MODIFIZIERENDE GENE BEI MUKOVISZIDOSE

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aus Jahresbericht 2006
Modifizierende Gene bei Mukoviszidose Am 2. Juni 2006 hielt Professor Dr. Peter Durie am Dr. von
Haunerschen Kinderspital einen Vortrag mit dem Titel
„Gene Modifiers and Disease Heterogeneity in Cystic
Fibrosis“. Prof. Durie ist Pädiater mit dem Spezialgebiet
Kindergastroenterologie und ein international hoch angesehener Wissenschaftler am Forschungsinstitut des Hos­
pital for Sick Children der Universität Toronto, Kanada.
Er war wesentlich bei der Identifizierung der Gene für die
cystische Fibrose (Mukoviszidose) und das ShwachmanDiamond-Syndrom beteiligt. Für seine Arbeiten wurde
er 2003 mit dem renommierten Shwachman Award aus­
gezeichnet.
Die cystische Fibrose (CF) ist eine der häufigsten autosomal rezessiv vererbten Erkrankungen der weißen Bevölkerung. In Europa ist 1 von 2.000 bis 3.000 Neugeborenen
Das CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator)
Gen codiert für den Chlorid-Kanal in verschiedenen
Drüsenzellen. Der Transport für Chlorid und Bikarbonat
in das Sekret ist bei Mutationen blockiert.
Prof. Dr. med. Sibylle Koletzko
betroffen, etwa jeder zwanzigste unter uns ist gesunder
Genträger. Über 1.300 verschiedene Mutationen des CFGens (CFTR-Gens) sind inzwischen beschrieben worden.
Das betroffe­ne Gen kodiert einen durch cAMP-regulierten
Chlorid-Kanal, der sich in verschiedenen Körperzellen
be­findet. Unterschieden werden leichtere Mutationen mit
noch vorhandener Restaktivität des Chloridkanals, und
schwere Mutationen mit einem völligen Ausfall des Chloridtransports.
Der gestörte Chlorid-Transport führt in Drüsenzellen zu
einem abnorm viskösen Sekret, das der Krankheit im
deutschsprachigen Raum den Namen Mukoviszidose gab.
Der zähe Schleim führt zu einer Verlegung der Ausführungsgänge in verschiedenen Organen. Durch den Rückstau kommt es zum Gewebsuntergang der Sekret bildenden Zellen. Dieser Prozess beginnt in einigen Organen,
z.B. in der Bauchspeicheldrüse, schon im Mutterleib. So
besteht bei der Hälfte der Betroffenen bereits zum Zeitpunkt der Geburt eine so stark verminderte Sekretion­
der Verdauungsenzyme, dass eine normale Verdauung
besonders von Fett und Eiweiß nicht mehr möglich ist.
Trotz normaler Nahrungsaufnahme entwickeln die Kinder
bereits in den ersten Lebenswochen eine schwere Gedeihstörung. Andere betroffene Verdauungsorgane sind die
Gallenwege mit Gallestau und Leberschädigung, so dass
5 – 10% der betroffenen Kinder bereits in den ersten 10
Lebensjahren eine Leberzirrhose entwickeln. Im Darm
kann der zähe Schleim beim ungeborenen Kind einen
kompletten Darmverschluss (Mekoniumileus) verursachen. Im späteren Lebensalter kommt es zu schwerster
Verstopfung trotz der schlechten Verdauungssituation.
In der Lunge führt die Verlegung der kleinen Luftwege
durch den zähen Schleim zu einer zunehmenden Zerstörung des Lungengewebes, was bereits im Kindes- oder
jungen Erwachsenenalter zum Tode führt. In den Fortpflanzungsorganen verursacht die verminderte Sekretion
bei fast allen Männern mit CF eine vollständige Verlegung
der Samenstränge mit Zeugungsunfähigkeit. Bei den weiblichen Patientinnen ist die Fruchtbarkeit zum Teil durch
Verklebung der Eileiter eingeschränkt. In den Schweißdrüsen führt der gestörte Chloridkanal zu einem sehr salzrei-
Dargestellt sind die Hauptorgansysteme, die bei der
klassischen Mukoviszidose betroffen sind. Die klinische
Ausprägung wird neben der Art der Mutationen von
anderen modifizierenden Genen, Umwelteinflüssen und
der Therapie mitbestimmt.
chen Schweiß. Das macht man sich bei der Diagnosesicherung der Erkrankung durch Messung des Chlorid- und
Natriumgehaltes in einer Schweißprobe zu Nutze.
Während vor Bekanntwerden des CFTR-Gens die Diagnose
einer Mukoviszidose durch die klinischen Symptome am
Verdauungstrakt und der Lunge und den erhöhten Chlorid­
gehalt im Schweiß gestellt wurde, wird heute zunehmend
auch die direkte Genanalyse mit Nachweis von Mutationen im CFTR-Gen herangezogen. Dieses hat jedoch dazu
geführt, dass Menschen identifiziert werden, bei denen
das CFTR-Gen auf beiden Chromosomen eine Veränderung, d.h. Mutation, aufweist, die aber bis zum mittleren
oder gar höheren Lebensalter noch keine CF-typischen
Symptome an der Lunge oder am Verdauungstrakt aufweisen. Betroffen sind vor allem Männer, die wegen Unfruchtbarkeit untersucht werden. Bei ihnen findet man meist die
sogenannten leichten Mutationen, bei denen der Chlorid­
kanal noch eine gute Restfunktion hat und dadurch die
schweren Ausprägungen der Krankheit verhindert werden.
Beim Vergleich der klinischen Ausprägung (Phänotyp) der
Erkrankung und den verschiedenen CFTR-Mutationen
(Genotyp) hat man für die Bauchspeicheldrüse und die
Leber eine gute Übereinstimmung gefunden. Für die Lunge
trifft das weniger zu, das heißt auch Patienten mit sogenannten leichten Mutationen können schon früh eine
schwere Lungenbeteiligung entwickeln. Für die sehr variable klinische Ausprägung der Mukoviszidose spielen also
nicht nur die Mutationen im CFTR-Gen eine Rolle, sondern
auch positive und negative Einflussfaktoren aus der Um­welt (z.B. häufige bakterielle Infektionen), und andere
Gene, die modifizierend Einfluss nehmen können (sogenannte „gene modifiers“).
Mutationen im CFTR-Gen werden in schwere (I, II und III
in Rot) und leichtere (IV und V) unterschieden. Liegen bei
einem Patienten zwei schwere Mutationen in den beiden
Allelen vor, kommt es zur klinischen Ausprägung einer
klassischen Mukoviszidose. Liegen zwei leichte Mutationen
mit noch Restaktivität im Chloridtransport vor, kann sich
die klinische Ausprägung z. B. nur auf die Verlegung der
Samenstränge beim Mann beschränken.
Diese Erkenntnisse mit Identifizierung der verschiedenen
Genmutationen haben dazu geführt, dass bei Patienten,
die wegen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse oder
wegen Infertilität (Unfruchtbarkeit) den Arzt aufsuchen,
nach Mutationen im CFTR-Gen gesucht wird. So konnten
Mutationen im CFTR-Gen gefunden werden, die nur eine
Verlegung des Samenstrangs, aber keine klassische Mukoviszidose verursachen. Untersuchungen des Chloridkanals
an der Nasenschleimhaut dieser sonst gesunden Männer
weisen in der Tat einen verminderten Transport von Chlorid
über die Zellwand auf. Auch ist bei diesen Personen die
Chloridkonzentration in Schweiß höher als bei Personen
ohne Mutationen, wenngleich häufig noch im Normalbereich. Die Ergebnisse an verschiedenen Populationen mit
unterschiedlichem Organbefall haben also gezeigt, dass
es sich um ein Kontinuum im Krankheitsspektrum handelt
und dass die Unterscheidung zwischen gesund und einer
Mukoviszidose durch Erkennung dieser Schwachformen
eher schwieriger geworden ist.
Die Abbildungen wurden freundlicher Weise von
Prof. Dr. Peter Durie für den Artikel zur Verfügung gestellt.
Dr. von Haunersches Kinderspital
Abteilung für pädiatrische Gastroenterologie
und Hepatologie
Lindwurmstraße 4
80337 München
Tel.:
(089) 5160-7854 (oder -2811)
Fax:
(089) 5160-7898
E-Mail: [email protected]
Website: www.hauner.klinikum.uni-muenchen.de
Bei den einzelnen Organsystemen spielen Umwelteinflüsse
und modifizierende Gene eine unterschiedlich starke Rolle.
Während die Manifestation an den mänchlichen Geschlechtsorganen fast ausschließlich von der Art der CFTR-Mutation
bestimmt ist, spielen bei den anderen Organen andere Gene
(modifier genes) und Umwelteinflüsse eine größere Rolle.
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