| B I OT EC H N O LO G I E | ABB. T R E F F P U N K T FO R SC H U N G L E B E N S Z Y K LU S D E S H E PAT I T I S C-V I R U S ( H C V ) Anzucht infektiöser Hepatitis C-Viren im Labor Mit Hilfe eines neuen Zellsystems gelang es erstmals im Labor, Hepatitis C-Viren (HCV) zu vermehren. Damit wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, Medikamente und Impfstoffe gegen das Virus zu entwickeln, das eine schleichende, oft tödlich endende Entzündung der Leber (Hepatitis) hervorruft. Dies gilt als ein Meilenstein in der Erforschung von Hepatitis C und im Kampf gegen die stille Seuche. Die Infektion mit HCV gilt weltweit als eine der häufigsten Ursachen der chronischen Hepatitis, der Leberzirrhose und des Leberzellkrebs. In Westeuropa sind circa ein bis zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung chronisch mit dem Virus infiziert; weltweit sind es circa 170 Millionen Menschen. Bei etwa 75 Prozent der Infizierten entwickelt sich ein chronisches Leberleiden. Leberversagen als Folge einer chronischen Hepatitis C ist eine der häufigsten Ursachen für eine Lebertransplantation. Neue Infektionen durch Bluttransfusionen sind nach der Einführung von Virustests zwar seltener geworden. Dennoch muss für die nächsten zehn bis 20 Jahre mit einer weiteren Zunahme von Patienten mit den Spätfolgen der chronischen Hepatitis C gerechnet werden, falls keine neuen Therapiemöglichkeiten entwickelt werden. Ein Wissenschaftlerteam aus Heidelberg, Tokio und Bethesda hat ein Zellsystem entwickelt, in dem der vollständige Lebenszyklus des HCV – also vom Eindringen in die Zelle über die Vermehrung innerhalb der Zelle bis zum Verlassen der infizierten Zelle – im Labor vollzogen werden kann (Abbildung). Bislang war es zwar möglich, Teile der Erbsubstanz des Virus zu vermehren, nicht jedoch, das vollständige Virus im Labor zu züchten. In einer speziellen Kultur von Leberkrebszellen (Huh7-Zellen) gelang es nun, das Virus, das aus einem Patienten mit einer fulminanten Hepatitis isoliert worden war, vollständig anzuzüchten. Darüber hinaus konnten die Biowissenschaftler zeigen, dass Antikörper gegen das zelluläre Oberflächenprotein CD81 sowie Antikörper, die aus dem Blut von Infizierten stammen, die Vermehrung des Virus zumindest teilweise hemmen. Zudem gelang den Wissenschaftlern der Nachweis, dass Schimpansen mit dem in der Zellkultur vermehrten HCV infiziert werden können, was die Authentizität der in Zellkulturen gezüchteten Viren belegt. Das Erbgut des HCV enthält zwei unterschiedliche Bauanleitungen: eine für die Herstellung der beiden Schutzhüllen und eine für die Komponenten, die für die Vermehrung des Erbguts notwendig sind. Nachdem das Virus eine Zelle infiziert hat, wird das Erbgut freigesetzt und zunächst zur Herstellung der Faktoren benutzt, die für die Erbgutvermehrung erforderlich sind. Sie vermitteln das mehrfache Kopieren des Erbguts, das dann unter anderem zur Produktion der Komponenten der Schutzhüllen dient. Die Bestandteile der Schutzhüllen lagern sich mit jeweils einer Kopie des Erbguts zusammen und bilden infektiöse Viren, die aus der Zelle ausgeschleust werden. [1] T. Wakita, T. Pietschmann, R. Bartenschlager et al., Nature Medicine 2005, 11, 7. Wilhelm Irsch, Rehlingen-Siersburg Nr. 4 35. Jahrgang 2005 | | Biol. Unserer Zeit | 225