 dargestellt. Die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Bearbeitung der Aufgabe mit dem Gedächtnis ist bei einer Zeitdauer von zwei Tagen zwischen dem Einprägen und Rückruf deutlich höher als bei einer Dauer von zwei Wochen (vgl. die schwarzen Balken in Abb. 12). Dies gilt für alle drei Aufgabengruppen und beide Versuchspersonengruppen. Dabei wird der Erfolg für Termine höher eingeschätzt als für Texte und beschriebene Information. Eine Varianzanalyse mit der Ängstlichkeit als unabhängiger Variable sowie Aufgabenart und Zeitspanne als Meßwiederholungsvariable zeigt hochsignifikante Haupteffekte für die Aufgabenart, F(2,40)=45.1, p<.001, und die Zeitspanne, F(1,20)=40.4, p<.001, sowie eine signifikante Interaktion zwischen Aufgabenart und Ängstlichkeit, F(2,40)=4.0, p<.05. Wie t-Tests für Meßwiederholungsvariablen zeigen, wird der signifikante Unterschied in der Einschätzung der Gedächtnisleistung im Vergleich beider Zeitspannen von allen Aufgabengruppen getragen: t(21)=5.38 für Termine, t(21)=-5.45 für kurze Texte und t(21)=-4.12 für beschriebene Information; jeweils p<.001. T-Tests mit der Ängstlichkeit als unabhängiger Variable zur Klärung der Interaktion zeigen, daß sich bei kurzen Texten und beschriebener Information die Einschätzung des Erfolges mit dem Gedächtnis als Speicher zwischen beiden Ängstlichkeitsgruppen nicht unterscheidet, t(20)=.8, p>.1 bzw. t(20)=1.1, p>.1. Bei den Terminen dagegen wird das Signifikanzniveau annähernd erreicht, t(20)=-1.86, p=.08. Höher Ängstliche schätzen ihre Gedächtnisleistungen bei den beiden Textarten also nicht anders, bei den Terminen aber schlechter ein als Niedrigängstliche. 71 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie 100 für niedriger Ängstliche: für höher Ängstliche: 100 60 60 40 40 20 20 0 0 Te rm Te ine rm 2 i n Tg e 2 W o Te xt e Te 2 x t Tg e 2 W o be .I n be fo .I 2T nf o g 2 W o 80 Te rm Te in rm e 2 in T e g 2 W o Te x Te te 2 xt T e g 2 W o be .I be nfo .I 2 nf T o g 2 W o 80 Geschätzter Erfolg einer internen Speicherung Entscheidung für interne Speicherung Abb. 12 Die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, die jeweilige Aufgabe mit Hilfe des Gedächtnisses erfolgreich zu lösen kontrastiert mit der Häufigkeit der Entscheidung für das Gedächtnis als Speicher; getrennt für niedriger vs. höher Ängstliche, die drei Aufgabentypen Termine vs. kurze Texte vs. beschriebene Information (be. Info) und die beiden Zeitspannen zwei Tage (2 Tg) vs. 2 Wochen (2Wo). Bei der Entscheidung zwischen dem Gedächtnis und einem externen Speicher entscheiden sich höher Ängstliche seltener für das eigene Gedächtnis als niedriger Ängstliche. Die Zeitspanne bis zum Erinnern wirkt sich deutlich bei beiden Textarten aus: bei 14-tägiger Spanne wird das Gedächtnis viel seltener gewählt. Bei den Terminen dagegen hat die Zeitspanne keinen Einfluß auf die Entscheidung zwischen externen und internen Speicher: Termine werden sowohl wenn sie in zwei Tagen als auch wenn sie in zwei Wochen liegen gleich häufig im Gedächtnis gespeichert. Eine Varianzanalyse mit der Ängstlichkeit als unabhängiger Variable sowie Aufgabenart und Zeitspanne als Meßwiederholungs variable zeigt signifikante Haupteffekte für die Ängstlichkeit, F(1,20)=10.9, p<.01 und die Zeitspanne, F(1,20)=7.7, p=.01. Die einzige signifikante Interaktion ist die zwischen Aufgabenart und Zeitspanne, F(2,40)=3.6, p<.05. T-Tests zur Klärung der Interaktion zeigen, daß für kurze Texte und beschriebene Information die Wahl des Gedächtnisses bei 14-tägiger Zeitspanne im Vergleich zur 2-tägigen Zeitspanne signifikant seltener ist, t(21)=2.2, p<.05, bzw. t(21)=3.05, p<.01. Bei Terminen dagegen 72 Studie 3: Termine vs. Texte: eine Pilotstudie führt die unterschiedliche Zeitspanne nicht zu unterschiedlicher Häufigkeit bei der externen Speicherung, t(21)=.024, p>.1. Diskussion Die Ergebnisse bestätigen die Hypothesen zur Einschätzung des Gedächtnisses und zur Wahl des Gedächtnisses.Aufgaben mit einer Zeitspanne von 14 Tagen sollten weniger erfolgreich mit dem Gedächtnis zu merken sein als solche mit einer Zeitspanne von zwei Tagen. Entsprechend unterschiedlich wurde die Erfolgswahrscheinlichkeit für ein Lösung der Aufgaben mit dem Gedächtnis eingeschätzt. Diese wird für Termine zwar generell höher eingeschätzt als für die beiden anderen Aufgabenarten. Der Unterschied zwischen den Versionen mit zweitägiger bzw. zweiwöchiger Dauer ist aber bei allen drei Aufgabentypen signifikant. Dem steht die Speicherwahl gegenüber. Sowohl bei den kurzen Texten als auch bei der beschriebenen Information folgt die Entscheidung der Logik, die man erwarten würde: bei den Aufgaben, bei denen die Probanden das Gedächtnis als schlechter einschätzen, entscheiden sie sich auch seltener für das Gedächtnis als Speicher. Anders bei den Terminen: die Häufigkeit, mit der das Gedächtnis als Speicher gewählt wird, ist bei beiden Versionen der Aufgaben gleich groß. Obwohl für 14-tägige Termine die Wahrscheinlichkeit, diese mit Hilfe des Gedächtnisses einzuhalten, kleiner eingeschätzt wird als für Termine in zwei Tagen, wird das Gedächtnis nicht seltener eingesetzt. Dieses überraschende Ergebnis ist innerhalb des zu prüfenden SWIEGS-Modells logisch: bei Terminen läuft die Speicherwahl scriptgesteuert; metakognitive Einschätzungen spielen dabei keine Rolle. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für niedriger als auch für höher Ängstliche. Ängstliche schätzen ihr Gedächtnis bei Terminen schlechter ein als Nichtängstliche. Daß dieser Effekt nur bei den Terminen auftrat mag daher rühren, daß die anderen Aufgaben zu künstlich waren, um einen Effekt der Ängstlichkeit zu erzeugen. Sie wählen bei allen Aufgaben seltener ihr Gedächtnis als Speicher als weniger Ängstliche. Trotzdem unterscheidet Ängstlichkeit nicht die Entscheidungsstruktur: die unterschiedliche Aufgabenschwierigkeit führt, unabhängig von der Ängstlichkeit der Probanden, bei Terminen nicht zu unterschiedlicher Häufigkeit der Wahl des Gedächtnisses als Speicher. Bei Terminen schätzen ängstlichere Probanden ihr Gedächtnis schlechter ein als weniger ängstliche, bei beiden anderen Aufgabentypen hingegen nicht. Trotzdem wählen Ängstliche ihr Gedächtnis deutlich seltener als Speicher. Ein plausibler Erklärungsansatz ist, daß Ängstliche strengere Prüfparameter anwenden als weniger Ängstliche, um ihrem höheren Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden. Damit Ängstliche mit einer Lösung zufrieden sind, müssen Aufgaben mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich erinnert werden als dies bei weniger Ängstlichen der Fall ist. 73 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Die erste Bestätigung der zentralen Hypothesen zum Zusammenhang zwischen metakognitiven Parametern und Speicherwahl ermutigt zu differenzierteren Studien. Denn der zu verifizierende Zusammenhang zwischen Geläufigkeit eines Aufgabentyps und dem Prozeß der Speicherwahl ist hier nur durch die drei unterschiedlichen Aufgabentypen operationalisiert worden. Studie 3 läßt für sich gesehen nur Aussagen über die Speicherwahl bei Terminen zu; für eine Generalisierung auf weitere Aufgaben und das eigentlich interessierende theoretische Konstrukt, die Aufgabengeläufigkeit, fehlt die empirische Basis. Aber auch die Interpretation in Bezug auf die Termine läßt eine Alternativerklärung zu. Wenn den Probanden Termine, die in 14 Tagen liegen, weniger wichtig erscheinen als solche, die in zwei Tagen liegen, wäre es auch plausibel, daß die 14-Tage-Termine nicht seltener im Gedächtnis gemerkt werden. Geringere Valenz der Aufgaben würde zu einer geringeren Erforderlichen Erfolgswahrscheinlichkeit (EEW) und Akzeptiertem Aufwand der Speicherung (AAS) führen. Die schlechtere Merkbarkeit würde zwar zu einer schlechteren Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit führen - in der Speicherwahl würde sich das durch die veränderten Prüfparameter aber nicht niederschlagen. Gegen diese Überlegung spricht, daß sie mit wesentlich mehr Parametern arbeitet als die eigentliche Hypothese. Trotzdem muß diese Erklärungsmöglichkeit in den Folgestudien ausgeschlossen sein. 2.2.2 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Im Zentrum der Studien 1 und 2 standen die Planungszeit und die tatsächlich gewählten Speicher. Studie 3 stellte die Vorhersagbarkeit der Speicherwahl aus metakognitiven Parametern ins Zentrum. Theoretische Annahme dabei war, daß sich in den verschiedenen Planungszeiten ein unterschiedlicher Umgang mit den metakognitiven Parametern ausdrückt. Nach dem SWIEGS-Modell kommt größere Planungszeit dadurch zustande, daß die metakognitiven Parameter in der Entscheidung intensiver geprüft werden. Studie 4 verknüpft deswegen die Ansätze der Studien 1 bis 3, indem sowohl die Planungszeit als auch die Vorhersage der Speicherwahl aus den metakognitiven Parametern als abhängige Variablen operationalisiert werden. Studie 3 konnte belegen, daß für Termine - als Vertreter sehr geläufiger Aufgaben - kein Zusammenhang zwischen der Einschätzung, wie gut das Gedächtnis als Speicher fungieren würde und der Entscheidung für oder gegen das Gedächtnis als Speicher besteht. Bei kurzen Texten und beschriebener Information - als Vertreter ungeläufiger Aufgaben - führt unterschiedliche Einschätzung der Merkbarkeit der Aufgaben mit dem Gedächtnis dagegen zu einem signifikanten Unterschied in der Häufigkeit, mit der das Gedächtnis als Speicher gewählt wird. 74 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Studie 4 prüft diese Zusammenhänge in generalisierter Form. Der Zusammenhang zwischen metakognitiven Parametern und Wahl eines Speichers soll nach dem SWIEGS-Modell nicht von den Aufgabentypen abhängen, sondern von der Geläufigkeit einer Aufgabe (H5). Die Geläufigkeit entscheidet über den Zusammenhang zwischen metakognitiven Parametern und der Wahl des Speichers. In Studie 3 war dieser Parameter nur durch die drei unterschiedliche Aufgabentypen operationalisiert. Studie 4 erweitert dies erheblich, indem fünf unterschiedliche Aufgabentypen als Versuchsmaterial verwandt werden. Jeder Aufgabentyp erscheint auf jeder Geläufigkeitsstufe; so sind Aufgabentyp und Aufgabengeläufigkeit entkoppelt. Um Geläufigkeit der Aufgaben auch als unabhängige Variable varriieren zu können, werden die Aufgaben in zwei unterschiedlichen Kontexten gestellt. Der reale Kontext entspricht dem von Studie 1 und Studie 2; die Probanden sollen sagen, wie sie die Aufgaben in ihrem Alltag repräsentieren würden. Der virtuelle Kontext sucht Vorerfahrungen weitgehend auszuschalten. Die Aufgaben werden als kurze Texte behandelt, auf deren Wiedererkennen die Probanden sich vorbereiten sollen. Entsprechend der ungeläufigen Aufgaben bei Studie 3 wird keinerlei erklärender Kontext zu diesem Textlernen gegeben. Externe Speicherung ist dabei nur über einen Karteikartenstapel möglich, dessen Nutzung bestimmten Regeln unterliegt. So werden Vorerfahrungen mit dem Speicher ebenfalls ausgeschlossen. In der realen Form der Aufgaben sollte die Geläufigkeit des jeweiligen Aufgabentyps wie in Studie 1 und 2 die Planungszeit und wie in Studie 3 den Zusammenhang zwischen Aufgabe und metakognitiven Parametern steuern. In der virtuellen Form dagegen sollte die Geläufigkeit aller Aufgaben gleich sein. Planungszeit und Vorhersagbarkeit aus den metakognitiven Parameteren sollten sich folglich für die verschiedenen Aufgaben nicht mehr unterscheiden. Da die Geläufigkeit aller Aufgaben gering ist, sollten sie wie ungeläufige Aufgaben behandelt werden - also mit langer Planungszeit und hoher Vorhersagbarkeit der Speicherwahl. Um die Erhebung der metakognitiven Parameter praktikabel zu gestalten, mußte der Umfang der Erhebung reduziert werden. Der vom SWIEGS-Modell vorhergesagte Zusammenhang zwischen metakognitiven Parametern und der Wahl eines Speichers betrifft neben der in Studie 3 getesteten Wahrscheinlichkeit des Erfolges auch den Aufwand der Speicherung. Beide Parameter müßten bei jeder Aufgabe für jeden dem Probanden geläufigen Speicher erhoben werden (bei 60 Aufgaben und 20 Speichern wären das 2400 Einschätzungen). Da das die Probanden völlig überfordern würde, schätzten die Probanden für jede Aufgabe Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit für zwei wahrscheinliche Speicher ein. Über einen Entscheidungsalgorithmus konnte dann derjenige Speicher bestimmt werden, der nach den Parametern gewählt werden müßte. Der Vergleich dieses Ergebnisses mit dem tatsächlich 75 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test gewählten Speicher dient als aussagekräftiger Parameter für den Einfluß der Einschätzungen auf die Speicherwahl. Eine weitere Erweiterung betrifft die Valenz einer Aufgabe. In Studie 3 wurde sie nicht kontrolliert; tatsächlich könnten die Ergebnisse zu den Terminen aber auch erklärt werden, wenn längerfristige Termine den Probanden weniger bedeutsam erscheinen würden (vgl. Diskussion der Studie 3). Aufgaben so zu konstruieren, daß sie bei unterschiedlicher Geläufigkeit gleiche Valenz haben, ist aber praktisch kaum realisierbar (vgl. Diskussion in Studie 1). Deswegen wird die Valenz als unabhängige Variable eingeführt, so daß ihr Einfluß unabhängig von der Aufgabengeläufigkeit getestet werden kann. Praktisches Problem dabei ist, daß zu hohe Valenz einer Aufgabe diese tatsächlich zu einem anderen Aufgabentyp machen könnte. So sind ein Arzttermin, der über Leben und Tod entscheidet oder ein erstes Rendevous, nachdem man sich leidenschaftlich verliebt hat, keine Termine wie andere auch. Um die Valenz der Aufgaben zu erhöhen, ohne dadurch andere Aufgabentypen zu konstruieren, werden die Aufgaben in den Kontext einer hypothetische Glücksspielsituation gestellt (vgl. Meacham & Singer, 1977). Einen Gewinn erwarte dabei denjenigen, der mehr Aufgaben erinnert hat als seine Mitspieler. So sollte die Valenz aller Aufgaben gleichmäßig und moderat erhöht werden. Diese Vorgehen kontrolliert nicht nur die Wirkung der Aufgabenvalenz, sondern erlaubt auch die Testung der Hypothesen zur Rolle der Aufgabenvalenz im SWIEGS-Modell. Höhere Valenz einer Aufgabe sollte zu schärferen Prüfparametern für die Evaluation oder Konstruktion eines Speichers führen. Das SWIEGS-Modell sagt vorher, daß sowohl die Erforderliche Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung (EEW) als auch der für die Speicherung Akzeptierte Aufwand (AAS) mit der Valenz der Aufgabe steigen. Empirisch müßten sich höhere Prüfkriterien in drei Bereichen niederschlagen. Da höhere Prüfkriterien zu einem aufwendigeren Vergleichsprozeß führen, müßte erstens auch die Planungszeit mit der Valenz der Aufgaben steigen (H7). Zweitens müßte der intensivere Suchprozeß zu differenzierteren Lösungen führen - die Anzahl der für einen Aufgabentyp eingesetzten unterschiedlicher Speicher also bei erhöhter Valenz der Aufgaben größer sein als bei normaler Valenz (H9). Drittens sollte die Bewertung des dann gewählten Speichers in Bezug auf Erfolgswahrscheinlichkeit und Aufwand den Prüfkriterien folgen: Höhere Valenz einer Aufgabe sollte also bei weniger geläufigen Aufgaben zu Lösungen mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit und höherem Aufwand führen (H11). Speicherwahlen über die Anwendung eines Repräsentationsscripts sollten ohne Einfluß der Prüfparameter erfolgen. Folglich hat auch die erhöhte Valenz keinen Einfluß auf die Speicherwahl. Die drei Hypothesen zur Aufgabenvalenz müssen also nach dem SWIEGS-Modell hinsichtlich der Aufgabengeläufigkeit differenziert werden: Je ungeläufiger eine Aufgabe, desto größer müßte sie 76 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Steigerung der Planungszeit (H8), die Erhöhung der Speicherzahl (H10) und die veränderte Einschätzung des gewählten Speichers (H12) bei erhöhter Valenz sein. Material Als Versuchsmaterial dienten die in Studie 2 verwandten 60 Items. Versuchspersonen und Design Versuchspersonen im Alter zwischen 21 und 37 Jahren nahmen an der Untersuchung teil. Die Hälfte der Versuchspersonen wurde bezahlt, die andere Hälfte bestand aus Studenten und Studentinnen der Psychologie, die einen Versuchspersonenschein erhielten. In jeder Bedingungsversion war die gleiche Anzahl von bezahlten und unbezahlten Probanden; bis auf diese Einschränkung erfolgte die Zuordnung von Proband zu Bedingung per Zufall. Unabhängige Variable ist die Valenz der Aufgaben mit den beiden Stufen normal vs. erhöht und die Aufgabenstellung mit den beiden Stufen real vs. virtuell. Die Geläufigkeit der Aufgaben mit den Stufen sehr geläufig vs. geläufig vs. ungeläufig ist als Meßwiederholungsvariable operationalisiert. Das Design ist also 2*2*3 gemischt faktoriell. Abhängige Variablen sind die zur Wahl des Speichers erforderliche Zeit, die gewählten Speicher, die Einschätzungen der Aufgaben in den Speichern sowie davon abgeleitete Variablen. Versuchsdurchführung Den Probanden wurden die Items in zufälliger Reihenfolge auf einer am Monitor dargestellten Karteikarte präsentiert. In der ‘realen’ Bedingung waren die Probanden instruiert, sich zu entscheiden, welchen Speicher sie für eine Aufgabe wählen würden, wenn sie diese Aufgabe in ihrem Alltag bearbeiten würden. Für die verdeckte Zeitmessung wurde wieder die in Studie 2 entwickelte Technik der scheinbaren Mikrofonaufnahme angewandt. Nach der ersten Bearbeitung aller 60 Aufgaben ging der Versuchsleiter zusammen mit dem Probanden alle die Aufgaben noch einmal durch, bei denen der Proband sich für das Gedächtnis als Speicher entschieden hatte. Der Proband sollte den externen Speicher nennen, mit dem er die jeweilige Aufgabe am wahrscheinlichsten lösen würde, wenn er für die Aufgabe explizit einen externen Speicher nutzen müßte. So war für die dritte Phase für jede Aufgabe ein möglicher externer Speicher vorhanden. In der dritten Phase wurden noch einmal alle 60 Aufgabe in der gleichen Reihenfolge wie in der ersten Phase auf realen Karteikarten präsentiert. Diesmal sollte die Erfolgswahrscheinlichkeit und der Aufwand der Speicherung der Aufgabe eingeschätzt werden. Zum einen in Bezug auf das Gedächtnis, zum anderen in Bezug auf den in der ersten oder zweiten Versuchsphase zu dieser Aufgabe genannten 77 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test externen Speicher. Vor dem Probanden lagen zwei Skalen, eine mit der Erfolgswahrscheinlichkeit von 0% bis 100 %, die andere mit dem Aufwand von 1 (sehr gering) bis 7 (sehr groß). Über und unter den Skalen stand je eine Frage zu den beiden Speichern, einmal für das Gedächtnis, einmal für den externen Speicher formuliert. Der Versuchsleiter legte eine Karteikarte mit der jeweiligen Aufgabe in die Mitte der Skalen und nannte dem Probanden den externen Speicher, den der Proband für die Aufgabe in der ersten oder zweiten Phase des Versuches genannt hatte. Darauf schätzte der Proband vier Parameter ein: den Aufwand der Speicherung und ihren Erfolg, jeweils sowohl bezüglich der Speicherung der Aufgabe im Gedächtnis als auch bezüglich der Speicherung im externen Speicher. In der virtuellen Bedingung bearbeiteten die Probanden die gleichen Aufgaben mit anderem Kontext. Die Probanden wurden instruiert, sich auf einen Gedächtnistest vorzubereiten, bei dem sie die 60 Aufgaben in einer zweiten Phase noch einmal präsentiert bekommen würden, teilweise in der Orginalform, teilweise in einer leicht veränderten Fassung. Sie sollten sich darauf vorbereiten, dann innerhalb von 12 s zu entscheiden, ob ein Text in der Original- oder einer veränderten Fassung vorläge. Zu überlegen sei, wie sie sich auf diese Aufgabe vorbereiten würden. Bei jeder Aufgabe sollten sie entscheiden, ob sie diese Aufgabe vor dem Hintergrund der genannten Aufgabenstellung im Kopf behalten oder auf eine Karteikarte aufschreiben würden. Ein Karteikartenstapel lag zur Hand; den Probanden wurde sein Einsatz in der Wiedererkennensphase ausführlich erläutert. In Vorversuchen hatte sich herausgestellt, daß ein komplexe Aufgaben- und Speicherform notwendig war, um zu verhindern, daß den Probanden bei einer externen Speicherung 100% Erfolgswahrscheinlichkeit sicher schienen. Deswegen war die Nutzung des Karteikartenstapels in der Wiedererkennensphase an eine Reihe von Regeln gebunden. Die Karteikarten sollten dabei nicht auf dem Tisch ausgebreitet werden dürfen und würden vor der Wiedererkennensphase noch einmal gemischt werden. So wurde die Nutzung des Karteikartenstapels mit der Schwierigkeit verbunden, die extern gespeicherte Information schnell genug wiederzufinden - ein Problem, daß fast immer mit dem Einsatz von externen Speichern verbunden ist (vgl. Esser, 1992). Entsprechend der ‘realen’ Bedingung mußten in einer zweiten Phase alle Aufgaben noch einmal in Bezug auf Erfolgswahrscheinlichkeit und Aufwand der Speicherung im Gedächtnis bzw. mit Hilfe des Karteikartenstapels beurteilt werden. Beide Versuchsbedingungen lagen in einer Version mit normaler Valenz und in einer Version mit erhöhter Valenz vor. Bei erhöhter Valenz wurde die Probanden instruiert, sich vorzustellen, daß sie einen Jackpot von DM 10.000,- gewinnen würden, wenn sie am meisten Aufgaben erfolgreich bearbeiteten. Da sich in Vorversuchen gezeigt hatte, daß diese Instruktion leicht vergessen wird, blinkte das Wort ‘Jackpot’ zur Erinnerung vor jeder neuen Aufgabe auf dem Bildschirm auf. 78 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Die Probanden wurden ausführlich in den verschiedenen Phasen des Versuches instruiert; Probeaufgaben, die beliebig oft wiederholt werden konnten, sollten jeweils die Sicherheit im Umgang mit dem Rechner bzw. den Skalen garantieren. Bei der Einschätzung der Items auf den beiden Skalen wurden für die ersten vier Items die jeweiligen Fragen vom Versuchsleiter laut formuliert. Diese Maßnahmen reichten für eine problemlose Bewältigung aller Aufgaben durch die Probanden aus. Die Versuchsdauer betrug je nach Aufgabentyp und Proband zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Stunden. Ergebnisse Die Ergebnisdarstellung gliedert sich in sechs Punkte: • Die zur Wahl eines Speichers benötigte Zeit, • Die Vorhersagbarkeit der Wahlen aus den metakognitiven Parametern, • Die Bewertung der eigenen Entscheidung, • Die Anzahl der je Aufgabengruppe zur Lösung herangezogenen unterschiedlichen Speicher, sowie • Die Planungszeit in Abhängigkeit von der Speicherwahl Besonderheiten der Auswertung werden, wenn erforderlich, innerhalb der einzelnen Punkte behandelt. Die zur Wahl eines Speichers benötigte Zeit Die Zeiten, die die Probanden brauchen, um sich für einen Speicher zu entscheiden, sind dargestellt in Abb. 13. Bei realer Aufgabenstellung steigt die Planungszeit über die drei Geläufigkeitsstufen der Aufgaben, wobei dieser Gradient bei erhöhter Valenz steiler wird als bei normaler Valenz. Bei virtueller Aufgabenstellung dagegen steigt die Planungszeit nur schwach von sehr geläufigen zu geläufigen Aufgaben; von geläufigen zu ungeläufigen Aufgaben bleibt sie gleich. Höhere Valenz führt hier nicht zu einer Verlängerung, sondern sogar zu einer Verkürzung der Planungszeit; dieser Effekt ist für alle Geläufigkeitsstufen gleich. Eine Varianzanalyse mit Aufgabenstellung und Valenz als unabhängige Variable sowie Geläufigkeit als Meßwiederholungsvariable ergibt signifikante Haupteffekte für Aufgabenstellung, F(1,76)=79,28, p<.001, sowie Geläufigkeit der Aufgaben, F(2,152)=247.31, p<.001. Aufgabenstellung interagiert signifikant mit Geläufigkeit, F(2,152)=81.55, p<.001, und Valenz, F(1,76)=11.86, p=.001. Auch die Interaktion zwischen Valenz und Geläufigkeit ist signifikant, F(2,152)=3.50 ,p<.05, ebenso die Dreifachinteraktion von Valenz, Aufgabenstellung und Geläufigkeit, F(2,152)=6.45, p<.01. 79 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test 20 Real - normale Valenz 18 16 Real - erhöhte Valenz Virtuell - normale Valenz Virtuell - erhöhte Valenz 14 12 10 8 6 4 2 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 13 Die Zeit von der Präsentation der Aufgabe bis zu Nennung des Speichers - getrennt für die vier Probandengruppen und die Geläufigkeit der Aufgaben. Zur Klärung der Interaktion werden t-Tests zum Paarvergleich berechnet. Entlang der Geläufigkeitsstufen bestätigen sich die beschriebenen Mittelwertsunterschiede. Während sich die Planungszeiten bei realer Aufgabenstellung für alle drei Geläufigkeitsstufen signifikant voneinander unterscheiden, unterscheiden sich bei virtueller Aufgabenstellung die geläufigen und ungeläufigen Aufgaben nicht signifikant. Diese Beziehung gilt sowohl mit normaler als auch erhöhter Valenz (siehe Tab. 6, oberer Teil). Die Erhöhung der Planungszeit durch Erhöhung der Aufgabenvalenz bei realer Aufgabenstellung ist für jede Geläufigkeitsstufe signifikant; nur bei mittlerer Geläufigkeit wird das Signifikanzniveau mit, t(38)=-1.88, p=.068 knapp verpaßt. Die Verringerung der Planungszeit durch erhöhte Valenz bei virtueller Aufgabenstellung dagegen erreicht bei allen drei Geläufigkeitsstufen das Signifikanzniveau (siehe Tab. 6, unterer Teil). Alle Mittelwertsvergleiche entlang der Aufgabenstellungen real vs. virtuell sind bei gleicher Valenz und gleichen Geläufigkeitsstufe signifikant (aus Platzgründen nicht aufgeführt). Die signifikante Dreifachinteraktion kommt folglich durch die je nach Aufgabentyp unterschiedliche Wirkung der Aufgabenvalenz auf die Geläufigkeitsstufen zustande. Bei realer Aufgabenstellung steigt die Planungszeit bei erhöhter Valenz um so mehr, je ungeläufiger die 80 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Planungszeiten bei realer vs. virtueller Aufgabenstellung sowie normaler vs. erhöhter Valenz (Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Vergleich zwischen Geläufigkeitsstufen (t-Tests für Meßwiederholungsvariablen) Valenz normal Aufgabenstellung: real virtuell sehr geläufig vs. geläufig geläufig vs. ungeläufig t(19)= -10.85*** t(19)= -9.96*** t(19)= -3.78** t(19)= -0.01 Valenz erhöht sehr geläufig sehr geläufig vs. ungeläufig vs. geläufig t(19)= -10.92*** t(19)= -8.43*** geläufig vs. ungeläufig sehr geläufig vs. ungeläufig t(19)= -6.05*** t(19)= -0.3 t(19)= -10.98*** t(19)= -9.56*** t(19)= -10.53*** t(19)= -7.93*** Vergleich zwischen Valenz normal vs. erhöht (t-Tests für unabhängige Variablen) Aufgabenstellung real Geläufigkeitsstufe: sehr geläufig geläufig t(38)=-2.3* t(38)=-1.88 ungeläufig Aufgabenstellung virtuell sehr geläufig t(38)=-2.79** t(38)=2.71** geläufig ungeläufig t(38)=2.55* t(38)=2.72** Tab. 6 T-Tests zum Vergleich der Mittelwerte der Planungszeit. * für p<.05; ** für p<.01; *** für p<.001 Aufgabe. Bei virtueller Aufgabenstellung dagegen führt erhöhte Valenz zu einer Verkürzung der Planungszeit, die für alle drei Geläufigkeitsstufen gleich groß ist. Die Vorhersagbarkeit der Wahlen aus den metakognitiven Parametern Um den Einfluß der von den Probanden geschätzten Parameter auf die Entscheidung für einen Speicher auswerten zu können, wurde zunächst der Speicher berechnet, den der Proband wählen müßte, wenn er seiner Einschätzung folgen würde. Dieser wurde mit dem vom Probanden tatsächlich gewählten Speicher verglichen; stimmte beide überein, wurde die Entscheidung als ‘rational’, stimmten sie nicht überein als ‘nicht rational’ (im Sinne von: dem Rationalen der Parameter folgend oder nicht) bewertet. Für jede Aufgabe schätzte der Proband Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit zweier Speicheralternativen. Diese vier Parameter können in vier Beziehungen zu einer Speicherwahl stehen: • 'eineindeutig': Aufwandund Erfolg weisen in die gleiche Richtung, d.h. einer der beiden Speicher wird sowohl als erfolgreicher als auch als weniger aufwendig eingeschätzt; 81 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test • ’eindeutig’ Aufwandoder Erfolg weisen auf einen Speicher, wobei der jeweils andere Parameter für beide Speicher gleich eingeschätzt wurde; z.B. der Aufwand ist für beide Speicher gleich groß, aber einer der beiden wird als erfolgreicher eingeschätzt; • 'zwar - aber': während der Aufwand für den einen Speicher spricht, spricht der Erfolg für den anderen; ein Speicher wird also zwar als weniger aufwendig in der Anwendung, aber auch als weniger erfolgreich eingeschätzt; • 'unentschieden': Aufwand und Erfolg werden für beide Speicher gleich eingeschätzt. Je eindeutiger eine Parameterkombination auf einen Speicher hinweist, um so häufiger taucht sie auf. Die Häufigkeit der Kombinationen halbiert sich jeweils von 'eineindeutig' (55%) zu eindeutig (24%), von 'eindeutig' zu 'zwar - aber' (13%) und von 'zwar - aber' zu 'unentschieden' (7.5%). Je nach Parameterkombination läßt sich der diesen Parametern folgende Speicher unterschiedlich festlegen. Sowohl die eindeutigen als auch die eineindeutigen Kombinationen weisen unmittelbar auf einen Speicher hin; wird dieser auch tatsächlich von der Versuchsperson gewählt, gilt die Entscheidung als 'rational': die Wahl eines Speichers stimmt mit der Bewertung dieses Speichers überein. Umgekehrt gilt eine Entscheidung als 'nicht rational', wenn der Speicher gewählt wird, der schlechter eingeschätzt wurde. Die Kombination 'unentschieden' ist immer nicht rational, da die Entscheidung für einen Speicher nicht durch die Parameter bestimmt sein kann. Differenzierterer Analyse bedarf die Kombination 'zwar - aber'. Hier weist ja der Vergleich des geschätzten Aufwandes auf einen anderen Speicher hin als der Vergleich der geschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit beider Speicher. Trotzdem ist es möglich, rationale von nicht rationalen Urteilen zu unterscheiden, indem man die Konsistenz der Urteile überprüft. Lassen sich die Urteile mit Regeln beschreiben, die Aufwand und Erfolg von zwei Speicheralternativen in Beziehung setzen, so gelten die Urteile als rational. Annahme dabei ist, daß die Schätzung des Aufwandes auf Intervallskalenniveau stattfindet. Dann läßt sich im Vergleich zweier Speicher für jede Aufwandsdifferenz eine Differenz in der Erfolgswahrscheinlichkeit errechnen, die mindestens erreicht werden muß, um den jeweiligen Speicher zu wählen. Beispielsweise mag ein Proband eine Aufwandssteigerung um 2 Punkte in Kauf nehmen, um eine Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit von 20% oder mehr zu erreichen; nicht aber für eine Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit von 10% oder weniger. Weitere Beispiele und eine differenzierte Beschreibung dieser Auswertung finden sich in Anhang 5.1.2. Diese Auswertung ist nicht ganz unproblematisch, da sie nicht - wie bei den anderen Urteilskombinationen - unabhängig von der Kenntnis der tatsächlichen Speicherwahl erfolgen kann. Sie spielt allerdings insgesamt keine große Rolle, da sie nur bei 13% der Urteile erforderlich war und die zu überprüfenden Hypothesen in keinem systematischen Zusammenhang mit dieser Urteilskombination stehen. Trotzdem wurde sie zusätzlich 82 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test von einem zweiten unabhängigen Beurteiler durchgeführt; 94% der 610 Urteile stimmten überein, Differenzen ließen sich einvernehmlich klären. Bei realer Aufgabenstellung steigt die Vorhersagbarkeit der Speicherwahl mit sinkender Geläufigkeit der Aufgaben, bei virtueller Aufgabenstellung bleibt sie dagegen über die Geläufigkeitsstufen gleich (siehe Abb. 14). 90 Itemgruppe sehr geläufig geläufig ungeläufig 80 70 60 50 Valenz: Aufgabe: normal Real erhöht normal erhöht Virtuell Abb. 14 Der Anteil der Speicherwahlen, bei denen der aus den Parametern geschlossene Speicher mit dem gewählten übereinstimmt (=rational). Da nur zwei Speicher zur Wahl standen, entspricht die Grundlinie der Zufallswahrscheinlichkeit von 50%. Eine Varianzanalyse des Anteil rationaler Urteile mit der Aufgabenstellung und Valenz als unabhängige Variablen sowie der Geläufigkeit der Aufgabe als Meßwiederholungsfaktor zeigt signifikante Haupteffekte für die Aufgabenstellung F(1,76)=5,73, p<.05 und die Geläufigkeit F(2,152)=9.14, p<.001 sowie für die Interaktion von Geläufigkeit und Aufgabenstellung F(2,152)=11.12, p<.001. Obwohl erhöhte Valenz zu einer Verbesserung der Vorhersageleistung bei der realen Aufgabenstellung (von 69,4% auf 76,5%) und zu einer leichten Verschlechterung bei der virtuellen Aufgabenstellung führt (von 65,3% auf 62,2%), wird die Interaktion von Valenz und Aufgabenstellung nicht signifikant, F(1,76)=1,85, p>.1. Auch der Haupteffekt der Valenz sowie alle 83 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test weiteren Interaktionen mit ihr erreichen das Signifikanzniveau nicht. Eine Partialanalyse für die reale Aufgabenstellung zeigt einen signifikanten Effekt der Geläufigkeit des Aufgabentyps, F(2,78)=28.78, p<.001, bei virtueller Aufgabenstellung zeigt die Aufgabengeläufigkeit keinerlei Effekte auf den Anteil rationaler Urteile, F(2,78)=.81, p>.05. T-Tests zum Vergleich der einzelnen Mittelwerte stützen dieses Bild. Während sich in der realen Aufgabenstellung alle Mittelwerte der verschiedenen Geläufigkeitsstufen für beide Bedingungen hochsignifikant unterscheiden, unterscheiden sich die Mittelwerte der virtuellen Aufgabenstellung nicht voneinander (siehe Tab. 7). Vorhersage der Speicherwahl aus den Parametern (Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Vergleich zwischen Geläufigkeitsstufen (t-Tests für Meßwiederholungsvariablen) Valenz normal Aufgabenstellung: real virtuell Tab. 7 sehr geläufig geläufig vs. vs. geläufig ungeläufig t(19)= -3.76*** t(19)=1.06 Valenz erhöht sehr geläufig sehr geläufig vs. ungeläufig vs. geläufig t(19)= -3.05** t(19)=-0.26 t(19)= -4.77*** t(19)=-0.84 t(19)= -2.33* t(19)=-0.62 geläufig vs. ungeläufig sehr geläufig vs. ungeläufig t(19)= -3.41*** t(19)=-0.48 t(19)= -3.94*** t(19)=-0.2 T-Tests zum Vergleich der Mittelwerte des Anteils rationaler Urteile. * für p<.05; ** für p<.01; *** für p<.001 Die Interaktion von Aufgabenart und Geläufigkeit ergibt sich folglich, weil die Geläufigkeit der Aufgaben bei realer Aufgabenstellung die Vorhersagbarkeit der Speicherwahl bestimmt: je ungeläufiger eine Aufgabe, um so besser ist die Speicherwahl durch die metakognitiven Parameter vorhersagbar. Bei virtueller Aufgabenstellung dagegen unterscheidet sich die Vorhersagbarkeit der Speicherwahl zwischen Aufgaben unterschiedlicher Geläufigkeiten nicht. Die Bewertung der eigenen Entscheidung Die Probanden gaben in der dritten Versuchsphase für zwei zur Lösung der jeweiligen Aufgabe mögliche Speicher eine Einschätzung des Aufwandes und des Erfolges dieser Speicherung ab. Die folgende Auswertung betrachtet nun die Einschätzung derjenigen Alternative, für die sich der Proband in der ersten Versuchsphase entschieden hatte. Die Bewertung dieser vom Probanden gewählten Lösung fällt insgesamt bei realer Aufgabenstellung deutlich besser aus als bei virtueller. Dabei wird die Bewertung mit sinkender Geläufigkeit der Aufgaben schlechter. Der geschätzte Aufwand steigt mit sinkender Geläufigkeit der 84 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Aufgabe für reale Aufgabenstellung kontinuierlich, während er für virtuelle Aufgabenstellung nur von der sehr geläufigen zur geläufigen, nicht aber von der geläufigen zur ungeläufigen Aufgabengruppe steigt. Die Valenz der Aufgabe hat dabei keinerlei Einfluß auf den geschätzten Aufwand der Speicherung (siehe Abb. 15, linker Teil). 100 90 Geschätze Erfolgswahrscheinlichkeit in % 100 4 90 80 80 70 70 3 60 60 50 2 Geschätze Erfolgswahrscheinlichkeit in % Aufwand (1=sehr gering; 7=sehr hoch) 5 50 sehr geläufig geläufig sehr geläufig ungeläufig sehr geläufig geläufig ungeläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Aufgaben Real - normale Valenz Real - erhöhte Valenz Virtuell - normale Valenz Virtuell - erhöhte Valenz Abb. 15 Die Einschätzungen der Erfolgswahrscheinlichkeit und des Aufwandes desjenigen Speichers, der von den Probanden für die jeweilige Aufgabe gewählt wurde. Für die geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit ergibt sich ein paralleles Bild. Hier sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit kontinuierlich über alle drei Geläufigkeitsstufen der Aufgabe bei realer Aufgabenstellung. Bei virtueller Aufgabenstellung sinkt die geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit nur von der sehr geläufigen zur geläufigen, nicht aber von der geläufigen zur ungeläufigen Aufgabengruppe. Auch hier bleibt die Valenz ohne Einfluß (siehe Abb. 15, rechter Teil). Die Varianzanalyse mit Aufgabenstellung und Valenz als unabhängige Variable sowie Geläufigkeit der Aufgaben als Meßwiederholungsfaktor zeigt entsprechend gleiche Zusammenhänge für beide unabhängige Variablen. Beim geschätzten Aufwand einen signifikanten Haupteffekt für Aufgabenstellung, F(1,76)=17.34, p<.001 und Geläufigkeit, F(2,152)=195.92, p<.001 sowie eine signifikante Interaktion zwischen Geläufigkeit und Aufgabenstellung, F(2,152)=9.7, p<.001. Ebenso bei der geschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit: ein signifikanter Haupteffekte für Aufgabenstellung, 85 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test F(1,76)=22.2, P<.001 und Geläufigkeit, F(2,152)=102.9, p<.001 sowie eine signifikante Interaktion zwischen Aufgabenstellung und Geläufigkeit, F(2,152)=3.7, p<.05. Die unabhängige Variable der Valenz sowie alle Interaktionen mit ihr zeigen in keiner der beiden Analysen einen signifikanten Einfluß. T-Tests zur Klärung der Interaktion bestätigen die Beschreibung der Mittelwerte. Alle Mittelwerte zwischen verschiedenen Geläufigkeitsstufen der Aufgaben werden im Paarvergleich auf einem hohen Signifikanzniveau getrennt. Ausnahme davon: bei virtueller Aufgabenstellung unterscheiden sich geläufige und ungeläufige Aufgaben nicht. Beim Aufwand verringert sich hier das Signifikanzniveau; bei der Erfolgswahrscheinlichkeit ist kein Unterschied mehr nachweisbar (vgl. Tab. 8). Aufwand und Erfolg (Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Vergleich zwischen Geläufigkeitsstufen (t-Tests für Meßwiederholungsvariablen) geschätzter Aufwand sehr geläufig vs. geläufig t(39)= -8.87*** t(39)= -11.74** Aufgabenstellung: real virtuell geläufig vs. ungeläufig t(39)= -8.99*** t(39)= -2.59* geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit sehr geläufig sehr geläufig vs. ungeläufig vs. geläufig t(39)= -4.75*** t(39)= -12.71*** t(39)= 6.8*** t(39)= 9.37*** geläufig vs. ungeläufig sehr geläufig vs. ungeläufig t(39)= 4.89*** t(39)= 1.59 t(39)= 7.35*** t(39)= 8.41*** Vergleich zwischen beiden Aufgabenstellungen (t-Tests für unabhängige Variablen) geschätzter Aufwand Geläufigkeitsstufe: sehr geläufig t(78)= -2.28* geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit geläufig ungeläufig sehr geläufig geläufig ungeläufig t(78)= -5.88*** t(78)= -3.71*** t(38)= 2.71** t(38)= 2.55* t(38)= 2.72** Tab. 8 t-Tests zum Vergleich der Mittelwerte des von den Probanden eingeschätzten Aufwandes bzw. der eingeschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung, für die sie sich entschieden hatten. * für p<.05; ** für p<.01; *** für p<.001 Während bei realer Aufgabenstellung also eine durchgängige Verschlechterung der Bewertung der Lösung erfolgt - d.h. der Erfolg wird geringer, der Aufwand höher eingeschätzt - werden bei der virtueller Aufgabenstellung nur die Lösungen der sehr geläufigen Aufgabenstellung als günstiger eingeschätzt als die der anderen beiden. Zwischen geläufigen und ungeläufigen Aufgaben verringert sich der Unterschied (beim Aufwand) bzw. verschwindet völlig (bei der Erfolgswahrscheinlichkeit). Die Anzahl der je Aufgabengruppe zur Lösung herangezogenen unterschiedlicher Speicher 86 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Die folgenden Analysen über die jeweils gewählten Speicher beziehen sich, wie oben beschrieben, nur auf die 40 Probanden in der realen Aufgabenstellung. Achtzig verschiedene Speicher wurden insgesamt eingesetzt. Die Einsatzhäufigkeit wies ein starkes Gefälle auf: drei Speicher wurden über 200 mal gewählt, zwölf Speicher zwischen 20 und 200 mal und 65 Speicher unter 20 mal. Insgesamt wurde die drei am häufigsten genannten Speicher bei 62% der Aufgaben eingesetzt, die zweite Gruppe bei 27% und die dritte bei 11%. Die gewählten Speicher werden im folgenden in zwei Richtungen analysiert: zum einen in Bezug auf die Anzahl unterschiedlicher Speicher pro Aufgabentyp und zum anderen in Bezug auf den Zusammenhang zwischen gewähltem Speicher und Planungszeit. Die 60 Aufgaben sind unterteilt in drei Geläufigkeitsstufen und fünf Themen. Pro Geläufigkeitsstufe und Thema gibt es vier Aufgaben; folglich könnte jede dieser Teilgruppen mit maximal vier unterschiedlichen Speichern gelöst werden - wenn nämlich für jede Aufgabe ein anderer Speicher gewählt würde. Mit wie vielen unterschiedlichen Speichern diese Gruppen tatsächlich gelöst worden sind, ist in Abb. 16 dargestellt. Für sehr geläufige Aufgaben sind deutlich weniger unterschiedliche Speicher eingesetzt worden Anzahl unterschiedlicher Speicher bei vier Aufgaben 4 3 sehr geläufig geläufig ungeläufig 2 1 normale Valenz erhöhte Valenz Valenz Abb. 16 Anzahl der pro Themengruppe der jeweiligen Aufgabe, Geläufigkeitsstufe und Valenz eingesetzter Speicher. Maximal wären vier unterschiedliche Speicher möglich. 87 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test als für geläufige und ungeläufige Aufgaben; zwischen den letzten beiden besteht kein Unterschied. Bei erhöhter Valenz werden mehr unterschiedliche Speicher eingesetzt; dies gilt gleichermaßen für alle drei Geläufigkeitsstufen. Eine Varianzanalys mit der Geläufigkeit als Meßwiederholungs- und Valenz als unabhängiger Variable zeigt dementsprechende signifikante Haupteffekte, aber keine signifikante Interaktion: F(1,39)=6.71, p=.01, für Valenz und F(2,78)=50.34, p<.001 für Geläufigkeit. T-Tests belegen, daß der Haupteffekt der Geläufigkeit nur durch die deutlich geringere Speicherzahl bei sehr geläufigen Aufgaben verursacht wurde. Diese unterscheidet sich deutlich gegenüber geläufigen, t(39)=7.71, p<.001, und ungeläufigen Aufgaben, t(39)=-8.69, p<.001; die Speicherzahl für geläufige und ungeläufige Aufgaben unterscheidet sich aber nicht t(39)=-0,4, p>.05. Da die Aufgaben in fünf Themengruppen unterteilt sind, läßt sich der Effekt der Anzahl uterschiedlicher Speicher noch weiter für jeden Aufgabnetyp differenzieren. Es zeigt sich, daß dieser Effekt tatsächlich von allen Aufgabengruppen getragen wird. T-Tests für abhängige Stichproben im Vergleich über die einzelnen Themengruppen ergeben durchweg sehr signifikante Unterschiede zwischen sehr geläufigen und geläufigen bzw. sehr geläufigen und ungeläufigen Aufgaben; für alle 20 tTests gilt |t(40)| >4.1, p<.001. Bei keiner Themengruppe unterscheiden sich die Speicherzahl von geläufigen und ungeläufigen Aufgaben. Die zehn t-Tests liegen mit|t(40)| < 1.1 durchweg unter dem Signifikanzniveau. Eine MANOVA mit Aufgabengruppe und Itemgeläufigkeit als Meßwiederholungssowie Valenz als unabhängiger Variable ergibt drei signifikante Haupteffekte: für Valenz F(1,38)=6.72, p<.05, Aufgabengruppe, F(4,152)=15.94, p<001 und Geläufigkeit F(2,76)=46.98, p<.001; aber keinerlei signifikante Interaktion. Die Aufgaben der Typen ‘Informationsspeicher’ werden mit den meisten unterschiedlichen Speichern gelöst (3.1), gefolgt von dem Typ ‘Termine’ (2.68). Die Speicherzahl dieser beiden Typen liegen deutlich über den der Typen ‘wiederkehrende Aufgaben’, ‘zu erledigen’ und ‘einkaufen’ (2.45, 2.43 und 2.33) , die sich nicht mehr voneinander unterscheiden. TTests bestätigen dieses Bild. Zusammenfassend gilt für alle Aufgabengruppen, daß bei großer Geläufigkeit weniger unterschiedliche Speicher eingesetzt werden als bei mittlerer und geringer Geläufigkeit der Aufgaben. Zwischen letzteren beiden unterscheidet sich die Anzahl unterschiedlicher Speicher nicht. Erhöhung der Valenz der Aufgaben führt generell zu einer Erhöhung der Speicherzahlen - unabhängig von der Geläufigkeit oder Gruppe der Aufgaben. Die Planungszeit in Abhängigkeit von der Speicherwahl Die folgenden Analysen betrachten die Planungszeit zur Wahl eines Speichers in Abhängigkeit von dem gewählten Speicher. In der ersten Analyse werden alle 80 genannten Speicher nach der 88 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Häufigkeit, mit der sie genannt wurden, in drei Gruppen unterteilt und die Planungszeit danach differenziert, zu welcher Gruppe der gewählte Speicher gehört. In der zweiten Analyse wird die gleiche Differenzierung mit den drei am häufigsten genannten Speichern durchgeführt. Beide Analysen beziehen sich wieder nur auf die 40 Probanden der realen Aufgabenstellung. Da die Speicherwahl frei erfolgte, sind Datenverluste unvermeidlich. Nach der Häufigkeit ihres Einsatzes lassen sich die Speicher in drei Gruppen unterteilen: häufig (über 200), regelmäßig (20 bis 200) und selten eingesetzte Speicher (unter 20; insgesamt gab es 2400 Wahlen). Für jede der drei Speichergruppen wurde, getrennt nach der Geläufigkeit der Aufgaben, die Planungszeit errechnet, die die Probanden brauchten, um sich für einen Speicher der jeweiligen Gruppe zu entscheiden. Nur bei 16 Probanden war jede der neun Zellen gefüllt; auf sie bezieht sich die nachfolgende Analyse. Die Mittelwerte sind dargestellt in Abb. 17. 24 22 VALENZ: 20 NORMAL Häufige S. 18 Regelmäßige S. 16 Seltene S. 14 ERHÖHT Häufige S. 12 Regelmäßige S. 10 Seltene S. 8 6 4 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 17 Planungszeiten zur Speicherwahl, nach Häufigkeit des gewählten Speichers differenziert. Häufige Speicher=über 200, regelmäßige Speicher=20 bis 200, seltene Speicher=unter 20 von 2400 Wahlen. Die Mittelwerte beziehen sich auf die 16 Probanden, die in die Varianzanalyse aufgenommen wurden. Die Varianzanalyse der Planungszeit zeigt zwei signifikante Haupteffekte: für die Speichergruppe, F(2,28)=14.34, p<.001 und die Geläufigkeit der Items, F(2,28)=37.23, p<.001. Die Valenz verfehlt nur knapp das Signifikanzniveau, F(1,14)=4,36; p=.06, signifikante Interaktionen treten nicht auf. Die Probanden brauchen bei allen drei Speichergruppen um so länger, einen Speicher zu wählen, je 89 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test ungeläufiger die Aufgabe. Auf der anderen Seite dauert die Wahl um so länger, je seltener der gewählte Speicher vom Probanden genutzt wird. Beide Effekte werden im wesentlichen von allen Paarvergleichen getragen; einzig der Unterschied zwischen Speichergruppe 1 und Speichergruppe 2 verpaßt mit t(15)=1.95, p=.08, knapp das Signifikanzniveau (siehe Tab. 9). Planungszeiten differenziert für häufig, regelmäßig und selten verwandte Speicher(Mittelwertsvergleiche über t-Tests) Vergleich zwischen Speichergruppen und Geläufigkeitsstufen (t-Tests für Meßwiederholungsvariablen) über alle Speichergruppen; Aufgabengruppe: Tab. 9 über alle Geläufigkeitsstufen; Speichergruppe: sehr geläufig vs. geläufig geläufig vs. ungeläufig sehr geläufig vs. ungeläufig häufig vs. regelmäßig regelmäßig vs. selten häufig vs. selten t(15)= -6.55** t(15)= -2.12* t(15)= -11.13*** t(15)= -1.95 t(15)= -3.11*** t(15)= -5.41*** t-Tests zum Vergleich der Mittelwerte der Anzahl der pro Aufgabenteilgruppe eingesetzter Speicher. * für p<.05; ** für p<.01; *** für p<.001 Die drei am häufigsten eingesetzten Speicher sind das Gedächtnis, der Terminkalender und der Zettel an auffälligem Ort (769, 514 und 208 von insgesamt 2400 Nennungen). Die Planungszeiten zur Entscheidung für einen dieser drei Speicher sind in Abb. 18 dargestellt. Bei allen drei Speichern steigt die Planungszeit sowohl mit sinkender Geläufigkeit der Aufgaben als auch mit steigender Valenz. Da nur bei drei Probanden alle neun Zellen gefüllt sind, muß auf eine vollständige Analyse des Designs verzichtet werden. Stattdessen wird die ANOVA für jeden der drei Speicher getrennt gerechnet. So müssen für eine Analysen nur jeweils drei Zellen gefüllt sein und die Zahl auswertbarer Probanden steigt. Es ergibt sich eine hochsignifikante Wirkung der Aufgabengeläufigkeit: F(2,62)=52.04, p<.001 für Gedächtnis, F(2,48)=17.68, p<.001 für Terminkalender und F(2,20)=19,7, p<.001 für Zettel anauffälligem Ort. Weder die Valenz noch die Interaktion mit ihr erreicht das Signifikanz niveau. Die durchschnittliche Planungszeit über alle Geläufigkeitsstufen steigt von Gedächtnis (10s) über den Terminkalender (10.2s) bis zum Zettel am auffälligen Ort (12.3s). Kein t-Test zum Paarvergleich abhängiger Stichproben erreicht das Signifikanzniveau. Auch eine Replikation dieser Analyse, bei statt die über alle Probanden am häufigsten eingesetzte Speicher für jede Versuchsperson individuell die drei von ihr am häufigsten eingesetzten Speicher Kriterium für die Auswertung der Planungszeit waren, verringert den Datenausfall kaum und verändert die Ergebnisse nur unwesentliche Veränderung. Auf ihre Darstellung wird deswegen an dieser Stelle verzichtet. 90 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test 18 16 VALENZ: NORMAL Gedächtnis 14 Terminkalender 12 Zettel a. auff. Ort ERHÖHT 10 Gedächtnis Terminkalender 8 Zettel a. auff. Ort 6 4 sehr geläufig geläufig ungeläufig Geläufigkeit der Items Abb. 18 Planungszeiten zur Speicherwahl, wenn einer der drei am häufigsten genannten Speicher gewählt wurde. Die Mittelwerte beziehen sich beim Gedächtnis auf 32, beim Terminkalender auf 25 und beim Zettel an auffälligem Ort auf 11 Probanden. Zusammenfassend zeigen sich zwei Ergebnisse: Der Effekt der mit sinkender Geläufigkeit steigenden Planungszeit tritt bei allen Speichern bzw. Speichergruppen auf. Je seltener ein Speicher eingesetzt wird, um so länger ist die Planungszeit, die zu seiner Wahl benötigt wird. Dieser Effekt konnte nur bei den Speichergruppen varianzanalytisch überprüft werden. Die Tendenz zu längeren Planungszeiten bei erhöhter Valenz, besonders bei geringer Geläufigkeit der Items war zwar in den Mittelwerten vorhanden, konnte aber nicht statistisch abgesichert werden. Diskussion Die Ergebnisse werden zunächst in der Reihenfolge ihrer Präsentation diskutiert. Abschließend folgt eine Diskussion der unabhängigen Variablen über alle Ergebnisse hinweg. Unterschiedliche Planungszeiten bei der Speicherwahl sind nach dem SWIEGS-Modell eine Funktion der Vorerfahrungen, die die Probanden mit Aufgaben ähnlichen Typs gemacht haben. Bezogen auf die Faktoren in Studie 4 sollten die Planungszeiten zum einen mit sinkender Aufgabengeläufigkeit steigen. Zum anderen schließt der virtuelle Kontext Vorerfahrungen mit den Aufgaben weitgehend aus. 91 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Unterschiede in der Planungszeit zwischen verschiedenen Aufgabentypen müßten folglich bei dieser Aufgabenstellung verschwinden. Zum dritten sollte die Suche nach einem passenden Speicher bei Erhöhung der Valenz der Aufgaben in realem Kontext aufwendiger werden. Die Planungszeiten sollten sich bei erhöhter Valenz folglich verlängern (H7), und zwar um so mehr, je ungeläufiger die Aufgabe (H8). Dieses durch das SWIEGS-Modell vorhergesagte komplexe Zusammenhangsmuster der Planungszeit mit den Faktorstufen wurde hochsignifikant bestätigt. Die Planungszeit steigt bei realer Aufgabenstellung mit sinkender Geläufigkeit hochsignifikant an. Das gilt sowohl für normale als auch für erhöhte Aufgabenvalenz. Bei erhöhter Aufgabenvalenz ist die Planungszeit generell signifikant höher als bei normaler Aufgabenvalenz. Dieser Unterschied ist für die ungeläufigen Aufgaben am größten. In der virtuellen Aufgabenstellung dagegen verschwinden die Unterschiede in der Planungszeit zwischen den verschiedenen Aufgaben weitgehend. Dabei bleibt noch ein kleiner, aber signifikanter Unterschied in der Planungszeit zwischen der sehr geläufigen und den beiden anderen Aufgabengruppen, der durch die unterschiedlichen Wortzahl und damit Verarbeitungszeit der einzelnen Aufgabengruppen plausibel wird (vgl. Studie 2). Wie schon in der Diskussion zu Studie 2 vermutet, zeigt sich, daß es zu inhaltlich schwer interpretierbaren Ergebnissen führen würde, wenn man die Lesezeit der einzelnen Aufgaben von der Bearbeitungszeit subtrahierte, um die Planungszeit zu erhalten. Die Bearbeitungszeiten im virtuellen Kontext von Studie 4 lagen durchweg unter der für die einzelnen Aufgaben erhobenen Lesezeit (vgl. Abb. 10 in Studie 2). Eine Subtraktion würde folglich zu negativen Planungszeiten führen - einer psychologisch nicht sinnvoll interpretierbaren Größe. Probanden in der virtuellen Bedingung berichteten, die Texte hauptsächlich in Bezug auf die Wortzahl als Indikator der Schwierigkeit des Behaltens im Kopf und in Bezug auf Zahlen im Text als Indikator für ein einfaches Wiederfinden der Aufgabe im Karteikartenstapel beurteilt zu haben. Ein Verständnis des Inhalts der Aufgabe war folglich für die Speicherwahl nicht erforderlich (vgl. Diskussion von Studie 2). Bei realer Aufgabenstellung wirkte sich die Erhöhung der Valenz für die verschiedenen Geläufigkeitsstufen unterschiedlich auf die Planungszeit aus. Bei virtueller Aufgabenstellung dagegen führte erhöhte Valenz zu einer für alle Aufgaben gleich großen Verringerung der Planungszeit. Die Gleichmäßigkeit der Verringerung über alle drei Aufgabengruppen unterstützt die Hypothese, daß bei virtuellem Kontext die Speicherwahlen durch die Gleichschaltung der Vorerfahrungen für alle Aufgaben über den gleichen Prozeß liefen. Daß die Planungszeit bei virtuellem Kontext durch Valenzerhöhung kürzer statt länger wird, widerspricht der Hypothese, daß Planungszeiten für ungeläufige Aufgaben durch Valenzerhöhung steigen (H8). In den postexperimentellen Interviews berichteten die Probanden in der virtuellen 92 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Bedingung generell von Schwierigkeit, sich die Aufgabe zusammen mit der komplexen Speichernutzung vorzustellen. Die Operationalisierung der Valenzerhöhung durch einen fiktiven Wettkampf erhöht die Komplexität dessen, was vorzustellen ist, noch einmal. Eine Erklärung wäre folglich, daß die Probanden durch die Valenzerhöhung überfordert waren und die Bereitschaft, sich mit der Aufgabe intensiv auseinanderzusetzen, dadurch von vornherein gering war. Dies stimmt mit den Angaben einzelner Probanden im postexperimentellen Interview überein. Ein hypothesenkritischer Teilaspekt der Ergebnisse zur Planungszeit ist der signifikante Unterschied zwischen normaler und erhöhter Valenz bei sehr geläufigen Aufgaben in realem Kontext. Wenn sehr geläufige Aufgaben über Scriptanwendung gelöst werden, sollte Valenzerhöhung hier nämlich keinerlei Einfluß haben. Diese Unregelmäßigkeit bei der Valenzerhöhung wird am Schluß der Diskussion im Kontext der anderen Ergebnisse noch einmal beleuchtet. Die differenzierte Erhebung der metakognitiven Parameter Aufwand und Erfolgswahrschein lichkeit für je zwei Speicheralternativen pro Aufgabe ermöglichte die Vorhersage, welche dieser Alternativen gewählt werden müßte, wenn der Proband der Logik seiner Parameter folgt. Überraschend war das Ergebnis zur Häufigkeit der verschiedenen Urteilskombinationen (vgl. Abb. 19). Über die Hälfte der Urteile war eineindeutig, d.h. daß der gewählte Speicher den Probanden sowohl weniger aufwendig als auch erfolgreicher schien. Die hohe Parallelität der Einschätzung von Aufwand und Erfolg fand sich auch in der Bewertung der eigenen Lösung wieder. Je ungeläufiger die Aufgabe, desto mehr sinkt die Einschätzung des Erfolges der Speicherung. Spiegelbildlich dazu steigt die Einschätzung des Aufwandes der Speicherung. Trotzdem ist es notwendig, beide Parameter zu erheben. Bei den eindeutigen Urteilen weist nämlich nur einer der beiden Parameter auf einen Speicher, während der andere unentschieden bleibt. Diese Kombination trat in 24 % der Fälle auf. Aufwand und Erfolg scheinen also in der Entscheidung für eine Speicherform in der Regel keine Antagonisten zu sein. Sie werden aber als Ergänzung eingesetzt: kann der Proband beispielsweise keinen Unterschied in der Erfolgswahrscheinlichkeit von verschiedenen Speichermöglichkeiten feststellen, so wird der weniger aufwendige Speicher gewählt und umgekehrt. Ein echter Konflikt zwischen Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit - die zwar-aber Urteile - lag nur bei 13% der Aufgaben vor. In der virtuellen Bedingung ist der Anteil an zwar-aber Urteilen deutlich höher als in der realen Bedingung (18% vs. 8%). Akzeptiert man die Interpretation des engen Zusammenhangs zwischen Aufwand und Erfolg als ein generelles Muster, läßt sich dieser Unterschied als weiteres Indiz der diskutierten Überforderung der Probanden in der virtuellen Bedingung verstehen: die geringere Reliabilität der Einschätzung führt eher zu widersprüchlichen Aussagen. 93 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test eineindeutig 56,0% Virtuell Real unentschieden 7,0% eindeutig 24,0% zwar-aber 13,0% Gesamt Abb. 19 Die Verteilung der Urteilskombinationen - getrennt nach den beiden Aufgabenstellungen ‘virtuell’ und ‘real’ sowie für beide Aufgabenstellungen gemeinsam. Insgesamt wurden 2400 Urteile abgegeben. Die Geläufigkeit der Aufgabe sollte bestimmen, in welchem Maße die Vorhersage der Speicherwahl aus den Parametern möglich ist. Bei sehr geläufigen Aufgaben wird der Speicher nach dem Modell durch ein Script gewählt, also ohne Einfluß der metakognitven Parameter. Diese leiten aber die Speicherwahl bei weniger geläufigen Aufgaben in den Prozessen der Evaluation bzw. Konstruktion (H5). Sind die Aufgaben durch den realen Kontext unterschiedlich geläufig, sollte die Vorhersage mit sinkender Geläufigkeit der Aufgabengruppe steigen. Im virtuellen Kontext, wo der Unterschied der Geläufigkeit zwischen den Aufgabengruppen verschwindet, sollte dagegen die Vorhersage der Speicherwahl für alle Aufgaben gleich gut möglich sein. Da durch den Kontext alle Aufgaben ungeläufig werden, sollte die Vorhersagbarkeit darüber hinaus hoch sein. Diese Zusammenhänge wurden hochsignifikant bestätigt. Bei realer Aufgabenstellung stimmte der gewählte Speicher bei sehr geläufigen Aufgaben kaum über die Zufallswahrscheinlichkeit von 50% hinaus mit dem tatsächlich gewählten überein. Bei geläufigen Aufgaben dagegen stieg die Übereinstimmung auf über 70 % und bei ungeläufigen Aufgaben auf über 80%. Unerwartet war dabei, daß die Erhöhung der Valenz zu einem deutlichen Anstieg der Vorhersagbarkeit bei sehr geläufigen Aufgaben führte. Zwar erreichte weder der Haupteffekt der Valenz noch eine Interaktion mit ihr das 94 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Signifikanzniveau. Trotzdem soll am Schluß der Diskussion noch einmal auf dieses Ergebnis eingegangen werden. Die Vorhersagbarkeit ist bei der virtuellen Aufgabenstellung für alle Aufgabengruppen gleich groß - Beleg der Annahme, daß hier die Speicher alle über den gleichen Prozeß unter Einbeziehung der metakognitiven Parameter ablief. Trotzdem bleibt sie deutlich geringer als die der ungeläufigen Aufgaben bei realer Aufgabenstellung (68% vs. 83%). Nach dem SWIEGS-Modell müßten die Speicher in beiden Fällen durch den Prozeß der Konstruktion gewählt werden, da für beide Aufgabengruppen Vorerfahrungen in hohem Maße fehlen. Die Vorhersagbarkeit der Entscheidung für die virtuelle Aufgabenstellung müßte also der der ungeläufigen Aufgaben bei realer Aufgabenstellung entsprechen. Eine mögliche Erklärung der tatsächlichen Differenz zwischen beiden ist die schon diskutierte komplexe Aufgabenstellung in der virtuellen Bedingung. Wenn die Probanden Schwierigkeiten hatten, sich die virtuelle Aufgabenstellung und vor allem den komplexen Gebrauch des externen Speichers vorzustellen, sind die Parameter insgesamt wenig reliabel und die Vorhersageleistung sinkt. Die Bewertung der eigenen Speicherwahl sollte hauptsächlich die Valenz der Aufgaben widerspiegeln. Je bedeutsamer eine Aufgabe für den Probanden, um so strengere Prüfkriterien für die Evaluation und Konstruktion eines Speichers sagt das SWIEGS-Modell vorher. Höhere Valenz einer Aufgabe sollte ja zu höheren Prüfparametern und damit zu höherer Einschätzung von Erfolg und Aufwand einer Speicherung führen (H10). Speicher, die mit diesen strengeren Kriterien gewählt wurden, sollten folglich auch erfolgreicher und aufwendiger eingeschätzt werden als die Speicher, die bei normaler Valenz gewählt werden. In den vorliegenden Daten veränderte die erhöhte Valenz der Aufgabe aber keineswegs die Einschätzung der gewählten Lösung. Eine genauere Analyse der überraschenden Verteilungen der Urteilskombinationen zeigt allerdings, daß dieser Zusammenhang auch theoretisch nicht zu erwarten war. Tatsächlich bestand in 80% der Fälle für die Probanden kein Widerspruch zwischen Aufwand und Erfolg (vgl. Abb. 19). Der erfolgreichere Speicher war also entweder genauso oder gar weniger aufwendig als der weniger erfolgreiche. In diesen Fällen liegt aber kein Konflikt vor; der gewählte Speicher ist optimal in Bezug auf alle Kriterien. Bei einer optimalen Wahl aber können rehöhte Prüfparameter auch nicht mehr zu einer Verbesserung führen. Nur bei den zwar-aber Entscheidungen besteht tatsächlich ein Konflikt zwischen Aufwand und Erfolg. Bei den 13% der zwar-aber Urteile könnte sich der Proband für den weniger aufwendigen oder aber für den erfolgreicheren Speicher entscheiden. Hier müßten eine erhöhte erforderlicher Erfolgswahrscheinlichkeit (EES) und ein erhöhter akzeptierter Aufwand (AAS) tatsächlich zu einer 95 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test anderen Wahl führen. Eine Analyse dieser Teilgruppe ergibt Mittelwertsunterschiede in der erwarteten Richtung: bei realer Aufgabenstellung führt erhöhte Valenz der Aufgaben sowohl zu einer höheren Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit als auch des Aufwandes der Speicherung. Bei virtueller Aufgabenstellung bleibt die Erfolgswahrscheinlichkeit unverändert, der Aufwand aber steigt (siehe Abb. 100 5 100 Geschätze Erfolgswahrscheinlichkeit in % 90 4 90 80 80 70 70 3 60 60 50 2 Geschätze Erfolgswahrscheinlichkeit in % Aufwand (1=sehr gering; 7=sehr hoch) 20). 50 sehr geläufig geläufig sehr geläufig ungeläufig sehr geläufig geläufig geläufig ungeläufig ungeläufig Geläufigkeit der Aufgaben Real - normale Valenz Virtuell - normale Valenz Real - erhöhte Valenz Virtuell - erhöhte Valenz Abb. 20 Die Einschätzungen der Erfolgswahrscheinlichkeit und des Aufwandes desjenigen Speichers, der von den Probanden für die jeweilige Aufgabe gewählt wurde. Ausgewertet sind aber nur die Wahlen, bei denen ein Konflikt zwischen Aufwand und Erfolg bestand. Bei realer Aufgabenstellung wirkt die erhöhte Valenz auch in der erwarteten differenzierten Form. Die Bewertung der gewählten Speicher ändert sich nur bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben; bei sehr geläufigen Aufgaben bleibt sie gleich - da der Speicher über das Script gewählt wird, haben veränderte Prüfparameter keinen Einfluß auf die Wahl bzw. die Bewertung dieser Wahl. Die ungleiche Besetzung der Zellen - 13 Versuchspersonen fallen aus der Analyse heraus, da sie keine 'zwar - aber' Kombination haben - und vor allem unterschiedliche Häufigkeit, mit der diese Kombination bei einer einzelnen Versuchsperson (zwischen 2 und 35 mal) und in beiden Aufgabenstellungen vorkommt (virtuell N=429, real N=181) verzerren die Ergebnisse, wenn man sie, wie für die varianzanalytische Auswertung notwendig, über die Probanden zusammenfaßt. Eine tatsächliche Überprüfung des vorhergesagten Zusammenhangs kann mit diesen Daten also nicht durchgeführt werden; es müßte dazu 96 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test ein Versuch konzipiert werden, der die ’zwar - aber’ Kombination der metakognitiven Parameter erzwingt. Bei einer Gruppe von Aufgaben ein und desselben Typs bestimmt die Geläufigkeit einer Teilgruppe dieser Aufgaben auch, mit wie vielen unterschiedlichen Speichern die Aufgaben repräsentiert werden. Betrachtet man beispielsweise die Teilgruppe der Termine, so sollten die sehr geläufigen Termine allesamt mit einem Terminscript und dadurch mit dem gleichen Speicher repräsentiert werden. Werden für ungeläufigere Termine dagegen Speicher evaluiert oder konstruiert, so könnte für jede einzelne Aufgabe ein anderer Speicher zum Einsatz kommen. Ungeläufige Aufgaben eines bestimmten Typs sollten also mit mehr unterschiedlichen Speichern gelöst werden als sehr geläufige Aufgaben (H6). Diese Hypothese kann nur über die Teilgruppe mit realer Aufgabenstellung getestet werden, weil nur hier die Speicherwahl frei war. Der geforderte Zusammenhang war hochsignifikant vorhanden. Eine Interaktion mit dem Aufgabentyp trat nicht auf; tatsächlich ließ sich dieser Zusammenhang auch für jeden der fünf Aufgabentypen für sich gesehen hochsignifikant nachweisen. Kritische Größe für die Zahl unterschiedlicher Speicher war also alleine die Geläufigkeit, nicht der Typ der Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Valenz sollte sich dieses Muster weiter differenzieren. Erhöhte Valenz sollte bei evaluierten und konstruierten Speichern zu differenzierteren Lösungen führen, nicht aber bei Speicherwahlen über die Anwendung eines Scriptes. Die Anzahl unterschiedlicher Speicher sollte also bei erhöhter Valenz größer sein als bei normaler Valenz (H9). Dieser Effekt sollte um so geringer sein, je geläufiger die Aufgabe (H10). Die Ergebnisse bestätigen Hypothese 9, stehen aber im Widerspruch zu Hypothese 10. Die Anzahl der eingesetzten Speicher steigt durch die erhöhte Valenz tatsächlich hochsignifikant an, allerdings ohne Unterschied bei den verschiedenen Geläufigkeitsstufen der Aufgaben. Eine Betrachtung nach den verschiedenen Aufgabentypen getrennt zeigt, daß dies nicht für alle Typen gilt. Bei wiederkehrenden Aufgaben führt erhöhte Valenz , wie von Hypothese 10 gefordert, nur bei geläufigen und ungeläufigen Aufgaben, nicht aber bei sehr geläufigen Aufgaben zu einer Steigerung der Speicherzahl. Die entsprechende Interaktion zwischen Aufgabentyp, Aufgabengeläufigkeit und Valenz erreicht das Signifikanzniveau aber nicht. Die entsprechende Hypothese konnte also mit der vorliegenden Untersuchung nicht belegt werden. Eine letzte Analyseebene ist die Auswertung der Planungszeit in Abhängigkeit von dem gewählten Speicher. Drei Hypothesen sollten damit geprüft werden. Der Effekt steigender Planungszeit mit sinkender Geläufigkeit der Aufgaben sollte unabhängig vom gewählten Speicher sein (H2). Zwei Analysen wurden zur Klärung dieser Hypothesen gerechnet. Zum einen wurden alle eingesetzten Speicher nach der Häufigkeit ihrer Nutzung in drei Gruppen unterteilt, zum anderen die drei meistgenutzten Speicher betrachtet. In beiden Fällen wurde nun die Planungszeit für alle Kombinationen 97 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test von Aufgabengeläufigkeit und Valenz getrennt für den Einsatz jedes Speichers bzw. jeder Speichergruppe berechnet. Da immer nur bei einem kleinen Teil der Probanden alle Zellen gefüllt waren, waren beide Auswertungen mit dem Problem geringer Probandenzahlen behaftet. Für die drei Speichergruppen wie auch für die drei einzelnen Speicher steigt die Planungszeit mit sinkender Geläufigkeit. Dieser Effekt war bei beiden Analysen trotz geringer Probandenzahlen hochsignifikant. Interaktionen zwischen Speicher bzw. Speichergruppe und Geläufigkeit traten dabei nicht auf; im Gegenteil zeigten Partialanalysen, daß dieser Effekt auch von jedem Speicher bzw. jeder Speichergruppe für sich gesehen getragen wurde. Wenn bei sinkender Aufgabengeläufigkeit die Planungszeiten steigen, so ist das kein Effekt davon, daß seltenere Speicher benötigt werden und es einfach länger dauert, bis diese den Probanden einfallen. Die Wahl des Gedächtnisses dauert so je nach Aufgabentyp zwischen 5s und 16s. Es muß also eindeutig der Prozeß, der zur Wahl führt, für die unterschiedliche Planungszeit verantwortlich sein. Gleichzeitig sollte aber über alle Geläufigkeiten hinweg die Planungszeit für den Einsatz eines Speichers um so länger sein, je seltener er insgesamt eingesetzt wird (H3).Dieser Effekt sollte um so stärker sein, je ungeläufiger die Aufgabe (H4). Die Analyse der Planungszeiten über die Speichergruppen hinweg bestätigte Hypothese 3. Je häufiger ein Speicher eingesetzt wird, um so schneller wird er - bei gleicher Aufgabengeläufigkeit - gewählt. Dieser Effekt wurde zwar in den Mittelwerten mit sinkender Aufgabengeläufigkeit stärker; die erforderliche Interaktion erreichte das Signifikanzniveau aber nicht. Gleiches gilt für die Aufgabenvalenz. Höhere Planungszeiten bei erhöhter Valenz (H3) und zwar um so mehr, je ungeläufiger die Aufgabe, wurde über das gesamte Design hochsignifikant bestätigt (s.o.). Bei der Differenzierung der Planungszeiten nach den Speicherwahlen waren beide Effekte in den Mittelwerten deutlich, erreichten aber nicht immer das Signifikanzniveau. Es überrascht nicht, daß die Analyse um so seltener zu einem signifikanten Ergebnis kommt, je mehr Faktoren in sie aufgenommen werden. Hinzu kommt, daß sich der Ausfall von Probanden für die Analyse über die Speicherwahl prinzipiell nicht vermeiden läßt, da die Speicherwahl frei erfolgen muß. Daß der erwartete Effekt in den Mittelwerten vorhanden war, ermutigt immerhin zu weiteren Studien, bei denen die Probandenzahl stark erhöht werden müßte, um die Ergebnisse auch inferenzstatistisch absichern zu können. Über alle Analyseebenen hinweg verursachten die unabhängigen Variablen fast vollständig die geforderten Effekte. Sinkende Aufgabengeläufigkeit führte zu steigender Planungszeit, besserer Vorhersage der Speicherwahl aus den metakognitiven Parametern, höherer Speicherzahl und schlechterer Bewertung der gewählten Speicher. Die virtuelle Aufgabenstellung egalisierte für alle Aufgaben die Planungszeit und die Vorhersagbarkeit. Erhöhte Valenz schließlich führte zu längeren 98 Studie 4: Metakognitive Parameter im Test Planungszeiten, besserer Bewertung der gewählten Speicher (zumindest bei den zwar-aber Urteilskombinationen, wo das überhaupt nur möglich war) und höherer Speicherzahl. Offen blieben zum Teil die nach Speicherzahlen differenzierten Analysen, wo aber die geringe Zahl analysierbarer Versuchspersonen eine plausible Erklärung für fehlende Signifikanzen lieferte. Eine differenziertere Betrachtung zeigt allerdings einen Schwachpunkt. Die Valenzerhöhung wirkte sich fast durchgängig auch auf die sehr geläufigen Aufgaben aus, wo das nicht erwartet worden war. Werden die sehr geläufigen Aufgaben über Scriptanwendung gelöst, hat die Valenz der Aufgabe nach dem SWIEGS-Modell keinen Einfluß. Tatsächlich führte sie aber zu erhöhter Planungszeit, zur Erhöhung der Vorhersagbarkeit der Speicherwahl und bei vier der fünf Aufgabentypen zu einem Anstieg der Speicherzahl. Da die Wirkung der Valenz auf sehr geläufige Aufgaben aber der einzige Teilaspekt ist, wo Modellvorhersagen systematisch scheitern, liegt die Vermutung nahe, daß dieser Effekt mit der Operationalisierung der Valenz zusammenhängt. Es wäre denkbar, daß die hypothetische Wettkampfsituation die sehr geläufigen Aufgaben so veränderte, daß das entsprechende Repräsentationsscript nicht mehr paßte. Beispielsweise würde die Aufgabe, ein Buch in die Bibliothek zurückzubringen, zu einem anderen Aufgabentyp, wenn die erfolgreiche Erinnerung an diese Aufgabe über den Sieg in einem Wettkampf mitentscheidet. Um diese Überlegungen prüfen zu können, müßten weitere Untersuchungen mit andersartig operationalisierter Valenzerhöhung durchgeführt werden. Am Rande sei angemerkt, daß die Probanden in der Gruppe mit erhöhter Valenz größtenteils berichteten, daß diese hypothetische Wettkampfsituation keinen Einfluß auf ihre Aufgabenbearbeitung gehabt habe. Dies bestätigt die im theoretischen Teil diskutierte mangelhafte Validität metakognitiver Urteile. 99 Synopsis der Ergebnisse 3 Schlußdiskussion Der erste Teil der Schlußdiskussion vergleicht über alle Studien und Bedingungen hinweg die zwölf vom Modell abgeleiteten Hypothesen mit den vorliegenden Ergebnissen. Im zweiten Teil wird aus den unterschiedlichen Bestätigungsgraden der Hypothesen auf die Gültigkeit des SWIEGS-Modells geschlossen. Der dritte Teil diskutiert die Frage der ökologischen Validität der Ergebnisse. Folgerungen und Ausblicke auf weitere Studien schließen die Diskussion ab. 3.1 Synopsis der Ergebnisse: wurden die Hypothesen bestätigt ? Zwölf Hypothesen sind im theoretischen Teil vom Modell abgeleitet und im empirischen Teil geprüft worden. Aus der Perspektive der zu prüfenden Hypothesen werden die Ergebnisse nun über die vier Studien hinweg betrachtet. Die Reihenfolge folgt dabei der Bedeutung der Hypothesen für das Modell. Im ersten Teil werden die Basishypothesen zur Planungszeit, zur Anzahl der eingesetzten Speicher und zur Rolle der metakognitiven Parameter bei der Speicherwahl behandelt, im zweiten die differenzierteren Hypothesen zu diesen und anderen Modellparametern. 3.1.1 Die Basishypothesen Ausgehend von den drei zur Wahl eines Speichers angenommenen Prozessen betreffen die ersten beiden Hypothesen die Planungszeit, die zur Wahl eines Speichers benötigt wird. Das Modell nimmt an, daß die Häufigkeit, mit der eine Aufgabe bzw. ein Aufgabentyp in der Vergangenheit bearbeitet wurde, den Prozeß, mit dem der Speicher gewählt wird, bestimmt. Je häufiger ein bestimmter Aufgabentyp bearbeitet wurde, um so geläufiger ist er den Probanden aber auch. Da die Anwendung eines Scriptes weniger Zeit bedarf als die Evaluation einer Speicherliste und diese wieder weniger als die Konstruktion neuer Speicher oder Speicherbedingungen, sollte die für die Wahl eines Speichers benötigte Zeit um so länger sein, je ungeläufiger die zu bearbeitende Aufgabe (H1). Dieser erhöhte Zeitbedarf dürfte aber nicht vom Speicher, der letztendlich gewählt wird, sondern sollte tatsächlich vom Prozeß, der zur jeweiligen Speicherwahl geführt hatte, abhängen (H2). Beide Hypothesen haben sich empirisch mehrfach bewährt. In Studie 1, Studie 2 und Studie 4 führte sinkende Aufgabengeläufigkeit jeweils zu hochsignifikanten Verlängerungen der Planungszeiten. Eine Reihe von Alternativerklärungen, die die steigende Planungszeit auf andere Ursachen zurückführen könnten, wurden dabei widerlegt. Die steigende Planungszeit kann keine Spezifität des Inhaltes der verwandten Aufgaben sein. Erstens wurde 100 Synopsis der Ergebnisse das Versuchsmaterial aus einer Befragung der Versuchspersonen gewonnen, entstammte also der Alltagserfahrung der Probanden. Zweitens wurde der Inhalt der Aufgaben, besonders beim zweiten Aufgabenset, systematisch variiert. Drittens kamen zwei unterschiedliche Sets von Aufgaben zum Einsatz, ohne daß sich der Effekt veränderte. Viertens widerspricht auch die Menge von ingesamt 111 Aufgaben (51 beim ersten und 60 beim zweiten Set) der Annahme, nur spezifische Aufgaben würden den Effekt hervorrufen. Schließlich wurde in Studie 4 durch die Variation der Aufgabenstellung Geläufigkeit systematisch für alle Aufgaben variiert. In der virtuellen Bedingung waren durch die Reduktion der Aufgaben auf zu merkende Texte und den Einsatz eines künstlichen externen Speichers Unterschiede in Vorerfahrung bzw. Geläufigkeit zwischen den Aufgaben ausgeschlossen. Die Unterschiede in der Planungszeit reduzierten sich dabei auf Unterschiede in der Lesezeit der Aufgaben, die großen Differenzen, wie sie in den übrigen Bedingungen bzw. Studien auftraten, verschwanden. Planungszeitunterschiede können trotzdem auch kein Artefakt der Lesezeit sein. Wie in Studie 2 nachgewiesen, variiert die Lesezeit zwar tatsächlich systematisch mir der Aufgabengeläufigkeit ungeläufige Aufgaben erforderten insgesamt eine komplexere sprachliche Form, eine Parallelisierung der Aufgaben in Bezug auf die Wort- oder Propositionenzahl war nicht möglich. Trotzdem klärt die Lesezeit nur einen Teil der Zeitunterschiede. Wie in Studie 2 nachgewiesen, bleibt auch für die Differenz zwischen Lese- und Bearbeitungszeit ein hochsignifikanter Effekt der Aufgabengeläufigkeit bestehen. Es zeigte sich aber auch, daß der bei der Wahl eines Speichers ablaufende Prozeß nicht einfach als das Lesen und Verstehen der Aufgaben plus der Wahl eines Speichers verstanden werden kann. Die Planungszeit für die Wahl eines Speicher war schon in Studie 2 für etliche Aufgaben kürzer als die Lesezeit dieser Aufgaben. Das zeigte sich noch einmal besonders bei Studie 4. Die Planungszeiten liegen bei der virtuellen Aufgabenstellung von Studie 4, insbesondere bei erhöhter Valenz allesamt unter der in Studie 2 ermittelten Lesezeit für diese Aufgaben. Schließlich können dieses Planungszeitunterschiede auch kein Effekt unterschiedlicher Aufgabenvalenz sein. Die Planungszeit steigt, wie von Hypothese 7 angenommen, mit steigender Valenz der Aufgaben (s.u.). Da die Valenz der Aufgaben im Versuchsmaterial aber mit der Geläufigkeit der Aufgaben sinkt (vgl. Studie 2), hätte die Valenz der Aufgaben den gegenteiligen Effekt haben müssen: Mit sinkender Aufgabengeläufigkeit und Valenz hätte die Planungszeit sinken müssen. Sowohl Hypothese 1 als auch die erhobenen Zeiten weisen in die andere Richtung: trotz sinkender Aufgabenvalenz steigt die Planungszeit mit sinkender Geläufigkeit. Eine naheliegende Alternativerklärung wäre, daß nicht unterschiedliche Prozesse für die Planungszeitunterschiede verantwortlich sind, sondern daß für den Probanden ungeläufige Aufgaben auch für den Probanden ungeläufige Speicher erfordern; diese zu finden dauert länger als bei geläufigen 101 Synopsis der Ergebnisse Speicher. Die von Hypothese 2 geforderte Unabhängigkeit der Planungszeiterhöhung vom gewählten Speicher wurde in Studie 2 und Studie 4, jeweils über zwei verschiedene Analysen, bestätigt. Zum einen wurden Speichergruppen nach der Häufigkeit, mit der die Speicher insgesamt genannt worden waren, gebildet. Die Auswertung der Planungszeit wurde noch einmal nach diesen Gruppen differenziert. Zum anderen wurden nur die Aufgaben ausgewertet, bei denen einer der drei am häufigsten genannten Speicher als Lösung gewählt worden war. Wieder wurde die Auswertung der Planungszeit nach der Speicherwahl differenziert. Bei beiden Studien und allen Kombination blieb der Effekt steigender Planungszeit bei sinkender Geläufigkeit hochsignifikant. Besonders illustrativ ist die Betrachtung für einzelne Speicher. Wenn zwischen Aufgabenstellung und Nennung ein und desselben Speichers einmal 5s und das andere mal 15s vergehen, muß die gleiche Lösung durch unterschiedliche Prozesse zustande gekommen sein. Im Zusammenhang mit der Prüfung des Modells sollten die Hypothesen zur Planungszeit ein Indikator für die unterschiedlichen Prozesse bei der Speicherwahl sein. Über diese beiden Hypothesen hinaus liefern die Ergebnisse aber noch einen weiteren Beleg für die angenommenen unterschiedlichen Prozesse. Die Planungszeit war - je nach Aufgabengeläufigkeit - unterschiedlich sensibel für zusätzliche Variablen. Die Umgebungsvariation in Studie 1 und die Variation der Aufgabenvalenz in Studie 4 (s.u.) führt zu um so größeren Zeitunterschieden, je ungeläufiger die Aufgabe. Würde bei allen Aufgaben der gleiche Prozeß zur Speicherwahl ablaufen, müßten weitere Parameter die Planungszeiten gleichmäßig modifizieren. Die tatsächliche selektive Beeinflussung bestätigt aber ein weiteres mal, daß unterschiedliche Prozesse ablaufen. Wenn sehr geläufige Aufgaben über Scripte gelöst werden, dann müßte die Lösung über Scripte auch eine Klassifikation der Aufgaben bedeuten. Unterschiedliche Aufgaben werden dabei als ein Aufgabentyp identifiziert und mit dem Speicher repräsentiert, der dem von diesem Aufgabentyp aktivierten Script entspricht. Das gilt für evaluierte oder konstruierte Lösungen nicht. Hier wird für jede einzelne Aufgabe ein passender Speicher gesucht. Folglich müßten geläufige und ungeläufige Aufgaben mit deutlich mehr unterschiedlichen Speichern gelöst werden als sehr geläufige (H6). In Studie 1, Studie 3 und Studie 4 waren die Anzahl unterschiedlicher Speicher zur Lösung der Aufgaben generell bei sehr geläufigen Aufgaben hochsignifikant geringer als bei den beiden anderen Aufgabengruppen. Auch hier kamen zwei unterschiedliche Sets von Aufgaben zum Einsatz. Hinzu kamen aber auch unterschiedliche Auswertungsmodalitäten. Bei Studie 1 wurden einfach die Anzahl der eingesetzten Speicher bei den 17 sehr geläufigen Aufgaben mit denen der 17 geläufigen bzw. ungeläufigen Aufgaben verglichen. Bei Studie 2 und Studie 4 ermöglichte die Konstruktion der Aufgaben auch eine differenziertere Auswertung. Hier wurde die Speicherzahl auch für jede 102 Synopsis der Ergebnisse Themengruppe getrennt berechnet. Die geringere Speicherzahl bei sehr geläufigen Aufgaben blieb in beiden Varianten konsistent. Eine zusätzliche Analyse bei Studie 4 bekräftigt dieses Bild. Tatsächlich wird der beschriebene Effekt nicht nur vom Mittelwert über alle Themengruppen getragen, sondern auch von jeder Themengruppe für sich betrachtet. Wie die Ergebnisse zur Planungszeit erweist sich der Effekt der Aufgabengeläufigkeit auf die Anzahl unterschiedlicher Speicher als hoch konsistent. Die differenzierte Wirkung der Umgebungsvariation auf die Speicherzahl in Studie 1, die wiederum nur bei geläufigen und ungeläufigen, nicht aber bei sehr geläufigen Aufgaben eintrat, rundet dieses Bild ab. Die Hypothesen zur Planungszeit bestätigten, daß je nach Geläufigkeit der Aufgabe unterschiedliche Prozesse bei der Speicherwahl ablaufen. Die je nach Aufgabengeläufigkeit unterschiedlichen Speicherzahlen unterstützen diese Sicht und geben einen ersten Hinweis auf die Art dieser Prozesse. Besonders wichtige Aufschlüsse über die Prozesse der Speicherwahl geben die metakognitiven Parameter. Diese Einschätzungen des eigenen Gedächtnisses bzw. externer Speicher bezüglich des Aufwandes und des Erfolges einer bestimmten Speicherung sollte bei der Evaluation und Konstruktion eine zentrale Rolle spielen, da sie die Speicherwahl steuern. Bei der Lösung der Aufgabe über die Anwendung eines Scriptes dagegen sollten sie bedeutungslos bleiben. Speicherwahlen sollten sich um so besser aus metakognitiven Parametern vorhersagen lassen, je geringer die Wahrscheinlichkeit einer Scriptlösung, je ungeläufiger also die Aufgabe (H5). Studie 3 und Studie 4 bestätigten diese Hypothese aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Versuchsmaterialien. Bei Studie 3 war der Zusammenhang indirekt operationalisiert. Bei Terminen als Repräsentanten sehr geläufiger Aufgaben erwiesen sich leichte und schwierigere Versionen als sensitiv für die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Speicherung im Gedächtnis. Anders als bei den ungeläufigeren Aufgaben - den kurzen Texten und der beschriebenen Information - wirkte sich das aber nicht entsprechend auf die Frage aus, ob das Gedächtnis als Speicher gewählt würde oder nicht. Die Probanden sagten damit, daß sie zwar wissen, daß der eine Termin erfolgreicher als der andere gemerkt werden kann, daß dieser Unterschied für sie aber keinen Einfluß auf die Frage hat, ob sie den Termin nun mit dem Gedächtnis oder mit einem externen Speicher repräsentieren. Dieses verblüffende Ergebnis wurde in Studie 4 systematischer bestätigt. Tatsächlich stehen Speicherwahlen bei sehr geläufigen Aufgaben nicht im Zusammenhang mit der Einschätzung dieser Aufgaben hinsichtlich metakognitiver Parameter. Je ungeläufiger aber die Aufgaben, um so eher lassen sich die gewählten Speicher aus metakognitiven Parametern vorhersagen. War dieses Ergebnis in Studie 3 noch konfundiert mit dem Aufgabentyp, bestätigte es sich in Studie 4 für verschiedene Aufgabentypen als tatsächlich nur von der Geläufigkeit der Aufgaben abhängig. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse in Studie 4 wird auch die Alternativerklärung der Ergebnisse von Studie 3 hinfällig. Es 103 Synopsis der Ergebnisse wäre denkbar gewesen, daß die Probanden in Studie 3 die Termine in der schwierigeren Version nur deswegen nicht häufiger extern speichern, weil sie ihnen weniger wichtig erschienen als die leichter zu merkenden Termine. Studie 4 konnte aber zeigen, daß der Speicher für Termine generell ohne Berücksichtigung der metakognitven Parameter gewählt wird. Einen weiteren indirekten Nachweis dafür gibt die differentielle Variable der Ängstlichkeit in Studie 3. Hoch und niedrig Ängstliche unterschieden sich dabei deutlich sowohl in der Einschätzung ihres Gedächtnisses als auch in der Häufigkeit, mit der das Gedächtnis als Speicher gewählt wurde. Strukturell änderte das aber nichts: bei beiden Gruppen führten unterschiedliche Einschätzungen der Termine nicht zu unterschiedlichen Speicherwahlen. Unterschiedliche Voraussetzungen der Probanden scheinen also zu vorhersagbaren Unterschieden im Verhalten der Probanden zu führen, ohne aber die Struktur der Entscheidung zu verändern. Die Basishypothesen sind damit durch die vorliegenden Studien alle mehrfach verifiziert. Die Wahl eines Speichers erfolgt je nach Geläufigkeit der Aufgabe vermittels unterschiedlicher Prozesse. Diese lassen sich nachweisen über unterschiedliche Planungszeiten, unterschiedliche Wahlen und unterschiedlicher Vorhersagbarkeit dieser Wahlen aus metakognitiven Parametern. 3.1.2 Die differenzierenden Hypothesen Die differenzierenden Hypothesen bauen auf den Basishypothesen auf und prüfen detailliertere Zusammenhänge innerhalb der drei Prozesse Anwendung, Evaluation und Konstruktion. Sie betreffen detailliertere Annahmen zur Planungszeit und die Effekte der Valenz der Aufgaben auf alle übrigen Variablen. Dabei werden automatisch auch immer wieder die Annahmen der Basishypothesen überprüft. Wird ein Speicher evaluiert oder konstruiert, so werden nach dem Modell mögliche Speicher in der Reihenfolge der Speicherliste geprüft bzw. wird erst nach erfolgloser Prüfung aller Speicher auf der Speicherliste ein neuer Speicher konstruiert. Die Speicher auf der Speicherliste sind in der Reihenfolge der Häufigkeit ihres bisherigen Einsatzes sortiert. Speicher, die häufiger benutzt werden, sollten so eher geprüft werden als solche, die seltener eingesetzt werden. Diese Annahmen zur Speicherliste werden mit den folgenden beiden Hypothesen überprüft. Betrachtet man die Planungszeiten für Aufgaben gleicher Geläufigkeit, so sollten die Planungszeiten um so länger sein, je seltener der zur Lösung der Aufgabe gewählte Speicher insgesamt eingesetzt wurde (H3). Wird ein Speicher über die Anwendung eines Repräsentationsscriptes gewählt, sollte dieser Effekt dagegen nicht eintreten. Hier kommt die Speicherliste nicht zum Einsatz, da jedes Script unmittelbar mit einem bestimmten Speicher verknüpft 104 Synopsis der Ergebnisse ist. Je geläufiger eine Aufgabe, um so geringer sollte damit der in Hypothese 3 spezifizierte Planungszeitunterschied sein (H4). Hypothese 3 wurde sowohl in Studie 2 als auch in Studie 4 hochsignifikant bestätigt. Teilt man alle Speicher in drei Gruppen nach der Häufigkeit, mit der die Speicher genannt wurden, so ist die Planungszeit um so länger, je seltener dieser Speicher während des Experimentes eingesetzt worden war. Die Differenzierung hinsichtlich der Geläufigkeit der Aufgaben (H4) dagegen konnte nicht so eindeutig bestätigt werden. Zwar bewegten sich die Mittelwerte bei beiden Studien in die erwartete Richtung; die Zeitdifferenzen zwischen den verschiedenen Häufigkeitsgruppen waren also bei sehr geläufigen Aufgaben am geringsten (Studie 4) bzw. verschwanden völlig (Studie 2). Die Signifikanz der Interaktion allerdings fehlte bei beiden Studien. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das Prinzip der Auswertung zu hohen Ausfällen bei der Probandenzahl führen mußte. Ein Proband konnte nur dann in die Auswertung eingehen, wenn er mindestens einen Speicher jeder der drei Gruppen bei jeder der drei Geläufigkeitsstufen genannt hatte. Bei über der Hälfte der Probanden aber war mindestens eine der neun Zellen nicht gefüllt. Das nimmt nicht die Notwendigkeit, Hypothese 4 in Folgeuntersuchungen erneut zu prüfen; erklärt aber für die vorliegenden Untersuchungen die fehlende Signifikanz. Die in Studie 2 und Studie 4 berechneten Planungszeiten über die drei am häufigsten genannten Speicher eignet sich zur Überprüfung von Hypothese 3 und 4 nicht. Anders als bei dem Vergleich über die Speichergruppe, wo sehr häufig genannte Speicher mit sehr selten genannten verglichen wurden, konnten beim Vergleich einzelner Speicher nur sehr häufig genannte Speicher untereinander verglichen werden. Selten genannte Speicher werden eben so selten genannt, daß sie nicht systematisch über die drei Geläufigkeitsstufen hinweg auftauchen. Die zu erwartenden Planungszeitunterschiede zwischen den sehr geläufigen Speichern sind aber gering. Hinzu kommt der noch größere Ausfall an Probanden als bei der Analyse über die Speichergruppen. So scheint es praktisch ausgeschlossen, den ohnehin geringen Planungszeitunterschied nachweisen zu können. Trotzdem bewegen sich auch hier die Mittelwerte bei beiden Studien in die erwartete Richtung: Der häufigst genannte Speicher - das Gedächtnis - wird in beiden Studien 2s schneller gewählt als der dritthäufigste Speicher - der Zettel am auffälligen Ort. Wenn Aufgaben eine höherer Valenz haben als andere, so werden nach dem Modell die Prüfparameter EEW und AAS erhöht: Die Speicherung muß erfolgreicher und darf aufwendiger sein. Das hat Auswirkungen auf drei meßbare Größen: die Planungszeit, die Speicherzahl und die Bewertung der gewählten Speicher (H7, H9 und H11). Da die Valenz der Aufgabe bei der Lösung über Anwendung von Repräsentationsscripten aber keine Rolle spielen, müssen die Effekte der Valenz jeweils in einem zweiten Schritt bezüglich der Aufgabengeläufigkeit differenziert werden (H8, H10 und H12). 105 Synopsis der Ergebnisse Da die Prüfung der Speicheralternativen durch die schärferen Prüfparameter bei erhöhter Valenz aufwendiger wird, sollte die Planungszeit mit der Valenz einer Aufgabe steigen (H7). In Studie 4 wurde das überprüft, indem sämtliche Aufgaben zusätzlich in einer hypothetischen Wettkampfbedingung präsentiert wurden. Bei realer Aufgabenstellung war die Planungszeit wie angenommen für Aufgaben mit erhöhter Valenz generell höher als für solche mit normaler Valenz. Auch die Differenzierung dieser Hypothese durch die Geläufigkeit der Aufgaben wurde prinzipiell bestätigt. Da nur Evaluation und vor allem Konstruktion durch die Valenz einer Aufgabe beeinflußt werden, nicht aber die Anwendung, sollten Aufgaben um so weniger bei erhöhter Valenz mit erhöhter Planungszeit bearbeitet werden, je geläufiger die Aufgabe (H8). In Studie 4 war der Effekt der Aufgabenvalenz auf die Planungszeit bei den ungeläufigen Aufgaben signifikant größer als bei den geläufigen und sehr geläufigen Aufgaben. Zwei Ergebnisse schränken aber die Bestätigung von H8 ein. Einerseits sollten bei virtueller Aufgabenstellung alle Aufgaben ungeläufig sein; folglich hätte Valenzerhöhung hier zu einer generellen Steigerung der Planungszeit führen müssen und nicht - wie tatsächlich geschehen - zu einer generellen Verkürzung der Planungszeit. Dieser Effekt läßt sich durch Überlegungen, die die besondere Aufgabenstellung berücksichtigen - eine Wahl zwischen nur zwei Speichern, von denen der eine völlig künstlich ist - erklären (vgl. Diskussion zu Studie 4); trotzdem kann die virtuelle Aufgabenstellung H7 und H8 zumindest nicht stützen. Andererseits war bei realer Aufgabenstellung die Planungszeitsteigerung durch Valenzerhöhung für sehr geläufige Aufgaben genauso groß wie für geläufige; auch hier wäre ein Unterschied erwartet worden. Die fehlende Differenz zwischen sehr geläufiger und geläufiger Aufgabenstellung bleibt aber ein Manko für H8; dazu später mehr. Dieses Bild wird noch deutlicher bei den Hypothesen zur Speicherzahl. Bei erhöhter Aufgabenvalenz sollten nicht nur längere Planungszeiten, sondern auch differenziertere Lösungen zu beobachten sein. Aufgaben eines bestimmten Typs oder einer bestimmten Gruppe müßten also bei erhöhter Valenz mit mehr unterschiedlichen Speichern gelöst werden (H9). Diese Hypothese wurde in Studie 4 hochsignifikant bestätigt. Werden alle Aufgaben in den Kontext eines Wettkampfes gestellt, setzen die Probanden mehr unterschiedliche Speicher zur Repräsentation ein. Allerdings sollte auch dieses Ergebnis um so deutlicher hervortreten, je ungeläufiger die Aufgabe (H10). Für Lösungen über Repräsentationsscripte ändert sich die Speicherzahl nämlich nicht. Dieser Effekt trat nicht ein. Bei Studie 4 steigen die Speicherzahlen bei erhöhter Valenz für Aufgaben jeder Geläufigkeitsstufe gleich stark an. Schließlich sollten die gewählten Speicher anders bewertet werden, wenn die Speicherwahl unter erhöhter Valenz stattfand. Die Bewertung müßte die verschärften Prüfgrößen widerspiegeln, die Speicher also als erfolgreicher und aufwendiger beurteilt werden (H11). Auch dieser Effekt ist bei einer 106 Synopsis der Ergebnisse Scriptanwendung nicht möglich, da sich die Speicherwahl durch Valenzerhöhung nicht verändert. Je geläufiger also die Aufgaben, um so weniger sollte dieser Zusammenhang gelten (H12). Der Validierung beider Hypothesen stand ein unerwartetes Ergebnis in der Aufgabenbeurteilung entgegen: die Probanden machten in Studie 4 nur selten einen Widerspruch aus Aufwand und Erfolg. Der erfolgreichere Speicher war also i.d.R. auch der weniger aufwendige und umgekehrt. Unter dieser Bedingung ist eine Speicherwahl nicht mehr optimierbar; entsprechend fand sich keinerlei Effekt der Valenz auf die Einschätzung der gewählten Speicher. Anders, wenn man nur die Teilgruppe von Speicherwahlen betrachtet, wo ein Konflikt zwischen Aufwand und Erfolg empfunden wurde. Die Ergebnisse bestätigen für die Einschätzung des Aufwandes der Speicherung beide Hypothesen - die Speicher werden bei erhöhter Valenz als aufwendiger eingeschätzt, und zwar um so mehr, je ungeläufiger die Aufgabe. Bei der Erfolgswahrscheinlichkeit wird zumindest in der realen Bedingung die Erfolgswahrscheinlichkeit der Speicherung bei erhöhter Valenz deutlich besser eingeschätzt. Bei virtueller Aufgabenstellung fehlt dieser Effekt - was ein Artefakt der virtuellen Aufgabenstellung sein könnte, da nur zwei Speicheralternativen zur Verfügung standen, die in ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit generell nicht sehr verschieden empfunden wurden. Eine Differenzierung dieses Effektes nach der Aufgabengeläufigkeit (H12) war bei der Erfolgswahrscheinlichkeit aber nicht vorhanden. Generell sind diese Ergebnisse aber bloße Beschreibungen von Mittelwerten; für inferenzstatistische Absicherungen war der Datenausfall zu groß. Beide Hypothesen sind im statistischen Sinne also unbestätigt und bedürfen einer erneuten Überprüfung. Zusammenfassend ist das Bild bei den differenzierenden Hypothesen nicht so eindeutig wie bei den Basishypothesen. Bestätigt wurde alle Hypothesen, die einen generellen Einfluß beschreiben: Höhere Planungszeiten bei höherer Aufgabenvalenz und seltener eingesetzten Speichern; höhere Speicherzahlen und entsprechend modifizierte Bewertung der gewählten Speicher bei erhöhter Aufgabenvalenz. Problematisch ist aber die Differenzierung dieser Hypothesen über die Aufgabengeläufigkeit, insbesondere die Hypothesen zur differenzierenden Wirkung der Aufgabengeläufigkeit auf den Einfluß einer Valenzerhöhung (H8, H10, H12). Sie wurden nur teilweise bestätigt; die Ergebnisse zur Speicherzahl stehen sogar in direktem Widerspruch zu Hypothese 10. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß diese Hypothesen nur bei einer der vier Studien getestet wurden. Weitere Überprüfungen sind hier also erforderlich. 3.2 Von den Hypothesen zum Modell Der Versuch, das SWIEGS-Modell über von ihm abgeleitete Hypothesen empirisch zu belegen, stößt zwangsläufig an ein methodologisches Problem: Die Bestätigung der Hypothesen wird als 107 Von den Hypothesen zum Modell Bestätigung des Modells gewertet. Die dabei verwandte Schlußfigur ist aussagenlogisch aber unzulässig. Wenn das Modell gilt, gilt auch Hypothese Hypothese gilt Deswegen gilt Modell dem entspricht aussagenlogisch: A B ÈB ⇒A Tatsächlich sagt aber die Bestätigung der Hypothese (B) nichts über die Gültigkeit des Modells (A) aus; die Hypothese könnte auch aus beliebigen anderen Gründen, über die keine Aussage getroffen worden ist, gelten. Gültig wäre nur die Negation: wenn die Hypothese (B) falsch ist, kann auch das Modell (A) nicht stimmen (modus ponens). Aussagenlogisch kann das Modell durch abgeleitete Hypothesen folglich nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden. Dieses Problem ist kein spezielles des vorliegenden Modells, sondern für psychologische Forschung nach der kognitiven Wende generell charakterisierend (z.B. Anderson, 1990). Es läßt sich aussagenlogisch nicht lösen. Deswegen versucht man, die Schlußfolgerung von Hypothese (B) auf Modell (A) durch die Spezifität der Hypothesen für das zu prüfende Modell zu belegen. Grundproblem bei der obigen Schlußfigur ist ja, daß alternative Erklärungen für die Hypothese möglich sind. Das heißt, daß die Hypothese (B) auch aus einem anderen Modell (A’) abgeleitet werden könnte. Eine Entscheidung darüber, welches Modell für die Gültigkeit der Hypothese (B) verantwortlich ist, läßt sich durch die Bestätigung der Hypothese (B) aber nicht ableiten. Dieses Problem kann minimiert werden, wenn die Hypothese (B) sehr spezifisch für das Modell (A) ist; sich also ein Alternativmodell (A’) nur schwer finden läßt. Ist die abgeleitete Hypothese also schwierig aus anderen Modellen abzuleiten, so bestätigt die Hypothese das Modell eher, als wenn auch andere Modelle diese Hypothese erklären können. Das wird unterstützt, indem man nicht nur eine, sondern verschiedenste Hypothesen vom Modell ableitet: Wenn das Modell gilt, gilt auch Hypothese1 Wenn das Modell gilt, gilt auch Hypothese2 Wenn das Modell gilt, gilt auch Hypothese3 dem entspricht aussagenlogisch: È È È A B1 A B2 A B3 B1 ^ B2 ^ B3 Hypothese1 und Hypothese2 und Hypothese3 gilt Deswegen gilt Modell : ⇒A Dieser Ansatz kann das Grundproblem natürlich nicht lösen. Ein Modell kann durch von ihm abgeleitete Hypothesen nicht bewiesen werden. Es ist aber möglich, auf den beiden geschilderten Wegen die Wahrscheinlichkeit seiner Gültigkeit einfach dadurch zu erhöhen, daß Alternativerklärungen 108 Von den Hypothesen zum Modell entweder schwierig oder zumindest noch komplexer sein müßten als das getestete Modell. Für die Prüfung des SWIEGS-Modells muß also plausibel gemacht werden, daß die belegten Hypothesen spezifisch für das Modell sind und sich nicht durch ein einfacheres Modell erklären lassen. Grundpfeiler des SWIEGS-Modells ist die Annahme dreier unterschiedlicher Prozesse zur Speicherwahl: Anwendung, Evaluation und Konstruktion. Welcher der drei Prozesse gewählt wird, hängt von der Häufigkeit ab, mit der ein bestimmter Aufgabentyp in der Vergangenheit bearbeitet worden ist. Dieser zentrale Aspekt des Modells ist mit drei unterschiedlichen Parametern getestet worden: der Planungszeit, der Speicherzahl und der Vorhersagbarkeit der Speicherwahl aus metakognitiven Parametern. Alle Hypothesen hierzu wurden mehrfach bestätigt. Besonders wichtig ist dieser Unterschied in Bezug auf die Rolle der metakognitiven Parameter. Diese spielen eben nicht immer einen Rolle bei der Speicherwahl, wie es in früheren Studien explizit oder implizit angenommen worden war. Tatsächlich stellt ihr Einsatz eher eine Ausnahme dar. Sie werden nur dann zur Speicherwahl herangezogen, wenn die Aufgaben ungeläufiger sind - und gerade das ist beim alltäglichen Umgang mit Repräsentationsaufgaben nicht der Fall. Kritisch könnte man einwenden, daß drei Prozesse vermutet worden sind und alle Aufgaben dann auch in drei Geläufigkeitsstufen präsentiert wurden, die Dreiteilung also im Versuchsmaterial selbst schon enthalten war. Zwei Kritiken könnten daran anschließen. Erstens könnten die tatsächlichen Zusammenhänge kontinuierlich und nicht diskret in drei Stufen geteilt sein. Zweitens könnte, wenn man schon verschiedene Stufen annimmt, auch jede andere Zahl als drei richtig sein. Gegen die erste Kritik ist einzuwenden, daß die Dreiteilung des Speicherwahlprozesses eine idealtypische ist. Die Hypothesen sind im Sinne eines kontinuierlichen und nicht eines diskreten Effektes formuliert und die zentrale Größe zur Entscheidung für einen der drei Prozesse ist die Geläufigkeit ebenfalls ein kontinuierliches Merkmal. Unschärfen zwischen den einzelnen Stufen sind damit nicht ausgeschlossen. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich, daß das SWIEGS-Modell selbst die drei Prozesse nicht so scharf trennt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Da nach dem Modell bei der Konstruktion auch neue Speicherformen oder Speicherbedingungen mit metakognitiven Parametern getestet werden, beinhaltet eine Konstruktion immer auch eine Evaluation. Deutlich abgehoben sind diese beiden Prozesse zunächst nur von der Anwendung eines Repräsentationsscriptes. Trotzdem ist selbst diese Trennung nicht zwingend, da das SWIEGS-Modell keine Aussage über den Prozeß der Bildung von Repräsentationsscripten macht. Die Überlegungen dazu gehen aber durchaus von einem kontinuierlichen Prozeß aus (vgl. 1.3.2.1). Es wäre denkbar, daß eine Person erst damit beginnt, bestimmte Aufgaben zu einem Aufgabentyp zusammenzufassen oder aber bei einem Aufgabentyp erste Präferenzen für bestimmte Speicher zu bilden. Sind Repräsentationsscripte noch nicht voll ausgebildet, 109 Von den Hypothesen zum Modell so wird auch der Übergang zwischen Evaluation und Scriptanwendung ein fließender. Daß die Unterschiede zwischen den Prozessen kontinuierlich und nicht diskret sind, ist also kein Einwand gegen das Modell. Trotzdem ist es sowohl theoretisch als auch empirisch möglich, diese kontinuierlichen Merkmale in drei Stufen signifikant voneinander zu trennen. Die Kritik an einer Dreiteilung des Prozesses und Versuchsmaterials statt einer beliebigen anderen Aufteilung muß vor dem Hintergrund der theoretischen Konzeptionen vor dem SWIEGS-Modell betrachtet werden. Das wesentlich Neue am SWIEGS-Modell ist die Behauptung, daß der Prozeß der Speicherwahl nichts einheitliches, sondern etwas je nach Aufgabencharakteristik verschiedenes ist. Andere Modelle, die mit vier oder mehr Prozessen aufwarten, existieren nicht. Es mußte also nicht belegt werden, daß es tatsächlich nur drei unterschiedliche Prozesse sind. Nachzuweisen war vielmehr, daß es möglich ist, den Prozeß der Speicherwahl in drei unterschiedliche Teilprozesse zu zerlegen und daß die Unterschiedlichkeit dieser drei Prozesse anhand verschiedener Parameter inferenzstatistisch belegt werden kann. Was tatsächlich offen bleibt, ist die Möglichkeit, mehr als drei unterschiedliche Teilprozesse anzunehmen. Das Modell würde dadurch komplexer - für die Notwendigkeit einer solchen Erweiterung fehlt aber jeder Beleg. Alle bisherigen Veröffentlichungen wie auch die vorliegenden Studien lassen sich mit einem dreistufigen Modell erklären. Auch theoretisch fehlt nach Ansicht des Autors jeder Ankerpunkt für die Annahme weiterer Prozesse. Eindeutig nachgewiesen werden konnte dagegen aber, daß die Dreiteilung des Prozesses sinnvoll ist und eine Zweiteilung nicht ausreichen würde. Wenn es möglich ist, Repräsentationsaufgaben so zu konstruieren, daß sie bei mehreren Parametern Ausprägungen in drei verschiedenen Stufen erzeugen und sich diese Srufen signifikant voneinander unterscheiden, kann dies nur durch ein dreistufiges Modell erklärt werden. Die prinzipielle Dreiteilung der Speicherwahl durch das SWIEGS-Modell ist durch die Empirie folglich gut bestätigt. Das Modell macht aber auch differenziertere Aussagen über jeden der drei Prozesse. Die Speicherwahl über Scripte soll durch eine einfache Klassifikation einer Repräsentations aufgabe ohne Berücksichtigung weiterer Parameter erfolgen. Dafür gibt es aussagekräftige Belege - die geringer Planungszeit, die geringe Zahl unterschiedlicher Speicher und der geringe Zusammenhang mit metakognitiven Parametern. Allerdings gibt es auch ein kritisches Ergebnis: die signifikanten Effekte durch die Valenzerhöhung auch bei sehr geläufigen Aufgaben in Studie 4. Wenn die Anwendung eines Repräsentationsscriptes ohne Berücksichtigung metakognitiver Parameter erfolgt, dürfte auch Valenzerhöhung keinen Einfluß auf die Speicherwahl haben. Wie schon in Studie 4 diskutiert, liegt die Vermutung nahe, daß diese Effekte eine Spezifität der Operationalisierung der Valenzerhöhung über die Wettkampfsituation war. Aus der Perspektive des Konstruktes ‘Repräsentationsscript’ gesehen, spielt 110 Von den Hypothesen zum Modell dieses Ergebnis aber nur eine untergeordnete Rolle. Das SWIEGS-Modell macht keine Aussagen darüber, welche Kriterien die definierenden genauen Merkmale eines spezifischen Repräsentationsscriptes sind; generell umfassen sie aber auch die Valenz der Aufgabe. Wie im theoretischen Teil von Studie 4 diskutiert, ist plausibel, daß beispielsweise extreme Aufgabenvalenzen eine Aufgabe zu einem anderen Typ machen kann. Ein lebenswichtiger Termin oder ein Termin, der für die betreffende Person so unwichtig ist, daß sie ihn nicht wahrnehmen wird, fallen beide aus dem Terminscript heraus. Die Effekte der erhöhten Valenz in Studie 4 auch auf die sehr geläufigen Aufgaben lassen sich folglich aus einer fehlenden Übereinstimmung der jeweiligen Aufgabenvalenz mit der, die die Aufgaben haben müßten, um als für das Script passende Aufgabentypen klassifiziert zu werden, erklären. Der Planung von Studie 4 lag die implizite Annahme zu Grunde, daß die Wettkampfsituation die Passung der Aufgaben für die jeweiligen Scripte nicht berührt. Dieser Annahme widersprechen die Ergebnisse. So stellen diese Ergebnisse nicht das SWIEGS-Modell in Frage, weisen aber auf einen Mangel in der Operationalisierung hin. In zukünftigen Arbeiten müßten die Repräsentationsscripte selbst bezüglich ihrer definierenden Merkmale genauer untersucht werden. Da Repräsentationsscripte interindividuell verschieden sein können, müßten die definierenden Merkmale eines bestimmten Scriptes für jeden einzelnen Probanden eindeutig bestimmt werden, insbesondere auch der Grad der Valenz, der die Aufgabe als für das Repräsentationsscript passend bestimmt. Dann könnte für jede Aufgabe und jede Aufgabenvalenz tatsächlich geprüft werden, ob sich der Proband in der Speicherwahl gemäß seines Scriptes verhält oder nicht. Evaluation und Konstruktion sind nach dem SWIEGS-Modell wesentlich komplexere Prozesse als die Anwendung eines Repräsentationsscriptes. Die zentrale Annahme, daß beide Prozesse von metakognitiven Parametern gesteuert werden, ist durch die Vorhersagbarkeit der Speicherwahl aus diesen Parametern gut belegt. Das Modell macht zu beiden Prozessen aber auch differenziertere Aussagen. Die erste betrifft die metakognitiven Parameter selbst: Nicht nur, wie in früheren Arbeiten angenommen, die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit (vgl. 1.1.2 und Abb. 1), sondern auch die Einschätzung des Aufwandes der Speicherung bestimmt die Speicherwahl. Im theoretischen Teil der Arbeit wurde diskutiert, inwieweit Aufwand und Erfolg nicht zumindest bei der Einschätzung des Gedächtnisses als Speicher parallele Größen sind. Die Ergebnisse zur Häufigkeitsverteilung der Urteilskombinationen (vgl. Abb. 19) zeigten aber ganz generell, daß beide Größen in weit über 50% der Speicherwahlen parallel eingeschätzt werden. In diesen Fällen würde tatsächlich einer der beiden Parameter zur Speicherwahl ausreichen; der zweite Parameter liefert keine zusätzliche Information. Es bleiben aber 24% der Speicherwahlen, bei denen beide Parameter herangezogen werden müssen: immer dann, wenn in Bezug auf einen von ihnen kein Unterschied zwischen den Speicheralternativen besteht. 111 Von den Hypothesen zum Modell Diese Prozentangaben können nicht verallgemeinert werden; wurden sie doch nur bei einer Studie und damit einem Aufgabenset erhoben. Trotzdem bleibt die Kernaussage bestehen: Für einen Großteil der Entscheidungen reicht ein Parameter aus, es gibt aber auch Entscheidungen, für die beide erforderlich sind. Die zweite Aussage betrifft die Rolle der Valenz im Zusammenspiel mit den Parametern. Der generelle Zusammenhang ist gut belegt: höhere Valenz führt zu längeren Planungszeiten und differenzierteren Speicherwahlen. Nach dem SWIEGS-Modell geschieht das dadurch, daß die Prüfparameter für die Evaluation der Speicher heraufgesetzt werden. Diese Annahme konnte tendenziell durch die Einschätzungen der gewählten Speicher bei zwar-aber Urteilen bestätigt werden. Problematisch dabei ist die fehlende inferenzstatistische Absicherung durch den großen Probandenverlust bei der Auswertung. Die dritte Aussage betrifft die Speicherliste, auf der die dem Probanden geläufigen Speicher nach der Häufigkeit ihres Einsatzes stehen, und die auch in dieser Reihenfolge bei der Speicherwahl geprüft werden sollen. Die Hypothesen hierzu wurden klar belegt. Es dauert um so länger, sich für einen Speicher zu entscheiden, je seltener man ihn insgesamt wählt. Das Konstrukt der Speicherliste sollte diese zeitliche Präferierung häufig eingesetzter Speicher faßbar machen; es bedeutet nicht, daß die Probanden tatsächlich seriell jeden einzelnen Speicher prüfen. Die Speicherliste würde das Verhalten auch dann beschreiben können, wenn die Suche nach einem passenden Speicher tatsächlich parallel in einem neuronalen Netz erfolgte. Häufig eingesetzte Speicher hätten stärkere Verbindungen zu anderen Knoten als selten gewählte Speicher und würden deswegen auch schneller gewählt werden (vgl. McClelland, Rummelhart & the PDP Research Group, 1986; Rummelhart, McClelland & the PDP Research Group, 1986) Eine letzte Aussage betrifft den Prozeß der Konstruktion. Sie sollte entweder in der Konstruktion eines neuen Speichers, oder, wo das nicht gelingt, in der Konstruktion neuer Speicherbedingungen, also veränderter Prüfparameter, bestehen. Das SWIEGS-Modell macht keine Aussage darüber, wann die Konstruktion eines neuen Speichers gelingt und wann nicht. Studie 1 legte die Vermutung nahe, daß das alltägliche Lebensumfeld für die Konstruktion neuer Speicherformen förderlicher ist als die Laborumwelt. Im Labor zeigte sich, daß die gewählten Speicher dort, wo das Modell die Konstruktion vorhersagen würde - bei ungeläufigen Aufgaben - die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit tatsächlich geringer und die des Aufwandes höher war als bei geläufigen Aufgaben, wo das Modell die Evaluation vorhersagt (vgl. Abb. 15 und Abb. 20). Dieser Vergleich über zwei Studien hinweg hat allerdings nur illustrierenden Charakter. Um die vom Modell vorhergesagte Entscheidung zwischen Konstruktion eines Speichers und Konstruktion neuer Speicherbedingungen trennscharf nachzuweisen, 112 Die Frage der ökologischen Validität müßten die Speicher für ungeläufige Aufgaben bei einer Speicherkonstruktion ähnlich bewertet werden wie geläufige Aufgaben oder zumindest deutlich besser, als wenn bei den ungeläufigen Aufgaben die Speicherbedingungen neu konstruiert werden. Ein Ansatz zur Überprüfung wäre eine Studie mit dem Faktor Labor vs. Feld, in der die Einschätzung der Speicherwahlen erhoben wird und der Vergleich der Einschätzung über die Umgebungen - und damit über unterschiedliche Konstruktionen - möglich wird. Zusammenfassend haben sich nicht nur globalere Hypothesen, sondern auch eine ganze Reihe von Detailhypothesen empirisch bewährt. Einige Lücken, wo das Modell weitergehende Aussagen macht als sie in den vier Studien getestet worden sind, wurden genauer spezifiziert. Wenn es auch möglich ist, einzelne Hypothesen - wie die der steigenden Planungszeit - für sich gesehen einfacher zu erklären, ist das für die Gesamtheit der Hypothesen nur schwer denkbar. Unbeschadet weiterer Prüfungen hat sich das Modell durch die empirisch bestätigten Hypothesen folglich gut bewährt. 3.3 Die Frage der ökologischen Validität Das SWIEGS-Modell beansprucht, Speicherwahlen im Alltag zu beschreiben. Untersucht wurde aber nur die Beschreibung von Speicherwahlen in hypothetischen Situationen, nicht das Verhalten selbst. Drei Einwände gegen diesen Ansatz können vorgebracht werden. Erstens wird teilweise generell in Frage gestellt, daß Probanden zu validen Aussagen über Gedächtnistätigkeiten in der Lage sind (z.B. Nisbett & Wilson, 1977; Erricson & Simon, 1980; Morris, 1984). Zweitens verlangen alle vier Studien über diese Aussagen hinaus vom Probanden, sich in hypothetische Alltagssituationen hineinzuversetzen. Ob das tatsächlich gelingt oder ob die Probanden nicht etwas ganz anderes tun, bleibt ungeklärt. Auch wenn diese beiden Fragen geklärt sind, bleibt drittens offen, inwieweit der Schluß vom beschriebenen Verhalten auf das manifeste Verhalten im Alltag zulässig ist. Der Einwand der Unfähigkeit von Probanden zu Aussagen über Gedächtnistätigkeit wird durch vorliegende Arbeit selbst noch einmal bestätigt. Gerade daß Menschen dazu allgemein nur mäßig in der Lage zu sein scheinen, war eine Überlegung, die zum Konstrukt der Repräsentationsscripte führte (vgl. 1.3.2.1). In Studie 4 berichteten die meisten Probanden in der Bedingung mit erhöhter Valenz, daß die Wettkampfsituation keinen Einfluß auf ihre Entscheidungen hatte - obwohl die Empirie zeigte, daß fast alle Parameter dadurch signifikant verändert worden waren. In postexperimentellen Gesprächen zeigte sich kein Proband bewußt über die zentralen Zusammenhänge der Art der Speicherwahl mit der Aufgabengeläufigkeit. Gerade deswegen aber muß getrennt werden zwischen Studien, die Modellaussagen über Gedächtnistätigkeit dadurch belegen wolle, daß sie Aussagen der Probanden über diese Gedächtnistätigkeiten nutzen und solchen, die diesen Zusammenhang selbst prüfen (vgl. die Auseinandersetzung mit dieser Kritik im Zusammenhang mit Metakognitions forschung in Nelson und 113 Die Frage der ökologischen Validität Narens, 1990). Die vorliegenden Studien belegen aber Modellaussagen nicht auf dem Weg, daß Probanden selbst ihre Gedächtnistätigkeit beschreiben. Die Probanden beschreiben immer nur Verhalten, nicht ihre subjektive Theorie, mit der sie sich dieses Verhalten erklären. Nur im Zusammenhang mit den metakognitiven Parametern werden direkte Fragen zum Gedächtnis gestellt. Auch hier aber wird der Zusammenhang zwischen diesen Aussagen und dem Verhalten - der Speicherwahl in den Experimenten - nicht vorausgesetzt, sondern ist selbst Thema der Untersuchung. Diese Kritik ist also durchaus berechtigt, stellt aber die vorliegenden Studien nicht in Frage. Der zweite Einwand betrifft die Fähigkeit der Probanden, sich in eine Alltagssituation hineinzudenken. In postexperimentellen Interviews tauchte dieses Problem nicht auf. Die Probanden berichteten - verständlicherweise - über Belustigung oder Überraschung bei den ungeläufigen Aufgaben und stellten in Frage, ob sie solche Aufgaben im Alltag jemals zu lösen hätten. Schwierigkeiten mit der Vorstellung der Bearbeitung im Alltag nannte aber aber kein Proband. Es gibt aber auch einen quantifizierbaren Beleg dafür, daß sich die Probanden sehr wohl in die Alltagssituation hineinversetzen. Kommen die experimentellen Effekt tatsächlich dadurch zustande, daß die Probanden sich zur Bearbeitung der Aufgabe in eine Alltagssituation hineinversetzen, sollte das in der alltäglichen Umgebung einfacher sein als in der Laborumgebung und zu ausgeprägteren Effekten führen. Tatsächlich reagierten in Studie 1 alle Parameter hochsensibel auf die Umgebung. Dabei änderte sich nicht die Richtung der Effekte sondern ihre Ausprägung. Im direkten Kontakt mit der Alltagsumgebung wirken sich alle Aufgaben stärker in die bei der Konstruktion der Aufgaben und Formulierung der Hypothesen beabsichtigte Richtung aus. Effekte, die im alltäglichen Umfeld auftauchen, finden sich auch im Labor wieder - allerdings in abgeschwächter Form. Wenn also auch der direkte Nachweis nicht möglich ist, so gibt es doch starke Belege dafür, daß die Probanden sich zur Bearbeitung der Aufgaben sehr wohl gedanklich in eine Alltagssituation versetzen konnten. Der dritte Einwand bleibt aber trotzdem richtig. Wünschenswert wäre, Probanden in ihrem Alltag und mit tatsächlich durchzuführenden Repräsentationsaufgaben zu testen. Je nach Operationalisierung würde man aber auch dann auf Probleme stoßen. Gibt man den Probanden Repräsentationsaufgaben und beobachtet, was sie damit tun, dürfte die Lösung über Repräsentationsscripte deutlich erschwert sein. Repräsentationsaufgaben im Alltag zeichnen sich dadurch aus, daß sie in den Lebenskontext des Individuums eingebunden sind. Vom Versuchsleiter gegebene Aufgaben haben dagegen immer die Künstlichkeit eines Experimentes - den Aufgaben würde wahrscheinlich die für die Scriptanwendung erforderliche Geläufigkeit fehlen. Eine Alternative wäre die reine Verhaltensbeobachtung, evtl. über ein Tagebuch operationalisiert, in das die Probanden bearbeitete Repräsentationsaufgaben und ihre Speicherung eintragen. Auch dieses Vorgehen wäre allerdings nicht unproblematisch. Zum einen ist ein 114 Folgerungen und Ausblick Tagebuch selbst ein externer Speicher. Die Probanden wären folglich zur ständigen Nutzung eines bestimmten externen Speichers gezwungen - was zwangsläufig die Speicherwahl beeinflussen muß. Aber selbst, wenn dieses Problem gelöst wäre - etwa durch eine Beobachtung per Kamera, die später von den Probanden erläutert wird oder dadurch, daß das Tagebuch in Form eines Tonbandes geführt würde, daß nicht zurückgespult werden kann - bleibt die Schwierigkeit, daß ungeläufige Aufgaben eben dadurch ungeläufig sind, daß sie im Alltag kaum vorkommen. Hypothesen zur Konstruktion mit solchen Daten zu prüfen, dürfte kaum gelingen. Zwischenlösungen in einer simulierten alltäglichen Umwelt wären eher denkbar. Beispielsweise könnte den Probanden ein Büro eingerichtet werden, in dem sie über mehrere Sitzungen hinweg Repräsentationsaufgaben bearbeiten müssen. Hier ließe sich dann nicht nur das SWIEGS-Modell testen, sondern auch weitere Elemente wie die Entstehung von Repräsentationsscripten und der Abruf gespeicherter Information. Allerdings wäre auch dieser Ansatz mit dem Manko einer gewissen Künstlichkeit behaftet. Alle diese Ansätze haben eines gemein: ihre Realisierung ist sehr aufwendig. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zunächst einmal überhaupt zu belegen, daß sich nicht-triviale Aussagen über die Speicherwahl machen und empirisch überprüfen lassen. Die Operationalisierung dieses Ziels über das Beschreiben von Verhalten war dabei der ökonomisch sinnvollste Ansatz. Er kann zwar die Prüfung tatsächlichen Verhaltens letztendlich nicht ersetzen, aber eine aussagekräftige Begründung dafür geben, den hohen Aufwand eines entsprechenden Ansatzes in einer zukünftigen Untersuchung zu realisieren. 3.4 Folgerungen und Ausblick Mit dem SWIEGS-Modell liegt ein umfassendes theoretisches Konzept vor, um die Situation der Speicherwahl für beliebige Aufgaben und Situationen zu beschreiben. Die empirische Validierung des Modells erlaubt nun Folgerungen für die Forschung zu externen Speichern und darüber hinaus. Die implizite Theorie der Speicherwahl kann nach den vorliegenden Studien als eindeutig widerlegt gelten. Es führt in die Irre, wenn man, wie Intons-Peterson und Newsome (1992) es tun, Schritte beim Umgang mit externen Speichern bestimmt, ohne ein vollständiges Modell für den jeweiligen Prozeß zu haben. Sie trennen zwei Schritte: die Erkenntnis der Notwendigkeit, einen externen Speicher einzusetzen und die Wahl eines externen Speichers. Vor dem Hintergrund des SWIEGS-Modells ist das schlicht falsch. Den Anwender interessiert zunächst keineswegs, ob er einen externen Speicher braucht, sondern, ob er ein passendes Script für die Repräsentationsaufgabe hat. Wenn überhaupt tauchen die von den Autoren an den Beginn des Speicherwahlprozesses gesetzten Schritte im Laufe der Evaluation auf: wenn nämlich kein Repräsentationsscript für die Aufgabe vorhanden ist, eine Evaluation durchgeführt wird und dabei der erste getestete Speicher, i.d.R. das 115 Folgerungen und Ausblick Gedächtnis, sich als zu aufwendig oder zu wenig erfolgreich erweist. Auch dann gibt es allerdings keine Trennung zwischen dem Gedächtnis auf der einen und des externen Speichern auf der anderen Seite. Alle stehen auf der Speicherliste und werden sukzessive geprüft, ohne daß ein Sprung vom Gedächtnis zu externen Speichern erfolgt. Will man Speicherwahlen verstehen, ist es erforderlich, sich von der alten Vorstellung: gutes Gedächtnis = wenig externe Speicher, schlechtes Gedächtnis = viel externe Speicher zu verabschieden. In klinischen Zusammenhängen ist es sicherlich sinnvoll, beispielsweise Alzheimer-Patienten in diese Richtung zu trainieren (z.B. Zarith, 1980); ohne direkte Intervention dürfte der Zusammenhang aber gänzlich anders aussehen. Wenn im Alltag wenig Repräsentationsaufgaben zu bearbeiten sind, gibt es wenig Repräsentationsscripte und wenig Speicher auf der Speicherliste. Daraus folgt, daß die Speicherwahl generell aufwendig ist und keine differenzierte Struktur für differenzierte Speicherwahlen besteht. Die Ergebnisse für alle prospective-remembering-tasks sollten schlecht sein, bei der Einschätzung des Gedächtnisses sollten viele Fehler berichtet werden und der Einsatz von externen Speichern sollte selten sein. Umgekehrt, wenn häufig Repräsentationsaufgaben zu lösen sind. Differenzierte Strukturen zur Repräsentation sind aufgebaut worden - es gibt wenig Gedächtnisfehler zu berichten und bei prospective-remembering-tasks zu messen; dabei ist die Einsatzhäufigkeit externer Speicher hoch. Die Kritik an der Studie von Dobbs und Rule (1987) war zur Entwicklung des Modells zentral. Ein Ergebnis, das die Autoren überraschte, ist nun vor dem Hintergrund des SWIEGS-Modells plausibel. Die Altersgruppe, die die propective-remembering-tasks am besten bewältigt hatte, war tatsächlich diejenige, die den häufigsten Einsatz externer Speicher berichtet hatte. Ganz entsprechend die Ergebnisse von Lovelace und Twohig (1990): Für die meisten Gedächtnisfehler gaben die Probanden an, daß sie mit dem Alter zugenommen hätten. Gleichtzeitig berichteten sie von einer Abnahme der Häufigkeiten, mit der sie externe Speicher einsetzen. Im Rahmen der Ängstlichkeitsforschung erlaubt das Modell Vorhersagen zur Verhaltensweise der Speicherwahl im Vergleich von Hoch- und Niedrigängstlichen. Studie 3 hat gezeigt, daß Ängstlichkeit nicht den Prozeß der Speicherwahl verändert. Was sich ändert, sind die Variablen des Modells. Eine Reihe differenzierter Hypothesen zur Wirkung der Ängstlichkeit auf die Speicherwahl lassen sich ableiten, wenn man dieses Ergebnis auf das gesamte SWIEGS-Modell generalisiert. Ängstliche sollten beispielsweise die Erfolgswahrscheinlichkeit ihres Gedächtnisses geringer einschätzen, mehr Scripte mit externen Speichern haben und insgesamt weniger Scripte einsetzen. Dadurch sollte ihre Speicherwahl in höherem Maße aus den metakognitiven Parametern vorhersagbar und die Zahl eingesetzter Speicher höher sein. In einer ersten Studie zu diesem Thema konnten diese Annahmen bestätigt werden (Stöber & Esser, in prep.). Hier wären weitere Schritte erforderlich, um nachzuprüfen, ob Hochängstliche 116 Folgerungen und Ausblick Aufgaben erfolgreicher repräsentieren als Niedrigängstliche (im Sinne der Hochängstlichen als Sicherheitsexperten, Schönpflug, 1989a) und ob im Gegenzug Niedrigängstliche in der Übernahme der Parameter der Hochängstlichen bei der Speicherwahl trainiert werden und dadurch erfolgreicher bei der Aufgabenrepräsentation sein können. Eine wichtige Anregung liefern die vorliegenden Ergebnisse auch zum Thema Metakognition. Ein Forschungsansatz versucht dort, die Steuerung von Lernverhalten aus metakognitiven Parametern vorherzusagen (vgl. Nelson & Narens, 1990, für einen Überblick). Eine Ergebnis dabei ist, daß Probanden sich nur unzureichend gemäß dieser Parameter verhalten (Le Ny et al., 1972; Nelson & Leonesio, 1988; Mazzoni et al., 1990; Nelson, 1993). Die Parallelität zur Frage des Umgangs mit externen Speichern ist augenfällig: auch hier wurde erfolglos versucht, Speicherwahlen aus metakognitiven Parametern vorherzusagen (Dobbs & Rule, 1987). Auch die Problematik der geringen Validität der metakognitiven Parameter betrifft beide Forschungsansätze. Es wäre eine plausible Hypothese, anzunehmen, daß ähnlich wie bei der Speicherwahl auch bei der Steuerung des Lernens Scripte statt aufwendiger Evaluationen der Lernleistung das Lernverhalten steuern. Auf der Metaebene wäre damit ein statisches Modell der Objektebene repräsentiert, daß bei Bedarf eingesetzt würde, ohne daß tatsächlich eine Beobachtung der Objektebene stattgefunden hätte (vgl.1.2.3). Hier wären entsprechende Forschungen dringend erforderlich. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, müßten Modelle zur Lernsteuerung (z.B. Nelson & Narens, 1990) neu konzipiert werden. Zukünftige Forschungen zum Thema der Repräsentation von Informationen im Alltag sollten zum einen die Annahmen des SWIEGS-Modells weiter validieren. Ein wichtiger Aspekt wäre dabei der Schritt vom beschriebenen zum tatsächlichen Verhalten (vgl. 3.1.). Ein weiterer, Aufgabengeläufigkeit und damit Repräsentationsscripte als verursacht durch unterschiedliche Lebenszusammenhänge der Probanden nachzuweisen. Aufgabengeläufigkeit könnte dann einfach dadurch variiert werden, daß ein und dieselbe Aufgabe beispielsweise für Zahnarzthelferinnen sehr geläufig und damit scriptgesteuert, für Studierende aber nur geläufig und dadurch über eine Evaluation gelöst wird. Erste Pilotstudien zu dieser Frage belegen diese Zusammenhänge. Wichtiger aber ist der Schritt über die Situation der Speicherwahl hinaus hin zu Modellen für die Bewirtschaftung der Speicher (vgl. Muthig & Schönpflug, 1981) und vor allem zum Abruf aus den jeweiligen Speichern. Erst dann kann die Rolle der Speicherwahl für eine möglichst effektive Speicherung richtig beurteilt werden. Dabei sollte der Weg nicht weiter in Mikromodelle führen, die letztlich keine Aussagen über Alltagssituationen machen können. Die vorliegende Arbeit sollte auch zeigen, daß Modelle zum Umgang mit Repräsentationsaufgaben komplex sein und trotzdem präzise, empirisch prüfbare Aussagen machen können. Denn erst wenn der gesamte Prozeß der Repräsentation 117 Folgerungen und Ausblick von Informationen im Erweiterten Gedächtnissystem auf diesem Niveau theoretisch aufgearbeitet worden ist, können wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für den optimalen Umgang mit Informationen im Alltag gegeben werden. In einer Welt, die mit einer explosionartigen Entwicklung der Informationsmenge durch neue Medien und Übermittlungstechniken zu kämpfen hat, steht die Psychologie hier in der Pflicht. 118 Literaturverzeichnis 4 Literaturverzeichnis Anderson, J. R. (1982). 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Morris & R. N. Sykes (Eds.), Practical aspects of memory: Current research and issue (Bd. 1, pp. 119-125). Chichester: Wiley. Wilkins, A. J. & Baddeley, A. D. (1978). Remembering to recall in everyday life: an approach to absentmindedness. In M. M Gruneberg, P. E. Morris & R. N. Sykes (Eds.), Practical aspects of memory (pp. 27-35). London: Academic Press. 129 Literaturverzeichnis Zarith, S. H. (1980). Aging and mental disorder: Psychological approaches to assessment and treatment. New York: The Free Press. 130 Anhang 5 Anhang 5.1 Versuchsmaterialien Die Items der Studien 1, 2 und 4 sind in Gruppen zu drei Aufgaben zusammengefaßt, wobei die erste jeweils die sehr geläufige, die zweite die geläufige und die dritte die ungeläufige repräsentiert. Zudem sind die Items von Studie 2 und 4 nach fünf Themengruppen sortiert. 5.1.1 Repräsentationsaufgaben der Studie 1 1. Du mußt morgen ein Buch in die Bibliothek zurück bringen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt in acht Wochen ein Buch von der Bibliothek abholen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt 1996 ein Buch vorbestellen, wie merkst du dir das? 1. Einen gehörten Vortrag mußt du morgen inhaltlich wiedergeben, wie merkst du dir das? 2. Einen gehörten Vortrag mußt du in einer Woche inhaltlich wiedergeben, wie merkst du dir das? 3. Einen gehörten Vortrag mußt du morgen inhaltlich wiedergeben, wie merkst du dir das? 1. Du bist zu einem Geburtstag in zehn Tagen eingeladen, wie merkst du dir das? 2. Du bist zu einer Hochzeit genau heute in 13 Monaten eingeladen, wie merkst du dir das? 3. Du bist zum Abiturtreffen genau heute in 10 Jahren eingeladen, wie merkst du dir das? 1. Wie merkst du dir den täglichen Weg zur Uni? 2. Wie merkst du dir den Weg zu einer Freundin, die du alle zwei Monate besuchst? 3. Wie merkst du dir den Weg zu Deiner Tante, die umgezogen ist und die du alle drei Jahre besuchst? 1. Du mußt täglich eine Tablette nehmen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt um 8.00 Uhr, 12.30 Uhr und 19.00 Uhr eine Tablette nehmen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt alle zwei Stunden Tag und Nacht eine Tablette nehmen, wie merkst du dir das? 1. Du hast einen Arzttermin morgen, um 10.00 Uhr, wie merkst du dir das? 2. Du hast am ersten Montag des kommenden Jahres um 10.20 Uhr einen Arzttermin, wie merkst du dir das? 131 Anhang 3. Du hast am 15. 01. 97 einen Termin zur Krebsvorsorge, wie merkst du dir das?1 1. Wie merkst du dir das Wort „remontepente“, so daß du es einem Bekannten in sechs Jahren sagen kannst? 2. Wie merkst du dir das Wort „Kumys“, so daß du es einem Bekannten im Herbst sagen kannst? 3. Wie merkst du dir das Wort „Ambiguitätstoleranz“, so daß du es einem Bekannten morgen sagen kannst? 1. Du mußt morgen um sechs Uhr aufstehen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt in genau einer Woche um sechs Uhr dreißig aufstehen, wie merkst du dir das? 3. Genau heute in einem Jahr mußt du um sieben Uhr fünfzehn aufstehen, wie merkst du dir das? 1. Du bist morgen im Audimax verabredet, wie merkst du dir das? 2. Du bist am zweiten Tag des neuen Semesters im AStA - Büro verabredet, wie merkst du dir das? 3. Du bist 10 Tage vor Abgabe Deiner Diplomarbeit in Raum JK 27/221d verabredet, wie merkst du dir das? 1. Du mußt morgen Margarine mit in die Uni bringen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt am letzten Semestertag Margarine mit in die Uni bringen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt am Tag vor der letzten Prüfung Dein Studienbuch mit in die Uni bringen, wie merkst du dir das? 1. Du mußt morgen Milch einkaufen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt in 23 Tagen Milch, Eier, Brot, Käse und Tomaten einkaufen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt bis in 157 Tagen Mayonnaise, Salz, Aspirin, Zuccini und Oregano einkaufen, wie merkst du dir das? 1. Du mußt täglich Deine Schuhe putzen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt pro Woche einmal das Ofenrohr von innen putzen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt einmal in zwei Jahren Deinen Schornstein reinigen lassen, wie merkst du dir das? 1 Die Untersuchung wurde im Frühjahr 1995 durchgeführt. 132 Anhang 1. Im Radio wird ein Konzerttermin durchgegeben, wie merkst du dir das? 2. Im Radio werden drei Telefonnummern durchgegeben, die du am kommenden Dienstag anrufen sollst, wie merkst du dir das? 3. Im Radio werden zehn verschieden Konzerttermine über die nächsten zehn Jahre durchgegeben, wie merkst du dir sie alle? 1. Du mußt morgen einen Brief zur Post bringen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt am 25. 11. 93 einen Brief an Deinen Vermieter abschicken, wie merkst du dir das? 3. Du mußt am 11. 01. 97 eine Geburtstagskarte abschicken, wie merkst du dir das? 1. Du mußt jeden Freitag einen Freund anrufen, wie merkst Du Dir das? 2. Du mußt jeden Monatsersten einen alten Lehrer anrufen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt in viereinhalb Jahren eine Großtante zum Hochzeitstag anrufen, wie merkst du dir das? 1. Du mußt einem Freund pünktlich zum Geburtstag gratulieren, wie merkst du dir das? 2. Du mußt an jedem Monatsersten Deine Miete bar auf das Konto des Vermieters einzahlen, wie merkst du dir das? 3. Du mußt den Eltern eines Freundes in zwei Jahren zur Silberhochzeit gratulieren, wie merkst du dir das? 1. Du mußt alle zwei Tage die Blumen auf dem Balkon gießen, wie merkst du dir das? 2. Du mußt in einer Woche Deiner Mutter einen frischgebackenen Kuchen schicken, wie merkst du dir das? 3. Du mußt einer Großtante von dir zu ihrem Geburtstag in zehn Jahren ein Photo von dir schicken, wie merkst du dir das? 5.1.2 Repräsentationsaufgabe der Studien 2 & 4 Aufgabentyp: Termine 1. Ein Termin beim Friseur am kommenden Donnerstag um 1100 2. Genau am 28.10.1995 eine alte Freundin anrufen 3. Deinem Lieblingsprofessor in 9 Jahren zu seinem 60. Geburtstag gratulieren 4. Du bist heute in 10 Tagen zu einem Geburtstag eingeladen 133 Anhang 5. Du bist genau heute in 23 Monaten zu einer Hochzeit eingeladen 6. Gestern in 10 Jahren soll das Treffen Deiner Abiturklasse stattfinden 7. Vorlesung jeweils Montag von 14.00-18.00 8. Bei trockenem Untergrund jeweils Mittwoch um 9.00 am Eingang zum botanischen Garten sein 9. Für eine Untersuchung im Herbst 1996 genau drei Monate vorher keine milchhaltigen Lebensmittel mehr verzehren 10. Ein Konzerttermin in der übernächsten Woche, den Du in einem Veranstaltungsanzeiger gefunden hast 11. Ein Konzerttermin in der übernächsten Woche, den Du in der Tageszeitung gefunden hast 12. Ein Konzerttermin in der übernächsten Woche, der im Radio durchgegeben werden soll Aufgabentyp: wiederkehrende Aufgaben 1. Täglich Blumen gießen 2. Alle halbe Jahre die Zündkerzen Deines Autos überprüfen lassen 3. Alle zwei Jahre im August Deine Hausapotheke überprüfen und erneuern lassen 4. Alle zwei Stunden eine Tablette einnehmen 5. Im Winter das Ofenrohr 14-tägig von innen reinigen 6. An jedem dritten Tag mit Temperaturen unter 0°C Deiner Hauskatze eine Medizin geben 7. Jeden zweiten Tag Deine Erbtante anrufen 8. Am ersten Samstag jeden Jahres einen alten Lehrer anrufen 9. Alle 20 Monate das indische Konsulat wegen der Verlängerung Deines Indienvisums anrufen 10. Jeden Freitag einen Freund anrufen 11. Alle drei Wochen Donnerstags bei Deiner alten Vermieterin nach dem Rechten schauen 12. Jedes Jahr genau in der letzten Januarwoche ein homöopathisches Präparat gegen Heuschnupfen einnehmen Aufgabentyp: zu erledigen 1. Morgen ein ausgeliehenes Buch in die Bibliothek zurückbringen 134 Anhang 2. Anfang 1996 ein bis dahin erscheinendes Buch vorbestellen 3. Direkt am 17.5.1996 ein dann erscheinendes Buch kaufen, das dich interessiert, aber zensurgefährdet ist. 4. Morgen einen Brief zur Post bringen 5. In fünf Wochen eine Glückwunschkarte zum Geburtstag abschicken 6. Am 26.3.1998 einen Brief an Deinen Vermieter abschicken 7. Morgen deine Mitschrift zur Entwicklungspsychologie mit zur Uni bringen 8. Am letzten Semestertag Margarine mit in die Uni bringen 9. Genau 9 Monate nach Abschluß des Diploms Sonderfreikarten für Theateraufführungen beantragen 10. Morgen eine Überweisung zur Bank bringen 11. Das nächste Mal, wenn Du in das Ferienhaus an der Ostsee fährst, eine Kaffeemaschine mitnehmen 12. Vorgestern in sieben Jahren um 19.00 eine Eiche pflanzen Aufgabentyp: einkaufen 1. Morgen frische Oliven einkaufen 2. In genau 23 Tagen frische Enteneier kaufen 3. In genau 157 Tagen frische Ananas einkaufen 4. Jeden Tag frische Milch einkaufen 5. Kapern immer auf Frische überprüfen und evtl. neue kaufen 6. Alle drei Monate einen neuen Wasserfilter kaufen, da der alte dann nicht mehr wirkt 7. Morgen Kaffe einkaufen 8. Es gibt in Deinem Supermarkt bei einem Aktionstag heute in 14 Tagen extrem billigen Kaffee 9. In 18 Monaten neue Energiesparglühbirnen kaufen, da dann die Brandgefahr der alten steigt 10. Samstags immer frische Brötchen fürs Wochenende kaufen 11. Wegen einer Allergie darfst Du keine Produkte mit E 129 oder E 107 einkaufen 135 Anhang 12. Alle neun Monate neue Sicherungen kaufen, um die alten auszutauschen Aufgabentyp: Informationsspeicher 1. Die Adresse eines Bekannten 2. Jeden Abend abwechselnd 870157 bzw. 8057890 anrufen, um die Adresse Deiner Arbeit des nächsten Tages zu erfahren 3. Die wechselnde Adresse einer beim Wanderzirkus arbeitenden Freundin und die Dauer des jeweiligen Aufenthalts 4. Geheimnummer einer Karte für den Geldautomaten 5. Schließfach eines Bahnhofes, in dem du wichtige Dokumente für unbestimmte Zeit versteckt hast 6. Komplexer, 24-stelliger Geheimcode für den Haustresor deines Vaters 7. Die Telefonnummer eines Bekannten 8. Die Nummern der Haftpflichtversicherungen zweier Bekannter 9. Sämtliche Körpermaße dreier Bekannter 10. Den Inhalt einer Statistikvorlesung bis zum Vordiplom 11. Den Inhalt eines Dir unbekannten Theaterstücks bis in einem Monat 12. Den Lernstoff eines Selbsterfahrungskurses bis in einem Monat 5.1.3 Repräsentationsaufgaben der Studie 3 Termine in zwei Tagen 1. Du hast in zwei Tagen, 11:00 einen Termin beim Zahnarzt. 2. Du hast einen Squash-Platz für in zwei Tagen, 17:00, reserviert. 3. Du mußt in 2 Tagen Deinen Hausarzt anrufen, um Deine Blutergebnisse zu erfahren. 4. Du mußt in zwei Tagen ein vorbestelltes Buch abholen. Termine in zwei Wochen 1. Du hast in zwei Wochen, 11:00 einen Termin beim Zahnarzt. 2. Du hast einen Squash-Platz für in zwei Wochen, 17:00, reserviert. 136 Anhang 3. Du mußt in 2 Wochen Deinen Hausarzt anrufen, um Deine Blutergebnisse zu erfahren. 4. Du mußt in zwei Wochen ein vorbestelltes Buch abholen. Kurze Texte in zwei Tagen 1. Die „Psychologie des Seins“ von Maslow gilt als einer der wichtigsten Beiträge der „Humanistischen Psychologie“, die sich als dritte Kraft zwischen Verhaltenstheorie und Psychoanalyse versteht. Du sollst den gelernten Text in zwei Tagen frei erinnern. 2. Heute glaubt man, seine Pflicht erschöpfe sich darin, seine alten Eltern zu ernähren, aber man ernährt ja auch seine Hunde und Pferde. Wenn man der Ehrfurcht ermangelt, worin besteht dann noch der Unterschied ? (aus Konfuzius) Du sollst den gelernten Text in zwei Tagen frei erinnern. 3. Bei einer Versteigerung von Musikhandschriften ging Chopins erster Walzer für 500 000 Franc an eine Delegation der polnischen Regierung, die das Manuskript für das Chopin-Museum erwarb. Du sollst den gelernten Text in zwei Tagen frei erinnern. 4. Die Freiheit existiert, und der Wille existiert, aber eine Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere. (Thomas Mann) Du sollst den gelernten Text in zwei Tagen frei erinnern. Kurze Texte in zwei Wochen 1. Die „Psychologie des Seins“ von Maslow gilt als einer der wichtigsten Beiträge der „Humanistischen Psychologie“, die sich als dritte Kraft zwischen Verhaltenstheorie und Psychoanalyse versteht. Du sollst den gelernten Text in zwei Wochen frei erinnern. 2. Heute glaubt man, seine Pflicht erschöpfe sich darin, seine alten Eltern zu ernähren, aber man ernährt ja auch seine Hunde und Pferde. Wenn man der Ehrfurcht ermangelt, worin besteht dann noch der Unterschied ? (aus Konfuzius) Du sollst den gelernten Text in zwei Wochen frei erinnern. 3. Bei einer Versteigerung von Musikhandschriften ging Chopins erster Walzer für 500 000 Franc an eine Delegation der polnischen Regierung, die das Manuskript für das Chopin-Museum erwarb. Du sollst den gelernten Text in zwei Wochen frei erinnern. 4. Die Freiheit existiert, und der Wille existiert, aber eine Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere. (Thomas Mann) Du sollst den gelernten Text in zwei Tagen frei erinnern. Beschriebene Information in zwei Tagen 137 Anhang 1. Stelle Dir vor, wir würden Dir einen Artikel über die Situation kinderreicher Familien in Frankreich, Deutschland und den USA geben, und Du solltest Dir diese Informationen aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Tagen frei erinnern. 2. Stelle Dir vor, wir würden Dir eine Abhandlung über die Verkehrssituation in Tokio, Paris und New York geben, und Du solltest Dir diese Informationen aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Tagen frei erinnern. 3. Stelle Dir vor, wir würden Dir ein Pflanzenbuch geben, und Du solltest Dir Informationen über Tillanzien, Gummibaum und Zwergrose aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Tagen frei erinnern. 4. Stelle Dir vor, wir würden Dir einen Auszug über die Abtreibungsregeln in Deutschland, Frankreich und Polen geben, und Du solltest Dir diese Information aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Tagen frei erinnern. Beschriebene Information in zwei Wochen 1. Stelle Dir vor, wir würden Dir einen Artikel über die Situation kinderreicher Familien in Frankreich, Deutschland und den USA geben, und Du solltest Dir diese Informationen aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Wochen frei erinnern. 2. Stelle Dir vor, wir würden Dir eine Abhandlung über die Verkehrssituation in Tokio, Paris und New York geben, und Du solltest Dir diese Informationen aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Wochen frei erinnern. 3. Stelle Dir vor, wir würden Dir ein Pflanzenbuch geben, und Du solltest Dir Informationen über Tillanzien, Gummibaum und Zwergrose aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Wochen frei erinnern. 4. Stelle Dir vor, wir würden Dir einen Auszug über die Abtreibungsregeln in Deutschland, Frankreich und Polen geben, und Du solltest Dir diese Information aneignen. Du sollst das Gelernte in zwei Wochen frei erinnern. 138 Anhang 5.2 Auswertungsschema der zwar-aber Urteilskombination in Studie 4 Bei den zwar-aber Urteilskombinationen stehen Aufwand und Erfolg für zwei Speicheralternativen im Widerspruch zueinander: ein Speicher wird mit einer höhere Erfolgswahrscheinlichkeit eingeschätzt, der andere mit einem geringeren Aufwand. Vier Entscheidungskombinationen denkbar. Jeder dieser Entscheidungskombinationen entspricht, wenn sie rational gewählt wurde, eine Überlegung, in der Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit der beiden Speicheralternativen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Entweder ist der erhöhte Aufwand für die größere Erfolgswahrscheinlichkeit des einen Speichers zu groß, oder der erhöhte Aufwand erscheint durch die gesteigerte Erfolgswahrscheinlichkeit als gerechtfertigt. Beide Urteile könne einmal für die Wahl des internen Speichers oder für die Wahl des jeweiligen externen Speichers gefällt werden (siehe Tab. 10). Kombinationen von zwar-aber Urteilen und Speicherwahl Speicherung : Speicherung intern (1) Speicherung extern (0) Kombination A_in<A_ex ^ E_in<E_ex (0) "Der Aufwande ist für den Erfolg zu hoch" "Der Erfolge lohnt den Aufwand" N=58 A_in>A_ex ^ E_in>E_ex (1) "Der Erfolgi lohnt den Aufwand" N=95 "Der Aufwandi ist für den Erfolg zu hoch" N=15 N=14 Tab. 10 Urteilskombinationen, Speicherwahlen und die Überlegung, die der jeweiligen Wahl bei der jeweiligen Urteils kombination im Falle einer rationalen Entscheidung zu Grunde liegt. Die Häufigkeiten sind die Verteilungen dieser Kombinationen bei Studie 3 (e für extern, i für intern). Grundgedanke der Auswertung ist nun, die Zellen innerhalb einer VP auf Konsistenz zu überprüfen. Dazu wird die Differenz von interner und externer Speicherung jeweils für Aufwand und Erfolg berechnet. Gesucht wird nun der kritische Punkt, an dem die VP die Erfolgssteigerung für die Aufwandssteigerung als zu gering empfindet. Entscheidungen gelten als rational, wenn zwischen den vier Zellen Übereinstimmung besteht; als irrational, wenn bei gleicher Entscheidungsgrundlage anders entschieden wird. Im Detail: Die Aufwandsdifferenz beträgt maximal 6 (7-1). Um Aufwandsdifferenzen vergleichen zu können ist es erforderlich, für den Aufwand Intervallskalenniveau anzunehmen (es gibt keinen absoluten Nullpunkt und Multiplikationen sind nicht erlaubt, aber Differnzbeträge sind gleich; z. B. ist 139 Anhang der Unterschied zwischen dem eingeschätzten Aufwand von 2 und 4 ebensogroß wie der zwischen 5 und 7). Zu jeder Aufwandssteigerung gibt es eine Verbesserung in der Erfolgswahrscheinlichkeit. Gesucht wird nun der kritische Punkt in der Verbesserung der Erfolgswahrscheinlichkeit, von dem an der erhöhte Aufwand in Kauf genommen wird bzw. bis zu dem er nicht in Kauf genommen wird. Dabei gelten folgende Regeln: • Alle durch Regeln beschreibbaren Entscheidungen gelten als rational. • Alle Regelverletzungen gelten als nicht rational. • Begrenzungen nach oben (bis-zu-x) bei einer bestimmten Aufwandsdifferenz gelten automatisch für alle geringeren Aufwandsdifferenzen. Bsp.:Wenn Aufwandssteigerung von 6 für 30% mehr Erfolgswahrscheinlichkeit in Kauf genommen wird, so muß auch bei eine Aufwandsdifferenz von 5,4,3,2,1 für 30% Erfolgssteigerung in Kauf genommen werden. • Begrenzungen nach unten (ab -x-nicht-mehr) bei einer bestimmten Aufwandsdifferenz gelten automatisch für alle höheren Aufwandsdifferenzen. Bsp.: Wenn Aufwandssteigerung von 1 für 20% mehr Erfolgswahrscheinlichkeit nicht in Kauf genommen wird, so kann auch die Aufwandsdifferenz von 2,3,4,5,6 für 20% Erfolgssteigerung nicht in Kauf genommen werden. • Die Regeln sind für jede Vpn idiosynkratisch. • Eine Regel gilt als gesetzt, wenn ihr zwei oder mehr Einheiten folgen. Bei 'Widerspruchspaaren', d.h. zwei Paare vertreten einander ausschließende Regeln, gelten alle vier Urteile als nicht rational. • Bei konfligierenden Regeln setzt sich eine Regel durch, wenn für sie doppelt soviele Einheiten spechen wie für die rivalisierende Regel; gilt das für keine der beiden Regeln, so sind alle entsprechenden Urteile als nicht rational. Diese Regeln erlauben eine Urteilerübereinstimmung von über 90% 140 Anhang 5.3 Lebenslauf 10. 08. 1965 Geburt in Grevenbroich/Nordrhein-Westfalen als erstes Kind von Berthold Esser, Exportkaufmann und Ursula Esser, geb. Birkhoff, Zahnarzthelferin 13. 10. 1967 Geburt meines Bruders Hans Dieter 14. 11. 1970 Geburt meiner Schwester Rosemarie 1971-1976 Besuch der Grundschule in Waldsee/Rheinland-Pfalz 1976-1985 Besuch des ‘Gymnasium am Kaiserdom’ in Speyer/ Rheinland-Pfalz Juni 1985 Abschluß des Abiturs, Gesamtnote 1,7 September 1985März 1987 Zivildienst in der ISB (Individuelle Schwerstbehinderten Betreuung) April 1987März 1992 Studium der Psychologie an der Freien Universität Berlin 12. 05. 1989 Eheschließung mit Elke Schunk 20. 04. 1990 Geburt unserer ersten Tochter Merit Rahel März 1992 Abschluß des Psychologiestudium als Diplompsychologe; Gesamtnote ‘sehr gut’ 01. 04. 1992 Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin bei Prof. Dr. W. Schönpflug 10. 04. 1992 Geburt unseres zweiten Kindes Nuth Ismene 07. 04. 1994 Geburt unseres dritten Kindes Sohela Auré 21. 04. 1994 Zulassung zum Promotionsverfahren 01. 06. 1994 31. 08. 1995 Erziehungsurlaub für unsere dritte Tochter, Sohela Auré 141 Anhang 5.4 Erklärung Hiermit erkläre ich, vorliegende Arbeit selbständig verfaßt zu haben. Insbesondere erkläre ich, keine Hilfsmittel außer der im Text angegebenen verwandt zu haben. Diese Arbeit ist in keinem früheren Promotionsverfahren abgelehnt oder angenommen worden Berlin, den 19. 05. 1998 Dipl.-Psych. K.B. Esser 142