Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Langlands-Programm Zahlentheorie = Algebra + Geometrie + Analysis Torsten Wedhorn 19. Januar 2012 Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Inhalt 1 Dreieckszahlen 2 Elliptische Kurven 3 L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung 4 Riemannsche Vermutung Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Dreieckszahlen Eine rationale Zahl D > 0 heißt Dreieckszahl (oder Kongruenzzahl), falls D die Fläche eines rechtwinkligen Dreiecks mit rationalen Seitenlängen ist. Anders ausgedrückt: D > 0 heißt Dreieckszahl, falls a, b, c ∈ Q existieren mit a2 + b 2 = c 2 und D= ab . 2 Frage: Welche rationale Zahlen sind Dreieckszahlen? Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Einfache Beispiele Beispiel: 6 ist Dreieckszahl: 6 ist der Flächeninhalt des rechtwinkligen Dreiecks mit Seitenlängen (3, 4, 5). 5 ist Dreieckszahl: 5 ist Flächeninhalts des (20/3, 3/2, 41/6)-Dreiecks. 7 ist Dreieckszahl: Dreieck (35/12, 72/15, 337/60). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Einfache Reduktion Bemerkung: D Dreieckszahl, etwa D = ab/2, a2 + b 2 = c 2 für a, b, c ∈ Q. Dann ist auch s2 D Dreieckszahl für alle s ∈ Q× , denn s2 D = (sa)(sb)/2 und (sa)2 + (sb)2 = (sc)2 . Hochmultiplizieren von Nennern: Es genügt ganze quadratfreie Zahlen > 0 zu betrachten. (Eine ganze Zahl heißt quadratfrei, falls sie nicht durch eine Quadratzahl > 1 teilbar ist.) Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Geschichte Vermutung (Fibonacci, 1175 – 1240): 1 ist keine Dreieckszahl (äquivalent: Keine Quadratzahl ist eine Dreieckszahl). Beweis: Fermat (1601 – 1665) “Methode des unendlichen Abstiegs” Korollar: Es existieren keine r , s, t ∈ Q mit t 2 − s2 = s2 − r 2 = 1. Beweis: Angenommen doch. Dann sind t − r , t + r , 2s sind die Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks und (t − r )(t + r )/2 = (t 2 − r 2 )/2 = 1, d.h. 1 wäre Dreieckszahl. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Beispiel Beispiel (Don Zagier): Die Zahl 157 ist Dreieckszahl. Das einfachste Dreieck mit Fläche 157 ist: 6803298487826435051217540 , 411340519227716149383203 411340519227716149383203 b= , 21666555693714761309610 224403517704336969924557513090674863160948472041 c= . 8912332268928859588025535178967163570016480830 a= Satz (G. Kramarz, 1986): Alle ganzen Dreieckszahlen ≤ 2000 bekannt. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Satz von Tunnel Theorem (Tunnel, 1983): D ∈ Z quadratfrei, ungerade. Ist D Dreieckszahl, so gilt {(x, y , z) ∈ Z3 | 2x 2 + y 2 + 8z 2 = D, z ungerade} (4) = {(x, y , z) ∈ Z3 | 2x 2 + y 2 + 8z 2 = D, z gerade}. Umgekehrt: Genügt D der Gleichung (4) und gilt die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, so ist D Dreieckszahl. Eine ähnliche Aussage gilt für D gerade. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Beispiel Beispiel: 1 genügt nicht der Gleichung (4), denn {(x, y , z) ∈ Z3 | 2x 2 + y 2 + 8z 2 = 1, z ungerade} = ∅, {(x, y , z) ∈ Z3 | 2x 2 + y 2 + 8z 2 = 1, z gerade} = {(0, 1, 0), (0, −1, 0)}. Also ist 1 keine Dreieckszahl. Beispiel: Jedes D ∈ Z mit D ≡ 5 mod 8 (z.B. D = 157) genügt der Gleichung (4), denn beide Seiten der Gleichung sind 0. Also sind solche quadratfreien D’s Dreieckszahlen, falls die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung gilt. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Dreieckszahlen und Elliptische Kurven Satz (einfach): Eine quadratfreie ganze Zahl D > 0 ist genau dann eine Dreieckszahl, wenn die Gleichung ED : y 2 = x 3 − D 2 x eine Lösung (x, y ) ∈ Q2 mit y 6= 0 besitzt. ED ist rationale elliptische Kurve, d.h.: Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Elliptische Kurven Rationale elliptische Kurven: Gleichungen der Form E : y 2 = P(x), mit P(x) = x 3 + a2 x 2 + a1 x + a0 ohne mehrfache Nullstellen, a2 , a1 , a0 ∈ Q. Kubische Ergänzung (ersetze x durch x − a2 /3): Ohne Einschränkung E von der Form y 2 = P(x) = x 3 + ax + b, a, b ∈ Q. Dann gilt: P(x) ohne mehrfache Nullstelle ⇔ ∆E := −16(4a3 + 27b2 ) 6= 0. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Rationale Lösungen einer elliptischen Kurve Setze E(Q) = {(x, y ) ∈ Q2 | y 2 = P(x)} ∪ {∞}. Dann besitzt E(Q) die Struktur einer kommutativen Gruppe mit ∞ als neutrales Element. Theorem (vermutet von Poincaré (ca. 1900), bewiesen von Mordell (1922)): E(Q) ∼ = Zr (E) × E(Q)tors , wobei E(Q)tors endliche Gruppe und r (E) ≥ 0 ganze Zahl. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Folgerung für Dreieckszahlen Erinnerung: D Dreieckszahl ⇔ E : y 2 = x 3 − D 2 x besitzt Lösung (x, y ) ∈ Q2 mit y 6= 0. Bemerkung: Ist (x, 0) ∈ E(Q), so ist (x, 0) ∈ E(Q)tors . Beispiel: Für ED : y 2 = x 3 − D 2 x gilt: ED (Q)tors = {∞, (0, 0), (D, 0), (−D, 0)}. Korollar: D Dreieckszahl ⇔ r (ED ) > 0 ⇔ |ED (Q)| = ∞. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Langlandsprogramm Langlandsprogramm Gegeben ein System X zahlentheoretischer Gleichungen (z.B. eine elliptische Kurve). Assoziiere zu X ein analytisches Objekt LX (“L-Funktion”), so dass Eigenschaften von LX implizieren Eigenschaften von X . Finde (einfacheres) analytisches Objekt π, so dass LX = Lπ (etwa “π automorphe Darstellung”). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung L-Funktion einer elliptischen Kurve I Sei E : y 2 = x 3 + ax + b rationale elliptische Kurve, ∆E = −16(4a3 + 27b2 ) 6= 0. Zur Vereinfachung seien a, b ∈ Z (sonst “geschicktes Hochmultiplizieren der Nenner”). 0. Schritt (Lösungen modulo p): Sei p Primzahl, die kein Teiler von ∆E ist. Setze ap := { (x, y ) ∈ Z/pZ ; y 2 ≡ x 3 + ax + b (mod p) } − p. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung L-Funktion einer elliptischen Kurve II Beispiel: E : y 2 = x 3 − x (∆E = 26 ), p = 3. Dann { (x, y ) ∈ Z/3Z ; y 2 ≡ x 3 −x (mod 3) } = {(0, 0), (1, 0), (2, 0)}, da x 3 − x ≡ 0 (mod 3) for all x ∈ Z/3Z. Also a3 = 0. Exkurs: Wie variiert ap mit p: Sato-Tate-Vermutung (bewiesen 2008 von L. Clozel, M. Harris, N. Shepherd-Barron, R. Taylor). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung L-Funktion einer elliptischen Kurve III Konstruiere L-Funktion LE : Für p teilt nicht ∆E und s ∈ C setze: Lp (E, s) := 1 1 − ap p−s + p1−2s . Für p teilt ∆E und s ∈ C setze: Lp (E, s) := 1. Setze LE (s) := Y Lp (E, s). p prime Produkt konvergiert für Re(s) > 3/2. (Vorsicht: Definition nicht Standard) Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Vermutung von Birch, Swinnerton-Dyer Vermutung von B. Birch, P. Swinnerton-Dyer (ca. 1963): LE (1) = 0 ⇔ r (E) > 0 (⇔ |E(Q)| = ∞) Genauer: r (E) ist die Ordnung der Nullstelle von LE (s) bei s = 1. Dies ist eines “Millenium-Probleme” des Clay-Instituts. Problem: Brauchen dafür, dass LE (s) in s = 1 definiert ist. Vermutung (Hasse, ca. 1950): LE kann auf ganz C fortgesetzt werden (als holomorphe Funktion). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Modularität I Eine Modulform f (genauer: rationale Spitzenform) ist eine komplex differenzierbare (holomorphe) Funktion f : H := { z ∈ C ; Im(z) > 0 } → C so dass f (z + 1) = f (z) for all z ∈ H und so dass ... (Spezialfall einer automorphen Darstellung). Dann f (z) = Setze: P∞ n=1 an e 2πinz (Fourier-Entwicklung) mit an ∈ Q. Lf (s) := ∞ X an n=1 ns Lf einfacher zu verstehen, z.B. nicht schwierig zu zeigen: Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Modularität II Satz: Lf kann auf ganz C definiert werden. Shimura-Taniyama-Weil-Vermutung (1957, bewiesen von C. Breuil, B. Conrad, F. Diamond, R. Taylor in 2001): Jede rationale elliptische Kurve E ist modular, d.h. es existiert eine Modulform f = fE mit LE = Lf . Insbesondere kann LE auf ganz C definiert werden. Für E = ED : y 2 = x 3 − D 2 x zeige: LfE (1) = 0 ⇔ D erfüllt (4). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Exkurs: Satz von Fermat Letzter Satz von Fermat: Sei n > 2 natürliche Zahl. Dann existieren keine natürlichen Zahlen a, b, c mit an + bn = c n . Beweisidee: Ohne Einschränkung n = p Primzahl (einfach) und p > 5 (L. Euler 1770, A.-M. Legendre und P. Dirichlet 1825). Angenommen (a, b, c) sei Lösung. Betrachte elliptische Kurve E : y 2 = x(x − ap )(x + bp ) (Idee: Y. Hellegouarch (ca. 1968), G. Frey (ca. 1984)). E hat “semistabile Reduktion”. Zeige: E ist nicht modular (J.P. Serre 1985, K. Ribet 1990). Zeige: Jede elliptische Kurve mit semistabiler Reduktion ist modular (A. Wiles, R. Taylor, A. Wiles 1995). Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Verteilung von Primzahlen Wieviele Primzahlen gibt es? Unendlich viele! Genauer: Für x ∈ R mit x > 0, sei π(x) die Anzahl der Primzahlen p mit p ≤ x. Ziel: Beschreibung von π(x). C. F. Gauß glaubt (Brief von 1849), dass π(x) “gut durch Zx Li(x) := 1 dt log t 0 (logarithmische Integralfunktion) approximiert wird”. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Riemannsche ζ-Funktion I Riemann (1859) definiert Riemannsche ζ-Funktion ζ(s) := ∞ X Y 1 1 = s n 1 − p−s n=1 p prime (“L-Funktion des Punktes”). Summe/Produkt konvergieren für s ∈ C mit Re(s) > 1. Er zeigt: ζ besitzt komplex differenzierbare Fortsetzung zu ζ : C \ {1} → C. Wenn s negative ganze gerade Zahl, dann ζ(s) = 0. Für alle anderen Nullstellen s (“nicht triviale Nullstellen”) von ζ gilt: 0 < Re(s) < 1. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Riemannsche ζ-Funktion II Riemann beweist: Falls für alle nicht-trivialen Nullstellen s von ζ gilt, dass Re(s) = 12 , dann existiert C ∈ R, C > 0 mit (+) √ |π(x) − Li(x)| ≤ C x log(x) für all x ∈ R, x > 1. Torsten Wedhorn Langlands-Programm Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Riemannsche Vermutung Riemannsche Vermutung (1859): Für alle nicht-trivialen Nullstellen s von ζ gilt Re(s) = 21 . Dies ist das älteste der “Millenium-Probleme” des Clay-Instituts. Satz (Koch 1901, Schoenfeld 1976): Die Abschätzung √ (+) |π(x) − Li(x)| ≤ C x log(x) ist “best-möglichst”, und (+) für x ≥ 2657 and C = äquivalent zur Riemannschen Vermutung. Torsten Wedhorn Langlands-Programm 1 8π ist Dreieckszahlen Elliptische Kurven L-Funktionen und die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung Riemannsche Vermutung Weierstraß-Vorlesung Weierstraß-Vorlesung 2012 Richard Taylor (Harvard) 11. Mai 2012 Auditorium Maximum, Universität Paderborn Torsten Wedhorn Langlands-Programm