Wenn Banken vor dem Crash gerettet werden

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Staatliche Unterstützungsmassnahmen
Wenn Banken vor dem
Crash gerettet werden –
und warum das Geld
den Unternehmen nicht
wirklich hilft
Von Professor Dr. phil. Gunnar Heinsohn
Warum weiterhin Milliarden im Bankensystem verbrannt
werden und was man stattdessen hätte tun können.
Die Kernthese: Warum die Krise sich weiter
ausweiten wird
Niemandes Gier, sondern die ungemein noble
Sorge der beiden grössten Zentralbanken um Firmen und ihre Arbeitskräfte nach dem Crash von
1989 in Japan und von 2001 in Amerika führt zur
Absenkung des Zentralbankzinses auf faktisch
null. Weil die Zentralbanker nicht wissen, was
ökonomisch eine Firma ausmacht, übersehen
sie, dass in jenen Crashs auch die Preise der
Firmen und die Preise der Positionen in ihren
Eigenkapitalen abstürzen. Damit werden ihre laufenden Kredit über Nacht unterbesichert. Das
Pfand zum Preis von einer Million für einen Kredit
über eine Million ist auf 500 000 oder gar 250 000
abgestürzt. Da diese Kredite bei den Banken
ebenso plötzlich faul («toxic») werden, haben die
Firmen für frische Kredite kein Kollateral mehr,
während die Banken die Unterbesicherung aus
dem Eigenkapital glattstellen müssen und darüber an den Rand geraten. Kollateral aber muss
eine Firma für Kredit bei den Geschäftsbanken
immer stellen. Selbst wenn diese den Nullzins
der Zentralbanken als Nahenullzins an die Firmen
weitergeben würden, was noch keiner beobachtet hat, könnten Firmen ohne zusätzliche Pfandmasse davon keinen Gebrauch machen.
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Die Banken unternehmen deshalb mit dem mirakulösen Nullzins-Geld etwas anderes. Sie kaufen
sämtliche Anlageklassen mit Erträgen über null,
bis deren Preise so stark aufgebläht sind, dass
ihre Erträge ebenfalls nahe null landen und verkauft werden müsse – das Platzen der Blase. Ein
Öl-Future, für den sie sich 1,5 Millionen «so ungemein günstig» geliehen hatten, fällt auf 0,5
Millionen. Um die ausstehende Million aufzubringen, wird panisch quer durch alle Anlagen
verkauft, wobei im Preis auch das stürzen muss,
was intern unverändert gut geführt wird (die sogenannte Realwirtschaft). Die Zinsnullung, die
eben diesen guten Firmen Geld zuführen soll,
hat sie wegen der im Crash erlittenen Pfandrunterpreisung noch unfähiger gemacht, Geld zu
leihen. Die zentralbanklichen Firmenhelfer werden zu liebenswert-naiven Firmenvernichtern.
Der Nullzins-Schuldenberg der Banken führt zu
einer Blase, weil er niemals mit dem Leistungskomplex aus Firmen und Arbeitskräften in Kontakt kommt, der allein Schulden bedienbar macht.
Die Firmen werden «nach aussen» teurer, obwohl sie innen nicht mehr leisten als zuvor. Der
jetzt gegen den Schuldenberg der Bank gesetzte
Schuldenberg der Steuerzahler bleibt ebenfalls
ohne Berührung mit dem Leistungsbereich. Wie
zuvor sämtliche Anlageklassen im Preis steigen
und beim Ertrag sinken, steigen jetzt die Staatsanleihen im Preis und sinken im Ertrag, bis auch
diese Blase platzt, weil Papiere über eine Million
irgendwann weniger bringen und/oder weniger
kosten als die nahe Null bei der Zentralbank geliehene Million. Es wird also heisse Luft mit
heisser Luft geschient. Wenn das auffliegt, wird
nicht einmal mehr eine weitere Luftpumpe zur
Verfügung stehen.
Fünf Schritte, die das Geld in die Unternehmen
bringen könnten
Nach dem Hauptfehler der aus mangelndem
Wirtschaftsverständnis betriebenen Zinsnullung
hätten als kleinere Übel umgehend fünf Schritte
eingeleitet werden können, mit denen Geld zu
Betrieben und Arbeitskräften gelangen kann.
Alle diese immer noch prekären Schritte wären
von Beginn an bedacht worden, wenn der Kollateralmangel bei den Betrieben immer der erste
Gedanke gewesen wäre. Weil – anders, als es
überall tönt – aus den Krisen der Vergangenheit
gerade nicht gelernt wurde, also das Wirtschaften als Eigentumsverteidigung durch Eigentumsverpfändung immer noch unbegriffen ist, wird
jetzt bestenfalls über Versuch und Irrtum und mit
ungeheuren Zwischenverlusten zu diesen Schritten gefunden. Auch für kleinere Übel kann man
sich eben nur entscheiden, wenn das System
verstanden ist.
1. Statt nach staatlicher Garantie der Einlagen
bei Banken (richtige Entscheidung) diese selbst
krachen zu lassen und neben sie mit den vielen
hundert Milliarden Staatspapieren eine «good
bank» zu stellen, werden immer neue Milliarden in den insolventen Banken verbrannt.
Längst hätte die neue Bank die besten Talente
der gekrachten einstellen und für diejenigen
Betriebe tätig werden lassen können, die bei
den weiterhin unterkapitalisierten Geschäftsbanken immer noch nichts bekommen, obwohl
sie für die Eigentumsverteidigung innovieren
müssen und sogar verpfänden können.
2. Ankaufen von Anleihen der Firmen, bei deren
Begebung diese Eigentum ja nicht verpfänden
müssen, durch Staatsanleihen (i. e. Forderungstausch), welche die Firmen leichter verkaufen
können als ihre eigenen, weil deren Ankäufer
– anders als beim Kredit – im Notfall in nichts
vollstrecken können.
Das Ausbleiben dieser Schritte hat ungeheure
Summen – gerade auch aus den Versicherungen
– in Staatspapiere gelockt, bei deren Erwerb –
genauso wie beim Goldkauf – wiederum keine
Firmen in Aktivität versetzt werden, sondern die
Forderungen gegen Banken jetzt lediglich auf die
Steuerzahler umgeleitet werden. Die aber produzieren in ihrer Rolle als Staatsbürger nichts, weshalb sie auch nichts gegen Geld verkaufen können, mit dem die Staatsschuld einmal bedienbar
würde. Der Steuerbürger ist tagsüber ohnehin
schon mit seiner ganz persönlichen Eigentumsverteidigung beschäftigt und kann über Nacht
nicht als Heinzelmännchen noch einmal für die
Erzeugung von Waren antreten, über deren Verkauf Schulden bedienbar würden.
Die verheerende Medizin der Zinsnullung erbrachte eine ungeheure Flut an anfänglich «billigen» Schulden, die niemals in Berührung mit
dem Komplex aus Firmen und Arbeitskräften
kam, durch deren Leistung allein Tilgung und
Zins aufgebracht werden können. Die jetzt verabreichte Gegenmedizin aus einer ungeheuren
Schuldenflut der Steuerzahler muss ebenso verheerend wirken, weil ja auch sie ohne Berührung
mit dem Leistungskomplex aus Firmen und
Arbeitskräften bleibt.
Der Autor
Professor Dr. phil. Gunnar Heinsohn
Soziologe und Ökonom, Universität Bremen
3. Ankaufen von Aktien der Spitzenfirmen durch
einen Staatsfonds, der so ihre Gesamtpreise
und die Preise der Positionen in ihren Eigenkapitalen stützt, sie also verpfändungsfähig hält
und dabei dem Steuerzahler auch noch Anteile
an den industriellen Kronjuwelen sichert. Was
die Regierungen in Kuwait oder Abu-Dhabi
können, sollten westliche Regierungen auch
schaffen können.
Im Lexikon ökonomischer Werte: 650 wegweisende
Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, das alle
herausragenden Arbeiten von insgesamt 460 Autoren
aus der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft erfasst,
ist Gunnar Heinsohn als einziger lebender Autor deutscher
Zunge mit vier Werken vertreten. Ein Schwerpunkt
seiner Forschungsarbeit bildet die Geschichte und
Theorie der Zivilisation.
Im Zentrum seiner Forschungen, die er mit seinem Bremer
4. Staatliche Kreditgarantien nicht an insolvente
Banken, sondern an potente Geldsammler mit
stetigem Mittelzufluss wie vor allem Lebensversicherer, die gegen Pfand dann direkt an
Firmen leihen, deren Anleihen sie wegen Nichtvollstreckbarkeit nicht mehr kaufen wollen.
Kollegen Otto Steiger seit 30 Jahren durchführt, steht
die Theorie der «Eigentumsökonomik», die ein alternatives
Paradigma darstellen will, in der Wirtschaftswissenschaft
aber keine Beachtung findet. Danach ist das Eigentum
elementare Kategorie, aus dem sich Zins, Geld, Märkte
und technischer Fortschritt ableiten.
5. Investitionsprogramme, weil die per Vorkasse
direkt Geld an Arbeitskräfte und Firmen bringen, die sich wegen Verpfändungsunfähigkeit
momentan nichts leihen können.
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