Franz Pedit Tübingen Übungen zu Riemannsche Flächen Jonas Ziefle, Aaron Gerding SS 13 1. Grundlegendes Aufgaben, welche mit ∗ gekennzeichnet sind, brauchen von den Lehramtsstudenten nicht gelöst/bewiesen werden. Sie sollten jedoch durchgelesen und die Aussagen verstanden werden. Aufgabe 1. Zuerst ein wenig elementare lineare Algebra: wir identifizieren mittels z = x + iy = (x, y) die komplexen Zahlen C mit R2 . Genauer formuliert heisst das folgendes: C ist ein 2-dimensionaler R-Vektorraum mit Basis 1 und i, und wir identifizieren diesen vermöge des R-linearen Isomorphismus 1 7→ e1 und i 7→ e2 mit R2 . (i) Bestimme die R-lineare Abbildung J : R2 → R2 , welche der komplex linearen Abbildung z 7→ iz, “Multiplikation mit i”, unter unserer Identifikation entspricht. (ii) Eine R-lineare Abbildung A : R2 → R2 ist genau dann eine komplex lineare Abbildung auf C, wenn AJ = JA gilt. (iii) Bestimme die Form der reellen 2 × 2-Matrizen welche mit J kommutieren und zeige, dass solche Matrizen (mittels Matrizenaddition und -multiplikation) einen Körper isomorph zu C bilden. Damit haben wir drei verschiedene Darstellungen der komplexen Zahlen: einmal als Paare reeller Zahlen, als lineare Kombinationen von 1 und i, und als spezielle 2 × 2-Matrizen. (iv) Falls AJ = JA, dann ist det A = |z|2 , für die A entsprechende komplexe Zahl z ∈ C. Aufgabe 2. Wir können Abbildungen f : U → C, wobei U ⊂ C offen ist, auch als Abbildungen f : U → R2 , mit U ⊂ R2 offen, auffassen und umgekehrt. Zuerst klären wir, wann eine differenzierbare Abbildung f : U → R2 (im Sinne der Analysis II) holomorph f : U → C (im Sinne der Funktionentheorie) ist. Man zeige: (i) Eine differenzierbare Abbildung f : U → R2 ist genau dann holomorph, falls für alle (x, y) ∈ U das Differential df(x,y) : R2 → R2 komplex linear ist, also nach obigem Jdf(x,y) = df(x,y) J erfüllt (letzteres ist die aus der Funktionentheorie bekannte Cauchy-Riemann Gleichung). Insbesondere 2 gilt in diesem Fall für z = x + iy, dass die komplexe Ableitung f 0 (z) die der 2 × 2-Matrix df(x,y) entsprechende komplexe Zahl ist. (ii) Für eine holomorphe Abbildung f : U → C gilt det df(x,y) = |f 0 (z)|2 , wobei f 0 die komplexe Ableitung (a la Funktionentheorie) und df , wie schon oben, die Ableitung a la Analysis II bezeichnen. Aufgabe 3. Beweise das holomorphe inverse Funktionen Theorem: sei U ⊂ C offen, z0 ∈ U und f : U → C holomorph mit f 0 (z0 ) 6= 0 Dann existieren: (i) Eine offene Kreisscheibe D ⊂ U mit Mittelpunkt z0 , sodass f (D) ⊂ C offen ist; (ii) Eine holomorphe Abbildung h : f (D) → D ⊂ C welche inverse zu f ist, also f ◦ h = h ◦ f = id. Insbesondere gilt mit h = f −1 , dass (f −1 )0 (f (z0 )) = 1/f 0 (z0 ). Man nennt eine holomorphe Abbildung f mit holomorpher Umkehrabbildung einen holomorphen Diffeomorphismus. Hinweis : Benutze den inversen Funktionensatz aus der Analysis II und das vorige Beispiel. Bemerkung : Man kann den holomorphen Umkehrsatz natürlich auch ohne Rückgriff auf die Analysis II direkt mittels Funktionentheorie beweisen; wie geht das? Wir diskutieren nun eine wichtige Eigenschaft holomorpher Funktionen, nämlich dass holomorphe injektive Funktionen immer holomorphe Diffeomorphismen sind: Aufgabe 4. Sei U ⊂ C offen und f : U → C injektiv und holomorph. Zeige, dass dann f ein holomorpher Diffeomorphismus ist, also dass f (U ) ⊂ C offen ist und f −1 : f (U ) → U ⊂ C wieder holomorph ist. Gilt dieser Satz auch, falls man holomorph durch (unendlich oft) differenzierbar ersetzt? Hinweis : versuche zu zeigen, dass f 0 (z0 ) = 0 in einem Punkt z0 ∈ U der Injektivität von f widerspricht. Dazu entwickle man f um z0 in eine konvergente Potenzreihe, was für holomorphe Funktionen laut Funktionentheorie immer möglich ist. Aufgabe 5.∗ Beweise den in der Vorlesung erwähnten impliziten Funktionensatz für die Nullstellenmenge M = {(z, w) ∈ C2 ; P (z, w) = 0} eines Polynomes P ∈ C[Z, W ] in zwei Variablen: falls P (z0 , w0 ) = 0 und ∂P (z , w0 ) 6= 0, dann kann man M in einer genügend ∂w 0 kleinen Umgebung von (z0 , w0 ) durch den Graph einer holomorphen Funktion w = h(z), h(z0 ) = w0 , beschreiben. Hinweis : ähnlich vorgehen wie beim Umkehrsatz. Wie man vielleicht nun sehen kann, benutzt man bei der Rückführungsstrategie auf die bekannten Analysis II Sätze (welche ja doch nicht so ganz einfach zu beweisen sind) am Ende nur noch, dass die Umkehrabbildungen von C-linearen Abbildungen wieder C-linear sind. 3 Aufgabe 6. Nun zu elliptischen Kurven, welche nach Definition die Nullstellenmengen M = {(z, w) ∈ C2 ; P (z, w) = w2 − Q(z) = 0} von Polynomen der Form P (z, w) = w2 − Q(z), mit Q(z) = az 3 + bz 2 + cz + d ein kubisches Polynom (a 6= 0), sind. Man zeige: (i) Vermöge einer affinen Koordinatentransformation z 7→ z̃ = αz + β kann jede elliptische Kurve auf Weierstrass Normalform w2 = z̃ 3 + ãz̃ + b̃ gebracht werden. (ii) Falls man nun die elliptische Kurve in Weierstrass Normalform w2 = z 3 + az + b schreibt, dann ist folgendes äquivalent: • das kubische Polynom Q(z) = z 3 + az + b hat 3 verschiedene Nullstellen; • die Diskriminante 4a3 + 27b2 6= 0; • für alle (z, w) ∈ C ist ∂P (z, w) 6= 0 oder ∂P (z, w) 6= 0. ∂z ∂w Elliptische Kurven, welche eine der obigen Äquivalenzen erfüllen, nennt man regulär. Diese kann man also nach dem impliziten Funktionensatz lokal immer als Graphen holomorpher Funktionen über der z bzw. wAchse beschreiben. Um welche Punkte muss man M als Graphen über der w-Achse schreiben? (iii) Diskutiere für ein kubisches Polynom Q(z) = z 3 + az + b mit reellen Nullstellen anhand des Graphen die verschiedenen Möglichkeiten, wie Nullstellen zusammenfallen können. In welchen Situationen ist die zugehörige elliptische Kurve w2 = Q(z) nicht regulär? Aufgabe 7. Für eine (reguläre) elliptische Kurve M = {(z, w) ∈ C2 ; w2 = Q(z)} führe folgende Konstruktion aus: zu zwei verschiedenen Punkten P1 = (z1 , w1 ), P2 = (z2 , w2 ) ∈ M berechne den Schnittpunkt P3 = (z3 , w3 ) der komplexen Geraden durch P1 , P2 mit M . Mittels P1 + P2 := (z3 , −w3 ) definieren wir eine “Addition” auf M . Den für P = (z, w) ∈ M an der z-Achse gespiegelten Punkt (z, −w) ∈ M nennen wir −P := (z, −w). Zeige: (i) P1 + P2 ist immer wohldefiniert, auch im Falle P2 = P1 (die Verbindungssekante wird zur Tangente), bis auf den Fall P2 = −P1 . Um diesen Fall auch einzuschliessen, postulieren wir einen ideellen Punkt ∞ ∈ M , welcher den Schnittpunkt der Geraden durch P ∈ M und −P ∈ M mit M darstellt (also alle vertikalen, zur w-Achse parallelen, Geraden haben mit M den ideellen Schnittpunkt ∞). Damit ist dann auf der erweiterten Menge M̄ := M ∪ {∞} die Verknüpfung + wohl definiert. (ii) (M̄ , +) ist eine Abelsche Gruppe mit inversem −P und neutralem Element ∞. (iii) Falls die Koordinaten von Pk = (zk , wk ) ∈ M , k = 1, 2, rational sind, dann sind auch die Koordinaten von P1 + P2 rational. Benutze diese Beobachtung um für das Orangen Pyramiden Problem eine nicht-triviale ganzzahlige Lösung zu finden. 4 Aufgabe 8. Ein viel einfacheres Problem ist alle Pythagoräischen Zahlen zu finden, also ganze Zahlen x, y, z ∈ Z mit x2 + y 2 = z 2 . Zeige: (i) Das Problem alle Pythagoräischen Zahlen zu finden ist äquivalent zum Auffinden aller rationalen Punkte (also Punkte mit rationalen Koordinaten) auf der Kurve M = {(z, w) ∈ C2 ; z 2 + w2 = 1}. (ii) Für einen rationalen Punkt (−1, 0) 6= P ∈ M ist die Steigung der Verbindungsgerade (−1, 0) mit P rational. Umgekehrt schneidet jede Gerade rationaler Steigung durch (−1, 0) (ausser der vertikalen Geraden) die Kurve M in genau einem rationalen Punkt. (iii) Gib eine Formel zur Berechnung aller Pythagoräische Tripel an, und berechne ein paar nicht-triviale Beispiele.