Medizinische Fakultät Heidelberg: Pressemitteilungen

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Hepatitis C-Viren in Leberzellen ausschalten – ohne Kollateralschaden
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Nummer: 138 / 2015 vom 05.11.2015
Hepatitis C-Viren in Leberzellen ausschalten – ohne Kollateralschaden
Versuchen Forscher chronischen Infektionen mittels Gentherapie beizukommen, kann das gleichzeitig
unerwünschte Auswirkungen auf das infizierte Gewebe haben. Virologen am Universitätsklinikum
Heidelberg haben eine Strategie entwickelt, die solche Nebenwirkungen auf ein Minimum reduziert.
Wissenschaftler des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg haben eine bisher noch
experimentelle Variante der sogenannten Gentherapie bei chronischen Virusinfektionen entscheidend
verbessert. Mit Hilfe der weiterentwickelten Technik ließ sich in Zellversuchen beispielhaft eine chronische
Infektion mit Hepatitis C-Viren stark zurückdrängen. Gleichzeitig waren Nebeneffekte dieser als
RNA-Interferenz bezeichneten Methode auf ein Minimum reduziert. Bis die Heidelberger Erfindung Patienten
zugutekommt, ist es zwar noch ein langer Weg. Bis dahin könnte sie aber der medizinischen und biologischen
Grundlagen−forschung großen Nutzen bringen. Dort kommt die RNA-Interferenz häufig zum Einsatz, um die
Funktion bestimmter Gene (Abschnitte der Erbinformation) im lebenden Organismus zu untersuchen. Ihr
Vorgehen hat die Arbeitsgruppe von Dr. Dirk Grimm, Exzellenzcluster CellNetworks und Zentrum für
Infektiologie (Direktor: Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich), im renommierten Fachjournal "Proceedings of
the National Academy of Sciences USA" (PNAS) veröffentlicht.
Die RNA-Interferenz (RNAi) ist ein natürlicher Mechanismus in menschlichen, tierischen und pflanzlichen
Zellen, um die Funktion einzelner Gene zu regulieren. Dazu werden Boten−moleküle (engl. "messenger
ribonucleic acid", kurz mRNA), die Informationen dieser Gene übertragen, gezielt abgefangen. Sie bleiben an
einer Art Köder kleben, der aus kleinen RNA-Stücken besteht. Das kann dazu führen, dass die mRNAs
entweder deutlich weniger aktiv sind oder sogar komplett abgebaut werden. Die Nachricht kommt somit nicht
durch, das Gen kann seine Wirkung nicht oder nur eingeschränkt entfalten. Die RNA-Interferenz dient der
Feinregulation des zellulären Stoffwechsels. Man kann sich diesen Mechanismus aber auch effektiv zu Nutze
machen, um eingedrungene Viren zu blockieren und zu zerstören. Das funktioniert am besten mit Viren, deren
Erbinformation in Form von RNA gespeichert wird, was beispielsweise beim Hepatitis C-Virus der Fall ist.
Stabilisierendes Element unverzichtbar, aber unberechenbarer Störfaktor
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Hepatitis C-Viren in Leberzellen ausschalten – ohne Kollateralschaden
Hierzu bedienen sich die Wissenschaftler der Gentherapie: Sie stellen den genetischen Bauplan für den
RNA-Köder künstlich her und verpacken ihn in veränderte Viren (sogenannte "Vektoren"), die selbst keinen
Schaden verursachen. Diese transportieren ihn in die befallenen Leberzellen. Da der künstliche Bauplan der
Erbinformation der Zelle gleicht und von dieser wie ein Stück des eigenen Erbguts behandelt wird, können die
Zellen den passenden Köder nun selbst bilden. Damit werden diese Zellen in die Lage versetzt, eingedrungene
fremde Gene - wie zum Beispiel die des Hepatitis C-Virus - zu erkennen und lahm zu legen.
Allerdings ergab sich bisher ein Problem: Der RNA-Köder (die sogenannte "short hairpin RNA" oder
"shRNA") besteht aus zwei fest miteinander verschlungenen RNA-Strängen, von denen nur der eine
therapeutisch wirksam ist. Der andere Strang ist als stabilisierendes Element zwar unverzichtbar, führt aber
ein Eigenleben, wie die beiden Erstautoren der Studie, Stefan Mockenhaupt und Stefanie Grosse aus der
Arbeitsgruppe von Dr. Grimm, nun zusammen mit Wissenschaftlern um Professor Dr. Ralf Bartenschlager,
Leiter der Abteilungen Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie und Virus-assoziierte
Karzinogenese am Deutschen Krebsforschungszentrum, zeigten. Dieser "Helfer"-Strang bindet auf bisher
unverstandene Weise andere mRNA-Botenmoleküle und stört damit diverse Zellfunktionen. Diese
unbeabsichtigte Wirkung könnte den Therapieerfolg gefährden und Zell- oder Gewebeschäden verursachen.
Lösung: Hemmstoff gleich mit verpacken
"Dieses Problem haben wir nun im Experiment beispielhaft für die Behandlung einer chronischen
Virus-Hepatitis C gelöst", sagt Seniorautor und Arbeitsgruppenleiter Dr. Dirk Grimm. Das Team bepackte die
therapeutischen Vektoren mit dem Bauplan für ein weiteres kleines RNA-Molekül. Dieses blockiert zum
einen die unerwünschte Aktivität des Helfer-Stranges und zieht außerdem eine weitere RNA ("miRNA 122")
der Zelle aus dem Verkehr, die das Hepatitis C-Virus für seine Vermehrung benötigt. Mit diesem Ansatz
gelang es, die Virusvermehrung in einer menschlichen Leberzelllinie ca. 100-fach zu hemmen, ohne merkbare
Schädigung. Nun gilt es, die Langzeitwirkung dieser experimentellen Therapie im Tierversuch zu prüfen.
"Diese neue Methode ist ein Durchbruch im Bereich der RNA-Interferenz. Da sie flexibel und relativ einfach
einsetzbar ist, gehen wir davon aus, dass sie für eine Vielzahl zukünftiger Anwendungen in Forschung und
Therapie interessant sein dürfte", so Grimm. So könnten z.B. noch gezielter als bisher Gene in Krebszellen
blockiert und damit Tumoren bekämpft werden.
Literatur:
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Hepatitis C-Viren in Leberzellen ausschalten – ohne Kollateralschaden
Mockenhaupt S, Grosse S, Rupp D, Bartenschlager R, Grimm D. 2015. Alleviation of off-target effects from
vector-encoded shRNAs via codelivered RNA decoys. Proc Natl Acad Sci U S A 28;112(30):E4007-16. doi:
10.1073/pnas.1510476112. Epub 2015 Jul 13.
Weitere Informationen im Internet:
Abteilung Virologie, Zentrum für Infektiologie
Nachwuchsgruppe Virus-Host Interactions
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