Skript

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Analysis III - Vorlesungs-Script
Prof. Dr. Camillo De Lellis
Herbstsemester 2017
Inhaltsverzeichnis
1. Die
1.1.
1.2.
1.3.
1.4.
1.5.
1.6.
1.7.
1.8.
σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
Intervalle und Überdeckungen . . . . . . . . . .
Whitney Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . .
Abstand und Grenzwerte für Mengen . . . . . .
Das äussere Lebesgue-Mass . . . . . . . . . . .
Lebesgue-Messbarkeit . . . . . . . . . . . . . . .
Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
Die Caratheodory Eigenschaft . . . . . . . . . .
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
2
5
7
11
14
15
19
2. Das
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
2.5.
Lebesgue-Mass
σ-Additivität und Masse . . . . . . . . . . . .
Weitere Eigenschaften des Lebesgue-Masses .
Charakterisierungen der Messbarkeit . . . . .
Lipschitz-Abbildungen und messbare Mengen
Transformationssatz für lineare Abbildungen .
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21
24
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29
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36
41
45
50
55
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60
60
64
68
72
74
3. Lebesgue-messbare Funktionen
3.1. Definition der messbaren Funktionen . . . . .
3.2. Eigenschaften messbarer Funktionen . . . . .
3.3. Approximationssatz mit einfachen Funktionen
3.4. Die Sätze von Egorov und Lusin . . . . . . . .
3.5. Konvergenz nach Mass . . . . . . . . . . . . .
4. Das
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
4.5.
Lebesgue-Integral
Definition des Lebesgue-Integrals . . . .
Elementare Eigenschaften des Integrals .
Konvergenzsätze I . . . . . . . . . . . . .
Verallgemeinerung des Lebesgue-Integrals
Konvergenzsätze II . . . . . . . . . . . .
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5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
76
5.1. Der Satz von Fubini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.2. Der Satz von Tonelli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
i
Inhaltsverzeichnis
ii
6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
6.1. Allgemeine σ-Algebren . . . . . . . . . . . . . . .
6.2. Die σ-Algebra die von einer Familie erzeugt wird .
6.3. Allgemeine Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4. Vollständigkeit und Vervollständigung . . . . . . .
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87
87
87
89
90
7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und
7.1. Messbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2. Das Integral nichtnegativer Funktionen . . . . . .
7.3. Eigenschaften des Integrals . . . . . . . . . . . . .
7.4. Das Integral allgemeiner messbarer Funktionen . .
7.5. Konvergenzsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Integral
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93
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105
. 105
. 106
. 107
. 110
. 112
. 114
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8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
8.1. Produkte von σ-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2. Produktmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3. Dynkin Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.4. Beweis des Haupttheorems 8.2.2 . . . . . . . . . . . .
8.5. Die abstrakte Version des Fubini-Tonelli Satzes . . .
8.6. Die geometrische Bedeutung des abstrakten Integrals
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9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
115
9.1. Der Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
9.2. Beweis des Transformationssatzes: Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . 118
9.3. Beweis des Transformationssatzes: Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . 122
A. Beweis des Satzes 2.5.6
125
1. Die σ-Algebra der
Lebesgue-messbaren Mengen
1.1. Intervalle und Überdeckungen
Definition 1.1.1.
Ein abgeschlossenes Intervall I ⊂ Rn ist das Produkt von n abgeschlossenen Intervallen in R:
n
Y
I = [a1 , b1 ] × [a2 , b2 ] × · · · × [an , bn ] =
[ai , bi ] .
i=1
Der Inhalt von I ist dann gegeben durch
n
Y
v(I) = (b1 − a1 ) · (b2 − a2 ) · · · · · (bn − an ) =
(bi − ai ) .
i=1
Wir sagen, I1 und I2 sind
• disjunkt, genau dann, wenn I1 ∩ I2 = ∅;
• nicht überlappend, genau dann, wenn I1 ∩ I2 keine inneren Punkte besitzt, d.h.
◦
(I1 ∩ I2 ) = ∅ (siehe Abbildung 1.1).
Beispiel 1.1.2.
Auf R sind
• [0, 1] und [2, 3] disjunkt;
• [0, 1] und [1, 2] nicht überlappend.
1
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
2
Abbildung 1.1.: Sich nicht überlappende Intervalle in R2 .
Wir bemerken nun eine elementare Tatsache, die wir nicht beweisen werden. Dieser
Satz ist in einer Dimension jedoch leicht zu beweisen.
Satz 1.1.3.
Sei I 0 ein abgeschlossenes Intervall. Sei I1 , · · · , IN eine Familie von abgeschlossenen
Intervallen.
• Falls {Ij } eine Familie von sich nicht überlappenden Intervallen ist und
N
[
Ii = I1 ∪ I2 ∪ · · · ∪ IN ⊂ I 0 ,
i=1
dann gilt:
PN
i=1
v(Ii ) ≤ v(I 0 ) (siehe Abbildung 1.2).
P
• Falls I 0 ⊂ I1 ∪ I2 ∪ . . . ∪ IN , dann gilt v(I 0 ) ≤ N
i=1 v(I) (in diesem Fall gilt
die Ungleichung auch dann, wenn sich die Intervalle Ii überlappen).
1.2. Whitney Zerlegung
Eine andere elementare Tatsache, die eine sehr wichtige Rolle in der Lebesgueschen Masstheorie spielt, ist die folgende Zerlegung von offenen Menge in sich nicht
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
3
Abbildung 1.2.: Intervalle wie im ersten Teil von Satz 1.1.3.
überlappende abgeschlossene Intervalle.
Satz 1.2.1 (“Whitney-Zerlegung”).
Sei Ω ⊂ Rn eine offene Menge. Dann existiert eine abzählbare Familie von abS
geschlossenen sich nicht überlappenden Intervallen {Ii }i∈N , so dass Ω = i∈N Ii .
Zudem kann man die Intervalle Ii so wählen, dass sie Würfel sind (d.h. Ii =
[xi1 , xi1 + `i ] × [xi2 , xi2 + `i ] × . . . × [xin , xin + `i ]).
Die Zerlegung, die wir im Beweis vom Satz 1.2.1 konstruieren, wird WhitneyZerlegung genannt (genauer: in der mathematischen Literatur nennt man eine ähnliche
Zerlegung Whitney-Zerlegung, wenn sie über eine zusätzliche Eigenschaft verfügt).
Beweis. Für k ∈ N definieren wir die folgende Familie von abgeschlossenen Intervallen:
( n )
Y ji ji + 1 Fk :=
, k
: (j1 , . . . , jn ) ∈ Zn
k
2
2
i=1
(in R2 zum Beispiel haben wir F0 = {[j, j + 1] × [l, l + 1], (j, l) ∈ Z2 }).
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
4
Nun definieren wir
I0 := {I ∈ F0 : I ⊂ Ω}
I1 := {I ∈ F1 : I ⊂ Ω und I 6⊂ J ∀J ∈ I0 }
..
.
(
)
k−1
[
Ik :=
I ∈ Fk : I ⊂ Ω und I 6⊂ J ∀J ∈
Ii .
i=0
S
Schliesslich sei I := ∞
k=0 Ik . I besitzt dann die Eigenschaften, die wir wollen (in
Abbildung 1.3 sehen wir ein Beispiel einer offenen Menge in R2 und ihre WhitneyZerlegung).
Abbildung 1.3.: Die Whitney-Zerlegung einer offenen Teilmenge von R2 .
Eine triviale Folgerung unserer Definitionen ist, dass die Intervalle von I sich nicht
überlappen. Wir behaupten nun, dass
[
I∈I
I = Ω.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
5
Da I ⊂ Ω für jedes I ∈ I ist, genügt es zu zeigen, dass
[
I ⊃ Ω.
I∈I
Q
Sei x ein gegebenes Element in Ω. Dann ∃ε > 0, so dass ni=1 ]xi − ε, xi + ε[ ⊂ Ω.
Sei k die kleinste natürliche Zahl, so dass 2−k < ε. Dann gilt: ∀xi , ∃ji ∈ Z, so dass
xi ∈ [ 2jki , ji2+1
k ] ⊂]xi − ε, xi + ε[. Das impliziert, dass
Y
n n
Y
ji ji + 1
x∈
⊂
]xi − ε, xi + ε[ ⊂ Ω .
,
2k 2k
i=1
i=1
Deshalb ∃I ∈ Fk mit x ∈ I ⊂ Ω. Sei nun k0 die kleinste natürliche Zahl, so dass ein
S
I ∈ Fk0 mit x ∈ Ik0 ⊂ Ω existiert. Dann ist I ∈ Ik0 ⊂ I. Daher ist x ∈ I∈I I.
1.3. Abstand und Grenzwerte für Mengen
Nun definieren wir den Abstand zwischen zwei Teilmengen eines Euklidischen Raums.
Definition 1.3.1.
Seien A, B ⊂ Rn . Dann ist der Abstand von A und B gegeben durch
d(A, B) :=
inf
x∈A,y∈B
|x − y| .
Bemerkung 1.3.2.
Falls d(A, B) > 0 ist, dann folgt: A ∩ B = ∅, aber nicht umgekehrt. Seien z.B.
A = [0, 1[ und B = [1, 2]. Dann ist A ∩ B = ∅ und d(A, B) = 0.
Es ist auch wichtig zu bemerken, dass d keine Metrik ist. Zum Beispiel impliziert
d(A, B) = 0 nicht, dass A = B ist!
Satz 1.3.3.
Seien A und B zwei kompakte Mengen. Dann gilt: A ∩ B = ∅ ⇔ d(A, B) > 0.
Beweis. Zuerst behaupten wir, dass das Infimum in Definition 1.3.1 im Falle kompakter Mengen ein Minimum ist. D.h. ∃x0 ∈ A, y0 ∈ B, so dass |x0 − y0 | = d(A, B).
Der Satz folgt aus dieser Behauptung, da x0 6= y0 und somit |x0 − y0 | > 0 ist.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
6
Um die Behauptung zu beweisen, betrachten wir die Abbildung f : A × B ⊂
R × Rn → R, (x, y) 7→ |x − y|. Da f stetig ist und A × B kompakt, besitzt f ein
Minimum.
n
Bemerkung 1.3.4.
Im obigen Beweis nutzten wir folgende wichtige Eigenschaft kompakter Mengen des
Euklidischen Raumes:
(P) Seien A ⊂ Rn und B ⊂ Rm zwei kompakte Teilmengen. Dann ist A × B
ebenfalls kompakt.
Beweisen Sie (P)! (Hinweis: Nutzen Sie die Folgenkompaktheit).
Definition 1.3.5.
Eine Folge {Ek } von Teilmengen in Rn heisst monoton, wenn Ei ⊂ Ei+1 ∀i oder
Ei ⊃ Ei+1 ∀i. Im ersten Fall definieren wir
E =:
∞
[
Ei
i=0
und schreiben dafür Ei ↑ E. Im zweiten Fall definieren wir
E :=
∞
\
Ei
i=0
und schreiben dafür Ei ↓ E.
Definition 1.3.6.
Sei {Ei }i∈N eine Folge von Teilmengen des Rn . Dann definieren wir den Limes superior und Limes inferior der Folge {Ei } wie folgt:
lim sup Ei :=
i→∞
lim inf Ei =
i→∞
∞ [
∞
\
Ek
j=1 k=j
∞ \
∞
[
j=1 k=j
Ek .
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
7
Abbildung 1.4.: Ei ↓ E und Ei ↑ E.
Im ersten Fall haben wir
Fj ↑ lim inf Ei .
S
k≥j
Ek =: Fj ↓ lim sup Ei und im zweiten Fall,
T
k≥j
Ek =:
1.4. Das äussere Lebesgue-Mass
Definition 1.4.1.
Sei E ⊂ Rn . Eine abzählbare (bzw. endliche) Überdeckung von E mit abgeschlossenen Intervallen ist eine Familie A := {Ij }j∈N (bzw. {Ij }j∈{0,...,N } ) von abgeschlosS
S
senen Intervallen, so dass E ⊂ j∈N Ij (bzw. E ⊂ N
j=0 Ij ). Wir definieren σ(A) :=
P
j∈N v(Ij ).
Wir bezeichnen mit U(E) die Menge der abzählbaren Überdeckungen von E mit
abgeschlossenen Intervallen. Dann definieren wir das äussere Lebesgue-Mass von E
wie folgt:
|E|e := inf σ(A).
(1.1)
A∈U (E)
Bemerkung 1.4.2.
Die leere Menge hat äusseres Lebesgue-Mass 0: Sei ε > 0. Wir wählen die Überdeckung
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
h √
n
{I}, wobei I := − 2 ε ,
√
n
ε
in
2
8
. Dann ist ∅ ⊂ I und deshalb {I} ∈ U(∅). Also folgt:
|∅|e ≤ v(I) = ε .
Da ε eine beliebige positive Zahl war, schliessen wir |∅|e = 0.
Wir beweisen nun, dass das äussere Lebesgue-Mass mit dem gewöhnlichen Inhalt
übereinstimmt, wenn E ein Intervall ist.
Satz 1.4.3.
Sei I ein abgeschlossenes Intervall. Dann ist v(I) = |I|e .
Beweis. Es ist |I|e ≤ v(I), weil A = {I} eine Überdeckung aus U(I) mit σ(A) = v(I)
ist.
Sei nun A = {Ii }i∈J eine abzählbare Überdeckung von I mit abgeschlossenen
Intervallen. Sei ε > 0 eine gegebene reelle Zahl. Für jedes i ∈ J wählen wir ein
abgeschlossenes Intervall Ji , so dass
◦
• der innere Kern von Ji Ii enthält, d.h. Ii ⊂ Ji ;
• v(Ji ) ≤ (1 + ε)v(Ii ).
◦
Deswegen ist B := {J i }i∈J eine offene Überdeckung von I.
◦
Wegen der Kompaktheit von I gibt es eine endliche Teilüberdeckung {J k }k∈K ⊂
B. Aus Satz 1.1.3 folgt, dass
v(I) ≤
X
k∈K
v(Jk ) ≤
X
v(Jj ) ≤ (1 + ε)
j∈J
X
v(Ij ) = (1 + ε)σ(A) .
j∈J
Also ist
v(I) ≤ (1 + ε) inf σ(A) = (1 + ε)|I|e .
A∈U (I)
Da ε eine beliebige positive Zahl war, gilt v(I) ≤ |I|e .
Die Familien in U(E) sind entweder endlich oder abzählbar. Wenn wir auch die
leere Menge als Intervall betrachten, dann können wir annehmen, dass jede Familie
A ∈ U(E) die Gestalt {Ij }j∈N hat: Falls A eine endliche Menge ist, heisst das einfach,
dass Ij = ∅ für jedes j grösser als eine bestimmte Zahl N . Wegen Bemerkung 1.4.2
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
9
und Satz 1.4.3 ist es sinnvoll, v(∅) = 0 zu setzen. Daher werden wir in Zukunft jedes
Element A ∈ U(E) als {Ij }∞
j=1 darstellen.
Lemma 1.4.4.
Sei I ein abgeschlossenes Intervall, dann ist |∂I|e = 0.
Beweis. Für jedes ε > 0 kann man eine endliche Überdeckung A von ∂I mit abgeschlossenen Intervallen wählen, so dass σ(A) ≤ ε. Deswegen ist
|∂I|e =
inf
σ(A) = 0 .
A∈U (∂I)
Die Abbildung 1.5 zeigt, was dies in der zweidimensionalen Ebene bedeutet.
Abbildung 1.5.: I ⊂ R2 : eine Überdeckung A ∈ U(∂I) mit σ(A) < ε.
Nun folgen die zwei wichtigsten Eigenschaften des äusseren Lebesgue-Masses:
Theorem 1.4.5. (i) ( Monotonie) Für A ⊂ B gilt |A|e ≤ |B|e .
(ii) ( σ-Subaddivität oder auch abzählbare Subadditivität) Sei {Ai }i∈N eine abzählbare
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
10
Familie von Mengen, dann gilt:
N
N
[
X
|Ai |e
Ai ≤
i=0
∀ N ∈ N ∪ {+∞}
i=0
e
Beweis. Gehen wir der Reihe nach:
(i) ∀ ε > 0, ∃ eine Überdeckung {Ii }i∈N ∈ U(B) von B, so dass
X
υ(Ii ) < |B|e + ε
i∈N
(d.h. eine beinahe optimale Überdeckung). {Ii }i∈N überdeckt aber auch A und
deshalb:
X
|A|e ≤
υ(Ii ) < |B|e + ε .
i∈N
Da diese Ungleichung für jedes ε > 0 gilt, folgt:
|A|e ≤ |B|e .
(ii) Sei A =
dass
S∞
i=0
Ai . ∀ ε > 0, ∃ eine Überdeckung {Ii,j }j∈N ∈ U(Ai ) von Ai , so
∞
X
υ(Ii,j ) ≤ |Ai |e +
j=1
ε
.
2i
Weiter ist {Ii,j }i,j∈N eine Überdeckung von A, woraus folgende Abschätzung
folgt:
|A|e ≤
∞ X
∞
X
υ(Ii,j )
(Doppelreihe von positiven Zahlen)
i=0 j=1
≤
∞ X
i=0
∞
∞
∞
X 1
X
ε X
=
|Ai |e + ε
|Ai |e + ε .
|Ai |e + i =
i
2
2
i=0
i=0
i=0
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
11
Da ε > 0 beliebig sein kann, gilt:
|A|e ≤
∞
X
|Ai |e .
i=0
Der unendliche Fall ist somit gezeigt. Der endliche Fall N < ∞ kann aber
darauf zurückgeführt werden: Wir setzen dann einfach Ai := ∅ ∀ i > N .
Bemerkung 1.4.6 (Unabhängigkeit vom Koordinatensystem).
Wie wir später zeigen werden, ist |E|e vom Koordinatensystem unabhängig. D.h.,
falls A : Rn → Rn eine Isometrie ist, dann ist |E|e = |A(E)|e ∀E ⊂ Rn .
1.5. Lebesgue-Messbarkeit
In diesem Kapitel definieren wir eine spezielle Klasse von Teilmengen des Rn : die
messbaren Mengen. Zuerst beweisen wir aber einige allgemeine Eigenschaften des
äusseren Lebesgue-Masses.
Theorem 1.5.1.
∀ E ⊂ Rn und ∀ ε > 0, existiert eine offene Menge G ⊂ Rm mit:
(i) E ⊂ G;
(ii) |G|e < |E|e + ε.
Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Dann gibt es eine Überdeckung {Ij } ∈ U(E), so dass
∞
X
v(Ij ) < |E|e +
j=0
ε
.
2
Für jedes j wählen wir ein zweites Intervall Ij? mit der Eigenschaft, dass der offene
◦
Kern Ij? das Intervall Ij enthält und v(Ij? ) ≤ v(Ij ) + 2−(j+2) ε. Die Menge
G :=
∞
[
i=0
◦
Ii?
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
12
ist dann offen und enthält E. Ausserdem ist {Ij? } eine Überdeckung von G. Deswegen
ist
∞
∞
∞
X
X
ε X −i
ε ε
|G|e ≤
v(Ii? ) ≤
v(Ii ) +
2 < |E|e + + = |E|e + ε .
4 i=0
2 2
i=0
i=0
Definition 1.5.2.
Eine Menge A ⊂ Rn heisst Gδ -Menge, falls sie der abzählbare Durchschnitt offener
T
Mengen ist, d.h. A = ∞
i=0 Gi mit Gi offen ∀i ∈ N.
Bemerkung 1.5.3.
Eine solche Menge kann auch abgeschlossen sein. Dazu folgendes Beispiel: {x} =
T∞
n
i=0 K 1 (x), wobei x ∈ R
i+1
Korollar 1.5.4.
∀ E ⊂ Rn existiert eine Gδ -Menge A, so dass E ⊂ A und |E|e = |A|e .
Beweis. Sei k ∈ N \ {0}. Wir wenden Satz 1.5.1 mit ε = k1 an und wählen eine offene
T
Menge Gk mit E ⊂ Gk und |Gk |e ≤ |E|e + k1 . Sei nun A := ∞
k=1 Gk . Dann ist A
eine Gδ -Menge. Zudem gilt E ⊂ A und A ⊂ Gk ∀ k ∈ N. Aufgrund der Monotonie
des äusseren Lebesgue-Masses folgt nun:
|E|e ≤ |A|e ≤ |Gk |e ≤ |E|e +
1
k
∀k ∈ N.
Also ist |E|e = |A|e .
Seien nun E und A wie in Korollar 1.5.4. Folgt dann, dass |A \ E|e = 0? Die
Antwort ist “nein”: Es gibt Mengen A, für die diese Aussage falsch ist. Dies geht
jedoch gegen unsere Intuition. Deswegen definieren wir die messbaren Mengen.
Definition 1.5.5.
Eine Menge E ⊂ Rn heisst Lebesgue-messbar, falls es ∀ ε > 0 eine offene Menge
G ⊂ Rn gibt mit E ⊂ G und |G \ E|e < ε.
Eine offene Menge E ist sicher messbar, weil wir G := E wählen können und
damit ist |G \ E|e = |∅|e = 0.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
13
Korollar 1.5.6.
Für jede messbare Menge E, existiert eine Gδ -Menge A mit E ⊂ A und |A \ E|e = 0.
Beweis. Die Vorgehensweise ist ähnlich zu der im Beweis von Korollar 1.5.4:
Sei E messbar, ε := k1 , k ∈ N \ {0}. Dann existiert eine offene Menge Gk , so dass
T
E ⊂ Gk und |Gk \ E|e < ε. Sei A := ∞
k=1 Gk , dann ist A eine Gδ -Menge und E ⊂ A.
Weiter gilt: A \ E ⊂ Gk \ E, woraus mithilfe der Monotonie folgt:
0 ≤ |A \ E|e ≤ |Gk \ E|e ≤
1
.
k
Deshalb ist |A \ E|e = 0.
Bemerkung 1.5.7.
Zusammenfassend gilt nun also folgendes:
(a) Für eine beliebige Menge E ⊂ Rn existiert eine Gδ -Menge A mit E ⊂ A und
|E|e = |A|e .
(b) Für eine messbare Menge M ⊂ Rn existiert eine Gδ -Menge A mit M ⊂ A und
|A \ M |e = 0. Daraus folgt dann auch die obige Eigenschaft (d.h. dies eine
bessere Art der Approximation ist):
|M |e ≤ |A|e = |(A ∩ M ) ∪ (A \ M )|e ≤ |A ∩ M |e + |A \ M |e
| {z }
=0
=| A
| ∩
{zM} |e ≤ |M |e .
⊂M
Also folgt |M |e = |A|e .
(c) Wir betrachten die folgende Eigenschaft für A, B ⊂ Rn :
A ∩ B = ∅ =⇒ |A ∪ B|e = |A|e + |B|e .
(1.2)
Würde diese Eigenschaft für jede beliebige Menge gelten, dann wäre jede Menge E ⊂ Rn messbar, denn:
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
14
Seien E, A wie in (a). Dann würde gelten:
|A|e = |A ∩ E|e + |A \ E|e = |E|e + |A \ E|e
=⇒ |A \ E|e = 0 .
Tatsache aber ist, dass es nicht messbare Mengen gibt, d.h. Mengen, die (1.2)
nicht erfüllen, was jedoch erneut gegen die Intuition geht!
Wir werden später sehen, dass die Eigenschaft (1.2) für A und B stimmt, wenn
sie messbar sind.
1.6. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
Es ist nun Zeit, um das erste Haupttheoreme der Lebesgueschen Masstheorie zu
formulieren.
Haupttheorem 1.6.1.
Sei M ⊂ P(Rn ) die Menge der messbaren Teilmengen des Rn . Dann gilt:
(a) {Ai }i∈N ⊂ M ⇒
∞
S
Ai ∈ M;
i=0
(b) A ∈ M ⇒ Ac = Rn \ A ∈ M;
(c) A ⊂ Rn offen ⇒ A ∈ M.
Definition 1.6.2.
Sei X eine Menge und A eine Teilmenge von P(X). Man nennt A eine σ-Algebra,
falls ∅ ∈ A, (a) und die Eigenschaft (b) des Haupttheorems 1.6.1 erfüllt sind:
(b) E ∈ A =⇒ X \ E ∈ A.
Daher ist die folgende Formulierung äquivalent zum Haupttheorem 1.6.1:
Theorem 1.6.3.
Die Menge M ⊂ P(Rn ) ist eine σ-Algebra, die die offenen Mengen des Rn enthält.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
15
S
Beweis von Teil (a) des Haupttheorems 1.6.1. Seien {Ak }k∈N ⊂ M, A := ∞
k=1 Ak
und ε > 0 gegeben.
Das Ziel ist, eine offene Menge G zu finden, so dass A ⊂ G und |G \ A|e < ε.
Für jede Menge Ak existiert eine offene Menge Gk , so dass Ak ⊂ Gk und |Gk \ Ak |e <
S∞
ε
.
Nun
definieren
wir
die
Menge
G
:=
k
k=1 Gk , welche offen ist. Dann gilt E ⊂ G.
2
Wir wollen nun |G \ A|e abschätzen. Es gilt:
G\E ⊂
∞
[
k=1
(Gk \ A) ⊂
∞
[
Gk \ Ak .
k=1
Aus der Subadditivität folgt nun:
∞
[
∞
X
1
= ε.
|Gk \ Ak |e < ε
|G \ A|e ≤
k
2
k=1
k=1
Beweis von Teil (c) des Haupttheorems 1.6.1. Sei A offen und ε > 0 gegeben. Wie
schon bemerkt, genügt es G := A zu setzen. G ist dann offen, A ⊂ G und
|G \ A|e = |∅|e = 0 .
1.7. Die Caratheodory Eigenschaft
Für den Beweis von Teil (b) des Haupttheorems 1.6.1 benötigen wir noch einige
weitere Aussagen.
Satz 1.7.1.
Sei E ⊂ Rn eine Lebesgue-Nullmenge, d.h. |E|e = 0, dann ist E messbar.
Beweis. Sei E ⊂ Rn beliebig mit |E|e = 0. Dann existiert für jedes ε > 0 eine offene
Menge G, so dass E ⊂ G und |G|e < |E|e + ε. Dann gilt:
|G \ E|e ≤ |G|e < ε .
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
16
Daraus folgt nun die Messbarkeit einer beliebigen Lebesgue-Nullmenge E.
Korollar 1.7.2.
Jedes abgeschlossene Intervall ist messbar.
◦
◦
Beweis. Sei I = I ∪ ∂I. Dann ist I messbar, weil der offene Kern einer Menge offen
ist. ∂I ist messbar, weil |∂I|e = 0. Aus Teil (a) des Haupttheorems 1.6.1 folgt nun,
dass I messbar ist.
Lemma 1.7.3 (Caratheodory-Eigenschaft).
Falls d(E1 , E2 ) > 0 ist, dann ist
|E1 ∪ E2 |e = |E1 |e + |E2 |e .
Beweis. Wegen der Subadditivität von |·|e ist |E1 ∪ E2 |e ≤ |E1 |e + |E2 |e . Das Ziel
ist nun, die umgekehrte Ungleichung zu beweisen:
|E1 ∪ E2 |e ≥ |E1 |e + |E2 |e .
Sei ε > 0 gegeben. Dann existiert eine Überdeckung {Ii } mit abgeschlossenen Intervallen, so dass
X
X
v(Ii ) =
|Ii | < |E1 ∪ E2 |e + ε .
Wir nehmen o.B.d.A an, dass D(Ii ) < d(E1 , E2 ), wobei
D(Ii ) = max{|x1 − x2 | : x1 , x2 ∈ I} .
(Falls D(Ii ) ≥ d(E1 , E2 ) wählen wir N ∈ N mit N −1 D(Ii ) < d(E1 , E2 ) und teilen Ii
in N m sich nicht überlappende Intervalle mit Seitenlänge = N1 mal die Seiten von
Ii .)
Sei also D(Ii ) < d(E1 , E2 ) für jedes Ii , dann gilt:
• E1 ∩ Ii 6= ∅ ⇒ E2 ∩ Ii = ∅,
• E2 ∩ Ii 6= ∅ ⇒ E1 ∩ Ii = ∅.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
17
Wir definieren
J˜ := {i : Ii ∩ E1 6= ∅} und J¯ := {i : Ii ∩ E2 6= ∅} .
Dann ist J¯ ∩ J˜ = ∅ und {Ij }j∈J˜, {Ij }j∈J¯ sind Überdeckungen von E1 und E2 . Deswegen haben wir
|E1 |e + |E2 |e ≤
X
v(Ij ) +
X
v(Ij ) ≤
j∈J¯
j∈J˜
∞
X
v(Ii ) ≤ |E1 ∪ E2 |e + ε .
i=0
Da ε belibig war, folgt |E1 ∪ E2 |e ≥ |E1 |e + |E2 |e .
Korollar 1.7.4.
Sei {Ii } eine abzählbare Familie von sich nicht überlappenden abgeschlossenen InS
S
P
tervallen. Dann ist Ii messbar und | Ii |e = |Ii |e
Beweis. Die Messbarkeit folgt aus Teil (a) des Haupttheorems 1.6.1. Wegen der
S
S
P
P
Subadditivität von | · |e ist | Ii | = | Ii |e ≤ |Ii |e = |Ii | . Wir müssen also nur
noch die umgekehrte Ungleichung zeigen, d.h.
N
[ X
X
|Ii |e = lim
|Ii |e .
Ii ≥
N →+∞
e
i=0
Es genügt aber, die Ungleichung
∞ N
[ X
|Ii |e
Ii ≥
i=0
e
∀N ∈ N
(1.3)
i=0
zu beweisen. Sei nun ε > 0 gegeben. Wir wählen Ii? ⊂ Ii mit
d(Ii? , ∂Ii ) > 0 ,
und so dass
|Ii? |e ≥ |Ii |e − ε .
Für i 6= j ist dann d(Ii? , Ij? ) > 0. Wir wenden nun die Caratheodory-Eigenschaft
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
18
N -mal rekursiv an:
N
N
N
∞
[
[
X
X
?
?
|Ii |e ≥
|Ii |e − N ε .
Ii ≥ Ii =
i=0
i=0
e
e
i=0
i=0
Da ε eine beliebige positive Zahl war, folgt (1.3).
Satz 1.7.5.
Jede abgeschlossene Menge ist messbar.
Beweis. Zuerst beweisen wir die Messbarkeit kompakter Mengen. Sei also K kompakt. Dann gilt: ∀ε > 0, ∃G offen, so dass K ⊂ G und |G|e ≤ |K|e + ε. Da G \ K
offen ist, existiert eine Whitney-Zerlegung von G \ K, d.h.
G\K =
∞
[
Ii ,
i=0
wobei {Ij } eine Familie von sich nicht überlappenden (und abgeschlossenen) InterSN
P
vallen ist. Mit Korollar 1.7.4 folgt, dass |G \ K| = ∞
i=0 Ii
i=0 |Ii |. Ausserdem sind
und K kompakte Mengen, daher gilt:
N
[
!
N
[
∩K =∅ ⇒d
Ii
i=0
!
Ii , K
> 0.
i=0
Aus der Caratheodory-Eigenschaft folgt nun,
N
N
N
[
[
X
|G|e ≥ K ∪
Ii = |K|e + | Ii | = |K|e +
|Ii | .
i=0
i=0
e
i=0
Deswegen ist
N
X
|Ii | ≤ |G|e − |K|e ≤ ε
i=0
⇒ |G \ K|e = lim
N ↑∞
N
X
i=0
|Ii |e ≤ ε .
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
19
Zusammenfassend haben wir also gezeigt, dass K ⊂ G, wobei G offen ist und
|G \ K|e ≤ ε. Dies zeigt die Messbarkeit von K.
Sei nun E abgeschlossen. Dann ist E ∩ Kk (0) kompakt, also messbar. Zusammen
mit Teil (a) des Haupttheorems 1.6.1 folgt, dass
E=
∞
[
E ∩ Ki (0)
i=0
messbar ist.
Beweis des Haupttheorems 1.6.1 Teil (b). Sei E messbar. Dann gilt: ∀k ∈ N \ {0}
∃Gk offen mit E ⊂ Gk und |Gk \ E|e < k1 . Wir setzen Fk := Gck . Dann ist Fk
abgeschlossen und daher messbar. Weiter ist
Ec =
∞
[
Ec \
Fk ∪
∞
[
!
Fk
.
k=1
k=1
|
{z
:=N
}
Dank Haupttheorem 1.6.1 Teil (a) genügt es die Messbarkeit von N zu beweisen.
Nun ist
!
∞
∞
∞
∞
∞
∞
[
\
\
\
\
\
c
c
c
c
c
N = E \ Fk =
E \Fk =
E \Gk =
E ∩Gk =
Gk \E =
Gk \E .
k=1
k=1
k=1
k=1
k=1
k=1
Daher folgt |N |e = 0 und damit die Messbarkeit von N .
1.8. Zusammenfassung
Wir schliessen dieses Kapitel mit einer Liste von Eigenschaften von M ab, die aus
den Teilen (a) und (b) des Haupttheorems 1.6.1 folgen (deswegen gelten diese Eigenschaften für beliebige σ-Algebren!).
Theorem 1.8.1. (a) ∅, Rn ∈ M.
(b)
S∞
i=0
Ai ∈ M, wenn Ai ∈ M ∀i.
Kapitel 1. Die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen
20
(c) Ac ∈ M, wenn A ∈ M.
(d) A ∩ B ∈ M, wenn A, B ∈ M.
(e)
T∞
i=0
Ai ∈ M, wenn Ai ∈ M ∀i.
(f ) Ai ↑ A (bzw. Ai ↓ A) und Ai ∈ M ∀i ⇒ A ∈ M.
(g) A = lim inf i Ai , B = lim sup Ai und Ai ∈ M ∀i =⇒ A, B ∈ M.
Beweis. (a), (b) und (c) wissen wir schon. (d) folgt aus A ∩ B = ((A ∩ B)c )c =
(Ac ∪ B c )c und (e) wird ähnlich bewiesen. (f) folgt aus (b) und (e). (g) folgt aus
(f).
2. Das Lebesgue-Mass
2.1. σ-Additivität und Masse
Das folgende ist das zweite Haupttheorem der Lebesgue Masstheorie. Es behauptet
die σ-Addivität des äusseren Lebesgue-Masses, wenn es auf die Lebesgue-messbaren
Mengen eingeschränkt wird.
Haupttheorem 2.1.1.
Sei {Ai }i∈N eine abzählbare Familie disjunkter messbarer Mengen Ai ⊂ Rn , d.h.
Ai ∩ Aj = ∅ für i 6= j. Dann gilt die σ-Additivität:
∞
∞
[
X
|Ai |e .
Ai =
i=0
i=0
e
Definition 2.1.2.
Die Einschränkung des äusseren Lebesgue-Masses |·|e auf die σ-Algebra M heisst
Lebesgue-Mass. Wir schreiben dafür |·|.
Allgemein haben wir die folgende Definition eines abstrakten Masses.
Definition 2.1.3.
Sei X eine Menge und A ⊂ P(X) eine σ-Algebra. Eine Abbildung µ : A → [0, +∞]
heisst ein Mass auf A, falls:
(∅) µ(∅) = 0;
(m) µ(A) ≤ µ(B) für A ⊂ B (Monotonie);
21
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
22
(σ) µ σ-additiv ist, d.h. die Identität
µ
∞
[
!
Ai
=
i=0
∞
X
µ(Ai )
i=0
für jede abzählbare Familie {Ai } ⊂ A disjunkter Mengen gilt.
Haupttheorem 2.1.1 besagt dann, dass das Lebesgue-Mass tatsächlich ein Mass
ist! Um dieses Theorem zu beweisen, brauchen wir das folgende Lemma:
Lemma 2.1.4.
Sei E messbar. Dann gilt: ∀ε > 0, ∃F abgeschlossen, so dass F ⊂ E und |E \F | < ε.
Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Da E c messbar ist, ∃G offen, so dass E c ⊂ G und
|G \ E c | < ε. Die gesuchte Menge ist dann F := Gc , welche abgeschlossen, in E
enthalten ist und E \ F = G \ E c . Deshalb ist
|E \ F | = |G \ E c | < ε .
Beweis von Haupttheorem 2.1.1. Seien {Ai } eine abzählbare Familie disjunkter messbarer Mengen. Aus der Subadditivität des äusseren Masses wissen wir schon, dass
∞
∞
[
X
A
≤
|Ai |
i
i=0
i=0
und somit brauchen wir nur die umgekehrte Ungleichung zu zeigen. Wir untersuchen
zuerst einen einfacheren Fall: Wir nehmen an, dass die Mengen Ai beschränkt sind.
Sei ε > 0 gegeben. Wir nutzen Lemma 2.1.4 und wählen für jede Menge Ai eine
abgeschlossene Menge Fi , so dass Fi ⊂ Ai und |Ai \ Fi | < ε2−i−1 . Wir bemerken,
dass Fi kompakt ist: Da Fi ⊂ Ai ist Fi auch beschränkt. Wir haben
∞
[
i=0
Ai ⊃
∞
[
i=0
Fi ⊃
N
[
Fi .
i=0
Falls nun i 6= j ist, dann ist Fi ∩ Fj ⊂ Ai ∩ Aj = ∅. Wir können nun Lemma 1.7.3
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
anwenden:
23
∞
N
N
N
[
X
X
X
|Fi | ≥
|Ai | − ε
2−i−1 ,
Ai ≥
i=0
i=0
i=0
i=0
wobei wir bei der letzten Ungleichung die Subadditivität des äusseren Masses benutzt haben. Nun ist
|Ai | ≤ |Fi | + |Ai \ Fi | ≤ |Fi | + ε2−i−1 .
Da N beliebig war, schliessen wir
∞ ∞
∞
∞
[ X
X
X
−i−1
|Ai | − ε
2
=
|Ai | − ε .
Ai ≥
i=0
i=0
i=0
i=0
Da ε auch eine beliebige positive Zahl war, haben wir die gesuchte Ungleichung:
∞ ∞
[ X
|Ai | .
Ai ≥
i=0
i=0
Wir sind nun bereit, den allgemeinen Fall zu beweisen. Sei Ai beliebig. Wir setzen
Ai,1 := Ai ∩ K1 (0) und Ai,j := Ai ∩ Kj (0) \ Kj−1 (0), falls j > 1. Die Familie {Ai,j }i,j
ist dann eine abzählbare Familie disjunkter messbarer Mengen. Zudem ist
Ai =
[
Ai,j .
j
Da jede Menge Ai,j beschränkt ist, folgt mit dem ersten Teil dieses Beweises, dass
!
∞
[
X
X X
X
|Ai,j | =
|Ai,j | =
|Ai | .
Ai =
i=0
i,j
i
j
i
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
24
2.2. Weitere Eigenschaften des Lebesgue-Masses
Wir fassen nun einige Eigenschaften des Lebesgue-Masses zusammen, welche alle
einfache Folgerungen der σ-Addivität sind:
Theorem 2.2.1. • Falls A und B mit B ⊂ A zwei messbare Mengen sind und
|B| < +∞, dann ist |A \ B| = |A| − |B|.
• Sei {Ai } eine monotone Folge von messbaren Mengen. Falls Ai ↑ A, dann gilt:
|A| = lim |Ai | .
(2.1)
i→∞
(2.1) gilt auch, wenn Ai ↓ A und |A1 | < ∞. (Aber ohne die letzte Annahme
kann (2.1) auch falsch sein!)
Beweis. Die erste Eigenschaft folg aus der Identität |A| = |B∪(A\B)| = |B|+|A\B|.
Sei nun {Ai } ⊂ M mit Ai ↑ A. Wegen der Monotonie des Lebesgue-Masses ist
ai := |Ai | eine wachsende Folge reeller Zahlen und besitzt somit einen Grenzwert.
Aus der Monotonie des Lebesgue-Masses folgt aber auch |A| ≥ |Ai |. Deswegen gilt:
• Falls lim ai = ∞ ist, haben wir |A| = ∞ und die Identität (2.1) ist trivial.
• Falls lim ai = a ist, so setzen wir B1 = A1 und Bj = Aj \ Aj−1 , falls j ≥ 2.
Aus dem ersten Teil des Satzes folgt: |B1 | = a1 und |Bj | = aj − aj−1 für j ≥ 2.
Mit der σ-Additivität schliessen wir
[ X
|A| = Bi =
|Bi | .
i
Die Reihe
P
i
i
|Bi | ist aber eine Teleskop-Reihe mit Wert a.
Sei nun Ai ↓ A mit |A1 | < ∞. Wir setzen Bi = A1 \ Ai . Dann haben wir Bi ↑ A1 \ A.
Damit folgt:
|A1 | − |A| = |A1 \ A| = lim |Bi | = lim (|A1 | − |Ai |) = |A1 | − lim |Ai |
i↑∞
und (2.1) ist gezeigt.
i↑∞
i↑∞
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
25
Bemerkung 2.2.2.
Wir geben nun ein Beispiel, das zeigt, dass auf die Voraussetzung |A1 | < ∞ bei
der zweiten Aussage des obigen Theorems nicht verzichtet werden kann: Sei Ai :=
Rn \ K1 (0). Dann gilt: Ai ↓ ∅, aber es ist leicht zu sehen, dass |Ai | = ∞ ∀i.
2.3. Charakterisierungen der Messbarkeit
Definition 2.3.1.
Eine Menge heisst Fσ -Menge, wenn sie die abzählbare Vereinigung abgeschlossener
S
Mengen ist, d.h. A = ∞
i=0 Fi mit Fi abgeschlossen ∀i ∈ N.
Theorem 2.3.2.
Sei E ⊂ Rn . Dann gilt:
1. E ist genau dann messbar, wenn
∃N eine Nullmenge und ∃Z eine Gδ -Menge, so dass E = Z \ N ;
(2.2)
2. E ist genau dann messbar, wenn
∃N eine Nullmenge und ∃Z eine Fσ -Menge, so dass E = Z ∪ N ;.
(2.3)
Beweis.
• (2.2) ⇒ messbar:
Z ist messbar, N ist messbar ⇒ Z \ N messbar.
• (2.3) ⇒ messbar:
Z ist messbar, N ist messbar ⇒ Z∪ N messbar.
• (2.2) ⇐ messbar:
Diese Implikation haben wir bereits bewiesen (siehe Korollar 1.5.6).
• (2.3) ⇐ messbar:
Sei E messbar. Dann ist auch Rn \E = E c messbar und somit gibt es eine Gδ Menge Y und eine Nullmenge N , so dass E c = Y \ N . Deshalb ist E = Y c ∪ N .
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
26
Das Komplement einer Gδ -Menge ist aber eine Fσ -Menge: Sei Gk offen, so dass
T
S
Y = Gk . Dann ist Z = Y c = Gck und jede Menge Gck ist abgeschlossen.
Als nächstes geben wir noch eine weitere wichtige Charakterisierung der Messbarkeit: Verschiedene Autoren verwenden (2.4) als Definition einer messbaren Menge.
Theorem 2.3.3 (Caratheodory-Kriterium).
E ⊂ Rn ist genau dann messbar, wenn
|A|e = |A ∩ E|e + |A \ E|e
∀A ⊂ Rn .
(2.4)
Beweis. E messbar ⇒ (2.4): Seien E eine messbare und A eine beliebige Menge.
Wir wählen eine Gδ -Menge H, so dass A ⊂ H und |A|e = |H|e ist. Da H messbar
ist, gilt:
|A|e = |H| = |H ∩ E| + |H \ E| ≥ |A ∩ E|e + |A \ E|e ,
wobei wir bei der letzten Ungleichung die Monotonie des äusseren Lebesgue-Masses
benutzt haben ((A ∩ E) ⊂ (H ∩ E) und (A \ E) ⊂ (H \ E)). Da die Ungleichung
|A|e ≤ |A ∩ E|e + |A \ E|e aufgrund der Subadditivität von | · |e gilt, folgt (2.4).
(2.4) ⇒ E messbar: Sei E ⊂ Rn eine Menge die (2.4) erfüllt. Als erstes untersuchen wir den Fall |E|e < +∞. Sei H eine Gδ -Menge mit E ⊂ H und |H|e = |E|e .
H ist messbar und aus dem ersten Teil des Beweises folgt, dass
|E|e = |H| = |H ∩ E|e + |H \ E|e = |E|e + |H \ E|e .
Aus |E|e < ∞ schliessen wir sofort, dass |H \ E|e = 0. Deswegen ist H \ E messbar
und somit ist es auch E.
Falls |E|e = +∞ definieren wit Ek := E ∩ Kk (0). Dann ist |Ek | ≤ |Kk (0)| < ∞.
Sei nun Hk eine Gδ -Menge mit Ek ⊂ Hk und |Hk |e = |Ek |e . Da Hk messbar ist und
Ek ⊂ Hk ∩ E gilt:
|Ek |e = |Hk |e = |Hk ∩ E|e + |Hk \ E|e ≥ |Ek |e + |Hk \ E|e .
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
27
Daher ist |Hk \ E|e = 0. Also ist Hk \ E eine messbare Menge. Weiter gilt:
!
[
Hk
\E =
[
k
(Hk \ E) .
k
Aber es ist auch
E=
[
Ek ⊂
k
[
Hk := H .
k
Da H eine messbare Menge ist, schliessen wir, dass auch E = H \ (H \ E) messbar
ist.
2.4. Lipschitz-Abbildungen und messbare Mengen
Theorem 2.4.1.
Sei T : Rn → Rn Lipschitz-stetig. Dann bildet T messbare Mengen auf messbare
Mengen ab. Zudem gilt:
√
|T (E)|e ≤ (2 nLip(T ))n |E|e
∀E ⊂ Rn .
(2.5)
Beweis. Da T stetig ist, bildet T kompakte Mengen auf kompakte Mengen ab. Sei
S
nun B eine Fσ -Menge, d.h. B = ∞
i=1 Fi mit Fi abgeschlossen. Wir setzen Fi,k :=
Fi ∩ Kk (0), wobei k ∈ N \ {0}. Jede Menge Fi,k ist kompakt und daher ist
T (B) =
∞
[
T (Fi,k )
i,k=1
auch eine Fσ -Menge.
Sei nun E eine messbare Menge. Wir wählen eine Fσ -Menge B und eine Nullmenge
N mit E = B ∪ N . Dann ist T (E) = T (B) ∪ T (N ) und es genügt, die Messbarkeit
von T (N ) zu beweisen. Wir behaupten nun, dass T (N ) eine Nullmenge ist: Dies
folgt aus der Ungleichung (2.5), die wir nun beweisen werden.
Wir bemerken folgendes:
(a) Falls I ein abgeschlossenes Intervall ist, dann ist T (I) kompakt und daher
messbar.
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
28
(b) Falls I ein Würfel mit Seitenlänge L ist, dann ist der Durchmesser von T (I)
√
kleiner als nLLip(T ). Deswegen ist T (I) in einem abgeschlossenen Ball mit
√
Radius nLLip(T ) enthalten. Dieser Ball ist wiederum in einem Würfel mit
√
√
Seitenlänge 2 nLLip(T ) enthalten. Also folgt: |T (I)| ≤ (2 nLip(T ))n |I|.
(c) Sei nun J ein offenes Intervall. Wir schreiben J als eine Vereinigung von sich
nicht überlappenden abgeschlossenen Würfeln Ij (Whitney Zerlegung). Sei Jj
der offene Kern von Ij . Wir wissen, dass |∂Ij | = 0. Deswegen ist
|T (J)|e ≤
∞
X
∞
∞
X
X
√
√
n
n
|Ij | = (2 nLip(T ))
|Jj |
|T (Ij )| ≤ (2 nLip(T ))
(b)
j=0
j=0
j=0
[ √
√
= (2 nLip(T ))n Jj ≤ (2 nLip(T ))n |J| .
j
(d) Sei schliesslich I ein abgeschlossenes Intervall. Für jede ε > 0 finden wir ein
offenes Intervall J mit I ⊂ J und |J| < |I| + ε. Deshalb
√
√
|T (I)| ≤ |T (J)|e ≤ (2 nLip(T ))n |J| ≤ (2 nLip(T ))n (|I| + ε) .
√
Für ε ↓ 0 schliessen wir |T (I)| = (2 nLip(T ))n |I|.
Sei nun E ⊂ Rn und ε eine beliebige positive Zahl. Dann wählen wir eine
abzählbare Überdeckung A = {Ij } von N mit abgeschlossenen Intervallen, so dass
X
v(Ij ) < |E|e + ε .
j
Wegen der σ-Subadditivität des äusseren Masses haben wir
|T (E)|e ≤
∞
X
|T (Ij )|e =
j=0
√
= (2 nLip(T ))n
∞
X
j=0
∞
X
j=0
Da ε beliebig war, folgt (2.5).
∞
X
√
n
|T (Ij )| ≤ (2 nLip(T ))
|Ij |
j=0
√
v(Ij ) < (2 nLip(T ))n (|E|e + ε) .
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
29
2.5. Transformationssatz für lineare Abbildungen
Wir geben nun eine Regel um |L(E)| zu berechnen wenn L eine lineare Abbildung
ist.
Theorem 2.5.1.
Sei L : Rn −→ Rn eine lineare Abbildung, d.h. L(x) = A · x. Dann ist |L(E)| =
| det A||E| für alle messbaren Mengen E ⊂ Rn .
Beispiel 2.5.2.
Sei n = 1. Eine lineare Abbildung hat dann die Gestalt L(x) = cx, wobei c eine
Konstante ist. O.B.d.A. sei c ≥ 0. Falls I = [a, b], dann ist |I| = b − a. L(I) = [ca, cb]
und daher |T (I)| = c|I| = det A|I|!
Die folgenden Lemmata sind Hilfsätze für den Beweis von Theorem 2.5.1. Im
Folgenden werden wir die gleichen Voraussetzungen wie in Theorem 2.5.1 annehmen,
d.h. L ist immer eine lineare Abbildung.
Bemerkung 2.5.3.
Es gilt: L ist nicht injektiv ⇔ det A = 0. In diesem Fall ist die Behauptung des
Theorems: |L(E)| = 0 für jede messbare Menge E.
Lemma 2.5.4.
Wenn det A = 0, dann ist |L(E)| = 0 für jede messbare Menge E ⊂ Rn .
Beweis. Wenn det A = 0 ist, dann ist L(Rn ) ⊂ V ein (n − 1)-dimensionaler Untervektorraum von Rn . Es ist einfach zu zeigen, dass |V | = 0 (finde für jedes ε > 0
eine Überdeckung A ∈ U(V ) mit σ(A) < ε. Noch leichter wird der Beweis, wenn wir
V als Vereinigung kompakter Mengen schreiben!). Deshalb ist |L(E)|e = 0 für alle
messbaren Mengen E ⊂ Rn .
Lemma 2.5.5.
Sei L injektiv. Falls |L(I)| = |det A||I| für alle offenen Intervalle I ist, dann ist
|L(E)| = | det A||E| für alle messbaren Mengen E ⊂ Rn .
Beweis. Sei L eine lineare Abbildung wie in Lemma 2.5.5 und sei I ein abgeschlossenes Intervall. Da L Lipschitz-stetig ist, ist |L(N )| = 0 für alle Nullmengen N (siehe
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
30
Theorem 2.4.1). Also folgt:
◦
L(∂I) = 0
|L(I)| = |L(I)| .
und
S
Sei nun Ω eine offene Menge und Ω = ∞
i=0 Ii eine Zerlegung in sich nicht
überlappende abgeschlossene Intevalle Ii (z.B. eine Whitney-Zerlegung). Dann haben wir
∞
∞
[
[
◦
L(Ω) =
L(Ii ) ⊃
L(I i ) .
i=0
i=0
◦
Wegen der Injektivität von L ist {L(I i )} eine Familie disjunkter messbarer Mengen
(die Messbarkeit folgt aus Theorem 2.4.1). Folglich ist
|L(Ω)| ≥
∞
X
◦
|L(I i )| =
i=0
∞
X
|L(Ii )| ,
i=0
wobei wir bei der letzten Ungleichung die Identität |L(∂Ii )| = 0 benutzt haben. Mit
der σ-Subadditivität erhalten wir
!
∞
∞
X
[
|L(Ii )| ≥ L
Ii = |L(Ω)| .
i=0
i=0
Also ist
|L(Ω)| =
∞
X
|L(Ii )|
i=0
und mit dem gleichen Argument folgt auch
|Ω| =
∞
X
|Ii | .
i=0
Aber da |L(Ii )| = | det A||Ii | ist, haben wir |L(Ω)| = | det A||Ω|.
Sei nun E messbar und ε > 0 gegeben. Wir setzen C := (4Lip(L)n)n . Dann
existiert eine offene Menge Ω, so dass E ⊂ Ω und |Ω\E| < ε. Zudem ist |L(E)| =
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
31
|L(Ω)| − |L(Ω\E)| = | det A||Ω| − |L(Ω\E)|. Mit Theorem 2.4.1 haben wir dann
L(E) − | det A||E| ≤ | det A|(|Ω − |E|) + |L(Ω \ E)|
≤ (| det A| + C)|Ω \ E| < (| det A| + C)ε .
Da ε eine beliebige positive Zahl war, folgt |L(E)| = | det A||E|.
Um Theorem 2.5.1 zu beweisen, brauchen wir noch einige wichtige Aussagen aus
der linearen Algebra. Als erstes definieren wir spezielle zweidimensionalen Drehungen
im Rn . Sei e1 , . . . en die Standardbasis des Rn , d.h.
ej = (0, . . . , |{z}
1 , . . . , 0) .
j-te Spalte
Eine lineare Abbildung L : Rn → Rn ist eine spezielle zweidimensionale Drehung,
wenn es i1 6= i2 ∈ {1, . . . , n} und einen Winkel θ gibt, so dass


 L(ej ) = ej
L(ei1 ) = cos θei1 + sin θei2


L(ei2 ) = − sin θei1 + cos θei2 .
∀j 6= i1 , i2
(2.6)
Die speziellen zweidimensionalen Drehungen sind Beispiele von orthogonalen Abbildungen, d.h. lineare Abbildungen L(x) = A · x, wobei A ∈ O(n) (d.h. eine orthogonale Matrix) ist. Eine Matrix A heisst orthogonal , wenn At ·A = Id. Es ist einfach
zu sehen, dass die orthogonalen Abbildungen jene lineare Abbildungen sind, die den
euklidischen Abstand erhalten, d.h. |L(x) − L(y)| = |x − y| ∀x, y ∈ Rn (es gibt sogar
einen berühmten Satz von Liouville, der aussagt, dass jede C 1 -Abbildung, die diese
Gleichung erfüllt, linear sein muss!).
Eine zweite wichtige Familie von orthogonalen Abbildungen ist die Familie der
Spiegelungen. Wir sagen, dass L eine spezielle Spiegelung ist, falls ∃j ∈ {1, . . . , n}
mit
(
L(ek ) = ek
∀k 6= j
(2.7)
L(ej ) = −ej .
Schliesslich heisst eine lineare Abbildung L(x) = D · x diagonal, wenn D eine
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
32
diagonale Matrix ist. Das Folgende ist ein klassischer Satz der Linearen Algebra.
Wir geben einen Beweis im Anhang A
Satz 2.5.6.
Für jede lineare Abbildung L : Rn → Rn finden wir zwei orthogonale Abbildungen
O1 , O2 und eine “diagonale” Abbildung, so dass L = O1 ◦ D ◦ O2 . Zudem ist jede
orthogonale Abbildung die Komposition endlich vieler spezieller zweidimensionaler
Drehungen und spezieller Spiegelungen.
Beweis des Theorems 2.5.1. Da wir den Fall, dass L nicht injektiv ist, schon behandelt haben, betrachten wir was passiert, wenn L injektiv ist.
Seien L1 und L2 zwei lineare Abbildungen und wir nehmen an, dass die Aussage
des Theorems für L1 und L2 (mit Li (x) = Ai · x) gilt. Wenn E eine messbare Menge
ist, dann haben wir
|L(E)| = |L1 (L2 (E))| = | det A1 ||L2 (E)| = | det A1 || det A2 ||E| = | det A||E| .
Wegen Satz 2.5.6 genügt es, die folgenden Fälle zu untersuchen: die diagonalen
Abbildungen, die speziellen zweidimensionalen Drehungen und die speziellen Spiegelungen. Da aber die speziellen Spiegelungen diagonale Abbildungen sind, reicht
es, wenn wir nur die anderen beiden Fälle untersuchen.
Fall 1. L(x) = D · x, wobei D eine Diagonalmatrix mit Dii = λi ist. Dieser
Fall ist ganz einfach. O.B.d.A. sei λi ≥ 0. Sei I = [a1 , b1 ] × . . . × [an , bn ]. Dann ist
|I| = (b1 − a1 ) · . . . · (bn − an ). Ausserdem ist L(I) = [λ1 a1 , λ1 b1 ] × . . . × [λn an , λn bn ]
und somit
|L(I)| = |λ1 |(b1 − a1 ) · . . . · |λn |(bn − an ) = |λ1 . . . λn ||I| = |det D||I| .
Mit Lemma 2.5.5 folgt die Behauptung des Theorems.
Fall 2. O.B.d.A. sei nach Umordnung der Variablen ei1 = en−1 , ei2 = en in (2.6).
Deswegen ist L(x) = R̃ · x, wobei R̃ die folgende Gestalt hat:
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass

33

1
..




R̃ = 



.





1

cos θ sin θ 

− sin θ cos θ
Wir definieren nun die Matrix
R :=
cos θ sin θ
− sin θ cos θ
!
(2.8)
und B : R2 → R2 als B(x) = R · x.
Sei nun I = [a1 , b1 ] × [a2 , b2 ] × . . . × [an , bn ] ein Intervall. Dann ist
L(I) = [a1 , b1 ] × . . . × [an−2 , bn−2 ] × B([an−1 , bn−1 ] × [an , bn ]) = J × K .
{z
} |
{z
}
|
=:J
=:K
◦
Sei {Ij } eine Whitney-Zerlegung des offenen Kerns K. Wir bemerken, dass
J × ∂K = L(J × ∂([an−1 , bn−1 ] × [an , bn ])) ⊂ L(∂I) .
Da ∂I eine Nullmenge ist, haben wir
◦
|J × K| = |J × K| = |L(I)|
und
J×]a
,
b
[×]a
,
b
[
n−1 n−1
n n = |I| .
Sei nun Ij = [a1 , b1 ] × . . . × [an−2 , bn−2 ] × Kj . Nun ist {Ij } auch eine Zerlegung von
◦
J × K in sich nicht überlappende Intervalle. Wenn v2 (Kj ) den zweidimensionalen
Inhalt von Kj bezeichnet, dann ist
◦
|L(I)| = |J × K| =
∞
X
i=0
|Ij | = (b1 − a1 ) · . . . · (bn−2 − an−2 )
∞
X
j=1
v2 (Kj ) .
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
34
P
Aber ∞
j=1 v2 (Kj ) ist das zweidimensionale Lebesgue-Mass von K. Weiter ist |I| =
(b1 − a1 )(b2 − a2 ) · . . . · (bn − an ). Deswegen müssen wir nur die Identität
◦
|K|2 = | det B|(bn−1 − an−1 )(bn − an )
zeigen, wobei | · |2 das Lebesgue-Mass in R2 bezeichnet. D.h. wir müssen das Lemma
für die lineare Abbildung B beweisen, wobei B(x) = R · x. In diesem Fall ist aber
◦
det B = 1 und das Ziel ist, |K| = |K| = (bn−1 − an−1 )(bn − an ) zu zeigen.
Das ist aber eine kleine elementare Übung: Zerlege K in ein Intervall und 6 Dreiecke wie in Abbildung 2.1. Wir haben dann |K| = |A1 | + |A2 | + |A3 | + |A4 | + |A5 | +
|A6 | + |A7 | (|∂Ai | = 0 für jedes i).
A1
A2
A7
A6
A3
A5
A4
Abbildung 2.1.: Die Zerlegung von K.
Wir brauchen nun die übliche Formel
|Ai | =
Basis · Höhe
2
∀i ∈ {1, . . . , 6} .
(2.9)
Um diese Formel zu beweisen sei zum Beispiel A = A1 . Für jedes N zerlegen wir die
Basis von A1 in 2N Intervalle mit gleicher Länge und betrachten die entsprechenden
Rechtecke wie in Abbildung 2.2. Sei BN die Vereinigung dieser Rechtecke.
Die Folge {BN } ist eine wachsende Folge messbarer Mengen. Sei B, so dass BN ↑
Kapitel 2. Das Lebesgue-Mass
35
Abbildung 2.2.: Die Vereinigung der Rechtecke ist BN .
B. Dann ist B auch messbar und
|B| = lim |BN | .
N →∞
Deshalb ist
|A| ≥ lim |BN | .
N →∞
Das Mass von BN ist aber die Summe der Masse der entsprechenden Rechtecke:
Wir sehen, dass |BN | eine Riemannsche Summe ist. Eine ähnliche Approximation
können wir von aussen machen und erhalten
|A| ≤ lim |CN |
N →∞
wobei auch |CN | eine Riemannsche Summe ist.
Die beiden Grenzwerte sind dann das Integral der gleichen affinen Funktion auf
einem Intervall und dies ergibt genau die Formel (2.9).
3. Lebesgue-messbare Funktionen
3.1. Definition der messbaren Funktionen
Im Vergleich zu allgemeinen Funktionen spielen die messbaren Funktionen die gleiche Rolle wie die messbaren Mengen im Vergleich zu allgemeinen Teilmengen des
Rn . Wir werden später sehen, dass die messbaren Funktionen jene Funktionen sind,
für die eine sinnvolle Definition des Integrals existiert. Die Familie der messbaren Funktionen ist bezüglich vieler Operationen und Grenzwerte “abgeschlossen”.
Zudem lassen sich die messbaren Funktionen gut mit stetigen Funktionen approximieren, so wie sich messbare Mengen gut mit offenen und abgeschlossenen Mengen
approximieren lassen.
Beispiel 3.1.1.
Sei {fk } eine Folge von stetigen Funktionen mit fn : [−1, 1] → R und



0
fn (x) :=
nx


1
∀x ∈ [−1, 0]
∀x ∈ [0, n1 ]
∀x ∈ [ n1 , 1]
(
lim fn (x) =
n→+∞
0
1
∀x ∈ [−1, 0]
∀x ∈]0, 1] .
Konvergiert diese Funktionenfolge gleichmässig? Nein, denn
kfn − f k = sup|fn (x) − f (x)| = 1 .
Die Familie der stetigen Funktionen ist abgeschlossen bezüglich der gleichmässigen
Konvergenz, aber der punktweise Grenzwert einer Folge stetiger Funktionen ist nicht
unbedingt stetig. Wir werden jedoch sehen, dass der punktweise Grenzwert einer
36
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
37
Folge von messbaren Funktionen wieder eine messbare Funktion ist.
In diesem Kapitel nutzen wir die Notation R für die Menge R ∪ {+∞, −∞}.
Definition 3.1.2.
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge und f : E → R. f heisst messbar genau dann,
wenn die Menge
f −1 (]a, +∞]) = {x ∈ E : f (x) > a}
∀a ∈ R
(3.1)
messbar ist.
Wir sagen, dass A ⊂ R offen ist, falls:
• ∀x ∈ A ∩ R: ∃ε > 0 mit ]x − ε, x + ε[⊂ A;
• falls +∞ ∈ A, dann ∃a ∈ R mit ]a, +∞] ⊂ A;
• falls −∞ ∈ A, dann ∃a ∈ R mit [−∞, a[⊂ A.
Wie üblich sagen wir, dass A ⊂ R abgeschlossen ist, wenn R \ A offen ist.
In diesem Kapitel benutzen wir oft die folgenden Eigenschaften:
• die σ-Algebra-Struktur der messbaren Mengen;
• die Tatsache, dass eine offene Menge A messbar ist;
• die Approximation messbarer Mengen mittels offener oder abgeschlossener
Mengen.
Theorem 3.1.3.
Sei f : E → R mit E messbar. Dann ist f genau dann messbar, wenn eine der
folgenden äquivalenten Aussagen gilt:
(i) {f ≥ a} ist messbar ∀a ∈ R;
(ii) {f < a} ist messbar ∀a ∈ R;
(iii) {f ≤ a} ist messbar ∀a ∈ R;
(iv) f −1 (A) ist messbar ∀A ⊂ R offen;
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
38
(v) f −1 (A) ist messbar ∀A ⊂ R abgeschlossen.
Beweis. Wir bemerken, dass:
• f messbar ⇒ (i), da
∞ \
{f ≥ a} =
k=1
1
f >a−
k
,
d.h. der Durchschnitt einer abzählbaren Familie messbarer Mengen.
• (i) ⇒ (ii), weil {f < a} das Komplement der Menge {f ≥ a} ist.
• (ii) ⇒ (iii), weil
∞ \
{f ≤ a} =
k=1
1
f <a+
k
.
• (iii) ⇒ f messbar, weil {f > a} das Komplement der Menge {f ≤ a} ist.
Es ist auch klar, dass
• (iv) ⇐⇒ (v), denn
A offen
⇐⇒
R \ A abgeschlossen .
• (iv) ⇒ f messbar, weil f −1 (]a, ∞]) das Urbild einer offenen Menge ist.
Daher genügt es, die Aussage “f messbar ⇒ (iv)” zu beweisen. Sei f eine messbare
Funktion und A eine offene Menge. Wir bemerken, dass aus (ii) und der Definition
der Messbarkeit folgt, dass f −1 (]a, b[) für alle a < b ∈ R messbar ist. Wir behaupten
S
nun, dass A = i∈N Ii , wobei
Ii =]ai , bi [,
oder
Ii =]ai , +∞],
oder
Ii = [−∞, bi [ .
Aus dieser Behauptung folgt die Messbarkeit von f −1 (A), weil
f −1 (A) =
[
i∈N
f −1 (Ii )
(3.2)
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
39
und jede Menge f −1 (Ii ) messbar ist.
Um die obige Darstellung von A zu erhalten, definieren wir die folgenden Mengen:
I := {(a, b) ∈ Q × Q :]a, b[⊂ A} ;
Hl := {a ∈ Q : [−∞, a[⊂ A} ;
Hr := {b ∈ Q :]b, +∞] ⊂ A} .
Wir zeigen nun, dass
A=
[
]a, b[ ∪
(a,b)∈I
[
[−∞, a[ ∪
a∈Hl
[
]b, +∞] .
b∈Hr
Die Inklusion “ ⊃ ” ist eine triviale Folgerung aus der Definition. Um die Inklusion
“ ⊂ ” zu zeigen, wählen wir ein x ∈ A. Falls x = +∞, dann ∃a ∈ R, so dass
]a, +∞] ⊂ A. Sei q > a, dann ist q ∈ Hr und +∞ ∈]q, +∞] ⊂ A. Dasselbe gilt für
x = −∞. Falls x ∈ R, dann gibt es a, b ∈ R mit x ∈]a, b[⊂ A Wir wählen dann
q ∈]a, x[∩Q und r ∈]x, b[∩Q und haben dann x ∈]q, r[⊂ A und (q, r) ∈ I.
Der letzte Teil des Beweis offenbart eine wichtige schwächere Definition von Messbarkeit.
Satz 3.1.4.
Sei D ⊂ R eine dichte Teilmenge. Sei f : E → R mit E ⊂ Rn messbar. Dann ist f
genau dann messbar, wenn
{f > a}
∀a ∈ D
(3.3)
messbar ist.
Entsprechende Formulierungen der Bedingungen (i), (ii) und (iii) des Theorems
3.1.3 sind auch äquivalente zur Messbarkeit von f .
Beweis. Die Messbarkeit impliziert (3.3). Sei nun f eine Funktion, die (3.3) erfüllt.
Sei a ∈ R. Für jedes n ∈ N \ {0} wählen wir ein an ∈]b, b + n1 [∩D. Wir haben dann
{f > b} =
∞
[
{f > an } .
n=1
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
40
{f > b} ist dann die Vereinigung einer abzählbaren Famile messbarer Mengen und
somit selbst messbar.
Definition 3.1.5.
Sei P (a) eine Aussage für reelle Zahlen a. Wir sagen, dass ”P fast überall”(kurz f.ü.)
gilt, wenn {a : P (a) ist falsch} eine Nullmenge ist.
Beispiel 3.1.6.
Fast alle reellen Zahlen sind irrational, weil |{a : a ist nicht irrational}|
= |Q| = 0: Denn jeder Punkt {x} ist eine Nullmenge und deshalb ist jede abzählbare
Menge als abzählbare Vereinigung von Nullmengen selbst eine Nullmenge. (Es ist
eine lehrreiche Übung, diese Aussage direkt mit der Definition des äusseren Masses
zu beweisen).
Beispiel 3.1.7.
Seien f, g : E → R zwei Funktionen. Die Aussage
f =g
fast überall
bedeutet
|{x : f (x) 6= g(x)}| = 0 .
Abbildung 3.1.: Zwei fast überall gleiche Funktionen.
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
41
Satz 3.1.8.
Seien f, g : E → R zwei Funktionen. Falls f messbar ist und f = g fast überall,
dann ist auch g messbar.
Beweis. Sei N := {f 6= g} und a eine gegebene reelle Zahl. Wir setzen
N1 := {g > a} \ {f > a}
und
N2 := {f > a} \ {g > a} .
Da N1 ⊂ N und N2 ⊂ N , handelt es sich bei diesen Mengen um Nullmengen.
Nullmengen sind messbar, wie wir bereits wissen. Schliesslich ist
{g > a} = N1 ∪ {f > a} \ N2 .
Nun ist {f > a} messbar wegen der Messbarkeit von f . Also ist auch {g > a}
messbar.
3.2. Eigenschaften messbarer Funktionen
Theorem 3.2.1.
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge.
(i) Sei f : E → R eine messbare Funktion und A ⊂ R eine Teilmenge mit f (E) ⊂
A. Falls Φ : A → R stetig ist, dann ist auch Φ ◦ f messbar.
(ii) Seien f : E → R und E 0 ⊂ E messbar. Dann ist die Einschränkung von f auf
E 0 (bezeichnet durch f |E 0 ) auch messbar.
(iii) Seien f1 , ..., fN : E → R messbare Funktionen und λ1 , ..., λN ∈ R. Dann ist
λ1 f1 + ... + λN fN eine messbare Funktion.
(iv) Seien f, g : E → R zwei messbare Funktionen. Dann sind auch f g und
f
: E \ {g = 0}
{z
}
g |
E0
messbar.
→
R
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
42
(v) Sei {fk } eine Folge von messbaren Funktionen. Dann sind supk fk und inf k fk
auch messbar.
(vi) Sei {fk } wie in (v). Dann sind lim inf k→+∞ fk und lim supk→+∞ fk auch messbar. Deshalb gilt auch: Wenn f (x) = limk→+∞ fk (x) fast überall existiert, so
ist f messbar.
Bemerkung 3.2.2.
(iii) und (iv) gelten auch für messbare Funktionen mit Wertebereich R: Man muss
nur die Definitionsbereiche der Funktionen λ1 f1 +. . .+λn fn und fg einschränken (der
entsprechende Definitionsbereich enthält jene x, für die die Operationen λ1 f1 (x) +
(x)
wohldefiniert sind). Der Beweis ist ganz ähnlich und wird
. . . + λn fn (x), bzw. fg(x)
dem/der Leser/in überlassen.
Bemerkung 3.2.3.
Es kann sein, dass die Menge der Punkte, wo die Operationen bzw. der Grenzwert,
nicht definiert sind, eine Nullmenge ist. Die entsprechende Funktion hat deshalb
einen kleineren Definitionsbereich E 0 , aber |E \ E 0 | = 0. In diesem Fall erlauben
wir uns einen Missbrauch der Notation: Wir bezeichnen den Definitionsbereich der
neuen Funktion trotzdem mit E.
Bemerkung 3.2.4.
Sei A ⊂ R und Φ : A → R eine stetige Funktion. Im nächsten Beweis nutzen wir folgende wichtige Eigenschaft: Für jede offene Menge U ⊂ R gibt es eine offene Menge
B ⊂ R, so dass Φ−1 (U ) = A ∩ B. Beweisen Sie diese Aussage! Das motiviert die
folgende Definition: Wenn X ein topologischer Raum ist und Y ⊂ X eine Teilmenge,
so können wir eine Topologie auf Y wie folgt definieren: Eine Teilmenge Z ⊂ Y ist
genau dann offen, wenn ∃B ⊂ X offen mit Z = B ∩ Y . Beweisen Sie, dass dadurch
tatsächlich eine Topologie definiert wird.
Beweis. (i) Sei a ∈ R eine gegebene Zahl und U :=]a, ∞]. Wir haben dann
(Φ ◦ f )−1 (]a, +∞]) = (Φ ◦ f )−1 (U ) = f −1 (Φ−1 (U )) .
Da Φ stetig ist, ist Φ−1 (U ) eine offene Teilmenge von A. Das bedeutet, dass eine
offene Teilmenge B in R existiert, so dass Φ−1 (U ) = B ∩ A. Deswegen ist (Φ ◦
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
43
f )−1 (]a, +∞]) = f −1 (B) und aus der Aussage (iv) des Theorems 3.1.3 folgt, dass
(Φ ◦ f )−1 (U ) eine messbare Menge ist.
0
−1
(ii) Sei a ∈ R. Dann ist f |−1
(]a, ∞]). Daher ist die Aussage
E 0 (]a, ∞]) = E ∩ f
trivial.
(iii) Es genügt zu zeigen, dass
(a) f1 , f2 : E → R messbar ⇒ f1 + f2 messbar;
(b) f : E → R messbar und λ ∈ R ⇒ λf messbar.
Wir beweisen zuerst (a). Sei g := f1 + f2 und a eine gegebene Zahl. Wir definieren
die Menge P := {(q1 , q2 ) ∈ Q2 : q1 + q2 > a}. Wir behaupten nun:
{g > a} =
[
{f1 > q1 } ∩ {f2 > q2 } .
(3.4)
(q1 ,q2 )∈P
Aus (3.4) folgt, dass {g > a} die Vereinigung einer abzählbaren Familie messbarer
Mengen ist und somit selbst messbar ist. Um (3.4) zu beweisen, bemerken wir folgendes: Wenn f1 (x) > q1 , f2 (x) > q2 und (q1 , q2 ) ∈ P , dann ist f1 (x) + f2 (x) > q1 + q2 >
a. Das beweist die Inklusion “ ⊃ ” in (3.4). Sei nun x ∈ R, so dass f1 (x) + f2 (x) > a
ist. Wir setzen
f1 (x) + f2 (x) − a
ε :=
.
2
Sei q1 ∈ Q∩]f1 (x) − ε, f1 (x)[ und q2 ∈ Q∩]f2 (x), f2 (x) + ε[. Dann ist (q1 , q2 ) ∈ P
und x ∈ {f > q1 } ∩ {f > q2 }. Das beweist die Inklusion “ ⊂ ” in (3.4).
Sei nun λ ∈ R und f messbar. Wir definieren Φ : R → R als Φ(x) := λx. Dann
ist λf = Φ ◦ g und somit ist (b) eine Folgerung von (i).
(iv) Wie oben nehmen wir an, dass f (E), g(E) ⊂ R. Aus (i) und (iii) folgt, dass
f , g 2 und (f + g)2 messbar sind. Zudem folgt aus (iii), dass
2
1
1
1
f g = (f + g)2 − f 2 − g 2
2
2
2
messbar ist.
Wir bemerken auch, dass g −1 ({0}) und E 0 = E \ g −1 ({0}) messbar sind. Deshalb
sind auch h = f |E 0 und ζ = g|E 0 messbar. Die Abbildung Φ : R \ {0} 3 x 7→ x1 ∈ R
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
44
ist stetig. Da ζ(E 0 ) ⊂ R \ {0} folgt die Messbarkeit von
ist hζ als Produkt messbarer Funktionen messbar.
1
ζ
= Φ ◦ ζ aus (i). Schliesslich
(v) Als erstes zeigen wir die Messbarkeit des Supremums, die wir anschliessend
für die Messbarkeit des Infimums verwenden können. Sei nun f (x) := supk∈N fk (x)
und a ∈ R. Es gilt
[
{f > a} = {fk > a}
k
und aus der Messbarkeit von {fk > a} folgt die Messbarkeit von {f > a}. Um
die Messbarkeit von f (x) := inf k∈N fk (x) zu zeigen, nutzen wir die Messbarkeit des
Supremums, indem wir folgenden Zusammenhang anwenden:
inf fk (x) = − sup −fk (x) .
k∈N
k∈N
Dies impliziert dann
(iii)
fk ist messbar ∀ k ∈ N =⇒ − fk ist messbar ∀ k ∈ N
=⇒ sup −fk ist messbar
k∈N
(iii)
=⇒ − sup −fk = inf fk ist .
k∈N
k∈N
(In diesem Fall brauchen wir aber die Aussage (iii) für Fuktionen mit Wertbereich
R, siehe Bemerkung 3.2.2.)
(vi) Um dies zu zeigen, bedienen wir uns einer alternativen Definition von lim inf
und lim sup, um dann (v) zu nutzen:
(∗)
z }| {
lim inf fk (x) = sup inf fj (x) .
k→∞
k∈N j≥k
|
{z
}
(∗∗)
Nun gilt nach (v), dass (∗) messbar ist und damit ist auch (∗∗) messbar, woraus die
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
45
Behauptung folgt. Mit dem gleichen Argument folgt auch, dass
lim sup fk (x) = inf sup fj (x)
k∈N j≥k
k→∞
messbar ist.
3.3. Approximationssatz mit einfachen Funktionen
In diesem Kapitel werden wir die Grundlagen für die Definition eines Integrals für
messbare Funktionen erarbeiten. Obwohl die Theorie für viel allgemeinere Funktionen entwickelt wird als beim Riemann-Integral, sind trotzdem einige Gemeinsamkeiten ersichtlich. Vereinfacht könnte man sagen:
Die Rolle der Regelfunktionen übernehmen nun die messbaren Funktionen und
die einfachen Funktionen lösen die Treppenfunktionen ab. Ganz in Analogie zum
Riemann-Integral existiert ein Approximationssatz für messbare Funktionen mittels
einfacher Funktionen.
Definition 3.3.1.
Sei E ⊂ Rn eine beliebige Menge. Die Indikatorfunktion von E, auch charakteristische Funktion von E genannt, ist definiert als:
1E (x) :=

1,
falls x ∈ E
0,
falls x ∈
/ E.
Beispiel 3.3.2.
Der Graph einer Indikatorfunktion ist in Abbildung 3.2 dargestellt.
Lemma 3.3.3.
Sei E ⊂ Rn . Dann gilt:
1E ist messbar ⇐⇒ E ist messbar .
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
46
Abbildung 3.2.: Die Indikatorfunktion der Vereinigung einiger Intervalle.
Beweis. Betrachte die Menge {1E > a}, a ∈ R. Es gilt:



∅


{x ∈ Rn | 1E (x) > a} = E



R n
a≥1
0≤a<1
a<0
Da ∅ und Rn messbar sind, ist das Lemma trivial.
Definition 3.3.4.
Eine Funktion f : Rn → R heisst einfach, wenn es Mengen E1 , . . . , EN ⊂ Rn und
Zahlen λ1 , . . . , λN ∈ R gibt, so dass
f=
N
X
λi 1Ei .
i=1
Beispiel 3.3.5.
Seien Ei Intervalle in R. Dann ist eine einfache Funktion eine Treppenfunktion, d.h.
Treppenfunktionen sind messbar.
Satz 3.3.6 (Approximationssatz). (i) Für jede Funktion f : E → R existiert eine
Folge von einfachen Funktionen {fk }, so dass f (x) = limk→∞ fk (x) ∀x ∈ E.
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
47
Abbildung 3.3.: Treppenfunktion als Beispiel für eine einfache Funktion.
(ii) Für jede Funktion f : E → R mit f ≥ 0 existiert eine monotone Folge {fk }
nicht-negativer einfacher Funktionen, so dass fk (x) ↑ f (x) ∀x ∈ E.
(iii) Wenn f in (i) und (ii) messbar ist, dann können wir für die Approximation
messbare Funktionen fk wählen.
Beweis. Beweisen wir zuerst (ii), um dann dieses Resultat für den Beweis der beiden
anderen Aussagen zu nutzen.
(ii) Das Ziel ist nun, eine solche Folge explizit zu konstruieren. Dazu sei k ∈ N
gegeben. Wir definieren

 j−1 , falls j−1 ≤ f (x) <
2k
2k
fk (x) :=
k,
falls f (x) ≥ k .
j
2k
für ein j ∈ {1, . . . , k · 2k }
(3.5)
In dieser Definition liegt ein wesentlicher Unterschied zur Theorie des RiemannIntegrals: Während man dort die Zerlegung auf der x-Achse vornimmt, zerlegt
man hier die y-Achse, wodurch man starke Schwankungen einer Funktion viel
besser in den Griff bekommt. Darin sieht man einen Teil der Überlegenheit
der neuen Theorie gegenüber der früher formulierten (das Riemann-Integral).
Bei der Erhöhung von k auf k + 1 werden die Intervalle auf der y-Achse halbiert und die obere Grenze höher gesetzt. So kriegt man zum einen bei jedem
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
48
fk
f
Abbildung 3.4.: Die definierte Funktion fk .
Schritt eine Verfeinerung der Approximation und zum andern einen grösseren
Wertebereich bezüglich der y-Achse. Dabei gilt nun wie gewünscht die Monotonie, da aus der Definition von fk folgt: fk+1 ≥ fk . Zu zeigen bleibt nun
die Konvergenz von fk (x) → f (x): Falls f (x) = +∞, dann ist fk (x) = k und
limk→∞ fk (x) = +∞. Falls f (x) ∈ [0, ∞[, ∃ N ∈ N, so dass f (x) < N , d.h.
j−1
j
≤ f (x) ≤ N
N
2
2
j
j−1
1
=⇒ |f (x) − fN (x)| = f (x) − fN (x) ≤ N − N = N .
|
{z
}
2
2
2
∃ j ∈ {1, . . . , N · 2N }, so dass
≥0
Daraus folgt die Konvergenz der Folge {fk }.
(i) Sei nun f : E → R. Um (ii) nutzen zu können, definieren wir
f + (x) := max{f (x), 0},
f − (x) := max{−f (x), 0} .
Mit diesen Definitionen gilt f = f + − f − mit f + , f − ≥ 0
Nun können wir (ii) anwenden:
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
49
f+
−f −
Abbildung 3.5.: Die Funktionen f + und f − .
Sei {fk+ } die Approximation von f + und {fk− } die Approximation von f − ,
konstruiert nach dem Verfahren in (ii). Dann gilt:
fk := fk+ − fk− ist eine einfache Funktion ∀ k ∈ N und fk → f .
(iii) Wir behandeln zuerst den Fall einer messbaren Funktion f ≥ 0 und {fk } mit
der Approximation wie im Beweis von (ii). Dann gilt:
k
fk =
k·2
X
j−1
j=1
2k
· 1 j − 1
2k
|
j + k1f ≥k ,
≤f < k
2
{z
}
(∗)
d.h. es handelt sich um eine Linearkombination von Indikatorfunktionen.
Weiter gilt nach Lemma 3.3.3:
1(∗) ist messbar ⇐⇒ (∗) messbar.
(∗) ist aber wegen der Messbarkeit von f messbar. Deshalb ist fk messbar
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
50
∀ k ∈ N, womit der Fall f ≥ 0 gezeigt ist.
Für den allgemeinen Fall verfahren wir gleich wie im Beweis von (iii), d.h. mit
den Definitionen der Funktionen f + und f − . Dann gilt:
f + , f − sind messbar =⇒ fk+ , fk− sind messbar =⇒ fk+ − fk− ist messbar,
woraus die Behauptung folgt.
3.4. Die Sätze von Egorov und Lusin
Satz 3.4.1 (Satz von Egorov).
Sei E ⊂ Rn eine messbare Teilmenge mit |E| < +∞ und fk : E → R eine Folge
messbarer Funktionen, die fast überall gegen eine Funktion f konvergiert. Dann gilt:
∀ ε > 0, ∃ K ⊂ E abgeschlossen, so dass
(i) |E \ K| < ε;
(ii) fk |K → f |K gleichmässig, d.h. limk→∞ (supx∈K |fk (x) − f (x)|) = 0.
Satz 3.4.2 (Satz von Lusin).
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge und sei f : E → R eine messbare Funktion. Dann
gilt: ∀ ε > 0, ∃ K ⊂ E abgeschlossene, so dass
(i) |E \ K| < ε;
(ii) f |K eine stetige Funktion ist.
Bemerkung 3.4.3.
Aus einem klassischen Satz der Topologie (das Lemma von Tietze) folgt, dass jede stetige Funktion f : K → R, mit K ⊂ Rn abgeschlossen, auf dem ganzen
Euklidischen Raum fortgesetzt werden kann. Wir bekommen deshalb eine weitere
Formulierung des Satzes von Lusin:
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
51
• Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge und f : E → R eine messbare Funktion.
Dann gilt: ∀ ε > 0 existiert eine stetige Funktion g : Rn → R, so dass:
{x ∈ E : f (x) 6= g(x)} < ε .
Beweis von Satz 3.4.1. Gemäss Voraussetzung gilt: limk→∞ fk (x) = f (x) für fast
alle x ∈ E. Wir definieren folgenden Mengen für k ∈ N, n ∈ N \ {0}:
Ek,n
1
:= x ∈ E : |fj (x) − f (x)| <
∀j > k .
n
S
Dann ist Ek,n ⊂ Ek+1,n und k Ek,n = E \ N , wobei |N | = 0, da die Folge der
Funktionen fast überall konvergiert und somit N ⊂ {x ∈ E | fk (x) 9 f (x)}. Da
|E| < +∞ ist, gilt:
∀ ε > 0,
∃ m ∈ N, so dass |E \ Em,n | <
ε
2n+1
.
Aber Vorsicht: m ist von n abhängig, deshalb schreiben wir m(n).
ε
O.B.d.A. sei nun Fn eine abgeschlossene Teilmenge, so dass |Em(n),n \ Fn | < 2n+1
.
Dies ist möglich, weil jede messbare Menge, und damit auch Em(n),n , beliebig genau
durch eine abgeschlossene Menge approximiert werden kann. Damit folgt:
|E \ Fn | <
ε
2n
und
x ∈ Fn ⇒ |fk (x) − f (x)| <
1
n
∀ k > m(n) .
T
Wir definieren nun die Menge K := n≥1 Fn , die der abzählbare Durchschnitt abgeschlossener Menge ist und somit selbst abgeschlossen ist. Dann folgt schliesslich:
∞
X
ε
|E \ K| = |E \
= ε,
Fn | = | (E \ Fn )| ≤
|E \ Fn | <
2n
n=1
n=1
n=1
n≥1
\
∞
[
∞
X
womit Teil (i) bewiesen ist.
Es bleibt noch die gleichmässige Konvergenz von fk |K zu zeigen. Das heisst anders
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
52
formuliert:
∀ δ > 0,
∃ M ∈ N, so dass |fk (x) − f (x)| < δ
∀k > M .
(3.6)
Wir zeigen nun die Formulierung (3.6): Sei δ > 0 gegeben. Wir wählen ein n ∈ N,
so dass n1 < δ. Da K ⊂ Fn ist, gilt:
|fk (x) − f (x)| <
1
n
∀ x ∈ K, ∀ k > m(n) .
Setzen wir nun M := m(n), so haben wir (3.6) gezeigt.
Bemerkung 3.4.4 (Plan zum Beweis von Satz 3.4.2 (Satz von Lusin)).
Um den Satz von Lusin zu beweisen, wollen wir Satz 3.4.1 (Satz von Egorov) anwenden: Wenn eine Folge von stetigen Funktionen gleichmässig konvergiert, dann
ist auch der Grenzwert eine stetige Funktion.
Um den Beweis übersichtlicher zu gestalten, beweisen wir den Satz von Lusin
zuerst für einfache Funktionen. Anschliessend wenden wir den Approximationssatz
an, um auf die allgemeine Version des Satzes von Lusin zu schliessen.
Lemma 3.4.5 (Satz von Lusin für einfache Funktionen).
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge und f : E → R eine einfache Funktion. Dann
gilt: ∀ ε > 0, ∃ K ⊂ E abgeschlossen, so dass
(i) |E \ K| < ε;
(ii) f |K eine stetige Funktion ist.
Beweis. Zuerst zeigen wir den Fall (1): |E| < +∞, um dann mit einer geschickten
Zerlegung in Teilmengen den Fall (2): |E| = +∞ darauf zurückführen zu können.
1. Sei also |E| < +∞ und f : E → R eine einfache Funktion. O.B.d.A. sei {Ei }
eine endliche disjunkte Zerlegung von E, d.h. Ei ∩ Ej = ∅ ∀ i 6= j, so dass:
f=
N
X
i=1
λi 1Ei .
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
53
Eine solche endliche Zerlegung existiert, da f eine einfache Funktion ist. Falls
man noch keine disjunkte Zerlegung von E hat, teilt man solange weiter, bis die
Teilmengen disjunkt sind. Benutze dazu folgende Idee, illustriert am Beispiel
zweier nicht-disjunkten Teilmengen:
f = λ1 1E1 + λ2 1E2 = λ1 1E1 \E2 + λ2 1E2 \E1 + (λ1 + λ2 ) 1E1 ∩E2 .
Seien nun K1 , . . . , KN kompakte Mengen mit Ki ⊂ Ei und |Ei \Ki | < Nε für ein
ε > 0. Solche Mengen existieren, da E beschränkt ist und eine messbare Menge
beliebig gut durch eine abgeschlossene approximiert werden kann. Weiter sei
K := K1 ∪ · · · ∪ KN . Dann gilt:
N
N
[
X
ε
= ε.
|E \ K| ≤ (Ei \ Ki ) =
|Ei \ Ki | < N ·
N
i=1
i=1
Das heisst (i) ist gezeigt. Daraus folgt nun auch Teil (ii):
f |K ist stetig, da

f |
Ki
stetig ist, da konstant;
K ∩ K = ∅ für i 6= j und kompakt, d.h. d(K , K ) > 0 .
i
j
1
2
2. Sei nun |E| = ∞. Wir setzen nun wie schon oft
E1 = E ∩ K1 (0) und Ek := E ∩ (Kk (0) \ Kk−1 (0)) für k ∈ N, k ≥ 2.
S
Dann ist Ei ∩ Ej = ∅ für i 6= j und E = ∞
k=1 Ek . So lässt sich Fall (1) auf
jede Menge Ek mit 2−k ε anwenden. Für jedes i haben wir disjunkte kompate
Teilmengem K1i , . . . , KNi i ⊂ Ei mit |Ei \ ∪` K`i | < 2−i ε von Ei so dass f |K`i
konstant ist. Aber es ist auch leicht zu sehen, dass Ksi ∩ Krj = ∅, wenn i 6= j.
Deswegen können wir das obige Argument anwenden und die Stetigkeit der
Einschränkung der Funktion f auf der Menge
K :=
∞
[
Ni
[
i=1
`=1
!
K`i
=:
∞
[
i=1
Ki
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
54
schliessen. Das beweist die gesuchte Aussage, weil
∞
∞
[
X
X
ε
|E \ K| = Ei \ K i =
|Ei \ K i | <
= ε.
2i
i
i=1
i=1
Beweis von Satz 3.4.2 gemäss Bemerkung 3.4.4. Sei |E| < ∞. Plan für den Beweis:
1. Eine Folge von einfachen Funktionen finden, so dass fk → f ;
2. Eine Menge K 0 finden, so dass |E \ K 0 | <
ε
2
und fk |K 0 ∀k stetig ist;
3. Den Satz von Egorov anwenden: ∃K 00 , so dass |K 0 \ K 00 | <
gleichmässig konvergiert.
ε
2
und fk |K 00
Dann folgt, dass {fk |K 00 } → g, wobei g eine stetige Funktion ist. Da aber
lim fk (x) = f (x) ,
k→+∞
muss f (x) = g(x) ∀x ∈ K 00 und somit ist f |K 00 stetig. Gehen wir der Reihe nach:
1. ∃{fk } Folge von messbaren einfachen Funktionen, so dass limk→+∞ fk (x) =
f (x) (siehe Satz 3.4.5 und den Beweis dazu).
2. Mit Lemma 3.4.5 folgt: ∀k ∈ N, ∃Fk , so dass |E \ Fk | < 2ε · 2−k und fk |Fk stetig
T
ist. Sei nun K 0 := ∞
k=1 Fk . Dann ist
• fk |K 0 stetig;
P
• |E \ K 0 | ≤ ∞
k=1 |E \ Fk | <
ε
2
·
Pn
k=1
2−k = 2ε .
3. ist eine Folgerung von Satz 3.4.1 (Satz von Egorov).
Der Fall |E| = ∞ wird dem/der Leser/in als Übung gelassen.
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
55
3.5. Konvergenz nach Mass
Definition 3.5.1.
Seien f und {fk }k∈N messbare reellwertige Funktionen.
Wir sagen, {fk } konvergiert nach Mass gegen f genau dann, wenn
lim |{x ∈ E : |fk (x) − f (x)| > ε}| = 0
k→+∞
∀ε > 0 .
Satz 3.5.2.
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge mit |E| < +∞. Wenn fk → f fast überall, dann
konvergiert fk gegen f nach Mass.
Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Wir wenden das Theorem von Egorov an: Für δ > 0
wählen wir eine abgeschlossene Menge F , so dass
• |E \ F | < δ;
• fk |F gleichmässig gegen f |F konvergiert.
⇒ ∃N , so dass |fk (x) − f (x)| < ε ∀x ∈ F und ∀k > N . Deshalb ist
{x ∈ E : |fk (x) − f (x)| > ε} ⊂ (E \ F ) ∀k > N .
Dies impliziert, dass
|{x ∈ E : |fk (x) − f (x)| > ε}| < δ
∀k > N .
Da δ > 0 beliebig war, folgt:
lim |{x ∈ E : |fk (x) − f (x)| > ε}| = 0 .
k→+∞
Satz 3.5.3.
Seien {fk } und f , so dass fk nach Mass gegen f konvergiert. Dann existiert eine
Teilfolge {fkl }, so dass fkl → f fast überall.
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
56
Beweis. Da die Folge {fk } nach Mass gegen f konvergiert, gilt: ∀j ∈ N, ∃Kj , so
dass
1
x ∈ E : |fk (x) − f (x)| >
< 2−j ∀k ≥ Kj .
j Sei ni = max{i, Ki }. Wir betrachten nun die Teilfolge {fni } und definieren die
Mengen
[
1
.
Ej :=
x ∈ E : |fnk (x) − f (x)| >
k
k>j
Dann ist
X
X
1
|Ej | ≤
| x ∈ E : |fnk (x) − f (x)| >
|<
2−k = 2−j .
k
k>j
k>j
S
0
−j
und deshalb |E \ E 0 | = 0.
Sei nun E 0 := ∞
j=1 E \ Ej . Dann ist |E \ E | ≤ |Ej | < 2
Schliesslich zeigen wir, dass
lim fnk (x) = f (x)
k→+∞
∀x ∈ E 0 .
Sei also x ∈ E 0 . Dann ∃j ∈ N, so dass x ∈ E \ Ej und damit haben wir
[
1
,
x∈
/
x ∈ E : |fnk (x) − f (x)| >
k
k>j
d.h.
|fnk (x) − f (x)| ≤
1
k
∀k > j .
Also folgt:
lim |fnk (x) − f (x)| = 0 .
k→+∞
Definition 3.5.4.
Eine Folge messbarer Funktionen {fk } erfüllt die Cauchy-Bedingung für die Kon-
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
57
vergenz nach Mass genau dann, wenn
∀ε > 0, ∀δ > 0, ∃N ∈ N, so dass |{x : |fk (x) − fl (x)| > ε}| < δ
∀k, l > N .
(3.7)
Satz 3.5.5.
{fk } konvergiert nach Mass ⇐⇒ (3.7) gilt.
Beweis. “=⇒”: Sei {fk } eine Folge, die nach Mass gegen f konvergiert und seien
ε, δ > 0 gegeben. Dann ∃N ∈ N, so dass
n
ε o δ
∀k > N .
x
:
|f
(x)
−
f
(x)|
>
<
k
2
2
Seien nun k, l > N und wir nehmen an, dass |fk (x) − fl (x)| > ε. Dann ist
|fk (x) − f (x)| + |fl (x) − f (x)| > ε .
Also folgt:
{x : |fk (x) − fl (x)| > ε} ⊂
n
εo n
ε o
x : |fk (x) − f (x)| >
∪ x : |fl (x) − f (x)| >
.
2
2
Deshalb ist
|{|fk − fl | > ε}| <
δ δ
+ = δ.
2 2
“⇐=”: Sei {fk } eine Folge, die (3.7) erfüllt. Als erstes bemerken wir, dass die
Konvergenz einer Teilfolge genügt: Denn sei {fnk } eine Teilfolge, die nach Mass
gegen f konvergiert. Weiter seien ε, δ > 0 gegeben. Dann haben wir
n
ε o δ
∃N : x : |fnk (x) − f (x)| >
∀nk > N
<
2
2
n
ε o δ
∃M : x : |fl (x) − fi (x)| >
∀l, i > M .
<
2
2
(3.8)
(3.9)
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
58
Sei nun N0 := max{N, M }. ∀l > N0 wählen wir nk > N0 . Dann ist
n
ε o
|{x : |fl (x) − f (x)| > ε}| ≤ x : |fl (x) − fnk (x)| >
2 }
|
{z
(3.9)
<
δ
2
n
ε o
+ x : |fnk (x) − f (x)| >
< δ.
2 }
|
{z
(3.8)
<
δ
2
Folglich ist
lim |{x : |f` (x) − f (x)| > ε}| = 0 .
`→+∞
Wir wählen nun eine konvergente Teilfolge. ∀j ∈ N sei nj ≥ j, so dass
1
x : |fk (x) − fl (x)| >
< 2−j ∀k, l ≥ nj .
j
2 (3.10)
{fnj } ist also die gesuchte Folge. Wir definieren:
El :=
[
x : |fnj+1 (x) − fnj (x)| > 2−j
j>l
und
E0 =
∞
[
E \ E` .
`=1
Wir haben dann
|E` | ≤
X
(3.10) X −j
| x : |fnj+1 (x) − fnj (x)| > 2−j | <
2 = 2−` .
j>`
j>`
Deswegen ist |E \ E 0 | ≤ |E` | = 2−` ∀` und somit |E \ E 0 | = 0.
Sei nun x ∈ E 0 . Dann ∃` mit x ∈ E \ E` . {fnj (x)} ist dann eine Cauchy-Folge,
weil
|fnj (x) − fni (x)| ≤
i−1
X
m=j
|fnm (x) − fnm+1 (x)| <
∞
X
m=j
2−m ≤ 2−j+1
∀i > j > ` .
Kapitel 3. Lebesgue-messbare Funktionen
59
Deswegen können wir die Funktion
f (x) := lim fnj (x)
j→+∞
∀x ∈ E 0
definieren. Wir setzen dann f (x) := 0, wenn x 6∈ E 0 . Da fk → f f.ü., ist f messbar.
Zudem ist
|f (x) − fnj (x)| ≤ 2−j
∀j > `, ∀x ∈ E \ E` .
Deshalb folgt:
E \ {x : |f (x) − fn (x)|∀j ≥ `} ≤ 2−` .
j
Also konvergiert {fkl } nach Mass gegen f und somit auch {fk }.
4. Das Lebesgue-Integral
4.1. Definition des Lebesgue-Integrals
Definition 4.1.1.
Sei f : E → [0, +∞]. Dann heisst
Γ(f, E) := {(x, f (x)) ∈ E × R : f (x) < +∞}
der Graph von f und
(
R(f, E) :=
0 ≤ y ≤ f (x), falls f (x) < +∞
(x, y) ∈ E × R :
0 ≤ y < +∞, falls f (x) = +∞
)
bezeichnet die Menge der Punkte, die zwischen der x-Achse und dem Graph der
Funktion liegen, d.h. die Region der Funktion f .
Theorem 4.1.2.
Sei E eine messbare Menge und f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion. Dann ist
R(f, E) messbar und Γ(f, E) eine Nullmenge.
Definition 4.1.3.
Sei E eine messbare Menge und f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion. Das
Lebesgue-Integral von f ist dann wie folgt definiert:
Z
f := |R(f, E)| .
(4.1)
E
Um Theorem 4.1.2 zu beweisen, brauchen wir das folgende Hilfslemma. Wir werden nun Mengen in Rn und in Rn+1 betrachten. Wenn E ⊂ Rn ist, dann ist |E| das
60
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
61
n-dimensionale Lebesgue-Mass von E. Wenn F ⊂ Rn+1 , dann ist |F | das (n + 1)dimensionale Lebesgue-Mass von F .
Lemma 4.1.4.
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge und a ∈ [0, ∞[. Dann ist E × [0, a] messbar mit
|E × [0, a]| = a · |E|. Ferner ist auch E × [0, +∞[ messbar mit

0,
falls |E| = 0
E × [0, +∞[ =
+∞, falls |E| > 0 .
(4.2)
Beweis. Sei a ∈ [0, +∞[. Wenn E ein Intervall ist, dann ist E × [0, a] auch ein
S
Intervall. Wenn E eine offene Menge ist, sei E = ∞
i=1 Ii eine Whitney-Zerlegung
von E. Da sich die Ii nicht überlappen, überlappen sich auch die Intervalle Ii × [0, a]
nicht. Wir haben dann
∞
n
∞
X
X
X
Ii × [0, a] =
E × [0, a] =
v(Ii × [0, a]) =
av(Ii )
i=1
n
X
= a
i=1
i=1
∀E offen.
v(Ii ) = a|E|
(4.3)
i=1
Sei nun E eine messbare Menge und ε > 0 gegeben. Aus der Definition der Messbarkeit folgt die Existenz einer offenen Menge Ω, so dass E ⊂ Ω und |Ω \ E| < ε. Dann
ist E × [0, a] ⊂ Ω × [0, a]. Sei nun {Ii } eine abzählbare Familie von abgeschlossenen
Intervallen, so dass
Ω\E ⊂
[
Ii
X
und
i
v(Ii ) < 2ε .
i
Dann haben wir
(Ω \ E) × [0, a] ⊂
[
i
Ii × [0, a]
und
X
i
Deshalb ist
(Ω \ E) × [0, a] < 2aε .
e
v(Ii × [0, a]) < 2aε .
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
62
Nun, aus der obigen Ungleichung folgt auch
(Ω \ E)×]0, a[ < 2aε .
e
Da ε beliebig ist, beweist die obige Ungleichung, dass E×]0, a[ messbar ist (weil
Ω×]0, a[ eine offene Menge ist). An der anderen Seite, N := (E ×[0, a])\(E×]0, a[) ⊂
Rn × {0} ∪ Rn × {a}. Da jede hyperebene von Rn+1 eine Nullmenge ist, schliessen
wir dass N eine Nullmenge ist. Deshalb ist E × [0, a] = N ∪ (E×]0, a[) messbar.
Weiter ist
|E × [0, a]| − a|E|
(4.3)
=
|E × [0, a]| − |Ω × [0, a] + a(|Ω| − |E|)
|Ω × [0, a]| − |E × [0, a]| + a(|Ω| − |E|)
=
|(Ω \ E) × [0, a]| + a|Ω \ E| < 3aε .
=
Da ε beliebig war, folgt die Identität |E × [0, a]| = a|E|.
Schliesslich gilt:
E × [0, k] ↑ E × [0, ∞[ .
Also ist auch E × [0, ∞[ messbar mit
|E × [0, ∞[| = lim |E × [0, k]| = lim k|E| .
k↑∞
k↑∞
(4.2) folgt nun sofort aus der letzten Identität.
Bemerkung 4.1.5.
Allgemein gilt: Wenn A ⊂ Rn und B ⊂ Rm zwei messbare Mengen sind, dann ist
auch A × B ⊂ Rn+m messbar mit |A × B| = |A||B| (mit der Konvention 0 · ∞ =
∞ · 0 = 0). Man kann diese Identität direkt beweisen, aber wir werden sehen, dass
dies eine Konsequenz des Theorems von Tonelli ist.
Beweis von Theorem 4.1.2. Sei f : E → [0, +∞[ eine messbare Funktion. Wir wenden den Approximationssatz 3.3.6 an und wählen eine Folge {fk } von einfachen
messbaren Funktionen, so dass
fk ≥ fk−1 ≥ 0
und
lim fk (x) = f (x) ∀x ∈ E .
k→+∞
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
63
Sei A die folgende messbare Menge:
A :=
[
R(fk , E) .
k
Es ist klar, dass
R(f, E) \ Γ(f, E) = {(x, y) : x ∈ E und 0 ≤ y < f (x)} ⊂ A ⊂ R(f, E).
Gemäss der Definition einfacher Funktionen gilt:
fk =
Nk
X
ck,l 1Ek,l ,
l=1
wobei die Mengen Ek,l messbar sind. Mi dem Hilfslemma folgt, dass
R(fk , E) =
Nk
[
Ek,l × [0, ck,l ]
l=1
messbar ist. Daraus folgt die Messbarkeit von A. Falls Γ(f, E) eine Nullmenge ist,
dann ist auch R(f, E)\A eine Nullmenge und diese Tatsache beweist die Messbarkeit
von R(f, E).
Wir betrachten nun die Menge Γ(f, E). Als erstes zerlegen wir die Menge E wie
folgt:
∞
[
E=
{f < i} ∪ {f = +∞} .
| {z } | {z }
i=1
=:Ei
=:E∞
Eine ähnliche Zerlegung von Γ(f, E) ergibt:
Γ(f, E) =
∞
[
i=1
Γ(f, Ei ) ∪ Γ(f, E∞ ) .
| {z }
=∅
Wir beweisen nun, dass |Γ(f, Ei )| = 0. Wir können auch Ei als Vereinigung einer abzählbaren Familie beschränkter messbarer Mengen schreiben (z.B. wenn wir
Ek,i := Ei ∩ Kk (0) setzen).
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
64
Es genügt also, die Behauptung |Γ(f, E)| = 0 unter den folgenden zusätzlichen
Annahmen zu zeigen:
(a) ∃N ∈ N, so dass f (x) < N ∀x ∈ E;
(b) |E| < ∞.
Sei f : E → [0, N [ eine messbare Funktion mit |E| < +∞.
Sei nun k ∈ N. Für jedes j ∈ N mit j < kN definieren wir die Mengen
Aj :=
j
j+1
x :
≤ f (x) <
k
k
.
Aus der Messbarkeit von f folgt die Messbarkeit von Aj . Weiter ist
Γ(f, E) ⊂
kN
[−1
j=0
j j+1
,
Aj × ,
k k
E=
kN
[−1
Aj
j=0
und Aj ∩ Ai = ∅, falls j 6= i. Mit Lemma 4.1.4 und der σ-Subadditivität des äusseren
Lebesgue-Masses folgt nun
|Γ(f, E)|e ≤
kN
−1 X
j=0
−1
X
1 kN
j
j
+
1
|E|
Aj × ,
=
.
|Aj | =
k k
k j=0
k
Da |E| < ∞ und k beliebig war, folgt |Γ(f, E)|e = 0.
4.2. Elementare Eigenschaften des Integrals
Theorem 4.2.1 (Monotonie des Integrals).
Sei E ⊂ Rn eine messbare Menge.
(i) Falls |E| = 0, dann ist
Z
f =0
E
∀f : E → [0, ∞] .
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
65
(ii) Seien f, g : E → [0, ∞] zwei messbare Funktionen mit 0 ≤ g ≤ f . Dann ist
Z
Z
g≤
E
f.
E
(iii) Sei f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion mit
Z
f < +∞ .
E
Dann ist f < +∞ fast überall.
(iv) Sei f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion und E1 ⊂ E eine messbare Teilmenge von E. Dann gilt
Z
Z
f≤
f.
E1
E
Beweis. Wenn |E| = 0, dann ist jede Funktion f : E → [0, ∞] messbar; dies folgt
aus der Definition der Messbarkeit einer Funktion! Zudem ist R(f, E) ⊂ E × [0, ∞[
und deshalb
Z
(4.2)
0≤
f = |R(f, E)| ≤ |E × [0, ∞[| = 0 .
E
Die zweite und die vierte Behauptung folgen aus der Monotonie des LebesgueMasses: Im ersten Fall haben wir R(g, E) ⊂ R(f, E) und im letzten R(f, E1 ) ⊂
R
R(g, E1 ). Sei nun f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion mit E f < ∞. D.h.
|R(f, E)| < ∞. Sei E∞ := {x ∈ E : f (x) = ∞}. Dann ist E∞ messbar und
|E∞ × [0, ∞[| ≤ |R(f, E)| < ∞ .
Mit (4.2) folgt |E∞ | = 0.
Satz 4.2.2 (σ-Additivität des Integrals).
Seien E ⊂ Rn eine messbare Menge und f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion und
sei {Ei } eine Folge von Mengen, so dass
•
S∞
i=1
Ei = E und
• |Ei ∩ Ej | = 0, falls i 6= j .
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
Dann ist
66
Z
f=
E
XZ
f.
Ei
i
Beweis. Mit Theorem 4.2.1 (i) folgt
Z
|R(f, Ei ) ∩ R(f, Ej )| = |R(f, Ei ∩ Ej )| =
∀i 6= j .
f =0
Ei ∩Ej
Aus der σ-Addivität des Lebesgue-Masses folgt
X
[
XZ
f.
|R(f, Ei )| =
f = |R(f, E)| = R(f, Ei ) =
Ei
E
Z
i
i
i
Der obige Satz liefert uns das folgende wichtige Korollar:
Korollar 4.2.3.
Seien E ⊂ Rn eine messbare Menge, f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion und
A die σ-Algebra der messbaren Teilmengen des Rn , die in E enthalten sind. Wir
setzen
Z
µ(A) :=
f
∀A ∈ A .
A
Dann definiert µ ein Mass auf A.
Satz 4.2.4 (Approximation mit einfachen Funktionen).
Sei E eine messbare Menge, f : E → [0, ∞] eine messbare Funktion und {fk } eine
Folge von einfachen Funktionen mit fk ↑ f . Dann gilt:
Z
Z
fk ↑
f.
Wir definieren deshalb
G := {g eine einfache messbare Funktion : 0 ≤ g ≤ f } .
(4.4)
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
67
Dann ist das Integral von f gegeben durch
Z
Z
f = sup
g.
(4.5)
g∈G
E
Beweis. Sei {fk } eine Folge mit fk ↑ f . Wie schon im Beweis von Theorem 4.1.2 sei
A :=
[
R(fk , E) .
k
Dann ist
Z
|A| = |R(f, E)| =
f
E
und R(fk , E) ↑ R(f, E). (4.4) folgt nun aus der Konvergenzeigenschaft des LebesgueMasses.
Der Approximationssatz 3.3.6 garantiert die Existenz einer solchen Folge und
beweist deshalb die Ungleichung “ ≤ ” in (4.5). Die Ungleichung “ ≥ ” folgt aus der
Monotonie des Integrals.
Theorem 4.2.5 (Linearität des Integrals).
Seien E eine messbare Menge, f1 , f2 : E → [0, ∞] zwei messbare Funktionen und
c1 , c2 ≥ 0. Dann gilt:
Z
Z
Z
(c1 f1 + c2 f2 ) = c1
f 1 + c2
E
E
f2 .
E
Beweis. Zuerst beweisen wir die Aussage für zwei einfache Funktionen
f1 := λ1 1E1 + . . . + λn 1En
f2 := µ1 1F1 + . . . + µn 1Fn .
O.B.d.A. sei Ei ∩ Ej = ∅ ∀i 6= j und Fi ∩ Fj = ∅. Dann haben wir
Z
f1 =
E
Z
f2 =
E
n
X
i=1
m
X
j=1
λi |Ei | =
X
λi |Ei ∩ Fj | ,
i,j
µj |Fj | =
X
i,j
µj |Fj ∩ Ei |.
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
68
Nun ist
X
c1 f 1 + c2 f 2 =
(c1 λi + c2 µj )1Fj ∩Ei
i,j
und deshalb
Z
(c1 f1 + c2 f2 ) =
E
X
(c1 λi + c2 µj )|Ei ∩ Fj |
i,j
= c1
X
λi |Ei ∩ Fj | + c2
X
i,j
µj |Ei ∩ Fj |
i,j
Z
Z
f 1 + c2
= c1
E
f2 .
E2
Seien nun f, g : E → [0, ∞] zwei beliebige messbare Funktionen und a, b ∈ [0, ∞[.
Mit dem Approximationssatz 3.3.6 wählen wir zwei Folgen von einfachen Funktionen
{fk }, {gk }, so dass
fk+1 ≥ fk
gk+1 ≥ gk
und
∀k ∈ N
und mit fk → f , gk → g. Mit Satz 4.2.4 folgt dann
(afk + bgk ) = a lim
lim
k→∞
E
Z
Z
= a f +b g.
(af + bg) =
E
k→∞
E
Z
Z
Z
Z
gk
fk + b lim
E
k→∞
E
E
4.3. Konvergenzsätze I
Das Integral von Lebesgue hat sehr gute Konvergenzeigenschaften. Die Hauptsätze
sind:
• der Satz über die monotone Konvergenz (oder Satz von Beppo Levi);
• das Lemma von Fatou;
• der Satz über die majorisierte Konvergenz (oder Satz von Lebesgue).
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
69
Satz 4.3.1 (Satz von Beppo Levi).
Sei E eine messbare Menge und fk : E → [0, ∞] eine monoton wachsende Folge
messbarer Funktionen. Dann gilt:
Z
Z
lim fk = lim
E
k
fk .
k
E
Satz 4.3.2 (Lemma von Fatou).
Sei E eine messbare Menge und fk : E → [0, ∞] eine Folge messbarer Funktionen.
Dann gilt:
Z
Z
lim inf fk ≤ lim inf
fk .
(4.6)
E k→+∞
k→+∞
E
Satz 4.3.3 (Satz von Lebesgue).
Seien E und {fk } wie im Lemma von Fatou und mit den folgenden Eigenschaften:
(a) Es gibt eine messbare Funktion Φ mit
fk ≤ Φ fast überall
Z
Φ < +∞ .
∀k ∈ N ,
(4.7)
(4.8)
E
(b) fk → f fast überall.
Dann ist
Z
Z
f =
E
lim
k→+∞
fk .
E
Bemerkung 4.3.4.
Die Ungleichung in (4.6) kann auch strikt sein, wie das folgende Beispiel zeigt: Sei
E := R und
(
k, falls x ∈]0, k1 ]
fk (x) :=
0, sonst.
Dann ist
lim fk (x) = 0
k→∞
aber
Z
fk = 1 .
R
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
70
Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Annahme (a) im Satz von Lebesgue notwendig
ist. Ein weiteres Beispiel zeigt die Notwendigkeit dieser Annahme: Sei
gk (x) :=

1,
falls x ∈]e−k , k1 [
0,
falls x ≥
x
1
k
.
Auch hier gilt gk → 0 überall. Aber
Z
Z
1
k
gk =
e−k
R
1
1
1
dx = log − log e−k = log + k → +∞ .
x
k
k
Beweis des Satzes von Beppo Levi. Sei f (x) := limk fk (x). f ist messbar und, wie
schon im Beweis vom Satz 4.1.2 folgt, dass R(fk , E) ↑ R(f, E) und damit
Z
Z
f = |R(f, E)| = lim |R(fk , E)| = lim
k→∞
E
k↑∞
fk .
E
Beweis des Lemmas von Fatou. Es ist
f (x) := lim inf fk (x) = sup inf fj (x) = lim gk (x) .
k→+∞
k→+∞
k j≥k
| {z }
=:gk (x)
Nun ist{gk } eine monoton steigende Folge und wir können deshalb den Satz von
Beppo Levi anwenden:
Z
Z
gk .
f = lim
k↑∞
E
E
Aber wir haben auch gk ≤ fj für alle j ≥ k. Zusammen mit der Monotonie des
Integrals erhalten wir
Z
Z
gk ≤
fj
∀j ≥ k .
E
E
Folglich ist
Z
Z
gk ≤ lim inf
E
j→∞
fj
E
∀k ,
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
und damit
71
Z
Z
gk ≤ lim inf
lim
k↑∞
fj .
j→∞
E
E
Beweis des Satzes von Lebesgue. Sei
E 0 := {x ∈ E : fk (x) → f (x)} .
Dann ist |E \ E 0 | = 0 und daher
Z
Z
Z
f=
f
und
fk =
E0
E
Z
fk .
E0
E
O.B.d.A. dürfen wir annehmen, dass fk → f überall. Wir haben dann
Z
Z
Z
F atou
lim fk ≤ lim inf
f=
E k→+∞
E
k→+∞
fk .
(4.9)
E
Wir dürfen aber das Lemma von Fatou auch auf die Folge {Φ − fk } anwenden:
Z
Z
Z
(Φ − fk ) .
lim (Φ − fk ) ≤ lim inf
(Φ − f ) =
E k→+∞
E
k→∞
E
Aus der Additivität des Integrals folgt aber auch
Z
Z
Z
((Φ − f ) + f ) =
Φ=
E
Da
R
E
Z
E
(Φ − f ) +
E
f.
E
Φ < ∞ und das Integral nicht-negativ ist, schliessen wir
Z
Z
Z
(Φ − f ) =
E
Φ−
E
f.
E
Eine ähnliche Gleichung gilt aber auch für {fk }:
Z
Φ−
E
Z
Z
Φ−
f = lim inf
E
k→∞
E
Z
fk
E
Z
Z
Φ − lim sup
=
E
k→∞
fk
E
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
72
und somit
Z
Z
fk ≤
lim sup
k→∞
E
f.
(4.10)
E
Aus (4.9) und (4.10) folgt nun die gesuchte Identität.
4.4. Verallgemeinerung des Lebesgue-Integrals
Sei f : E → R eine messbare Funktion mit messbarem Definitionsbereich E. Dann
ist f = f + − f − , wobei
f + = max{f, 0}
f − = max{−f, 0} .
und
(siehe Abbildung 3.5).
Definition 4.4.1.
R
Wir sagen, dass das Integral E f existiert, wenn mindestens eines der Integrale
Z
Z
+
f−
f ,
E
E
endlich ist. In diesem Fall definieren wir
Z
Z
Z
+
f− .
f −
f :=
E
E
E
Wenn beide Integrale
Z
+
Z
f ,
f−
E
E
endlich sind, sagen wir, dass f Lebesgue-integrierbar ist. Die Menge der Lebesgueintegrierbaren Funktionen auf E bezeichnen wir mit L1 (E).
Lemma 4.4.2.
R
Es gilt: f ∈ L1 (E) ⇔ E |f | < +∞.
Beweis. Da |f | = f + + f − ist, folgt:
R
|f | < +∞ ⇔
E
R
f +,
E
R
E
Satz 4.4.3.
Sei E eine messbare Menge. Dann gelten folgende Aussagen:
f − < +∞.
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
(i) Wenn
R
f und
E
73
R
g existieren und f ≤ g, dann ist
E
R
f≤
E
R
E
g.
(ii) Sei E 0 ⊂ E messbar. Dann gilt:
Z
Z
f existiert ⇒
f existiert
f ∈ L1 (E) ⇒ f |E 0 ∈ L1 (E 0 ) .
und
E0
E
Beweis. (i) f ≤ g ⇒ f + ≤ g + und −f − ≤ −g − . Daher ist
Z
Z
+
f ≤
g
Z
+
−
Z
g−
f ≥
und
und die Behauptung folgt sofort.
(ii) Wir haben
Z
+
Z
f ≤
E0
f
Z
+
−
Z
f ≤
und
E0
E
f− ,
E
und auch Behauptung (ii) ist dann eine triviale Folgerung.
Die folgenden zwei Sätze sind auch einfache Folgerungen der entsprechenden Sätze
für nicht-negative Funktionen.
Satz 4.4.4.
R
Sei E eine messbare Menge und f : E → R eine messbare Funktion, so dass E f
existiert. Sei {Ek } eine abzählbare Familie messbarer Mengen so dass
E=
[
Ek
|Ei ∩ Ej | = 0 ∀i 6= j .
und
k
Dann gilt:
Z
f=
E
XZ
k
f.
Ek
Lemma 4.4.5.
R
R
Wenn |E| = 0 oder f = 0 fast überall, dann ist E f = E |f | = 0 und f ∈ L1 (E).
Satz 4.4.6.
R
R
R
R
Wenn c ∈ R und E f existiert, dann existiert auch E cf und E cf = c E f (mit
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
74
R
R
der Konvention, dass c E f = 0, wenn c = 0 und E f = ±∞).
R
R
Wenn f ∈ L1 (E) und E g existiert, dann existiert auch E (f + g) und es ist
Z
Z
Z
(f + g) =
E
f+
E
g.
E
Wenn zusätzlich g ∈ L1 (E) ist, so ist auch f + g ∈ L1 (E).
4.5. Konvergenzsätze II
Im letzten Teil dieses Kapitels verallgemeinern wir die drei Konvergenzsätze. Bei
allen drei Sätzen gehen wir von einer messbaren Menge E und von messbaren Funktionen aus, die auf E definiert sind.
Satz 4.5.1 (Satz von Beppo Levi).
Sei fk ↑ f eine monotone Folge und Φ ∈ L1 (E) mit fk ≥ Φ. Dann gilt:
Z
Z
fk →
f.
E
E
Sei fk ↓ f eine monotone Folge und Φ ∈ L1 (E) mit fk ≤ Φ. Dann gilt:
Z
Z
fk →
f.
E
E
Satz 4.5.2 (Lemma von Fatou).
Sei Φ ∈ L1 (E) und fk ≥ Φ eine Folge von messbaren Funktionen. Dann gilt:
Z
Z
lim inf fk ≤ lim inf
E k→+∞
k→+∞
fk .
E
Satz 4.5.3 (Satz von Lebesgue).
Falls fk → f fast überall und ∃Φ ∈ L1 (E) mit |fk | ≤ Φ fast überall ∀k, dann gilt:
Z
lim
k→+∞
Z
fk =
E
f.
E
Beweis des Satzes von Beppo Levi. Sei fk ↑ f . Wir setzen gk := fk − Φ. Wir können
Kapitel 4. Das Lebesgue-Integral
75
nun den bereits bewiesenen Satz von Beppo Levi für nicht-negative Funktionen
anwenden, d.h. gk ↑ g = f − Φ und
Z
Z
Z
f−
Z
Φ = lim
E
k→∞
E
Z
fk −
gk = lim
k→∞
E
E
Φ.
E
Aus der letzten Gleichung folgt die gesuchte Identität.
Falls fk ↓ f , setzen wir gk := Φ − fk und nutzen das gleiche Argument wie
oben.
Beweis des Lemmas von Fatou. Wir setzen gk := fk − Φ und wenden das Lemma
von Fatou für nicht-negative Funktionen an. Die Behauptung folgt dann sofort.
Beweis des Satzes von Lebesgue. Wir wenden das Lemma von Fatou auf die Folgen
gk := fk + Φ und hk := Φ − fk an und erhalten
Z
Z
Z
Φ ≤ lim inf
f+
E
und
Z
k→∞
E
Z
Φ−
E
Z
Φ
E
Z
Z
f≤
E
fk +
E
Φ − lim sup
E
k→∞
fk .
E
Die Behauptung des Theorems folgt sofort aus diesen beiden Ungleichungen.
5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
5.1. Der Satz von Fubini
Im folgenden nehmen wir an, dass
f : Rn = Rk × Rm 3 (x, y) 7−→ f (x, y) ∈ R .
Die Sätze in diesem Kapitel gelten auch wenn der Wertbereich (der entsprechenden
Funktionen) R ist. Die Detaillen sind dem/der Leser/in überlassen.
Theorem 5.1.1 (Satz von Fubini).
Sei f ∈ L1 (Rn ). Dann gilt:
(a) Für fast alle x ∈ Rk gehört die Abbildung f (x, ·) : Rm → R zu L1 (Rm ).
R
(a) Die Funktion g : Rk → R mit x 7−→ g(x) = Rm f (x, ·) gehört zu L1 (Rk ) und
es gilt die Formel
Z
Z
g.
f=
(5.1)
Rk
Rn
Bemerkung 5.1.2.
R
Wir schreiben dafür auch g(x) = Rm f (x, y)dy und somit
Z
Z
Z
g=
f (x, y) dy dx.
Rk
Rm
Deswegen können wir die Identität (5.1) auch so ausdrücken:
Z
Z
Z
f=
Rn
f (x, y) dy dx .
Rk
Rm
Aus dem Satz von Fubini lassen sich unter anderem folgende Korollare ableiten:
76
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
77
Korollar 5.1.3.
Falls f ∈ L1 (Rn ) ist, gilt:
Z
Z Z
Z
···
f=
Rn
R
f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn .
R
R
Korollar 5.1.4.
Falls f ∈ L1 ([a, b]n ) ist, dann ist f · 1[a,b]n ∈ L1 (Rn ) und deshalb gilt:
Z
Z
Z
f=
[a,b]n
...
f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn .
[a,b]
[a,b]
Zudem gilt, wenn die Funktion f stetig ist:
Z
Z
f=
[a,b]n
wobei
Rb
a
b
Z
...
a
b
f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn ,
a
f (x1 , . . . , xn )dxi jeweils das Riemann-Integral ist.
Um den Satz von Fubini zu beweisen, ist es nützlich, die folgende Notation einzuführen:
Definition 5.1.5.
Eine Funktion f ∈ L1 (Rn ) hat die Eigenschaft F , falls f die Aussagen des Satzes
5.1.1 (Satz von Fubini) erfüllt.
Im Folgenden werden wir den Satz von Fubini mithilfe einiger Lemmata schrittweise beweisen. Mit der oben eingeführten Notation wollen wir nun zeigen, dass
f ∈ L1 (Rn ) =⇒ f hat die Eigenschaft F .
Lemma 5.1.6.
Linearkombinationen von Funktionen mit der Eigenschaft F haben wieder die Eigenschaft F .
Beweis. Dieses kleine Lemma folgt aus der Linearität des Integrals.
Lemma 5.1.7.
Sei {fi } mit fi ≥ 0 ∀i ∈ N eine wachsende Folge messbarer Funktionen, so dass
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
78
f = limi fi zu L1 (Rn ) gehört. Falls jede Funktion fi die Eigenschaft F hat, dann
hat auch f die Eigenschaft F . Die gleiche Aussage gilt für eine monoton fallende
R
Folge {fi } mit fi ≥ 0 und f1 < ∞.
Beweis. Sei {fi } eine wachsende Folge. Wir teilen den Beweis in die zwei Teile der
Eigenschaft F auf:
• Wir definieren Zi := {x | fi (x, ·) ∈
/ L1 (Rm )} und
Z :=
∞
[
Zi .
i=1
Dann gilt |Zi | = 0 und mit der Subadditivität des Lebesgue-Masses folgt auch
|Z| = 0. Weiter gilt nach Voraussetzung fi (x, ·) ↑ f (x, ·). Nach dem Satz der
monotonen Konvergenz (Satz 4.3.1) gilt:
f (x, ·) ist messbar ∀ x ∈
/ Z, d.h. für fast alle x;
Z
f (x, y) dy existiert und
Rm Z
Z
f (x, y) dy .
lim
fi (x, y) dy =
i→∞
Rm
Rm
• Wir betrachten die folgende Funktion g, die gemäss Voraussetzungen fast
überall wohldefiniert ist:
Z
x 7→ g(x) :=
f (x, y) dy .
Rm
Analoges gilt für die Funktionen gi , die wie folgt definiert sind:
Z
gi (x) :=
fi (x, y) dy .
Rm
Nun ist {gi } eine monoton wachsende Folge mit gi ↑ g fast überall. Mit dem
Satz der monotonen Konvergenz folgt nun:
Z
Z
gi ↑
Rn
g.
Rn
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
79
Nun können wir die Existenz des gesuchten Integrals zeigen:
Z
Z
g = lim
Rk
i→∞
Z
Z
gi = lim
Rk
i→∞
fi =
Rn
f
<
∞.
Rn
Dies zeigt, dass g < ∞ fast überall. Da aber g(x) :=
folgt:
f (x, ·) ∈ L1 (Rm )
f ∈L1 (Rn )
R
Rm
f (x, ·) und f ≥ 0 ist,
für fast alle x ∈ Rk .
Für den zweiten Fall, d.h. wenn die Folge monoton fallend ist, setzen wir gi :=
f1 − fi . {gi } ist dann eine monoton wachsende Folge und jede Funktion gi besitzt
die Eigenschaft F . Deshalb hat auch g := f1 − f die Eigenschaft F und daher folgt
die zweite Aussage des Lemmas aus der ersten.
Satz 5.1.8.
Die Eigenschaft F gilt für Indikatorfunktionen messbarer Mengen mit endlichem
Mass.
Zuerst wollen wir zeigen, dass aus diesem Satz zusammen mit den vorhergehenden
Lemmata der Satz von Fubini folgt.
Beweis des Satzes von Fubini (Satz 5.1.1). Aus Lemma 5.1.6 folgt, dass einfache
Funktionen die Eigenschaft F haben. Sei f ∈ L1 (Rn ), dann können wir f schreiben
R
als f = f + − f − , wobei f + , f − ≥ 0. Zudem gilt f + , f − ∈ L1 (Rn ), da f ± < ∞
Dann können wir zwei monotone Folgen von einfachen Funktionen konstruieren, so
dass fk+ ↑ f + und fk− ↑ f − . Mit Lemma 5.1.7 folgt nun, dass F für f + und f − gilt.
Unter Anwendung von Lemma 5.1.6 folgt die Eigenschaft F für f + − f − = f .
Beweis von Satz 5.1.8. Wir betrachten 1E für eine messbare Menge E mit |E| < ∞.
Wir werden nun wie folgt vorgehen:
(i) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E ein Intervall ist.
(ii) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E ⊂ ∂I, wobei I ein Intervall ist.
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
80
(iii) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E eine offene Menge mit endlichem Mass
ist.
(iv) Die Eigenschaft F gilt für 1E wenn E eine beschränkte Gδ -Menge ist.
(v) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E eine beschränkte Nullmenge ist.
(vi) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E eine beschränkte messbare Menge ist.
(vii) Die Eigenschaft F gilt für 1E , wenn E eine messbare Menge mit endlichem
Mass ist.
Gehen wir nun also schrittweise vor.
Beweis von (i): Wir schreiben
I = [a1 , b1 ] × · · · × [ak , bk ] × [c1 , d1 ] × · · · × [cm , dm ] .
|
{z
} |
{z
}
=:I1
=:I2
Wir haben dann:
(
y 7→ 1I (x, y) : =
1I2 , falls x ∈ I1
0,
falls x 6∈ I1 .
Daher ist die Abbildung y 7→ 1I (x, y) eine integrierbare Funktion für alle x ∈ Rk .
Ausserdem ist

Z
|I | = Qm (d − c ), falls x ∈ I
i
1
2
i=1 i
1I (x, y) dy =
g(x) :=
0,
Rn
falls x ∈
/I .
1
Also ist auch x 7→ g(x) eine integrierbare Funktion und
Z
Z
g=
k
m
Y
Y
|I2 | · 1I1 (x) dx = |I2 ||I1 | =
(bi − ai ) ·
(di − ci ) = |I| .
i=1
i=1
Beweis von (ii): Sei A ⊂ ∂I. Dann ist 1A (x, y) gleich 0, falls x 6∈ I1 oder x ∈ I1
und x 6∈ ∂I2 . Also ist ist y 7→ 1A (x, y) für fast alle x ∈ Rn
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
81
• entweder identisch 0;
• oder die Indikatorfunktion einer Nullmenge.
Deshalb ist
Z
g(x) :=
identisch 0 und
1A (x, y) dy
Z
0=
Z
g=
1A .
Beweis von (iii): Sei A offen mit |A| < ∞. Dann existiert eine Zerlegung von
A in sich nicht überlappende Intervalle (Whitney-Zerlegung), d.h.
A=
∞
[
Ii
mit Ii ∩ Ij ⊂ ∂Ii ∩ ∂Ij ∀ i 6= j
i=1
Wir definieren nun induktiv:
I˜1 = I1 ,
I˜2 = I2 \ I1 , . . . , I˜N = In \
N
−1
[
Ii .
i=1
Jedes I˜i ist die Differenz von Ii und einer Menge Ai mit Ai ⊂ ∂Ii . Aus (i) und (ii)
folgt, dass die Funktionen 1Ii und 1Ai die Eigenschaft F besitzen. Wegen Lemma
5.1.6 hat 1I˜i auch die Eigenschaft F . Sei nun
gk :=
k
X
1I˜i .
i=1
Dann gilt die Eigenschaft F auch für gk (Lemma 5.1.6) und da gk ↑ 1A folgt mit
Lemma 5.1.7, dass die Eigenschaft F auch für 1A gilt.
Beweis von (iv): Sei E eine beschränkte Gδ -Menge, d.h. E ⊂ KN (0) für ein N
gross genug und
∞
\
E=
Ui ,
i=1
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
82
wobei die Ui offene Mengen sind. Als nächstes definieren wir folgende monoton
fallende Folge von Mengen:
Vi :=
i
\
Uk ∩ KN (0) für i ≥ 1 .
k=1
R
Die Mengen Vi sind offen und es gilt: Vi ↓ E und somit 1Vi ↓ 1E . Da aber 1V1 ≤
|KN (0)| < ∞ ist, folgt mit (iii) und Lemma 5.1.7, dass 1E die Eigenschaft F hat.
Beweis von (v): Sei nun E eine beschränkte Nullmenge. Wir wählen eine beschränkte Gδ -Menge A mit E ⊂ A und |A| = 0. Wir wissen bereits, dass die Eigenschaft F für A gilt und deswegen ist
1A (x, ·) ∈ L1 (Rm )
für fast alle x ∈ Rk .
Daraus lässt sich nun folgendes schliessen:
Z
0=
und somit
Z Z
1A =
1A (x, y) dy dx
Z
1A (x, y) dy = 0
für fast alle x .
Nun definieren wir die Menge Ax := {y ∈ Rn | (x, y) ∈ A}. Es gilt dann:
Z
|Ax | = 0 für fast jedes x, weil
1A (x, ·) = |Ax | .
Nachdem wir nun die Indikatorfunktion von A untersucht haben, gehen wir ähnlich
mit der Indikatorfunktion von E vor und nutzen dazu folgenden Zusammenhang
zwischen E und A: Wir defineren wieder Ex := {y ∈ Rm | (x, y) ∈ E}. Da Ex ⊂ Ax
ist, ist Ex eine Nullmenge für fast alle x. Weiter gilt 1E (x, y) = 1Ex (y). Da Ex für
fast alle x eine Nullmenge ist, gilt: 1Ex = 1E (x, ·) ist für fast alle x messbar und
Z
Z
1E = |E| = 0 =
Z Z
|Ex | dx =
Rm
1E (x, y) dy dx .
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
83
Beweis von (vi): Sei E eine beschränkte messbare Menge. Dann existieren eine
beschränkte Gδ -Menge A und eine beschränkte Nullmenge Z, so dass E = A \ Z.
Dann folgt mit (iv) und (v), dass 1A und 1Z die Eigenschaft F besitzen. Lemma
5.1.6 impliziert dann, dass auch 1E die Eigenschaft F hat.
Beweis von (vii): Sei E eine messbare Menge mit endlichem Mass. Wir setzen
Ek := E ∩ Kk (0). Wegen (vi) besitzen die Mengen Ek die Eigenschaft F und da
Ek ↑ E, gilt sie auch für E.
5.2. Der Satz von Tonelli
Wenn die Funktion f nicht-negativ ist, dann gilt die Identität (5.1) auch dann, wenn
das Integral von f unendlich ist.
Satz 5.2.1 (Satz von Tonelli).
Sei f : Rn × Rm → R eine messbare Funktion mit f ≥ 0, dann ist die Funktion
R
y 7→ f (x, y) für fast alle x ∈ Rn messbar und die Funktion x 7→ Rm f (x, y) dy ist
ebenfalls messbar. Zudem gilt:
Z
Z
f (x, y) dy
f=
Rn ×Rm
Z
Rn
dx
Rm
Eine wichtige Folgerung dieses Theorems ist das folgende Korollar (das aber auch
über die Definition des äusseren Lebesgue-Masses bewiesen werden kann):
Korollar 5.2.2.
Seien A ⊂ Rn und B ⊂ Rm zwei messbare Mengen. Dann ist auch A × B messbar
und |A × B| = |A||B| (mit der Konvention dass 0 · ∞ = ∞ · 0 = 0).
Beweis. Schritt 0: Sei A × B messbar. Dann ist auch 1A×B messbar. Nun ist die
Identität |A||B| = |A × B| einfach eine Folgerung des Satzes von Tonelli, wenn wir
f := 1A×B setzen.
Schritt 1: Falls A und B beide offen (bzw. abgeschlossen) sind, dann ist auch
A × B offen (bzw. abgeschlossen) und somit messbar.
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
84
Schritt 2: Seien nun A und B zwei messbare Mengen mit |A|, |B| < ∞. Sei
ε > 0 gegeben und
• A1 ⊂ A, B1 ⊂ B abgeschlossen mit |A \ A1 |, |B \ B1 | < ε;
• A2 ⊃ A, B2 ⊃ B offen mit |A2 \ A|, |B2 \ B| < ε.
Dann ist A2 × B2 offen und
(A2 × B2 ) \ (A × B) ⊂
(A2 \ A1 ) × B2 ∪ A2 × (B2 \ B1 ) .
Die beiden Mengen (A2 \A1 )×B2 und A2 ×(B2 ×B1 ) sind offen und deshalb können
wir die Schritte 0 und 1 anwenden:
(A2 ×B2 )\(A×B) ≤ |A2 \A1 ||B2 |+|A2 ||B2 \B1 | < 2ε(|B|+ε)+2ε(|A|+ε) . (5.2)
Da |A|, |B| < ∞, beweist (5.2) die Messbarkeit von A × B.
Schritt 3: Seien nun A und B zwei beliebige messbare Mengen. Wir definieren
Ak := A × Kk (0) und Bk := B × Kk (0). Mit Schritt 2 folgt die Messbarkeit von
Ak und Bk . Da Ak × Bk ↑ A × B, können wir auf die Messbarkeit von A × B
schliessen.
Beweis des Satzes von Tonelli. Wir definieren

min{k, f (x, y)}, wenn |(x, y)| ≤ k
fk (x, y) :=
0,
wenn |(x, y)| ≥ k .
Für alle k ∈ N ist fk messbar. Ausserdem gilt fk ↑ f und
Z
0≤
Z
fk ≤
k · 1Kk (0) = k|Kk (0)| < ∞ .
Wir schliessen, dass fk ∈ L1 (Rn × Rm ) ist und können daher den Satz von Fubini
anwenden, d.h. die Funktion y 7→ f (x, y) ist messbar für f.a. x ∈ Rn und die Funktion
R
x 7→ f (x, y) dy ist ebenfalls messbar für f.a. x. Wie im Beweis von Lemma 5.1.7
definieren wir
Zk := {x ∈ Rn : y 7→ fk (x, y) nicht messbar}
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
85
und
Z :=
[
Zk .
k
Z ist eine Nullmenge und wenn x 6∈ Z, ist y 7→ fk (x, y) messbar ∀k. Da fk (x, ·) ↑
f (x, ·) ist auch y 7→ f (x, y) messbar für x ∈
/ Z.
Wegen des Satzes über die monotone Konvergenz gilt für x 6∈ Z:
Z
Z
Rm
|
f (x, y) dy
fk (x, y) dy ↑
Rm
{z
} |
{z
}
=:gk (x)
=:g(x)
Deshalb gilt: gk ↑ g fast überall und folglich ist g messbar. Ferner folgt aus dem Satz
R
R
über die monotone Konvergenz, dass gk ↑ g. Weiter ist
Z
Z
Z
fk (x, y) dy
fk =
Rn ×Rm
Fubini
Rn
Z
Z
gk ↑
dx =
Z
f (x, y) dy
g=
Rn
Rm
Z
dx
Rm
und
Z
Z
↑
fk
Rn ×Rm
Z
Z
⇒
f
monotone
Konvergenz
Rn ×Rm
f (x, y) dy
f=
Rn ×Rm
Z
Rn
dx .
Rm
Korollar 5.2.3.
Sei E ⊂ Rn × Rm eine messbare Menge und f ∈ L1 (E). Dann gilt für fast alle
x ∈ Rn :
• die Menge Ex := {y ∈ Rm : (x, y) ∈ E} ist messbar
• die Funktion f (x, ·) ∈ L1 (Ex )
R
R R
• E f = Rn Ex f (x, y) dy dx.
Beweis. Wir setzen

f (x, y), (x, y) ∈ E
˜
f (x, y) :=
0,
(x, y) ∈
/ E.
Kapitel 5. Die Sätze von Fubini und Tonelli
86
Dann folgt:
Z
Z
f˜ .
f=
Rn ×Rm
E
Aus dem Satz von Fubini folgt, dass die Funktion y 7→ f˜(x, y) = f (x, y) ∈ R für fast
alle x messbar ist. Es ist klar, dass 1E ≥ 0. Aus dem Satz von Tonelli folgt, dass die
Funktion y 7→ 1E (x, y) für fast alle x messbar ist.
Da 1E (x, y) = 1Ex (y) ist, bedeutet dies, dass Ex für fast alle x messbar ist. D.h.
für alle y ∈ Ex ist die Funktion y 7→ f˜(x, y) = f (x, y) ∈ R für fast alle x messbar.
Ausserdem haben wir
Z
Z
f (x, y) dy =
f˜(x, y) dy
Rm
Ex
und
Z
Z
Z
Z
f (x, y) dy dx =
Rn
Ex
Rn
Rm
f˜(x, y) dy dx =
Z
Rn ×Rm
f˜ =
Z
f.
E
6. Abstrakte Masstheorie I:
σ-Algebren und Masse
6.1. Allgemeine σ-Algebren
Definition 6.1.1.
Sei X eine Menge. Eine σ-Algebra Σ auf X ist eine Teilmenge von P(X) mit folgenden Eigenschaften:
(a) X ∈ Σ;
(b) wenn E ∈ Σ, dann E c ∈ Σ;
(c) wenn {Ei }i∈N ⊂ Σ, dann
S
i∈N
Ei ∈ Σ .
Die Beweise der meisten Sätze und Lemmata dieses Kapitels sind einfache Modifizierungen der Beweise der Aussagen für die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren
Mengen. Deshalb beweisen wir in diesem Kapitel nur jene Aussagen, die neue Ideen
brauchen.
Satz 6.1.2.
Für jede σ-Algebra Σ gelten die Eigenschaften (b), (c), (d), (e) und (f ) des Theorems
1.8.1.
6.2. Die σ-Algebra die von einer Familie erzeugt wird
Es ist einfach zu sehen dass der Durchschnitt von σ-Algebren auch eine σ-Algebra
ist.
87
Kapitel 6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
88
Lemma 6.2.1.
Sei X eine Menge und {Σλ }λ∈Λ eine Familie von σ-Algebren auf X.Dann ist auch
Σ :=
\
Σλ
λ∈Λ
eine σ-Algebra.
Beweis. X gehört zu jeder Σλ und also auch zu Σ. Wenn E ∈ Σ, dann gehört E
zu jeder Σλ . Da jede Σλ eine σ-Algebra ist, haben wir dann E c ∈ Σλ für jede λ
und also E c ∈ Σ. Der Beweis von Definition 6.1.1(c) is ähnlich und wird dem Leser
gelassen.
Das folgende ist dann ein einfaches Korollar.
Korollar 6.2.2.
Sei X eine Menge und G ⊂ P(X). Dann gibt es eine einzige σ-Algebra Σ die:
(a) G enthält;
(b) in jeder σ-Algebra Γ, die G enthält, enthalten ist.
Σ ist deshalb die kleinste σ-Algebra die G enthält : wir sagen dass Σ von G erzeugt
wird.
Beweis. Sei F die Familie der σ-Algebren auf X die G enthalten. F ist nicht lehr,
weil P(X) eine σ-Algebra ist. Wir setzen dann
Σ=
\
Γ.
(6.1)
Γ∈F
Aus dem Lemma 6.2.1 folgt dass Σ eine σ-Algebra ist und per Definition gelten
beide (a) und (b). Die Eindeutigkeit ist einfach: falls Σ0 die Eigenschaften (a) und
(b) besitzt, dann gelten unbedingt Σ ⊂ Σ0 und Σ0 ⊂ Σ.
Ein berümtes Beispiel einer σ-Algebra ist die σ-Algebra der Borel-Mengen:
Definition 6.2.3.
Sei X ein topologischer Raum und τ die entsprechende Topologie. Die σ-Algebra B
der Borel-Mengen ist die σ-Algebra die von τ erzeugt wird.
Kapitel 6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
89
Die Borel-Mengen enthält dann die offenen Mengen, die abgeschlossenen Mengen,
die F -σ Mengen und die G-δ-Mengen. Die Borel-Mengen von Rn sind Lebesguemessbare Mengen, weil die σ-Algebra der Lebesgue-messbare Mengen die euklidische Topologie enthält. Mann kann aber zeigen dass es Lebesgue-messbare Mengen
existieren die keine Borel-Mengen sind.
6.3. Allgemeine Masse
Definition 6.3.1.
Sei Σ ⊂ P(X) eine σ-Algebra. Ein Mass auf Σ ist eine Abbildung µ : Σ → [0, +∞]
mit folgenden Eigenschaften:
(a) µ(∅) = 0;
(b) µ(E) ≤ µ(F ), wenn E ⊂ F ;
(c) für jede Familie {Ek }k∈N ⊂ Σ disjunkter Mengen (d.h. Ek ∩ Ej = ∅ ∀k 6= j)
gilt:
!
∞
∞
[
X
µ
Ek =
µ(Ek ) .
(6.2)
k=1
k=1
Wenn Σ eine σ-Algebra auf X ist und µ ein Mass auf Σ, dann nennen wir das Tripel
(X, Σ, µ) einen Massraum.
Die Eigenschaften (b) und (c) werden “Monotonie” beziehungsweise “σ-Additivität”
genannt.
Lemma 6.3.2 (σ-Subadditivität).
Seien (X, Σ, µ) ein Massraum und {Ek } ⊂ Σ eine Folge messbarer Mengen. Dann
gilt:
!
∞
∞
[
X
µ
Ek ≤
µ(Ek ) .
k=1
k=1
S
Beweis. Wir betrachten die Mengen Fk := Ek \( k−1
i=1 Ei ). Dann ist Fi ∈ Σ, Fi ⊂ Ei
Kapitel 6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
90
∀ i und Fi ∩ Fj = ∅, wenn i 6= j. Also ist
µ
∞
[
i=1
!
Ei
= µ
∞
[
i=1
!
Fi
=
∞
X
µ(Fi ) ≤
i=1
∞
X
µ(Ei ) .
i=1
Satz 6.3.3.
Seien (X, Σ, µ) ein Massraum und {Ek } ⊂ Σ eine Folge messbarer Mengen. Dann
gelten folgende Aussagen:
(i) Falls B ⊂ A, B, A ∈ Σ und µ(B) < ∞, dann ν(A \ B) = µ(A) − µ(B).
(ii) Falls Ek ↑ E ⇒ E ∈ Σ und µ(Ek ) ↑ µ(E).
(iii) Falls Ek ↓ E ⇒ E ∈ Σ. Wenn es k0 mit µ(Ek0 ) < +∞ gibt, dann gilt sogar
µ(Ek ) ↓ µ(E).
Beweis. Die Beweise sind den Beweisen der gleichen Eigenschaften des Lebesgueschen Masses ähnlich und werden, deswegen, dem Leser gelassen.
6.4. Vollständigkeit und Vervollständigung
Definition 6.4.1.
Ein Massraum (X, Σ, µ) heisst vollständig falls
(A ∈ Σ , µ(A) = 0 und B ⊂ A)
=⇒
B ∈ Σ.
(6.3)
Satz 6.4.2.
Jeder Massraum (X, Σ, µ) besitzt eine einzige Vervollständigung, d.h. einen Massarum (X, Σ̄, µ̄) mit den folgenden Eigenschaften:
(i) Σ̄ wird von Σ ∪ {A : ∃B ∈ Σ mit A ⊂ B und µ(B) = 0} erzeugt;
(ii) µ̄(A) = µ(A) für jede A ∈ Σ.
Die Vervollständigung ist eindeutig.
Kapitel 6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
91
Beweis. Wir definieren Σ̄ als die Familie der Mengen
A∪N
wobei A ∈ Σ und ∃B ∈ Σ mit N ⊂ B und µ(B) = 0.
(6.4)
Σ̄ enthält Σ ∪ {A : ∃B ∈ Σ mit A ⊂ B und µ(B) = 0}. Falls Σ̃ eine Σ-Algebra
ist die Σ ∪ {A : ∃B ∈ Σ mit A ⊂ B und µ(B) = 0} enthält, dann muss unbedingt
Σ̄ ⊂ Σ̃ weil beide A und N wie in (6.4) gehören zu Σ̃. Wenn wir zeigen, dass Σ̄ eine
σ-Algebra ist, dann folgt auch (i). Nun:
(a) X ∈ Σ und deshalb X ∈ Σ̄.
(b) Seien A, B und N wie in (6.4). Dann (A ∪ N ) = (A ∪ B) \ (B \ N ) und so
(A ∪ N )c = (A ∪ B)c ∪ (B \ N ). Nun ist A ∪ B ∈ Σ und deshalb (A ∪ B)c ∈ Σ.
An der anderen Seite haben wir auch B \ N ⊂ B und µ(B) = 0. Deswegen
gilt (A ∪ N )c ∈ Σ̄.
(c) Sei {Ci }i∈N ⊂ Σ̄. Dann
Ci := Ai ∪ Ni ,
wobei
– Ai ∈ Σ;
– ∃Bi ∈ Σ mit Ni ⊂ Bi und µ(Bi ) = 0.
Wir setzen
A :=
[
Ai
B :=
i
[
Bi
und N :=
i
Wir haben A, B ∈ Σ, µ(B) ≤
P
i
[
Ni .
i
µ(Bi ) = 0 und N ⊂ B. Also ist
A∪N =
[
Ci
i
auch ein Element von Σ̄.
Schliesslich, falls A und N wie in (6.4) sind, dann definieren wir
µ̄(A ∪ N ) = µ(A) .
Kapitel 6. Abstrakte Masstheorie I: σ-Algebren und Masse
92
Es ist leicht zu sehen dass µ̄ σ-additiv ist und dass (b) gilt.
Das folgende ist dann ein leichtes Korollar unserer Terminologie.
Korollar 6.4.3.
Seien
• B die σ-Algebra der Borel-Mengen auf Rn ;
• M die σ-Algebra der Lebesgue-messbaren Mengen von Rn ;
• | · | das Lebesgue Mass.
(Rn , M, | · |) ist die Vervollständigung von (Rn , B, | · |).
Beweis. Für jede Menge M ∈ M gibt es eine F -σ Menge F ⊂ M so dass |M \F | = 0.
Da jede F -σ Menge eine Borel-Menge ist, folgt die Aussage des Korollars.
7. Abstrakte Masstheorie II:
messbare Funktionen und Integral
7.1. Messbare Funktionen
Definition 7.1.1.
Sei Σ eine σ-Algebra auf X. Eine Abbildung f : X → R heisst Σ-messbar, wenn
{f > a} ∈ Σ
∀ a ∈ R.
Eine messbare Funktion f heisst einfach falls es endlich viele Mengen E1 , . . . , Ek ⊂ X
und endlich viele Konstanten c1 , . . . , ck geben, so dass
f=
k
X
ci 1Ei .
i=1
Wie im Fall der Lebesgue-messbare Funktionen haben wir den folgenden Satz,
deren Beweis dem Leser gelassen wird.
Satz 7.1.2.
Sei Σ eine σ-Algebra.
(i) Wenn f und g messbare Funktionen sind, so sind auch f + g, f · g, f /g, c · f ,
für c ∈ R messbar, wenn diese Operationen wohldefiniert sind (d.h. wenn 0 · ∞
oder −∞ + ∞ nur auf einer Nullmenge auftreten). Wenn φ : R → R stetig ist
und f reellwertig und messbar, dann ist auch die Komposition φ ◦ f messbar.
(ii) Wenn fk : E → R ein Folge messbarer Funktionen ist, dann sind auch inf fk ,
sup fk , lim inf fk und lim sup fk messbar.
93
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
94
P
(iii) Eine einfache Funktion f = N
i=1 λi 1Ei mit λi 6= λj , Ei ∩ Ej = ∅ ∀i 6= j ist
genau dann messbar, wenn Ei ∈ Σ ∀i .
iv) Wenn f ≥ 0 und messbar ist, existiert eine Folge nicht-negativer, messbarer
einfacher Funktionen {fk } mit fk ↑ f .
Ähnlicherweise gilt eine geeignete Version des Satzes von Egorov.
Theorem 7.1.3 (Satz von Egorov).
Sei (X, Σ, µ) ein Massraum, E ∈ Σ eine Menge mit endlichem Mass (d.h. µ(E) <
∞) und fk : E → R eine Folge von messbaren Funktionen, die fast überall gegen
eine Funktion f konvergiert. Dann gilt: ∀ε > 0, ∃F ∈ Σ mit µ(F ) < ε, so dass fk
gleichmässig auf E\F konvergiert.
Bemerkung 7.1.4.
Es gibt keine Version des Satzes von Lusin für einen allgemeinen Massraum. Damit der Satz von Lusin in einem Massraum gilt, muss der Massraum auch über
eine topologische Struktur verfügen, die bestimmte Eigenschaften und eine gewisse“Kompatibilität” mit der entsprechenden σ-Algebra mit sich bringt.
7.2. Das Integral nichtnegativer Funktionen
In diesem Kapitel sei (X, Σ, µ) immer ein Massraum.
Definition 7.2.1.
PN
Sei f =
i=1 λi 1Ei eine einfache messbare Funktion mit λi ≥ 0 und Ei ∩ Ej =
∅, ∀i 6= j. Dann definieren wir das Integral von f wie folgt:
Z
f dµ :=
N
X
λi µ(Ei ) ,
i=1
dabei gilt die Konvention, dass λi µ(Ei ) = 0, wenn λi = 0 und µ(Ei ) = ∞.
Lemma 7.2.2.
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
95
Sei f ≥ 0 eine einfache Funktion. Dann ist
Z
Z
g dµ : 0 ≤ g ≤ f mit g einfach und messbar
f dµ = sup
.
Beweis. Sei S := { g : g einfach und messbar und 0 ≤ g ≤ f }. Da f ∈ S ist, gilt:
Z
Z
f dµ ≤ sup
g dµ .
g∈S
Daher genügt es die folgende Behauptung zu beweisen: Falls 0 ≤ g ≤ f und f, g
R
R
einfache messbare Funktionen sind, dann ist gdµ ≤ f dµ. Wir können f und g
wie folgt darstellen:
f=
N
X
λi 1Ei
und
g=
i=1
M
X
γi 1Fi ,
i=1
wobei
• Ei ∩ Ej = ∅ = Fi ∩ Fj ∀i 6= j;
• Ei 6= ∅ =
6 Fj ∀i, j;
• X=
S
i
Ei =
S
j
Fj .
Da 0 ≤ g ≤ f ist, gilt:
• λi ≥ 0, γj ≥ 0 ∀i, j;
• γj ≤ λi , wenn Ei ∩ Fj 6= ∅.
Nun ist
Z
f dµ =
N
X
i=1
und da
λi µ(Ei ) =
N
X
i=1
λi µ Ei ∩
M
[
k=1
!
Fk
=
N X
M
X
i=1 k=1

 E ∩ F = ∅ ⇒ µ(E ∩ F ) = 0,
i
j
i
k
 E ∩ F 6= ∅ ⇒ λ ≥ γ ,
i
j
i
k
λi µ(Ei ∩ Fk )
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
96
haben wir
Z
f dµ =
=
N X
M
X
N X
M
X
λi µ(Ei ∩ Fk ) ≥
i=1 k=1
M
X
N
X
k=1
i=1
γk
!
µ(Ei ∩ Fk )
γk µ(Ei ∩ Fk )
i=1 k=1
M
X
=
γk µ
N
[
!
(Ei ∩ Fk )
Z
=
g dµ .
i=1
k=1
Definition 7.2.3.
Sei f ≥ 0 eine messbare Funktion. Dann definieren wir:
Z
Z
f dµ :=
sup
g dµ .
0≤g≤f
g einfach
und messbar
Satz 7.2.4.
Seien f und g zwei messbare Funktionen, dann gelten die folgenden Aussagen:
(i) 0 ≤ f ≤ g ⇒
R
f dµ ≤
R
g dµ;
(ii) f ≥ 0 und µ({f > 0}) = 0 (d.h. f ist f.ü. gleich 0) ⇒
R
f dµ = 0.
Beweis. (i) Es ist
Z
f ≤g ⇒
Z
h dµ ≤
sup
0≤h≤f
h einfach
und messbar
sup
Z
h dµ ⇒
Z
f dµ ≤
0≤h≤g
heinfach
und messbar
(ii) Wir haben
Z
Z
f dµ =
sup
h dµ,
0≤h≤f
h einfach
und messbar
{h > 0} ⊂ {f > 0} ⇒ µ({h > 0}) = 0
und
h=
N
X
i=1
λi 1Ei
(Ei ∩ Ej = ∅, λi 6= λj , ∀i 6= j).
g dµ .
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
97
Wenn λi = 0, dann ist λi µ(Ei ) = 0. Wenn λi > 0, so ist Ei ⊂ {h > 0} und damit
R
µ(Ei ) = 0. Deshalb folgt hdµ = 0.
Definition 7.2.5.
Sei E ∈ Σ und f : E −→ [0, ∞] eine messbare Funktion. Dann ist auch f · 1E
messbar. Wir setzen
Z
Z
f dµ :=
f · 1E dµ .
E
X
Eine äquivalente Definition ist auch:
Z
Z
f dµ =
sup
g dµ .
0≤g≤f
g=0 auf E c
g einfach und messbar
E
X
Lemma 7.2.6.
Sei {fk } mit fk ≥ 0 eine monotone Folge einfacher messbarer Funktionen, so dass
fk ↑ f . Sei g eine einfache messbare Funktion mit g ≤ f . Dann gilt:
Z
Z
g dµ ≤ lim
k→+∞
E
Beweis. Sei
g=
N
X
fk dµ .
E
λi 1Ei + 0 · 1X\ S Ei ,
i=1
wobei die Ei disjunkte messbare Mengen sind und λi > 0. Für ε > 0 sei
N
X
gε :=
(λi − ε)1Ei .
i=1
Dann ist gε ≥ 0 für ε klein genug und
Z
E
Z
N
N
X
X
gε dµ =
(λi − ε) µ(Ei ) −→
λi µ(Ei ) =
g dµ .
ε→0
i=1
i=1
Deshalb genügt es, zu zeigen, dass
Z
fk dµ ≥
lim
k→+∞
Z
E
gε dµ
E
∀ε > 0 .
(7.1)
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
98
Für λi > 0 und ∀x ∈ Ei haben wir
lim fk (x) ≥ λi > gε (x) .
k→+∞
Das bedeutet, dass
↑ Ei .
{fk > gε } ∩ Ei
{z
}
|
(7.2)
monotone Folge von Mengen
Sei nun
fk :=
M
X
γj 1Fj ,
j=1
wobei Fj ∩ Fi = ∅ ∀j 6= i und X =
Z
fk dµ =
E
M
X
S
j
Fj . Dann folgt:
γj µ(Fj ) ≥
j=1
≥
M X
N
X
γj µ(Ei ∩ Fj )
j=1 i=1
M X
N
X
γj µ(Ei ∩ Fj ∩ {fk > gε })
j=1 i=1
≥
M X
N
X
(λi − ε)µ(Ei ∩ Fj ∩ {fk > gε })
j=1 i=1
N
M
X
X
=
(λi − ε)
µ(Ei ∩ Fj ∩ {fk > gε })
i=1
=
=
j=1
N
X
M
[
i=1
j=1
(λi − ε)µ Ei ∩
!
Fj
!
∩ {fk > gε }
N
X
(λi − ε) µ(Ei ∩ {fk > gε }) .
i=1
Deshalb ist
Z
fk dµ ≥
lim
k→∞
E
d.h. (7.1) ist gezeigt.
N
X
i=1
(7.2)
(λi − ε) lim µ(Ei ∩ {fk > gε }) =
k→∞
Z
gε ,
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
99
7.3. Eigenschaften des Integrals
Lemma 7.3.1. (i) (Linearität)
Seien f, g : E −→ R zwei nicht-negative messbare Funktionen und c1 , c2 positive Zahlen. Dann gilt:
Z
Z
c1
Z
f dµ + c2
g dµ =
E
E
(c1 f + c2 g) dµ .
E
(ii) (Additivität)
Sei f : E −→ R eine nicht-negative messbare Funktion. Weiter seien E1 und
E2 zwei messbare Mengen mit E1 ∩ E2 = ∅ und E1 ∪ E2 = E. Dann ist
Z
Z
f dµ =
E
Beweis.
Z
f dµ +
f dµ .
E1
E2
(i) Seien f und g einfache messbare Funktionen, d.h.
f=
N
X
λi 1Ei und g =
M
X
γj 1Fj
j=1
i=1
mit der üblichen Konvention, dass {Ei } und {Fj } zwei Zerlegungen von X
sind. Dann ist
Z
n
X
X
f=
λi µ(Ei ) =
λi · µ(Ei ∩ Fj )
E
i=1
und
Z
g=
E
i,j
M
X
γj µ(Fj ) =
j=1
X
γj µ(Fj ∩ Ei ) .
i,j
Sei x ∈ Fj ∩ Ei . Dann ist c1 f (x) + c2 g(x) = c1 λi + c2 γj und damit
Z
(c1 f + c2 g) =
E
X
(c1 λi + c2 γj )µ(Ei ∩ Fj )
i,j
= c1
X
λi · µ(Ei ∩ Fj ) + c2
i,j
i,j
Z
= c1
Z
f + c2
E
X
g.
γj · µ(Ei ∩ Fj )
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
100
Seien nun f und g beliebige messbare Funktionen. Wir haben dann
• ∃ {fi } eine Folge nicht-negativer einfacher Funktionen, so dass 0 ≤ fi ≤ f
R
R
und E fi dµ −→ E f dµ.
R
• ∃{gi } eine Folge einfacher Funktionen, so dass 0 ≤ gi ≤ g und E gi dµ −→
R
g dµ.
E
Nun ist
c1 f + c2 g ≥ c1 fi + c2 gi ≥ 0
Z
Z
Z
Z
=⇒
(c1 f + c2 g) ≥ (c1 fi + c2 gi ) = c1
f i + c2
gi
E
E
E
E
Z
Z
Z
=⇒
(c1 f + c2 g) ≥ c1
f + c2
g.
i→+∞
E
E
E
Es bleibt noch zu zeigen, dass
Z
Z
Z
(c1 f + c2 g) ≤ c1
E
Per Definition ist
f + c2
g.
E
E
Z
Z
(c1 f + c2 g) =
sup
h.
0≤h≤c1 f +c2 g
h einfach
und messbar
E
E
Sei {h̃k } eine Folge einfacher messbarer Funktionen, so dass limk→+∞
R
(c f + c2 g) und h̃k ≤ c1 f + c2 g. Wir behaupten nun, dass
E 1
Z
Z
h̃k ≤ c1
E
R
E
h̃k =
Z
f + c2
E
g.
(7.3)
E
Mit dem Approximationssatz wählen wir zwei Folgen {fi } und {gi } einfacher
messbarer und nicht-negativer Funktionen, so dass fi ↑ f und gi ↑ g. Mit
Hilfslemma 7.2.6 folgt:
Z
(c1 fi + c2 gi ) ≥
lim
i→+∞
Z
E
h̃k .
E
Da fi und gi einfache Funktionen sind, wissen wir bereits, dass das Integral
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
101
linear ist, d.h.
Z
Z
(c1 fi + c2 gi ) = c1 lim
lim
i→∞
Z
gi ≤ c1
fi + c2 lim c2
i→∞
E
i→∞
E
Z
Z
f + c2
g.
E
Die letzte Ungleichung zeigt (7.3). (NB: Die letzte Ungleichung wird nicht aus
der Konvergenz des Integrals geschlossen, da wir noch keine allgemeine Version
des Satzes von Beppo Levi bewiesen haben! Die Ungleichung folgt vielmehr
aus der Definition des Integrals).
(ii) f ≥ 0 ist messbar mit Definitionsbereich E = E1 ∪ E2 . Die Mengen E, E1 und
E2 sind messbar. Zudem ist E1 ∩ E2 = ∅. Es folgt, dass
f · 1E1 + f · 1E2 = f (1E1 + 1E2 ) = f .
{z
}
|
=1 auf E
Deshalb ist
Z
Z
f+
E1
E2
Z
Z
f · 1E1 +
f=
E1
Z
f · 1E2 =
(i)
E2
Z
(f 1E1 + f 1E2 ) =
E
f.
E
Theorem 7.3.2 (Satz von Beppo Levi für nicht-negative Funktionenfolgen).
Sei {fk } mit fk ≥ 0 eine monotone Folge messbarer Funktionen mit fk ↑ f . Dann
gilt:
Z
Z
f = lim
k→+∞
fk .
Beweis. Aus f ≥ fk und der Monotonie des Integrals folgt
wollen nun die Ungleichung
Z
Z
f ≤ lim
fk
k→∞
beweisen. Wir erinnern uns, dass
Z
Z
f=
sup
0≤g≤f
g einfach
und messbar
g.
R
f ≥
R
fk ∀k. Wir
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
102
Also genügt es, zu zeigen, dass
Z
Z
g ≤ lim
fk
k→+∞
∀g einfach und messbar mit 0 ≤ g ≤ f.
Analog zu dem Verfahren im Beweis von Satz 3.3.6 finden wir für jedes k eine
einfache nicht-negative Funktion hk , so dass
fk −
1
≤ hk ≤ fk
k
auf {fk ≤ k}
hk = k auf {fk ≥ k}.
und
Es ist leicht zu sehen, dass hk ↑ f . Deshalb erhalten wir mit Hilfslemma 7.2.6:
Z
Z
Z
g ≤ lim
hk ≤ lim
k→∞
k→∞
fk .
7.4. Das Integral allgemeiner messbarer Funktionen
Definition 7.4.1.
Sei f : X → R eine messbare Funktion. Wie in der Masstheorie von Lebesgue
definieren wir f + := max{f, 0} und f − := max{−f, 0}. Dann sind die Funktionen
f ± messbar, f + ≥ 0, f − ≥ 0 und f = f + − f − . Wir sagen, dass
R
R
R
(i) X f dµ existiert, wenn X f + dµ < ∞ oder X f − dµ < ∞;
R
R
(ii) f ∈ L1 (X, µ), wenn X f + < ∞ und X f − < ∞.
Wenn i) gilt definieren wir das Integral von f als
Z
Z
f dµ :=
X
f
X
+
Z
dµ −
f − dµ .
X
Theorem 7.4.2.
Es gelten folgende Aussagen:
R
R
R
(i) f ∈ L1 (X, µ) ⇔ X |f | dµ < ∞ und | X f dµ| ≤ X |f | dµ.
(ii) Falls |f | ≤ |g| fast überall und g ∈ L1 (X, µ), dann ist f ∈ L1 (X, µ).
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
103
(iii) Wenn f ∈ L1 (X, µ), dann ist f (x) < ∞ für fast alle x ∈ X.
(iv) Wenn f = g fast überall und
R
R
und X f dµ = X g dµ.
R
f dµ existiert, dann existiert auch
X
R
X
g dµ
R
R
(v) Falls X f dµ existiert und c ∈ R, dann existiert auch (cf ) dµ und es ist
R
R
(cf ) dµ = c f dµ .
(vi) Wenn f, g ∈ L1 (X, µ) und λ, µ ∈ R, dann ist λf + µg ∈ L1 (X, µ) und
Z
Z
(λf + µg) = λ
Z
f +µ
g.
7.5. Konvergenzsätze
Theorem 7.5.1 (Satz von Beppo Levi in allgemeiner Form).
Seien {fk } und f messbare Funktionen.
(i) Falls fk ↑ f und es ein Φ ∈ L1 (X, µ) gibt mit f0 ≥ Φ, dann gilt:
R
f dµ.
X
R
(ii) Falls fk ↓ f und es ein Φ ∈ L1 (X, µ) mit f0 ≤ Φ gibt, dann gilt:
R
f dµ.
X
R
X
X
fk dµ ↑
fk dµ ↓
Theorem 7.5.2 (Lemma von Fatou in allgemeiner Form).
Sei {fk } eine Folge messbarer Funktionen, so dass ein Φ ∈ L1 (X, µ) existiert mit
f ≥ Φ, dann gilt die Ungleichung
Z
Z
(lim inf fk )dµ ≤ lim inf
X
k→∞
k→∞
fk dµ .
X
Theorem 7.5.3 (Satz von Lebesgue in allgemeiner Form).
Seien f , {fk } messbare Funktionen und sei Φ ∈ L1 (X, µ) mit |fk | ≤ Φ ∀k. Falls fk
fast überall gegen f konvergiert, dann ist
Z
lim
k→+∞
Z
fk dµ =
X
f dµ .
X
Kapitel 7. Abstrakte Masstheorie II: messbare Funktionen und Integral
104
Die Konvergenzsätze folgen aus Satz 7.3.2: Die Beweise funktionieren genau gleich,
wie jene für die Lebesguesche Masstheorie.
8. Abstrakte Masstheorie III:
Produktmasse
8.1. Produkte von σ-Algebren
Seien X und Y zwei Mengen und A und B zwei σ-Algebren: A eine σ-Algebra auf
X und B eine σ-Algebra auf Y .
Definition 8.1.1.
Das Produkt der σ-Algebren A und B, die wir mit A × B bezeichnen, ist die σAlgebra auf X × Y die von der folgenden Menge erzeugt wird:
{A × B : A ∈ A, B ∈ B} .
(8.1)
Sei E ⊂ X × Y und f : X × Y → Z. Wir führen eine spezielle Notation für die
Abschnitte von E und f ein:
Definition 8.1.2.
Für jedes x ∈ X und jedes y ∈ Y schreiben wir
Ex := {y ∈ Y : (x, y) ∈ E}
E y := {x ∈ X : (x, y) ∈ E} .
Ähnlicherweise, sei f : X ×Y → Z. fx : Y → Z und f y : X → Z sind die Funktionen
fx (y) := f (x, y)
f y (x) := f (x, y) .
105
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
106
Lemma 8.1.3.
Seien X, Y, A und B wie oben.
(a) Sei E ∈ A × B. Dann Ex ∈ B ∀x ∈ X und E y ∈ A ∀y ∈ Y .
(b) Sei f : X × Y → [−∞, ∞] A × B-messbar. Dann ist fx B messbar ∀x ∈ X
und ist f y A-messbar ∀y ∈ Y .
Beweis. Wir fixieren x ∈ X. Sei Σ die Familie der Mengen E ⊂ X × Y so dass
Ex ∈ B. Dann
(i) Falls A ∈ A und B ∈ B, dann gehört E = A × B zu Σ, weil Ex = B.
(ii) Da (E c )x = (Ex )c und (∪i Ei )x = ∪i (Ei )x ist Σ eine σ-Algebra.
Da A × B die kleinste σ-Algebra ist, die die Mengen der Form A × B mit A ∈ A
und B ∈ B enthält, muss A × B ⊂ Σ. Das beweist deshalb den ersten Teil der
Aussage (a) des Lemmas. Der Beweis des zweiten Teils ist ähnlich und wird dem
Leser gelassen.
Die Aussage (b) folgt aus (a) und aus der folgenden elementaren Bemerkung:
(fx )−1 (D) = (f −1 (D))x und (f y )−1 (D) = (f −1 (D))y .
8.2. Produktmasse
Wir werden nun das Haupttheorem über Produktmasse behaupten.
Definition 8.2.1.
Sei (X, Σ, µ) ein Massraum. µ (oder (X, Σ, µ)) heisst σ-endlich falls es eine Folge
messbarer Mengen {En } gibt mit En ↑ X und µ(En ) < ∞.
Haupttheorem 8.2.2.
Seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) zwei σ-endliche Massräume. Es gibt dann ein einziges
Mass α auf der σ-Algebra A × B so dass
α(A × B) = µ(A)ν(B)
(mit der Konvention dass 0 × ∞ = 0).
∀A ∈ A und
∀B ∈ B
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
107
Ausserdem, wenn E ∈ A × B gelten die folgenden Aussagen:
(i) Die Funktion x 7→ ν(Ex ) ist µ-messbar;
(ii) Die Funktion y 7→ µ(E y ) ist ν -messbar;
(iii)
Z
Z
ν(Ex ) dµ(x) =
α(E) =
X
µ(E y ) dµ(y) .
Y
Das Mass α heisst Produktmass und wird oft mit µ × ν bezeichnet. Eine wichtige Bemerkung ist folgendes: auch wenn die Massräume (X, A, µ) und (Y, B, ν)
vollständig sind, ist µ × ν nicht unbedingt vollständig. Es ist einfach ein Beispiel
zu geben: sei N ⊂ X eine nichtlehre µ-Nullmenge und nehmen wir an dass es eine
nicht-ν-messbare Menge F ⊂ Y gibt. Aus dem Lemma 8.1.3 folgt dann dass N × F
kein Element von A × B ist. Aber N × Y ist eine µ × ν-Nullmenge.
Oft werden wir mit µ×ν auch die Vervollständigung des Produktmasses im Haupttheorem 8.2.2 bezeichnen.
Wir können das Haupttheorem 8.2.2 mit dem Satz von Fubini kombinieren: insbesondere schliessen wir dass das Lebesgue Mass auf Rm+n das Produkt der entsprechenden Lebesgue Masse auf Rn und Rk ist.
Korollar 8.2.3.
Wir bezeichnen mit (Rm , Mm , L m ), (Rk , Mk , L k ) und (Rm+k , Mm+k , L m+k ) die
Lebesgue Massräume auf Rm , Rk und Rm+k . Dann gilt L m+k = L m × L k .
8.3. Dynkin Familien
Um das Haupttheorem 8.2.2 zu beweisen brauchen wir die Theorie der Dynkin Familien.
Definition 8.3.1.
Sei X eine Menge. Eine Teilmenge D ⊂ P(X) heisst Dynkin Familie falls
(a) X ∈ D;
(b) Falls A, B ∈ D und A ⊃ B, dann A \ B ∈ D;
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
108
(c) Falls {An }n ⊂ D und An ↑ A, dann A ∈ D.
Eine Teilmenge E ⊂ P(X) heisst π-Familie falls A ∩ B ∈ E für alle A, B ∈ E.
Die Dynkin Familien sind sehr relevant in der abstrakten Masstheorie wegen der
folgenden Elementaren Bemerkung, deren Beweis dem Leser gelassen wird.
Lemma 8.3.2.
Sei X eine Menge, Σ ⊂ P(X) eine Σ-Algebra und µ, ν : Σ → [0, ∞] zwei Masse mit
µ(X) = ν(X) < ∞. Die Teilfamilie S ⊂ Σ der Mengen auf welchen µ und ν die
gleichen Werte nehmen ist dann eine Dynkin Familie.
Eine andere elementare Bemerkung ist dass der Schnitt belieber Dynkin Familie
(auf einer selben Menge X) auch eine Dynkin Familie ist. Deswegen, wie wir schon
für die σ-Algebren gesehen haben, gilt der folgende Satz.
Satz 8.3.3.
Für jede C ⊂ P(X) gibt es eine einzige Dynkin Familie D mit den folgenden Eigenschaften
• C ⊂ D;
• D ist in jeder Dynkin Familie enthalten, die C enthält.
D ist also die kleinste Dynkin Familie die C enthält und wir sagen dass D die von
C erzeugte Dynkin Familie ist.
Der Hauptsatz der Theorie der Dynkin Familien ist die folgende Charakterisierung
der σ-Algebra die von einer π-Familie C erzeugt wird.
Satz 8.3.4.
Sei C ⊂ P(X) eine π-Familie und seien Σ und D die σ-Algebra und die Dynkin
Familie die von C erzeugt werden. Dann gilt D = Σ.
Beweis. Eine σ-Algebra ist automatisch eine Dynkin Familie und deshalb D ⊂ Σ.
Wir wollen nun zeigen dass D eine σ-Algebra ist: daraus folgt sofort dass Σ ⊂ D. Da
D eine Dynkin Familie ist, schliessen wir sofort, dass X ∈ D und dass, wenn E ⊂ D,
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
109
dann E c = X \ E ∈ D. Wir müssen also nur zeigen, dass, wenn {Ei }i∈N ⊂ D, dann
E :=
∞
[
Ei ∈ D .
(8.2)
i=0
In der Tat müssen wir nur zeigen dass
FN :=
N
[
Ei ∈ D
i=0
weil dann FN ↑ E. An der anderen Seite
FN =
N
\
!c
Eic
.
i=0
Deshalb genügt es zu zeigen dass der Schnitt endlich vieler Elementen von D noch
ein Element von D ist, d.h. wir brauchen
A, B ∈ D
=⇒
A∩B ∈ D.
(8.3)
Wir definieren
D1 := {A ∈ D : A ∩ C ∈ D
∀C ∈ C} .
D1 enthält C. Andererseits:
• X ∈ D1 ;
• Falls A ⊂ B und A, B ∈ D1 , dann gilt A \ B ∈ D1 . In der Tat A \ B ∈ D
und wenn C ∈ C, dann haben wir A ∩ C ∈ D und B ∩ C ∈ D und also
(A \ B) ∩ C = (A ∩ C) \ (B ∩ C) ∈ D. Änlicherweise, falls {En }n∈N ⊂ D1 und
EN → E, dann E ∈ D und, für alle C ∈ C, En ∩ C ∈ D und En ∩ C ↑ E ∩ C.
Also E ∩ C ∈ D. Deshalb E ∈ D1 .
Also D1 ist eine Dynkin Familie die C enthält: wir schliessen dass D1 = D.
Sei nun
D2 := {B ∈ D : A ∩ B ∈ D ∀A ∈ D} .
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
110
Da D1 = D, haben wir C ⊂ D2 . Wir können aber das obige Argument wiederholen
um zu schliessen dass D2 auch eine Dynkin Familie ist. Also muss unbedingt D2 = D
sein. Aus dieser Gleichung folgt aber sofort (8.3).
Korollar 8.3.5.
Sei Σ eine σ-Algebra auf X und µ, ν : Σ → [0, ∞] zwei Masse mit µ(X) = ν(X) <
∞. Falls C ⊂ Σ eine π-Familie ist, so dass
• Σ von C erzeugt wird,
• µ(C) = ν(C) ∀C ∈ C,
dann gilt µ = ν.
8.4. Beweis des Haupttheorems 8.2.2
Teil 1. Beweis von (ii) und (iii). Sei E ∈ A × B. Zuerst beweisen wir (ii) wenn
ν(Y ) < ∞.
Sei F die Familie der Mengen E ∈ A × B so dass x 7→ ν(Ex ) µ-messbar ist.
Falls A ∈ A und B ∈ B, dann ν(Ex ) = ν(B)1A (x): deshalb gehört A × B zu F.
Insbesondere gehört X × Y zu F. Falls E ∈ F, dann (E c )x = (Ex )c und also ist
ν((E c )x ) = ν(Y ) − ν(E c ): die Funktion x 7→ ν((E c )x ) ist also messbar und E c ∈ F.
Schliesslich, falls {En }n ⊂ F und En ↑ E, dann ν((En )x ) ↑ ν(Ex ). Die Abbildung
x 7→ ν(Ex ) ist also µ-messbar und E gehört zu F. Wir haben bewiesen, dass
• F eine Dynkin Familie ist;
• F enthält die Menge C = {A × B : A ∈ A, B ∈ B}.
Ausserdem, falls A1 × B1 , A2 × B2 ∈ C, dann
(A1 × B1 ) ∩ (A2 × B2 ) = (A1 ∩ A2 ) × (B1 ∩ B2 )
gehört zu C. C ist also eine π-Familie und aus dem Satz 8.3.4 wissen wir dass A × B
die Dynkin Familie ist, die von C erzeugt wird. Deshalb git A × B ⊂ F und also ist
(ii) bewiesen, wenn ν(Y ) < ∞.
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
111
Sei nun ν σ-endlich und Yi ↑ Y eine monotone Folge so dass ν(Yi ) < ∞. Wir
definieren νi : B → [0, ∞[ als νi (E) := ν(E ∩ Yi ). νi ist also ein endliches Mass auf Y
und, für alle E ∈ A×B, gilt dann dass x 7→ νi (Ex ) µ-messbar ist. Da νi (Ex ) ↑ ν(Ex ),
folgt dass auch x 7→ ν(Ex ) µ-messbar ist.
Das beweist (ii) im algemeinen Fall: der Beweis von (i) ist ähnlich und wird dem
Leser gelassen.
Teil 2. Existenz des Produktmasses. Wir beweisen nur die Existenz von α.
Aus dem Teil 1 können wir
Z
α(E) := ν(Ex ) dµ(x)
definieren. Dann
Z
Z
α(A × B) =
dµ(x) = ν(B)µ(A) .
ν(B) dµ(x) = ν(B)
A
A
An der anderen Seite:
(a) α(∅) = µ(∅ × ∅) = µ(∅)ν(∅) = 0 · 0 = 0.
(b) Falls F ⊂ E, dann gilt Fx ⊂ Ex für alle x und also
Z
α(F ) =
Z
ν(Fx ) dµ(x) ≤
ν(Ex ) dµ(x) = α(E).
(c) Seien nun {Ei } ⊂ A × B eine Folge disjunkter Mengen und
E=
∞
[
Ei .
i=0
Dann gilt dass {(Ei )x }i eine Folge disjunkter Mengen mit
Also gilt
∞
X
ν(Ex ) =
ν((Ei )x ) .
i=0
S
i (Ei )x
↑ Ex ist.
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
112
Aus dem Satz von Beppo Levi gilt dann
X
α(Ei ) =
XZ
i
ν((Ei )x ) dµ(x) =
Z X
ν((Ei )x ) dµ(x) = α(E) .
i
i
α ist also ein Mass.
Teil 3. Eindeutigkeit und (iii). Wir haben schon in Teil 1 bewiesen dass
die Menge C eine π-Familie ist. Die Eindeuitgkeit ist also eine Konsequenz des
Korollars 8.3.5. An der anderen Seite folgt aus dem Argument des Teils 2 dass
Z
β(E) :=
µ(E y ) dν(y)
ein Mass ist. Da β = α auf C, die Eindeutigkeit impliziert des Produktmasses
implizier dass α = β.
8.5. Die abstrakte Version des Fubini-Tonelli Satzes
In diesem Kapitel werden wir die Notation µ × ν für die Vervollständigung des
Produktmasses nutzen.
Satz 8.5.1.
Seien (X, A, µ) und (Y, B, ν) zwei vollständige Massräume und µ × ν das entsprechende vollständige Produktmass. Sei f : X ×[−∞, ∞] eine µ×ν-messbare Funktion
und nehmen wir an dass eine der folgenden Bedingungen gilt:
(a) f ist nichtnegativ;
(b) f ist integrierbar.
Im Fall (a) gilt:
(a1) fx ist ν-messbar für µ-fast alle x;
(a2) f y ist µ-messbar für ν-fast alle y;
Im Fall (b) gilt
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
113
(b1) fx ist ν-integrierbar für µ-fast alle x;
(b2) f y ist µ-integrierbar für ν-fast alle y.
In beiden Fällen gilt
Z
Z Z
f dµ × ν =
Z Z
x
f (y) dν(y) dµ(x) =
f y (x) dµ(x) dν(y) .
(8.4)
Beweis. Teil 1. (a1) und (a2). Zuerst beweisen wir die Aussage wenn f die Indikatorfunktion einer Menge E ist. In dem Fall ist E = E 0 ∪ N , wobei E 0 ∈ A × B und
N eine µ × ν-Nullmenge ist. Für 1E 0 folgen die Aussagen aus dem Lemma 8.1.3. Wir
müssen also (a1) und (a2) für 1N zeigen. Da N eine µ × ν-Nullmenge ist, gibt es
F ∈ A × B so dass N ⊂ F und µ × ν(F ) = 0. Jede Fx ist also ν-messbar, x 7→ ν(Fx )
ist µ-messbar und
Z
0 = µ × ν(F ) =
ν(Fx ) dµ(x) .
Deshalb gilt dass ν(Fx ) = 0 für µ-fast alle x ∈ X. Da Nx ⊂ Fx und ν vollständig
ist, ist dann Nx ν-messbar für µ-fast alle x ∈ X. Das zeigt (a1) und (a2) folgt aus
einem ähnlichen Argument.
Um den allgemeinen Fall zu beweisen, folgen wir die übliche Methode: das obige
Argument impliziert (a1) und (a2) für einfache Funktionen und wenn f : X ×
Y → [0, ∞] eine allgemeine messbare Funktion ist, nutzen wir eine monotone Folge
einfacher Funktionen die nach f überall konvergiert.
Teil 2. (8.4) im Fall (a). Aus dem Teil 1 und dem obigen Argument folgt sofort
dass die Gleichung für Indikatorfunktionen (und deshalb einfache Funktionen) gilt.
Um den allgemeinen fall einer messbaren Funktion f zu zeigen, nutzen wir eine
monotone Folge einfacher Funktionen die nach f überall konvergiert und den Satz
von Beppo Levi.
Teil 3. (b1), (b2) und (8.4) im Fall (b). Wir haben
Z
Z
f dµ × ν =
+
f dµ × ν −
Z
f − dµ × ν .
Kapitel 8. Abstrakte Masstheorie III: Produktmasse
114
Ausserdem, aus den obigen Teilen gilt dass
Z Z
Z Z
±
(f )x (y) dν(y) dµ(x) < ∞
und
(f ± )y (x) dµ(x) dν(y) < ∞
und also schliessen wir, dass
• (f ± )x = (fx )± ν-messbar für µ fast alle x sind und
alle x;
R
(fx )± dν < ∞ für µ-fast
• (f ± )y = (f y )± µ-messbar für ν fast alle y sind und
alle y.
R
(f y )± dµ < ∞ für ν-fast
(b1) und (b2) sind dann eine triviale Konsequenz. Ausserdem, (8.4) folgt aus den
ähnlichen Identitäten für f + und f − , die wir aus dem Teil 2 wissen.
8.6. Die geometrische Bedeutung des abstrakten
Integrals
Schliesslich gibt die Theorie der Produktmasse eine geometrische Beschreibung des
abstrakten Lebegueschen Integrals die ähnlich zu unserer Definition des Lebegueschen Integrals auf einem Euklidischen Raum ist.
Satz 8.6.1.
Sei (X, A, µ) ein σ-endlicher vollständiger Massraum und sei f : X → [0, ∞] eine
µ-messbare Menge. Sei L das Lebesguesche Mass auf R und
R(f, X) := {(x, y) : x ∈ X
und
0 ≤ y < f (x)} .
Dann gilt
Z
f dµ = (µ × L )(R(f, E)) .
Beweis. Die Identität ist trivial für einfache Funktionen und im allgemeinen Fall
einer messbaren f nutzen wir die übliche motonone Folge einfacher Funktionen {fk }
mit fk ↑ f und den Satz von Beppo Levi.
9. Variabelwechselung im
Lebegueschen Integral
9.1. Der Transformationssatz
Seien Ω, Γ ⊂ Rn und F : Ω → Γ eine Lipschitz-stetige Abbildung. Wir wissen
von Theorem 2.4.1 in Kapitel 2.4, dass F (E) eine messbar Menge ist falls E ⊂ Ω
messbar ist. Es gibt eine Formel, die einen Zusammenhang zwischen dem Mass von
F (E) und demjenigen von E und der Determinante des Differentials von F herstellt
(eine Lipschitz-stetige Abbildung ist fast überall differenzierbar: diese Aussage ist
das bekannte Theorem von Rademacher, eines der wichtigsten Theoreme der reellen
Analysis). In diesem Kapitel werden wir diese Formel für einen Spezialfall beweisen,
d.h. wenn die Abbildung F zusätzlich ein Diffeomorphismus ist (d.h. eine umkehrbare C 1 -Abbildung mit C 1 -Umkehrfunktion).
Haupttheorem 9.1.1 (Transformationssatz).
Sei folgendes gegeben:
• Ω, Γ ⊂ Rn zwei offene Mengen,
• F : Ω → Γ ein Diffeomorphismus,
• E eine beschränkte messbare Menge mit E ⊂ Ω,
• f : Γ → [0, ∞] eine messbare Funktion (bzw. f : E → R eine L1 -Funktion).
Dann ist f ◦ F messbar (bzw. eine L1 -Funktion) und es gilt:
Z
Z
f ◦ F | det dF | =
E
f.
F (E)
115
(9.1)
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
116
Wir bemerken, dass die Funktion f ◦ F | det dF | integrierbar ist: Denn | det dF | ist
eine stetige Funktion und somit messbar. Falls f ◦ F nicht-negativ ist, so ist auch
f ◦ F | det dF | nicht-negativ: In diesem Fall bedeutet integrierbar einfach messbar.
Falls f ◦ F ∈ L1 (E), dann bemerken wir zudem, dass | det dF | eine beschränkte
Funktion auf E ist (weil E ⊂ Ω kompakt und | det dF | stetig ist). Also ist (f ◦
F | det dF |) ∈ L1 (E).
Mit Theorem 9.1.1 können wir das Mass des Bildes F (E) leicht berechnen.
Korollar 9.1.2.
Seien Ω, Γ und F wie in Theorem 9.1.1. Dann ist F (E) messbar für jede messbare
Menge E ⊂ Ω und es gilt:
Z
|F (E)| =
| det dF | .
(9.2)
E
Beweis. Falls E beschränkt ist und E ⊂ Ω, dann ist die Formel (9.2) eine Folgerung
der Formel (9.1), wenn wir f := 1Γ setzen. Sei nun E eine allgemeine messbare
Teilmenge von Ω und {Fk } eine wachsende Folge kompakter Teilmengen von Ω mit
Fk ↑ Ω (nutzen Sie eine Whitney-Zerlegung, um die Existenz einer solchen Folge zu
zeigen!). Wir definieren E0 := E ∩ F0 und Ek := E ∩ Fk \ Fk−1 , falls k ≥ 1. Dann ist
|F (E)| =
X
k
|F (Ek )| =
XZ
k
Ek
Z
| det dF | .
| det dF | =
E
(wobei die erste Gleichung aus der Injektivität von F folgt).
Die Einschränkung der Funktion F in Theorem 9.1.1 auf eine kompakte Teilmenge
von Ω ist Lipschitz-stetig. Deshalb folgt die Messbarkeit von F (E) aus Theorem
2.4.1. Wir werden später sehen, dass der Beweis von Theorem 9.1.1 auf dem Stoff
von Kapitel 2.4 basiert.
Als nächstes werden wir sehen, dass der folgende Satz die Kernidee für den Beweis
des Transformationssatzes ist.
Satz 9.1.3.
Seien Ω, Γ und F wie in Theorem 9.1.1 und I ⊂ Ω ein abgeschlossenes Intervall.
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
Dann ist
117
Z
| det dF | .
|F (I)| =
(9.3)
I
Beweis von Satz 9.1.1. Die allgemeine Formel (9.1) folgt leicht aus (9.3). Wir skizzieren hier den Beweis dieser Tatsache.
Schritt 1: Die Transformationsformel (9.2) gilt für offene Mengen: Wir finden eine
Whitney-Zerlegung und nutzen die Bemerkungen im Beweis von Korollar 9.1.2.
Schritt 2: Die Formel gilt für jede beschränkte Gδ -Menge A: In diesem Fall ∃ eine
fallende Folge Ak ↓ A mit Ak offen und beschränkt. Deshalb ist
|F (B)| =
=
Z
Schritt 1
lim |F (Ak )|
=
lim
| det dF |
k→+∞ A
k
Z
Z
Z
| det dF | 1B =
| det dF |.
lim
| det dF |1Ak =
k→+∞
k→+∞
Rn
Rn
B
Die Formel gilt für allgemeine Gδ -Mengen: für jede solche Menge B finden wir eine
Folge von beschränkten Gδ -Mengen Bk ⊂ Ω mit Bk ↑ B.
Schritt 3: Die Formel gilt für jede messbare Menge E. Sei D ⊂ Ω messbar. Dann
ist D = B \ Z, wobei B eine Gδ -Menge und Z eine Nullmenge ist. Da F auf kompakten Teilmengen von Ω Lipschitz-stetig ist, folgt aus Theorem 2.4.1, dass F (Z)
eine Nullmenge ist, wenn Z ⊂ Ω. Aber wir können die Idee des Beweises von Korollar 9.1.2 anwenden und eine Darstellung von Z als abzählbare Vereinigung von
Nullmengen Zk mit Z k ⊂ Ω kompakt finden. Deshalb ist auch F (Z) eine Nullmenge
und
Z
Z
Schritt 2
| det dF | .
|F (D)| = |F (B)|
=
| det dF | =
B
D
Schritt 4: Mit Schritt 3 folgt die Transformationsformel (9.1) für einfache messbare
P
Funktionen: Sei also f = N
i=1 λi 1Ai eine messbare Funktion mit Ai ⊂ Γ. Dann sind
auch die Mengen F −1 (Ai ) =: Bi messbar (die Umkehrung F −1 : Γ → Ω ist auch
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
118
eine C 1 -Abbildung!). Wir haben dann
Z
f =
F (E)
X
λi |F (E) ∩ Ai | =
X
i
=
=
X
i
Z
1Bi | det dF | =
λi
Zi X
E
λi |F (Bi ∩ E)| =
X
Z
i
X
| det dF |
λi
E∩Bi
Z
1Ai ◦ F | det dF |
λi
E
E
Z
λi 1Ai ◦ F | det dF | =
f ◦ F | det dF | .
E
i
Schritt 5: Mit Schritt 4 folgt die Transformationsformel (9.1) für jede messbare
Funktion f ≥ 0: Wir wählen eine Folge {fk } nicht-negativer einfacher messbarer
Funktionen, die monoton gegen f konvergiert und wenden das Theorem über die
monotone Konvergenz (Satz von Beppo Levi) an.
Schritt 6: Mit Schritt 5 folgt die Transformationsformel (9.1) für jede messbare
Funktion f ≥ 0: Schliesslich erhalten wir die Transformationsformel (9.1) für L1 Funktionen, wenn wir die Identität f = f + − f − nutzen.
9.2. Beweis des Transformationssatzes: Teil I
Der Beweis des Satzes 9.1.3 baut auf den folgenden drei Lemmata auf:
Lemma 9.2.1.
Es gibt eine Konstante C mit der folgenden Eigenschaft: Sei ε eine positive reelle
Zahl und F : Ω ⊂ Rn → Rn eine Abbildung mit der folgenden Eigenschaft:
|(F (x) − F (y)) − (x − y)| ≤ ε|x − y|
Dann ist
|F (E)| ≤ (1 +
√ n
nε) |E|
∀x, y ∈ Ω.
für jede offene Menge E.
(9.4)
Lemma 9.2.2.
Falls F (x) = v + M x, mit v ∈ Rn , M ∈ Rn×n , dann gilt für jede messbare Menge
E ⊂ Rn : |F (E)| = |detM ||E|.
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
119
Lemma 9.2.2 haben wir schon in Kapitel 2.4 bewiesen: siehe Theorem 2.5.1. Lemma 9.2.1 folgt mit der gleichen Idee, wie die Abschätzung (2.5) in Theorem 2.4.1.
Für das dritte Lemma erinnern wir uns an die Taylor-Entwicklung erster Ordnung
einer differenzierbaren Funktion:
Tx0 F (y) = F (x0 ) + dFx0 (y − x0 ) .
Wir bemerken, dass wenn F ein Diffeomorphismus ist, dann ist dFx0 (und damit
auch Tx0 F ) invertierbar.
Lemma 9.2.3.
Sei ε > 0 und seien F und I wie in Satz 9.1.3. Dann ∃ δ > 0, so dass
(Tx0 F )−1 ◦ F (z) − (Tx0 F )−1 ◦ F (w) − (w − z) ≤ ε|z − w|
(9.5)
für jedes x0 ∈ I und z, w ∈ Kδ (x0 ) ∩ I.
Beweis von Lemma 9.2.1. Als erstes bemerken wir, dass F eine Lipschitz-stetige
Funktion ist. Also folgt mit Teorem 2.4.1:
(i) F (E) ist messbar für jede messbare Menge E;
(ii) |F (E)| = 0 für jede Nullmenge E.
Nun beweisen wir den Satz für einen abgeschlossenen Würfel. Sei
W := [x1 − `, x1 + `] × . . . × [xn − `, xn + `]
ein solcher Würfel mit Mittelpunkt x und Seitenlänge 2`. Dann ist |y − x| ≤
∀y ∈ W . Betrachten wir den Würfel
W 0 := [f1 (x) − `, f1 (x) + `] × . . . × [fn (x) − `, fn (x) + `] .
Wenn y ∈ W ist, dann ist y 0 = (y − x) + f (x) ∈ W 0 und
√
|f (y) − y 0 | ≤ ε|x − y| ≤ ε n` .
√
n`
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
Wenn wir nun σ := (1 +
√
120
nε)` setzen, so ist f (y) im Würfel
W 00 := [f1 (x) − σ, f1 (x) + σ] × . . . × [fn (x) − σ, fn (x) + σ]
enthalten. Deshalb ist F (W ) ⊂ W 00 und somit
|F (W )| ≤ |W 00 | = (1 +
√
nε)n (2`)n = (1 +
√ n
nε) |W | .
S
Sei nun E offen und {Wi }i∈I eine Whitney-Zerlegung von E. Dann ist E = i Wi
P
und |F (E)| ≤ i |F (Wi )|. Weiter ist Wi ∩ Wj eine Nullmenge für alle i 6= j und mit
(ii) folgt |F (Wi ∩ Wj )| = 0. Wir haben also
|F (E)| =
X
|F (Wi )| .
i
Da die Mengen Wi Würfel sind, impliziert obiges Argument
|F (E)| =
X
|F (Wi )| ≤ (1 +
√ nX
√
nε)
|Wi | = (1 + nε)n |E| .
i
i
Beweis von Lemma 9.2.3. Seien x0 , x, y ∈ I. Dann ist
Tx0 F (x) − Tx0 F (y) = F (x0 ) + dFx0 (x − x0 ) − F (x0 ) − dFx0 (y − x0 ) = dFx0 (x − y)
und deshalb
|Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| ≤ c · |x − y| ,
(9.6)
wobei
c := maxkdFx0 kO .
x0 ∈I
Setzen wir ω := dFx0 (x − y) und nutzen die Umkehrbarkeit von dFx0 , so ist
x − y = (dFx0 )−1 (ω). Nun folgt:
|ω| = c1 · |ω| .
|x − y| = |(dFx0 )−1 (ω)| ≤ max dFx−1
0
x0 ∈I
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
121
Deshalb haben wir
|Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| = |ω| ≥
1
· |x − y| .
c1
(9.7)
Mit (9.6) und (9.7) folgt:
|x − y|
≤ |Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| ≤ c2 · |x − y|,
c2
∀x0 , x, y .
(9.8)
Wir schreiben (9.5) als
|(Tx0 F )−1 ◦ F (z) − (Tx0 F )−1 ◦ F (w) − (z − w)| ≤ ε|z − w| .
{z
} | {z }
|
=:x
(9.9)
=:y
Zusammen mit (9.8) ist
|Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| ≤
ε
|z − w|
c2
(9.10)
zu zeigen. Wenn wir das zeigen können, folgt:
|x − y| ≤ c2 · |Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| ≤ c2
ε
· |z − w| = ε · |z − w| .
c2
Wegen der Linearität von dFx0 ist
Tx0 F (x) − Tx0 F (y)
= Tx0 F ◦ (T Fx0 )−1 ◦ F (x) − Tx0 F ◦ (T Fx0 )−1 ◦ F (w) − (T Fx0 (z) − Tx0 F (w))
= F (z) − F (w) − Tx0 F (z) + Tx0 F (w)
= F (z) − F (w) − F (x0 ) − dFx0 (z − x0 ) + F (x0 ) + dFx0 (w − x0 )
= (F (z) − dFx0 (z)) − (F (w) − dFx0 (w)) .
(9.11)
Wir definieren die Abbildung G durch G(ξ) := F (ξ) − dFx0 (ξ). Dann implizieren
(9.11) und der Schrankensatz
|Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| = |G(z) − G(w)| ≤ kdGξ k|z − w| ,
(9.12)
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
122
wobei ξ ein Punkt des Segments [z, w] ist.
Falls x, w ∈ Kδ (x0 ), dann gehört auch ξ zu Kδ (x0 ). Nun ist dGξ = dFξ − dFx0 .
Wegen der Stetigkeit von dF ∃δ > 0, so dass
kdFζ − dFx0 k ≤
c2
ε
für alle ζ ∈ Kδ (x0 ).
Mit dieser Wahl der Konstanten δ folgt, dass
|Tx0 F (x) − Tx0 F (y)| ≤
ε
|z − w| .
c2
Da I kompakt ist, ist dF gleichmässig stetig in einer Umgebung von I. Deshalb
können wir die Konstante δ unabhängig von x0 wählen.
9.3. Beweis des Transformationssatzes: Teil II
In diesem Kapitel schliessen wir den Beweis des Satzes 9.1.3 ab. Die Idee ist, dass
in einer kleinen Umgebungen eines Punktes x0 ∈ Ω die Taylorentwicklung Tx0 F
erster Ordnung der Funktion F eine gute Approximation von F ist. Die genaue
mathematische Formulierung dieser Idee ist durch Lemma 9.2.3 gegeben.
Beweis des Satzes 9.1.3. Sei ε > 0 gegeben. Wir wählen ein δ > 0, so dass die Behauptung von Lemma 9.2.3 gilt. Dann zerlegen wir I in kleinere sich nicht überlappende
Intervalle {Ii }i∈{1,...,N } mit der Eigenschaft, dass Ii ⊂ Kδ (xi ) mit xi ∈ I.
Da F Lipschitz-stetig ist, ist |F (∂Ii )| = 0 (siehe Theorem 2.4.1!). Die inneren
Kerne von Ji und Ii sind disjunkt und deshalb gilt:
|I| =
X
|Ji |
und
|F (I)| =
i
X
|F (Ji )| .
i
Wir wollen nun |F (Ji )| abschätzen. Wir schreiben
F (Ji ) = Txi F
(Txi F )−1 ◦ F (Ji ))
(9.13)
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
123
und setzen G := (Txi F )−1 ◦ F . Dank Hilfssatz 9.2.2 wissen wir, dass
|F (Ji )| = | det dFxi ||G(Ji )| .
Mit Lemma 9.2.3 folgt, dass G die Bedingungen des Satzes 9.2.1 erfüllt. Deshalb
haben wir
|F (Ji )| ≤ (1 + Cε)n | det dFxi ||G(Ji )| .
Nun betrachten wir die Umkehrfunktion G−1 : G(Ji ) → Ji : Wir wissen, dass
|G(x) − G(y) − (x − y)| ≤ ε|x − y| .
Wenn wir nun x = G−1 (ξ) und y = G−1 (ζ) setzen, erhalten wir
|G−1 (ξ) − G−1 (ζ) − (ξ − ζ)| ≤ ε|G−1 (ξ) − G−1 (ζ)| .
Da G−1 Lipschitz-stetig ist, gibt es eine Konstante C (unabhängig von xi ), so dass
|G−1 (ξ) − G−1 (ζ)| ≤ C|ξ − ζ|. Deshalb ist die Bedingung von Satz 9.2.2 auch für
G−1 erfüllt.
Also ist
|Ji |
=
Satz 9.2.2
=
−1
G (Tx0 F )−1 (F (Ji ) ≤ (1 + Cε)n |(Tx0 F )−1 (F (Ji ))|
(1 + Cε)n | det(dFx0 )−1 ||F (Ji )| .
Deshalb haben wir für jedes i:
(1 + Cε)−n | det dFxi ||Ji | ≤ |F (Ji )| ≤ (1 + Cε)n | det dFxi ||Ji | .
Da x 7→ det dFx stetig ist, können wir δ so klein wählen, dass
||det dFx | − |det dFy || < ε,
wenn |x − y| < δ.
(9.14)
Kapitel 9. Variabelwechselung im Lebegueschen Integral
124
Folglich haben wir
Z
Z
|det dFxi | =
|det dFxi ||Ji | =
Ji
Z
|det dF | +
Ji
Ji
|det dFxi | − |det dF |)
{z
}
|
<ε, da |xi −y|<δ ∀y∈Ji
Folglich ist
Z
Z
|det dF | − ε|Ji | ≤ |det dFxi | ≤
Ji
|det dF | + ε|Ji | .
(9.15)
Ji
(9.14) und (9.15) zusammen implizieren
−n
Z
n
| det dF | + Cε|Ji | .
|det dF | − Cε|Ji | ≤ |F (Ji )| ≤ (1 + Cε)
Z
(1+Cε)
Ji
Ji
(9.16)
Mit (9.13) und (9.16) folgt:
−n
Z
(1 + Cε)
Z
n
| det dF | − Cε|I| ≤ |F (I)| ≤ (1 + Cε)
| det dF | + Cε|I| ,
I
I
(9.17)
wobei die Konstante C in (9.17) nicht von ε abhängt. Wir lassen ε ↓ 0 und es folgt
die gesuchte Identität:
Z
| det dF | = |F (I)| .
I
A. Beweis des Satzes 2.5.6
Ein klassisches Theorem der linearen Algebra besagt, dass jede Matrix M das Produkt einer Orthogonalen Matrix U und einer symmetrischen Matrix S ist. Weiter ist
jede symmetrische Matrix diagonalisierbar mithilfe von orthogonalen Matrizen. Also
gibt es eine Matrix V ∈ O(n) und eine diagonale Matrix D, so dass V −1 DV = S.
Daher ist M = U S = (U V −1 )DV . Da U V −1 ∈ O(n) ist, folgt die erste Behauptung
des Satzes.
Die zweite Behauptung beweist man mittels vollständinger Induktion über die
Dimension des Raums. O(1) besteht aus der Identität und im Fall n = 1 ist die
Aussage trivial. Sei nun n ≥ 2 und U ∈ O(n). Wir betrachten nun Drehungen
R wie in (2.6) mit i1 = n und mit i2 = n − 1. Es ist einfach zu sehen, dass wir
ein R1 wählen können, so dass hR1 ◦ L(en ), en−1 i = 0. Als nächstes betrachten wir
Drehungen R wie in (2.6) mit i1 = n und i2 = n − 2. Es ist dann einfach zu sehen,
dass hR ◦ R1 ◦ L(en ), en−1 i = 0 für jedes solche R. Ausserdem finden wir eine Matrix
R2 , so dass zusätzlich hR2 ◦ R1 ◦ L(en ), en−2 i = 0 gilt. Mit diesem Verfahren finden
wir n − 1 spezielle Drehungen R1 , . . . Rn−1 , so dass hRn−1 ◦ . . . ◦ R1 ◦ L(en ), ej i = 0
∀j ∈ {1, . . . , n − 1}. Dann ist der Vektor Rn−1 ◦ . . . ◦ R1 ◦ L(en ) parallel zu en . Da
Rn−1 ◦ . . . ◦ R1 ◦ L eine orthogonale Abbildung ist, ist dieser Vektor entweder en oder
−en . Im ersten Fall definieren wir L0 = Rn−1 ◦. . .◦R1 ◦L. In zweiten Fall nehmen wir
die spezielle Spiegelung S mit k = n in (2.7) und setzen L0 = S ◦ Rn−1 ◦ . . . ◦ R1 ◦ L.
Nun ist L0 (en ) = en und L0 ist auch eine orthogonale Matrix. Sei
V := {λ1 e1 + · · · + λn−1 en−1 : λi ∈ R} .
Dann bildet L0 V auf V ab. Die Einschränkung von L0 auf V ist dann eine lineare
Abbildung in O(n − 1). Wir nutzen die Induktionsannahme, um L0 als Komposition
von speziellen Drehungen und Spiegelungen darzustellen.
125
Index
Eigenschaft F einer Funktion, 77
einfache Funktion, 46
Endlichkeit eines Integrals, 72, 102
Existenz eines Integral, 102
Existenz eines Integrals, 72
Fσ -Menge, 25
Gδ -Menge, 12
π-Familie, 107
σ-Additivität, 21
σ-Algebra, 14, 87
von G erzeugte, 88
σ-Subadditivität, 9, 89
σ-endliche Mass, 106
äusseres Lebesgue-Mass, 7
fast überall, 40
Funktion
charakteristische, 45
einfache, 46
messbare, 37
messbare in einem abstrakten Massraum, 93
abgeschlossenes Intervall, 1
Abschnitte, 105
Abstand zweier Mengen, 5
abzählbare Subadditivität, 9
Approximationssatz
für messbare Funktionen, 46
Graph
einer Funktion, 60
Indikatorfunktion, 45
Inhalt
eines Intervalls, 1
Integral
auf einem abstrakten Massraum, 94
Lebesguesches, 60
Borel σ-Algebra, 88
Cauchy-Bedingung
für die Konvergenz nach Mass, 56
charakteristische Funktion, 45
Drehung
spezielle zweidimensionale, 31
Dynkin Familie, 107
Konvergenz
nach Mass, 55
126
Index
Lebesgue-Integral, 60
Lebesgue-integrierbar, 72
Lebesgue-Mass
äusseres, 7
Lebesgue-Messbarkeit
einer Menge, 12
Lebsgue-Mass, 21
Lebsgue-messbare Menge, 12
Lebsgue-Nullmenge, 15
Lemma
von Fatou, 74, 103
von Fatou für nicht-negative Funktionenfolgen, 69
Limes inferior
einer Folge von Mengen, 6
Limes superior
einer Folge von Mengen, 6
Mass, 21
auf einer σ-Algebra, 89
Massraum, 89
vollständiger, 90
Matrix
orthogonale, 31
messbare
Funktion, 37
Funktion in einem abstrakten Massraum, 93
monotone Folge von Mengen, 6
Nullmenge, 15
orthogonale Matrix, 31
Produkt von σ-Algebren, 105
127
Raum
der Lebesgue-integrierbaren Funktionen, 72
Region
einer Funktion, 60
Satz
über die majorisierte Konvergenz,
74, 103
über die majorisierte Konvergenz
für nicht-negative Funktionen,
69
über die monotone Konvergenz, 74,
103
über die monotone Konvergenz für
nicht-negative Funktionenfolgen,
101
über die monotone Konvergenz nichtnegativer Funktionenfolgen, 69
von Beppo Levi, 74, 103
von Beppo Levi für nicht-negative
Funktionen, 69
von Beppo Levi für nicht-negative
Funktionenfolgen , 101
von Egorov, 50
von Egorov für abstrakte Massräume,
94
von Fubini, 76
von Lebesgue, 74, 103
von Lebesgue für nicht-negative Funktionen, 69
von Lusin, 50
von Lusin für einfache Funktionen,
Index
52
von Tonelli, 83
spezielle Spiegelung, 31
spezielle zweidimensionale Drehung, 31
Spiegelung
spezielle, 31
Subadditivität
abzählbare, 9
Transformationsformel, 115
Transformationssatz, 115
Vervollständigung eines Massraums, 90
vollständiger Massraum, 90
Whitney-Zerlegung, 3
128
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