Theoretische Physik I

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Vorlesungsmitschrift
Theoretische Physik I
bei Prof. A. Rosch
von M. & O. Filla
6. März 2017
Inhaltsverzeichnis
1 Newtonsche Mechanik
1.1 Euklidischer Raum . . . . . . . . . . . . .
1.2 Newtonsche Axiome . . . . . . . . . . . .
1.3 Galilei–Transformationen . . . . . . . . . .
1.4 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.1 Impulserhaltung und Schwerpunkt
1.4.2 Drehimpuls . . . . . . . . . . . . .
1.4.3 Energieerhaltung von 1 Teilchen . .
1.4.4 Energieerhaltung: viele Teilchen . .
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1
1
4
5
7
8
9
10
15
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17
17
20
27
27
29
29
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32
32
37
39
40
41
48
53
4 Lagrange–Mechanik
4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Funktionale und Extremalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Lagrangeformulierung der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Von Newton zu Lagrange: d’Alembertsches Prinzip . . . . . . . . . . .
4.5 Symmetrie und Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.1 Transformation der Lagrange–Funktion . . . . . . . . . . . . . .
4.5.2 Symmetrien und Form der Lagrange-Funktion . . . . . . . . . .
4.5.3 Noethertheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.4 Verallgemeinertes Noethertheorem . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.5 Kontinuumsmechanik und Feldtheorien: Schwingung einer Saite
62
62
63
69
75
81
81
82
84
88
91
2 Spezielle Relativitätstheorie
2.1 Relativitätsprinzip . . . . . . . . .
2.2 Lorentztransformation . . . . . . .
2.3 Relativistische Phänomene . . . . .
2.3.1 Zeitdilatation und Eigenzeit
2.3.2 Längenkontraktion . . . . .
2.4 Energie und Impuls . . . . . . . . .
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3 Lösungen der Newtonschen Gleichungen
3.1 Eindimensionale Bewegungen . . . . . .
3.2 Lineare DGL und Greensche Funktion .
3.3 Lösbarkeit Newtonscher Gleichungen . .
3.4 Numerische Lösungsverfahren . . . . . .
3.5 Zwei–Körper–Probleme . . . . . . . . . .
3.6 Keplerproblem . . . . . . . . . . . . . . .
3.7 Zwangskräfte . . . . . . . . . . . . . . .
ii
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4.6
Exkurs: Quantenmechanik und Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . .
96
5 Hamiltonische Mechanik
99
5.1 Legendre–Transformation und Hamiltonfunktion . . . . . . . . . . . . . 99
5.2 Differentiale und Hamiltonformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.3 Liouville–Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.4 Poissonklammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.5 Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.6 kanonische Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.6.1 Integrabilität und kanonische Transformation auf Erhaltungssätze 117
5.7 Poissonklammern und kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . 120
5.8 Symplektische Struktur der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
5.9 Erhaltungssätze und infinitesimale Transformationen . . . . . . . . . . 124
5.10 Erhaltungsgroessen und infinitesimale Transformationen . . . . . . . . 124
6 Stabilität und Chaos
6.1 Berechenbarkeit und Störungen . .
6.2 Kleine Schwingungen . . . . . . . .
6.3 Poincarésche Phasenraumschnitte .
6.4 Fallstudie: Atwood–Pendel . . . . .
6.5 Liapunovexponent . . . . . . . . . .
6.5.1 Beispiel Chaos mit Reibung
6.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .
iii
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135
137
143
144
1
Newtonsche Mechanik
1.1
Euklidischer Raum
Das Ziel des Euklidischen Raums ist die Beschreibung von Bewegungen in einem Koordinatensystem. Die Raum–Zeit ist ein Produkt aus dem dreidimensionalen Raum,
der durch den R3 beschrieben wird, und der Zeit, die durch R beschrieben wird. Ein
Punkt in der Raum–Zeit ist wie folgt definiert:
a = (t, ~x) ∈ R × R3
Eine Metrik ermöglicht die Einführung von Abständen und Winkeln im Raum und
somit auch das Skalarprodukt.
In kartesischen Koordinaten gelten folgende Definitionen:
• Ein Vektor ~x wird durch seine Komponenten xi ∈ R und die Basisvektoren êi ∈ R3
dargestellt:
 
x1
 
~x = x2  = x1 ê1 + x2 ê2 + x3 ê3
x3
 
1
 
ê1 = 0
0
• Das Skalarprodukt ist wie folgt zu berechnen:
~x · ~x =
3
X
xi · x0i
i=1
• Der Abstand d zwischen zwei Punkten im Raum werden durch den Betrag des
Verbindungsvektors |~x| definiert:
d = |~x − ~x0 |
√
mit |~x| =
~x · ~x
• Der Winkel ]α zwischen den Vektoren ~x und ~y wird definiert durch
cos(α) =
1
~x0 · ~y
|~x0 | · |~y |
Die Geschwindigkeit ~v wird durch die zeitliche Änderung des Ortes ~r definiert, analog
die Beschleunigung ~a:
~v (t) = dt~r = ~r˙
~a(t) = dt~v = ~r¨
Außer dem kartesischen gibt es auch noch andere Koordinatensysteme. Allesamt werden
sie durch Abbildungen vom kartesischen in das andere Koordinatensystem dargestellt:
R × R3 → R × R3
( t, ~x ) 7→ ( t0 , ~x 0 )
Es gibt z. B. die Kugelkoordinaten, bei denen der Ort durch den Radius r ∈ [0, ∞),
den Azimutwinkel ϕ ∈ [0, 2π) und den Polarwinkel ϑ ∈ [0, π) dargestellt wird. Diese
werden v. a. für kugelsymmetrische Systeme verwendet.
t 7→ t
~r = (x, y, z) →
7
(r, ϑ, ϕ)


 
sin(ϑ) cos(ϕ)
x


 
y  = r ·  sin(ϑ) sin(ϕ) 
cos(ϑ)
z
Abbildung 1: Kugelkoordinaten (links) und Zylinderkoordinaten (rechts)
2
Zudem gibt es die Zylinderkoordinaten, die für achsensymmetrische Systeme verwendet werden. Hier wird statt dem Polarwinkel die Höhe durch die z–Koordinate
angegeben:
t →
7
t
 
 
x
r
 
 
~r = y  7→ ϕ
z
z
 


x
r · cos(ϕ)
 


y  =  r · sin(ϕ) 
z
z
Es gibt auch bewegte Koordinatensysteme, wie z. B. die Erde. Hierbei sind die
Winkelgeschwindigkeit ω und die Umlaufzeit T wichtig:
t →
7
 
x
 
~r = y  →
7
z
 
x
 
y  =
z
t
 
r
 
ϕ
z


r · cos(ϕ + ω · t)


 r · sin(ϕ + ω · t) 
z
2π
ω =
T
Berechnen wir die zeitliche Ableitung von ~r(t), wenn seine Variablen ϕ, r und z alle
zeitlich konstant sind.


−r · sin(ω · t + ϕ)


~r = ω ·  r cos(ω · t + ϕ) 
0
 
−y
 
= ω· x 
0
= ω · ẑ × ~r
ẑ ist dabei die ausgezeichnete Drehachse in den Zylinderkoordinaten.
Anmerkung zu den Koordinatensystemen:
3
Nicht immer hat ein Dreieck einen Innenwinkel von 180◦ (siehe Abb. 2). Es ist eine
experimentelle Aussage im euklidischen Raum, aber der euklidische Raum ist nicht
selbstverständlich!
Abbildung 2: Kugel mit Dreieck auf der Oberfläche
Auf der Kugeloberfläche wird zunächst eine Strecke entlang des Äquators abgelaufen,
dann um 90◦ gedreht und über einen Längenkreis der Pol erreicht. Hier findet ebenfalls
eine 90◦ –Drehung statt und es wird über einen anderen Längenkreis, ebenfalls im 90◦ –
Winkel, der Ausgangspunkt auf dem Äquator erreicht. Die Winkelsumme dieses Dreieck
ist somit größer als 180◦ .
1.2
Newtonsche Axiome
1. Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch seinwirkende Kräfte gezwungen wird
seinen Bewegungszustand zu ändern. Dies ist das Trägheitsgesetz. Es gibt Bezugssysteme, in denen kraftfreie Bewegungen durch ~r˙ = ~v = const beschrieben
werden. Solche Bezugssysteme heißen Inertialsysteme.
2. Die Änderung der Bewegungsgleichung ist der Einwirkung der Kraft proportional,
also ~v˙ ∝ F~ . Die Proportionalitätskonstante nennen wir Masse, p~ = m · ~v nennen
wir Impuls.
m · ~v˙ = p~˙ = F~
(1)
3. Die Wirkung zweier Körper aufeinander ist stets gleich und von entgegengesetzter
Richtung. Dieses Gesetz nennt man auch actio = reactio. F~1,2 ist dabei die
Kraft, die von Körper 1 auf Körper 2 wirkt. Dementsprechend ist F~2,1 die, welche
von Körper 2 auf Körper 1 wirkt.
F~1,2 = −F~2,1
4
(2)
Abbildung 3: Gegenkräfte
4. Nach dem Superpositionsprinzip addieren sich die Kräfte vektoriell. Die Kräfte zwischen 2 Körpern (idealisierten Punktteilchen) sind parallel zu ihrer Verbindungslinie. Diese Kräfte nennt man daher Zentralkräfte.
F~ =
X
F~i
(3)
i
Axiome definieren Kraft und Masse. Es gilt
m1 · r~¨1 = −m2 · r~¨2
m1
|r~¨2 |
⇒
=
.
m2
|r~¨2 |
Die erste Gleichung ergibt sich aus den Axiomen 2 und 3. Durch sie können wir am
m1
messen. Alle Massen sind über das „Urkilogramm“
Ende die Massenverhältnisse m
2
definiert. Die Einheit der Kraft lautet Newton.
1 kg · m
s2
1N =
1.3
Galilei–Transformationen
Welche Transformationen lassen die Naturgesetze nach Newtons Weltbild invariant?
Es gibt drei elementare Galilei–Transformationen.
1. Translation in Raum und Zeit („Homogenität des Raums“)
g1 : (t, ~r ) → (t + t0 , ~r + ~r0 )
2. Rotation in Raum und Zeit („Isotropie des Raums“)
g2 : (t, ~r ) → (t, M · ~r ) ,
5
wobei M eine 3 × 3 Rotationsmatrix ist. Für sie gilt:
MT·M = 1
det(M ) = 1
Ein Beispiel für diese Matrix wäre:


cos(ϕ) sin(ϕ) 0


M = − sin(ϕ) cos(ϕ) 0
0
0
1
3. Gleichförmige Bewegung1
g3 : (t, ~r ) 7→ (t, ~r + ~v0 · t)
g1 , g2 , g3 und alle ihre Verknüpfungen (g1 ◦ g2 , g1 ◦ g2 ◦ g1 ,. . . ) bilden eine Gruppe.2
Die Gruppe der Galilei–Transformationen hat 10 reelle Parameter: Insgesamt 4 für die
Translation in Raum und Zeit, 3 für die gleichförmige Bewegung und 3 Drehwinkel. Es
gibt zwei mögliche Interpretationen für den Wechsel des Bezugssystemes:
• aktive Interpretation: Teilchen ändern ihre Position
• passive Interpretation: Nur das Koordinatensystem ändert sich
Nun muss noch geprüft werden, ob die Newtonschen Gesetze unter diesen Transformationen invariant3 sind. Dies hängt von der Wahl der Kraft F~ ab. D. h. die Form
der Naturgesetze wird dadurch eingeschränkt, dass sie unter Galilei–Transformationen
invariant sein sollen. Es sind drei Fälle zu überprüfen (mit i ∈ [1, N ]):
• Translationsinvarianz:
mi~r¨i = F~i (~r1 , . . . , ~rN , ~v1 , . . . , ~vN , t)
Invarianz unter
t 7→ t + t0
~r 7→ ~r + ~r0
wird gefordert.
⇒ F~i (~r1 , . . . , ~rN , ~v1 , . . . , ~vN , t) = F~i (~r1 + ~r0 , . . . , ~rN + ~r0 , ~v1 , . . . , ~vN )
~
r0 =−~
r
⇒ N mi~r¨i = F~i (~r1 − ~rN , . . . , ~rN −1 − ~rN , ~v1 , . . . , ~vN )
und
Die Kraft ist also genau dann invariant, wenn sie nicht explizit zeitabhängig ist
und nicht von absoluten Orten, sondern nur von Abständen abhängt.
1
Diese muss für hohe Geschwindigkeiten v ≈ c modifiziert werden. Hierzu gibt es die spezielle
Relativitätstheorie (Kapitel 2).
2
siehe Übungsblatt Nr. 1
3
Invarianz bedeutet, dass es sich um das gleiche Naturgesetz handelt.
6
• Rotationsinvarianz:
mi~r¨i = F~i (~rj , ~vj , t)
~r →
7
M~r = ~r 0
wird gefordert.
⇒ mi · M ~r¨i = M F~i (~rj , ~vj , t)
⇔ mi · ~r¨i 0 = M F~i M −1~rj 0 , M −1~vj 0 , t
⇒ F~i (~rj 0 , ~vj 0 , t) = M F~i M −1 ~rj 0 , M −1 ~vj 0 , t
Invarianz unter
Ein Beispiel dafür ist die Gravitationskraft:
F~i,j =
~rj − ~ri
· G · m1 · m2
|~rj − ~ri |2
Es bleibt invariant, da gilt:
M · M −1 = 1
|M~a | = |~a |
~r 7→ ~r + ~r0 · t ⇒ F~ (~r1 , ..., , ~rN , ~v1 , ..., ~vN , t)
1 Teilchen:
= F~ (~r1 , ..., ~rN , ~v1 − ~vN , ..., ~vN −1 − ~vN , t)
⇒ F~ (~r, ~v , t) = F~ (~r, t)
Die Galileiinvarianz legt teilweise die Form der Naturgesetze fest. Andere Transformationen ändern die Form der Newtonschen Gleichungen.4 Beispielsweise in einem
beschleunigtem System ändert sich die Form dieser Gleichungen:
1
~r 7→ ~r + ~a · t2 ⇒ ~r¨ 7→ ~r¨ + ~a
2
1.4
Erhaltungssätze
Wir nehmen an, dass es N Massepunkte gibt an den Orten ~r1 (t) bis ~rN (t) und mit
den Massen m1 bis mN . Auf diese wirken die äußeren Kräfte F~ext (~r ) und die inneren
Zweiteilchenkräfte F~ij (~ri −~rj )k~ri −~rj . Diese innere Kraft nennt man auch Zentralkraft.
Ein Beispiel hierfür ist die Gravitation zwischen Sonne und Planeten. Wenn es keine
Reibung und keine zeitabhängigen Kräfte gibt, sieht Newtons Gesetz folgendermaßen
aus:
mi~r¨i =
X
F~ij (~ri − ~rj ) + F~ext (~ri )
i6=j
4
siehe Übungsblatt Nr. 1
7
(4)
1.4.1
Impulserhaltung und Schwerpunkt
Der Gesamtimpuls bildet sich dann folgendermaßen:
P~ =
dt P~ =
X
p~i =
X
mi~vi
i
i
X
F~ij (~ri − ~rj ) +
i,j
i6=j
X
F~ext ~ri = F~ext
i
Da sich laut dem 3. Axiom die Kräfte von F~ij und F~ji gegenseitig aufheben, bleibt nur
noch die externe Kraft übrig.
F~ext =
X
F~ext (~ri )
i
Ohne die äußeren Kräfte bleibt also der Impuls erhalten:
dt P~ = 0
(5)
P
Wir können den Gesamtimpuls beschreiben, wenn wir die Gesamtmasse M = i mi
~ = 1 P mi · ~ri verwenden. Damit ergibt sich
und die Schwerpunktskoordinate R
i
M
X
~¨ =
⇒M ·R
mi · ~r¨i = P~
.
i
Diese Schwerpunktsbewegung hängt alleine von den externen Kräften ab, die auf sie
wirken.
~
~
~0 + P · t
F~ext = 0 ⇒ R(t)
=R
M
~˙ = P~ = const. Oft ist es nützlich, eine GalileitransformaDies ist offensichtlich, da M R
tion auf das Schwerpunktsystem durchzuführen:
~
~r 7→ ~r − R(t)
~
⇒ R(t)
= ~0
Damit ist der Schwerpunkt im Ursprung des Koordinatensystems. Die Begründung für
diesen Ansatz erfolgt später.5
5
beim Noether–Theorem, siehe Kapitel 4.5.4
8
1.4.2
Drehimpuls
Analog zu Impuls und Kraft sind Drehimpuls und Drehmoment definiert:
~ i = ~ri × p~i
L
~ i = dt L
~i
N
= ~r˙i × p~i + ~ri × p~˙i
= ~ri × F~i
Der Term ~r˙i × p~i entfällt, da ~ri und p~i parallel zueinander sind und im Kreuzprodukt
null ergeben. Für den Gesamtdrehimpuls folgt daraus
~ =
L
X
~ =
dt L
X
~i
L
i
~ ext
~ri × F~ij + N
.
i,j
i6=j
Für die zeitliche Ableitung folgt dann:
X
~ ext
~ = 1
(~ri − ~rj ) × F~ij + N
dt L
2 i6=j
~ ext
= N
P
Wegen des 3. Newtonschen Axioms kann auch hier angenommen werden, dass ~ri × F~ij
P
und 21 i6=j (~ri − ~rj ) × F~ij gleich sind. Da zudem F~ij parallel zu ~ri − ~rj ist, fällt der
gesamte Term im Kreuzprodukt raus. Falls keine externen Kräfte wirken, ist damit
auch die Drehimpulserhaltung bewiesen:
~ =0
dt L
(6)
Zu bemerken bleibt, dass der Drehimpuls abhängig von der Wahl des Koordinatenursprungs 0 ist. Wird für ~r stattdessen ~r + ~a gewählt, gilt für den Drehimpuls:
~ →
L
X
~ + ~a × P~
(~ri + ~a) × p~i = L
9
1.4.3
Energieerhaltung von 1 Teilchen
Wenn wir die normale Newton–Gleichung betrachten und um die Geschwindigkeit ~r˙
erweitern, sehen wir die zeitliche Ableitung der kinetischen Energie T :
m~r¨·~r˙ = F~ ~r (t), ~r˙ (t), t ·~r˙
1 ˙2
m~r
2
¨
˙
˙
~
dt T = m~r · ~r = F ~r (t), ~r (t), t · dt~r
T =
Die zeitliche Änderung der kinetischen Energie entspricht der Leistung (Energie pro
Zeit):
P = dt T = F~ · ~v
Eine andere Größe ist die Arbeit (Leistung mal Zeit):
Z
t2
A =
P (t) dt
t
Z 1t2
=
t1
d~r
˙
~
dt
F ~r (t), ~r (r), t
dt
Für den Fall, dass die Kraft nur vom Ort abhängt, also F~ (~r, ~v , t) = F~ (~r ), entspricht
die Arbeit dem Wegintegral der Kraftkomponente:
Z
t2
A =
Zt1
=
d~r
F~ (~r (t)) dt
dt
F~ (~r ) d~r
C
Definition:
Konservative Kräfte sind Kräfte, bei denen die Arbeit nur vom Anfangs– und Endpunkt
des Weges abhängt, nicht von ihrem Verlauf.
Z
F~ d~r =
CA
Z
F~ d~r
CB
I
⇔0 =
F~ d~r
Dies bedeutet, dass das Integral, und damit auch die Arbeit, über einen geschlossenen
Pfad verschwindet.
10
Abbildung 4: Zwei verschiedene Wege
Definition:
Das Potential V , als die Ursache von konservativen Kräften. Dabei sind das Startpotential V0 , der Startpunkt ~r0 sowie der Pfad zwischen Start– und Endpunkt beliebig.6
Z
~
r
V (~r ) = V0 −
F~ (~r 0 ) d~r 0
~
r0
Daraus folgt:
F~ (~r ) = −grad(V (~r )) = −∇V (~r )
(7)
Satz:
Ein Kraftfeld ist genau dann konservativ, wenn es Gradient eines Potentialfeldes ist.
Z
r2
∇V (~r ) = V (~r2 ) − V (~r1 )
r1
Für die zeitliche Ableitung des Potentials gilt:
dx dV
dy dV
·
+
·
+ ...
dt dx
dt dy
h
i
˙
˙
= (~r )x · ∇x + (~r )y · ∇y + . . . V
dt V (~r (t)) = dt V (x(t), y(t), . . . ) =
= ~r˙ · ∇V
˙
= −~r˙ · F~
6
Oft wählt man ~r0 ≈ ∞
11
Die zeitliche Ableitung der kinetischen Energie ist dabei einfach bestimmbar.
˙
Ṫ = +~r˙ · F~
Für konservative Kräfte ist die Energie E = T + V somit erhalten.
d
E=0
dt
(8)
Abbildung 5: Rotationsfeld
Nützlich ist hierbei, ein lokales Kriterium für konservative Kräfte zu kennen. Kraftfelder in einem einfach zusammenhängenden Gebiet sind genau dann konservativ, wenn
die Rotation verschwindet. Das bedeutet, dass das Feld wirbelfrei ist.
Beweis:
∇ × F~ = ~0
F~ = −∇V
⇒ ∇ × F~ = −∇ × (∇ · V )
= ~0
Warum ist ∇ × ∇V = ~0? Nutzen wir dabei die Beziehung
(∇ × ~a)i =
X
εijk
j,k
d
aik
drj
.
Es wird verwendet, dass εijk antisymmetrisch und drdj drdk symmetrisch ist. Die Summe wird aufgespalten, dann werden Indizes vertauscht und zuletzt werden j und k
ineinander umbenannt, d. h. j → k.
12
d d
V
drj drk
1
d d
1
d d
( εijk
+ εijk
)V
2
drj drk 2
drj drk
1
d d 1
d d
( εijk
− εikj
)V
2
drj drk 2
drk drj
1
d d
1
d d
( εijk
− εijk
)V
2
drj drk 2
drj drk
~0
Z
I
2
~
∇ × F d ~r =
F~ d~r
(∇ × F~ )i = εijk
=
=
=
=
=
Fläche
Rand
Hierbei verwenden wir den Satz von Stokes.
Ein Beispiel für die Rotation in Kraftfeldern wäre folgende Rechnung.
 
−y


F~ (~r) =  x 
0

  
0
0

   ~
~
∇×F = 
0
 = 0 6= 0
∂x F y − ∂y F x
2
Begriffe
Äquipotentialflächen oder auch Höhenlinien sind Flächen mit konstantem Potential.
Die Kräfte stehen dabei orthogonal auf ihnen.
V (~r ) = V0 = const
Abbildung 6: Höhenlinien
r
Kraftlinien oder auch Feldlinien sind die Lösungen von d~
= F~ (~r(δ)) und stehen imdδ
mer orthogonal auf den Äquipotentiallinien. Wenn das Integral über die geschlossenen
Kraftlinien nicht zu null wird, handelt es sich bei der Kraft um eine nicht konservative
Kraft.
13
I
F~ d~r 6= 0
Eindimensionale Bewegung und Energieerhaltung
Wenn ermittelt werden soll, wie die Bahnkurve x(t) bei einem beliebigen Potential
V (x) aussieht, muss man die folgende Differentialgleichung lösen.
mẍ = F (x) =
d
V (x)
dx
Dafür nutzt man die Energieerhaltung 12 mẋ2 + V (x) = E = const mit den Eigenschaften v(t = t0 ) = v0 und x(t = t0 ) = x0 aus. Für die Energie ergibt sich dann
1
E = mv02 + V (x0 ) ,
2
wobei die Energieerhaltungsgleichung jetzt nach x aufgelöst wird.
r
dx
2(E − V (x))
=±
dt
m
Dies ergibt eine Differentialgleichung 1. Ordnung. Als Lösungsverfahren wird die Trennung der Variablen genutzt.
Z
x(t1 )
±
x(t0 )
Z
1
q
t1
dx =
2(E−V (x))
m
dt
t0
Daraus ergibt sich dann die Relation
Z
x(t)
t − t0 = ±
x0
1
q
dx̃ .
(9)
2(E−V (x))
m
Ein Beispiel dafür ist die Pendelschwingung.
m 2 2
ω x mit x(0) = x0 > 0,
2 0
⇒ E = V (x0 )
Z x
1
p
⇒t = −
dx̃
ω02 (x20 − x̃2 )
x0
V (x) =
14
v(0) = 0
An dieser Stelle substituieren wir mit x̃.
x̃ = x0 cos(ϕ) ⇒ dx̃ = −x0 sin(ϕ)dϕ
Z arccos(x/x0 )
x sin(ϕ)
p0
dϕ
⇒t = +
x0 ω0 1 − cos2 (ϕ)
0
Z arccos(x/x0 )
1
=
dϕ
ω0 0
⇔ x = x0 · cos(ω0 t)
1.4.4
Energieerhaltung: viele Teilchen
Die gesamte kinetische Energie T von N Teilchen ist definiert als
T =
⇒ dt T =
N
X
1
i=1
N
X
2
m~r˙ i2
.
m~r˙i~r¨i =
i=1
N
X
~r˙i F~i
i=1
Für die Kraft und die Arbeit gelten bekanntermaßen
X
F~i =
F~ij (~ri − ~rj ) + F~ext (~ri )
j6=i
Z
t2
und A = T (t2 ) − T (t1 ) =
Z
t2
dt T =
t1
t1
X
~r˙i F~
.
i
Von der konservativen Kraft eines Teilchens F~ext = −∇ V (~ri ) können wir dann auf die
konserative 2–Teilchen–Kraft schließen:
d
F~ij (~ri − ~rj ) = − V (~ri − ~rj )
d~ri
(10)
Unter Beachtung des 3. Axioms folgern wir auf:
X
X dt V ~ri (t) − ~rj (t) =
~r˙i −F~ij + ~r˙j −F~ji
j
⇒E=
j
N
X
1
i=1
2
m~r˙ i2 +
N
X
Vext (~ri ) +
i=1
N
1X
V (~ri − ~rj )
2 i,j=1
i6=j
Dabei gilt dann:
15
(11)
Für konservative Kräfte gilt: dt E = 0
(12)
Zusammenfassung
~ und E zeitlich erhalten. Außerdem gilt selbiges
Für konservative Zentralkräfte sind P~ , L
für die Schwerpunktskoordinate.
~
~
~ − P · t ≡ R(0)
R(t)
M
~ und R,
~
Demnach kommen wir auf 3 + 3 + 1 + 3 = 10 Erhaltungssätze. Je 3 für P~ , L
sowie einen für E. Dies entspricht der Galilei–Gruppe mit 10 reellen Parametern.7
Probleme sind dann analytisch lösbar, wenn sie genau so viele Parameter wie Erhaltungssätze haben.
7
siehe Galilei–Transformationen 1.3
16
2
Spezielle Relativitätstheorie
2.1
Relativitätsprinzip
Zur Erinnerung: In einem Inertialsystem gilt nach den 1. Newtonschen Axiom die
kräftefreie Bewegung auf Geraden. Bei einer Transformation auf ein bewegtes Koordinatensystem müssen die gleichen Gesetze gelten. Allerdings gibt es bei der Galilei–
Transformation Probleme mit der Elektrodynamik nach Maxwell, wenn die Geschwindigkeit v gegen die Lichtgeschwindigkeit c geht. Einstein hat daraufhin die Galilei–
Transformation aufgegeben, jedoch nicht die dahinter stehenden Axiome!
Postulat: Relativitätsprinzip
Alle Naturgesetze haben die gleiche Form in allen Inertialsystemen.8
Wird zwischen zwei Inertialsystemen eine Gerade auf eine andere Gerade abgebildet,
handelt es sich dabei um eine lineare Abbildung.
Notation
Um uns von den Vektoren im dreidimensionalen Raum R3 abzugrenzen, führen wir an
dieser Stelle eine neue Notation ein:
µ
0
1
2
3
x = t, x, y, z = x , x , x , x
mit µ ∈ [0, 3]
Die Transformation sieht dann entsprechend aus:
xµ 7→ x̃µ = Lµν xν + aµ
Nach Einsteinscher Summenkonvention wird über mehrfach auftauchende Indizes
summiert, auch wenn kein Summenzeichen hingeschrieben wird.
Lµν xν ≡
X
Lµν xν
ν
Der Vektor x̃ setzt sich dabei aus zwei Vierervektoren x und a und einer 4 × 4–Matrix
L zusammen:
x̃ = Lx + a
8
Da es keinen Äther im All gibt, gibt es auch kein ausgezeichnetes Koordinatensystem.
17
Beispiel:
t̃ = 7t + 5x + 3y + 7z + 14
Nach unserer neuen Notation entspricht dann 7t dem Vektor L00 , 5x dem Vektor L01 ,
3y entspricht L02 und 7z dann L03 . Zusammen ergeben sie den Vierervektor Lx. Die
14 entspricht dann dem Vierervektor a0 .
Zu bemerken bleibt hierbei, dass wir von der Notation her eine Unterscheidung
zwischen Dreier– und Vierervektoren machen werden. Vierervektoren werden von uns
als xµ oder nur x dargestellt, im Gegensatz zu den Dreiervektoren ~x, ~v etc.
Transformationen
Zu den uns bekannten Transformationen Rotation und Verschiebungen mit Raum und
Zeit kommt nun auch eine weitere Transformation, der sogenannte Boost, einer Transformation auf ein Koordinatensystem (Inertialsystem) mit einer endlichen Geschwindigkeit ~v .
Die Geschwindigkeit hat dabei folgende Eigenschaften:
v = |~v | und v̂ =
~v
|v|
Aufgrund des Boosts fordern wir eine Rotationsinvarianz der Transformation. Wir verwenden hierbei den Ansatz:
t̃ = x̃0 = α1 (v) · x0 + α2 (v) · ~v · ~x
~x̃ = α3 (v) · ~x + α4 (v) · v̂(~v · ~x) + α5 (v) · ~v · x0
Wenn wir uns hier noch einmal die Geschwindigkeit ~v ansehen, stellen wir fest, dass
~x = ~v t auf ~x̃ = 0 abgebildet wird:
⇒ α3 ~v t + α4 v̂(v̂~v )t + α5 (v) ~v t = 0
⇒ α3 + α4 + α5 = 0
Für die Rücktransformation von x̃ nach x nutzen wir, dass wir für den Boost ~v˜ = −~v
verwenden können und daraus |~v˜ | = |~v | folgt.
⇒ x0 = α1 (v) x̃0 + α2 (v) (−~v )~x˜
~x = α3 (v) ~x˜ + α4 (v) v̂ (v̂ · ~x˜) + α5 (v)(−~v ) x̃0
18
Setzen wir die Rücktransformation in die Transformation ein, erhalten wir:
x0 = α1 (α1 x0 + α2~v ~x) + α2 (−~v )(α3~x + α4 v̂(v̂ ~x) + α5~v x0 )
= (α12 − α2 α5 v 2 )x0 + (α2 α1~v + α2 )v̂ + α2 α3 (−~v )x
Wenn wir aus der Rücktransformation verwenden, dass:
α12 − α2 α5 v 2 = 1
α3 = 1
α52 − α5 α2 v 2 = 1
−(α2 (α3 + α4 )) = 0
α5 (α1 + α5 ) = 0
kommen wir auf folgende Lösung für unsere Koeffizienten:
1 − α1
α1 v 2
= 1
α2 =
α3
α4 = α1 − 1
α5 = −α1
Wir sehen, dass es nur noch einen unbekannten Koeffizienten gibt, und zwar α1 ≡ α(v).
Um dieses Problem zu lösen, betrachten wir zwei hintereinander verwendete Boosts:
˜
≈
~v
w
~
I −→ I˜ −→ I
 
 
v
w̃
 
 
˜
mit ~v = 0 und w
~ = 0
0
0
Daraus folgt x̃˜ = L(w̃) = L(w̃)L(v)x, wobei L(u) = L(w̃)L(v) wieder ein Boost sein
soll. Nach einigem Rechnen kommt man darauf, dass dies nur klappt, wenn
1
1 − α2
=
const
≡
−
v 2 α2
c2
gilt. Hierbei ist c nur eine beliebige Variable, sie ist nicht mit der Lichtgeschwindigkeit
zu verwechseln! Somit ist α in Abhängigkeit von v bestimmt:
r
α=
a
≡ γ(v)
1 − (v/c)2
19
2.2
Lorentztransformation
x̃
0
~v~x
0
= γ(v) x − 2
c
~x˜ = ~x⊥ + γ(v) ~xk − ~v x0
(13)
(14)
~xk = v̂(v̂~x)
(15)
~x⊥ = ~x − ~xk
(16)
Dies folgt allein aus dem Relativitätsprinzip und der Rotationsinvarianz. Hierbei ist c
die einzige Unbekannte, für c = ∞ erhalten wir wieder die Galilei–Transformation.
Relativitätsprinzip
Betrachten wir einen Vektor ~v der parallel zu dem Vektor x̂ ist, also ~v k x̂. Wenden wir
hiermit eine Transformation an, wird der Vierervektor wie folgt verändert.
vx t 7→ t̃ = γ t − 2
c
x 7→ x̃ = γ(x − vt)
y 7→ ỹ = y
z 7→ z̃ = z
Für den Fall von c = ∞ erhalten wir die Galilei–Transformation. Es bleibt dabei die
Frage, was c physikalisch ist.
Abbildung 7: Punkte in räumlichem und zeitlichem Abstand
Betrachten zwei Raum–Zeit–Punkte, die wie in Abb. 7 zueinander liegen. Vergleichen
wir quadrierten Abstände miteinander, so kommen wir auf ein konstantes Verhältnis.
(c∆t )2 − (∆~x )2 = (c∆t̃ )2 − (∆~x˜ )2 = const
20
(17)
Daraus wir können schließen, dass es sich bei c um eine Geschwindigkeit handelt.
Nehmen wir nun z. B. an, dass die Differenz der Quadratabstände 0 sei, also
(c∆t)2 − (∆~x)2 = 0 ,
dann folgt
|∆x0 |
|∆x|
=c=
∆t
∆t0
.
Diese Relation gilt in allen Inertialsystemen und daher können wir daraus schließen, dass die Geschwindigkeit c unabhängig vom Bezugssystem sein muss. Michelson und Moreley zeigten experimentell, dass dies für die Lichtgeschwindigkeit
c = 2, 99892458 · 108 ms gilt.
Wir stellen uns nun die Frage, ob c eine große Geschwindigkeit ist. Dazu vergleichen
wir c mit der Geschwindigkeit eines Elektrons ve im Wasserstoffatom. Den Quotienten
aus beiden bezeichnen wir als Feinstrukturkonstante α.
ve
≈ α
c
e2
1
α =
≈
4π0 ~c
137
Wir sehen, dass diese gerade mal 1 Prozent von der Lichtgeschwindigkeit erreicht. Fast
alle Geschwindigkeiten sind langsam im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit, was an
dem niedrigen Wert der Feinstrukturkonstante liegt. Es gibt jedoch auch Ausnahmen.
• Bei einem schweren Atom mit großer Ladung Ze wird α zu Z · α.
• Bei Kernreaktionen ist die Feinstrukturkonstante der starken Wechselwirkung,
αst. WW ungefähr 1.
• Sehr große Massen, wie ein Schwarzes Loch, haben eine hohe Feinstrukturkonstante.
• An Beschleunigern können so hohe Geschwindigkeiten erreicht werden.
Notation
Nachdem wir also die transformationsinvariante Lichtgeschwindigkeit kennen gelernt
haben, passen wir den Ausdruck für die Zeit neu an.
x0 = c t
µ
x = x = ct, ~x
21
Zudem definieren wir den metrischen Tensor,9 der als 4 × 4–Matrix dargestellt wird.


0
0
+1 0


 0 −1 0

0

=
0

0
0
−1


0
0
0 −1
g µν = gµν
(18)
Es gibt einen Unterschied zwischen den Vierervektoren mit dem Index oben bzw. unten! Wir können dies mit dem metrischen Tensor ändern. Zur Erinnerung: Nach der
Einsteinschen Summenkonventionen wird über mehrfach auftretende Indizes summiert.
xµ = gµν xν =
x , −~x
0
xµ xµ = xµ xµ = xµ gµν xν

=
=
+1


x1 , x2 , x3 , x4 


x0
2
2
− ~x
 
x0
 
x1 
−1
 
x 
−1
 2 
x3
−1
≡ x2
x2 ist der verallgemeinerte Abstand, er ist unabhängig vom Bezugssystem. Damit muss
x2 lorentzinvariant sein. Dies bedeutet, dass für zwei Punkte A und B (vgl. Abb. 8)
folgendes gilt.
∆x = xB − xA
falls x0B > x0A :
(∆x)2 = (c∆t)2 − (∆~x)2 > 0
⇒ (c∆t)2 > (∆~x)2
falls x0B < x0A :
zeitartige Abstände
(∆x)2 = (c∆t)2 − (∆~x)2 < 0
⇒ (c∆t)2 < (∆~x)2
raumartige Abstände
Wir können daraus auf folgende Behauptungen schließen:
• A kann B beeinflussen, wenn
(∆x)2 > 0 ⇒
|∆~x |
<c
∆t
.
9
Ein Tensor ist eine multilineare Funktion, die Vektoren auf einen Skalar abbildet.
22
Abbildung 8: Punkte im Minkovski–Raum
• A kann B nicht beeinflussen, wenn
(∆x)2 < 0 ⇒
|∆~x |
>c
∆t
.
Dies bedeutet, dass Informationen können nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden können.
Beweis
Der Beweis folgt aus der Kausalität. Diese bedeutet, dass A nur dann B beeinflussen
kann, wenn es zeitlich vorher geschehen ist. Dies ist äquivalent zu x0B > x0A bzw.
tB > tA .
Sei x0B − x0A > 0 und
∆x
2
< 0 ⇔ ∆x0
2
2
< ∆~x
Seien wir nun in einem bewegtem Koordinatensystem und nutzen einen Boost mit ~v k ~x,
dann gilt (z. B. mit v = c − ε, ε ≪ c):
v
x̃0B − x̃0A > ∆x̃0 = γ ∆x0 − ∆~x < 0
c weil ∆x0 < ∆~x Je nach Koordinatensystem kann B vor A oder A vor B liegen. Aus der Kausalität
und dem Relativitätsprinzip folgt, dass sich diese Ereignisse jedoch nicht beeinflussen!
23
Poincaré–Gruppe (inhomogene Lorentzgruppe)
Die Poincaré–Gruppe ist eine Gruppe der affinen Transformationen
x 7→ x̃ = Λ x + a ,
die den verallgemeinerten Abstand (xB − x)2 invariant lassen.
Diese beinhalten die Translation in Raum und Zeit, Drehung im Raum und die Boosts,
die durch die Lorentztransformationen dargestellt werden. Somit erhalten wir wieder
10 kontinuierliche Transformationen.
Die Zeitumkehr T und die Inversion (Raumspiegelung) P gehören ebenfalls dazu,
ebenso wie alle Kombinationen daraus.


0
0
−1 0


 0 +1 0

0
0
0

T : x 7→ −x ≡ Λ = 
0

0
0
+1


0
0
0 +1


0
0
+1 0


 0 −1 0
0
P


P : ~x 7→ −~x ≡ Λ = 
0 −1 0 

0
0
0
0 −1
Hierzu gibt es eine Untergruppe L↑+ , die eigentlichen10 orthochronen11 Lorentztransformationen. Diese sind die Poincaré–Gruppe ohne die Zeit– und Raumspiegelung.
Postulat der speziellen Relativitätstheorie:
Naturgesetze sind invariant unter der Gruppe L↑+ .
Dies ist für alle Naturgesetze – ohne die Gravitation – gültig.
Notation
• αµ : kontravarianter Vektor
transformiert unter der Lorentztransformation (ohne Translation) wie xµ .
xµ 7→ Λµν xν = x̃µ
αµ 7→ Λµν αν = α̃µ
10
11
det{Λ} = 1
∀t > 0 : t 7→ t̃ > 0
24
• αµ : kovarianter Vektor
αµ = gµν αν = α0 , −α1 , −α2 , −α3
αµ 7→ α̃µ = Λµν αν
• Verschiebung von Indizes erfolgt mit dem metrischen Tensor.
g µν = gµν :
0
0
0
Λµν = gµµ0 Λµ ν = gµµ0 Λµν 0 g ν ν
• Vorteil: Lorentzinvarianz ist leicht sichtbar:
αµ βν 7→ α̃µ β̃ν
gilt falls
αµ 7→ Λµν αν
und β µ 7→ Λµν β ν
Nun können wir die Einsteinsche Summenkonvention konkreter formulieren: Über mehrfach auftretende Indizes wird genau dann summiert, wenn sie bei kovarianten und kontravarianten Vektoren auftreten.
Beispiel: Boost in x-Richtung
− 1
Mit β = vc und γ = 1 − (v/c)2 2 gilt:


γ(x0 − βx1 )
 1

γ(x − βx0 )

x̃ = 


2
x


3
x

γ
−γβ

−γβ
β
Λµν = 

1

25






1
Wir wollen die Rapitität als cosh(η) = γ und sinh(η) = −βγ definieren. Zunächst
überprüfen wir, ob dies möglich ist.
1 = cosh2 (η) − cosh2 (η)
= γ 2 − (βγ)2
1
=
(1 − β 2 )
1 − β2
= 1
Da dies nun bewiesen ist, folgern wir
0
!
xµ xν = Λµν xν Λµν xν 0 = xν xν
⇔ Λµν Λµν
0
= δν ν
0
0
0
⇔ Λµν Λµν gµ0 ν 0 = δνν gµ0 ν 0 = gµ0 ν
00
⇔ Λµν gµµ00 Λµν 0 = gµ0 ν
,
was wir in Matrixschreibweise als
Λ T gΛ = g
(19)
schreiben können. Wenn diese Bedingung gilt, dann lässt Λ g invariant. Wenden wir
Λ auf unsere Metrik g an.
Λ T gΛ =
=
=
!
!
1 0
cosh(η) sinh(η)
0 −1
sinh(η) cosh(η)
!
cosh2 (η) − sinh2 (η)
0
0
sinh2 (η) − cosh2 (η)
!
1 0
0 −1
cosh(η) sinh(η)
sinh(η) cosh(η)
!
Wir wollen nun prüfen, ob die Metrik auch für die Rotation erhalten bleibt. Unsere
Matrix Λ hat dann die Form


1



cos(η) sin(η) 

 .
Λ=

−
sin(η)
cos(η)


1
26
Für die Rechnung folgt dann
Λ T gΛ =
=
cos(η) − sin(η)
sin(η) cos(η)
!
1 0
.
0 −1
!
!
!
1 0
cos(η) sin(η)
0 −1
− sin(η) cos(η)
An dieser Stelle bleibt zu bemerken, dass die Rotation R eine 3 × 3–Matrix ist. Somit
gilt für sie
R T 1R = 1 .
2.3
2.3.1
Relativistische Phänomene
Zeitdilatation und Eigenzeit
Betrachten wir zwei Uhren A und B mit der Relativgeschwindigkeit ~v = (v, 0, 0) T im
Bezugssystem, in dem A ruht, können wir ihren Verlauf in Raum und Zeit wie in Abb. 9
darstellen.
Abbildung 9: Uhren in Relativgeschwindigkeit zueinander
Die Koordinaten der beiden Uhren sehen dann im Bezugssystem von A folgendermaßen
aus.
xµA = (ct, 0, 0, 0)
xµB = (ct, vt, 0, 0)
Wechseln wir nun das Bezugssystem, so dass B ruht und sich A relativ dazu bewegt.
x̃0 = γ x0 −
1
x̃ = γ x1 −
v 1
x ,
c v 0
x ,
c
x0 = γ x̃0 +
1
x = γ x̃1 +
27
v 1
x
c v 0
x
c
Wir wenden dies nun auf B an, wobei ct =
p
1 − β 2 ist.
v x̃1B = γ vt − ct = 0
c
v 1 − β2
x̃0B = γ vt − ct = p
c
1 − β2
ct ≡ cτ
τ bezeichnet hierbei die Eigenzeit, also die Zeit im Koordinatensystem, in dem B
ruht. Diese Zeit wird von der Uhr B angezeigt. Die dazu bewegte Uhr geht um den
p
Faktor 1 − β 2 < 1 langsamer. Für eine beliebige Trajektorie ~rB (t) mit einer nichtkonstanten Geschwindigkeit ~v (t) gibt es einen differentiellen Ausdruck:
dτ =
p
1 − β 2 dt ≤ dt
(20)
Wichtig ist, dass die Eigenzeit unabhängig vom Bezugssystem ist. Formal haben wir
also:
2
(c dτ )2 = c(1 − β 2 )dt = (c dt)2 − (dx)2 = dxµ dxµ
Wir haben an dieser Stelle verwendet, dass wir dx auch als v dt umschreiben können.
Beispiel
Betrachten wir die Halbwertszeit von ruhenden Myonen mit der Eigenzeit 1, 5 µs = tµ1/2 .
Ohne die Zeitdilatation wäre die Reichweite von Myonen gerade einmal bei c·1, 5 µs =
450 m und wir würden sie hier unten auf der Erde gar nicht messen können. Nehmen
wir nun an, dass die Myonen sich mit 99, 99% der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Für
ihre Halbwertszeit ergibt sich dann
1, 5 µs
tµ1/2 = p
= 1, 5 µs · 22 .
1 − β2
Diese wesentlich höhere Halbwertszeit bedeutet, dass selbst Teilchen, die in 10 km Höhe
erzeugt werden, noch die Erde erreichen.
Wenn wir uns in Bezugssystem A aufhalten, bewegt sich B langsamer und wenn wir
uns im Bezugssystem B aufhalten, so ist A langsamer. Dieses scheinbare Paradoxon
lässt sich aber leicht auflösen. Zunächst formulieren wir das Problem genauer: „Bei
gleichzeitigem Ablesen der Uhren ist B langsamer als A.“
Das Wort gleichzeitig hängt dabei aber vom jeweiligen Bezugsystem ab. Graphisch
kann man dieses bezugssystemabhängige „gleichzeitig“ darstellen wie in (Abb. 10).
28
Abbildung 10: Uhren in Relativgeschwindigkeit zueinander
Am Pfeil der Uhr B ist eine Differenz zwischen t und t̃ zu sehen. Dabei schneidet t den
Graphen vor t̃. Das bedeutet, dass aus Sicht von B die Zeit t vor der Zeit t̃ vergangen
ist. Aus der Sicht von A verhält es sich jedoch genau umgekehrt.
2.3.2
Längenkontraktion
Bewegt sich B mit der Geschwindigkeit ~v = (v, 0, 0) im Ruhesystem von B, gilt für
seinen Ort:
x̃1 = γx1
Die Änderung dieser Länge ∆x1 wird von A aus dann folgendermaßen gemessen:
∆x1 =
p
∆x̃1
= ∆x̃1 1 − β 2 ≤ ∆x̃−1
γ
Dies bedeutet, dass bewegte Systeme ihre Länge in Bewegungsrichtung kontrahieren.
Um das Beispiel von eben wieder aufzugreifen, betrachten wir nocheinmal das Myon.
Wenn es sich mit 99, 9% der Lichtgeschwindigkeit bewegt, war seine Halbwertszeit eben
um den Faktor 22 länger. Das bedeutet, dass die Strecke, die es zurücklegt, aus seiner
sich um das 22–fache kürzer ist als zuvor.
2.4
Energie und Impuls
Wie kann man die Kraft F~ und den Impuls p~ relativistisch darstellen?
Um dieses Problem zu lösen, suchen wir einen „passenden“ 4er-Vektor. Dabei nutzen
wir, dass dxµ ist ein 4er–Vektor ist.
29
Da wir dt so nicht verwenden können, nutzen wir die entsprechende lorentzinvariante
Eigenschaft
p
1 − β 2 dt
dτ =
dxµ
⇒
= 4er–Vektor ,
dτ
p~ = m0
d~v
=
dt
Impuls
.
Mit diesem passenden Vektor ergibt sich also:
pµ = m0
dxµ
dτ
(21)
Für ein ruhendes Teilchen können wir annehmen, dass:
dct
dx0
=
=c
t = τ
dt dτ
pµ = m0 c, 0, 0, 0
Ein bewegtes Teilchen hat dagegen:
dτ =
p
1 − β 2 dt
pµ = γ(m0 c, m0~v )
m0 c
1
p0 = γm0 c = p
≈ m0 c + m0 β 2 + . . .
2
2
1−β
1
1
≈
m0 c2 + m0 v 2 + . . .
c
2
Wir können dies für den Fall v c annehmen. In dieser Annäherung sehen wir bereits
die nichtrelativistische kinetische Energie E = 12 m0 v 2 .
Wir vermuten für den Impuls:
p0 c = E
(Energie)
Daraus folgern wir für den Viererimpuls
µ
p =
E
, p~
.
c
(22)
Wir können dann aus dem relativistischen Impuls für v = 0 auf folgende Relation
schließen:
2
E
p pµ =
− p~ 2 ≡ (m0 c)2
c
µ
30
Dabei bezeichnet m0 die Ruhemasse. Für die Energie ergibt sich dann:
q
E = (m0 c2 )2 + (pc)2
(23)
Wir können die Energie noch Taylorentwickeln und kommen dann ungefähr auf den
Term:
p2
m0 c +
+ O(p4 )
2m
2
Bemerkung
Die Ruheenergie m0 c2 ist eine sehr große Größe.
Der Brennwert von 1 l Öl entspricht ca. 4 µg. Der Energieverbrauch in ganz Deutschland in einem Jahr liegt dann ungefähr bei 130 kg.
Die Energie, die benötigt wird, um auf eine Geschwindigkeit v zu beschleunigen, berechnet sich dann so:
m0 c2
− m0 c2
−∆E(v) = p
1 − β2
Der Wert geht gegen unendlich, je weiter sich v an c annähert.
31
3
3.1
Lösungen der Newtonschen Gleichungen
Eindimensionale Bewegungen
Wir haben die Differentialgleichung mẍ = F (x), wobei F (x) durch ein Potential dargestellt werden kann. Es handelt sich hierbei um eine gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Um diese eindeutig lösen zu können, nutzen wir die
Anfangsbedingungen x0 und ẋ0 . Zudem gilt die Energieerhaltung.
x(t0 ) = x0
ẋ(t0 ) = ẋ0
1
mẋ2 + V (x)
E =
2
p2
=
+ V (x)
2m
= const
Wir haben also einen Freiheitsgrad und einen Erhaltungssatz. Wir können diese DGL
demnach folgendermaßen lösen.
Z
x(t)
x(t0 )
1
q
2
(E
m
r
dx
2
= ±
(E − V (x))
dt
m
Z t
0
dx =
dt 0
− V (x0 ))
t0
Abbildung 11: Für 0 < E < Emax gibt es eine oszillatorisch gebundene Lösung x(t).
32
Der Phasenraum
Oft ist es nützlich, die Bewegung in einem (x, p)–Diagramm darzustellen. Den Raum,
in dem wir Ort– und Impulsraum eines Teilchens zusammenfassen, nennen wir Phasenraum.12
Dies bedeutet, dass in einem System von N Massepunkten die Koordinaten aller
Punkte in durch einen Punkt ausgedrückt werden. Das gleiche wird mit den Impulsen
gemacht. Kombiniert man nun den Ortsraum und den Impulsraum zu einem Raum,
ergibt das den Phasenraum. In diesem werden die Positionen und die dazugehörigen
Impulse beschrieben. Hierzu wird der Impuls als Funktion des Ortes dargestellt.
Abbildung 12: Der Phasenraum zu dem Potential in Abb. 11 links. Die schwarze Kurve
wird von einem Teilchen mit E = Emax beschrieben, die roten Kurven durch Teilchen
mit E > Emax , die blauen durch Teilchen mit E < Emax
2
p
+ V (x) definieren also die Linien in unserem Phasenraum. Für
mẋ = p und E = 2m
ein festes E nahe am Minimum ergibt sich dann
1 2
Dx
2
p2
1
E ≈
+ Dx .
2m 2
V (x) ≈
Befinden wir uns am Maximum von E, sehen wir in Abbildung 12, dass
E = Emax
x = xmax
V (x) = Emax − α(x − xmax )2
12
Dieser wird im Rahmen der Hamiltonischen Mechanik (5) noch ausführlicher behandelt.
33
gilt. Insgesamt folgt daraus, dass wir für den Impuls und die Kinetische Energie im
Phasenraum
1
p2
=
α(x − xmax )2
2m
2
p = ±mα(x − xmax )
schreiben können
Schwingungsdauer der gebundenen Lösungen
Als Startbedingung für unsere DGL haben wir x(0) = 0, v(0) = v0 und E = 12 mv02 .
Den rechten Umkehrpunkt der Schwingung erreichen wir für E = V (xu ) nach einer
Zeit T1 , wobei für diese gilt:
Z
T1 =
0
xu
1
q
1
(V
2
(xu ) − V
dx0
(x0 ))
Um dieses Problem zu lösen, machen wir nun eine Fallunterscheidung. Im ersten Fall
betrachten wir kleine Startgeschwindigkeiten v0 und einen daraus folgenden kleinen
Umkehrpunkt xu . Wir können das Potential über eine Taylorentwicklung um 0 ausdrücken
1
V (x) ≈ V (0) + V 00 (0) x2 +
2
1
x
=
D x2 (x2 + ) + O
2
c
1
V (xu ) =
m v02 = E
2
m
⇒ xu = v0 + O v02 .
D
34
1 000 3
V x + ...
6
x4
Verwenden wir diese Näherung und nutzen die Substitution x0 = xu y, dx0 = xu dy, so
ergibt sich für die Schwingungsdauer T1
Z
xu
T1 =
0
1
q
m xu
p
=
D x2u
T1
T1
D
m
Z
dx
1
2
0
2
3
03
xu − x + c (xu − x )
1
0
1
1
·r
dy
1 − y2
0
xu 1−y 3
1 + c 1−y
r Z π
xu 1 − sin3 (ϕ)
m
cos(ϕ)
p
1−
·
dϕ
=
D 0
2c 1 − sin(ϕ)
1 + sin2 (ϕ)
!
r
Z π
m π 1 xu 2 1 − sin3 (ϕ)
≈
− ·
dϕ
D 2 2 c 0 1 − sin2 (ϕ)
!
r
r
m
2 2E 1
=
1−
· + O(E)
.
D
π D c
p
Rπ
3 (ϕ)
Das Integral 02 1−sin
dϕ ergibt dabei den Wert 2 und O(E) entspricht O(v02 ). Ins1−sin2 (ϕ)
gesamt ist hier E = 21 Dx2u .
Wir gehen analog vor, wenn wir vom Minimum zum rechten Umkehrpunkt wollen. Hier
ergibt sich für die Schwingdauer T2
r
T2 =
2
mπ
1+
D2
π
r
!
2E 1
+ O(E)
.
D c
Die Oszillationsfrequenz ω ist dann
2π
2(T1 + T2 )
r
D
=
+ O(E) .
m
ω =
Im zweiten Fall betrachten wir große Auslenkungen, d. h. E ≤ Emax und xu ≤ xmax .
Nahe dem Maximum gilt
1
V (x) ≈ V (xmax ) + V 00 (xmax )(x − xmax )2 + . . .
2
α
= Emax − (x − xmax )2 + . . .
2
α
⇒ E − V (x) = V (xu ) =
(x − xmax )2 − (xu − xmax )2
2
α
=
(x − xu )2 + 2(xmax − xu )(xu − x) .
2
35
Für die Schwingungsdauer T1 können wir dann das Integral als
xu
Z
T1 =
0
x1
Z
1
q
=
0
2
(V
m
1
+
...
dx0
(xu ) − V
Z
xu
x1
(x0 ))
1
...
schreiben.
Wir wählen ein x1 , das nah genug an xu liegt, so dass wir hier problemlos taylorentwickeln können. Das Integral von x1 zu xu nennen wir T̃1 . Um es zu berechnen, verwenden
wir die Substitution xu − x = y:
Z
T̃1 =
0
Z
x1
1
q
xu −x1
≈
0
2
(V
m
(xu ) − V (x0 ))
1
dy
pα p 2
· y + 2(xmax − xu )y
m
Für den Fall, dass der Umkehrpunkt dem Maximum entspricht, also xu = xmax , ist
E = Emax und das Integral divergiert:
Z
xu −x1
0
1
dy = ∞
y
Wir können daraus schließen, dass das Maximum für E = Emax nie erreicht wird. Für
den Fall, dass xmax − xu wesentlich kleiner ist als y ist, können wir sagen, dass
(xmax − xu ) y
⇒ y 2 + 2(xmax − xu )y ≈ y 2
Für T̃1 erhalten wir dann
r
T̃1 ≈
Z
m
α
Z
xu −x1
xmax −xu
xu −x1
=
1
dy
y
1
p
2y(xu − x1 )
r
m
xu − x1
=
ln
.
α
αu − α1
0
36
.
3.2
Lineare DGL und Greensche Funktion
Wir wollen eine Lösung für den harmonischen Oszillator mit einer beliebigen Kraft
F (x) zu finden. Für diese Kraft gilt
F (x) = mẍ0 + mω02 x = F (t) .
Die lineare DGL der Form Lx = F , wobei L ein Operator ist, bildet die Funktion x(t)
auf mẍ0 + mω02 x(t) ab. Die Eigenschaft von L ist dabei
L(ax1 (t) + bx2 (t)) = aLx1 (t) + bLx2 (t) .
Um diese DGL zu lösen, zerlegen wir F (t) in einfache Funktionen, wie z. B. F (t) =
P
n an exp(iω1 t), also mit Hilfe der Fourierzerlegung.
F (t) =
X
αn δ(t − t1 )
n
Z
=
F (t0 )δ(t − t0 )dt0
Wir zerlegen hier also die DGL in einzelne Kraftstöße. Zur Erinnerung: δ(t) ist eine
Distribution, die durch
Z
δ(t)g(t)dt = g(0)
(24)
definiert ist.
Abbildung 13: Die Verteilung der Werte in der δ–Distribution
Wie in Abbildung 13 zu sehen ist, bezeichnet a die Breite des Peaks und g(t) eine
stetige Funktion. Wir können die Distribution beispielsweise durch den Grenzwert
δ(t) = lim δa (t)
a→0
x 2 1
√
mit δa (t) = exp −
a
a π
37
definieren.
Definition:
Die Greensche Funktion G(t) ist die Lösung der Gleichung LG = δ(t) mit der
Randbedingung G(t) = 0 für t < 0. Damit ist Lx = F (t) einfach lösbar.
Z
x(t) =
F (t0 )G(t − t0 )dt0
(25)
Die Lösung für beliebige F (t) erhalten wir also durch Integration. Um an dieser Stelle weiter zu kommen, zerlegen wir F (t) in einfache Funktionen und sagen, dass L
zeitunabhängig ist. Die Frage ist jetzt, wie sieht G(t) aus? Wir nutzen dafür, dass
mẍ0 + mω02 x = δ(t) ist. Für t < 0 gilt
x(t) = 0
⇒ x(t → 0) = 0 .
Für t > 0 gilt demnach
x(t) = a cos(ω0 t) + b sin(ω0 t)
x(t → 0) = 0 ⇒ a = 0
⇒ x(t) = b sin(ω0 t)
⇒ ẍ(t) = ω0 b cos(ω0 t) .
Abbildung 14: Die Geschwindigkeitskurve mit der Amplitude ω0
Wir sehen in Abbildung 14, dass die Geschwindigkeit des Teilchens um den Faktor ω0
gestreckt ist. Die Frage ist nun, wie wir die Beschleunigung annähern können.
ẍ(t) = ω0 bδ(t) + endliche Terme
38
Abbildung 15: Ableitung vom Sprung in der δ-Funktion
Wir stellen fest, dass wir zwischen den Funktionen f (t) und f 0 (t) eine Art Sprung
haben, den wir als a bezeichnen (Abbildung 15). Dieser Sprung stammt von der δDistribution. Es geht jetzt darum a genauer zu bestimmen.
Z
t
f 0 (t0 )dt0
f (t) =
−1
0
= f (t)
= δ(t) f () − f (−)
Wir definieren uns für das Integral ein ausreichend kleines , so dass, wenn t → die
Funktion f () wird und für t → − ebenfalls die Form f () hat. Wir sagen dann:
Θ0 (x) = δ(x)
Für t → 0 ergibt sich dann
sin(ω0 )bδ(t) + mω02 x = δ(t)
mẍ + mω02 x = δ(t)
1
⇒b =
mω0
.
Insgesamt können wir also darauf schließen, dass die Greensche Funktion die Form
G(t) = Θ(t)
1
sin(ω0 t)
mω0
hat, wobei Θ(t) = 1 ist für t > 0 und Θ(t) = 0 für t < 0.
3.3
Lösbarkeit Newtonscher Gleichungen
Bei N gegebenen Teilchen ~x1 , . . . , ~xN haben wir 3N DGL 2. Ordnung. Mit der Anfangsbedingung ~xi (t0 ) = ~xi0 und den Indizes i, j = 1, . . . , N haben wir
¨
˙
~
mi~xi = Fj ~xj , ~xj
~x˙ i (t0 ) = ~vi0
39
.
Dies ist umformbar in 6N DGL 1. Ordnung.
P~i
mi
= F~i (xj , Pj )
~x¨i =
(26)
˙
P~i
(27)
Alternativ kann dies mit einem Vektor~x mit 6N Komponenten dargestellt werden.


x~1
 
 p~1 
 

~x = 
. . .
 
x~N 
p~N
~
⇒ ~x˙ = K(x)
(28)
Eindeutigkeitssatz für gewöhnliche DGL
~
Es sei X(x)
bezüglich ~x ∈ Γ differenzierbar. Dann gibt es zu jedem Punkt z ∈ Γ eine
Umgebung U und ein Zeitintervall I mit t0 ∈ I derart, dass es für alle t0 ∈ U genau
eine Kurve ~x(t) mit t ∈ I gibt, für die
~x(t) = K(x(t)) und
~x(0) = ~x0
~x(t)
3.4
gelten sowie
bezüglich x0 → t differenzierbar ist .
Numerische Lösungsverfahren
~ ~x ), so ist diese transforBringt man die Newton–Gleichung auf die Form ~x˙ (t) = K(t,
mierbar.
In der Numerik diskretisieren wir die Zeit t mit tn = n·∆ t . Über das Eulerverfahren
bestimmen wir dann den Ort für den nächsten Zeitschritt mittels
~x(tn+1 ) = ~x(tn ) + ∆t~x˙ (tn )
= ~x(tn ) + ∆t · K(tn , ~x(tn )) .
Wir können in der Abbildung 16 sehen, dass wir pro Schritt den Fehler O((∆ t)2 )
erhalten. Auf die gesamte Funktion bedeutet das, dass wir den Fehler O(∆ t) nach ∆t t
Schritten haben. Wir sollten deshalb dieses Verfahren nie verwenden.
40
Abbildung 16: Schrittweise Annäherung des Funktionsgraphen
Eine bessere Möglichkeit das Problem zu lösen bietet das Mittelpunktsverfahren.
~ n , ~x(tn ))
∆ x1 = ∆t · K(t
∆t
∆x1
~
∆ x2 = ∆t · K tn +
, ~x(tn ) +
2
2
~x(tn+1 ) = ~x(tn ) + ∆~x2
t
Bei diesem Verfahren haben wir pro Schritt den Fehler O(∆t)3 ), der sich nach ∆t
Schritten zu O((∆t)2 ) korrigiert.
Noch bessere Verfahren sind das Runge–Kutta–Verfahren mit 4 Stützstellen und
einem Fehler von O((∆t)4 ) oder adaptive Algorithmen mit variablem ∆t. Wir kommen
damit auf sehr genaue Lösungen für viele Teilchen in einer kurzen Zeitspanne, jedoch
nicht auf Vorhersagen für Langzeitverhalten in chaotischen Systemen.
3.5
Zwei–Körper–Probleme
Vernachlässigen wir den Mond und die anderen Planeten, haben wir zwischen Sonne
und Erde ein zwei–Körper–Problem.
m1~r¨1 = F~1 2 (~r1 − r~2 )
m2~r¨1 = F~2 1 (~r1 − r~2 )
Wir verwenden, dass F~1 2 (~r ) = −∇V (r) ist und das 3. Newtonsche Axiom, F~1,2 =
−F~2,1 , gilt. Im Falle der Gravitation nimmt das Potential die Form
m1 m2 G
, mit
|~r |
m2
G = 6.67 · 10−11
,
kg s2
V
= VG (r) =
an.
41
Beachte
Wichtig ist an dieser Stelle zu bemerken, dass mi im Gravitationspotential die schwere
Masse ist und in der Newton–Gleichung die träge Masse, beide sind jedoch identisch.
Hierauf wird näher in der allgemeinen Relativitätstheorie eingegangen.
Betrachten wir zudem die Coulombkraft, sehen wir, dass ihr Potential die Form
V
=
q1 q2
4π0 |~r |
hat. Bilden wir den Quotienten beider Potentiale, so erhalten wir
VG
m1 m2
=
G4π0
VC
q 1 q2
.
Für ein Proton und ein Elektron bedeutet dies, dass der Wert ca. bei 10−36 liegt. Warum
die Gravitation F~G = −∇VG so schwach ist, ist unbekannt. Jedoch können wir sagen,
dass FG rein additiv ist. Das bedeutet, dass sich FC in astronomischen Skalen aufhebt,
FG aber nicht. Die Gravitation zwischen zwei astronomischen Objekten ist daher nach
wie vor messbar.
Lösung für beliebiges Potential
Wählen wir nun ein beliebiges Potential. Es gilt, die 6 DGL 2. Ordnung bzw. die 2
DGL 1. Ordnung zu lösen. Wir nutzen dabei die 10 Erhaltungssätze durch die Wahl
geeigneter Koordinaten.
1. Nutzen von Impulserhaltung und Schwerpunktsbewegung
~ 0 (t) = R
~ 0 + P~ t, wobei R
~ =
Wir nutzen, dass R
M
und ~r = ~r1 − ~r2 die Relativkoordinate sind.
Die Frage ist jetzt, was ~r1 ist.
m1 ~
r1 +m2 r~2
m1 +m2
die Schwerpunktsbewegung
~r1 = ~r + ~r2
m
~
r
~ − 1 1 = m2~r2
R
M
M
~ − m1 r~1
MR
⇔ ~r2 =
m2
~ − m1~r1
MR
⇒ ~r1 = ~r +
m2
!
−1
~
m1
MR
⇔ ~r1 =
−1
· ~r +
m2
m2
42
Wir können also nach diesen einfachen Rechenschritten sagen, dass ~r1 und ~r2 folgendermaßen dargestellt werden können.
~ + m2 ~r
~r1 = R
M
m1
~
~r2 = R −
~r
M
Für die zweifache zeitliche Ableitung ergibt sich dann, zusammen mit der reduzierten
Masse µ, folgende Relation.
1 ~
1 ~
−F (~r )
F (~r ) −
m
m
1
2
1
1 ~
=
+
F (~r )
m1 m2
1~
=
F (~r )
µ
~r¨ = ~r¨1 − ~r¨2 =
Für die reduzierte Masse µ gilt dabei
1
1
+
µ =
m1 m2
m1 m2
=
,
M
−1
wobei M die Summe aller Massen mi ist. Wir haben damit das Problem um 3 Koordinaten erleichtert und aus 3 DGL 2. Ordnung 6 DGL 1. Ordnung gemacht.
µ~r¨ = F~ (~r )
2. Nutzung der Drehimpulserhaltung
Der Drehimpuls in unserem Zweikörperproblem sei gegeben durch
~ = ~r1 × p~1 + ~r2 × p~2
L
~ + m2 ~r1 × m1~r˙1 + R
~ − m1 ~r2 × m2~r˙2
= R
M
M
~ × P~ + ~r × µ ~r˙1 − ~r˙2
= R
~ × P~ + ~r × p~ .
= R
Wichtig zu bemerken ist, dass p~ = ~r˙1 − ~r˙2 und P~ = p~1 + p~2 ist.
43
(29)
Abbildung 17: Orthogonalität von Drehimpuls und Ortsvektor
~
~ = ~r × p~. Auffällig ist
Im Schwerpunktsystem wird für R(t)
= 0 der Drehimpuls zu L
~ und ~r(t) null wird, d. h. sie stehen orthogonal
hierbei, dass das Skalarprodukt von L
zueinander, wie in Abbildung 17 zu sehen ist.
~ · ~r(t) = 0
L
~
⇔ ~r(t) ⊥ L
Führen wir nun die Polarkoordinaten in der Ebene orthogonal zum Drehimpuls ein
und drehen das Koordinatensystem derart, dass der Drehimpuls parallel zum
êz –Einheitsvektor ist, ergeben sich folgende Koordinaten.


cos(ϕ)


~r = r sin(ϕ) 
0




− sin(ϕ)
cos(ϕ)




~r˙ = ~r˙  sin(ϕ)  + ϕ̇ cos(ϕ) 
0
0
= ṙêr + rϕ̇êϕ
Abbildung 18: Einheitsvektoren in Polarkoordinaten
44
Für den Drehimpuls schreiben wir dann
~r × p~ = ~r × µ~r˙
= µr2 ϕ̇êz
!
= Lêz
.
⇒ µr2 ϕ̇ = L = const
(30)
Wir können die Kraft demnach wie folgt schreiben.
µ~r¨ = µr̈êr + 2µṙêϕ + µrϕ̈êϕ − µrϕ̇2 êr
F~ (~r ) = F (r) · êr
i
h
2
= µ r̈ − rϕ̈ êr + (2ṙϕ̇ + rϕ̈)êϕ
Um zu überprüfen, dass dies so auch korrekt ist, vergleichen wir nun die Vorzeichen.
!
⇒ r(2ṙϕ̇ + rϕ̈) = 0
F (r) =
r̈ − rϕ̇2 µ
⇔ dt (µr2 ϕ̇) = L̇ = 0
Wir verwenden dabei, dass ϕ̇ =
L
µr2
ist.
⇒ F (r) = µr̈ −
L2
µr3
Wir haben unser Problem hiermit also von insgesamt 12 DGL 1. Ordnung auf 3 DGL
1. Ordnung reduziert.
L2
µr̈ = F (r) + 3
µr
2
L = µ r(t) · ϕ̇ t = const
45
(31)
(32)
3. nutze Energieerhaltung
Wir drücken zunächst unsere kinetische Energie T mithilfe von Schwerpunktskoordinate und Relativkoordinate aus.
1
1
m1~r˙12 + m2~r˙22
2
2
1 ~˙ 2
1 ~˙ m1 m2 ˙ ˙ 1 ˙ 2 m1 m2
=
MR + 2 · R
~r − ~r + ~r
(m1 + m2 )
2
2
M
2
M2
1 ~˙ 2 1 ˙ 2
M R + µ~r
=
2
2
T =
In Polarkoordinaten ausgedrückt ergibt dies
1 ~˙ 2 1 2 1 2
T = MR
+ µṙ + µϕ̇
2
2
2
.
1 2 1 L2
µṙ +
+ V (r)
2
2 µr3
1 2
⇔E =
µṙ + Veff (r)
2
1 L2
+ V (r)
Veff (r) =
2 µr3
E =
(33)
(34)
(35)
Das effektive Potential ist dabei das Zentrifugalpotential. Lösen wir nun nach ṙ und
ϕ̇ auf.
2
ṙ = ±
E − Veff (r)
µ
−1
ϕ̇ = L µr2 (t)
(36)
(37)
Nun haben wir nur noch 2 DGL 1. Ordnung. Die Lösung unseres Anfangsproblems
lautet also
Z
r(t)
t − t0 =
r(t0 )
Z t
ϕ(t) − ϕ(t0 ) =
t0
2
E − Veff (r0 )
µ
L
dt0
µr(t0 )2
− 21
,
woraus wir die Gleichungen r(t) und ϕ(t) bestimmen können.
46
dr0
(38)
(39)
Es bleibt noch die Frage, was r(ϕ) ist. Wir leiten dafür r ϕ(t) zeitlich ab.
dr
ϕ̇ = ṙ
dϕ
r
ṙ
µr2 2
dr
=
=
E − Veff (r)
⇒
dϕ
ϕ
L
µ
dt r ϕ(t)
Z
r(ϕ)
⇒
r(ϕ0 )
=
L
q
2
µ
0
Z
ϕ
dr =
E − Veff (r) · µr2
dϕ0 = ϕ − ϕ0
(40)
ϕ0
Abbildung 19: Das effektive Potential Veff (links) und die Bewegungskurve für E < E∞
(rechts). Veff setzt sich aus dem tatsächlichen Potential V und einem Drehimpulsanteil
zusammen.
Wir haben bis jetzt das Zwei–Körper–Problem von 12 DGL 1. Ordnung in 2 DGL 1.
Ordnung vereinfacht. Die qualitative Form der Lösung für ein attraktives Potential
wird in Abbildung 19 dargestellt.
Wir können die Änderung des Winkels zwischen einem minimalen und einem maximalen Abstand der Körper berechnen, indem wir über r integrieren.
Z
rmax
∆ϕ =
rmin
dr
p
2µ(E − Veff (r))
n
Genau dann, wenn ∆ϕ = m
2π (mit n, m ∈ Z), ist die Bahnkurve um den Schwerpunkt
eine Ellipse. Ansonsten gibt es eine komplexe Bahn, wie beispielhaft in Abbildung 20
dargestellt.
47
Abbildung 20: Für kleine ∆ϕ ist rote Kurve fast geschlossen. Für irrationale ∆ϕ wäre
die Fläche vollständig von der roten Kurve überstrichen. Nur mit ∆ϕ = 0 ist die Kurve
eine Ellipse (blau).
Abbildung 21: Die Planetenbahn um die Sonne (links) und die Darstellung von Keplers
zweitem Gesetz (rechts).
3.6
Keplerproblem
Unser Potential sei nun durch V (r) = − kr gegeben. Für die Gravitation gilt somit
q1 q2
k = m1 m2 G, für die Coulombwechselwirkung k = − 4πε
, allerdings sind auch andere
0
Potentiale möglich.
Kepler stellte aufgrund seiner Beobachtungen drei Gesetze auf:
1. Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren Fokalpunkt die Sonne
ist. (siehe Abbildung 21)
2. Der Fokusstrahl, d. h. der Radiusvektor, überstreicht in der gleichen Zeit die
gleiche Fläche. (siehe Abbildung 21)
3. Die große Halbachse a und die Umlaufdauer T hängen wie folgt zusammen:
a3 = T 2 · const
Ellipsen
Hier muss nun kurz erklärt werden, was eine Ellipse ist. Es gibt zwei Möglichkeiten,
eine Ellipse zu definieren. In Abbildung 22 wird dies dargestellt.
48
Abbildung 22: Die Definition einer Ellipse anhand der Halbachsen (links) bzw. anhand
der Radien (rechts).
1. Für die große Halbachse a und die kleine Halbachse b gilt.
x2 y 2
+ 2 =1
a2
b
2. Für jeden Punkt ist die Summe der Radien gleich. Ein Radius ist der Abstand
zu einem der beiden Fokalpunkte.
r1 + r2 = 2a
In Polarkoordinaten mit dem Fokalpunkt F1 im Ursprung kann eine Ellipse folgendermaßen dargestellt werden:
p
1 + ε cos(ϕ)
b2
mit p =
a
r
p
1−
und ε =
a
r1 ≡ r =
(41)
(42)
(43)
Herleitung der Keplergesetze
Wenden wir uns nun der Herleitung der Kepler-Gesetze zu, so beweisen wir zuerst, dass
der Fokusstrahl tatsächlich in gleicher Zeit gleiche Flächen überstreicht. Wir lassen
dafür das Zeitintervall infinitesimal klein werden, also ∆t → 0.
1 2
1 ∆ϕ
r ∆ϕ = r2
∆t
2
2 ∆t
⇒ r2 (t)ϕ̇(t) = const
∆A =
L = µ r2 ϕ̇ = const
49
Wir sehen, dass der Drehimpuls erhalten ist. Für eine endlich Fläche gilt dann
Z
ϕ1 +∆ϕ
Z
dA =
ϕ1
t1 +∆ t1
1 2
r dϕ
2
Z
=
t1
t1 +∆ t1
Z
=
t1
1 2
r ϕ̇ dt
2
L
dt
2µ
L
∆t .
2µ
=
Als nächstes zeigen wir, dass sich die Planeten auf Ellipsenbahnen bewegen.
k
L2
Veff = − +
r 2µ r2
Z r(ϕ)
ϕ(r) = ϕ(0) +
r(ϕ0 )
L
0
q
dr
0
2
0
(r ) 2µ E − Veff (r )
Wir verwenden hier folgende Substitution
1
1
=
u
⇒
du
=
−
dr 0
r0
(r 0 )2
.
Daraus folgt dann für ϕ(r)
Z
ϕ(r) = c −
1
r(ϕ)
L
q
2µ(E + K u −
Z
= const −
1
p
c 2 − (u − u0 )2
Wir legen nun die Konstanten u0 und c 2 fest mit u0 =
erhalten damit das Integral
1 L2 2
u)
2 µ
du
du .
µk
L2
und c 2 =
2Eµ
L2
+ u20 . Wir
u − u0
ϕ(r) = const + arccos
c
p−r
= const + arccos
.
εr
An dieser Stelle haben wir resubstituiert und und verwenden, dass p =
q
L2
ε = 1 + 2E
ist. Wir erhalten somit die Bahnkurve
k2 µ
r(ϕ) =
p
1 + ε cos(ϕ − ϕ0 )
50
.
1
u0
=
(44)
L2
kµ
und
Wir können hieraus schließen, dass ε < 1 äquivalent zu E < 0 ist; außerdem handelt
es sich bei der Bewegungskurve um eine Ellipse mit der Sonne in einem Fokalpunkt.
Als letztes zeigen wir, dass die große Halbachse a hoch drei genommen und das Quadrat
Umlaufdauer T proportional zueinander sind. Für die Fläche einer Ellipse gilt
πab =
L
T
2µ
,
wobei T die Umlaufdauer des Planeten ist.
∆t = T
b2 ! L2
p=
=
a
kµ
r
a
⇒b = L
kµ
2µ
⇒ T = πab
Lr
a
2µπ
=
a
L
kµ
2 2
4π µ 3
⇔ T2 =
a
L2 kµ
Wir nutzen nun, wie bereits erwähnt, dass für die Gravitation k = m1 m2 G gilt und
m2
, also die relative Masse, gilt. Darauf folgt dann
µ = mm11+m
2
T2 =
4π 2
a3
2
L (m1 + m2 )
.
Gehen wir nun davon aus, dass die Sonnenmasse wesentlich größer ist als die Planetenmasse, MSonne mPlanet , folgt daraus dann, dass der Quotient aus T 2 und a3 konstant
ist.
4π 2
T2
≈
= const
a3
G MSonne
Bemerkenswert ist hier, dass alle gebundenen Lösungen, also jene, die periodisch sind
und somit geschlossene Bahnen haben (∆ϕ = 2π), unabhängig von E und L sind. Das
ist allerdings nur für Potentiale der Form 1r und r12 möglich. Der Grund dafür ist, dass
für andere Potentialformen eine weitere Erhaltungsgröße, der Runge–Lenz–Vektor
existiert.
~l = L
~ × ~r(t) + k ~r(t) = const
|~r |
51
Dieser Vektor zeigt in Richtung des Perihels. Die Periheldrehung, also wenn ∆ϕ 6=
2π, erlaubt präzise Messungen von Abweichungen des 1r -Potentials. Die Ursache dieser
Abweichungen liegt an anderen Planeten und die durch sie verursachte Raumkrümmung
(vlg. Allgemeine Relativitätstheorie).
Betrachten wir nunq
ein paar Berechnungen dazu. Für einer Energie größer 0, E > 0,
2
L2
und p = kµ sowie ε = 1 − 2EkµL ≥ 1 gilt
p = r + ε r cos(ϕ − ϕ0 )
p
x2 + y 2
r =
x = r cos(ϕ − ϕ0 )
⇒ x2 + y 2 = (p − ε x)2
⇒ p2 = y 2 − (ε3 − 1) x2 + 2p xε .
An dieser Stelle machen wir eine Fallunterscheidung:
1. Für ε = 1 erhalten wir eine Parabel:
y 2 = p2 − 2p x
2. Für ε < 1 erhalten wir eine Ellipse:
x − x0
a
2
+
y 2
b
=1
p2
(1 − ε)2
p2
=
1 − ε2
a2 =
b2
3. Für ε > 0 erhalten wir eine Hyperbel:
x − x0
a
2
−
y 2
b
=1
b2 =
Abbildung 23: eine Hyperbel
52
p2
ε2 − 1
Angewendet wird diese Lösung z. B. in der Raumfahrt, um Raumsonden zu beschleunigen („Swing By“) oder bei dem Rutherford–Experiment.
Bei letzterem muss noch gesagt werden, dass im Allgemeinen mechanische Lösungen
nicht auch die quantenmechanischen Probleme lösen. In diesem Fall jedoch geht dies,
was mit Besonderheiten von Potentialen V (~r ) ∝ r−1 zusammenhängt.
3.7
Zwangskräfte
Bisher haben wir gesagt, dass für alle Kräfte in Kombination mit Newton eine Bewegung erhalten. Oft ist die Bewegung jedoch eingeschränkt und die Kräfte sind nur
teilweise bekannt. Die Unbekannten sind in diesen Fällen oft Kräfte, die durch Seile,
Unterlagen und dergleichen wirken. Wir führen daher eine neue Notation ein.
Notation
N Teilchen in d Dimensionen ~r1 , . . . , ~rN ∈ Rd können durch einen D–dimensionalen
Dimensionsvektor beschrieben werden
 
~r1
 . 
D
. 
~x = 
,
 . ∈R
~rN
wobei D = d · N gilt. Hierbei handelt es sich um den Konfigurationsvektor aus dem
Konfigurationsraum. Analog können wir den Kraftvektor als


F~1
 . 
D
. 
F~t = 
 . ∈R
F~N
schreiben. Für die Newton–Gleichung schreiben wir dann
mi~r¨i = F~i =M
b ~x¨ = F~t
53
.
Wir definieren uns dabei eine Matrix M für die Massen. Diese Matrix sei der Dimension
D × D und hat die Form


m1




m
1






m1

 .
M =

m
2




...




mN
Definition: Holonome Zwangsbedingungen
Bei einer Zwangsbedingung kann sich das zu betrachtende Teilchen nicht überall im
Raum oder zu jeder Zeit befinden, sondern ist nur in einem bestimmten Bereich definiert. So ist beispielsweise ein Kind auf der Rutsche an den Verlauf derselben gebunden
und kann nicht über oder unter dieser seine Bewegung ausführen (Abb. 24, links). Zudem muss es sich in einer Ebene mit der Rutsche befinden, ansonsten wäre es eben
nicht auf ihr.
Weitere Beispiele sind ein Fadenpendel, das sich in einem Aufzug bewegt (Abb. 24,
Mitte) und zwei Massen, die über ein Seil verbunden sind (Abb. 24, rechts). In jedem
Fall sind die Bewegungen eingeschränkt, z. B. durch das Seil, das das Pendel hält oder
die Massen verbindet.
Abbildung 24: Beispiele für Zwangsbedingungen: ein Kind auf einer Rutsche (links),
ein Fadenpendel im Aufzug (Mitte) und verbundene Gewichte (rechts)
Wir formulieren für das Problem also k Gleichungen fµ , die von den systemabhängigen
Koordinaten abhängen. Die fµ sind demnach k verschiedene Funktionen, welche die
Zwangsbedingungen formulieren. Bei holonomen Zwangsbedingungen sagen wir, dass
die Zwangsbedingung genau dann erfüllt ist, wenn die Funktion gleich null ist, also
fµ = 0. Wir fordern zudem, dass die Gradienten der fµ linear unabhängig voneinander
sein sollen.
54
Mathematisch können wir es folgendermaßen formulieren:
!
∀µ ∈ [1, . . . , k] ⊂ N :
fµ (~x, t) = 0
∇fµ (~x, t) ∈ RD
∀(~x, t) : ∀i, j ∈ [1, . . . , k] :
∇fi (~x, t) · ∇fj (~x, t) = δi,j
Eine Zwangsbedingung definiert zu einer festen Zeit eine (D − 1)–dimensionale Hyperfläche im D–dimensionalen Konfigurationsraum. k Zwangsbedingungen definieren
dann eine (D − k)–dimensionale Hyperfläche (bzw. Mannigfaltigkeit). Das System
hat dann (D − k) Freiheitsgrade.
Abbildung 25: Drei Kugeln an den Orten ~ri , die durch feste Stangen der Längen li
verbunden sind.
Beispiel
Betrachten wir als Beispiel 3 Kugeln, die über Stangen der Längen li miteinander
verbunden sind (Abbildung 25). Mit den drei Zwangsbedingungen
f1 (~ri ) = (~r1 − r~2 )2 − l12
f2 (~ri ) = (~r2 − r~3 )2 − l22
f3 (~ri ) = (~r3 − r~1 )2 − l32
erhalten wir

∂f1
∂x1



2(~r1 − r~2 )
 . 


. 
∇f1 = 
 .  = 2(~r2 − r~1 )
∂f1
~0
∂xD


~0


∇f2 = 2(~r2 − r~3 )
2(~r3 − r~2 )


2(~r1 − r~3 )


~0
∇f3 = 
 .
2(~r3 − r~1 )
55
Die Gradienten sind genau dann linear unabhängig, wenn für alle i und j gilt, dass
~ri 6= ~rj ist. Dies ist wiederum durch die Zwangsbedingungen fi gegeben. In diesem Beispiel haben wir 6 Freiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade beschreiben dabei den Schwerpunkt
und die anderen drei z. B. die Winkel, welche die Orientierung des Dreiecks im Raum
bestimmen.
Die Zwangsbedingungen werden durch Kräfte in Stäben, Seilen usw. aufrecht erhalten. Die Zwangskräfte F~Z sind dabei unbekannt. In der Newton–Mechanik sagen
wir daher, dass die Kraft sich aus der bekannten äußeren Kraft und den unbekannten
Zwangskräften zusammensetzt, d. h.
M ~x¨ = F~ + F~Z
.
Wir stellen uns jetzt die Frage, in welche Richtung die Zwangskräfte. Sie muss orthogonal zur Hyperebene (Zwangsebene) sein, da sie den Körper nicht beschleunigen darf!
Wir können daraus folgern, dass F~Z im k–dimensionalen Raum liegt, der durch den
Gradienten der Funktion aufgestellt wird.
F~Z =
k
X
λµ (t)∇fµ (~x, t)
(45)
µ=1
Dies kann geometrisch dadurch begründet werden, dass ∇f = 0 die Änderung der
Werte von f darstellt. Da diese verschwindet muss die Zwangskraft orthogonal zur
Ebene liegen.
∇f2 = (∇f2 )∆~r
~r kFläche
⇔ ∆f = 0
Insgesamt sagen wir also
k
X
M ~x¨ = F~ ~x, ~x˙ , t +
λµ (t)∇f (~x, t)
(46)
µ=1
0 = ∀µ ∈ 1, . . . , k : fµ (~x, t) .
(47)
Es handelt sich hierbei um eine Lagrange–Bewegung der 1. Art, wobei λµ der LagrangeParameter ist.
Wir kennen in dieser Gleichung weder ~x(t) noch λµ , haben also D + k Unbekannte.
Diese werden jedoch durch ebensoviele Gleichungen bestimmt und sind damit lösbar.
Wir sehen uns hier einen möglichen Lösungsalgorithmus mal an:
56
Lösungsalgorithmus
1. eliminiere ~x¨
d
∂
∂ !
fµ (~x(t), t) = ~x˙ f + f = 0
dt
∂~x
∂t
d2
∂
!
˙
¨
f
+
R
~
x
,
~
x
,
t
f
(~
x
,
t)
=
~
x
=0
µ
µ
dt2
∂~x
(48)
Wir verwenden an dieser Stelle, dass fµ (~x, t) = 0 ist. Für Rµ haben wir:
∂2
∂
Rµ = (ẋ∇)(ẋ∇)fµ (~x, t) + 2~x˙ ∇ fµ + 2 fµ
∂t
∂t
.
ẍ(t) hat folgende Form:
ẍ(t) = M −1 F~ + F~Z
ẍ T = F~ + F~Z M −1
Verwenden wir dies nun in (48), so erhalten wir:
k
X
λν ∇fν M −1 ∇fµ = −F~ T M −1 ∇fµ − Rµ ~x, ~x˙ , t
ν=1
Das Ergebnis der Elimination ergibt uns ein Gleichungssystem vom Typ:
 
λ1
.
. ~
A
 . =b
λk
A ist dabei eine k × k–Matrix mit:
Aνµ = ∇fν M −1 ∇fµ
2. bestimme Zwangskräfte
Es gilt hierbei zu beachten, dass A positiv definiert ist (∀ Eigenwerte > 0), und
daher invertierbar. Der Beweis dafür:
Sei ~c 6= ~0
~c T A~c = d~ T M −1 d~
k
X
d~ =
cµ ∇fν
ν=1
57
c ist hierbei beliebig gewählt und M −1 ist positiv, weil die Massen mi größer als
0 sind. Zudem ist d~ 6= ~0, da die Gradienten ∇fν linear unabhängig sind. Daraus
folgt ~c T A ~c > 0. Deswegen können wir sagen, dass λµ eindeutig bestimmbar ist,
also
~λ(~x, ~x˙ , t) = A−1~b .
3. bestimme Bewegungsgleichung
Setzen wir nun λµ in die Bewegungsgleichung ein, erhalten wir
M ẍ = F~ +
k
X
λµ (~x, ~x˙ , t)∇fµ (~x, t) .
µ=1
Wie zuvor gezeigt, ist uns λµ (~x, ~x˙ , t) bekannt. Dies liefert uns also die Bewegungsgleichung mit vollständig bekannten Kräften.
Es gilt zu beachten, dass die Anfangsbedingungen kompatibel mit den Zwangsbedingungen sein müssen, d. h.
fµ ~x(t0 ), t0
dt fµ ~x(t0 ), t0
= 0 , aber es gilt auch
!
= ~x˙ (t0 )∇fµ ~x(t0 ), t0 + dt fµ ~x(t0 ), t0 = 0 .
4. löse Bewegungsgleichung
An dieser Stelle ist leider keine allgemeine analytische Lösung möglich. Wir müssen dazu jedesmal eine geeignete Parametrisierung finden. Es bleibt aber anzumerken, dass es eine elegantere Lösung ist sich direkt auf die Freiheitsgrade zu
konzentrieren,13 allerdings gelingt es uns nur so die Zwangskräfte zu bestimmen!
Wir können eine DGL mit f Freiheitsgraden folglich lösen, wenn wir zunächst ẍ eliminieren, λ finden, die Zwangskräfte F~Z bestimmen und dann die Bewegungsgleichung
lösen. Der letzte Teil ist der Schwierigste: Zunächst einmal müssen wir jeweils eine dazu
geeignete Parametrisierung ~x = ~x(ϕ1 , . . . , ϕf ) finden. Im Anschluss lösen wir die DGL
für ϕi .
Beispiel
Um das Verfahren einmal deutlich zu machen, widmen wir uns dem Beispiel des Pendels.
13
in der Hamilton–Mechanik (siehe Kapitel 5)
58
Abbildung 26: das mathematische Pendel
Zunächst notieren wir, welche Kräfte und Zwangsbedingungen wirken.
F~ = m~g
~g = −gêz
r2 − l2
f (r) =
m
2
⇔ |~r | = |l|
⇒ ∇f = m~r
Wir sehen, dass die Zwangskräfte parallel zum Seil verlaufen. Mit der Newton–Gleichung
mr̈ = F~ + F~Z kommen wir dann zu folgenden Gleichungen.
r̈ = ~g + λ(t) ~r (t)
(49)
0 = r2 − l2
(50)
Wir haben also unsere beiden Unbekannten ~r (t) und λ(t). Verwenden wir nun unseren
Algorithmus.
1. ~x¨ eliminieren
d
f = m~r˙ ~r
dt
d2
!
f = m~r¨ ~r + m~r˙ 2 = 0
2
dt
~r˙ 2
⇒ ~r¨ =
r
2
˙
⇒ m ~g + λ(t)~r ~r + m~r = 0
59
2. λ finden
λ(t) = −
~r˙ (t) + ~g~r (t)
~r 2 (t)
3. F~Z finden
Wir setzen dies nun in die Newton–Gleichung ein:
~r˙ 2
~r¨ = ~g − r̂(t)~g r̂ (t) − r̂
r
2
Der Term − ṙr r̂ ist dabei die Zentripetalkraft bei der |r| konstant ist. r̂(t)~g r̂(t)
beschreibt die Komponente von ~g in Richtung von r̂, also die Gewichtskraft parallel zum Faden. ~g ist dabei orthogonal zu r̂.
Die Kraft auf den Faden hat also die Form
−F~Z = −λ∇f
= m(~g r̂)r̂ +
4. Parametrisierung des Pendels
60
m~r˙ 2
r̂
r
.
Wir bestimmen zunächst ~r und seine Ableitungen und ermitteln dann ~g .


sin(ϕ)


~r(t) = l
0

− cos(ϕ)


cos(ϕ)


~r˙ (t) = ϕ̇l 0 
sin(ϕ)




cos(ϕ)
− sin(ϕ)




~r¨(t) = ϕ̈l 0  + ϕ2 l
0

sin(ϕ)
cos(ϕ)
 


0
sin(ϕ)
 


~g − (r̂~g )r̂ = −0 − g cos(ϕ)
0

g
− cos(ϕ)


− cos(ϕ) sin(ϕ)


= g
0

−1 + cos2 (ϕ)


cos(ϕ)


= −g sin(ϕ) 0 
sin(ϕ)


−
sin(ϕ)
~r˙ 2


− r̂ = −ϕ2 l
0

r
cos(ϕ)
⇒ lϕ̈ = −g sin(ϕ)
Wir können sehen, dass sich der zweite Term von ~r¨ und die Zentripetalkraft
gegenseitig aufheben, weswegen sich die Gleichung auf lϕ̈ = −g sin(ϕ) reduzieren
lässt.
Zusammenfassend können wir sagen, dass Zwangsbedingungen Zwangskräfte zur Folge
haben und die Beschreibung mit D + K Lagrange–Gleichungen 1. Art nur D − K
Freiheitsgrade haben.
61
4
Lagrange–Mechanik
4.1
Einführung
Bisher haben wir die Newton–Mechanik verwendet in der wir m~r¨ = F~ sowie Anfangsbedingungen gegeben haben. Die Frage, warum sich das Teilchen beschleunigt, wird
dadurch beantwortet, dass Kräfte wirken. Dies nennt man das kausale Weltbild. Jetzt
wollen wir aber ein völlig neues Axiomssystem einführen.
Abbildung 27: Mögliche Wege von einem zum anderen Ort
Betrachten wir die Abbildung 27: Es gibt eine Menge aller möglichen Pfade ~r (t) mit
Startpunkt ~r (tA ) = ~rA und Endpunkt ~r (tE ) = ~rE . Welcher Pfad ist dabei der tatsächlich benutzte? Um das herauszufinden, ordnen wir jedem Pfad ~r (t) eine reelle Zahl,
die Wirkung S[ ~r (t) ], zu.
Z
tE
S[ ~r (t) ] =
tA
1 ˙2
m~r (t) − V (~r (t))
2
Physikalische Pfade
Physikalische Pfade sind diejenigen, für die S[~r ] extremal bzw. stationär wird. Das
bedeutet, dass es Maxima, Minima und Sattelpunkte gibt! Wir nennen dies das Hamiltonische Variationsprinzip oder auch Prinzip der kleinsten Wirkung.
Stellen wir uns erneut die Frage, wie sich das Teilchen bewegt, so lautet diesmal die
Antwort: Es bewegt sich derart, dass S extremal wird. Es bleibt dabei zu sagen, dass
die Axiomssysteme äquivalent zueinander sind.14 Der Vorteil im neuen Axiomssystem
ist jedoch, dass die Wirkung eine Zahl ist, bei Newton ist es eine vektorielle Gleichung.
Auch sind hier die Strukturen wesentlich leichter erkennbar. Neue Koordinaten und
Zwangsbedingungen sind hier leichter zu bestimmen.
14
Jedenfalls gilt dies für konservative Kräfte.
62
Ein Großteil der modernen Physik ist über die Wirkung formuliert, was bedeutet,
dass die Wirkung das Standardmodell geworden ist. Das Extremalprinzip folgt dabei
aus der Quantenmechanik.
In der nächsten Zeit werden wir uns der Lagrange–Mechanik auf nähern, indem
wir uns zunächst der Mathematik dahinter widmen. Darauf folgen die hierin formulierten Axiome. Dann werden wir lernen, wie wir zwischen Lagrange– und Newton–
Formalismus wechseln. Zuletzt lernen wir etwas über die Anwendung und Strukturen.
4.2
Funktionale und Extremalprinzip
Betrachten wir die Menge M der auf dem Intervall [t0 , t1 ] definierten differentierbaren
Funktionen bzw. Kurven
M = {q : [t0 , t1 ] → Rn | q ist diffenenzierbar} .
Funktionale ordnen jeder Funktion aus M eine reelle Zahl zu.15
S: M → R
q 7→ S[q] ∈ R
Um Funktionen und Funktionale voneinander unterscheiden zu können, gibt es folgende
Schreibweise: runde Argumentenklammern kennzeichnen Funktionen, z.B. q(t), x(t).
Eckige Argumentenklammern kennzeichnen dagegen Funktionale, z. B. S[q], S[q(r)].
Beispiele
Abbildung 28: Kurvenlänge
15
Sie können daher mit Funktionen verglichen werden. Diese ordnen Werten (reelle) Zahlen zu.
63
Betrachten wir als erstes Beispiel die Kurvenlänge L einer Funktion y(x) (Abb. 28).
Für diese ergibt sich
p
(∆x)2 + (∆y)2
q
2
≈
(∆x)2 + y 0 (x)∆x
q
2
1 + y 0 (x)
=
Z x1 q
2
S 1 + y 0 (x) dx .
⇒ L[y] =
(∆l) =
x0
In einem weiteren Beispiel wollen wir wieder die Länge L einer Kurve ermitteln.

~q (t) =
∆l =
=
⇒ L[~q ] =

q1 (t)
 . 
 .. 


qd (t)
p
(∆q1 )2 + · · · + (∆qd )2
s 2
d~q
dt
dt
s
Z t1 2
d~q
dt
dt
t0
Als letztes Beispiel betrachten wir die Laufzeit eines Lichtstrahls in einem Medium mit
Brechungsindex n(~r ). Die Lichtgeschwindigkeit c wird dabei durch den Brechungsindex
des Mediums vermindert.
c(~r ) =
c
n(~r )
Der Weg durch das Medium ist dann gegeben durch
∆r = c(r)∆t .
∆r
⇒ ∆t =
c(r)
∆rn(~r )
=
c
Auffallend ist, dass es sich hierbei um eine skalare Größe handelt, im q
Gegensatz zur
d~
r 2
Newton–Mechanik! Für die Laufzeitlänge der Kurve ~r (λ) mit ∆r =
dλ gilt
dλ
folgendes:
s Z λ2
2
1
d~r
T [~r (λ)] =
n(~r (λ))
dλ
(51)
c λ1
dλ
64
Fermatsches Prinzip der geometrischen Optik
Das Fermatsche Prinzip der geometrischen Optik besagt, dass Lichtstrahlen sich derart
ausbreiten, so dass ihre Laufzeit T [~r (λ)] extremal wird.16 Eine wichtige Klasse von
Funktionalen ist
Z t1 F ~q (t), ~q˙ (t), t dt .
S[~q ] =
t0
Extrema von Funktionalen
Betrachten wir kleine Variationen ~q (t) + ε~ν (t). ~ν (t) ist dabei eine beliebige differenzierbare Funktion mit ν(t0 ) = ν(t1 ) = 0. Wegen der Randbedingung ~q (t0 ) = ~q0 und
~q (t1 ) = ~q1 ist diese fest. Wir fordern, dass f stationär für alle Richtungen êi sei.
∂f
+ O ε2
∂xi
!
= 0 + O ε2
f (~x + εêi ) − f (~x ) = ε
Von der Newton–Mechanik zur Lagrange–Mechanik
Aus der Newton–Mechanik kennen wir für die Bewegungsgleichung
m~r¨ = F~
.
In der Lagrange–Mechanik nutzen wir stattdessen die Funktionale S[q]:
Z
t1
S[q] =
F q(t), q̇(t), t dt
t0
Wir sagen dabei, dass S[q] extremal sein soll. Das heißt
δS = 0 .
Um dies besser zu verstehen, wiederholen wir die Extrema von Funktionen.
df
~ε + O ε2
dx
= 0 + O ε2
f (~x + ~ε ) − f (~x ) ≈
16
Anmerkung zu den Übungsaufgaben: Das Licht geht durch zwei Medien mit dem Brechungsindizes n1 und n2 . Die Winkel der zuückgelegten Strecken sind ϕ1 und entsprechend ϕ2 .
65
Analog können wir das ganze auf die Funktionale S[q] anwenden. Wir nutzen hier, dass
wir für die kleine Variation statt ~x + ~ε einfach ~q (t) + ε~η (t) schreiben können. η(t) ist
dabei eine beliebige differentierbare Funktion, für die wir wegen der Randbedingungen
sagen können, dass
~η (t0 ) = ~η (t1 ) = 0 .
Wir schreiben also für unsere Funktionale:17
Z t1 F ~q + ε~η , ~q˙ + ε~η˙ , t − F ~q, ~q˙, t dt
⇒ S[~q + ε~η ] − S[~q ] =
t
Z 0t1
∂F
∂F ˙
=
ε~η dt +
ε~η + O ε2
∂ q̇
t0 ∂q
t
Z t1 ∂F 1
∂F
d ∂F
p. I.
=
−
ε~η dt +
ε~η + O ε2
∂q
dt ∂ q̇
∂ q̇
t0
t0
!
=
0
Der Term ∂F
ε~η ergibt aufgrund der Randbedingung 0. Wir können hieraus also folgern,
∂ q̇
dass für alle ~η (t) gilt
h
i
h
i
˙, t
˙, t
∂F
~
q
,
~
q
∂F
~
q
,
~
q
d
=
dt
∂ q̇i
∂qi
.
(52)
Dies sind die Euler–Lagrange–Gleichungen. Die Extremalkurven der Funktion F
sind durch die Differentialgleichung gegeben.
Aufgabe
Zur Übung berechnen wir was Integral
Z
x1
R x1
x0
f 0 (x)δ(x − x̄)dx für alle x̄ ∈ (x0 , x1 ).
x1
0
f (x)δ (x − x̄)dx =
f (x)δ(x − x̄)
x0
f (x)δ(x − x̄)
x0
x1
wir nutzen hier die partielle Integration
66
Z
−
x0
17
x1
−
xx10
=
Z
x0
f 0 (x)δ(x − x̄)dx
f 0 (x̄)dx
Notation
Für die Variation von S, die wir δS nennen, schreiben wir
δS[~q ] = S[~q + δ~q ] − S[~q ]
Z t1 ∂F
d ∂F
=
−
δq dt
∂q
dt ∂ q̇
t0
Z t1
∂S
=
δq(t) dt .
t0 ∂q(t)
Mit der Funktionalableitung von S ergibt sich dann
∂S[q]
=
∂q(t)
∂
d ∂
−
F ~q, ~q˙, t
.
∂q dt ∂ q̇
Wir können die Variation aber auch als alternativ so definieren:
δS[~q ]
1 = lim
S ~q (t) + εêi δ(t − t̃ ) − S ~q (t)
ε→ 0 ε
δ~qi (t̃ )
Z t1
∂F 0
∂F
=
δ(t − t̃ ) +
δ (t − t̃ )dt
∂ q̇i
t0 ∂qi
d ∂F ∂F −
=
∂qi dt ∂ q̇i t=t̃
Anschaulich bedeutet
tung i zu der Zeit t̃.
δS[q]
δqi (t̃ )
t=t̃
eine Änderung von S bei einer Änderung von ~q (t) in Rich-
Als Ergebnis halten wir fest:
~q (t) ist Extremalkurve ⇔ S ist stationär
⇔ δS = 0
δS
⇔
=0
∀t ∈ (t0 , t1 )
δq(t)
⇔ Euler–Lagrange–Gleichung
Beispiele
Als erstes Beispiel betrachten wir eine Kurve g(x) mit g(x1 ) = y1 und g(x2 ) = y2 die
eine minimale Länge haben soll.
Z
x2
∆=
q
2
1 + y 0 (x) dx
x1
67
Für Euler–Lagrange sagen wir, dass
∂F
∂y
=
d ∂F
dx ∂y 0
und F (y, y 0 , x) =
p
1 − y 2 ist.
d
y0
p
= 0
dx 1 + y 2
y 00
y 0 y 00 y 0
p
= 0
−
3
1 + y 2 (1 + y 2 ) 2
2 2
⇒ y 00 1 + y 0 − y 0 y 00 = y 00
y 00 = 0
Wir können daraus folgern, dass wir eine Gerade mit der Geradengleichung y = a + b · x
haben.
Widmen wir uns einem weiteren Beispiel. Wir haben jetzt eine Kurve mit minimaler
2
Länge ∆ auf einer gekrümmten Fläche z(x, y) = − x2 und wollen nun den Pfad auf der
Fläche folgendermaßen parametrisieren.


x


~r (x) = y(x)
2
− x2
Für die minimale Länge gilt dann
Z
x1
∆ =
x0
s

d~r
dx
2
dx mit
d~r ⇒ F (y, y , x) = dx
p
=
1 + y 0 2 (x) + x2
0
68
.

1
d~r  0 
= y (x)
dx
−x
Wir nutzen nun wieder Euler–Lagrange.
d ∂F
∂F
=
0
dx ∂y
∂y
⇒
mit
∂F
y0
p
=
∂y 0
1 + y 02 + x2
d
y0
p
= 0
dx 1 + y 02 + x2
y0
⇒p
= c = const
1 + y 02 + x2
⇒ y 02 = c2 (1 + y 02 + x2 )
⇒ y 02 (1 − c2 ) = c2 (1 + x2 )
√
c2
⇒ y 0 = α 1 + x2
mit α2 =
1 − c2
Z x√
1 − x̃2 dx̃ + β
⇒ y(x) = α
0
α √
x 1 + x2 + a sinh(x) + β
=
2
2
Dies beschreibt die Kurven minimaler Länge auf der Fläche z = − x2 .
4.3
Lagrangeformulierung der Mechanik
Wie schon festgestellt, nutzen wir in der Lagrange–Mechanik ein neues Axiomensystem δS = 0, das im äquivalent zu den Axiomen der Newton–Mechanik ist.
Ein mechanisches System mit f Freiheitsgraden ist durch eine skalare Funkti
on, die Lagrange–Funktion L(q1 , . . . , qf , q̇1 , . . . , q̇f , t) = L ~q, ~q˙, t charakterisiert.
Die Bewegung des Systems von der Konfiguration ~q (t1 ) = ~q1 zur Konfiguration
~q (t2 ) = ~q2 verläuft so, dass die Wirkung:
Z
t2
S[~q ] =
L ~q, ~q˙, t dt
t1
stationär ist.
Es gelten daher die Euler–Lagrange–Gleichungen, die Lagrange–Gleichung 2. Art
sind.
⇔ ∀i ∈ [1, f ]:
δS = 0
˙
˙
∂L ~q, ~q, t
d ∂L ~q, ~q, t
=
dt
∂~qi
∂ ~q˙i
69
(53)
(54)
Für konservative Kräfte reproduziert die Lagrangefunktion die newtonsche Bewegungsgleichungen.
L = T − V = Ekin − Epot
Im folgenden Überprüfen wir nun, ob dies auch wirklich zutrifft.
1–Teilchen–System
L=
m˙2
~r − V (~r )
2
Mit der Euler–Lagrange–Gleichung ergibt dies:
∂L
= dt m~r˙ = m~r¨
dt
∂~r˙
∂L
=
∂~r
∂V
= −
∂~r
= −∇V (~r )
= F~ (~r )
Wir sehen also, dass die Gleichung m ~r¨ = F~ (~r ) ergibt und somit stimmt die Vermutung.
n–Teilchen–System
L=
X mi
i
1X
~r˙ 2 −
V (~ri − ~rj )
2
2 i6=j
70
Auch an dieser Stelle verwenden wir wieder die Euler–Lagrange–Gleichungen.
dt
∂L
= mk~r¨k
∂~r˙k
∂L
1X ∂
= −
V (~ri − ~rj )
∂~rk
2 i6=j ∂~rk
1X ∂
∂
= −
V (~rk − ~rj ) +
V (~ri − ~rk )
2 i6=j ∂~rk
∂~rk
X ∂
1 X ∂
= −
V (~rk − ~rj ) +
V (~ri − ~rk )
2 j ∂~rk
∂~rk
i
X ∂
V (~ri − ~rk )
= −
∂~
r
i
i
X
=
F~i,k
!
i
Dies bedeutet, dass das Produkt aus der Masse des k–ten Teilchens und seiner Beschleunigung die Summe der Kräfte aller anderen Teilchen auf dieses Teilchen ist.
Koordinateninvarianz und Zwangsbedingung
Eine triviale aber wichtige Eigenschaft der Wirkung S[q] ist, dass sie sich bei der
Umparametrisierung der Koordinaten nicht ändert.
Beispiel
Z
t1
2
Z
t1
f (t) dt =
Z
t0
t1
t0
g(t) dt
falls g(t) = f 2 (t)
t
g 02 (t) dt =
Z 0t1 2f 0 (t)f (t)
2
dt
t0
Wir können hieraus folgern, dass stätionäre Pfade stationär bleiben bei Umparametrisierungen.
Das Hamiltonische Variationsprinzip und die Euler–Lagrange–Gleichungen bleiben invariant unter Koordinaten–Transformationen
Machen wir einen Vergleich mit Newton: Die Bewegungsgleichung in Form m ~x¨ = F~ ist
so nur im Inertialsystem kartesischer Koordinaten gültig. Hier nutzen wir stattdessen
verallgemeinerte Koordinaten, die beliebig wählbar sind!
Betrachten wir diesen Fall einmal genauer:
71
Ein System sei durch f Koordinaten q1 , . . . , qf bestimmt. Wir können diese Koordinaten
in einem Vektor ~q = (q1 , . . . , qf ) T ∈ Rf zusammenfassen. Wir betrachten nun lokal die
eineindeutige differentierbare Ableitung auf die neuen Koordinaten Q1 , . . . , Qf . Für
Qi gilt dabei Qi = Fi (~qi , t). Unsere alten Koordinaten qi hängen dann mit den neuen
Koordinaten Qi folgendermaßen zusammen:
~ t)
qi = fi (Q,
f = F −1
differentierbar
Sei L ~q, ~q˙, t die Lagrange–Funktion. Da für die Ableitung der einzelnen Koordinaten
~¨ i + ∂fi gilt, haben wir für die neue Lagrange–Funktion:
q̇i = ∂fi Q
∂Q
∂t
∂f
∂f
˙
˙
1
1
~ Q,
~ t = L f1 (Q,
~ t), . . . , ff (Q,
~ t),
~+
L̄ Q,
,...,t
Q
~
∂f
∂Q
Z
Z
L̄ dt = L dt = S[q]
⇒ S[Q] =
Hamiltonisches Variantionsprinzip
~
Q(t)
ist genau dann eine Lösung von δS = 0, wenn für die zeitlichen Ableitungen
gilt:
∂
d ∂
L̄ =
L̄
dt ∂ Q̇i
∂Qi
~ t) genau dann eine Lösung von δS = 0, wenn für die
Ebenso ist ~q (t) = f~(Q,
zeitliche Ableitung auch hier gilt:
∂
d ∂
L=
L
dt ∂ q̇i
∂qi
Fassen wir die verwendeten Bezeichnungen der Euler–Larange–Gleichung nochmal alle
zusammen:
1. verallgemeinerte Koordinaten:
qi
∂
∂ q̇i
∂L
Fi =
∂qi
2. verallgemeinerter Impuls:
pi =
3. verallgemeinerte Kraft:
72
frei wählbar
Wichtige Anwendung
Diese Methode wird insbesondere bei Systemen mit k holonomen Zwangsbedingungen fi (~x, t) = 0 verwendet, wobei i ∈ 1, . . . , k mit ~x ∈ RD gilt und es f = D − k
Freiheitsgrade gibt. Diese können mit mit folgendem „Rezept“ gelöst werden.
• Konstruiere f = D − k verallgemeinerte Koordinaten qi mit ~x = ~x(~q, t) so, dass
fi ~x(~q, t), t = 0 nach der Konstruktion gilt.
• Setze diese in L ~x, ~x˙ , t = T − V ein und erhalte so L̄ ~q, ~q˙, t = L ~x(~q, t), ~q˙, t
• Bestimme die Bewegungsgleichung
d ∂ L̄
∂ L̄
=
dt ∂ q̇i
∂qi
Dies ist viel effizienter als die Lagrangegleichungen 1. Art, allerdings werden die Zwangskräfte hierbei nicht bestimmt.
Beispiel: Pendel im Aufzug
Wenn die Höhe der Aufzugsdecke h(t) gegeben ist und ~r(t) den Ort des Pendels in
Polarkoordinaten18 gilt bei zeitlich konstanter Länge l des Fadens
l
2
=
~r(t) −
!!
0
.
h(t)
Parametrisieren wir das Pendel mit
~r =
⇒ ~r˙ (t) =
18
!
0
+
h(t)
!
0
+
ḣ(t)
!
sin(ϕ)
·l
− cos(ϕ)
!
cos(ϕ)
· lϕ̇ ,
sin(ϕ)
Hierbei ist die Aufhängung des Pendels im Ursprung.
73
folgt daraus
m ˙2
~r − mg ~rz
2
m
m 2
l ϕ̇ + mlḣϕ̇ sin(ϕ) + ḣ2 − mg h(t) − l cos(ϕ) .
=
2
2
L(ϕ, ϕ̇, t) =
⇒
d ∂L
= ml2 ϕ̈ + mlḧ sin(ϕ) + mlḣϕ̇ cos(ϕ)
dt ∂ ϕ̇
∂L
!
=
∂ϕ
= mlḣϕ̇ cos(ϕ) − mgl sin(ϕ)
⇒ lϕ̈ = − g + ḧ sin(ϕ)
Hieran sieht man, dass die Beschleunigung des Fahrstuhls die Beschleunigung, die das
Pendel durch die Gravitation erfährt, verändert. Für den Fall, dass der Fahrstuhl im
freien Fall ist, hat das Pendel keine Beschleunigung mehr.
Beispiel: Block auf beweglichem Keil
Nehmen wir als Beispiel einen Block auf einem beweglichem Keil an, wie in (Abb. 29)
dargestellt.
Abbildung 29: beweglicher Block auf einem beweglichem Keil
Der Keil hat die Position xK und die Masse M . Für den Block gilt an der Position x,
dass sein Ortsvektor ~r = (x, y) T mit y = tan(α)(x − xK ) ist.
L=T −V
1
1
M ẍ2K + m(ẋ2 + ẏ 2 ) − mgy
2
2
1
1
1
=
M ẍ2K + mẋ2 + m(tan(α)(ẋ − ẋK ))2 − mg tan(α)(x − xK )
2
2
2
= L(xK , x, ẋK , ẋ)
=
74
Wenden hierauf wieder Euler–Lagrange an
d ∂L
= M ẍK − m tan2 (α)(ẍ − ẍK )
dt ∂ ẋK
∂L
dt
= mẍ + m tan2 (α)(ẍ − ẍK )
∂ ẋ
∂L
= mg tan(α)
∂xK
∂L
!
=−
= mg tan(α)
∂x
!
=
und addieren beide Anteile der Gleichung aufeinander auf.
M ẍK + mẍ = 0
M
⇒ ẍ = − ẍK
m
!
m
m
1 + tan2 (α) 1 +
ẍK =
tan(α)
M
M
4.4
Von Newton zu Lagrange: d’Alembertsches Prinzip
Unser Ziel:
1. Wir wollen die Äquivalenz der Lagrange-Gleichungen 1. Art (d. h. Newton–Gleichungen
mit Zwangsbedingungen) mit den Euler–Lagrange–Gleichungen zeigen.
2. Wir wollen in unseren Gleichungen Zwangsbedingungen und Reibung als nicht–
konservative Kraft haben.
Ausgangspunkt
Unser Ausgangspunkt ist der D = d · n dimensionale Konfigurationsraum ~x ∈ RD ,
wobei wir für ~x sagen
 
~r1
.
.
~x = 
. .
~rn
Für unsere Freiheitsgrade f gilt zudem
f =D−K
,
wobei K die Anzahl der Zwangsbedingungen ist. Bekannterweise schreiben wir für die
Newton–Gleichung M ẍ = F~ + F~Z , wobei für die Zwangskräfte F~Z
F~Z =
K
X
λi ∇fi
i=1
75
gilt. Wählen wir nun geeignete verallgemeinerte Koordinaten ~q1 , . . . , ~qf zur Parametrisierung der Zwangsmannigfaltigkeit.
~x = ~x(q1 , . . . , qf , t) mit f ~x(~q, t), t = 0
Beispiel
Gehen wir vom Beispiel eines Pendels aus.
Abbildung 30: Der Radialabstand bleibt erhalten
Betrachten wir hier eine infinitisimale Änderung δ~r von ~x, die verträglich mit den
Zwangsbedingungen ist. Dies bedeutet von uns, dass das Pendel die erlaubte Bahnkurve nicht verlassen kann, wie in Abb. 30 zu sehen ist, d. h. sein Radialabstand zur
Aufhängung bleibt erhalten.
f (~x + δ~r, t) = 0 + O δr2
falls f (~x, t) = 0
⇒ δ~r · ∇fi = 0
Wir betrachten also eine virtuelle Verrückung δ~r, die orthogonal zu den Zwangskäften
und parallel zur Mannigfaltigkeit ist. Wir nutzen dann die Parametrisierung
~x(~q, t) ⇒ δ~r =
f
X
∂~x
δqi
∂q
i
i=1
.
∂~
x
Wir haben hier f linear unabhängige Vektoren ∂q
, die den Tangentialraum aufspani
nen. Um an dieser Stelle weiterzukommen, verwenden wir einen Trick:
Wir multiplizieren die Gleichung M ẍ = F~ + F~Z mit δ~r und erhalten somit das
d’Alembertsche Prinzip.
76
M ~x¨ − F~ δ~r = 0
(55)
Wir haben nun die Zwangskräfte eliminiert. Für beliebig kleine Verrückungen verwenden wir jetzt:
f
X
∂~x d
(M ~x¨ − F~ )
=0
∂qK dqK
k=1
Wir nutzen eine Diagonalmatrix M für alle Massen die wir haben und schreiben
T ∂~x
∂~x
= ~x¨ T M ·
M ~x¨ ·
∂, qk
∂qk
.
Dies führt zu den f Gleichungen
∂~x
∂~x
∀k ∈ [1, f ]: ~x¨ T M
= F~
∂qk
∂qk
(56)
Wir benutzen nun zuerst, das
t
X
∂~x
∂~x
˙~x = d ~x ~q (t), t =
q̇i +
dt
∂qi
∂t
i=1
⇒
.
∂ ~x˙
∂~x
=
∂ q̇i
∂qi
Dies ist eine Funktion, die von ~q, ~q˙ und t abhängt. Als nächstes nutzen wir
d ∂~x
∂~x ˙
=
~x .
dt ∂qk
∂qk
Wichtig ist, dass wir hierbei beachten, dass ∂t die partielle Zeitableitung ist und nicht
mit der totalen Zeitableitung dt identisch ist. Wir kontrollieren daher diese Aussage:
f
X
∂~x
∂ 2~x
∂ 2~x
dt
=
· q̇j +
∂qk
∂qk ∂qj
∂qk ∂qt
j=1
X
∂
∂~x
∂~x
=
· q̇j +
∂qk
∂qj
∂t
∂ ~x˙
=
∂qk
77
Daraus folgt dann:
∂~x
∂~x
∂~x
T
T
¨
˙
~x M
= dt ~x M
− ~x˙ T M dt
∂qk
∂qk
∂qk
∂~x
∂~x
− ~x˙ T M
= dt ~x˙ T M
∂q
∂qk
k
∂ 1˙T ˙
∂ 1˙T ˙
= dt
~x M ~x
−
~x M ~x
∂ q̇k 2
∂qk 2
∂
∂
−
T
=
dt
∂ q̇k ∂qk
T
Wir beachten hierbei, dass für die kinetische Energie T = 12 ~˙xM
~x˙ gilt. Wir kommen
somit auf die Gleichung
d ∂
∂
∂~x
T =
T + F~
dt ∂ q̇k
∂qk
∂qk
.
(57)
Die hier verwendete Kraft F~ sei dabei eine ganz allgemeine Kraft mit der Form:
!
F~ = F~ ~x ~q (t), t , ~x˙ ~q (t), ~q˙ (t), t , t
Wir haben also bis jetzt f DGL 2. Ordnung, die Bewegungen mit Zwangsbedingungen für beliebige Koordinaten q1 , . . . , qf beschreiben. Falls zusätzlich eine Kraft F~ der
folgenden Form existiert
F~ = −∇V ∂~
x
∂
⇒ F~
= −
V ~x ~q (t), t , t
,
∂qk
∂qk
dann gilt
d ∂
∂
L =
L
dt ∂ q̇k
∂qk
L = T −V
Was wir bisher erreicht haben:
Die Herleitung der Euler–Lagrange–Gleichungen für verallgemeinerte Koordinaten
aus der Newton–Gleichung mit zusätzlichen Zwangsbedingungen für konservative Kräfte haben wir geschafft, dies schließt die Reibung als eine nicht–konservative Kraft allerdings aus!
Damit sind alle Annahmen, wie die Form der Zwangskräfte oder auch die Form des
Hamiltonischen Prinzips, äquivalent.
78
Neu dazugekommen ist d’Alembert–Gleichung (57), die anwendbar ist, wenn keine
Lagrange–Funktion existiert.
Betrachten wir nun die Reibung, oder allgemeiner: nicht–konservative Kräfte.
Beispiel
Betrachten wir ein starres Doppelpendel mit Reibung (Abb. 31).
Abbildung 31: aneinander gekoppelte Pendel
Wie zu sehen sind die jeweiligen Pendellängen l1 und l2 gleich groß.
!
~r1 = l ·
sin(ϕ1 )
− cos(ϕ1 )
!
sin(ϕ2 )
− cos(ϕ2 )
und ~r2 = ~r1 + l ·
Für die Geschwindigkeit ergibt sich dann entsprechend
~r˙1 = l · ϕ̇1
cos(ϕ1 )
sin(ϕ1 )
!
und ~r˙2 = ~r˙1 + l · ϕ̇2
!
cos(ϕ2 )
.
− sin(ϕ2 )
Ohne Reibung lautet die Lagrange–Gleichung dann
1
1
m1~r˙12 + m1~r˙22 − m1 gy1 − m2 gy2
2
2
1
1
=
m1 l2 ϕ̇12 + m2 l2 ϕ̇12 + ϕ̇22 + 2ϕ̇1 ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + . . .
2
2
· · · + m1 gl cos(ϕ1 ) + m1 gl cos(ϕ1 ) + cos(ϕ2 ) .
L =
Wir wissen, dass für die Lagrange–Gleichung folgendes gilt:
dt
∂L
∂L
=
∂ q̇i
∂qi
⇔
δS = 0
Gehen wir nun von der Newton–Gleichung in die d’Alembertschen Gleichung, gilt:
dt
∂T
∂T
∂~x
=
+ F~
∂ q̇i
∂qi
∂qi
79
Dies ist äquivalent für F~ = −∇V und L = T − V , aber auch für die Reibung.
In unserem Beispiel haben wir also:
dt
h
∂L
= m1 l2 ϕ̈1 + m2 l ϕ̈1 + ϕ̈2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) − . . .
∂ ϕ̇1
i
−ϕ̇1 ϕ̇2 sin(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇22 sin(ϕ1 − ϕ2 )
!
=
∂L
∂ϕ1
∂L
= −m2 l2 ϕ̇1 ϕ̇2 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − m1 gl sin(ϕ1 ) − m2 gl sin(ϕ1 )
∂ϕ1
Dies gilt analog für ϕ2 .
Betrachten wir das ganze nun mit Reibung. Für die Kräfte gilt dann
F~R1 = −γ1~r˙1 und F~R2 = −γ2~r˙2
∂~r1
⇒ F~R1 ·
∂ ϕ̇1
⇒ F~R2 ·
∂~r2
∂ ϕ̇2
.
!
cos(ϕ1 )
·l·
sin(ϕ1 )
!
!
cos(ϕ1 )
cos(ϕ1 )
·l
sin(ϕ1 )
sin(ϕ1 )
=
−γ1 ϕ̇1
=
−γl2 ϕ˙1
=
−γ2 l2 ϕ̇1 + ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 )
.
Mit d’Alembert folgt ergibt sich dafür:
∂L
∂L
∂~r1
∂~r2
=
+ F~R1
+ F~R2
∂ ϕ̇1
∂ϕ1
∂ϕ1
∂ϕ1
m2
ϕ̈2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇22 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − . . .
⇒ ϕ̈ 1 = −
m1 + m2
γ1 + γ2
γ2
−gl sin(ϕ1 ) −
ϕ̇1 −
ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 )
m1 + m2
m1 + m2
dt
Analog gilt für ϕ2 :
ϕ̈2 = −ϕ̈1 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇21 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − . . .
γ2
g
− sin(ϕ2 ) −
(ϕ̇2 + ϕ̇1 cos(ϕ1 − ϕ2 ))
l
m2
Betrachten wir nun die Grenzfälle, bei denen eine der beiden Reibungen extrem groß
ist.
γ1 → ∞ ⇒ ϕ̇1 = 0 mit ϕ̇2 = const
γ2 → ∞ ⇒ ϕ̇2 + ϕ̇1 cos(ϕ1 − ϕ2 ) = 0
(58)
⇒ ϕ̇1 + ϕ̇2 cos(ϕ2 − ϕ1 ) = 0
(59)
80
Für den Fall, dass γ2 → ∞, wird γ1 = 0. Rechnen wir (58) ± (59), so erhalten wir
(ϕ̇1 ± ϕ̇2 )(1 ± cos(ϕ1 − ϕ2 )) = 0
und
ϕ̇1 = ϕ̇2 = 0 .
Wir können dies auch als
ϕ1 − ϕ2 = const ∝ π
schreiben.
4.5
4.5.1
Symmetrie und Erhaltungssätze
Transformation der Lagrange–Funktion
Für den Fall, dass wir die Lagrange–Funktion L um eine Konstante erweitern oder mit
einem Vorfaktor versehen, also
L 7→ L + const
L 7→ L · const
,
ändert sich die Bewegungsgleichung nicht. Das eigentlich interessante hierbei ist die
Wirkung, die wir uns jetzt nochmal genauer ansehen werden.
Z
t2
L ~q, ~q˙, t + dt f ~q(t), t dt
t1
Z t2
t2
=
L dt + f ~q (t), t S =
t1
t2
t1
Z
=
L dt + const
t1
t
Der Anteil f ~q (t), t t21 ist dabei konstant für q(t1 ) = q1 und q(t2 ) = q2 . Wir sehen
also:
L 7→ L + dt f ~q (t), t ändert die Euler–Lagrange–Gleichung nicht. (60)
81
Beispiel
Betrachten wir als Beispiel ein Teilchen im elektromagnetischem Feld. Die Lagrange–
Funktion lautet dann
1
~ r, t)~r˙ ,
L = m ~r˙ 2 − eφ(~r, t) + eA(~
2
wobei
~
~ = −∇φ − ∂ A
E
∂t
~ = ∇×A
~
B
gilt. Damit folgt für die Kraft
¨
˙
~
~
m~r = eE + e ~r × B
.
~ und φ gilt, das sie trotz Verschiebung invariant bleiben.
Für A
∂
Λ(~x, t)
∂t
~ →
~ + ∇Λ(~x, t)
A
7
A
φ 7→ φ −
Für die Lagrange–Gleichung bedeutet das, dass sie die Form
∂
Λ + e~r˙ ∇Λ
∂t
= L + edt Λ
L 7→ L + e
annimmt.
4.5.2
Symmetrien und Form der Lagrange-Funktion
Die Aufgabe ist, L für ein neues Naturgesetz zu finden. In der Festkörperphysik geschieht dies ca. 1 bis 2 mal im Jahr, weswegen diese Überlegung gerechtfertigt ist.
Die dafür erforderliche Strategie lautet, das einfachste L zu finden, das mit den Symmetrien verträglich ist.
Beispiel
Wir nehmen als Beispiel ein freies Teilchen mit den Symmetrien der Galilei-Gruppe.
Unser Ansatz ist dabei ein beliebiges L ~r, ~r˙, t zu wählen. Durch die Galilei–Gruppe
können wir sagen, dass aus der Invarianz für t 7→ t + ∆t und ~r 7→ ~r + ∆~r, sowie der
82
Rotationsinvarianz
t 7→ t + ∆t ⇒ L = L ~r, ~r˙
~r 7→ ~r + ∆~r ⇒ L = L ~r˙
Rotationsinvarianz ⇒ L = L ~r˙ 2
folgen. Verschieben wir den Ortsvektor ~r auf ~r 7→ ~r +~v0 t, nimmt die Lagrange–Funktion
folgende Form an.
2 ˙
L →
7
L ~r + ~v0
∂ 2L
+ O ~v0 2
= L ~r˙ 2 + 2~r˙ ~v0
∂~r˙ 2
Wir können die obige Gleichheit annehmen, wenn v0 klein ist und wir analytisch über
die Taylorfunktion nähern können.
2
!
Als nächstes fordern wir, dass 2~r˙ ~v0 ∂∂~r˙L2 = dt f sei, also die totale Zeitableitung der
Funktion f . Diese totale Zeitableitung hat die Form
dt f (~r, t) = ~r˙ ∇f + ∂t f
und gilt nur für
∂
L = const
∂~r˙ 2
.
⇒ L = const · ~r˙ 2
Wir haben diese Form aufgrund der Symmetrien gefunden. Bis auf const =
Gleichung also durch die Galileiinvarianz festgelegt.
m
2
ist unsere
Beipiel
Widmen wir uns einem noch weiterem Bespiel: Als Ausgangspunkt nehmen wir diesmal
ein Teilchen im bekannten statischem Potential Das Potential hat also die Form
1
V (~r ) = eφ(~r ) ⇒ L = m~r˙ 2 − eφ(~r ) .
2
83
Wir suchen jetzt eine Verallgemeinerung, so dass unter der Eichtransformation folgendes invariant bleibt.
∂Λ(~x, t)
∂t
~
~
A →
7
A + ∇Λ(~x, t)
φ 7→ φ −
Wir stoßen dabei allerdings auf das Problem, dass die partielle Zeitableitung von Λ
nicht identisch ist mit ihrer totalen Zeitableitung, also
L0 7→ L0 + e
∂Λ
∂t
mit ∂t Λ 6= dt Λ
dt Λ = ∂t Λ + ~r˙ · ∇Λ .
Durch die Invarianz erzwungen modifzieren wir darum L0 zu
1
~ ~r˙ .
L = m~r˙ 2 − eφ + eA
2
Die Eichinvarianz bestimmt die Form von L und erzwingt die Form der Lorentzkraft
˙
~
~
~
F = eE + e ~r × B
4.5.3
Noethertheorem
Wenn wir uns mit dem Noethertheorem19 auseinandersetzen, betrachten wir zunächst
einmal die Symmetrie. Nach diesem Theorem bleibt die Wirkung unter einer Symmetrietranslation invariant.
Beispiel
Führen wir beispielsweise eine Rotation um die z–Achse aus, gilt

cos(ϕ)

~ri 7→ − sin(ϕ)
sin(ϕ)
cos(ϕ)


 · ~ri = Dϕ (~ri )
1
= ~ri 0
Die Symmetrie ist genau dann erhalten, falls
0 ˙0
˙
L ~r, ~r, t = L ~r , ~r , t
.
19
benannt nach Emmy Noether (1882 – 1935)
84
.
Nehmen wir nun an, dass es sich um eine infinitesimale Rotation gehandelt hat, also der Drehwinkel ϕ sehr viel kleiner als 1 sei. Dann können wir ~ri 0 mit Hilfe einer
Taylorentwicklung um ϕ = 0 annähern.
~ri
0
∂
Dϕ (~ri )
+ O ϕ2
= ~ri + ϕ ·
∂ϕ
ϕ=0


0
1
0


= ~ri + −1
0
0 · ~r + O ϕ2
0

0

0
ry


= ~ri + ϕ · −rx  + O ϕ2
0
= ~ri + êz × ~r + O ϕ2
êz ist in diesem Falle die ausgezeichnete Drehachse.
Abbildung 32: Rotation um die z–Achse
Wir folgern nun hieraus auf die Erhaltungssätze. Betrachten wir eine parametrisierte
differentierbare Abbildung des f –dimensionalen Konfigurationsraums.
~q 7→ ~q 0 = ~g (~q, λ),
λ∈R
~g (~q, 0) = ~q,
wenn ∀λ ∈ R: L ~g ~q, λ , dt~g ~q (t), λ , t = L ~q, ~q˙, t
Dann besitzt das System eine kontinuierliche Symmetrie mit der infintesimalen Erzeugenden
ϕ
~ (~q ) =
d
~g (~q, λ)
dλ
λ=0
85
Deswegen ist
f
X
∂L
d
~g (~q, λ)
Q ~q, ~q˙, t =
∂ q̇i dλ
λ=0
i=1
(61)
erhalten, d. h. seine zeitliche Ableitung ist 0 für physikalische Bewegungen mit δS = 0.
Beweis
d L ~g ~q, λ , dt~g ~q(t), λ , t 0 =
dλ
λ=0
f
X ∂L ∂qi ∂L ∂ q˙i =
+
∂qi ∂λ ∂ q˙i ∂λ i=1
λ=0
Nutzen wir an dieser Stelle, dass
∂L
∂L
= dt
∂qi
∂ q˙i
∂ ġ
∂g
= dt
und
∂λ
∂λ
gelten, können wir dies in die Formel einsetzen und erhalten
f X
d ∂L ∂g ∂L d ∂g 0 =
+
dt ∂ q̇i ∂λ λ=0 ∂ q̇i dt ∂λ λ=0
i=1
!
f
d X ∂L ∂g =
dt
∂ q̇i ∂λ i=1
λ=0
= dt Q
= 0
Jede kontinuierliche Symmetrie führt zu einem Erhaltungssatz.
Es bleibt hierbei zu bemerken, dass diskrete Symmetrien, wie z. B. Spiegelungen, nicht
mit Erhaltungssätzen verbunden sind.
Beispiel
Widmen wir uns einem weiterem Beispiel, der Translationsinvarianz in x–Richtung.
~ri 7→ ~ri 0 = ~ri + λê1
d
mit
λê1 = ê1
dλ
86
Wenn die Lagrange–Funktion für ~ri und ~ri 0 identisch sein sollte, so ist der Impuls in
x–Richtung erhalten.
N
X
∂L
i=1
· ê1 = px
∂ q̇i
Wählen wir also beispielsweise
L=
X1
i
1X
mi ~q˙i 2 −
V (~qi − ~qj ) ,
2
2 i6=j
P
folgt daraus für den Impuls in x-Richtung px = i mi q̇i . Die Impulserhaltung folgt
also aus der Translationsinvarianz.
Betrachten wir nun die Rotationsinvarianz. Die Drehung um die z–Achse erfolgt
mit einem infinitesimalen Winkel ϕ.
~ri 0 = ~ri + ϕêz × ~ri
X ∂L
(êz × ~ri ) = const
⇒ Lz =
∂~r˙i
Wir wählen L wie zuvor und erhalten somit für Lz
Lz =
X
m~r˙i (êz × ~ri )
i
= êz
N
X
(~ri × p~i ) .
i=1
Beispiel
Ein weiteres Beispiel, das wir uns näher ansehen wollen, ist die Zeittranslationinvarianz.
t 7→ t + ∆t
Wir haben unsere Symmetrie, wenn wir sagen können, dass
L ~q, ~q˙, t = L ~q, ~q˙
∂L
bzw.
= 0
∂t
gilt. Die bisherige Formulierung des Noethertheorems ist für diesen Fall nicht verwendbar, weswegen wir es einfach nachrechnen werden.
Aus der Zeittranslationsinvarianz folgt die Energieerhaltung20 .
20
dies ist klausurrelevant
87
E =
f
X
∂L
i=1
∂ q̇i
q̇i − L = const
(62)
Beweis:
f X
∂L
∂L
∂L
∂L
∂L
dt
=
q̇i +
q̈i −
q̇i −
q̈i −
∂ q̇i
∂ q̇i
∂qi
∂ q̇i
∂t
i=1
d
E
dt
∂L
∂t
∂E
∂L
⇒
=0 ⇔
=0
∂t
∂t
= −
Für die Lagrange–Funktion der Form
1
L = ~x˙ T M~x − V (~x)
2
folgt für die Energie
E = ~x˙ T M ~x˙ − L
1˙T ˙
⇒E =
~x M ~x + V
2
.
Haben wir beispielsweise ein Potential der Form V (~r, t) = V (y, t), wie z. B. exp [−y 2 ] cos (ωt),
so sind demnach px , pz , Ly erhalten.
4.5.4
Verallgemeinertes Noethertheorem
Wählen wir nun eine zeitabhängige Transformation der Lagrangefunktion mit
L 7→ L +
d
F (~q, t) ,
dt
so wollen wir die Symmetrie erhalten haben. Betrachten wir folgende Transformation
mit λ ∈ R.
qi 7→
qi0
t 7→ t0
˙
˙
= gi ~q, ~q, t ' qi + λψi ~q, ~q, t + O λ2
= h ~q, ~q˙, t ' t + λϕ ~q, ~q˙, t + O λ2
88
Wählen wir nun neue Koordinaten qi0 (t0 ) mit
dt0
dt
−1
=
≈
⇒
dϕ
1+λ
dt
dϕ
1−λ
+ O λ2 .
dt
d
d
1 − λ ϕ + O λ2
q˙i + λ ψ
dt
dt
dψ
dϕ
q̇i + λ
− λq̇i
+ O λ2
dt
dt
dqi0
dqi0 dt
=
≈
dt0
dt dt0
≈
Wir haben nun eine Symmetrie, wenn
Z
t02
t01
!
Z t2
d
d
dt L ~q (t), ~q˙ (t), t + F (~q, t, λ)
dt0 L ~q 0 (t0 ), 0 ~q 0 (t0 ), t0
=
dt
dt
t1
Entwickeln wir das Ganze jetzt in λ, ergibt sich
d
!
f (~q, t) =
dt
mit f =
0
d
d 0 0
0 dq
L q , 0 ,t · t dλ
dt
dt
λ=0
d F
.
dλ λ=0
Daraus ergibt sich folgender Term.
d
dλ
!
~ ~q˙ + λdt ψ
~ − λ~q˙dt ϕ, t + λϕ 1 + λdt ϕ L ~q + λψ,
= ...
λ=0
f
X
dϕ
∂ϕ
∂L
∂L dψi
∂L
··· =
− q̇i
·ϕ+L·
ψi +
+
∂qi
∂ q̇i dt
dt
∂t
∂t
i=1
Nun können wir die Identitäten
und
∂L
d ∂L
=
∂q
dt ∂ q̇i
!
∂L
d X ∂L
= −
· q̇i − L
dt i ∂ q̇i
∂t
verwenden, um den obigen Term zu vereinfachen.
" #
X ∂L X ∂L X ∂L d
∂L
...
=
dt
ψi +
dt ψi + dt ϕ · L −
q̇i + ϕ · L −
q̇i
dt
∂ q̇i
∂ q̇i
∂ q̇i
∂ q̇i
X ∂L !
∂L
⇒ dt
ψi + L +
q̇i ϕ = dt f
∂ q̇i
∂ q̇i
Wir können deswegen darauf schließen, dass
89
X ∂L
X ∂L ˙
ψi + L −
q̇i ϕ − f (~q, t) = const
Q ~q, ~q, t =
∂ q̇i
∂ q̇i
(63)
ein Erhaltungssatz ist.
Für den Spezialfall, dass ϕ = f = 0 ist, verwenden wir die vorherige Version des
Noethertheorems. Falls f = 0, ψ = 0, ϕ = 1, verwenden wir die Energieerhaltung. Das
Noethertheorem verbindet somit Symmetrien mit physikalischen Erhaltungsgrößen.
t 7→ t + ∆t
Energie
~x 7→ ~x + ∆~x
Impuls
ϑ 7→ ϑ + ∆ϑ
Drehimpuls
~q 7→ ~q + λ · ψi ~q, ~q˙, t
˙
t 7→ t + λ · ϕ ~q, ~q, t
L 7→L + λ · dt f ~q, t =
b Symmetrie
In der Quantenmechanik kennen wir die Schrödingergleichung i~∂t Ψ = HΨ, wobei H
die Energie beschreibt (Energieoperator ).
X ∂L X ∂L
ψi + L −
q̇i ϕ −f ~q, t = const
Q ~q, ~q˙, t =
∂ q̇i
∂ q̇
{z i
}
|
−E
Beispiel: Galilei–Transformation
Die Galilei–Transformation haben wir schon kennengelernt.21
~r 7→ ~r + ~v · t
~v = λêα
mit α ∈ {x, y, z}
Mit einer geeigneten Langrange–Funktion können wir die Dynamik ausrechnen.
1X
V (~ri − ~rj )
2
2 i6=j
X
˙
⇒ L ~ri + ~vi t, ~r + ~v , t = L +
mi~r¨i êα · λ +O λ2
L =
X1
mi~ri2 +
|i
λ·dt (
21
siehe Galilei–Transformationen 1.3
90
{z
P
}
r˙i êα )
i mi ~
Demnach lauten die Funktionen ψ, ϕ und f
ψ = t · êα
ϕ = 0
X
f =
mi~r˙i êα
i
und wir können Q bestimmen. Hierbei verwenden wir die Gesamtmasse M und die
P
ri mi , um die Gleichung umzuschreiben.
Schwerpunktskoordinate R = M1
i~
Qα =
X
mi~r˙i êα · t −
X
i
= êα · M
P~
~
t−R
M
mi~ri êα
i
!
~
~ − P t = const
⇒R
M
Insgesamt können wir festhalten:
Die Galileigruppe wird durch 10 kontinuierliche Parameter bestimmt. Dazu passen 10 Erhaltungssätze, die ein solches System lösbar machen:
~ E und R
~ − P~ t
P~ , L,
M
4.5.5
Kontinuumsmechanik und Feldtheorien: Schwingung einer Saite
Betrachten wir eine Gitarrensaite. Für den Fall einer kontinuierlichen Schwingung haben wir die Auslenkung u(x, t).
Abbildung 33: u(x, t) gibt die Auslenkung eines Punktes auf der Saite an.
Abbildung 34: Diskretisierung der schwingenden Saite
91
Bei einer disktretisierten Saite geben wir die Koordinatenpunkte und Masse folgendermaßen an:
qi (t) = u(x, t)
xi = i · ∆x mit i ∈ [1, N ]
L
N =
∆x
Masse
mi = ∆xρ wobei ρ =
Länge
Deswegen ergibt sich für die kinetische Energie
T
N
X
1
=
2
i=1
=
∆x→0
=
mi q̇i 2
2
N
1 X
dqi
ρ
∆x
2 i=1
dt
Z L
1
(u̇(x, t))2 dx
ρ
2 0
Für die potentielle Energie sehen wir uns zunächst den Abstand der einzelnen qi an.
q
(∆x)2 + (qi+1 − qi )2 = di
Für den Fall, dass |qi+1 − qi | ∆x ist, ergibt sich für di dann
1 (qi+1 − qi )2
di ≈ ∆x 1 +
2
∆x2
wobei wir di über die Tayloerentwicklung
haben.
Das Potential hat somit die Form
V
=
N
X
1
i=0
2
D di − di0
= const +
N
X
√
!
,
1 + 2ε = 1 + 21 (2ε) + O(2ε) angenähert
2
D · ∆x −
di0
i=0
∆x qi+1 − qi 2
+ ...
2
∆x
.
D ist dabei die Federkonstante und di0 die Länge der entspannten Feder. Gehen wir
nun davon aus, dass wir eine durch die Kraft P vorgespannte Saite haben.
D ∆x − di0 = P > 0
92
Lassen wir unsere Schrittgröße wieder infinitesimal klein werden, also
qi+1 − qi
∂
=
u(x, t) ,
∆x→0
∆x
∂x
lim
nimmt das Potential die Form
V
2
∂
1 X
∆x ·
u(x, t)
= const + P
2
∂x
2
Z L
1
∂
= const +
P·
u(x, t) dx
∂x
0 2
an. Für kleine Auslenkungen lautet die Lagrange–Funktion:
L = T −V
2
2
Z L
1
∂
1
∂
=
ρ·
u(x, t) − P ·
u(x, t) dx
∂t
2
∂x
0 2
(64)
(65)
Die Lagrangedichte L ist dann gegeben durch
Z
L
L dx
2
2
∂
∂
1
1
⇒L =
ρ
u(x, t) − P
u(x, t)
2 ∂t
2
∂x
L =
0
.
Entsprechend ergibt sich für die Wirkung
Z
L
S[u(x, t)] =
Z
t2
dt L u, ∂t u, ∂x u, t
dx
0
(66)
t1
Alternativ können wir folgende Herleitung aus Symmetrieüberlegungen betrachten:
L =
u, ∂x u, ∂x2 u, . . . , ∂t u, ∂t2 u, . . . , t
u(x, t) 7→ u(x, t) + ∆
L 7→ L
x 7→ x + ∆x
Wir können nun zwei verschiedene Extremfälle untersuchen:
1. Für kleine Auslenkungen können wir in u(x, t) eine Taylorentwicklung durchführen.
93
2. Alternativ können wir für große Längen und lange Zeiten um in der „Anzahl
der Ableitungen“ taylorentwickeln. Wir sagen dafür |∂x u| |∂x2 u|a, wobei a der
mittere Abstand zwischen den Atomen ist.
Bei ∂x u und ∂t u handelt es sich um Oberflächenterme. Integrieren wir jeweils
danach erhalten wir
L
Z
∂x u dx = u(L) − u(0)
0
!
= 0 wegen der Randbedingungen
Z
t2
∂t u dt = u(t2 ) − u(t1 ) .
t1
Wir erhalten damit die möglichen Terme
c1 (∂x u)2 + ct (∂t u)2 + c3 (∂x u)(∂t u)
|
{z
}
,
Oberfläche
wobei der Oberflächenterm wegfällt, da
Z
L
0
x=L
(∂x u)∂t u dx = u∂t u
.
x=0
Nun wollen wir die Bewegungsgleichung aus dem Hamiltonischen Variationsprinzip
δS = 0 herleiten.
Für die Randbedingungen läuft u → u + δu. Im Variationsprinzip lassen wir für den
Startzeitpunkt als auch für den Endzeitpunkt δu(x, t1 ) = δu(x, t2 ) = 0 sein. Zudem
lassen wir die Saiten für dieses Problem an Rand eingespannt sein.
δu(0, t) = 0
δu(L, t) = 0
Für δS bedeutet dies ∀δu(x, t):
δS
=
=
p. I.
=
S[u + δu] − S[u]
Z L Z t2
∂L
∂L
∂L
+ (∂x δu)
+ (∂t δu)
dx
dt δu
∂u
∂(∂x u)
∂(∂t u)
0
t1
Z L Z t2 ∂L
∂L
∂L
δu
− dx
− dt
∂u
∂(∂x u)
∂(∂t u)
0
t1
x=L Z L
t=t2
Z t2
∂L
∂L
+
δu
dt +
δu
dx ∂(∂x u)
∂(∂t u)
t1
!
=
x=0
0
94
0
t=t1
Die letzten beiden Integrale fallen weg, da es sich bei ihnen um die Randbedingungen
handelt. Die Euler–Lagrange–Gleichung lautet demnach für Felder
d ∂L
∂L
d ∂L
+
=
dt ∂(∂t u) dx ∂(∂x u)
∂u
.
(67)
Für unsere Saite mit den Randbedingungen
∂L
= ρ∂t u
∂(∂t u)
∂L
= p∂x u
∂(∂x u)
∂u L = 0
bedeutet dies
∂ 2u
∂ 2u
ρ 2 −p 2 =0 .
∂t
∂x
Für
p
ρ
(68)
= c2 mit der Geschwindigkeit c erhalten wir die Wellengleichung
2
∂ 2u
2∂ u
−
c
=0 .
∂t2
∂x2
(69)
Um dieses Problem zu lösen nutzen wir im Allgemeinen die Fourieranalyse. Unser
Ansatz ist dabei, dass wir u(x, t) als
h
i
u(x, t) = Re a0 · exp i(kx − ωt)
umschreiben können.
⇒ exp
h
i !
−ω 2 + c2 k 2 · a0 · exp i(kx − ωt) = 0
⇒ ω = ±ck
Die allgemeine Lösung für eine unendlich lange Saite kann nun durch folgende Gleichung beschrieben werden.
Z
u(x, t) = Re
dkfkR
exp [i(kx − ωt)] +
fkL
exp [i(kx + ωt)]
= f R (x − c t) + f L (x + c t)
Z
R,L
mit f (x) = fkR,L exp [ikx]
95
f R (x) und f L (x) sind beliebige Funktionen für die unendlich lange Saite.
Abbildung 35: Qualitative Lösung für die schwingende Saite einer Gitarre mit den
Randbedingungen u(0, t) = u(L, t) = 0.
4.6
Exkurs: Quantenmechanik und Variationsprinzip
Ausbreitungsrichtung
der Welle
In der Quantenmechanik kennen wir den Wellen–Teilchen–Dualismus von Objekten.
Dies kann man sehr schön im Doppelspaltexperiment sehen.
Abbildung 36: Doppelspaltexperiment
Wir kommen daher auf ein neues Konzept Ereignisse durch Wahrscheinlichkeitsamplituden zu beschreiben. Diese Wahrscheinlichkeitsamplitude C ergibt sich aus
C = |c| exp[iϕ] ∈ C ,
wobei |c|2 die Wahrscheinlichkeit ist.
96
Interferenzprinzip
Wenn wir beim Doppelspaltversuch bleiben, betrachten wir das Interferenzmuster der
Teilchen auf dem Schirm genauer: Wir sehen, dass sich die Wahrscheinlichkeitsamplituden additiv zu einander verhalten. In Formeln ausgerückt bedeutet dies
|c1 + c2 |2 = (|c1 | exp[iϕ1 ] + |c2 | exp[iϕ2 ]) · (|c1 | exp[−iϕ1 ] + |c2 | exp[−iϕ2 ])
|c1 |2 + |c2 |2
| {z }
=
Addition von Wahrscheinlichkeiten
+ 2|c1 ||c2 | cos(ϕ1 − ϕ2 )
|
{z
}
.
Interferenzterm
Unser Ziel ist es, die Wahrscheinlichkeit p zu berechnen. Wir sagen dazu, dass ein
Teilchen am Ort ~r2 zur Zeit t2 ist, falls es zur Zeit t1 am Ort ~r1 war. Wir schreiben
dies als
2
G(t2~r2 )t1~r1
{z
}
|
p(~r2 t2 | ~r1 t1 ) =
.
Wahrscheinlichkeitsamplitude
Ein mögliches Postulat aus der Quantenmechanik könne also folgendermaßen lauten.
iS[~r(t)]
exp
G(~r2 t2 | ~r1 t1 ) =
~
alle Pfade
X
(70)
R t2 ˙
Dabei ist S[~r(t)] = t1 L ~r, ~r, t dt die klassische Wirkung, ~ ≈ 10−34 Js ist das Plancksche Wirkungsquantum. Dies bedeutet für uns, dass wir klassisch nur physikalisch
sinnvolle Pfade gehen können, für die δS = 0 gilt. Quantisch können wir alle Pfade
simultan laufen.
Unser jetziges Ziel ist es, das Hamiltonische Variationsprinzip herzuleiten für den
Fall, dass die Wirkung S sehr viel größer als ~ ist. Wir betrachten dazu die benachbarten
Pfade ~r(t) und ~r(t) + δ~r(t), wobei δ~r(t) klein sei.
S[~r ]
exp i
~
= cos
S[~r ]
~
+ i sin
S[~r ]
~
Die Summation aller Pfade mittelt sich auf diese Art fast immer zu 0. Für S ~ gibt
es destruktive Interferenz, d. h. diese Pfade sind tatsächlich nicht benutzt.
cos
S + δS
~
≈0
Genau dann, wenn benachbarte Pfade fast die selbe Wirkung haben, gibt es eine konstruktive Interferenz mit S[~r + δ~r ] − S[~r ]. Damit haben wir den folgenden Satz hergeleitet, den wir beweisen wollten.
97
Nur Pfade mit δS = 0 tragen im klassischen Grenzfall zu benutzten Pfaden bei.
98
5
Hamiltonische Mechanik
Wir wollen die uns bekannte Euler–Lagrange–Gleichung
∂L
d ∂L
=
dt ∂ q̇
∂q
durch den generalisierten Impuls pi und die generalisierte Kraft Fi darstellen,
um die Analogie zu den Newton–Gleichungen zu zeigen. Wenn wir Impuls und Kraft
als
∂L
∂ q̇i
∂L
=
∂qi
pi =
Fi
definieren, erhalten wir
d
pi = F i
dt
,
was wiederum den Newton’schen Gleichungen entspricht.
Wir können die Mechanik somit auch mit Impulsen beschreiben, anstatt Geschwindigkeiten zu benutzen. Dies bringt verschiedene Vorteile. Insbesondere ist die Formulierung damit flexibler, aber auch die Struktur der Mechanik wird transparenter als bei
den bisherigen Beschreibungen. Zudem ist diese Form der kanonischen Beschreibung
der Quantenmechanik ähnlich.
5.1
Legendre–Transformation und Hamiltonfunktion
Wir wollen nun q̇i in der Lagrangefunktion durch pi ersetzen. Dazu benutzen wir ein
allgemeines Verfahren, die Legendre–Transformation. Mit dieser können wir eine
Variable durch eine andere darstellen. Z. B. wird in der Thermodynamik das Volumen
V oft durch den Druck p dargestellt, wobei letzterer als
p =
dE
dV
definiert ist.
Legendre–Transformation
Gegeben sei eine Funktion f (x). Nun soll x durch
y =
∂f
= f 0 (x)
∂x
99
definiert wird. Zudem sei die y = f 0 (x) eindeutig nach x = x(y) auflösbar.
Definition: Legendre–Transformation von f (x)
e
f (y) = y · x(y) − f (x)
y=f 0 (x)
= y · x(y) − f x(y)
Wichtig ist hierbei zu bemerken, dass
df
dy
= x(y) + y
dy
df dy
−
= x(y) .
·
dx |{z}
dx dx
y
Daraus können wir folgern, dass die Transformierte der Transformierten fe wiederum f
ist.
≈
f = x · y(x) − fe y(x) = f (x)
Anwendung auf die Lagrangefunktion
1. L ~q, ~q˙, t ist eine Funktion von den generalisierten Koordinaten ~q und den generalisierten Geschwindigkeiten ~q˙.
2. Löse für alle i die Gleichungen pi = ∂q̇i nach q̇j = q̇j (~q, p~, t) auf.
3. Berechne die Hamiltonfunktion als die Legendre–Transformierte:
H(~q, p~, t) =
f
X
˙
pi · q̇i (~q, p~, t) − L ~q, ~q ~q, p~, t , t
i=1
H ist nun keine Funktion von ~q˙ mehr, sondern stattdessen von p~ !
100
(71)
Sehen wir uns nun einmal die Ableitungen von H an.
∂H
∂pj
=
f X
i=1
∂qi
δij q̇i + pi
∂pj
f
X
∂L ∂ q̇k
−
∂ q̇k ∂pj
k=1 |{z}
pk
= q̇j
X
f f
X
∂ q̇i ∂L
∂L ∂ q̇k
pi
=
−
−
∂qi ∂qi
∂ q̇k ∂qi
i=1
k=1
∂H
∂qj
∂L
− ṗj
∂qj
∂L
= −dt
∂ q̇j
= −
Es gelten die Hamiltonischen Bewegungsgleichungen
∂H
~q˙ =
∂~p
∂H
und p~˙ = −
∂~q
(72)
.
(73)
Sie führen zu einer neuen Formulierung der Mechanik.
und mi~r¨i = F~i .
2. Lagrange postuliert:
F~ (~r1 , . . . , ~rN )
˙
L ~q, ~q, t
und δS = 0 mit S =
3. Hamilton postuliert:
H(~q, p~, t)
und Gleichungen (72) und (73).
1. Newton postuliert:
Z
L dt .
Neu ist, dass wir eine Symmetrie zwischen p~ und −~q haben. Zudem formulieren wir in
der Hamilton–Mechanik 6f DGL 1. Ordnung statt 3f DGL 2. Ordnung. Wir betrachten:
L =
1˙T ˙
~ x, t)~x˙ .
~x M ~x − V (~x, t) + A(~
2
101
Der Variabelwechsel ist immer durchführbar:
~x = ~x(~q, t)
X ∂~x
∂~x
⇒ ~x˙ =
· ~qi +
∂qi
∂t
i
⇒
∂ ẋj
∂ q̇i
⇒ pi
∂xj
∂qi
∂xβ
∂xβ
∂xβ
∂L X ∂xα
∂xα
=
Mαβ
Mαβ
+ Aβ
=
·q̇j +
∂ q̇i
∂qi
∂qi
∂t
∂qi
∂qi
α,β |
{z
}
=
Ãij
Daraus22 folgt, dass Ãij positiv definiert ist.
⇒ ~q˙ = Ã−1 p~ + ~c
Die Matrix à ist invertierbar und daher ist der Variablenwechsel möglich.
Betrachten wir die partielle Zeitableitung der Hamiltonfunktion.
∂H
∂t
=
X
pi
i
= −
∂L ∂ q̇i ∂L
−
∂ q̇i ∂t
∂t
∂L
∂t
= 0 genau dann gilt, wenn auch ∂L
= 0. Dank
Wir können daraus folgern, dass ∂H
∂t
∂t
˙
des Noethertheorems H = p~ · ~q − L können wir auf die Erhaltungsgröße der Energie
folgern:
d H ~q (t), p~ (t) = 0
dt
∂H
= 0
falls
∂t
Beweis
d
∂H ˙ ∂H ˙
H =
· ~q +
p~
dt
∂~q
∂~p
= p~˙ · ~q˙ − ~q˙ · p~˙
= 0
22
siehe Kapitel 3.7
102
(74)
(75)
H kann dann mit der Energie identifiziert werden. Es gilt aber zu beachten, dass für
zeitabhängige Koordinaten H nicht mit der üblichen Energie übereinstimmen muss! Es
sollte nicht vergessen werden, dass H eine Funktion von Ort, Impuls und Zeit ist.
Beispiele
1.
L =
⇒ p~ =
⇒ ~r˙ (~p ) =
⇒ H(~r, p~ ) =
=
=
m~ 2
ṙ − V = T − V
2
dL
= m~ṙ
dṙ
p~
m
p~ · ~r˙ (~p ) − L ~r, ~r˙ (~p )
2
p~
p~ 2
−
−V
m
2m
p~ 2
+V =T +V
2m
2. Kugelkoordinaten
L =
⇒ pr =
⇒ pθ =
⇒ pφ =
⇒H =
m ˙ 2
~r + r2 θ̇2 + r2 sin2 (θ)φ̇2 − V
2
∂H
= mṙ
∂ ṙ
∂H
= mr2 θ̇
∂ θ̇
∂H
= mr2 sin2 (θ) φ̇
∂ φ̇
p2φ
1
p2θ
2
p +
+ 2 2
+V
2m r
r
r sin (θ)
3. Teilchen im elektromagnetischen Feld
m˙2
~ r, t)~r˙
~r − eV (~r ) + eA(~
2
∂L
~
⇒ p~ =
= m~r˙ + eA
˙
∂~r
1
˙
~
p~ − eA
⇒ ~r (~p ) =
m
⇒ H = p~ · ~r˙ (~p ) − L
L =
H =
2
1 ~ + eV
p~ − eA
2m
103
(76)
5.2
Differentiale und Hamiltonformalismus
Wir wollen ein Differential als die Summe der Produkte ihrer einzelnen Bestandteile
darzustellen, wobei ~x(λ) eine beliebige Funktion ist.
X ∂f ∂xi
df ~x(λ)
=
dλ
∂xi ∂λ
i
Wir können dies weiter abstrahieren zu
df =
X ∂f
dxi
∂xi
i
Definition:
Formal schreiben wir df (~x), mit ~x ∈ Rn und
df : Rn → R
~h → df · ~h ∈ R .
wobei df · ~h als der Grenzwert des Differentenquotient
lim
ε→0
f (~x + ε~h) − f (~x)
ε
!
gegeben ist.
Damit folgt für df êk
df êk = df xk
dxi êk = dxi xk = δik
.
N
X
∂f
⇒ df =
· dxi
∂xi
i=1
Aus Produktregel und Kettenregel folgt dann
d(f · g) = f dg + g df
d(f ◦ ~g ) = df (~g (x))
∂f
=
· dx~g
∂~g
104
(77)
Wenden wir dies auf die Lagrange–Funktion an, ergibt sich für ihr Differential
dL ~q, ~q˙, t
X ∂L
=
i
∂qi
dqi +
∂L
∂L
· dt
dq̇i +
∂qi
∂t
|{z}
.
pi
Für die Hamiltonfunktion der Form
H=
f
X
pi q̇i − L
i=1
nimmt ihr Differential die Form
dH =
X
=
X
pi dq̇i + q̇i dpi − L
i
q̇i dpi −
i
∂L
∂L
dqi −
dt
∂qi
∂t
an. Vergleichen wir dies mit unserer üblichen Schreibweise von dH,
dH =
X ∂H
i
∂qi
· dqi +
∂H
∂H
· dpi +
· dt
∂pi
∂t
,
erhalten wir folgende Relationen.
∂H
∂pi
∂L
d ∂L
= −
=−
= −ṗi
∂qi
dt ∂ q̇i
∂L
= −
∂t
q̇i =
∂H
∂qi
∂H
∂t
Wir sehen also, wie der in Büchern meist genutze Formalismus aussieht und funktioniert. Für die Vorlesung benutzen wir ihn jedoch nicht.
105
5.3
Liouville–Theorem
Für die Hamiltonfunktion H(~q, p~, t) nutzen wir die generalisierten Koordinaten qi und
die generalisierten Impulse pi , wobei i von 1 bis f läuft. Unseren Zustand geben wir
duch einen 2f –dimensionalen Vektor
~x =
 
q1
.
 .. 
 
!
 
 qf 
~q
 ∈ R2f
= 


p~
 p1 
.
 .. 
 
pf
im Phasenraum23 an. Wir kommen so zu der Hamiltonschen Bewegungsgleichung
~x˙ = ~vH (~x, t) =
∂p H
−∂q H
!
.
Beispiele
Abbildung 37: Ein Rotationsfeld im Phasenraum
H=
p~ 2
1
+ mω 2 ~q 2
2m 2
!
⇒ ~vH =
p
~
m
−mω 2 ~q
Wir sehen also, wie in Abbildung 37 die Bewegung in der q–p–Ebene entlang ~vH geschieht. Wichtig ist, dass die Divergenz dieses Vektors 0 ist.
23
Eigentlich müsste er Zustandraum heißen, aber es ist ein historisch entstandener Begriff.
106
∂
∂H
∂H ∂H
+
−
=0
∇ · (~vH ) =
∂~q ∂~p
∂~p
∂~q
(78)
Wir können hieraus auf das Liouville–Theorem folgern:
Die physikalische Bewegung im Phasenraum ist volumenerhaltend.
Abbildung 38: Volumenerhaltung aufgrund des Liouville–Theorems: Die Form der Fläche kann verändert werden, die Fläche selbst jedoch bleibt zu jeder Zeit t erhalten.
Wie in Abbildung 38 zu sehen, befindet sich das Teilchen in diesem Bereich des Phasenraums, was ebenfalls mit der Kausalität zusammenhängt.
Beweis
R
Betrachten wir die Untermenge Mt0 des Phasenraums mit dem Volumen Vt0 = d2f x.
Durch alle Punkte x0 , die Element der Untermenge sind, geht eine Trajektorie ~x(~x0 , t)
mit
~x˙ (x0 , t) = ~vH (~x, t)
Dann sind Untermenge und Volumen der Form
Mt = {~y = ~x(~x0 , t) | ~x0 ∈ Mt }
Z
d2f y
Vt =
~
y ∈Mt
107
gegeben. Wir substituieren nun die Variable ~y durch ~x0 und erhalten so für das Phasenraumvolumen
Z
Z
∂y 2f
2f
d y=
Vt =
det ∂x0 d x0
Mt
Mt0
Das Liouville–Theorem gilt also genau dann, wenn der Betrag ihrer Determinante 1
ist. Für t = t0 + ∆t mit kleinen ∆t nimmt ~y die Form
~y = ~x0 + ~vH ∆t + O ∆t2
an. Die Determinante det
∂y
∂x0
sieht dabei folgendermaßen aus
∂vH,2f 1 + ∂vH1
.
.
.
∂x0,1
∂vH∂x0,1
∂vH,2
1
1 + ∂x0,2 . . .
..
∂y
∂x0,2
.
det
= .
.
.
..
..
..
∂x0
∂vH2f ∂vH1
∂x
.
.
.
1
+
∂x0,2f
0,2f
=: det(A)
Waagerecht steigt der Index von H an, senkrecht der Index von x0 .
Wir nutzen, dass nur Diagonalelemente der Ordnung O(1) sind und jeder Summand
ein Produkt von 2f Termen Aij ist. Zudem enthält jeder Term mit einem Faktor Amn
mit m 6= n weder Faktoren Ann noch Amm im Produkt. Damit ist dieses Produkt von
der Ordnung O(∆t2 ) oder kleiner und verschwindet, nur die Diagonaleinträge bleiben
übrig.
Daraus folgt für die Determinante:
det(A) =
2f
Y
Aii + O (∆t)2
i=1
2f
Y
∂~vH,i
∆t + O (∆t)2
=
1+
∂x0,i
i=1
X ∂vHi
= 1 + ∆t ·
+ O (∆t)2
∂x0i
i
= 1 + ∆t + ∇ · ~vH + O (∆t)2
= 1 + O (∆t)2
Für das Volumen ist damit zeitlich konstant:
Vt0 +∆t = Vt0 + O (∆t)2
⇒ dt Vt = 0
108
Da für die Divergenz ∇·~vH = 0 gilt, können wir auch hieraus folgern, dass das Volumen
Vt zeitlich konstant ist. Die mögliche Dymanik im Phasenraum ist stark eingeschränkt
und oft sind nur die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Anfangsbedingungen bekannt.
So wählen wir z. B. die Untermenge Mt = {~x ∈ R2f | p(~x(t)) ≥ p0 }
Gegenbeispiel
Abbildung 39: Das Liouville–Theorem gilt aufgrund von Reibung nicht. Die betrachtete
Fläche des Phasenraumvolumens verändert sich.
Wir betrachten nun als „Gegenbeispiel“ einen Fall mit Reibung, da diese durch den
Hamiltonformalismus nicht direkt beschreibbar ist. Hierbei wird τ = m
definiert.
γ
m ~r¨ = −γ~r˙
γ
⇔ p~˙ = − p~
m
=: −τ −1 p~
t
⇒ p~ (t) = p~0 exp −
τ
Wir können also sagen, dass mikroskopische Naturgesetze konvervativ und damit hamiltonisch sind. Allerdings gibt es keine effektive Beschreibung für dieses Beispiel, da
die Reibung durch Kollision mit vielen anderen Freiheitsgraden geschieht. Das wahre
Volumen (z. B. 3D) bleibt konstant, aber der gezeichnete Schatten (2D) ändert sein
Volumen. In Abb. 39 betrachten wir allerdings nur diese Projektion des gesamten Phasenraumes auf einen Schatten, weshalb sich die Fläche dort ändert.
Es bleibt festzustellen, dass diese Theorie nur im Phasenraum gilt, weshalb sich die
Hamiltonmechanik hierfür so gut eignet.
109
5.4
Poissonklammern
Wir wählen eine beliebige Funktion g auf dem Phasenraum. Für die zeitliche Ableitung
dieser gilt:
∂g ˙ ∂g ˙ ∂g
· ~q +
· p~ +
dt g(~q, p~, t) =
∂~q
∂~p
∂t
f
X ∂g ∂H
∂g ∂H ∂g
=
−
+
∂qi ∂pi
∂pi ∂qi
∂t
i=1
Eigenschaften
f
X
∂f ∂g
∂f ∂g
−
{f, g} =
∂pi ∂qi ∂qi ∂pi
i=1
(79)
Damit folgt für die zeitliche Ableitung von g:
dt g = {H, q} +
∂g
∂t
(80)
Eigenschaften
1. Zu den Eigenschaften der Poissonklammern zählen sowohl Antisymmetrie
{f, g} = −{g, f } ,
2. eine antisymmetrische Bilinearform
{f, α1 g1 + α2 g2 } = α2 {f, g1 } + α1 {f, g2 }
{f, g1 · g2 } = g1 · {f, g2 } + {f, g1 } · g2
∂ g1 · g2
∂g2 ∂g1
= g1
+
g2 ,
da
∂pi
∂pi
∂pi
3. die Jacobi–Identität
{f, {g, h}} + {g, {h, f }} + {h, {f, g}} = 0 ,
4. elementaren Poisson–Klammern
110
{qi , qj } = 0 = {pi , pj }
(81)
{pi , qj } = δij
∂qi
∂pi
da
=
=0 ,
∂pj
∂qj
(82)
5. die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen
q̇i = {H, qi }
(83)
ṗi = {H, pi } ,
(84)
wobei für ṗj
ṗj = {H, pj }
f
X
∂H ∂pj ∂H ∂pj
=
−
∂p
∂q
∂qi ∂pi
i
i
i=1
|{z}
|{z}
0
= −
δij
∂H
∂qj
gilt,
6.
{H, H} = 0 ⇒
∂H
dH
=
∂t
dt
7.
∂g
∂pi
∂g
{qi , g(~q, p~ )} = −
∂pi
{pi , g(~q, p~ )} =
In der Quantenmechanik warten mit der Bra–Ket–Schreibweise sehr ähnliche Strukturen auf uns. Zudem gibt es den Kommutator [f, g] = f · g − g · f , der in der Form
− i~1 [f, g] der Poissonklammer {f, g} entspricht.
5.5
Variationsprinzip
Unter Lagrange sagen wir, dass δS[q] = 0 gilt. Wie dies bei Hamilton aussieht, können
wir nicht sagen. Stattdessen betrachten wir die modifizierte Wirkung
111
Z
t2
I[~q(t), p~(t)] =
˙
p~(t) · ~q(t) − H(~q(t), p~(t), t) dt
(85)
t1
Wir können dann sagen, dass das modifizierte Hamiltonsche Variationsprinzip folgende
Form annimmt:
Variationsprinzip: δI = 0 unter Randbedingung ~q (t = 0) = qi0 und p~ (t = 0) = p0i
Betrachten wir dieses Variationsprinzip genauer, kommen wir auf einen Ausdruck für
~q˙ und p~˙.
δI = I[~q + δ~q, p~ + δ~p ] − I[~q, p~ ]
Z t2
∂H
∂H
δ~p · ~q˙ + p~ · δ ~q˙ −
=
δ~q +
δ~p dt + O δ~p 2 , δ~q 2 , δ~pδ~q
∂~q
∂~p
t1
t2
Z t2 ∂H
∂H
˙
˙
=
δ~p ~q −
+ δ~q −p~ −
+ p~ · δ~q ∂~p
∂~q
t1
t1
∂H
δI = 0 gilt, wenn ~q˙ =
∂~p
5.6
∂H
und p~˙ = −
∂~q
(86)
kanonische Transformation
~ und P~ zu wählen. Bei Lagrange haben wir beUnser Ziel ist es neue Koordinaten Q
~ q , t) wird. Bei Hamilton haben
liebige Transformationen im Ortsraum, so dass ~q 7→ Q(~
~ q , p~, t) sowie p~ 7→ P~ (~q, p~, t)
wir diesbezüglich mehr Flexibilität und können so ~q 7→ Q(~
fast beliebig wählen.
Beispiel
~ = p~,
P~ = −~q,
Q
~
= H(~q, p~ )
H̃ P~ , Q
~
= H −P~ , Q
112
˙
~˙
Damit folgt für P~ und Q
˙
P~ = −~q˙
∂H
= −
∂~p
∂ H̃
= −
~
∂Q
~˙ = p~˙
Q
∂H
= −
∂~q
∂ H̃
=
∂ P~
Definition:
~
~
~
~
~
~
Die Abbildung ~q 7→ Q = Q(~q, p~, t), p~ 7→ P = P (~q, p~, t), H 7→ H̃ Q, P , t heißt
~˙ = ∂ H̃ und P~˙ = − ∂ H̃ unverändert
kanonisch, falls die Bewegungsgleichungen Q
~
~
∂P
∂Q
sind.
Um dies zu erreichen, gibt es zwei Methoden.
Die eine Methode verlangt die Poissonklammern unverändert zu lassen. Dieser widmen wir uns später. Die andere Methode greift auf das Variationsprinzip zurück und
sieht folgendermaßen aus.
Z
t2
δ
p~ · ~q˙ − H(~q, p~, t) dt = 0
t
Z t2 1
~˙ − H̃(Q,
~ P~ , t) dt = 0
⇔δ
P~ · Q
t1
Es ist hinreichend zu sagen, dass
~˙ − H̃ + d M ~q, p~, Q,
~ P~ , t .
p~ ~q˙ − H = P~ Q
dt
Rt
Dieser letzte Term verändert die Form nicht, da t12 dt M dt = M (t2 ) − M (t1 ) = const
gilt. Die Idee ist, dass die Gleichung 4f Variabeln qi , pi , Qi , Pi mit i ∈ [1, f ] hat, wir aber
nur 2f nutzen. Zunächst wählen wir 2f Variablen als unabhängig. Dann wählen wir
113
eine beliebige Funktion M dieser 2f Variablen und bestimmen aus der hinreichenden
Bedingung eine kanonische Transformation. M heißt hierbei die Erzeugende dieser
Transformation.
~ seien unabhängig, d. h.
Option A: ~q, Q
~ t),
M = MA (~q, Q,
~ t),
P~ = p~ (~q, Q,
∂MA ˙ ∂MA ~˙ ∂MA
· ~q +
·Q+
⇒ dt M =
~
∂~q
∂t
∂Q
~˙ − H̃ + dt M (~q, p~, Q,
~ P~ , t) ein und erhalten
Wir setzen dies in p~ ~q˙ − H = P~ Q
∂MA ˙
∂M
A
~˙ − H̃ + ∂MA
~q − H =
p~ −
P~ +
Q
~
∂~q
∂t
∂Q
.
~ beliebig und unabhängig voneinander sind, erhalten wir
Da ~q und Q
∂MA
∂~q
∂M
A
P~ =
~
∂Q
p~ =
H̃ = H +
(87)
(88)
∂MA
∂~t
(89)
~
~˙ und ~q˙ eliminieren. Daher lösen wir P~ = − ∂MA (~q,Q,t)
Wir wollen nun Q
nach ~q auf und
~
∂Q
setzen dies in P~ ein.
~ P~ , t ,
~q = ~q Q,
~ P~ , t
⇒ p~ = p~ Q,
~
∂MA ~q, Q
P~ =
∂~q
~
∂MA ~q, Q
⇒ H̃ = H(~q, p~ ) +
∂t
p~=~p (P~ ,t)
~
q~=~
q (Q,t)
~
⇒ MA = ~q · Q
~
⇒ p~ = Q,
P~ = −~q,
H̃ = H ~q = −P~ ,
Wir können die Poissonklammer {f, g} umschreiben als
∂f ∂g ∂f ∂g
−
∂~p ∂~q
∂~q ∂~p
114
~
p~ = Q
Für die zeitlichen Ableitungen von g, q und p gilt
d
∂g
g(~p, ~q, t) = {H, q} +
dt
∂t
q̇ = {H, q}
ṗ = {H, p}
~ p~ für die Hamiltonschen
Wir haben auch die kanonische Transformation ~q, p~ 7→ Q,
Bewegungsgleichungen kennengelernt.
~˙ − H + dt M
p~ · ~q˙ − H = P~ · Q
Um die Matrix M zu erstellen, haben wir 4 Optionen, bei denen die jeweiligen Vektoren
voneinander unabhängig sind:
~ →
~ t)
Option A: ~q, Q
7
MA (~q, Q,
Option B: ~q, P~ →
7
MB (~q, P~ , t)
| {z }
beliebig
= M̃B (~q, P~ , t) − Q(~q, P~ , t) ·P~
| {z }
unbekannt
Um von M auf M̃ zu kommen, nutzen wir die Legrende–Transformation. Im Hinblick
auf die Hamiltonsche Bewegungsgleichung berechnen wir zunächst die zeitliche Ableitung von MB und setzen sie dann in die Bewegungsgleichung ein.
∂ M̃B ˙ ∂ M̃B ~˙ ∂ M̃B
d ~ ~
d
MB =
· ~q +
·P +
− (Q
· P)
dt
∂~q
∂~t !dt
∂ P~
∂MB
~
~˙ − Q
~ · P~˙ − P~˙ Q
~ − ∂ M̃B − H̃ + ∂ M̃B
⇒ P−
·~q˙ − H = P~ · Q
~
∂~q
∂t
| {z∂ P }
|
{z
}
0
=0
~ und H̃ nehmen unter der kanonischen Transformation die Form
p~, Q
∂ M̃B
∂~q
~ = ∂ M̃B
Q
∂ P~
p~ =
H̃ = H +
115
(90)
(91)
∂ M̃B
∂t
(92)
~ nach ~q auf, indem wir P~ an der Stelle ~q einsetzen.
an. Daher lösen wir Q
~
~ = ∂ M̃B (~q, P , t)
Q
∂ P~
~ P~ , t)
~q = ~q (Q,
∂
M̃
B
P~ =
∂~q ~ ~
q~=~
q (Q,P ,t)
~ P~ , t)
⇒ P~ = P~ (Q,
Für die transformierte Hamiltonfunktion H̃ wiederholen wir diesen Schritt, nur diesmal
sowohl mit P~ als auch mit ~q.
Beispiel
~B
M
= ~q · P~
⇒ p~ = P~
~ = ~q (identische Abbildung)
Q
~q 7→ |~q |
p~ 7→ p~
~ und p~, die voneinander unabhängig sind, in der Matrix M =
Analog kann dies für Q
~ p~, t) + ~q · p~ gemacht werden und wir erhalten
MC (Q,
∂ M̃C
P~ = −
~
∂Q
∂ M̃C
∂~p
∂ M̃C
H = H̃ +
∂t
~q = −
Die letzte Option, Option D, in der P~ und p~ unabhängig voneinander sind, gibt uns
~ · P~ + ~q · p~. Für ~q, Q
~ und H̃ erhalten wir dann
eine Matrix M = MD (~p, P~ , t) − Q
∂ M̃D
∂~p
~ = − ∂ M̃D
Q
∂ P~
~q = −
H̃ = H +
∂ M̃D
∂t
116
.
~ lokal eindeutig bleibt, müssen wir zusätzlich für
Damit P~ für die Abbildung ~q, P~ 7→ Q
die Determinanten fordern, dass sie jeweils 6= 0 sind, also
2
∂ MA
6= 0
det
∂qi ∂Qj
2
∂ MB
det
6= 0
∂qi ∂Pj
2
∂ MC
det
6= 0
∂Qi ∂pj
2
∂ MD
det
6= 0
∂Pi ∂pj
Falls eine der Matrizen zeitabhängig ist, gilt für die transformierte Hamiltonfunktion
~
~
~
~
H̃ = H ~q Q, P , p~ Q, P
5.6.1
Integrabilität und kanonische Transformation auf Erhaltungssätze
Beispiel
Wir betrachten als Beispiel den Fall des harmonischen Oszillators, bei dem wir die
Masse m = 1 gewählt haben. Für die Hamiltonfunktion ergibt sich dann
p2 1 2 2
+ ω q
2
2
⇒ {H, H} = 0
H =
und wir sehen, dass die Energie erhalten bleibt. Wir haben nun die Idee eine kanonische
Translation q, p 7→ Q, P mit P = H(q, p, t) zu machen und nach p(q, P ) =
q
2
2 P − ω2 q 2 aufzulösen. Offensichtlich benutzen wir dafür die Option B, bei der q
und P voneinander unabhängig sind.
Wir wissen, dass p für M̃B (q, P ) die Form
p=
∂ M̃B
∂q
hat. Für M̃B gilt dann
Z
q
M̃B =
q0
p q 0 , P dq 0
Z r
√
=
2P ·
q
1−
q0
117
2
ω2
· q 0 dq 0
2P
Nutzen wir nun die Substituierung x =
M̃B
q
ω2
2P
· q 0 und dq 0 =
q
2P
ω2
dx, erhalten wir
Z √ω √
2P
2P
=
1 − x2 dx
ω 0
P √
x 1 − x2 + arcsin(x) =
ω
x= √qω
2P
Für Q =
q
∂ M̃B
∂P
erhalten wir nach gleicher Rechnung
1
ω
arcsin
√ωq
2P
und damit folgt für
√
q=
2P
sin(ωQ) .
ω
(93)
Da wir gesagt haben, dass H̃ = H = P gilt, folgt daraus
Ṗ = 0
∂ H̃
Q̇ =
= 1 ⇒ Q = t − t0
∂P
√
2P
⇒q =
· sin (ω(t − t0 ))
ω
Definition:
Systeme mit f Freiheitsgraden und f Erhaltungssätzen Fj , wobei i, j ∈ [1, f ],
d.h. mit {Fi , Fj } = 0 heißen integrabel.
Hierfür gibt es einige Beispiele:
1. 1–Dimensionales System mit Energieerhaltung
2. Zweikörperproblem mit Zentralkraft (⇒ f = 6):
V (~r1 − ~r2 ) = V (|~r1 − ~r2 |)
~r = Relativkoordinate
p~ = µ~r
~l = ~r × p~
p2
+ V (r) mit lz , lx , ly haben wir den Schwerpunktsimpuls bei P~
Bei z. B. Hrel = 2µ
und 6 Erhaltungssätze mit {Fi , Fj } = 0.
{lx , ly } = −lz
2
lz , l
= 0
118
3. f gekoppelte harmonische Oszillatoren
Im Normalfall haben wir nicht–integrable Körperprobleme.
Bewegungsgleichungen integrabler Systeme können durch Integration gelöst werden, aber Fehler in den Anfangsbedingungen pflanzen sich linear fort.
Herleitung
Wir konstruieren nun die kanonische Transformation auf neue Impulse Pi = Fi (~q, p~ ).
~ auf. Wir fordern dazu, dass die
Zunächst lösen wir
die
Gleichung
nach
p
~
=
p
~
~
q
,
P
Determinante det ∂Pi 6= 0 sei. Anschließend bestimmen wir M̃B ~q, P~ mit ∂ M̃B = p~.
∂pi
∂~
q
M̃B
~q, P~ =
Z
q~
p~ ~q 0 , P~ d~q 0
q~0
image missing
Abbildung 40: no image
Dies ist erfüllt für {Fi , Fj } = 0. Die Beweisidee hierfür ist, dass P~ und ~q voneinander
unabhängig sind und wir deswegen
∂Pi
∂Fi
∂Fi ∂pm
=0=
+
∂qj
∂qk ∂pm ∂qk
in {Fi , Fj } einsetzen können.
∂Fi ∂Fj
∂pk ∂qk
∂qk ∂pk
X ∂Fi ∂Fj ∂pm
∂pk
= −
·
−
∂pk ∂pm
∂qk
∂qm
{Fi , Fj } =
X ∂Fi ∂Fj
−
Daher ist eine kanonische Transformation auf P~ = F~ möglich.
119
∂H
˙
P~ = −
=0
~
∂Q
⇒ H = H P~
∂H P
˙
~
⇒Q =
= const
∂~p
~
~ 0 + t · ∂H
⇒ Q(t)
= Q
∂ P~
Für gebundene Systeme ist die resultierende Bewegung periodisch durch f Frequenzen
ω charakterisiert.
5.7
Poissonklammern und kanonische Transformationen
~ P~
Wir betrachten hier die zeitunabhängigen kanonischen Transformationen ~q = ~q Q,
~ P~ . Damit ergibt sich für die transformierte Hamiltonfunktion H̃
und P~ = p~ Q,
~ P~
H̃ Q,
~ P~
~ P~ , p~ Q,
.
= H ~q Q,
Für die Poissonklammern bedeutet dies
{A, B}(~q,~p) =
X ∂A ∂B
−
∂A ∂B
∂qi ∂pi
∂pi ∂qi
i
X ∂A ∂B
∂A ∂B
{A, B}(Q,
−
~ P
~) =
∂Pi ∂Qi ∂Qi ∂Pi
i
,
wobei A die Form
~ P~
A Q,
~ P~ , p~ Q,
~ P~
= A ~q Q,
hat. Widmen wir uns nun der Zeitentwicklung
~q˙ = {H, ~q }(~q,~p )
n
o
d ~ ~
~ P~
~q Q, P =
H̃, ~q Q,
~ P
~)
dt
(Q,
.
Da H = H̃ gilt, folgt daraus
{H, ~q }(~q,~p ) = {H, ~q }(Q,
~ P
~)
.
Dies läuft analog für {H, p~ } und gilt für alle H(~q, p~ ), wie z. B. H = pi0 oder H = qi0 .
120
Eine Phasenraumtransformation ~q, p~ 7→
wenn die Poissonklammern invariant sind.
~ P~
Q,
!
{qi , qj }(~q,~p ) = 0 = {qj , qi }(Q,
~ P
~)
ist genau dann kanonisch,
analog für
pi,j
!
{pi , qj }(~q,~p ) = 0 = {pj , qi }(Q,
~ P
~)
Dann gilt für beliebige Größen:
{G, H}(~q,~p ) = {G, H}(Q,
~ P
~)
Beweis
Betrachten wir bei dem Beweis hierfür zunächst die Hinrichtung. Die kanonische Transformation lässt die Poissonklammern invariant, wie wir bereits zuvor gesehen haben.
Für die Rückrichtung des Beweises sehen wir
" #
f X
∂F ∂pj
∂F ∂qj
{F, G}(Q,
+
· ...
~ P
~) =
∂q
∂p
∂p
∂q
j
i
j
j
i,j=1
" f #
X
∂G ∂pk
∂G ∂pk
∂G ∂qk
∂G ∂qk
+
+
−
... ·
∂qk ∂Qi ∂pk ∂Qi
∂qk ∂Pi ∂pk ∂Pi
k=1
f
X
∂F ∂G
∂F ∂G
=
{qj , qk }(Q,
{pj , pk }(Q,
~ P
~) +
~ P
~) + . . .
∂q
∂p
j ∂qk |
j ∂pk |
{z
}
{z
}
j,k=1
=0 (n. Vor.)
··· +
∂F ∂G ∂F ∂G
−
∂pj ∂qk ∂qj ∂pk
=0 (n. Vor.)
{pj , qk }(Q,
~ P
~)
|
{z
}
δij
= {F, G}(~q,~p )
.
Damit gilt auch {H, ~q }(Q,
q }(~q,~p ) . Alle Bewegungsgleichungen sind invariant
~ P
~ ) = {H, ~
und kanonisch transformierbar.
Bemerkung
Dies ist eine einfache Möglichkeit um auf kanonische Transformationen zu prüfen. Ohne
an dieser Stelle den entsprechenden Beweis zu erbringen, können wir sagen, dass dies
auch für zeitabhängige Transformationen gilt.
121
Beispiel
Betrachten wir als Beispiel wieder den harmonischen Oszillator, für den wir wieder die
Masse auf m = 1 festlegen.
H=
Wir suchen nun P =
√p ,
m
1
p2
+ mω02 q 2
2m 2
Q und H̃. Wir lösen dafür die Poissonklammer {P, Q}.

Q = √mq
!
{P, Q} = {p, q} ⇒
H̃ =
5.8
P2
2
+ 12 ω02 Q2
Symplektische Struktur der Mechanik
Wenn wir die symplektische Struktur der Mechanik betrachten, geschieht genau dasselbe, was wir schon in Kapitel 5.8 gemacht haben, lediglich mathematischer formuliert.
Wir führen an dieser Stelle erst eine kompaktere Notation unserer Vektoren ein
!
~q
p~
!
~
Q
,
P~
~x =
~ =
X
sowie eine neue Matrix {xi , xj } = −Iij , die wir die symplektische Eins nennen und
die eine 2f × 2f –Form hat.
I=
0f
−1f
1f
0f
!
Damit folgt für die Poissonklammer
∂F
{F, G} = −
∂~x
T
·I ·
122
∂G
∂~x
,
(94)
~ kanonisch ist. Hierbei gilt
falls X
f
X
∂F ∂xj
∂F
=
∂Xi
∂xj ∂Xj
j=1
oder
∂F
~
∂X
∂~x ∂F
~ ∂~x
∂X
|{z}
=
Matrix
∂~x
∂xj
=
∀i, j ∈ {1, . . . , 2f }
~ ij
∂Xi
∂X
T "
T
#
∂~x
∂G
∂F
∂~x
⇒ {F, G}(X~ ) = −
·I ·
~
~
∂~x
∂~x
∂X
∂X
!
= {F, G}(~x)
.
Eine Phasenraumtransformation ist genau dann kanonisch, wenn
Man nennt dann
∂~
x
~
∂X
∂~x
~
∂X
T
·I ·
∂~x
~
∂X
=I
.
symplektisch.
Definition:
Wir definieren nun den Begriff der sympletkischen Gruppe.
Sp(n) = {M ∈ Matn×n | M T I M = I}
Vergleichen wir dies mit der Drehgruppe
O(n) = {M ∈ Matn×n | M T 1 M = 1} ,
so stellen wir fest, dass diese ähnlich zueinander sind. Wir können daraus folgern, dass
det
∂~x T
~
∂X
!
!
∂~x
· det (I) · det
= det(I)
~
∂X
∂~
x
= 1 .
⇒ det
~ ∂X
Wir können deswegen darauf folgern, dass
123
Kanonische Transformationen das Volumen des Phasenraums erhalten.
Z
~ =
dX
Z Z
det ∂~x d~x = d~x
~
∂X
image missing
Abbildung 41: no image
5.9
Erhaltungssätze und infinitesimale Transformationen
Zur Erinnerung: Im Noether–Theorem ist S invariant unter kontinuierlicher Transformation. Wir können deswegen auf einen Erhaltungssatz schließen. Wir wollen dies nun
verallgemeinern auf die Transformationen im Phasenraum.


F1
 . 
. 
P~ = 
 .  gilt ⇔ {Fi , Fj } = 0
Ff
Wir erkennen diese Mathematik in der Quantenmechanik wieder.
5.10
Erhaltungsgroessen und infinitesimale Transformationen
Wir können nun einiges mit Kapitel 5.6 vergleichen. M̃Bλ ~q, P~ generiert eine λ ∈ R–
kontinuierliche Transformation, z. B. eine Drehung um den Winkel λ. Hierbei ist
MBλ=0 ~q, P~
= ~q · P~
die identische Transformationen. Für λ → 0 gilt dann
M̃Bλ=0 ~q, P~
= ~q · P~ + λ · σ ~q, P~ + O λ2 ,
λ
∂
M̃
B
mit σ ~q, P~ =
∂λ λ=0
124
als der Erzeugenden der Transformation. Zudem haben wir gesehen, dass
∂ M̃Bλ
~
Q=
∂ P~
∂ M̃Bλ
P~ =
∂~q
∂σ 2
= ~q + λ
+
O
λ
∂ P~ P~ =~p
∂σ
2
= P~ + λ
+
O
λ
.
∂~q q~=Q~
~ P~ folgt dann
Für beliebige Funktionen f Q,
~ P~ , p~ Q,
~ P~
= f ~q Q,
~ P~ − f ~q, p~
δf = f˜ Q,
∂f ∂f ~
Q − ~q +
P~ − p~ + O λ2
=
∂~q
∂~p
∂f ∂σ
∂f ∂σ
=
·
·λ−
·
·λ .
∂~q ∂~p
∂~p ∂~q
~ P~
f˜ Q,
Damit haben wir die durch die Funktion σ(~q, p~ ) erzeugte, infinitesimale kanonische
Transformation.
δf = {σ, f } · λ + O λ2
(95)
Insbesondere gelten damit
δ~q = {σ, ~q } · λ
und δ~p = {σ, p~ } · λ .
Beispiel
Wir wählen σ = H und λ = dt, woraus δf = {H, f } dt folgt. Dies vergleichen wir mit
df
= {H, f }, hier wählen wir f so, dass ∂f
= 0 gilt. Wir können deswegen sagen, dass
dt
∂t
die Zeitentwicklung eine durch H erzeugte kanonische Transformation ist.
image missing
Abbildung 42: no image
125
Wir können demnach sagen, dass ~x(~x0 , t) eine Trajektorie im Phasenraum mit ~x˙ =
~ = ~x(~x0 , ∆t) eine
{H, ~x} und ~x(~x0 , t = 0) = ~x0 . Dann ist die Abbildung ~x0 7→ X
kanonische Transformation.
Daraus folgt das Liouville–Theorem, da alle kanonischen Transformationen das Phasenraumvolumen erhalten.
Verallgemeinertes Noether–Theorem
Wählen wir f = H, so folgt δf = δH = {H, H} dt.
σ ~q, P~
⇔
ist Erhaltungsgröße
d
σ = {H, σ} = 0
dt
⇔ H ist invariant (δH = 0) unter der kanonischen Transformation, die von σ
erzeugt wird. Hierbei gilt
~ − ~q = {σ, ~q } · λ + O λ2
δ~q = Q
δ~p = P~ − p~ = {σ, p~ } · λ + O λ2 .
Wenn {σ, H} = 0 = −{H, σ} gilt, kann man das auf zwei Weisen deuten. Zum einen
ändert sich H nicht unter der von σ erzeugten Transformation. Zum anderen ändert
sich σ nicht unter der von H erzeugten Transformation, d. h. σ = const, da σ̇ = {H, σ}.
Beispiel: Translationsinvarianz
H(~q, p~ ) =
X p~i 2
i
2m
+
X
V (~ri − ~rj )
i<j
~ i = ~ri + êλ und p~i 7→ P~i = p~i .
H ist ist invariant unter einer Transformation mit ~ri 7→ R
∂σ !
=0
∂~ri
∂σ !
λ = êλ
= {σ, ~ri } =
∂~pi
⇒ δ~pi = {σ, p~i } = −
⇒ δ~ri
⇒
∂σ
= ê
∂~pi
⇒ σ = ê
X
p~i
i
{σ, H} = 0 bedeutet nun, dass sich H unter der Translation nicht ändert. DementspreP
chend ist auch σ zeitlich konstant, bzw. der Gesamtimpuls i p~i ist erhalten.
126
Dies wollen wir noch einmal überprüfen.
∂f
λê + O λ2
∂~r
∂f
δf = {σ, f } = ê
·λ
∂~r
f (~r ): f (~r + λê) = f (~r) +
Analog lässt sich zeigen, dass Lz Drehungen um die z–Achse erzeugt.


cos(ϕ) sin(ϕ) 0


M~r = − sin(ϕ) cos(ϕ) 0~r
0
0
z
 
 
x
y
 
 
= y  + ϕ̇−x + O ϕ2
z
0


y
 
{Lz , ~r } = {ypz − zpy , ~r } = −x
0
Im Keplerproblem ist der Runge–Lenz–Vektor
~` = (~r × p~ ) × p~ + κ ~r
m
|~r |
erhalten. Daher ist H unter der entsprechenden kanonischen Transformation erhalten.
127
6
Stabilität und Chaos
6.1
Berechenbarkeit und Störungen
In der klassischen Mechanik lässt sich die Zukunft prinzipiell aus der Gegenwart berechnen, wenn man die Bewegungsgleichungen
~x = {H, ~x } = ~vH (~x, t)
kennt. Allerdings gibt es oft mehrere Probleme.
1. Die Bewegungsgleichungen sind nicht genau bekannt oder es gibt äußere Störungen.
2. Die Anfangsbedingungen sind nicht genau bekannt.
3. Es gibt numerische Fehler, die Berechnung ist numerisch aufwendig.
In Abb. 6.1 ist das Verhalten von zwei Systemen dargestellt. Im regulären System
unterscheiden sich die Pfade nur gering voneinander: Wenn man z. B. ein Elektron in
einem elektrischen Feld an einem leicht verschobenen Ort loslässt, so bewegt es sich
auf einer sehr ähnlichen Bahn. Wäre das System chaotisch, könnte man sich bei der
selben leichten Störung kaum vorhersagen, wie sich das Elektron bewegen würde.
Abbildung 43: Bahnkurven zweier Teilchen in einem regulären System (links) und einem chaotischen System (rechts). In beiden Fällen sind die Startpunkte nur minimal
unterschiedlich, so dass man es kaum messen kann. Der Abstand der Startpunkte könnte z. B. im Bereich von Mikro– oder Nanometern liegen.
128
Potential
Minimum
Abbildung 44: kleine Auslenkung
6.2
Kleine Schwingungen
Ein Beispiel für reguläre Bewegung wäre eine kleine Auslenkung um eine stabile Gleichgeichtslage. Wir entwickeln die Lagrange–Funktion in kleinen Auslenkungen qi und q̇i
in generalisierten Koordinaten. Dies ergibt dann
L =
1X
1X
q̇i Aij q̇j −
qi Bij qj ,
2 i,j=1
2 i,j=1
wobei die Matrizen A und B symmetrisch und positiv definit sind. Um diese LagrangeGleichung allgemein zu lösen, gehen wir dabei folgendermaßen vor:
1. Wir diagonalisieren A mit der orthogonalen24 Matrix Q1T
Q1T AQ1


m1

..
= 
.


=M

mf
~˜ mit
2. Wir wählen die neuen Koordinaten Q
~q = Q1 ·
√
~˜
M −1 · Q
wobei

√

M −1 = 


√1
m1
..
.
√
1
mf



gilt. Daraus folgt dann für die Lagrange–Funktion
L =
24
1 ~˜˙ ~˜˙ 1 ~˜ T
~˜
Q · Q − Q · B̃ · Q
2
2
d. h. Q T Q = 1
129
wobei
B̃ =
√
√
M −1 Q1T BQ1 M −1
gilt.
3. Wir diagonalisieren B̃2 mit der Matrix Q2

Q2T B̃Q2


=



ω12
ω22
..


 ,


.
ωf2
wobei ωi2 > 0 die Eigenwerte von B sind. Wir haben damit die neuen Koordinaten
~˜ = Q2 Q
~ neu bestimmt, damit
Q
~ und
~˜ T B̃ Q
~˜ = Q
~ · Q T B̃Q2 · Q
Q
| 2 {z }
diagonal
˙ ˜˙
~˜ Q
~ = Q
~˙ · Q T Q2 ·Q
~˙
Q
| 2{z }
1
gelten. Damit erhalten wir f entkoppelte harmonische Oszillatoren.
f
X
1 2 1 2 2
˙
~ Q
~ =
Q̇i − ωi Qi
L Q,
2
2
i=1
⇒ Qi (t) = ai cos(ωi t + ϕi )
√
~
⇒ ~q(t) = Q1T M −1 Q1 · Q(t)
Allgemein gilt, dass Oszillatoren nahe dem Minimum immer mit f Frequenzen ωi
schwingen. Wir sehen zudem, dass sie stabil gegen kleine Störungen sind (höhere Terme
in der Taylorentwicklung), falls keine Resonanzen auftreten, wenn z. B.
ωi
n
=
ωj
m
mit kleinen
n, m ∈ N .
Betrachten wir nun die Schwingungen von Molekülen mit n Atomen.
1. lineares Molekül C
O
C
Wir haben für die Freiheitsgrade 3 Translationen und 2 Rotationen. Für die
Anzahl der Schwingungen bedeutet dies
3 · n − (3 + 2) = 4 Schwingungen für n = 3 Atome.
130
Die Atome im linearen Molekül können in Richtung der roten Pfeile schwingen.
Abbildung 45: lineare Molekülschwingungen
O
2. nicht–lineare Moleküle H
H
Für die Freiheitsgrade haben wir diesmal 3 Translationen und 3 Rotationen, was
die Anzahl der Schwingungen auf
3 · n − (3 + 3) = 3 Schwingungen
reduziert.
Abbildung 46: nicht–lineare Molekülschwingungen
Zur Erinnerung: Wenn unser System integrabel ist, bedeutet dies, dass die Anzahl der
Freiheitsgrade der Anzahl der Erhaltungsgrößen entspricht.
6.3
Poincarésche Phasenraumschnitte
Wir haben einen 2f dimensionalen Phasenraum und H(~q, p~ ) ist zeitunabhängig. Für
f = 1 ist H integrabel, für f > 1 ist Chaos möglich. Unser Problem ist nun, dass
der Phasenraum hochdimensional ist. Die Idee ist nun, dass wir eine anschauliche
Untermanigfaltigkeit U betrachten, wie z. B. eine Ebene im Phasenraum.
Die Trajektorie ~x(t) schneidet U in den Punkten ~xi ∈ U zur Zeit ti mit i ∈ {1, 2, 3}.
Untersuchen wir die Punktmenge S = {~xi , ∀i ∈ N}, den sogenannten Poincaréschnitt
und die Poincaré–Abbildung ~xi 7→ ~xi−1 = φ(xi ).
131
Abbildung 47: Eine Untermannigfaltigkeit U im Phasenraum, hier eine Ebene, die
mehrfach von der Bahnkurve ~x(t) eines Körpers durchstoßen wird.
Dies bedeutet, dass wir zunächst alle bekannten Erhaltungssätze Fi benutzen um
möglichst viele Koordinaten zu eliminieren. Dann bestimmen wir den Phasenraumschnitt und S für vorgegebene Fi = const.
Beispiel
Wir wählen für unser Beispiel f = 3 und H(~q, p~ ) folgendermaßen:
p2
p21
+ 2 + V (q1 , q2 )
2m1 2m2
H(~q, p~ ) =
Wir wählen den Poincaréschnitt beispielsweise in der q1 , p1 Ebene mit q2 = 0 und legen
p2 fest durch H(~q, p~ ) = E fest. Das heißt, dass wir für p2 die Lösungen
s
p2 = p2 (q1 , p1 ) = ±
2m2
p21
− V q1 , q2 = 0
E−
2m1
erhalten. In der Regel wählen wir die Lösung p2 > 0, woraus für die Untermanigfaltigkeit
  

q1 




 q 2 

U= 
p  q2 = 0,

1





 p 2



s



2
p1
− V (q1 , 0)
p2 = E −

2m1




folgt. U wird also durch q1 und p1 parametrisiert.
132
Beispiel
Für das Potential V = 12 m1 ω12 q12 + 21 m2 ω22 q22 ergibt sich für qi (t)
qi (t) = qi0 sin (ωi t + ϕi )
pi = mi q̇i
= mi qi0 ωi cos(ωi t + ϕi ) .
Wie oben gesagt, wählen wir q2 (t) = 0 und p2 > 0
ω2 t + ϕ2 = 2ūu
2ūu − ϕ2
⇒ tu =
ω2
.
tu ist hierbei immer die Zeit, zu der die Ebene U durchstoßen wird. Wir können deswegen für q1 (tu )
q1 (tu ) =
q10
ω1
0
· sin 2ūu + ϕ
ω2
sagen. Für p1 (tu ) ergibt sich dann
ω1
0
p1 (tu ) =
· cos 2ūu + ϕ
ω2
n
o
S =
q1 (tu ), p1 (tu ) , u ∈ N
m1 q10 ω1
Wir haben nun zwei Fälle, die wir unterscheiden müssen.
1. Fall:
ω1
ω2
=
N
M
mit N, M ∈ N
Abbildung 48: Poincaréschnitt für
wird immer wieder geschnitten.
2. Fall:
25
ω1
ω2
ω1
ω2
=
N
.
M
Nur ein einzelner Punkt in der Untermenge
ist inkommensurabel25 .
Dies bedeutet, dass die ωi keinen gemeinsamen Teiler besitzen.
133
Abbildung 49: Poincaréschnitt für
immer wieder geschnitten.
3. Fall:
ω1
ω2
ω1
ω2
= 35 . Genau an 5 Punkten wird die Untermenge
sei irrational (Abb. 50).
Abbildung 50: Für einen irrationalen Bruch liegen die Schnittpunkte mit der Untermenge dicht auf der Ellipse.
Betrachten wir, was S allgemein für Formen annehmen kann.
• S kann endlich viele Punkte haben.
• S kann dicht auf einer Linie, einer Fläche oder einem Fraktal liegen.
Existiert ein weiteres Teilchen, gilt es den Erhaltungssatz zu berücksichtigen.
Wir können dann daraus folgern, dass der Poincaréschnitt dicht auf der Linie
liegt.
Der Grund dafür ist, dass die Schnittmenge von Phasenraumschnittflächen mit der
Fläche F (~p, ~q ) = F0 konstant ist. Zudem ist F (~p, ~q ) eine Linie. Für unser Beispiel
können wir sagen, dass F q1 , q2 = 0, p1 , p2 (q1 , q2 ) = t0 eine Linie definiert, in der
q1 –p1 –Ebene auf der Lösungen liegen müssen! Es gilt hierbei zu beachten, dass die
Umkehrung dieser Aussage nicht gilt.
134
6.4
Fallstudie: Atwood–Pendel
Fast alle hochangeregten, nicht integrablen Systeme zeigen ein chaotisches Verhalten für
bestimme Parameter. Mit Reibung sorgen wir für eine genügend starke Energiezufuhr,
z. B. für eine periodische Kraft. Sehen wir uns dafür das Atwood–Pendel genauer an.
Abbildung 51: Darstellung des Atwood–Pendels. Ci sind Konstanten, r und ϕ sind die
Variablen.
Widmen wir uns zunächst einmal den Ortsvektoren für die beiden Massen M und m.
Wir wählen für die Masse M den Vektor
!
C1
~r1 =
.
C2 + r
Für die Masse m wählen wir den Vektor
~r2 = r ·
!
sin(ϕ)
+
− cos(ϕ)
C3
C4
!
,
Hierbei sind C1 und C3 die x–Koordinaten der Aufhängungen, C4 ist die y–Koordinate
der Aufhängungen. C3 ist die tiefste Höhe, die M erreichen kann, sie wird durch die
Länge des Fadens zwischen m und M bestimmt.
Für die Lagrange–Funktion ergibt sich damit26
L ϕ, r, ϕ̇, ṙ
26
1 ˙2
M ~r1 + m~r˙22 − M gr1y − mgr22
2
1
1
=
(M + m)ṙ2 + mr2 ϕ̇2 + mgr cos(ϕ) − M gr + const
2
2
=
mit riy ist die y–Komponente des i–ten r–Vektors gemeint
135
.
Deswegen nimmt der generalisierte Impuls die Form
∂L
= mr2 ϕ̇
∂ ϕ̇
∂L
=
= (M + m)ṙ
∂ ṙ
Pϕ =
Pr
an. Für ϕ̇ und ṙ erhalten wir deswegen
Pϕ
mr2
Pr
ṙ(Pr ) =
M +m
ϕ̇(Pϕ ) =
Wenn wir nun die Legrende–Transformation auf die Hamilton–Funktion machen, nutzen wir unsere Ergebnisse für ϕ̇ und ṙ kommen zu den folgenden 4 Bewegungsgleichungen
H
=
Pϕ · ϕ̇ + Pr · ṙ − L ϕ, r, ϕ̇, ṙ 1 Pϕ2
2 mr2
1 Pr2
+
2M +m
Ṗr = − ∂H
∂r
und
∂H
Ṗϕ = − ∂ϕ
!
r
mit ~q =
, p~ =
ϕ
=
⇒
∂H
⇔ ~q˙ =
,
∂~p
ṙ =
ϕ̇ =
∂H
∂Pr
∂H
∂Pϕ
∂H
p~˙ = −
∂~q
ϕ̇(Pϕ ), ṙ(Pr )
+ gr(M − m cos(ϕ))
Pr
Pϕ
!
Wir müssen bei der Transformation beachten, dass zwar r 7→ λr transformiert, aber
t 7→ √1λ t, da die Transformation aus der Lagrange–Funktion L ein λL und aus der
Hamilton–Funktion H ein λH macht. Das heißt, dass, falls r0 (t) und Q0 (t) Lösungen
zur Energie E0 sind, für r(t) und ϕ(t)
t
r(t) = λr0 √
λ
t
ϕ(t) = λϕ0 √
λ
Lösungen mit E = λE0 sind.
Die Physik für dieses Modell sind in E unabhängig. Um uns die Rechnung zu
erleichtern, wählen wir für unser Beispiel die Einheiten m = 1, M = µ, g = 1 und
E = µ − 1, damit r < 1 ist. Somit sind die einzig relevanten Parameter M
= µ und die
m
Startbedingungen, damit r < 1 wie gefordert gilt. Für die Phasenraumschnitte wählen
136
wir die (r, Pr )–Ebene mit sin
ϕ
2
= 0 und dem generalisierten Impuls Pϕ
v
u
!
2
u
P
1
r
+V
Pϕ (Pr ) = t2r2 m E −
2M +m
für feste Energien E.
Ein typisches Ergebnis liefert entsprechende Poincaréschnitte, die dicht auf der Linie
liegen, wie in Abbildung 52 zu sehen.
Abbildung 52: Poincaréschnitt für das Atwood–Pendel mit µ = 23 , r =
die Punkte liegen dicht auf der gezeichneten Linie.
2
5
und Pr = 0,
Für andere Werte liegen die Poincaréschnitte für einen Startwert dicht auf der Fläche,
wie in Abbildung 53 zu sehen.
Verändern wir die Werte noch weiter, so sehen wir, dass wir Inseln der Stabilität erhalten für reguläre Bewegungen, also für Poincaréschnitte dicht auf der Linie Für den
Fall, dass die Punkte dicht auf der Fläche sind, erhalten wir ein Meer des Chaos (Abb.
54). Für jeden dieser Startpunkte in diesem Bereich gilt, dass sie eine Trajektorie mti
den Poincaréschnitten dicht in F sind.
6.5
Liapunovexponent
Chaotische Systeme sind sehr sensitiv auf Anfangsbedingungen. Gegeben sei eine Trajektorie ~x0 (t) mit dem Startwert ~x(t = 0) = ~x0 . Betrachten wir nun eine „benachbarte“
Trajektorie ~x(t), die am Ort ~x(t = 0) = ~x0 + δ~x startet, wobei δ~x sehr klein sein soll.
Wie entwickelt sich jetzt der Abstand |~x(t) − ~x0 (t)| für große Zeiten t?
Der Abstand entwickelt sich mit |~x(t) − ~x0 (t)| ∝ eµ1 t , wobei µ1 der „führende
Liapunovexponent“ ist. Ein chaotisches System ist durch µ1 > 0 gegeben.
137
Abbildung 53: Poincaréschnitt für das Atwood–Pendel mit µ = 32 , r = 0.65 und Pr = 0,
die Punkte liegen dicht auf der gezeichneten Fläche.
Abbildung 54: Der Poincaréschnitt ist ein Meer des Chaos. Die roten Ellipsen sind
Inseln der Stabilität, innerhalb derer reguläre Pfade liegen. In dem blauen Bereich
dagegen liegen die Schnittpunkte dicht auf der Fläche, das System ist hier chaotisch.
Dies wollen wir nun etwas genauer betrachten. Sei die Bewegungsgleichung ~x˙ =
~vH (~x) gegeben, wobei
~x =
!
~q
⇒ ~vH =
p~
∂H
∂~
p
∂H
− ∂~q
!
gelte.
~x(t) = ~x0 + δ ~x(t)
| {z }
klein
⇒ ~x˙ + δ~x˙ = ~vH ~x0 + δ~x(t)
X ∂~vH (~x0 (t))
2
≈ ~vH (~x0 (t)) +
δxj (t) + O (δxj )
138
∂xj
d. h. δ ẋ(t) = M (t)δ~x
!
∂2H
∂2H
∂~
p∂~
q
∂~
p∂~
p Bevor wir das Atwood–Pendel und seine Schwingung weiterführen, wiederholen wir an
dieser Stelle nocheinmal einige Definitionen, die für die weiteren Rechnungen notwendig
sind.
Wir wissen, dass wir für den Poincaréschnitt die Größen r und ϕ sowie ihre generalisierten Impulse Pr und Pϕ brauchen. Den Poincaréschnitt ermitteln wir in der
(r, Pr )–Ebene bei sin(ϕ) = 0. Pϕ wählen wir nun so, dass wir die Hamilton–Funktion
H mit der Energie gleichsetzen können, also H = E.
Mit dem Atwood–Pendel befinden wir uns in einem chaotischen System, weswegen
wir uns die dazugehörige Sensitivität auf Anfangsbedingungen genauer ansehen
müssen. Mit der sensitiven Abhängigkeit von Anfangsbedingungen ist gemeint, dass in
chaotischen dynamischen Systemen bereits eine infinitesimale Änderung der Anfangsbedingungen zu einem vollkommen anderem Ergebnis führen kann (dies wird auch als
deterministisches Chaos bezeichnet). Wir legen unsere Anfangsbedingung also als ~x0 (t)
fest mit der Bedingung, dass ~x0 (0) = ~x0 sei.Betrachten wir nun die weitere Entwicklung
unseres Ortsvektors, so ergänzen wir unsere Anfangsbedingung um jene infinitesimale
Änderung
~x(t) = ~x0 (t) + δ~x(t) mit δ~x(0) = δ~x0
.
Die entsprechende zeitliche Änderung unserer infinitesimalen Änderung bilden wir dann
mit der (2f × 2f )–Matrix als
δ~x˙ (t) = M (t)δ~x(t) .
Kommen wir nun wieder auf unser chaotisches System zurück. Die Bewegungsgleichungen des Atwood–Pendels hatten wir mit der Hamilton–Funktion ermittelt als
Pr
1+µ
Pϕ2
Ṗr = + 2 − µ + cos(ϕ)
r
Pϕ
ϕ̇ =
.
r
ṙ =
Daraus können wir die infinitesimale Änderung von ṙ und ϕ̇ errechnen.
1
δr
1+µ
1
Pϕ
δ ϕ̇ = 2 δPϕ − 2 3 0 δr
r (t)
r0 (t)
δ ṙ =
139
Für δ~x˙ (t) erhalten wir damit

0
0
 2Pϕ0 (t)
δ~x˙ = M δ~x = 
− r03 (t) 0
..
..
.
.
1
1+µ
0
..
.
0

1 
r02 (t) 

.
..
.
Nach der Konstruktion der Matrix sehen wir, dass δ~x(t) eine lineare Funktion von
δx0 (t) ist. Daraus folgt, dass
δ~x(t) = U (t)δx0 (t) .
U (t) ist eine 2f × 2f –Matrix, welche die Verzerrung eines infinitesimalen Phasenraumvolumenelements beschreibt.
Abbildung 55: U (t) beschreibt die Verzerrung eines infinitesimalen Phasenraumvolumenelements.
Im Liouville–Theorem sagen wir, dass das Phasenraumvolumen konstant sei, was bedeutet, dass die Determinante von U (t) 1 ergibt.
∂δx(t) = det |U (t)| = 1
det ∂δx(0) Dennoch sollten wir beachten, dass manche Richtungen extrem gestreckt bzw gestaucht
werden können, was in Abbildung 55 dargestellt wird. Für die Eigenwerte λi (t) ∈ C
von U (t) mit i ∈ [1, 2f ] sagen wir
|λ1 (t)| ≥ |λ2 (t)| ≥ · · · ≥ |λ2f (t)|
Y
λi (t) = 1 .
i
140
∂
Wir erwarten also, dass wir eine Matrix M haben, für die ẏ = M · y und ∂t
M = 0 gilt,
so dass wir dann sagen können, dass der Eigenwert λi durch λi ∝ exp [Mi t] ausgedrückt
werden kann. Demnach vermuten wir, dass auch für M (t) ein zeitliches Mittel gilt. Wir
definieren also:
Definition:
Der Liapunov–Exponent ist als
µi = lim
t→∞
ln (|λi (t)|)
t
(96)
definiert.
Wir sagen, dass für die Summe aller Liapunov–Exponenten gilt
X
i
P
µi = lim
t→∞
i
ln(|λi (t)|)
t
Y
1
= lim ln
λi (t)
t→∞ t
i
!
= 0 .
Da µ1 ≥ µ2 ≥ · · · ≥ µ2f gilt, muss µ1 ≥ 0 sein. Sehen wir uns die infinitesimale
Änderung um x0 nocheinmal genauer an Abbildung 56.
Abbildung 56: Unterschied zweier Bahnkurven, die um δ~x0 verschoben starten.
141
√
δ~x T δ~x
p
δx0 (t) T U T U δ~x0
=
|δ~x(t)| =
≈ |δ~x0 · ê1 | exp [µ1 t] + O(exp [µ2 t])
Dabei ist ê1 ein Eigenvektor von U (t → ∞) mit dem Eigenwert λ1 (t). Insgesamt können
wir also sagen:
Typische Störungen chaotischer Systeme wachsen mit exp [µ1 t], falls Chaos existiert. µ1 > 0 ist dabei der führende Liapunov–Exponent.
Betrachten wir als Spezialfall die integrablen Systeme aus Kapitel ??.
~
~ 0 + ∂H t
Q(t)
= Q
∂ P~
⇒ |δx(t)| ≈ t
ln(t)
=0
⇒ µi = lim
t→∞
t
Wir wollen nun numerisch |δx(t)| ≈ t lösen, die auch in den Inseln der Stabiliität
vorkommen.
In integrablen Systemen und Systemen in Bereichen mit regulärer Dynamik, wie
etwa den Poincaréschnitt oder Licht auf einer Linse, wachsen kleine Störungen
linear. Die Liapunov–Exponenten µi sind dann für alle i ∈ [1, 2f ] gleich 0.
Ein Liapunov–Exponent, der größer ist als 0, bedeutet dann entsprechend Chaos. Wir
können nun folgern, dass das Langzeitverhalten für µi > 0 praktisch nicht berechenbar
ist.
Problematisch dabei ist, dass sich numerische Fehler und Fehler in den Anfangsbedingungen exponential verstärken. Wir können ebenfalls folgern, dass für das Atwood–
Pendel mit M
= µ ≈ 1 im chaotischen Bereich und bei einer Schwingungsdauer von
m
ca. 1 der Fehler nach 1000 Schwingungen ca. bei exp [1.000µ] ≈ 1043 liegt. Nach 10.000
Schwingungen liegt der Fehler dann bei 10430 . Das Langzeitverhalten der Inseln der
Stabilität ist also leicht berechenbar.
Ein Beispiel für ein chaotisches System ist das Wetter. Ein beliebtes Beispiel ist, dass
der Flügelschlag eines Schmetterlings in China einen Hurrikan in Amerika verursachen
oder verhindern kann. Das bedeutet, dass eine so kleine Störung sämtliche Rechnungen
stark beeinflusst.
142
Ein anderes Beispiel ist der Saturnmond Hyperion. Er torkelt auf seiner Umlaufbahn, diese Bewegung ist ca. für 1 Jahr vorhersagbar.
Der Liapunov–Exponent hängt nicht von den Anfangsbedingungen ab. Dies liegt
daran, dass typische Trajektorien dicht im Phasenraum von chaotischen Systemen lieµ
usw.
gen. Daher ist µ1 in diesen Bereichen konstant, die µi hängen aber von E, m
ab. Allerdings gilt dies nur für t → ∞, nachdem der ganze chaotische Phasenraum
„erkundet“ wurde.
Oft wird dieser Grenzfall nicht erreicht, z. B. beim Wetter. Damit gibt es hier üblicherweise ein effektives µ1 , das über ∆t gemittelt wurde und von den Anfangsbedingungen abhängt.
Zusammenfassend können wir also über den Liapunov–Exponenten sagen, dass er für
chaotisches dynamisches Verhalten größer als 0 ist.
Chaos: µ1 > 0
regulär: µ = 0
Für den Übergang von regulärer Dynamik zu Chaos kommt es typischerweise zur Bifurkation, der Verdopplung der Punkte im Poincaréschnitt, was wir bsw. bei fraktalen
Strukturen kennen. Die entsprechenden Forschungsgebiete in Köln sind Quantenchaos
mit der Störung von integrablen Vielteilchensystemen.
6.5.1
Beispiel Chaos mit Reibung
Betrachten wir ein Pendel mit Reibung mit periodischer Kraft. Um die anschließende
Rechnung zu vereinfachen, setzen wir m = l = 1. Die Bewegungsgleichung lautet dann
ϕ̇ = Pϕ
1
Ṗϕ = − sin(ϕ) − Pϕ + g cos(φ) .
q
− sin(ϕ) steht dabei für das eigentliche Pendel, − 1q Pϕ für die Reibung und +g cos(φ) für
die äußere Kraft F . Für den Winkel φ der äußeren Kraft gilt zudem φ̇ = ωD = const.
Da wir zuvor gesagt haben, dass ϕ̇ = Pϕ gilt, ist ϕ̈ = Ṗϕ .
Wir müssen aber an dieser Stelle sagen, dass das System aufgrund der Reibung
nicht–hamiltonisch ist. Zudem sind wegen der Reibung die Anfangbedingungen normalerweise irrelevant.
143
6.6
Ausblick
Weitere Informationen lassen sich z. B. im Buch „Chaos and Integrability in Nonlinear
Dynamics“ von Tabor finden.
Es gibt u. a. folgende interessante Themen:
• Chaos überall: mit Reibung, Turbulenzen usw.
• Grenzen der Vorhersagbarkeit in der Klassischen Mechanik
• Verschiedene Klassen von chaotischem Verhalten
Z. B. treten bei einem Pendel mit Reibung und einer periodisch wirkenden Kraft
fraktale Poincaréschnitte auf.
• Übergang von Integrabilität ins Chaos
Wir wollen nur kurz das KAM–Theorem27 nennen.
Unter gewissen Bedingungen28 sind die Trajektorien von integrablen Systemen
auch bei kleinen Störungen ∆H stabil.
Hges =
H0 + |{z}
∆H
|{z}
integrabel
27
28
Kolmogorow–Arnold–Moser–Theorem
D. h. insbesondere, es treten keine Resonanzen auf
144
Störung
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