Theoretische Mechanik - TU Bergakademie Freiberg

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Theoretische Mechanik
Jens Kortus
[email protected]
TU Bergakademie Freiberg
Literatur:
1. Torsten Fließbach: Mechanik
2. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 1
3. Joos: Lehrbuch der Theoretischen Physik
4. Goldstein: Klassische Mechanik
5. Stephani + Kluge: Theoretische Mechanik
Die vorliegende Vorlesung ist garantiert nicht fehlerfrei.
Es wird sehr empfohlen, alle Herleitungen und Formeln selbständig
zu überprüfen.
Hinweise und Anregungen bitte an:
[email protected]
Bildernachweis: Soweit die Quelle nicht explizit angegeben ist, stammen die
Bilder von http://de.wikipedia.org/ oder wurden selbst erstellt.
2
1. Prinzipien der Mechanik
1.1. Grundbegriffe
Unter Bewegung versteht man die Änderung des Ortes als Funktion der Zeit.
Die Bewegung erfolgt unter dem Einfluss von Kräften, die in der Mechanik
als bekannt vorausgesetzt werden.
Bezugssystem
● Die Bewegung eines Körpers können wir nur als Bewegung zu
etwas anderem beschreiben (relativ zu anderen Gegenständen).
● Ein einzelner Körper in einem an sonst leeren Universum kann nicht mit
Bewegungsgleichungen beschrieben werden.
● Ein mögliches Bezugssystem ist z. B. der Hörsaal.
•
Wir wählen einen beliebigen Punkt
als Ursprung.
•
Alle anderen Punkte können durch
z
Ortskoordinaten r = (x,y,z)
beschrieben werden.
r
y
x
3
•
Ein Bezugssystem mit bestimmten Koordinaten heißt Koordinatensystem.
Zusätzlich soll die Zeit t durch eine geeignete Uhr angezeigt werden.
t wird auch als Zeitkoordinate bezeichnet.
Massenpunkt:
Ein Massenpunkt ist ein Körper, für dessen Bewegung nur sein Ort relevant
(oder von Interesse) ist.
-> Die Bewegung eines Massenpunktes ist vollständig beschrieben durch die
Angabe des Ortes r zu jeder Zeit t:
r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez
Diese Abhängigkeit nennt man Bahnkurve.
Beispiele für Massenpunkte:
 Elementarteilchen (Elektronen, Protonen)
 Atome in einem Gas
 Billardkugeln (manchmal)
 Planeten im Sonnensystem
 Sonnen in Galaxie
 Galaxien in Galaxienhaufen
Kugelsternhaufen M80
4
--> Massenpunkt ist die Idealisierung (Modellvorstellung), dass die Bahnkurve
nur von der Gesamtmasse abhängt und nicht von anderen Eigenschaften.
r(t) bezieht sich auf den Schwerpunkt des Körpers.
(Drehung einer Billardkugel hat wesentlichen Einfluss auf die Bahn, Drehung
der Erde ist vernachlässigbar auf die Planetenbahn).
Eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des Modells „Massenpunkt“
ist, dass die Abmessung des Körpers klein gegenüber den anderen
Abmessungen des Systems ist.
(z. B. Erdradius ist klein gegenüber den Halbachsen der Erdbahn)
●
Die Definition einer Bahnkurve in Form
r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez
setzt bereits ein Bezugssystem mit kartesischen Koordinaten und eine
bekannte Zeitkoordinate voraus. Diese Definition benötigt also eine
Längen-und Zeitmessung, um brauchbar zu sein.
5
* 14. März 1879 in Ulm
† 18. April 1955 in Princeton, USA)
Nobelpreis Physik 1921
Zeitmessung
„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“
Albert Einstein
Die Definition der Zeit erfolgt durch die Festlegung eines Verfahrens zur
Messung durch eine Uhr.
Eine Uhr ist ein Instrument, dass die Periodenzahl eines periodischen,
kontinuierlichen Vorgangs anzeigt.
Periodische Vorgänge:
● Pulsschlag
● Erdrotation (Tag – Nacht)
● Pendeluhr
● Atomfrequenz
SI Definition der Sekunde:
Die Sekunde ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem
Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes
des Atoms Zäsium 133 entspricht.
6
Euklidischer Raum
● Ein kartesisches Koordinatensystem ist ein orthogonales Koordinatensystem,
dessen Koordinatenlinien Geraden in konstantem Abstand sind.
● Ein kartesisches Koordinatensystem existiert nur im euklidischen oder ebenen
Raum.
● In gekrümmten Räumen, z.B. auf einer Kugeloberfläche, sind keine
kartesischen Koordinaten möglich.
● Die Umkehrung gilt aber nicht. Im euklidischen Raum kann man auch
gekrümmte Koordinaten (z. B. Kugelkoordinaten) verwenden. Der Raum bleibt
trotzdem eben.
Euklid von Alexandria
* ca. 365 v. Chr. † 300 v.
Chr.
griechischer Mathematiker,
der in Alexandria lebte
René Descartes
* 31. März 1596 in La Haye/Touraine,
Frankreich
† 11. Februar 1650 in Stockholm, Schweden
Summe der Innenwinkel größer bzw.
kleiner als 180°.
7
1.2. Newtons Axiome
1687 Philosophiae Naturalis Principia Mathematica
1. Axiom (lex prima)
Es existieren Bezugssysteme, in denen die kräftefreie Bewegung durch
konstante Geschwindigkeit beschrieben wird.
̇r t  = v = const.
●
Diese Bezugssysteme heißen Inertialsysteme (IS).
Sir Isaac Newton
nach Gregorianischem Kalender:
4. Januar 1643 in Woolsthorpe-byColsterworth in Lincolnshire;
† 31. März 1727 in Kensington
nach dem damals in England noch
geltenden Julianischen Kalender:
25. Dezember 1642; † 20. März 1727
8
2. Axiom (lex secunda)
d p
= F
dt
(Kräfte ändern die Bewegung)
(im IS)
p ist der Impuls, definiert als Produkt von Masse m und der
Geschwindigkeit v
p = mv
●
●
Wenn die Masse m sich nicht mit der Zeit ändert, ist
m ̈r = m a = 
F
Das 2.
1.
2.
3.
●
Axiom beinhaltet:
Definition der Masse
Definition der Kraft
Aussagen über die Bahn
Wenn Länge und Zeit als Messgrößen definiert sind, dann ist die
Beschleunigung a = ̈r eine messbare Größe.
9
Definition der Masseneinheit Kilogramm
Wir definieren nun willkürlich die Masse eines bestimmten Körpers als
Masseneinheit (Ur-Kilogramm in Paris).
Seit 1889 bildet das Urkilogramm in
Paris den Vergleichswert für die
Maßeinheit Kilogramm. Seine Masse
beträgt per Definition 1 kg. Es wird
in einem Tresor des Internationalen
Büros für Gewichte und Maße (BIPM)
in Sèvres bei Paris aufbewahrt.
Es handelt sich um einen Zylinder
von 39 Millimetern Höhe und
Durchmesser, der aus einer
Legierung von 90 % Platin und 10 %
Iridium besteht. Länder, die dem
metrischen System beigetreten sind,
sind im Besitz von Kopien dieses
Urkilogramms.
10
m ̈r = m a = 
F
Nach dem 2. Axiom ist die Masse ein Maß für den Widerstand, den ein Körper
der Änderung seiner Geschwindigkeit entgegensetzt. Je größer m ist, umso
kleiner (bei gegebener Kraft) die Änderung der Geschwindigkeit.
Die Größe m nennt man deshalb auch träge Masse.
Die schwere Masse ist proportional zur Stärke der Gravitationskraft.
Die schwere Masse wird experimentell durch Kraftmessung festgelegt.
Mit einer relativen Genauigkeit von 10-12 wurde experimentell gefunden, dass
das Verhältnis von träger zu schwerer Masse immer gleich groß ist.
Die Gleichheit von schwerer und träger Masse ist die zentrale Annahme für die
Allgemeine Relativitätstheorie.
Im Rahmen der Newtonschen Mechanik und Gravitationstheorie ist diese
Gleichheit zufällig und kann nicht erklärt werden.
11
●
Das 2. Axiom liefert auch eine Aussage über die Dynamik:
m a = m ̈r = F
sind 3 gekoppelte Differenzialgleichungen 2. Ordnung, deren Lösung mit
den entsprechenden Anfangsbedingungen die Bahnkurve r(t) zu
allen Zeiten t liefert.
● Für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit ist das 2. Axiom
falsch. --> Einschränkung auf
3. Axiom (lex tertia)
2
∣v∣
≪ 1
c
F 21
F 12
F actio = −F reactio
1
F 12 = −F 21
Diese Aussage gilt im allgemeineren Sinn in allen Teilen der Physik. Jede
Wirkung, die die Umgebung auf einen Körper ausübt, ruft eine
entsprechende Gegenwirkung hervor.
●
12
Die drei Newtonschen Axiome sind im strengen mathematischen Sinne, dass
aus ihnen alle Aussagen der Theorie folgen, keine Axiome.
1. Zusatz: Kräfte, die zwei Massenpunkte aufeinander ausüben, wirken entlang
der Verbindungslinie der Massenpunkte.
2. Zusatz: Wirken mehrere Kräfte Fi auf einen Massenpunkt, so ist die
Gesamtkraft die Summe der Einzelkräfte

F =
Fi
∑
i
(Superpositionsprinzip der Kräfte)
In der Mechanik beschränken wir uns auf Kräfte, die nur vom Ort, der
Geschwindigkeit des Teilchens und der Zeit abhängen
Geschwindigkeitsabhängige Kräfte sind z. B. die Reibungskraft und die
Lorentzkraft.

F = 
F  r t  , ̇r t , t 
13
Zur Lösung eines Problems der Newton'schen Mechanik:
1. Aufstellen des Kraftgesetzes
2. Lösung der Differenzialgleichung 2. Ordnung
m ̈r t  = 
F  r t , ̇r t  , t 
3. Bestimmung der Integrationskonstanten durch Anfangsbedingungen für Ort
und Geschwindigkeit zu einer bestimmten Zeit t.
4. Diskussion der Lösung
(graphische Darstellung, Erhaltungsgrößen)
14
1.3. Erhaltungssätze, Potenzial, konservative Kräfte
Impulserhaltung: wirkt auf ein Teilchen keine Kraft, so ist sein Impuls
konstant
2. Axiom
d p
= F ,
dt
Drehimpulserhaltung:
Def. Drehimpuls
Def. Drehmoment
F = 0  d p = 0
dt
p = const.
⃗l = ⃗r (t) × ⃗p (t) = ⃗r × (m ⃗r˙ )

M = r × F
Drehimpuls und Drehmoment beziehen sich auf den Ursprung des gewählten
Inertialsystems. Bei einer Verschiebung des IS ändern sich l und M (im
Gegensatz zu p und F, die sich nicht ändern).
15
Drehimpuls für Bewegung auf einem Kreis
l = r t  × pt = r × m ̇r 
d l
d
=  r × m ̇r  = ̇r ×  m ̇r   r × m ̈r
dt
dt
da
̇r × ̇r = 0
(Vektorprodukt zweier paralleler Vektoren)
d l
= r × m ̈r = r × F = 
M
dt
--> Wenn das Drehmoment Null ist, dann ist der Drehimpuls erhalten.
16
Zentralkräfte:
Für F ≠ 0 ist M = r x F nur dann gleich Null, wenn F parallel zu r ist.
Die Kraft muss also in Richtung des Zentrums (Ursprung) des Bezugssystems
wirken. Der Drehimpuls für ein Teilchen, das sich auf Grund einer Zentralkraft
bewegt, bleibt erhalten.
l = r × p
s
r
p
Wenn l = const. können wir die z-Achse unseres Koordinatensystems in
Richtung von l legen
l = l e z = m  r × ̇r 
●
--> Flächensatz: In gleichen Zeitintervallen überstreicht der Fahrstrahl
gleiche Flächen
17
Arbeit:
Ein Teilchen bewege sich unter dem Einfluss einer äußeren Kraft von rnach r
+ dr. Das Skalarprodukt dW = F•dr ist die Arbeit dW, die die Kraft an dem
Teilchen leistet. Die längs eines endlichen Weges C von r1 nach r2 geleistete
Arbeit ist dann
r 2
W =
∫ dW
=
c
∫ F⋅d r
r1
Energie:
Die Arbeit W ist gleich der Energie, die vom Kraftfeld F auf das Teilchen
übertragen wird.
Leistung: Pro Zeit verrichtete Arbeit wird Leistung genannt.
F⋅d r
dW
P =
=
= F⋅̇r
dt
dt
Kinetische und potenzielle Energie:
Wir multiplizieren die Newtonsche Bewegungsgleichung skalar mit r̇
m ̈r⋅̇r = F⋅̇r
 
d m ̇r 2
= F⋅̇r = P
dt 2
18
P ist die an das System übertragene Leistung. Die zu- oder abgeführte
Energie ändert die Geschwindigkeit des Teilchens. Damit definieren
wir als kinetische Energie des Teilchens
T =
m 2
̇r
2
Diese Form der kinetischen Energie folgt also direkt aus dem 2.
Axiom.
Wir teilen die Kraft in einen konservativen und dissipativen Anteil auf.
Der konservative Anteil enthält alle Anteile für die gilt:
F kons⋅̇r = − dU r 
dt
Eine konservative Kraft besitzt ein Potenzial U(r)
Beispiel:
m ẍ = −mg−γ ẋ
F kons = −mg
F kons⋅ẋ = −mg ẋ = −
(1 D)
U (x) = mg x
dU
d mg x
=−
= −mg ẋ
dt
dt
19
F diss = − ẋ , für Fdiss kann kein Potenzial U(x) existieren, da
quadratisch inẋ ist, während dU  x  nur linear in ẋ ist.
dt

Damit erhalten wir
F diss⋅ẋ

d m ̇r 2
 U  r  = 
F diss⋅̇r
dt 2
Energieerhaltungssatz:
Für konservative Kräfte ist die Summe aus kinetischer Energie T und
potenzieller Energie U erhalten.
Dissipative Kräfte führen zu einer Umwandlung von mechanischer Energie
(T+U) in andere Energieformen (Wärme, Reibung ...).
Potenzial: Die vollständige Zeitableitung für
lautet:
U r  = U  x , y , z 
d
∂ U dx ∂U dy ∂U dz

F kons⋅̇r = − U  r  = −
−
−
= −  grad U ⋅̇r
dt
∂ x dt ∂ y dt ∂ z dt
grad U =

∂U ∂ U ∂U
,
,
∂x ∂y ∂z

20
Hieraus können wir schließen, dass

F kons = − grad U  ̇r× 
B  r ,t 
B ist ein beliebiges Vektorfeld.
 ̇r × B ⋅̇r
= 0, da ̇r × 
B ein Vektor ist, der senkrecht auf ̇r steht.
Ein Beispiel für den zweiten Term ist die Lorentzkraft auf ein
geladenes Teilchen im Magnetfeld B

F Lorentz = q v × B
Diese Kraft ist konservativ, weil sie die Energie erhält und erfüllt
mit
U = const.
dU

F kons⋅̇r =−
dt
Hendrik Antoon Lorentz
* 18. Juli 1853 in Arnhem
† 4. Februar 1928 in
Haarlem
Nobelpreis für Physik 1902
21
Im Folgenden beschränken wir uns auf konservative Kräfte der Form
⃗
F = − grad U ( r⃗ )
ohne den Index „kons“.
Notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass eine gegebene Kraft F(r)
eine Potenzialkraft ist, ist das Verschwinden von rot F
rot F = 0 ⇔ F r  =− grad U r 
Beweis:
A) Wenn F = - grad U --> rot F = rot (-grad U) = 0, da stets gilt
rot grad = 0
B) Wir betrachten zwei unabhängige Wege Ca und Cb, die beide von r0 nach
r führen.
ca
r0

cb
r
22
Die Differenz der beiden Integrale
∫ F⋅d r ' − ∫ F⋅d r '
Ca
=
Cb
∮ F⋅d r '
Stokes'scher Integralsatz:
∮ F⋅d r '
=
∫ rot F⋅d A
= 0
A
da rot F = 0
∮ F⋅d r ' = 0 ist die mathematisch hinreichende Bedingung, das für

F ⋅d r ein totales Differenzial, also ein Potenzial existiert.
Wenn dieses Integral Null ist, dann
∫ F⋅r '
Ca
=
∫ F⋅d r '
= W
Cb
Die Arbeit W, die diesem Integral entspricht, hängt damit nicht vom Weg ab,
sondern nur von den Anfangs- und Endpunkten des Weges. Das Potenzial U(r)
kann nun als die Arbeit -W bestimmt werden, die man aufbringen muss, um das
Teilchen gegen die Kraft F von r0 zum Punkt r zu bringen
r
U  r  − U  r0  = −W = −∫ 
F⋅d r '
r0
23
Äquipotenzialflächen sind Flächen gleichen Potenzials U(r) = const.
Die Kraft F = - grad U steht senkrecht auf diesen Äquipotenzialflächen.
Sie ist groß, wo das Potenzial U sich stark ändert.
Beispiel: U(x,y) = x2 + y2
grad U =


∂U ∂U
,
=  2x , 2y 
∂x ∂y
F =−grad U =−2 x , y
y
U
x
x
24
1.4. System von Massenpunkten
●
●
Verallgemeinerung auf ein System von N Massenpunkten
Die Bahn des v-ten Massenpunktes sei rv(t), seine Masse mv, die auf ihn
wirkende Kraft Fv
mv r̈v t=
Fv
v=1, ... , N 
Bei den Kräften unterscheiden wir innere und äußere Kräfte.
Innere Kräfte sind Kräfte, die die Massenpunkte aufeinander ausüben
(z. B. Coulombkraft bei geladenen Teilchen). Wir beschränken uns auf
Zweikörperkräfte Fvµ, die nur von den Koordinaten der Teilchen v
und µ abhängen und nicht von den anderen Teilchen.
Äußere Kräfte Fv(a) sind alle Kräfte, die von außen auf das System wirken (z. B.
Schwerkraft).
N
mv r̈v = 
F ∑ 
F µv
a 
v
µ=1
µ≠v
25
Def. Schwerpunkt:
1

R=
M
N
∑ m r
=1
N
mit
M =∑ m
als Gesamtmasse des Systems.
=1
Die Bewegungsgleichung für den Schwerpunkt ergibt sich als
N
N
∑ m r̈ =M ̈R=
N
N
∑ ∑ F  µ
=1 µ=1
µ≠
=1

∑ F 
a
=1
Null wegen Newtons 3. Axiom
Beweis durch Vertauschung der Indizes und Anwendung des 3. Axioms
∑ F vµ
v ,µ
v ≠µ
 ⇔
=
∑ F µv
µ,v
µ≠v
=
∑ F µv
v ,µ
v≠µ
= −∑ 
Fvµ
v ,µ
µ≠v
26
Der Schwerpunkt eines Systems bewegt sich so, als ob die Masse im
Schwerpunkt vereinigt ist und die Summe der äußeren Kräfte auf ihn wirkt.
N
M ̈
R =
∑ F a
v
= 
F
v=1
Für ein abgeschlossenes System (keine äußeren Kräfte) ist der Gesamtimpuls
⃗
P = M⃗
R˙ = const.
Drehimpuls: Wir multiplizieren die Bewegungsgleichungen vektoriell mit rv
und summieren über .
N
m v r⃗¨v = ⃗
F +∑ ⃗
F µv
(a)
v
N
∑ rv×mv r̈v
N
=
v=1
d
dt
∑ rv×F v
v=1
N
∑ mv  rv × r̇v 
v=1
µ=1
µ≠v
N
=
∑ rv× F
v=1
N
a 
v
 ∑ rv × ∑ 
F vµ
v=1
µ=1
µ≠v
27
N
L =
Gesamtdrehimpuls
∑ lv
N
∑ mv  rv× r̇v 
=
v=1
v=1
Der Term mit den inneren Kräften gibt
N
∑ rv ×F vµ
v⇔
v,µ
µ≠v
Mit Hilfe des 1. Zusatzes
N
∑ rv ×F v µ
v,µ
µ≠v
=
=
N
∑ rµ×F µv
3.Axiom
v ,µ
µ≠v
N
= − ∑ rµ×F vµ
v ,µ
µ≠v
 r1− r2 ×F 12 = 0
∑ 12  rv  rv × F vµ
=
v,µ
µ≠v
1
2
∑  rv− rµ×F v µ
= 0
v ,µ
µ≠v
Die inneren Kräfte ergeben kein resultierendes Drehmoment.
Für ein abgeschlossenes System ist L = const.
d L
=
dt
N
∑ rv×F av
= 
M
v=1
28
Energie: völlig analog zum einzelnen Massenpunkt
N
F v , kons
1
T = ∑ m v r̇v 2
2 v=1
sei eine Kraft, für die ein Potenzial U existiert, so dass
N
N
dU  r1, r2, ... , rN 
∂U
= −∑
⋅r̇v
∑ F v , kons⋅r̇v = −
dt
∂
r

v=1
v=1
v
mit der partiellen Ableitung nach dem Vektor rv = x v , y v , z v 
∂U  r1, ... , rN 
∂U
∂U
∂U
=
ex 
ey 
ez
∂ rv
∂ xv
∂ yv
∂ zv
Für die Energie gilt dann
d
T U  =
dt
N
∑
v=1
F v , diss⋅̇r
In Abwesenheit dissipativer Kräfte gilt der Energieerhaltungssatz.
Nur konservative Kräfte: T + U = E = const.
29
1.5. Freiheitsgrade und Nebenbedingungen
Ein frei beweglicher Massenpunkt hat drei Freiheitsgrade.
Wenn er gezwungen ist, in einer Ebene (oder Fläche) zu bleiben, besitzt er zwei
Freiheitsgrade.
Wenn er an eine Gerade (oder Kurve) gebunden ist, besitzt er nur einen
Freiheitsgrad.
Jede Einschränkung der Bewegung entspricht einer Nebenbedingung, die
gleichzeitig erfüllt werden muss. Damit verringert sich der Freiheitsgrad.
●
N Massenpunkte, die durch r Bedingungen gekoppelt sind, haben
f=3N–r
Freiheitsgrade.
a) starrer Körper (= N fest miteinander verbundene Massenpunkte)
Ein beliebiger Punkt des Körpers besitzt 3 Freiheitsgrade. Ein zweiter Punkt kann
sich wegen der konstanten Entfernung nur noch auf einer Kugel um den ersten
Punkt bewegen, was 2 weiteren Freiheitsgraden entspricht.
30
Um die Achse durch diese beiden Punkte kann ein dritter eine Kreisbahn
beschreiben, was einem Freiheitsgrad entspricht.
F=3+2+1=6
b) Pendel (starrer Körper mit fester Achse)
f=1
c) sphärisches Pendel = punktförmiger Körper, der an eine
Kugeloberfläche
gebunden ist.
f=2
d) deformierbarer Körper oder Flüssigkeit
f=∞
Die Zahl der Freiheitsgrade ist gleich der Zahl der unabhängigen
Koordinaten, die zur Bestimmung der Bewegung des Systems benötigt
werden.
● Diese Koordinaten müssen nicht rechtwinklig sein, z. B. bietet sich der
Winkel φ für das Pendel an.

31
Diese Koordinaten werden im Allg. mit q bezeichnet und heißen verallgemeinerte Koordinaten. Für f Freiheitsgrade benötigen wir f verallgemeinerte
Koordinaten q1, q2, ..., qf .
●
Die verallgemeinerten Koordinaten werden so gewählt, dass die
Nebenbedingungen automatisch erfüllt sind. In diesem Fall tauchen die
Nebenbedingungen bei der weiteren Behandlung des Systems nicht auf.
●
1.5.1. Holonome Nebenbedingungen
Bedingungen der Form
 r1, ... , rN , t=const.
heißen holonom.
● Massenpunkt auf Kugel: x 2 + y2 + z2 = R2
● Massenpunkt auf einem Tisch: z = 0
Für r holonome Nebenbedingungen benötigen wir r Gleichungen der Form
  r1, ... , rN , t =const.
32
Die Bewegung erfolgt auf Schnittflächen im 3N-dimensionalen Raum.
Die holonomen Bedingungen lassen sich auch in differenzieller Form
schreiben
d r = 0 =
da
∑
i



∂ r
∂ r
∂ r
∂ r
dx i 
dy i 
dz i 
dt
∂ xi
∂ yi
∂ zi
∂t

grad i = ∂ , ∂ , ∂
,
∂ xi ∂ y i ∂ z i
d
r i = dx i , dy i , dz i 
∂ r
d  r = ∑ grad i r⋅d ri 
dt = 0
∂t
i
ri ≠ 0 und dt ≠ 0
Für einen sich bewegenden Körper sind d 
eine Beziehung zwischen den räumlichen und zeitlichen
Veränderungen existiert.
d ri ∂  r
grad

⋅
∑ i r dt  ∂ t
i
∂ r
0 = ∑ grad i r⋅ vi 
∂t
, so dass
d r
= 0 =
dt
33
Damit geben holonome Nebenbedingungen Einschränkungen für die
Koordinaten und Geschwindigkeiten.
1.5.2. Nicht-holonome Nebenbedingungen
Bei nicht-holonomen Nebenbedingungen existieren nur Bedingungen für
die Geschwindigkeiten, aber nicht für die Orte (z. B. scharfkantiges Rad
auf einer rauhen ebenen Fläche).
z
Die Lage des Rades ist bestimmt durch

y

1. Koordinaten x,y des Berührungspunktes zur Fläche
x 
2. Winkel φ zwischen Radachse und z-Achse
3. Schnitt der Radebene und Fläche ψ (Tangente)
4. Winkel α zwischen dem zum Berührungspunkt gerichteten Radius und
einem vorher gewählten festen Radius.
34
Die Bedingung des Rollens (ohne Gleiten) schränkt jedoch die Bewegung
weiter ein, da der in der Fläche zurückgelegte Weg
(arad = Radius des Rades) betragen muss.  s = a rad  
 x = a rad cos   ,  y = a rad sin   
(Projektion auf die Koordinatenachsen)
Diese Bedingungen lassen sich nicht in der Form
ausdrücken.
 x , y ,  ,  = 0
1.5.2. Skleronome Nebenbedingungen
Skleronome Nebenbedingungen sind zeitunabhängige
Nebenbedingungen.
1.5.3. Rheonome Nebenbedingungen
Rheonome Nebenbedingungen sind zeitabhängige Nebenbedingungen.
35
1.6. Begriff der Wirkung
Pierre Louis Moreau de Maupertuis
* 7. Juli 1698, Saint-Malo
† 27. Juli 1759, Basel
„Die Natur wählt unter allen möglichen Bewegungen diejenige
aus, die ihr Ziel mit dem kleinsten Aufwand von Aktion (Wirkung)
erreicht.“
Maupertuis 1747
1. Was ist mit dem Begriff „Wirkung“ gemeint?
2. Was bedeutet „alle möglichen Bewegungen“?
Wirkung ist eine Größe von der Dimension Energie x Zeit.
Das Plancksche Wirkungsquantum h besitzt zum Beispiel diese
Dimension
h = 6.626 * 10-34 Js
Das Prinzip der kleinsten Wirkung besagt, dass die Bewegungen einem
Minimum des Produktes von Energie mal Zeit folgen.
36
Wir ordnen jeder Bahnkurve q(t) das Wirkungsfunktional
t2
S = S [q] =
∫ dt Lq , q̇ , t 
zu.
t
L ist eine Funktion mit der Dimension der Energie (L = T – U). Das Prinzip der
kleinsten Wirkung (auch Hamilton'sches Prinzip) fordert eine Bahnkurve q(t), für
die die Wirkung S ein Minimum darstellt.
 S [q] = 0
1
Solche Minimalprinzipien besitzen eine sehr große Bedeutung in der Physik in
praktisch allen Teilbereichen der Physik.
Prinzip der kürzesten Ankunft (Fermat) beschreibt die Brechung und
Reflexion des Lichtes
●
Lichtgeschwindigkeit
in Glas < Vakuum
Prinzip des kürzesten Weges, welches die kräftefreie Bahn eines Massepunktes auf einer krummen Fläche als geodätische Linie bestimmt, führt
zur allgemeinen Relativitätstheorie. (Die Eigenzeit eines Körpers wird
minimiert.)
37
2. Variationsrechnung
2.1. Variation ohne Nebenbedingungen
Eine Funktion y = y(x) ordnet jedem x-Wert eine Zahl (den y-Wert) zu.
In der Variationsrechnung betrachtet man Funktionale, die jeder Funktion
eine Zahl (den Wert des Funktionals) zuordnen.
y(x)
P2
P2
J = J [ y] =
∫ ds =
P1
P1
x2
2
dx
1

y
'

x

∫
x1
ist ein Funktional, das die Wegstrecke entlang der Kurve y = y(x) zwischen
den Punkten P1 = (x1, y(x1)) und P2 = (x2, y(x2)) angibt. Dieses Funktional
ordnet jeder Kurve y=y(x), die die beiden Punkte verbindet, eine Zahl (die
Weglänge) zu.
Das Wegelement ds ergibt sich aus:
P2
dy
2
 
dy
d s2 =d x 2 d y 2 =1
d x 2 =1 y '  x 2 d x 2
dx
P1
dx
38
Zur Unterscheidung von Funktionalen von Funktionen geben wir das
Argument y des Funktionals in eckigen Klammern an J[y].
Für welche Funktion y(x) wird nun ein bestimmtes Funktional extremal?
In Analogie zu Funktionen suchen wir eine notwendige Bedingung für einen
Extremwert. Im Allgemeinen liefert diese Bedingung einen maximalen oder
minimalen Wert, der Einfachheit halber beschränken wir uns auf Minima.
Fragestellung:
Für welche Kurve ist die Wegstrecke zwischen zwei gegebenen Punkten minimal?
Physikalisch suchen wir also die Bahnkurve, für die die Wegstrecke ein Minimum
ist.
Mathematisch suchen wir also die Funktion y(x), für die das Funktional J[y]
minimal wird.
39
2.1.1. Euler-Lagrange-Gleichung
Die allgemeine Problemstellung lautet:
Welche Funktion y(x) minimiert das Funktional J[y] ?
x2
J = J [ y] =
∫ dx
F  y , y' , x
x1
F(y,y',x) und die Randwerte y(x1) = y1 und y(x2) = y2 werden als
gegeben vorausgesetzt.
P2
P1
Angenommen, wir kennen die gesuchte Funktion y(x), die das Funktional
minimiert, dann muss J[y+δy] mit einer beliebigen kleinen Abweichung δy
größer als J[y] sein. Eine beliebige infinitesimale Abweichung δy(x) von
y(x) schreiben wir als
 y  x  =    x
P2
P1
40
Der Faktor є ist infinitesimal (klein). Die Funktion η(x) ist insofern eingeschränkt,
dass alle Kurven durch die Randpunkte gehen
  x 1  =   x 2  = 0.
Die Funktion η(x) ist ansonsten eine beliebige, differenzierbare Funktion in dem
uns interessierenden Bereich.
y
yx
y  x     x 
x
x1
x2
Das Funktional J[y + єη] ist selbst eine Funktion von є, die wir mit J(є)
bezeichnen. Für die gesuchte Funktion y(x) muss J(є) bei є minimal sein für
beliebiges η(x).
J[y] minimal
0
є
41
Würde dies für irgendein η0 nicht gelten, so könnte J [ y  0 ] durch ≠0
kleiner als J[y] gemacht werden. Dann würde aber die neue Funktion
y(x) + є.η0(x) das Funktional minimieren und nicht y(x), entgegen unserer
Annahme. Damit erhalten wir die folgende Bedingung für ein lokales Extremum
d J [ y ]
∣ =0
d
=0
Zur Berechnung schreiben wir J[y+єη] als Reihenentwicklung in є
x2
J [ y  ] = ∫ dx F  y , y '  ' , x 
x1
x2

= ∫ dx F  y , y ' , x 
x1

∂ F  y , y' , x
∂ F  y , y' , x
   x 
  '  x  O 2 
∂y
∂ y'
42
Damit erhalten wir
dJ [ y ]
0 =
∣ =
d
=0
x2
∫ dx
x1

∂ F  y , y ' , x
∂ F  y , y ' , x
x
 ' x
∂y
∂ y'
Durch partielle Integration  ∫ f g ' = fg∣− ∫ f ' g 
Term die η'(x) nach η(x) umformen

f=
∂ F  y , y ' , x
, g =   x
∂ y'
x2
0=
x2

kann man im zweiten



x2

∂ F  y , y ' , x
∂ F  y , y ' , x
d ∂ F  y , y ' , x
  x∣ −∫ dx
  x ∫ dx
 x 
∂ y'
dx
∂
y
'
∂
y
x
x
x
1
1
1

Der 1. Term verschwindet, da η(x1) = η(x2) = 0.
43
x2
0=∫ dx
x1


∂ F  y , y' , x d ∂ F  y , y' , x
−
x
∂y
dx ∂ y '
Da η(x) eine beliebige Funktion sein kann, muss der Klammerausdruck
verschwinden.
∂ F  y , y ' , x
d ∂ F  y , y ' , x
=
dx ∂ y '
∂y
Euler-Lagrange-Gleichung
●
Die Euler-Lagrange-Gleichung der Variationsrechnung ist eine
Differenzialgleichung 2. Ordnung für die gesuchte Funktion y(x). Sie ist
eine notwendige Bedingung für ein Extremum des Funktionals J[y].
44
δy(x) = є η(x) wird auch Variation von y(x) genannt.
Für das gesuchte y(x) ist J stationär, d.h. J ändert sich nicht bei
infinitesimalen Änderungen δy von y(x)).
Die Variation δJ von J verschwindet. Als übliche Kurznotation schreibt man
x2
 J = J [ y y ] − J [ y] =
∫ dx
x1
x2
=
∫ dx
x1


∂F
∂F
 y
 y'
∂y
∂ dy '


∂F d ∂F
−
y
∂y
dx ∂ y '
Da δy eine beliebige Variation ist, folgt die Euler-Lagrange-Gleichung aus δJ=0
∂F d ∂F
−
=0 ⇔ J =0
∂y
dx ∂ y '
45
Beispiel: kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten
x2
J [ y ] = ∫ dx  1  y '  x2
x1
F =  1  y '  x2
Für die Euler-Lagrange-Gleichung benötigen wir
∂ F ∂  1 y ' 2
=
=0
∂y
∂y
y '  x
∂F
∂  1 y ' 2 1 2y '
=
=
=
∂ y' ∂ y'
2  1 y ' 2  1 y '  x2
Damit erhalten wir als Euler-Lagrange-Gleichung
y '  x
d
=0
dx  1 y '  x2
∂F d ∂F
−
=0
∂y
dx ∂ y '
Die Integration dieser Gleichung liefert
y' = const.
Y=ax+b
Die Konstanten a, b werden durch die Randpunkte festgelegt.
Wir erhalten das erwartete Ergebnis: Die kürzeste Verbindung zwischen zwei
Punkten ist die Gerade.
46
Verallgemeinerungen der Euler-Lagrange-Gleichung
I. Mehrere Funktionen
x2
J = J [ y 1, ... , y N ] = ∫ dx F  y 1, ... , y N , y ' 1, ... , y ' N , x 
x1
N-Funktionen y1(x), y2(x), ..., yN(x) mit festen Randwerten
yi(x1) = yi1, yi(x2) = yi2
(i= 1, ..., N)
Wir suchen die Funktionen yi(x), für die J minimal wird. Für diese
Funktionen
yi gilt wieder
●
mit
J 1 ,  2 , ... ,  N  = J [ y 1 1  1 , y 2  2  2 , ... , y N  N  n ]
∂ J 1 , 2 , ... , N 
∣ =0
∂ i
 =0
i
47
Damit erhalten wir N Euler-Lagrange-Gleichung
d ∂F
∂F
−
=0
dx ∂ y i ' ∂ y i
 i = 1, ... , N 
Dies sind N Differenzialgleichungen 2. Ordnung für die N gesuchten
Funktionen y1, ..., yN.
II. Mehrere Argumente
Wir betrachten mehrere Argumente x1,..., xD anstelle von x. Gesucht sei die
Funktion y(x1,..., xD), die das Funktional

J = J [ y ] = ∫ dx 1 ...∫ dx D F y ,
∂y
∂y
, ... ,
, x 1 ,... , x D
∂ x1
∂ xD

extremal macht. Dabei sei y(x1,..., xD) auf dem Rand des Integrationsbereichs
fest vorgegeben. Für die Variation δy = є η(x1, ..., xD) ergibt sich wieder
eine Funktion J(є), aus dem Verschwinden der Variation δJ folgt die EulerLagrange-Gleichung
D
∑ ∂∂ x
i=1
i
∂F
∂F
−
= 0.
∂∂ y /∂ x i  ∂ y
48
Für die partiellen Ableitungen nach ∂/∂ y und ∂/∂∂ y /∂ x i  ist zunächst
∂y
∂
∂F
die Form F y ,
, x i zu nehmen. Für
ist
dann als Funktion
∂ xi
∂ xi
∂∂ y /∂ x i 


allein der x i aufzufassen.
*** 2.2. Variation mit Nebenbedingung (Ergänzung: wird nicht
geprüft)
In manchen Problemen sind nicht alle möglichen Funktionen als Lösung
erlaubt, sondern nur Funktionen, die zusätzliche Bedingungen erfüllen.
Beispiel:
Ein Seil sei an zwei Punkten im Schwerefeld aufgehängt. Durch welche
Kurve wird die Gleichgewichtslage beschrieben?
y(x)
y1
Interessenten: siehe Webseiten
Theorie.
y2
x1
x2
x
49
3. Lagrange-Formalismus
3.1. Hamilton'sches Prinzip
Die Lagrange-Funktion L eines mechanischen Systems ist definiert als
Differenz der kinetischen Energie T und der potenziellen Energie U
L=T–U
Das Wirkungsfunktional S[q]
t2
S = S [q] = ∫ dt L q , q̇ , t
t1
ordnet jeder Bahnkurve q(t) einen Wert S zu. Die tatsächliche
Bahnkurve ergibt sich aus dem Hamilton'schen Prinzip (Prinzip der
kleinsten Wirkung)
Jede Bewegung eines mechanischen
Systems verläuft derart,
 S [q] = 0.
dass die Wirkung stationär ist.
Die mathematische Lösung dieses Problems ist uns bereits bekannt!
Sir William Rowan Hamilton
4. August 1805 Dublin
† 2. September 1865 bei Dunsink
50
3.2. Lagrange-Gleichungen 2. Art
Joseph Louis Lagrange
25. Januar 1736 in
Turin
† 10. April 1813 in
Paris
Mit der Korrespondenz
y  x  ⇔ qt  und
F  y , y ' , x  Lq , q̇ , t 
entsprechen die Euler-Lagrange-Gleichungen der Variationsrechnung den
gesuchten Lösungen.
d ∂L ∂L
=
dt ∂ q̇ ∂ q
In der Mechanik heißen diese Gleichungen Lagrange-Gleichungen 2. Art.
Für mehrere Freiheitsgrade f müssen wir die verallgemeinerten
Koordinaten qi nehmen, die Lagrange-Gleichungen 2. Art lauten:
d ∂L ∂L
=
dt ∂ q̇i ∂ qi
i=1,... , f 
Für komplizierte Systeme ist die Aufstellung der Lagrange-Funktion
einfacher als die Aufstellung der Bewegungsgleichungen nach Newton,
da die Lagrange-Funktion eine einzige skalare Größe ist.
51
Die Lagrange-Funktion ist eine mathematische Hilfsfunktion, die keiner direkt
messbaren physikalischen Größe entspricht.
Im Allgemeinen ist sie eine sehr einfache Funktion der verallgemeinerten
Koordinaten.
Die allgemeine Lösung dieser f Differenzialgleichungen 2. Ordnung benötigt 2f
Integrationskonstanten, die durch die Anfangsbedingungen des physikalischen
Problems bestimmt werden.
d ∂L ∂L
=
dt ∂ q̇i ∂ qi
i=1,... , f 
Zyklische Koordinate
Falls eine verallgemeinerte Koordinate qk nicht explizit in der LagrangeGleichung vorkommt,
∂L
=0
∂ qk
nennt man diese Koordinate zyklisch. Aus den Lagrange-Gleichungen
folgt die Erhaltung des zugehörigen verallgemeinerten Impulses pk
d ∂L
d
∂L
=
pk =
=0
dt ∂ q̇k
dt
∂ qk
52
Die Lösung konkreter Probleme erfordert
1. Wahl der verallgemeinerten Koordinaten q = q1 , ..., qf und Angabe der
Transformation zu kartesischen Koordinaten xi=xi(q,t)
2. Bestimmung der Lagrange-Funktion Lq , q̇ ,t 
3. Aufstellen der Bewegungsgleichungen (Lagrange-Gleichungen 2. Art)
4. Bestimmung von Erhaltungsgrößen
5. Lösung der Bewegungsgleichungen (unter Verwendung der
Erhaltungsgrößen)
6. Bestimmung der Integrationskonstanten
7. Diskussion der Lösung
53
3.3. Einfache Anwendungen
z
A) schiefe Ebene, reibungsfrei
s
α
1. Die Weglänge s =  x z
werden. x = x(s) = s cos α
2
2
mg
x
kann als verallgemeinerte Koordinate gewählt
y=0
z = z(s) = s sin α
2. Das System besitzt einen Freiheitsgrad. Die kinetische Energie ergibt sich als
T=
m 2 2 2 m
m
 ẋ  ẏ  ż  =   ṡ cos 2  ṡ sin 2  = ṡ 2
2
2
2
und die potenzielle Energie ist
Die Lagrangefunktion lautet
U = m g z = m g s sin α.
L=T−U =
m 2
ṡ − mg ssin 
2
Die Lagrangegleichung 2. Art lautet (q = s)
54
3. Bewegungsgleichung
d ∂L ∂L
=
dt ∂ ṡ
∂s
d
m ṡ =−m g sin 
dt
m s̈ = −m g sin 
4./5. Lösung durch Integration
g
st =− t 2 sin   v 0 t  s0
2
Energieerhaltung
E = T U =
m
m
ṡt2 m g st sin  = v02m g z0 =const.
2
2
55
B) Pendel mit fester Länge l
0
x
l

Nebenbedingungen:
y=0
l 2 = x 2 + z2
z
Das System hat einen Freiheitsgrad, als verallgemeinerte Koordinate
bietet sich der Winkel φ an.
x = l sin 
z = l cos 
m
m
m 2 2
T =  ẋ 2  ẏ 2  ż 2  =   l cos  ̇ 2  −l sin  ̇2  =
l ̇
2
2
2
Die potenzielle Energie muss beim
U = −m g z = −m g l cos 
„Runterfallen“ abnehmen.
d ∂L d
= m l 2 ̇ = m l 2 ̈
dt ∂ ̇ dt
g
̈ =− sin 
l
∂L
=−m g l sin 
∂
56
B) Pendel mit fester Länge l
0
x
l

Nebenbedingungen:
y=0
l 2 = x 2 + z2
z
z-Achse nach oben!
Das System hat einen Freiheitsgrad, als verallgemeinerte Koordinate
bietet sich der Winkel φ an.
x = l sin 
z = −l cos 
m
m
m 2 2
T =  ẋ 2  ẏ 2  ż 2  =  l cos  ̇ 2  l sin  ̇2  =
l ̇
2
2
2
U = m g z = −m g l cos 
d ∂L d
= m l 2 ̇ = m l 2 ̈
dt ∂ ̇ dt
g
̈ =− sin 
l
∂L
=−m g l sin 
∂
57
Diese Differenzialgleichung ist nur formal lösbar mit Hilfe von elliptischen Integralen
Das elliptische Integral erster Gattung in der Legendreschen Normalform lautet:

F  k , =
∫
0
d
 1−k 2 sin 2 
Die Lösung für das Pendel ist gegeben durch F(k,φ)=ωt.
Die Schwingungsdauer des Pendels ist abhängig von der Amplitude des Pendels.
Drei verschiedene Anfangsauslenkungen π/2-0.2, π/2 und π/2+0.2.
58
Für kleine Winkel  ≈ sin 
g
̈   = 0
l
 t = sin  t , ̈ = - 2 sin  t
2
g
g
Lösung falls - 2  = 0 ,  =
=
l
l
T

T =2

l
.
g
Für kleine Auslenkung ist das Pendel isochron, T ist unabhängig von der Amplitude.
C) ungedämpfter harmonischer Oszillator (Federkraftschwinger)
m
k
x
Nebenbedingungen y = 0, z = 0
1 Freiheitsgrad
Eine verallgemeinerte Koordinate q = x
Die rücktreibende Kraft ist nach dem Hookschen Gesetz proportional zur Auslenkung aus der Ruhelage.
F=-kx
Die Kraft besitzt ein Potenzial F = - grad U,
k
U = + x2
2
59
Die Lagrangefunktion lautet
d ∂L d
= m ẋ = m ẍ
dt ∂ ẋ dt
∂L
=−k x
∂x
L= T − U =
m 2 k 2
ẋ − x
2
2
} m ẍ  kx = 0
Die allgemeine Lösung dieser DGL lautet
x t  =  1 e
i 0 t
−i 0 t
 2 e
= Acos 0 t  B sin 0 t
mit
0 =

k
m
Mit Hilfe der Additionstheoreme für Winkelfunktionen lässt sich die
Lösung auch schreiben als
x t  = C cos0 t
C = Amplitude der Schwingung, ω0 = Kreisfrequenz der Schwingung,
γ = Phasenverschiebung
0 = 2  v 0 =

2
k
=
T
m
v0 = Frequenz, T = Periodendauer
60
John William Strutt, seit 1873 3. Lord Rayleigh
12. 11. 1842 in Langford Grove, Meldon,
England
† 30. Juni 1919 Terlins Place bei Witham,
England
Nobelpreis Physik 1904
3.4 Reibung
Eine realistische Beschreibung mechanischer Probleme erfordert die
Berücksichtigung von Reibung.
Reibungskräfte sind meist proportional zur Geschwindigkeit. In kartesischen
Koordinaten lassen sich Reibungskräfte durch folgenden Ansatz beschreiben:
F diss ,i = − ẋ i
Diesen Kräften kann kein Potenzial zugeordnet werden.
Wir definieren die Rayleighsche Dissipationsfunktion D als:
3N
D  ẋ  =
∑
i =1
i 2
ẋ
2 i
3N
D q , q̇ , t  =
∑
i=1
i
2
ẋ
q
,
q̇
,
t

[
]
2 i
Die von einem Teilchen abgegebene Leistung ist – Fdiss· v. Für die Reibungskraft
mit obiger Form erhalten wir γv2. Damit entspricht die Rayleighsche
Dissipationsfunktion der halben vom System an die Reibung abgegebenen
Leistung.
Durch die modifizierten Lagrangegleichungen kann die Reibung berücksichtigt werde
d ∂L ∂L
∂D
−

= 0
dt ∂ q̇i ∂ qi
∂ q̇i
i=1,... , f 
61
3.5. kompliziertere Beispiele
3.5.1 Massenpunkt auf einem Kreiskegel
z
Massenpunkt, der sich im
Schwerefeld reibungsfrei auf
einem Kegel bewegt.
r
ϱ
g
α
x
1. Man führe geeignete generalisierte Koordinaten ein, die die
Nebenbedingungen automatisch erfüllen und der Symmetrie des Problems
angepasst sind. Die Nebenbedingung (Kegelgleichung) lautet:
2
2
2
2
2
2
2
 − z tan  = x  y − z tan  = 0
Sie ist befriedigt, wenn wir als generalisierte Koordinaten den Abstand r
vom Nullpunkt und den Winkel φ (Drehung um die z-Achse) entsprechend
x = r sin  cos , y = r sin  sin  , z = r cos 
einführen, also Kugelkoordinaten mit  =  = const benutzen.
62
2. Man schreibt kinetische Energie T , potenzielle Energie U und LagrangeFunktion L als Funktion der generalisierten Koordinaten und
Geschwindigkeiten auf:
T =
m 2
 ẋ  ẏ 2  ż 2  = m  ṙ 2  r 2 ̇ 2 sin 2  
2
2
U = m g z = m g r cos 
L =
m 2
 ṙ  r 2 ̇ 2 sin 2   − m g r cos 
2
3. Man schreibe die Lagrange-Gleichungen 2. Art auf, und formuliere die
Erhaltungssätze:
d ∂L ∂L
−
= m r̈ − m r ̇ 2 sin 2   m g cos  = 0
d t ∂ ṙ
∂r
d ∂L ∂L
d
 m r 2 ̇ sin 2   = 0
−
=
d t ∂ ̇ ∂
dt
L hängt nicht explizite von φ ab. Die entsprechende Erhaltungsgröße ist die zKomponente des Drehimpulses, da dieses Problem gegenüber Drehungen um die zAchse invariant ist.
2
2
m r ̇ sin  =l z
63
Die Lagrange-Funktion hängt nicht explizit von der Zeit ab, so dass der
Energie-erhaltungssatz gilt:
T U =
m 2
 ṙ  r 2 ̇ 2 sin 2    m g r cos  = E
2
4. Man löse die Lagrange-Gleichungen 2. Art unter Ausnutzung der
Erhaltungssätze. Jede Erhaltungsgröße stellt ein erstes Integral der
Bewegungsgleichungen dar, spart
also eine Integration (DGL 1. Ordnung!). Damit kann also eine der
Bewegungsgleichungen (DGL 2. Ordnung!) ersetzt werden.
Elimination von̇ im Energiesatz mit Hilfe des Drehimpulssatzes gibt
̇ =
2
lz
lz
m 2
E =
ṙ 
 m g r cos  = const.
2
2
2
2 m r sin 
m r 2 sin 2 
Diese Gleichung entspricht der des Problems der eindimensionalen
Bewegung eines Massenpunktes im Ersatzpotential
2
U eff r  =
lz
2
2
2 m r sin 
 m g r cos 
64
Da wir die Bewegungsgleichung nicht analytisch lösen können, beschränken
wir uns auf eine anschauliche Diskussion des Energiesatzes
U eff  r 
m g r cos 
E
r
r1
Ersatzpotential des Massenpunktes auf einem Kegel
r2
Ist der Drehimpuls Null, l z = ̇ = 0 , rollt der Massenpunkt mit der
Beschleunigung g cos α in die Spitze hinein. Ist ein Drehimpuls vorhanden, dann
zeigt die Abbildung, dass die Bewegung ständig zwischen zwei festen Werten r 1
und r2 hin und her geht, der Massenpunkt rollt in auf- und absteigenden Spiralen
zwischen den Kreisen der Höhe z1 = r1 cos α und z2 = r2 cos α mit gleich
bleibendem Umlaufsinn auf dem Kegelmantel, er kann (ohne Reibung) die
65
Kegelspitze niemals erreichen.
3.5.2 Doppelpendel
y
x
l1
g
φ1
m1
φ2
l2
m2
Als verallgemeinerte Koordinaten wählen wir die beiden Winkel φ1 und φ2:
x 1 = l 1 sin  1
y 1 = −l 1 cos 1
z1 = 0
x 2 = l 1 sin  1 l 2 sin  2
y 2 = −l 1 cos  1−l 2 cos  2
z2 = 0
66
Daraus folgt die kinetische Energie,
m1 2
m2 2
2
2
T =
x˙1  ẏ 1  z˙1   x˙ 2  ẏ 22  z˙2 2 

2
2
m1 2 2 m2 2 2 2 2
=
l ̇  [ l ̇ l ̇ 2 l 1 l 2 cos  1 − 2  ̇ 1 ̇ 2 ]
2 1 1 2 1 1 2 2
Zusammen mit der potentiellen Energie U = m1 g y 1  m2 g y 2
L =
erhalten wir L=T-U
m1m2 2 2 m2 2 2
l 1 ̇ 1 
l 2 ̇ 2  m2 l 1 l 2 ̇ 1 ̇ 2 cos 1− 2 
2
2
 m1m2  g l 1 cos  1  m2 g l 2 cos  2
.
Lagrangegleichungen 2. Art aufstellen:
d ∂L
∂L
=
dt ∂ ̇ 1 ∂  1
d ∂L
∂L
=
dt ∂ ̇ 2 ∂  2
67
Daraus erhalten wir die Bewegungsgleichungen
2
m1  m2  l 1 ̈ 1  m2 l 1 l 2  ̈ 2 cos 1 −  2  − ̇ 2  ̇ 1 − ̇ 2  sin 1 −  2  
= − m2 l 1 l 2 ̇ 1 ̇ 2 sin  1 −  2  − m1  m2  g l 1 sin  1
m 2 l 22 ̈ 2  m2 l 1 l 2  ̈ 1 cos 1 −  2  − ̇ 1 ̇ 1 − ̇ 2  sin 1 −  2  
= m2 l 1 l 2 ̇ 1 ̇ 2 sin 1 −  2  − m2 g l 2 sin  2
.
Das Doppelpendel kann auch mit dem Newtonschen Kraftgesetz
behandelt werden. Es wäre aber sehr schwierig, die verschiedenen
Kopplungsterme im Rahmen der Newtonschen Bewegungsgleichungen
aufzustellen.
Für kleine Schwingungen gilt sin 1− 2  ≈  1− 2 und cos  1 − 2  ≈ 1.
Auch sonst lassen wir alle in φi quadratischen (oder höheren) Terme
weg:
m1 m2 l 1 ̈ 1  m2 l 2 ̈ 2  m1 m 2  g 1 = 0
m2 l 2 ̈ 2  m2 l 1 ̈ 1  m2 g  2 = 0
68
Der Ansatz
führt zu

  
 1 t  = a1 ei t
 2 t
a2
m1  m2  g − l 1  2 
−m2 l 2  2
2
2
−m2 l 1 
m2  g − l 2  
 
a1 = 0
a2
Dieses lineare Gleichungssystem hat nur dann eine nicht triviale
Lösung, wenn die Determinante verschwindet. Diese Bedingung
2
2
4
m1 m2  g−l 1   g−l 2   − m2 l 1 l 2  = 0
ist eine quadratische Gleichung für ω2. Sie hat die Lösungen ω+2 und
ω-2,
2
± =
 
m1
l1 l 2
g m1  m2 l 1  l 2
1± 1−4
2
m1
l1 l 2
m1  m2  l 1  l 2  2

69
Im Fall m1 << m2 erhalten wir
m2 l 1 l 2
m1 l 1 l 2
g
−2 ≈
l 1l 2
2 ≈ g
a1 ≈ −
l2
a2
l1
a1 ≈ a 2
Im ersten Fall schwingen die Massen gegenläufig. Im zweiten Fall bilden die
beiden Stangen l1 und l2 eine gerade Linie.
Im Fall m1 >> m2 erhalten wir
2 ≈
g
l2
und
−2 ≈
g
l1
Dies sind die Frequenzen der einzelnen Pendel. In diesem Fall schwingen die
Pendel praktisch unabhängig voneinander. Weil m1 so groß ist, wird seine
Schwingung durch das „Anhängsel“ m2 praktisch nicht gestört.
70
Im Fall m1 = m2 = m und l1 = l2 = l erhalten wir
g
 =  2± 2 
l
2
±
mit a = ∓
1
a2
2
Dies ist entweder eine schnellere gegenläufige oder eine langsamere
gleichläufige Schwingung. In jedem Fall ist die Winkelamplitude der unteren
Masse um den Faktor √2 größer.
Das Doppelpendel ist ein beliebtes Modell zur Demonstration von chaotischen
Prozessen.
Diese einfache Konstruktion erzeugt ein unvorhersehbares Bewegungsmuster,
welches exponentiell auf Störungen reagiert. Das Verhalten ergibt sich aus der
nichtlinearen Dynamik (Produkt der Winkelgeschwindigkeiten).
http://www.mathstat.dal.ca/~selinger/lagrange/doublependulum.html
71
4. Hamiltonformalismus
Für die praktische Lösung von Problemen bietet der Hamiltonformalismus
meist keinen Vorteil gegenüber dem Lagrangeformalismus. Allerdings
bietet der Hamiltonformalismus einen direkten Ausgangspunkt für die
Quantenmechanik. Der Begriff des Phasenraumes ist in vielen Gebieten
der Physik
von großer Bedeutung.
4.1. Hamilton-Funktion
Die Lagrangefunktion Lq , q̇ ,t  ist eine Funktion der verallgemeinerten
Koordinaten und Geschwindigkeiten. Im Hamiltonformalismus werden die
verallgemeinerten Geschwindigkeiten q̇i durch die verallgemeinerten
Impulse pi ersetzt
pi =
∂L
∂ q̇i
i=1,, f 
72
Damit können wir die q̇i als Funktion der verallgemeinerten Koordinaten
und Impulse ausdrücken
q̇k = q̇k q , p , t 
Zur Vereinfachung der Notation verwenden wir die Abkürzungen
q = q1 , , q f  ,
q̇ =  q̇1 ,, q˙ f  ,
p =  p1 ,, p f 
Die Hamiltonfunktion ist definiert als
f
H q , p ,t  = ∑ q̇ i q , p , t p i − Lq , q̇q , p ,t  ,t 
i=1
Da die q̇i q , p , t  als Funktion der verallgemeinerten Koordinaten und
Impulse ausgedrückt wird, ist die Hamiltonfunktion auch nur von q und
p abhängig.
73
Beispiel: linearer harmonischer Oszillator
m 2 k 2
ẋ − x
2
2
∂L
p
p=
= m ẋ

ẋ =
∂ ẋ
m
2
p
m p
k 2 p2
k
H  x , p = p −
 x =
 x2
m
2 m
2
2m 2
L=
 
Die verallgemeinerten Koordinaten und Impulse werden als von einander
unabhängige Größen betrachtet,
∂ pi
=0 .
∂ qk
74
4.2. kanonische (Hamiltonsche) Gleichungen
Das Prinzip der kleinsten Wirkung (Hamiltonsches Prinzip)
t2
 S [q] =  ∫ dt L q , q̇ ,t  = 0
t1
besagt, dass die tatsächliche Bahnkurve q(t) die Wirkung S minimiert. Die
Variation nach f Funktionen qi(t) mit festen Randwerten für ein System mit
f Freiheitsgraden liefert f Differenzialgleichungen 2. Ordnung (LagrangeGleichungen).
Wir ersetzen L durch H
t2
 S [q , p ] =  ∫ dt
t1
∑
f
i =1

pi q̇i − H q , p , t  = 0
Da q und p unabhängige Variablen sind, müssen wir nach 2f-Größen variieren.
75
Für feste Randwerte
 qt 1 =  qt 2  = 0
erhalten wir
t2
f

 S [q , p] = ∫ dt ∑  pi q̇i  pi  q̇i −
i=1
t1
∂H
∂H
 qi −
 pi
∂ qi
∂ pi

Der zweite Term kann durch partielle Integration (∫fg' = fg| - ∫f'g)
umgeschrieben werden
t2
t2
∫ dt pi  q̇i = pi  qi ∣t − ∫ dt ṗi  qi
t1
1
Nach Ausnutzen der Randwerte erhalten wir
t2
f
[
 S [q , p] = ∫ dt ∑ q̇i −
t1
i=1


 ]
∂H
∂H
 pi − ṗi 
 qi = 0
∂ pi
∂ qi
Da die Variationen δpi und δqi beliebige Funktionen sind, müssen die
( ) Klammern Null werden.
76
Kanonische (Hamiltonsche) Gleichungen
q̇i =
∂H
∂ pi
ṗ i = −
∂H
∂ qi
i = 1,... , f 
sind die kanonischen oder Hamilton'schen Gleichungen. Die kanonischen
Gleichungen sind 2f Differenzialgleichungen 1. Ordnung und völlig
äquivalent zu den f Differenzialgleichungen 2. Ordnung (LagrangeGleichungen 2. Art).
Bewegung eines Teilchens in einem Potenzial U(x,y,z,t):
2
m ̇r
m 2
L =
−U  r , t =
 ẋ  ẏ 2 ż 2 −U  x , y , z , t 
2
2
Die verallgemeinerten Impulse sind
px=
∂L
= m ẋ ,
∂ ẋ
p y = m ẏ ,
p z = m ż
Die Hamiltonfunktion lautet:
3
H  q , p , t=
∑ q̇i pi − L q , q̇ , t= ∑
i=1
2
x
i= x , y , z


2
pi
p y 2 pz 2
m px
p −       U  r , t
m i 2 m
m
m
p  p 2y  p 2z
p 2
=
U  r , t =
U  r , t 
2m
2m
77
Die kanonischen Gleichungen für die x-Koordinate lauten:
∂H
∂U
ṗ x = −
= −
,
∂x
∂x
px
∂H
ẋ=
=
∂ px
m
Die Ausdrücke für die y- und z-Koordinate sind ähnlich, so dass die kanonischen
Gleichungen in Vektorform zusammen gefasst werden können.
̇p = −grad U  r , t ,
̇r =
p
m
Ableiten des zweiten Ausdruckes und einsetzen des Ergebnisses in den ersten gibt
̈r =
̇p
m

m ̈r = −grad U  r , t 
Die Äquivalenz mit den Lagrangegleichungen bzw. den Newtonschen Axiomen ist
hoffentlich offensichtlich.
78
Energieerhaltung:
dH
d
=
dt
dt
∑
f
i=1
 
d
pi q̇i − L =
dt
f

∂L
∂L ∂H
q̇
−
L
=
−
=
∑ ∂ q̇ i
∂
t
∂t
i=1
i
Wenn L nicht explizit von der Zeit abhängt, ist der Klammer-Ausdruck
konstant (siehe auch Kapitel 5.1 Homogenität der Zeit). Wenn die
kinetische Energie nur quadratisch von den Geschwindigkeiten
abhängt
f
f
∑ ∂∂ q̇L q̇i = ∑ mi q̇2i = 2T
i=1
i=1

f
mi 2
q̇i
i=1 2
T =∑

Dann ist die Hamiltonfunktion H = 2T - L
H q , p , t = T  U
gleich der Energie. Wenn die Koordinaten kartesisch sind und das Potenzial
nicht von den Geschwindigkeiten abhängt, hat die Hamiltonfunktion die
obige einfache Form als Summe von kinetischer und potenzieller Energie,
im allgemeinen Fall gilt dieser Zusammenhang nicht.
79
4.3. Phasenraum
Die Angabe von 2f Werten qi ,... , qf und p1 , ... , pf legt den Zustand
eines Systems zu einer bestimmten Zeit fest. Wir ordnen nun jedem
Zustand einen Punkt in einem abstrakten, 2f-dimensionalen Raum zu,
der durch die Größen qi und pi aufgespannt wird. Dieser Raum wird
Phasenraum genannt.
Die zeitliche Entwicklung eines Systems wird durch eine Kurve im
Phasenraum dargestellt.
Beispiel: linearer harmonischer Oszillator
2
p
p
k
H  x , p =
 x2
2m 2
pmax
xmax
x
80
Da die Energie erhalten bleibt H(x, p) = E = const.
1
k 2
p2 
x =1
2m E
2E
ist eine Ellipse im Phasenraum. Die Halbachsen der Ellipse sind
2
a =

2E
k
b =
2 m E
2
x y
 2 = 1
2
a b
Das Phasenraumvolumen ist gleich der von der Kurve H(q, p)=E
Eingeschlossenen Fläche.
Für die Ellipse des harmonischen Oszillators erhalten wir
V PR E =
∬
H q , pE
dq dp =  a b =
2 E
2 E
=

k /m
81
4.4 Poissonklammer
Wenn ein System durch qi und pi bestimmt ist, kann eine beliebige
physikalische Größe nur von diesen Variablen und der Zeit abhängen.
Zwei physikalische Größen
F = F q1 , , q f , p1 ,, p f ,t 
K = K q1 ,, q f , p1 ,, p f ,t 
seien gegeben.
Wir definieren die Poissonklammer in der Form
f
{F , K } = ∑
i =1

∂F ∂K
∂F ∂K
−
∂ qi ∂ pi ∂ pi ∂ qi

Eigenschaften:
{F , K } = − { K , F }
{F , F } = 0
82
Im Hamiltonformalismus sind q und p unabhängige Variablen
∂ pi
∂ qi
=
= ij
∂ pj ∂qj
∂ qi
∂ pi
=
=0
∂ pj ∂qj
∂ qi ∂ pi
=
=0
∂t
∂t
Damit erhalten wir z. B.
{ qi , q j } = { pi , p j } = 0
{ pi , q j } = − ij
Wenn wir in der Poissonklammer für K=qj oder K=pj einsetzen, erhalten wir

∑
f
{F ,q j} = ∑
i=1
f
{F , pj} =
i=1

f
∂ F ∂qj
∂F ∂qj
∂F
∂F
−
=−∑
 ij = −
∂ qi ∂ pi
∂ pi ∂ qi
∂ pj
i=1 ∂ p i

f
∂ F ∂ pj ∂ F ∂ pj
∂F
∂F
−
=∑
 ij =
∂ q i ∂ pi
∂ pi ∂ qi
∂qj
i=1 ∂ q i
83
Die vollständige Zeitableitung einer beliebigen physikalischen Größe
F(q,p,t) ist
f
dF
∂F
∂F
=
 ∑
q̇i 
dt
∂t
∂
q
i=1
i
∂F
=
 {F , H }
∂t
f
∑ ∂∂ Fp
i =1
ṗi
i
unter Ausnutzung der kanonischen Gleichungen.
Wenn F nicht explizit von der Zeit abhängt, dann ist diese Größe eine
Erhaltungsgröße, falls die Poisson-Klammer mit H verschwindet.
z. B.
F=H
dH
∂H
∂H
=
 {H , H } =
dt
∂t
∂t
Falls H nicht explizite von der Zeit abhängt, folgt die zeitliche Konstanz
von H, d.h. die Energie des Systems bleibt erhalten.
84
4.5 Hamilton-Jacobi-Gleichung
Durch Variablentransformation (q, p) -> (Q,P) lässt sich eine neue
Hamiltonfunktion H' finden, für die gelten soll:
∂ W  q , Q ,t 
≡0
∂t
∂W q ,t 
∂ W q , t
∂ W q , t
H q 1 , , q f ,
,,
,t 
=0
∂ q1
∂qf
∂t
H ' Q , P , t = H q , p , t  


Für die tatsächliche Bahn entspricht die Größe W der Wirkung. Die
Hamilton-Jacobi-Gleichung ist eine partielle DGL 1. Ordnung für die Funktion
W. Sie kann ebenso wie die Lagrange-Gleichungen oder Hamiltonschen
Gleichungen als Grundgleichung für die Bewegung mechanischer Systeme
aufgefasst werden.
Allerdings dient die Hamilton-Jacobi-Gleichung weniger zur Lösung von
konkreten mechanischen Bewegungen, sondern zeigt Beziehungen
zwischen Mechanik, Optik und Quantenmechanik.
85
5. Raum-Zeit-Symmetrien: Erhaltungssätze
Unter Symmetrie versteht man die Invarianz unter einer bestimmten
Operation.
Ein Objekt wird als symmetrisch bezeichnet, wenn es gegenüber
Symmetrieoperationen invariant ist, d.h. im Erscheinungsbild unverändert ist.
Man unterscheidet diskrete Symmetrien:
● Spiegelung
● Drehungen um einen bestimmten Winkel (z.B. 90°)
86
●
Verschiebung um Gittervektoren im unendlichen Kristall (Translationsinvarianz)
kontinuierliche Symmetrien, die von einem kontinuierlichen Parameter
(z. B. Drehwinkel um den Mittelpunkt einer Kugel) abhängen.
87
Die physikalischen Systeme und deren Dynamik werden durch mathematische
Modelle beschrieben.
Symmetrien müssen sich also in den Bewegungsgleichungen oder der Lagrange-Funktion zeigen. Da Symmetrien Invarianzen in der Lagrange-Funktion entsprechen und jede Invarianz einem Erhaltungssatz entspricht, folgt aus
jeder Symmetrie des Systems ein entsprechender Erhaltungssatz.
88
Galileo Galilei
15. Februar 1564 in Pisa
† 8. Januar 1642 in Arcetri bei Florenz
Galilei-Transformation:
Die Galilei-Transformation beschreibt die Transformation von
einem Inertialsystem (x1, x2, x3, t) in ein anderes
Inertialsystem (x1*, x2*, x3*, t*).
Dabei sind folgende Transformationen möglich:
1. Räumliche Verschiebung zum r = v t
2. Räumliche Verschiebung um konstanten Vektor r0
3. Drehung, die durch eine Matrix αij beschrieben wird.
4. Zeitliche Verschiebung um t0.
z*
z
r *
r
y
x
v tr 0
y*
x*
89
Drehmatrizen
Wichtige Drehmatrizen für Drehungen um den Ursprung um einen festen Winkel:

1
0
0
0 cos  sin 
0 −sin  cos 
x-Achse als
Drehachse
 
cos  0 sin 
0
1
0
−sin  0 cos 
y-Achse als
Drehachse
 
cos  sin  0
−sin  cos  0
0
0
1

z-Achse als
Drehachse
Eine beliebige Drehung lässt sich durch drei aufeinander folgende
Drehungen mit bestimmten Winkeln um die Koordinatenachsen erzielen.
Es werden also drei Winkel für die Beschreibung einer beliebige Drehung
benötigt.
Eulersche Winkel sind eine Möglichkeit zur Beschreibung der Orientierung
von Objekten im dreidimensionalen Raum. Es handelt sich um drei Winkel,
welche jeweils eine Drehung um bestimmte Achsen beschreiben und somit
eine Transformation zwischen zwei Koordinatensystemen, z.B. dem
Laborsystem und dem körperfesten System, definieren.
Es existieren verschiedene Definitionen für die Eulerschen Winkel, die sich in
der Wahl der Drehachsen unterscheiden.
90
Luftfahrtnorm (DIN 9300)
In der Luftfahrtnorm ist die Transformation vom erdfesten (geodätischen, Labor-)
System mit dem Index g in das flugzeugfeste (körperfeste) System mit dem Index f
über die drei Lagewinkel Ψ, Θ und Φ definiert:
91
Der Gierwinkel (Steuerkurs, Azimut, heading, azimuth angle) Ψ dreht in der xg-ygEbene um die zg-Achse. Dabei wird die xg-Achse in die Knotenachse k1 und die yg-Achse
in die Knotenachse k2 überführt.
Der Nickwinkel (Längsneigung, pitch angle, inclination angle) Θ dreht in der xf-zgEbene um die k2-Achse. Dabei wird die k1-Achse in die xf-Achse und die zg-Achse in die
Knotenachse k3 überführt.
Der Rollwinkel (Querneigung, Hängewinkel, bank angle) Φ dreht in der yf-zf-Ebene um
die xf-Achse. Dabei wird die k2-Achse in die yf-Achse und die k3-Achse in die zf-Achse
überführt.
Die Transformationsmatrix setzt sich dann aus dem Produkt von drei
Einzeldrehmatrizen für die jeweiligen Winkel zusammen. Dabei ist die Drehreihenfolge
von rechts nach links zu lesen:



1
0
0
cos  0 sin  cos  −sin 
T g  f = 0 cos −sin 
sin  cos 
0
1
0
0 sin  cos −sin  0 cos
0
0
0
0
1

92
Die allgemeine Galilei-Transformation
3
x i * = ∑  ij x j − vi t − r 0i
i=1, ... , 3
j =1
t * = t − t0
Eine Drehung wird durch 3 Winkel festgelegt, vi und r0i hängen jeweils von 3
Parametern ab, t0 liefert einen weiteren. Damit hängt die GalileiTransformation von 10 Parametern ab.
Wir betrachten ein System von N-Massepunkten mit der LagrangeFunktion
N
N v−1
L  r1 , ... , rN , r̇1 , ... , r̇N ,t  =
1
2
∑ mv r˙2v − ∑ ∑ U v µ ∣rv− rµ∣
v=1
v=2 µ=1
und suchen Invarianzen bei der Galilei-Transformation zwischen zwei
Inertialsystemen für abgeschlossene Systeme mit paarweiser
Wechselwirkung.
Notation:
v
v
v
rv = q1 , q2 , q3 
93
5.1. Homogenität der Zeit
Homogenität der Zeit: Das Ergebnis eines Experiments hängt nicht davon
ab, wann es durchgeführt wird.
Die Transformation rv  rv * = rv , t  t * = t  t 0
beschreibt eine
zeitliche Verschiebung um eine konstante Zeit t0. Die Uhren „ticken“ in
beiden Systemen gleich schnell dt* = dt.
d rv * d rv
Da rv * = rv , folgt auch
=
 ̇r v * = r˙ v 
dt
dt *
Für die Lagrange-Funktion gilt daher
L *  ... , rv * ,... , r˙v * , ... , t *  = L  ... , rv ,... , r˙v , ... , t t 0 
94
Die Lagrange-Funktion eines abgeschlossenen Systems hängt aber nicht
explizit von der Zeit ab, so dass L* = L. Vollständige Zeitableitung:
dL ∂ L
∂L
∂L
=
∑
q̇i  ∑
q̈i
dt
∂
t
∂ qi
∂ q̇i
i
i

0
Wir ersetzen mit Hilfe der Lagrange-Gleichungen die partiellen
Ableitungen
∂L d ∂L
=
∂ qi dt ∂ q̇i


  
dL
d ∂L
∂L
d ∂L
d
=∑
q̇ i  ∑
q̈i = ∑
q̇i =
dt
dt ∂ q̇i
∂ q̇ i
dt ∂ q̇ i
dt
i
i
i
∑
i
∂L
q̇
∂ q̇ i i

Daraus folgt
d
dt
∑
i

∂L
q̇ − L = 0
∂ q̇i i
95
oder
∑
i
∂L
q̇ − L = const.
∂ q̇i i
Für unsere Lagrange-Funktion gilt
∂L
= mi q̇i ,
∂ q̇ i
∂L
2
q̇i = mi q̇i
∂ q̇i
∑ mi q̇ 2i = 2 T
i
damit erhalten wir
2T – T + U = T + U = E = const.
Die Energie eines abgeschlossenen Systems ist eine Erhaltungsgröße,
die sich aus der Homogenität der Zeit ergibt.
96
5.2. Homogenität des Raumes
Homogenität des Raumes : Das Ergebnis eines Experiments hängt nicht
davon ab, wo es durchgeführt wird.
Die Transformation
rv  rv * = rv   n ,
t  t*=t
beschreibt eine konstante Verschiebung um є, wenn n ein Einheitsvektor
in die Richtung der Verschiebung ist.
Wegen drv* = drv ändern sich die Geschwindigkeiten nicht  ̇r v * = ̇r v  .
*
*

r
−

r
Die Koordinatendifferenzen
hängen nicht von є ab. (d. h.
v
µ = rv − rµ
die Abstände zwischen Massepunkten sind unverändert). Damit ist die Lagrange-Funktion unseres abgeschlossenen Systems invariant unter dieser
Transformation.
*
*
*
L * ,r v ,, ̇r v ,t  = L, rv  n , , ̇r v ,t 
N
N
dL
∂L
d
∂L
∣ =∑
⋅n = ∑
⋅n = 0
d  =0 v =1 ∂ rv
dt v=1 ∂ ̇r v
unter Nutzung der Lagrange-Gleichung 2. Art
97
Die Ableitung der Lagrange-Funktion nach den verallgemeinerten
q̇i heißt verallgemeinerter Impuls
Geschwindigkeiten
pi =
∂L
∂ q̇i
(In kartesischen Koordinaten entsprechen die verallgemeinerten Impulse dem
Impuls.)
z.B. freies Teilchen, U = 0
m 2 2 2
 ẋ  ẏ  ż 
2
∂ L ∂T
=
= m ẋ = p x
∂ ẋ ∂ ẋ
T=
Damit entspricht die Erhaltungsgröße
d
dt
N
∑ ∂∂ ̇Lr ⋅n = ddt
v=1
v
N
∑ Pv⋅n = ddt  P⋅n  = 0
v =1
mit P, dem Gesamtimpuls, dem Impulserhaltungssatz. Da n ein
beliebiger Vektor ist, folgt aus der Konstanz von n.P die Konstanz von P.
98
Der Gesamtimpuls eines abgeschlossenen Systems ist eine
Erhaltungsgröße, die aus der Homogenität des Raumes folgt.
5.3. Isotropie des Raumes
Isotropie bedeutet, dass sich die Eigenschaften eines abgeschlossenen
Systems bei einer beliebigen Drehung des Gesamtsystems nicht ändern.
*
rv  r = rv   n× rv  
*
t  t =t
entspricht einer infinitesimalen Drehung um einen konstanten Winkel є
um die Drehachse n (|n|=1).
n
r
Winkel
*

 n ×r
Die Transformation beschreibt
nur Drehungen um kleine
є korrekt (linear in є).
r
99
* 2
2
2
 ̇r v  = ̇r v  O  
 rv *− rµ* 2 =  rv − rµ 2  O 2 
L* = L , rv  
n × rv   , , ̇r v  
n × ̇r v   ,, t 
Wir berechnen die Ableitung nach є
N
*
N
dL
∂L
∂L
∣ =∑
⋅ n× rv   ∑
⋅ n ×̇r v 
d  =0 v=1 ∂ rv
rv
v=1 ∂ ̇
Unter Nutzung der Lagrange-Gleichungen ersetzen wir
N

d
=
dt
N
d pv
dL
d
∣ =∑
⋅n× rv   pv⋅ n × rv 
d  =0 v=1 dt
dt
*
d
=
dt
∑
v=1
N
d
pv⋅ n× rv  =
dt
∑ n⋅lv =
v=1

∂ L/∂ rv und pv =
∂L
∂ ̇r v
N
∑ n⋅ rv× pv 
v =1
d
n⋅L
dt
mit L dem Gesamtdrehimpuls des Systems.
100
Da L nur von є2 und höheren Gliedern abhängt, ist die Invarianzbedingung
dL
d
∣ = 0 = n⋅L
dt
d  =0
Da n beliebig ist, folgt die Konstanz von L.
Der Gesamtdrehimpuls eines abgeschlossenen Systems ist eine
Erhaltungsgröße, die sich aus der Isotropie des Raumes ergibt.
Zusammenfassung
Damit erhalten wir 7 Erhaltungsgrößen, die auch Bewegungsintegrale
genannt werden.
Homogenität der Zeit --> Energieerhaltung, E
Homogenität des Raumes --> Impulserhaltung, p
Isotropie des Raumes --> Drehimpulserhaltung, L
Erhaltungssätze sind von der Form Q x , ẋ ,t  = const. und stellen
Differenzial-gleichungen 1. Ordnung dar. Sie können die Lösung eines
Problems wesentlich erleichtern.
101
Runge-Lenz-Vektor
Für Zentralpotenziale der Form V(r)= - α/r (z. B. Gravitation) ist der Laplace-RungeLenz Vektor eine Erhaltungsgröße:
A = v× L V r  r
Der Runge-Lenz-Vektor liegt in der Bahnebene und zeigt zum Perihel
(zentrumnächster Punkt) der Bahn.
Den 10 möglichen Parametern in der Galileo-Transformation
entsprechen genau 10 Erhaltungsgrößen. Mehr Erhaltungsgrößen
sind nicht möglich.
102
Der Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungssätzen kann
mit dem Hamilton'schen Prinzip viel allgemeiner formuliert werden.
Amalie „Emmy“ Noether
* 23. März 1882 in Erlangen
† 14. April 1935 in Pennsylvania,
USA
Emmy Noether (1882 – 1935): Noether-Theorem
Jede kontinuierliche Transformation, unter der die Wirkung S invariant
ist, führt zu einer Erhaltungsgröße.
Symmetrie
S* = S
Erhaltungsgröße
--->
Q x , ẋ ,t =const .
Symmetrie ist hier völlig allgemein gefasst und beschränkt sich nicht
auf die Galilei-Transformation.
(z.B. folgen die Eigenschaften von Elementarteilchen aus den
Symmetrien einer unitären Rotationsgruppe SU(3). Murray Gell-Mann
postulierte 1964 aufgrund von mathematischen Symmetrien den
Aufbau des Protons aus drei Quarks).
103
6. Erzwungene Schwingungen
Ein durch zeitveränderliche äußere Einwirkung zum Schwingen angeregtes
(gezwungenes) System führt erzwungene Schwingungen durch. Bedeutsam sind
vor allem periodische Erregungen und im Besonderen die harmonische Anregung.
Erzwungene Schwingungen sind von großer praktischer Bedeutung, z.B. führen
mechanischen Uhren und auch Musikinstrumente erzwungene Schwingungen
durch.
Reale schwingenden Systeme unterliegen natürlich einer Dämpfung. Sie
benötigen deshalb für eine dauerhafte Schwingung mit konstanter Amplitude
immer einen äußeren Antrieb.
http://www.walter-fendt.de/ph14d/resonanz.htm
104
Das einfachste System ist ein 1D harmonischer Oszillator, der durch eine äußere Kraft
f(t) angetrieben wird. Die äußere Kraft soll von der Zeit abhängen. Dieser Kraft lässt
sich ein Potenzial zuordnen:
U e =− f t  x
∂Ue
∂ f t  x
f t  = −grad U = −
=
∂x
∂x
Die Lagrange-Funktion des harmonischen Oszillators mit dieser äußeren Kraft
f(t) lautet:
L x , ẋ , t =
m 2 k 2
ẋ − x  f t  x
2
2
Rein prinzipiell ist dieses Modellsystem von allgemeiner Bedeutung, da es
für beliebige Schwingungen um eine Ruhelage mit kleinen Amplituden
angewandt werden kann. Dieses Modell könnte zum Beispiel auf die
Schwingung eines zweiatomigen Moleküls in einem elektromagnetischen
Feld angewandt werden.
105
Aus den Lagrangegleichungen 2. Art folgt die Bewegungsgleichung
d ∂L
∂L
=m ẍ=
= −k x f t 
d t ∂ ẋ
∂x
ẍ  02 x =
mit der Eigenfrequenz 0 =

f t 
m
k
m
Die Eigenfrequenz entspricht der freien Schwingung des Systems ohne äußere
Anregung.
Da jedes System Verluste hat, lassen wir als Verallgemeinerung noch eine
Reibungskraft zu, die zu einer Dämpfung der Schwingung führt. Die Reibung
kann durch die Rayleighsche Dissipationsfunktion beschrieben werden.
D =  m ẋ 2
∂D
= 2  m ẋ
∂ ẋ
Die zu lösenden DGL lautet dann:
ẍ  2  ẋ  02 x =
f t 
m
106
Allgemeine Lösung
Wir bestimmen die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung, also die Lösung
des gedämpften, harmonischen Oszillators mit einer äußeren Kraft.
Dazu betrachten wir zunächst eine periodische Kraft f(t) = f ωcos ω t.
Die Erregerfrequenz ω ist im allgemeinen unterschiedlich zur Eigenfrequenz ω0.
f
ẍ  2  ẋ   x =
cos t 
m
2
0
Alle Größen in dieser Gleichung sind reell. Daher ist der Realteil (Re) von
Z̈  2 Ż  20 Z =
identisch mit
f
expi  t
m
x t  = Re  Z t 
Wir können also eine komplexe Kraft ansetzen und anschließend den Realteil der
Lösung nehmen. Dieser Lösungsweg ist üblich und etwas einfacher. Er beruht
darauf, dass die DGL linear in x ist und dass alle Koeffizienten reell sind.
107
Die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung ist von der Form
Z t  = Z hom t   Z part t 
Dabei ist Zpart(t) eine partikuläre (also irgendeine spezielle) Lösung, und
Zhom(t) ist die allgemeine Lösung der homogenen Differenzialgleichung.
2
Z̈ hom2  Ż hom 0 Z hom = 0
Homogene Lösung
Wir setzen
Z hom t  = C exp−i v t 
mit einer komplexen Amplitude C ein und erhalten
2
2
−v − 2i  v  0 = 0
Diese Bedingung hat die Lösungen
v 1,2 = ± 0 − − i  = ± 0 − i 
2
2
Dabei haben wir κ0 = (ω02 - λ2)½ eingeführt.
108
A) Für ω0 > λ ist κ0 reell, und die Lösung x(t) lautet
x hom  t = ReC exp− t∓i  0 t 
Mit reellen Konstanten A1 und A2 in C = A2 + iA1 wird dies zu
x hom t = A1 sin  0 t exp− tA2 cos  0 t exp − t 
Das Vorzeichen in sin(± κ0t) = ± sin(κ0t) wird in der Konstante A1 absorbiert.
Anstelle der Konstanten A1 und A2 können wir auch eine Amplitude A und
eine Phase α verwenden:
x hom t = A exp− tcos  0 t
0 
Diese Lösung beschreibt eine gedämpfte, periodische Bewegung.
Die Amplitude der Schwingung nimmt exponentiell mit der Zeit ab.
109
B) Für λ > ω0 erhalten wir zwei imaginäre Lösungen:
v 1,2 = ± 0 − −i  = ±i  0 − i 
2
2
ν1 = - iλ1 und ν2 = - iλ2, wobei λ1 und λ2 beide positiv sind. Damit erhalten
wir eine exponentiell abfallende Lösung der Form
x hom  t = A exp− 1 t B exp−2 t
0 
Es findet keine Schwingung im eigentlichen Sinne statt, sondern das System
kriecht in die Ruhelage zurück.
C) Zwischen der periodischen Lösung für ω0 < λ und der exponentiell
abfallenden für ω0 > λ gibt es den Grenzfall ω0 = λ . Dann fallen die beiden
Frequenzen zusammen und die allgemeine Lösung der homogenen
Gleichung lautet
x hom t =  AB texp − t 
=0 
Dies ist der Grenzfall der aperiodischen Bewegung.
Ein Beispiel für schwingende Systeme in diesem Zustand sind die
Stoßdämpfer von
Autos.
110
Partikuläre Lösung
Die Lösungen für die Fälle A), B) und C) hängen von zwei
Integrationskonstanten ab. Sie sind daher im jeweiligen Fall die allgemeine
homogene Lösung.
Man überprüft leicht, dass
f
Z part t  =
  expi t 
m
eine Lösung unserer DGL
Z̈  2 Ż  20 Z =
ist, wenn
  =
f
exp i  t 
m
1
02 −2 2i  
Damit haben wir eine partikuläre Lösung gefunden.
Die Funktion χ(ω) wird dynamische Suszeptibilität genannt. Sie hängt von den
Eigenschaften (ω0 und λ ) des Systems ab und bestimmt das dynamische
(zeitabhängige) Verhalten. Der Grenzwert χ(0) heißt statische Suszeptibilität.
Die Suszeptibilität ist das Verhältnis zwischen der Auslenkung Z part(t) des
Systems und der antreibenden Kraft fωexp(iωt) .
111
Suszeptibilität
Der Begriff Suszeptibilität wird allgemein dann verwendet, wenn ein System
einer äußeren Störung (etwa einer Kraft oder einem Feld) ausgesetzt wird.
Das Verhältnis zwischen der Reaktion oder Antwort (Response) des Systems
und der äußeren Störung ist dann die Suszeptibilität. Die Funktion χ wird auch
Response-Funktion genannt.
Ein bekanntes Beispiel ist die Polarisation von Materie, wenn ein äußeres
elektromagnetisches Feld angelegt wird.
So bestimmt die elektrische Suszeptibilität χe die Polarisation P = χe E im
elektrischen Feld E .
Für kleine Störungen ist die Reaktion des Systems im Allgemeinen proportional
zur Störung. Die Response-Funktion ist dann unabhängig von der Stärke der
Störung. Dies bedeutet zum Beispiel, dass χe nicht vom angelegten elektrischen
Feld abhängt.
  =
1
02 −2 2i  
112
Allgemeine Lösung
Die allgemeine Lösung für eine beliebige Kraft f(t) erhalten wir durch die
Zerlegung der Kraft in periodische Anteile, also durch die
Fouriertransformation
∞
f t  =
∞
∫ d  f  expi  t  ,
−∞
f
1
=
∫ d t f t exp −i  t 
2 −∞
Da die Bewegungsgleichung linear in Z(t) ist, erhalten wir eine partikuläre Lösung
Überlagerung (linear Kombination) vieler partikulärer Lösungen.

∞
f
x part t  = Re ∫ d 
  expi  t 
m
−∞

Für λ < ω0 lautet die allgemeine Lösung dann:

f
x t  = Re C exp− t  i  0 t   ∫ d 
  expi  t 
m
−∞
∞

Die zwei Integrationskonstanten stecken in Re C und Im C.
Für λ ≥ ω0 müssen wir die homogene Lösung xhom des Falles B) bzw. C)
nehmen.
113
Diskussion
Wir betrachten eine periodische Kraft f(t) = fω exp(iω t) mit einer festen
Erregerfrequenz ω im Fall kleiner Dämpfung λ < ω0 .
Die komplexwertige Suszeptibilität kann durch ihren Betrag und Phase
beschrieben werden.
1
a−i b
a−i b
=
= 2 2
  = ∣ ∣ expi 
ai b ai ba−i b a b
2
  =
2
0 − −2 i  
1
= 2
2
2
0 − 2i   0 −2 2 −4 2  2
∣ ∣ =
1
,
2
2 2
2 2
0 −   4 
tan   =
2
2 − 20
Für diese periodische Kraft lautet die Lösung dann:

f
x t  = Re C exp− t  i  0 t  
  expi  t 
m

0 =
  −
2
0
2
114
Der Realteil ergibt sich dann als
x t  = A exp− t  cos 0 t 
f
∣ ∣ cos  t 
m
Die Konstanten A und α werden durch die Anfangsbedingungen festgelegt.
Für große Zeiten wird die Lösung unabhängig von Anfangsbedingungen, da der ers
Term verschwindet:
x t  = B cos t 
t ≫1/
Diese Lösung entspricht der durch die äußere Kraft erzwungenen Schwingung im
eingeschwungenen Zustand.
Die Amplitude der Schwingung ist
f
B =
∣ ∣
m
Die Phase δ(ω) ist die Phase der komplexen Suszeptibilität
∣ ∣ =
1
,
2
2 2
2 2
0 −   4 
tan   =
2
2 − 20
115
Phase
0
-

2
-
B =
f
∣ ∣
m
Eigenfrequenz
Erregerfrequenz
  = arctan
Das Maximum der Amplitude B(ω) liegt bei
 res =
  −2 
2
0
2
∣ ∣ =

2
2
2
 − 0

1
  −   4 
2
0
2 2
2
2
Die Resonanzfrequenz liegt unter der Eigenfrequenz des Systems, die Breite der
Resonanzkurve ist proportional zu λ, die Höhe des Maximums proportional 1/λ.
116
Im statistischen Fall (ω=0) ist die Auslenkung B(0)=f0/m ω02, die Phase ist Null
und die Auslenkung erfolgt in Richtung der Kraft. Für kleines ω und ω << ω0 gilt
  = arctan


2
2 
2 
≈
≈
−
2
2
2
2
2
 − 0
 − 0
0
Die kleine negative Phase bedeutet, das die Auslenkung etwas hinter der
antreibenden Kraft zurück bleibt. Je langsamer die Kraft oszilliert, desto kleiner
ist die Phase.
Für ω=ω0 beträgt die Phase -π/2, die Auslenkung und die Kraft sind außer Phase:
x t  = B cos t− /2 = B sin t 
f t  ~ cos  t
Für großes ω >> ω0 geht die Phase gegen -π und die Schwingung ist gegenläufig
zur antreibenden Kraft.
x t  = B  cos t−  = −B cos t 
f t  ~ cos t 
Der Übergang zwischen gleich- und gegenläufiger Auslenkung findet in einem
Bereich der Größe λ um ω0 herum statt.
http://www.walter-fendt.de/ph14d/resonanz.htm
117
F diss = −2 m ẋ
Energiebilanz
Durch die Reibungskraft wird Energie absorbiert. Im eingeschwungenen Zustand
wird die absorbierte Leistung laufend durch die äußere Kraft in das System
eingespeist.
Während der Bewegung um dx wird die Energie fdissdx absorbiert.
Die absorbierte Leistung P=-fdissv oszilliert mit der Schwingung.
2
2
2
2
P  = − f diss ẋ = 2  m ẋ = 2  m B  sin t  
x t  = B cos t 
ẋ t = − B  sin  t 
Wir benötigen die zeitliche Mittelung über eine Schwingsperiode.
Das zeitliches Mittel einer Größe A(t) über eine Schwingungsperiode T ist definiert als:
T
1
A t  = ∫ A td t
T 0
Damit erhalten wir als pro Schwingungsperiode absorbierte Leistung:
P  = − f diss ẋ = 2  m B 2 2 sin 2  t  =  m B 2 2
T
1
1
sin 2  t d t=
∫
T 0
T
T
1
∫ sin 2  t d  t = T
0
T 
∫

[
T 
]
1 1
sin  x  dx=
2 x −sin 2x 
T 4

2
=
1
2
118
Mit Hilfe der Ausdrücke für die Amplitude und Suszeptibilität können wir dieses
Ergebnis noch umschreiben.
f
B  =
∣ ∣
m
−2  
1
2
Im   = Im 2
=
=−2
∣
∣
0 −2 2i   20 −2 2 4 2 2
Nach Einsetzen und zusammenfassen erhalten wir:
P  = − f diss ẋ =  m B 2 2 =  m 2

2

f
 f 2
∣ ∣ = −
Im  
m
2m
Der Imaginärteil der Suszeptibilität bestimmt die absorbierte Leistung.
Die Energieabsorption erfolgt überwiegend im Frequenzbereich ω ≈ ω0 ± λ.
119
Resonanzkatastrophe
Die Resonanzkatastrophe bezeichnet die Zerstörung eines Bauwerkes oder einer
technischen Einrichtung durch angeregte Schwingungen aufgrund von Resonanz.
Die Energie wird bei periodischer Anregung in der Nähe der Eigenfrequenz des
Systems optimal übertragen und im System gespeichert. Durch weitere
Energiezufuhr schwingt das System immer stärker, bis die Belastungsgrenze
überschritten ist.
Tacoma-Narrows-Brücke
„Galloping Gertie“
Eröffnet: 1. 7. 1940
Einsturz: 7. 11. 1940
Bauten sollten Eigenfrequenzen besitzen, die normalerweise nicht angeregt werden. In
Erdbebengebieten richtet man sich dabei nach lokal typischen Schwingungsfrequenzen der
Erderschütterungen. Beim höchsten Bauwerk 2005, dem Taipei 101, wurde ein massives
Pendel über mehrere Stockwerke zum Schutz als Schwingungsdämpfer verbaut.
Im Jahr 1850 marschierten 730 französische Soldaten im Gleichschritt über die
Hängebrücke von Angers. Die Brücke geriet in heftige Schwingungen und stürzte ein. 226
Soldaten fanden dabei den Tod.
120
7. Gekoppelte Harmonische Schwingungen
Ausgehend von einer allgemeinen Lagrange-Funktion wollen wir in
harmonischer Näherung die Eigenfrequenzen und Eigenschwingungen eines
Systems mit vielen Freiheitsgraden bestimmen. Mit diesen Methoden lassen
sich die Schwingungen von Molekülen und Festkörpern beschreiben.
6.1 Eigenfrequenzen und Eigenmoden
System mit f Freiheitsgrade, die durch q1, ..., qf beschrieben werden.
f
1
L 0 = L 0 q1 ,... , q f , q̇1 ,... , q˙ f  = ∑ mij q̇i q̇ j − U q1 , ... , q f 
2 i , j=1
Die stabile Gleichgewichtslage sei bei q10,..., qf0 . Wir entwickeln U an dieser Stelle:
f
U  q1 , ... , q f  = U  q ,... , q   ∑
0
1
0
f
i=1
 
f

2

∂U
1
∂ U
q i −q 0i   ∑
q i −q 0i q j −q 0j   ...
∂ qi 0
2 i , j=1 ∂ q i ∂ q j 0
Der lineare Term fällt weg, da im Gleichgewicht die Kräfte verschwinden.
 =−grad U
F
121
Die kleinen Auslenkungen um die Ruhelage bezeichnen wir mit
0
x i = qi − qi
Der konstante Term beinhaltet nur eine Verschiebung der Energie ohne physikalische
Bedeutung und wird weggelassen.
Wir brechen die Reihe beim quadratischen Term ab, diese Näherung heißt
harmonische Näherung.
1
U≈
2
f
∑ V ij xi x j

∂2 U
V ij = V ji =
∂ qi ∂ q j
mit
i,j=1

0
In der kinetischen Energie ist bereits der niedrigste Term quadratisch in
der Auslenkung, also
1
T kin  q , q̇ =
2
Hierin setzen wir q̇i = ẋ i
1
T kin ≈
2
f
∑ mij q̇i q˙ j
i,j=1
ein und kürzen die Koeffizienten mit T ij ab,
f
∑ T ij ẋi ẋ j
mit
T ij = T ji = mij
i,j=1
122
Tij und Vij sind reelle Konstanten und symmetrisch zur Vertauschung der Indizes.
Die Tij und Vij können als effektive Massen und Kraftkonstanten interpretiert
werden.
Sie beschreiben die Eigenschaften des Systems und müssen zur Berechnung der
Schwingungen bekannt sein.
Im Rahmen der harmonischen Näherung wird die Lagrange-Funktion zu
L0 = L0  x 1 ,... , x f , ẋ 1 , ... , ẋ f  ≈
1
2
f
∑ T ij ẋi ẋ j − V ij x i x j 
i, j=1
Die Lagrange-Gleichungen lauten
f
f
j=1
j=1
∑ T ij ẍ j = −∑ V ij x j
123
In Matrizenschreibweise:


T 11 T 12
T 21 T 22
T =
⋮
⋮
T f1 T f2
x1
x = x2 ,
...
xf
 
... T 1f
... T 2f
,
⋱ ⋮
... T ff
V 11 V 12
V 21 V 22
V =
⋮
⋮
V f1 V f2
... V 1f
... V 2f
⋱ ⋮
... V ff

x T =  x 1 , x 2 ,... , x f 
Die Bewegungsgleichungen können nun in Matrixform geschrieben werden:
T ẍ  V x = 0
124
Bei xi = 0 gilt U = ∑i,jVi,jxixj = 0 . Das Gleichgewicht ist genau dann stabil,
wenn für beliebige Auslenkungen U > 0 gilt. Außerdem ist Tkin immer
positiv. Dies bedeutet, dass alle Eigenwerte der Matrizen V und T positiv
sind:
f
∑ V ij xi x j  0
für
x ≠0
⇔
Eigenwerte von V sind positiv
∑ T ij ẋ i ẋ j  0
für
ẋ ≠0
⇔
Eigenwerte von T sind positiv
i,j=1
f
i,j=1
Die Lagrange-Gleichung ist ein System von f linearen, homogenen
Differenzial-gleichungen 2.Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Die
Lösungen sind daher von der Form
x j t  = A j exp−i  t
oder
x t = A exp−i t 
A ist hier ein Spaltenvektor mit f-Komponenten A1, ..., Af. Üblicherweise wird
auf die explizite Kennzeichnung der Vektoren verzichtet, und vorausgesetzt
das der Vektorcharakter aus dem Kontext ersichtlich ist.
125
Alle Größen in der Bewegungsgleichung sind reell. Es ist aber etwas
bequemer, den komplexen Ansatz zu verwenden. Da die Lagrange-Gleichung
linear in x ist und reelle Koeffizienten hat, ist mit x(t) auch Re x(t) Lösung.
Wir rechnen zunächst komplex und gehen später durch die Ersetzung
x t 

Re x t 
zur gesuchten, reellen Lösung über.
Wir setzen unseren komplexen Lösungsansatz in die Bewegungsgleichung ein:
x j t  = A j exp−i  t
oder
x t = A exp−i t 
f
∑ V ij −  2 T ij  A j = 0
oder
V − 2 T  A = 0
j=1
Dies ist ein lineares, homogenes Gleichungssystem für die Größen A 1, ..., Af .
Wenn die Determinante nicht verschwindet, ist die Lösung eindeutig, die
triviale Lösung A = 0 wäre dann die einzige Lösung.
126
Damit eine nichttriviale Lösung existiert, muss die Determinante also
verschwinden:
2
f
2
det V −  T  = P   = 0
Die Determinante ist ein Polynom P(f) vom Grad f in ω2 mit reellen
Koeffizienten. Ein solches Polynom hat f Nullstellen:
f
2
P   = 0

2
2
2
1 ,2 ,... ,  f
Im Allgemeinen können die Nullstellen des Polynoms komplex sein. Wenn aber eine
der Nullstellen ωk2 komplex oder negativ reell wäre, dann hätte entweder √(ωk2) oder
-√(ωk2) einen positiven Imaginärteil. Solch eine Lösung würde exponentiell wachsen
im Widerspruch mit der Stabilitätsbedingung.
Die ωk2 müssen reell und nicht negativ sein:
2 *
2
k  = k ,
2
k ≥ 0
 k = 1, .. . , f 
Mathematisch folgt diese Bedingung aus den Eigenschaften der symmetrischen
Matrizen T und V, die nur positive Eigenwerte besitzen können.
127
Triviale Schwingungsmoden: ω=0
Falls ein ωk2=0, dann ist die Determinante auch Null. Dann ist
mindestens ein Eigenwert von V gleich Null. Wir werden diesen
Spezialfall zulassen.
Für ω = 0 wird die Schwingungsgleichung zu:
2
ẍ x = 0

ẍ=0
Anstelle von x = Re C exp(-iωt) erhalten wir dann die Lösungsform
x t  = C 1 C 2 t
für
=0
Damit erhalten wir anstelle einer Schwingung eine gleichförmige Bewegung.
In der betrachteten Näherung ist das Potenzial für diese Auslenkung Null.
Solche eine Bewegung entspricht zum Beispiel der Translation eines Moleküles
mit gleichförmiger Geschwindigkeit.
Im Allgemeinen hat ein Körper 6 solche trivialen Frequenzen mit ω=0, die den
Translationen und Rotationen des gesamten Körpers entsprechen.
Für einen linearen Körper ergeben sich nur 5 solche trivialen Frequenzen.
Ein System von N-Massenpunkten hat damit 3N-6 bzw. 3N-5 nicht-triviale
Schwingungsfrequenzen
128
Eigenfrequenzen und Eigenmoden
Für jedes positive ωk2 ergibt sich ein positives und ein negatives ω k . Wegen
Re[ AiB exp±i  t ] = A cos  t  ± B sin  t
genügt es, eine dieser Lösungen zu betrachten. Wir können uns daher auf
positive Eigenfrequenzen ωk beschränken
k ≥ 0
 k =1 , ... , f 
Die zugehörigen Eigenvektoren A(k) ergeben sich aus der Lösung der
Eigenwertgleichung
2
k 
V −  k T  A = 0
 k = 1 ,... , f 
Dies ist ein System von f linearen Gleichungen für die f unbekannten
Konstanten A1(k), ...,Af(k) für jede Eigenfrequenz ωk. Unterschiedliche ωk besitzen
unterschiedliche Eigenvektoren A(k). Der Spaltenvektor ist nicht eindeutig
festgelegt, eine Komponente kann frei gewählt werden.
129
Insgesamt ergeben sich immer f Eigenvektoren:

Ak1 
k 
k
A
A = 2 ,
⋮
Akf 
 k = 1 ,... , f 
Eine reelle Lösung mit einem beliebigen komplexen Normierungsfaktor C k ergibt
k
x t  = A ReC k exp−i  k t 
k = 1 ,... , f 
Diese Lösung ist eine spezielle Lösung der Bewegungsgleichung, die als
Eigenmode oder Eigenschwingung bezeichnet wird. Da die
Bewegungsgleichungen linear sind, ist eine beliebige Überlagerung auch
eine Lösung. Damit erhalten wir die allgemeine Lösung:
f
x t = ∑ Ak  B k cosk t k 
Allgemeine Lösung
k =1
Die komplexen Amplituden C wurden durch die reellen Amplituden B und
Phasen α ersetzt.
130
7.2 Normalkoordinaten
Die Wahl der verallgemeinerten Koordinaten xi = qi – qi0 ist nicht
eindeutig. Durch eine Transformation
x i = x i Q1 , Q 2 ,... ,Q f 
i = 1, ... , f 
kann man zu f anderen Koordinaten Qi übergehen. Im Folgenden führen wir
die Normalkoordinaten ein, die gleich den Amplituden der
Eigenschwingungen sind.
Das Verfahren der Bestimmung der Normalkoordinaten Qi entspricht der
Hauptachsentransformation einer quadratischen Form.
Aus den Eigenvektoren A(k) bilden wir die quadratische Matrix a :

1
 2
f
A1 A1
k 
A1
A22
2
a = aik  =  Ai  =
⋮
⋮
1
 2
Af Af
 A1
 A2 f 
⋱ ⋮
f
 Af

Damit wird die Eigenwertgleichung zu
f
f
j=1
j=1
∑ V ij a jk = 2k ∑ T ij a jk
131
Für ωl gilt: (Umbenennung der Indizes i <-> j , vertauschen der
Indizes der symmetrischen Matrizen T und V )
f
f
∑ V ij ail =  ∑ T ij ail
2
l
i=1
i=1
Wir multiplizieren mit ail bzw. ajk und summieren über i bzw. j. Die
Differenz beider Gleichungen ist dann
f
 −   ∑ T ij ail a jk = 0
2
k
2
l
i,j=1
Wir nehmen zunächst an, dass die Eigenwerte nicht entartet sind, also
ωl ≠ ωk für l ≠ k . Für l ≠ k muss dann die Summe verschwinden. Für l
= k normieren wir die A(k) so, dass die Summe gleich 1 ist. Dann gilt
insgesamt
f
∑ T ij ail a jk = Al T T
Ak  =  lk
oder
T
a Ta=1
i,j=1
Dies ist eine verallgemeinerte Orthogonalitätsrelation für die Eigenvektoren A(k).
Für Tij=δij entspricht das dem üblichen Beweis der Orthogonalität der Eigenvektoren
der symmetrischen Matrix V.
132
Wir betrachten nun noch den Fall, dass zwei Eigenwerte
zusammenfallen, also ωk = ωl für k ≠ l . Dann ist αA(k) + βA(l) ebenfalls
ein Eigenvektor. In diesem Fall kann man zwei Linearkombbinationen so
wählen, dass die verallgemeinerte Orthogonalitätsrelation ebenfalls gilt.
Die so normierten Eigenvektoren A(k) diagonalisieren nicht nur T ,
sondern auch V . Das Eigenwertproblem in Matrixschreibweise lautet.
f
f
∑ V ij a jk =  ∑ T ij a jk
2
k
j=1
V a = T a

j=1
mit der Diagonalmatrix

2
1 0
0 22
2
 = k  kl  =
⋮ ⋮
0
0
 0
 0
⋱ ⋮
 2f

Wir multiplizieren von links mit aT und verwenden aT T a = 1 :
f
T
a V a=
oder
∑ V ij ail a jk = 2k  kl
i,j=1
133
Damit werden sowohl T wie V durch die Matrix a = (A i(k)) diagonalisiert.
Deshalb führt die Transformation
f
x i t  = x i Q1 ,... , Q f  = ∑ aij Q j t 
j=1
oder
x = aQ
bzw.
a−1 x = Q
zu den gesuchten Normalkoordinaten Qi . Wir setzen diese
Transformation in die Lagrange-Funktion ein.
f
2 L 0 = ∑ T ij ẋ i x˙ j − V ij x i x j  = ẋ T T ẋ − x T V x
i,j=1
= a Q̇T T a Q̇ − a QT V a Q  = Q̇T Q̇ − Q T Q
f
=∑  Q̇ k − k Q k 
2
2
2
k =1
Hieraus erhalten wir f- entkoppelten 1D-Bewegungsgleichungen
2
Q̈ k  k Q k = 0
k = 1 ,... , f 
Als Lösungen erhalten wir das bekannte Resultat für eine harmonische Schwingung:
Q k t = ReC k exp−i  k t  = B k cosk t   k 
134
7.3 Äußere Kräfte
In Analogie zu erzwungenen Schwingungen fügen wir ein äußeres Störpotential U e
hinzu:
L = L0 − U e q1 ,... , q f , t
Wir entwickeln dieses Potenzial um die Gleichgewichtslage des ungestörten Systems
f
U e q1 ,... , q f ,t  = U e q01 ,... , q0f ,t  − ∑ f i t  x i  ...
i=1
Der erste Term ist nur eine Funktion der Zeit und kann daher in der LagrangeFunktion weggelassen werden. Wir setzen voraus, dass Ue so schwach ist, dass
die Entwicklung beim linearen Term abgebrochen werden kann. In diesem Term
ist fi(t) = (∂Ue/∂qi)0 die Kraft, die auf die Koordinate xi wirkt. Damit wird L zu
f
f
i=1
k =1
L = L0  ∑ f i t x i = ∑

2
1 2 k 2
Q̇ k −
Q k  F k tQ k
2
2

135
Hierbei haben wir die äußere Kraft in Normalkoordinaten transformiert:
f
F k t  = ∑ aik f i t 
i=1
Die Bewegungsgleichungen mit äußerer Kraft lauten dann:
2
Q̈ k t   k Q k t = F k t 
k = 1 ,... , f 
An dieser Stelle können auch noch Reibungskräfte zugelassen werden.
Jede der f Bewegungsgleichungen beschreibt eine erzwungene
Schwingung, deren Lösung uns bereits bekannt ist.
136
7.4 Anwendungen
A) Zweidimensionale Bewegung
Zunächst betrachten wir die zweidimensionale Bewegung eines
Massenpunktes in einem beliebigen Potenzial U(x,y) .
Dieses Beispiel soll die Hauptachsentransformation deutlich machen.
Die Lagrange-Funktion dieses Systems ist
L=
m 2
 ẋ  ẏ 2  − U  x , y
2
Das Potenzial habe bei (x0,y0) ein Minimum. Dann lautet die Entwicklung
von U(x,y) nach x1 = x – x0 und x2 = y – y0 :
 
  

1 ∂2 U
1 ∂2 U
∂2 U
2
2
U = U0 
x1 
x2 
x 1 x 2  ...
2
2
2 ∂x 0
2 ∂y 0
∂x ∂ y 0
1
= U 0   V 11 x 12  V 22 x 22  2 V 12 x 1 x 2   ...
2
137
Der Index 0 bedeutet, dass die Größe an der Stelle x0, y0 zu nehmen
ist. Für kleine Schwingungen lautet dann die Lagrange-Funktion
2
1
L = ∑ T ij ẋ i ẋ j − V ij x i x j 
2 i,j=1
mit
T ij = m  ij
In der harmonischen Näherung sind die Äquipotenziallinien
2
1
U ≈ U 0  ∑ V ij x i x j = const.
2 i,j=1
Ellipsen in der x1-x2-Ebene.
x2
x2
2
1
x
x
1
1
138
Wir führen nun ein um den Winkel φ gedrehtes System mit den
Koordinaten ξ1 und ξ2 ein. Die Transformation zu den neuen
Koordinaten lautet
 
 
1 = cos  sin  x 1
−sin  cos x 2
2
oder
=x
Die Transformationsmatrix bezeichnen wir mit α , die Spaltenvektoren
mit ξ und x . Wegen αTα = 1 ist die Rücktransformation durch
T
x= 
gegeben. Wir setzen dies in die Näherung für die Äquipotenziallinien ein
2
∑ V ij x i x j = x T V x = T T V T  = T  V T  = T V ' 
i,j=1
Wir wählen nun φ so, dass das Nebendiagonalelement V'12 = V'21
verschwindet, also
V ' =  V T =
 
k1 0
0 k2
139
Allgemein gilt, dass jede reelle symmetrische Matrix V durch eine
orthogonale Transformation (also durch V → α V αT ) diagonalisiert
werden kann. Durch die Drehung wird die Gleichung zu
2
∑ V 'ij i  j = k 1 21  k 2 22 = const.
 k 1  0 , k 2  0
i,j=1
Die Stabilität der Gleichgewichtslage bedeutet, dass die Beträge für
die Äquipotenziallinien für beliebige Auslenkungen positiv sind. Damit
sind die Eigenwerte k1 und k2 der Matrix V positiv und die
Gleichung beschreibt Ellipsen. Die Hauptachsen dieser Ellipsen sind die
ξ1 - und die ξ2 – Achse.
x2
x2
2
1
x
x
1
1
140
Da die Matrix T der kinetischen Energie proportional zur Einheitsmatrix ist,
ändert sie sich bei der orthogonalen Transformation nicht, T'= α T αT = T. Damit
wird die Lagrange-Funktion im gedrehten Koordinatensystem zu
k 1 2 k2 2
m 2 2
L , ̇ =  ̇1 ̇ 2  − 1 − 2
2
2
2
Die triviale Transformation
Q i =  m  i t 
führt dann zu Normalkoordinaten:
2
1
L = ∑  Q̇ 2i − i2 Qi2 
2 i=1
mit
i =

ki
m
Die Eigenmoden sind Schwingungen in Richtung der Hauptachsen der
Ellipsen.
Wir sind hier etwas von dem allgemeinen Lösungsweg abgewichen.
Nach diesem Lösungsweg hätten wir zunächst aus
det(V – ω2T) = det(V – mω2I) = 0 die Eigenwerte ωi2 = ki/m bestimmt. Dann
ergibt V A(k) = m ωk2A(k) die Spaltenvektoren A(k) , die die Richtung der
Eigenschwingungen (und Hauptachsen) angeben. Die hier gewählte
Behandlung zeigt die Verbindung des allgemeinen Verfahrens mit einer
Hauptachsentransformation.
141
B) Zwei gekoppelte Pendel
z
g
1
l
2
l
k
m
m
Zwei gekoppelte Pendel im Schwerefeld:
Jedes Pendel hat die Länge l und die
Masse m . Die beiden Massen seien durch
eine (masselose) Feder mit der
Federkonstanten k verbunden. Die Feder
sei entspannt, wenn beide Pendel sich im
tiefsten Punkt befinden. Die
Gleichgewichtslage ist daher durch
φ1 = φ2 = 0 gegeben.
Für kleine Auslenkungen ist die Gravitationsenergie jedes der beiden
Pendel von der Form m g z = m g l (1 – cos φ) ≈ m g l φ2/2 . Der Abstand der
beiden Massen ändert sich bei kleinen Auslenkungen um x = l (φ2 – φ1) .
Die Feder soll für φ1 = φ2 = 0 entspannt sein, dann ist ihre potenzielle
Energie gleich k x2/2 . Die Lagrange-Funktion für kleine Schwingungen
lautet damit
2
2
ml
mgl 2
kl
L =
 ̇12  ̇ 22  −
 1   22  −
 1 −  2 2
2
2
2
142
Wegen der quadratischen Form und der Abhängigkeit von (φ1 – φ2)
liegt es nahe, die neuen Koordinaten
 1 2
1 =
,
2
 2 = 1 −  2
einzuführen. Wir setzen die Rücktransformation
 1 = 1 
2
,
2
 2 = 1 −
2
2
in die Lagrange-Funktion ein und erhalten
2
2
ml 2
m g l 2
2 2
2
2
L = m l ̇ 1 
̇ − m g l 1 − k l 
4 2
2
2


Dann führt die triviale Transformation
Q1 =  2 ml 1
2
und
zu Normalkoordinaten

m l2
Q2 =

2 2
2
1
L = ∑  Q̇ 2i − i2 Qi2 
2 i =1
143
Die Qi(t) ~ θi(t) beschreiben die Eigenschwingungen mit den Frequenzen
1 =

g
,
l
2 =

2k g

m l
Die erste Eigenschwingung ist
1 t  = A cos1 t  ,
 2 = 0   1 t =  2 t  = A cos1 t
In diesem Fall schwingen beide Pendel parallel oder gleichphasig. Die Feder
bleibt entspannt und ist ohne Einfluss auf die Frequenz.
Bei der anderen Eigenschwingung
 2 t  = B cos 2 t  ,
1 = 0   1 t  = − 2 t  =
B
cos2 t 
2
schwingen die Pendel gegenphasig. Die Rückstellkräfte der Feder und des
Schwerefelds addieren sich in ω22 .
Die allgemeine Lösung ist eine Überlagerung aus den beiden Lösungen.
Für schwache Kopplung, k « m g/l , liegen die Frequenzen nahe beieinander. In
diesem Fall scheinen die beiden Pendel zunächst unabhängig voneinander zu
schwingen. Der Austausch von Schwingungsenergie zwischen den Pendeln
benötigt die relativ lange Zeit t ~ 1/(ω2 – ω1) » (l/g)½ . Wenn etwa das zweite
Pendel anfangs ruht, dann über-nimmt es nach dieser Zeit die
Schwingungsenergie des ersten Pendels.
144
C) Dreiatomiges Molekül
m
M
m
 
y2
y3
g 2k g
1 = , 2 = 
l ml
Ein dreiatomiges Molekül mit zwei
gleichen Randatomen soll nur
eindimensionale Schwingungen
ausführen. Die drei sich ergebenden
Schwingungs-typen sind darunter
skizziert. Die erste Lösung besteht in der
Translation des gesamten Moleküls.
y
1
2
3
Die drei Atome des Moleküls sollen sich nur längs einer Geraden bewegen
können. Ihre jeweiligen Positionen kennzeichnen wir mit den
Koordinatenwerten y1, y2 und y3. Der Gleichgewichtsabstand zwischen
benachbarten Atomen sei b , also
0
0
y 2 − y 1 =b
0
0
y 3 − y 2 =b
145
Damit sind lediglich zwei der drei Größen y10 , y20 und y30 festgelegt, die
wir im Allgemeinen für die Entwicklung benötigen. Das Potenzial ist in
diesem Fall aber von vornherein quadratisch in den Auslenkungen x i = yi –
y i0 :
k
 y 2− y 1−b2   y 3− y 2 −b2 ]
[
2
k
2
2
= [  x 2− x 1    x 3 − x 2  ]
2
U  y1 , y 2 , y3  =
Die kinetische Energie lautet
T  ẏ 1 , ẏ 2 , ẏ 3  =
m 2 2
M 2 m 2 2
M 2
ẏ 1  ẏ 3  
ẏ 2 =  ẋ 1  ẋ 3  
ẋ

2
2
2
2 2
Die Lagrange-Funktion ist damit von der Form
3
1
L x , ẋ  = ∑ T ij ẋ i ẋ j − V ij x i x j 
2 i,j=1
146
Die Koeffizienten Tij und Vij können aus den Gleichungen für Potenzial
und kinetischer Energie abgelesen werden, wobei die Symmetrie (etwa
V12 = V21) zu beachten ist. Dies ergibt

m
T = T ij  = 0
0
0
M
0

0
0 ,
m

k -k
0
V = V ij  = - k 2k - k
0 -k
k

Damit ist das Problem in Matrizenform gebracht. Die Bedingung für die
Eigenfrequenzen ist das Verschwinden der Determinante:
∣
2
k−  m
−k
2
det V −  T  =
−k
2 k − 2 M
0
−k
∣
0
= 0
−k
k − 2 m
(Lsg. mit Hilfe von Mathematica ist sehr einfach. Die Befehle Eigenvalues[A] und
Eigenvectors[A] liefern die Eigenwerte und Eigenvektoren einer Matrix A.) 147
Dies ergibt
2
2
2
2
2
0 =  k −  m 2 k −  M  − 2 k  k −  m
= 2 k − 2 m2 M m − k 2 m  M 
mit den Lösungen
1 = 0 ,
2 =

k
,
m
3 =


k
2m
1
m
M

Die Eigenvektoren folgen aus (V – ωk2T) A(k) = 0 ,

1
A = 1 ,
1
1

1
A = 0 ,
-1
2
 
1
A = -2 m/ M
1
3
Diese Eigenvektoren können beliebig normiert sein, da sie noch mit
Konstanten Ck multipliziert werden. Die allgemeine Lösung lautet:


 
1
1
1
x t  = 1  b1 ta1   0 B 2 cos2 t 2   - 2 m/ M B3 cos3 t3 
1
-1
1
Die sechs reellen Konstanten b1, a1, B2, α2, B3, α3 bestimmen sich aus den
Anfangsbedingungen für xi(0) und
.
ẋ 0
i
148
Bei der ersten Eigenmode ω1 = 0 handelt es sich um keine Schwingung,
sondern eine gleichförmige Bewegung des gesamten Moleküls mit
konstanter Geschwindigkeit. Da die Schwerpunktkoordinate
m x 1  x 3   M x 2
X=
2m M
eine Linearkombination der behandelten Koordinaten ist, wird diese
Bewegung durch die Lagrange-Funktion beschrieben. Da das Potenzial
keine Rückstellkraft für den Schwerpunkt ergibt, ist die zugehörige
Frequenz Null.
Bei einer dreidimensionalen Behandlung des Moleküls tritt eine analoge
Situation auch für Rotationen auf, denn ohne äußere Kräfte gibt es
hierfür ebenfalls keine Rückstellkraft und die zugehörigen
Eigenfrequenzen verschwinden. Alternativ zur gegebenen Behandlung
könnte man die triviale Schwerpunktbewegung von vornherein
abspalten und nur zwei Freiheitsgrade explizit behandeln.
Bei der zweiten Eigenmode ruht das mittlere Atom, und die beiden
anderen schwingen gegenphasig. Bei der dritten Eigenmode schwingen
die beiden äußeren Atome zusammen gegenüber dem mittleren. Alle
Moden sind in der Abbildung skizziert.
149
8. Elemente der relativistischen
Mechanik
8.1 Spezielle Relativitätstheorie 1905
(SRT)
Voraussetzungen:
• Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
• gleiche Physik in allen
Inertialsystemen
Folgerungen:
 Längenkontraktion
 Zeitdehnung
 relativistischer Masseneffekt
 E=mc2
Albert Einstein
14. März 1879 in Ulm
† 18. April 1955 in Princeton, USA
Für seine Erklärung des photoelektrischen
Effekts (ebenfalls 1905 publiziert), wurde
ihm 1921 der Nobelpreis für Physik 150
verliehen.
Was Einstein noch nicht sehen konnte Visualisierung relativistischer Effekte
v=0.95c
Physik Journal 8/2002 - Online-Version mit Filmsequenzen
http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/
151
Drei Lichtstrahlen gehen von drei
Ecken eines bewegten Würfels aus
(a,b) und kommen gleichzeitig auf
einem weit entfernten Bildfeld an
(c).
Dort entsteht ein Bild, das sich als
gedrehter Würfel deuten lässt (d).
Durchgezogene Linien markieren
zurückgelegte Lichtwege,
punktierte Linien noch
zurückzulegende Lichtwege.
152
Lorentztransformation
y
y'
'

x
z
x'
z'
v
Gallilei: x = x' + vt,y = y', z = z', t = t' absolute Zeit, überall gleich
Lichtgeschwindigkeit c' = c – v nicht gleich
→ Lorentztransformation
bei ( t = t' = 0 ) jeweils ein Lichtsignal in Form einer Kugelwelle vom
Ursprung
∑ nach Zeit t Radius R = ct , ∑' : R' = ct'
x2 + y2 + z2 – c2t2 = 0
≡
x'2 + y'2 + z'2 – c2t'2 = 0
153
Spezielle Lorentztransformation:
x =
x'  vt'

2
v
1− 2
c
,
y = y' ,
z = z' ,
t =
v x'
t ' 2
c

2
v
1− 2
c
bzw.
x' =
x − vt

2
v
1− 2
c
t−
,
y' = y ,
z' = z ,
t' =

v x'
2
c
2
v
1− 2
c
154
'
' 2
x  vt 
x =
v2
1− 2
c
2
2 2
c t =c
2 2
x −c t =

v2
1− 2
c
2
2
2
2
 
2
2

2
v
x' 1 − 2
c
2
=

' 2
v x'
x'  2v t ' x'  v t ' − t ' c − 2t ' v x' −
c
2
2
2
vx
t 2
c
'

v
1− 2
c
2
v
2
2
− c t' 1− 2
c

2
v
1− 2
c

2
2
= x' − c t'
2
t ≠ t': es existiert keine absolute Zeit mehr, ebenso gibt es keinen absoluten Raum
--> Übergang zur relativistischen Physik
da c = 3.108 m/s , sind diese Effekte typischerweise nicht sichtbar

c
v=
,
10

2

v
1
1− 2 = 1−
= 0,995
100
c

155
Einige Folgerungen:
- im ∑ wird am Ort x1 eine Zeitdauer ∆t = t2 – t1 gemessen
Beobachter in ∑' registriert (x1 = x2)
 t ' = t 2' − t1 ' =
t2

2
1−
v
2
c
−
t1

2
1−
v
2
c
=
t

2
1−
v
2
c
(gedehntes
Zeitintervall)
Dieser Effekt ist experimentell gut überprüft.
Maryland-Versuch: Atomuhr auf Erde, Atomuhr im Flugzeug, Flughöhe 10 km,
ca 15 h, Höhe + Geschwindigkeit wurden gemessen. Die Uhren wurden ständig
mit Laserimpulsen synchronisiert und der Einfluss des Gravitationsfeldes
eliminiert.
Myonenzerfall: Entstehen durch kosmische Strahlung, mittlere Lebensdauer 2,2 μs,
v = 0,9998 c, x = v t = 660 m, legen aber ca. 38 km zurück
t' = ' =

 1−0,99982
≈ 1,1⋅10−4 s
x ' =  ' c ≈ 33 km
156
Längenkontraktion:

v2
 l ' =  l 1− 2
c
l' l
Abmessungen von Körpern (Gestalt) sind also von der Relativbewegung abhängig:
(in Bewegungsrichtung verkürzt)
Relativistische Addition der Geschwindigkeiten
vx =
Masse m =
vx' v
vv '
1 2x
c
m0

2
1−
Impuls p = m 
v
v
2
c
vx' = c = v
vx =
cc
=c
2
c
1 2
c
m0: Ruhemasse, m = Impulsmasse
(für Teilchenbeschleuniger wichtig)
 = d p
F
dt
Kraftgesetz
157
Äquivalenz von Masse und Energie
d s , wird
- verschiebt die Kraft 
F die Masse m um die Strecke
Arbeit verrichtet

d W k = F⋅d s

F⋅d s

d W = F⋅d s =
dt = 
F⋅v d t
dt
v⋅d
F=
v⋅
dt
m0 v

v2
1− 2
c
[
= m0 v⋅
Damit erhalten wir
 
2
2
v d v
2
c dt
v2
1− 2
c
 v = v t  

3
2
d v
v
1− 2
dt
c
3
]
=
d v
m0 
v⋅
dt
    
dWk = d
2
v
1− 2
c
m0 c

v2
1− 2
c
3
2
d
=
dt
2
v2
1− 2
c
Wk =
m0 c


2
v2
1− 2
c
=
d
2
mc
dt
2
2
1−
m0 c
v
c2
−W0
Die Integrationskonstante W0 = m0c2 , da für v -> 0 auch W gegen Null gehen muss
Wk =
m0 c

2
v2
1− 2
c
− m0 c 2 = m−m0  c 2
158
Für Geschwindigkeiten v << c sollten wir das bekannte klassische Ergebnis erhalte
1 v2
=1
2 . . .
Reihenentwicklung
2
2
c
v
1− 2
c
1
Wk =


m0 c 2

v2
1− 2
c
− m0 c 2 =  m−m0  c 2

1 v2
1
2
2
Wk = 1
−
1
m
c
=
m
v
0
2 c2
2 0
Äquivalenz von Masse und
Energie
Jeder Ruhemasse m0 entspricht die Energie W0 = m0 c2, auch ein ruhendes Teilche
besitzt Energie. Die Gesamtenergie des Systems lautet E = W k + W0
E = mc
2
Bedeutung für Kernenergie, Paarvernichtung + Erzeugung
Massendefekt der Sonne: pro s m = 4·1012kg
mSonne ~ 2·1030kg entspricht 1013Jahre
159
Für Geschwindigkeiten v << c sollten wir das bekannte klassische Ergebnis erhalten:
1 v2
=1
2 . . .
Reihenentwicklung
2
2
c
v
1− 2
c
1
Wk =


m0 c 2

v2
1− 2
c
− m0 c 2 =  m−m0  c 2

1 v2
1
2
2
Wk = 1
−
1
m
c
=
m
v
0
2 c2
2 0
Äquivalenz von Masse und Energie
Jeder Ruhemasse m0 entspricht die Energie W0 = m0 c2, auch ein ruhendes Teilchen
besitzt Energie. Die Gesamtenergie des Systems lautet E = W k + W0
E = mc
2
Bedeutung für Kernenergie, Paarvernichtung + Erzeugung
Massendefekt der Sonne: pro s m = 4·1012kg
mSonne ~ 2·1030kg entspricht 1013Jahre
160
8.2 Allgemeine Relativitätstheorie 1916 (ART)
Äquivalenz von schwerer und träger Masse:
Eine gleichmäßige Beschleunigung ist völlig äquivalent zu
der Wirkung eines entsprechenden Gravitationsfeldes.
Gravitation ist ein Effekt der Raum-Zeit-Krümmung durch Massen.
Folgerungen der Einsteinschen Gravitationstheorie:
● gravitative Rotverschiebung von Licht in einem Schwerefeld
● relativistische Präzession von Himmelskörpern (Merkur)
● Gravitationslinsen
● Gravitationswellen
Fotografie der verfinsterten Sonne am 29.
Mai 1919 mit den umgebenden Sternen
161
Die träge Masse mt ist die Masse im zweiten Newtonschen Axiom. Die
Gravitationskräfte sind proportional zur schweren Masse ms .
Für die vertikale Bewegung in einem homogenen Schwerefeld ergibt sich
mt z̈ = −ms g . Die Lösung dieser Differenzialgleichung,
1 ms 2
z t = −
gt
2 mt
beschreibt den freien Fall. Galileis Aussage „Alle Körper fallen gleich
schnell“ bedeutet, dass das Verhältnis ms/mt für alle Körper gleich ist.
Anstelle des freien Falls kann man die Schwingungsperiode T eines
Pendels (Länge l) betrachten. Für kleine Auslenkungen gilt (T/2π)2 =
(mt/ms)(l/g) . Newton zeigt experimentell mit einer Genauigkeit von 10 -3,
dass verschiedene Körper die gleiche Schwingungsdauer T ergeben.
Eötvös baute 1890 ein anderes Experiment (Torsionswaage) auf, mit dessen
verbesserter Version 1922 schließlich Genauigkeiten von 5·10 -9 erreicht
wurden. Neuere Experimente erreichen Genauigkeiten von bis zu 4·10 -13.
162
Die Gleichheit von träger und schwerer Masse ermöglicht ein Koordinatensystem
(KS), in dem die Gravitationskräfte wegfallen. Im Bezugssystem „frei fallender
Fahrstuhl“ spürt der Benutzer keine Schwerkraft.
Einstein geht von einer Verallgemeinerung dieses Befundes aus:
In einem frei fallenden KS laufen alle Vorgänge so ab, als ob kein
Gravitationsfeld vorhanden sei.
Damit wird zum einen die Aussage von mechanischen auf alle physikalischen
Prozesse (zu allen Zeiten, an allen Orten) ausgedehnt. Außerdem werden
inhomogene Gravitationsfelder zugelassen.
Das so verallgemeinerte Äquivalenzprinzip nennt man Einsteinsches
Äquivalenzprinzip oder auch starkes Äquivalenzprinzip. Die Gleichheit von
träger und schwerer Masse wird dagegen schwaches Äquivalenzprinzip
genannt.
Das Äquivalenzprinzip erlaubt die Aufstellung von relativistischen
Gesetzen mit Gravitation.
SRT-Gesetz
ohne Gravitation
Koordinatentransformation
Relativistisches Gesetz
mit Gravitation
In der Koordinatentransformation ist die relative Beschleunigung zwischen
163
SL und KS enthalten, die dem Gravitationsfeld entspricht.
frei fallend
SL d s 2 =  d   d 

Koordinatentransformation
Erde
KS: d s 2 = g    x d x  d x 
Der Beobachter in SL stellt fest, dass physikalische Vorgänge nach den SRTGesetzen ablaufen. Dabei treten keine Gravitationskräfte auf.
Ein Beobachter auf der Erde sieht die Vorgänge im SL dagegen anders:
Für ihn bewegt sich SL im Gravitationsfeld. Zusätzlich treten im SL
Trägheitskräfte auf, weil das SL beschleunigt ist. Die Bewegung des SL
(freier Fall) ist gerade so, dass sich die Trägheitskräfte und die
Gravitationskräfte aufheben.
164
Einsteinsche Feldgleichung
G     g   = 8 T  
Gµν
Tµν
gµν
λ
: Einstein-Tensor
: Impuls-Energie-Tensor
: metrischer Tensor
: kosmologische Konstante
10 gekoppelte partielle Differentialgleichungen
Einstein wandte diese Gleichung auf das gesamte Universum an,
von dem er glaubte, dass es statisch sei.
Voraussetzung für die Lösung war das Kosmologische Prinzip,
Isotropie und Homogenität des Weltalls auf großen Skalen.
165
Karl Schwarzschild (1873-1916)
1916 Lösung mit Einsteins Gravitationstheorie
Schwarzschildradius RS = Ereignishorizont
2G M
RS =
2
c
Sonne:
Erde :
Weißer Zwerg:
Neutronenstern:

2G M
v=
RS
M= 2*1030 kg
RS= 3 km
M= Msonne/330000 RS= 1 cm
M= 0.8 Msonne
RS= 2.4 km
M= 2 Msonne
RS= 6 km
166
Uhren im Gravitationsfeld
Wenn man die Schwarzschildlösung für die Einsteinschen Gravitationsgleichungen nimmt (rS=Schwarzschildradius), dann erhält man für
Uhren im Gravitationsfeld
B = A

g 00 r B 
g 00 r A 
rS
g 00 r  = 1−
r
Siehe N. Dragon: Geometrie der Raumzeit, http://www.itp.uni-hannover.de/~dragon/
Für GPS-Satelliten rA=6360km, rB=20200km, rS=1cm ergibt 46
Mikrosekunden
 t = t tag
 

g 00 r B 
1−
= 0.000046 s
g 00 r A 
167
Korrekturen für GPS-Satelliten durch
Relativitätstheorie
Nach der allgemeine Relativitätstheorie vergeht die Zeit umso langsamer, je
stärker das Gravitationsfeld ist.
Die Satelliten bewegen sich auf Bahnen in 20200km Höhe in einem geringeren
Gravitationsfeld im Vergleich zu einem Beobachter auf der Erdoberfläche. In
Bezug auf diesen Beobachter gehen deswegen die Satellitenuhren zu schnell.
Dieser Effekt beträgt 46 Mikrosekunden und ist deutlich größer als die durch
die Geschwindigkeit hervorgerufene Zeitdilatation von -7 Mikrosekunden.
In der Summe gesehen scheinen die Uhren der Satelliten also insgesamt etwas
zu schnell zu laufen. Die Zeitverschiebung zum Beobachter auf der Erde wäre
etwa 39 Mikrosekunden pro Tag und würde einen Gesamtfehler von etwa
11.7 km pro Tag ergeben.
168
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