Vorlesungsmitschrift Theoretische Physik I bei Prof. A. Rosch von M. & O. Filla 6. März 2017 Inhaltsverzeichnis 1 Newtonsche Mechanik 1.1 Euklidischer Raum . . . . . . . . . . . . . 1.2 Newtonsche Axiome . . . . . . . . . . . . 1.3 Galilei–Transformationen . . . . . . . . . . 1.4 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Impulserhaltung und Schwerpunkt 1.4.2 Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Energieerhaltung von 1 Teilchen . . 1.4.4 Energieerhaltung: viele Teilchen . . . . . . . . . . 1 1 4 5 7 8 9 10 15 . . . . . . 17 17 20 27 27 29 29 . . . . . . . 32 32 37 39 40 41 48 53 4 Lagrange–Mechanik 4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Funktionale und Extremalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Lagrangeformulierung der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Von Newton zu Lagrange: d’Alembertsches Prinzip . . . . . . . . . . . 4.5 Symmetrie und Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Transformation der Lagrange–Funktion . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Symmetrien und Form der Lagrange-Funktion . . . . . . . . . . 4.5.3 Noethertheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Verallgemeinertes Noethertheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Kontinuumsmechanik und Feldtheorien: Schwingung einer Saite 62 62 63 69 75 81 81 82 84 88 91 2 Spezielle Relativitätstheorie 2.1 Relativitätsprinzip . . . . . . . . . 2.2 Lorentztransformation . . . . . . . 2.3 Relativistische Phänomene . . . . . 2.3.1 Zeitdilatation und Eigenzeit 2.3.2 Längenkontraktion . . . . . 2.4 Energie und Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Lösungen der Newtonschen Gleichungen 3.1 Eindimensionale Bewegungen . . . . . . 3.2 Lineare DGL und Greensche Funktion . 3.3 Lösbarkeit Newtonscher Gleichungen . . 3.4 Numerische Lösungsverfahren . . . . . . 3.5 Zwei–Körper–Probleme . . . . . . . . . . 3.6 Keplerproblem . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Zwangskräfte . . . . . . . . . . . . . . . ii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Exkurs: Quantenmechanik und Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . 96 5 Hamiltonische Mechanik 99 5.1 Legendre–Transformation und Hamiltonfunktion . . . . . . . . . . . . . 99 5.2 Differentiale und Hamiltonformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.3 Liouville–Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.4 Poissonklammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.5 Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.6 kanonische Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5.6.1 Integrabilität und kanonische Transformation auf Erhaltungssätze 117 5.7 Poissonklammern und kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . 120 5.8 Symplektische Struktur der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.9 Erhaltungssätze und infinitesimale Transformationen . . . . . . . . . . 124 5.10 Erhaltungsgroessen und infinitesimale Transformationen . . . . . . . . 124 6 Stabilität und Chaos 6.1 Berechenbarkeit und Störungen . . 6.2 Kleine Schwingungen . . . . . . . . 6.3 Poincarésche Phasenraumschnitte . 6.4 Fallstudie: Atwood–Pendel . . . . . 6.5 Liapunovexponent . . . . . . . . . . 6.5.1 Beispiel Chaos mit Reibung 6.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . iii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 128 129 131 135 137 143 144 1 Newtonsche Mechanik 1.1 Euklidischer Raum Das Ziel des Euklidischen Raums ist die Beschreibung von Bewegungen in einem Koordinatensystem. Die Raum–Zeit ist ein Produkt aus dem dreidimensionalen Raum, der durch den R3 beschrieben wird, und der Zeit, die durch R beschrieben wird. Ein Punkt in der Raum–Zeit ist wie folgt definiert: a = (t, ~x) ∈ R × R3 Eine Metrik ermöglicht die Einführung von Abständen und Winkeln im Raum und somit auch das Skalarprodukt. In kartesischen Koordinaten gelten folgende Definitionen: • Ein Vektor ~x wird durch seine Komponenten xi ∈ R und die Basisvektoren êi ∈ R3 dargestellt: x1 ~x = x2 = x1 ê1 + x2 ê2 + x3 ê3 x3 1 ê1 = 0 0 • Das Skalarprodukt ist wie folgt zu berechnen: ~x · ~x = 3 X xi · x0i i=1 • Der Abstand d zwischen zwei Punkten im Raum werden durch den Betrag des Verbindungsvektors |~x| definiert: d = |~x − ~x0 | √ mit |~x| = ~x · ~x • Der Winkel ]α zwischen den Vektoren ~x und ~y wird definiert durch cos(α) = 1 ~x0 · ~y |~x0 | · |~y | Die Geschwindigkeit ~v wird durch die zeitliche Änderung des Ortes ~r definiert, analog die Beschleunigung ~a: ~v (t) = dt~r = ~r˙ ~a(t) = dt~v = ~r¨ Außer dem kartesischen gibt es auch noch andere Koordinatensysteme. Allesamt werden sie durch Abbildungen vom kartesischen in das andere Koordinatensystem dargestellt: R × R3 → R × R3 ( t, ~x ) 7→ ( t0 , ~x 0 ) Es gibt z. B. die Kugelkoordinaten, bei denen der Ort durch den Radius r ∈ [0, ∞), den Azimutwinkel ϕ ∈ [0, 2π) und den Polarwinkel ϑ ∈ [0, π) dargestellt wird. Diese werden v. a. für kugelsymmetrische Systeme verwendet. t 7→ t ~r = (x, y, z) → 7 (r, ϑ, ϕ) sin(ϑ) cos(ϕ) x y = r · sin(ϑ) sin(ϕ) cos(ϑ) z Abbildung 1: Kugelkoordinaten (links) und Zylinderkoordinaten (rechts) 2 Zudem gibt es die Zylinderkoordinaten, die für achsensymmetrische Systeme verwendet werden. Hier wird statt dem Polarwinkel die Höhe durch die z–Koordinate angegeben: t → 7 t x r ~r = y 7→ ϕ z z x r · cos(ϕ) y = r · sin(ϕ) z z Es gibt auch bewegte Koordinatensysteme, wie z. B. die Erde. Hierbei sind die Winkelgeschwindigkeit ω und die Umlaufzeit T wichtig: t → 7 x ~r = y → 7 z x y = z t r ϕ z r · cos(ϕ + ω · t) r · sin(ϕ + ω · t) z 2π ω = T Berechnen wir die zeitliche Ableitung von ~r(t), wenn seine Variablen ϕ, r und z alle zeitlich konstant sind. −r · sin(ω · t + ϕ) ~r = ω · r cos(ω · t + ϕ) 0 −y = ω· x 0 = ω · ẑ × ~r ẑ ist dabei die ausgezeichnete Drehachse in den Zylinderkoordinaten. Anmerkung zu den Koordinatensystemen: 3 Nicht immer hat ein Dreieck einen Innenwinkel von 180◦ (siehe Abb. 2). Es ist eine experimentelle Aussage im euklidischen Raum, aber der euklidische Raum ist nicht selbstverständlich! Abbildung 2: Kugel mit Dreieck auf der Oberfläche Auf der Kugeloberfläche wird zunächst eine Strecke entlang des Äquators abgelaufen, dann um 90◦ gedreht und über einen Längenkreis der Pol erreicht. Hier findet ebenfalls eine 90◦ –Drehung statt und es wird über einen anderen Längenkreis, ebenfalls im 90◦ – Winkel, der Ausgangspunkt auf dem Äquator erreicht. Die Winkelsumme dieses Dreieck ist somit größer als 180◦ . 1.2 Newtonsche Axiome 1. Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch seinwirkende Kräfte gezwungen wird seinen Bewegungszustand zu ändern. Dies ist das Trägheitsgesetz. Es gibt Bezugssysteme, in denen kraftfreie Bewegungen durch ~r˙ = ~v = const beschrieben werden. Solche Bezugssysteme heißen Inertialsysteme. 2. Die Änderung der Bewegungsgleichung ist der Einwirkung der Kraft proportional, also ~v˙ ∝ F~ . Die Proportionalitätskonstante nennen wir Masse, p~ = m · ~v nennen wir Impuls. m · ~v˙ = p~˙ = F~ (1) 3. Die Wirkung zweier Körper aufeinander ist stets gleich und von entgegengesetzter Richtung. Dieses Gesetz nennt man auch actio = reactio. F~1,2 ist dabei die Kraft, die von Körper 1 auf Körper 2 wirkt. Dementsprechend ist F~2,1 die, welche von Körper 2 auf Körper 1 wirkt. F~1,2 = −F~2,1 4 (2) Abbildung 3: Gegenkräfte 4. Nach dem Superpositionsprinzip addieren sich die Kräfte vektoriell. Die Kräfte zwischen 2 Körpern (idealisierten Punktteilchen) sind parallel zu ihrer Verbindungslinie. Diese Kräfte nennt man daher Zentralkräfte. F~ = X F~i (3) i Axiome definieren Kraft und Masse. Es gilt m1 · r~¨1 = −m2 · r~¨2 m1 |r~¨2 | ⇒ = . m2 |r~¨2 | Die erste Gleichung ergibt sich aus den Axiomen 2 und 3. Durch sie können wir am m1 messen. Alle Massen sind über das „Urkilogramm“ Ende die Massenverhältnisse m 2 definiert. Die Einheit der Kraft lautet Newton. 1 kg · m s2 1N = 1.3 Galilei–Transformationen Welche Transformationen lassen die Naturgesetze nach Newtons Weltbild invariant? Es gibt drei elementare Galilei–Transformationen. 1. Translation in Raum und Zeit („Homogenität des Raums“) g1 : (t, ~r ) → (t + t0 , ~r + ~r0 ) 2. Rotation in Raum und Zeit („Isotropie des Raums“) g2 : (t, ~r ) → (t, M · ~r ) , 5 wobei M eine 3 × 3 Rotationsmatrix ist. Für sie gilt: MT·M = 1 det(M ) = 1 Ein Beispiel für diese Matrix wäre: cos(ϕ) sin(ϕ) 0 M = − sin(ϕ) cos(ϕ) 0 0 0 1 3. Gleichförmige Bewegung1 g3 : (t, ~r ) 7→ (t, ~r + ~v0 · t) g1 , g2 , g3 und alle ihre Verknüpfungen (g1 ◦ g2 , g1 ◦ g2 ◦ g1 ,. . . ) bilden eine Gruppe.2 Die Gruppe der Galilei–Transformationen hat 10 reelle Parameter: Insgesamt 4 für die Translation in Raum und Zeit, 3 für die gleichförmige Bewegung und 3 Drehwinkel. Es gibt zwei mögliche Interpretationen für den Wechsel des Bezugssystemes: • aktive Interpretation: Teilchen ändern ihre Position • passive Interpretation: Nur das Koordinatensystem ändert sich Nun muss noch geprüft werden, ob die Newtonschen Gesetze unter diesen Transformationen invariant3 sind. Dies hängt von der Wahl der Kraft F~ ab. D. h. die Form der Naturgesetze wird dadurch eingeschränkt, dass sie unter Galilei–Transformationen invariant sein sollen. Es sind drei Fälle zu überprüfen (mit i ∈ [1, N ]): • Translationsinvarianz: mi~r¨i = F~i (~r1 , . . . , ~rN , ~v1 , . . . , ~vN , t) Invarianz unter t 7→ t + t0 ~r 7→ ~r + ~r0 wird gefordert. ⇒ F~i (~r1 , . . . , ~rN , ~v1 , . . . , ~vN , t) = F~i (~r1 + ~r0 , . . . , ~rN + ~r0 , ~v1 , . . . , ~vN ) ~ r0 =−~ r ⇒ N mi~r¨i = F~i (~r1 − ~rN , . . . , ~rN −1 − ~rN , ~v1 , . . . , ~vN ) und Die Kraft ist also genau dann invariant, wenn sie nicht explizit zeitabhängig ist und nicht von absoluten Orten, sondern nur von Abständen abhängt. 1 Diese muss für hohe Geschwindigkeiten v ≈ c modifiziert werden. Hierzu gibt es die spezielle Relativitätstheorie (Kapitel 2). 2 siehe Übungsblatt Nr. 1 3 Invarianz bedeutet, dass es sich um das gleiche Naturgesetz handelt. 6 • Rotationsinvarianz: mi~r¨i = F~i (~rj , ~vj , t) ~r → 7 M~r = ~r 0 wird gefordert. ⇒ mi · M ~r¨i = M F~i (~rj , ~vj , t) ⇔ mi · ~r¨i 0 = M F~i M −1~rj 0 , M −1~vj 0 , t ⇒ F~i (~rj 0 , ~vj 0 , t) = M F~i M −1 ~rj 0 , M −1 ~vj 0 , t Invarianz unter Ein Beispiel dafür ist die Gravitationskraft: F~i,j = ~rj − ~ri · G · m1 · m2 |~rj − ~ri |2 Es bleibt invariant, da gilt: M · M −1 = 1 |M~a | = |~a | ~r 7→ ~r + ~r0 · t ⇒ F~ (~r1 , ..., , ~rN , ~v1 , ..., ~vN , t) 1 Teilchen: = F~ (~r1 , ..., ~rN , ~v1 − ~vN , ..., ~vN −1 − ~vN , t) ⇒ F~ (~r, ~v , t) = F~ (~r, t) Die Galileiinvarianz legt teilweise die Form der Naturgesetze fest. Andere Transformationen ändern die Form der Newtonschen Gleichungen.4 Beispielsweise in einem beschleunigtem System ändert sich die Form dieser Gleichungen: 1 ~r 7→ ~r + ~a · t2 ⇒ ~r¨ 7→ ~r¨ + ~a 2 1.4 Erhaltungssätze Wir nehmen an, dass es N Massepunkte gibt an den Orten ~r1 (t) bis ~rN (t) und mit den Massen m1 bis mN . Auf diese wirken die äußeren Kräfte F~ext (~r ) und die inneren Zweiteilchenkräfte F~ij (~ri −~rj )k~ri −~rj . Diese innere Kraft nennt man auch Zentralkraft. Ein Beispiel hierfür ist die Gravitation zwischen Sonne und Planeten. Wenn es keine Reibung und keine zeitabhängigen Kräfte gibt, sieht Newtons Gesetz folgendermaßen aus: mi~r¨i = X F~ij (~ri − ~rj ) + F~ext (~ri ) i6=j 4 siehe Übungsblatt Nr. 1 7 (4) 1.4.1 Impulserhaltung und Schwerpunkt Der Gesamtimpuls bildet sich dann folgendermaßen: P~ = dt P~ = X p~i = X mi~vi i i X F~ij (~ri − ~rj ) + i,j i6=j X F~ext ~ri = F~ext i Da sich laut dem 3. Axiom die Kräfte von F~ij und F~ji gegenseitig aufheben, bleibt nur noch die externe Kraft übrig. F~ext = X F~ext (~ri ) i Ohne die äußeren Kräfte bleibt also der Impuls erhalten: dt P~ = 0 (5) P Wir können den Gesamtimpuls beschreiben, wenn wir die Gesamtmasse M = i mi ~ = 1 P mi · ~ri verwenden. Damit ergibt sich und die Schwerpunktskoordinate R i M X ~¨ = ⇒M ·R mi · ~r¨i = P~ . i Diese Schwerpunktsbewegung hängt alleine von den externen Kräften ab, die auf sie wirken. ~ ~ ~0 + P · t F~ext = 0 ⇒ R(t) =R M ~˙ = P~ = const. Oft ist es nützlich, eine GalileitransformaDies ist offensichtlich, da M R tion auf das Schwerpunktsystem durchzuführen: ~ ~r 7→ ~r − R(t) ~ ⇒ R(t) = ~0 Damit ist der Schwerpunkt im Ursprung des Koordinatensystems. Die Begründung für diesen Ansatz erfolgt später.5 5 beim Noether–Theorem, siehe Kapitel 4.5.4 8 1.4.2 Drehimpuls Analog zu Impuls und Kraft sind Drehimpuls und Drehmoment definiert: ~ i = ~ri × p~i L ~ i = dt L ~i N = ~r˙i × p~i + ~ri × p~˙i = ~ri × F~i Der Term ~r˙i × p~i entfällt, da ~ri und p~i parallel zueinander sind und im Kreuzprodukt null ergeben. Für den Gesamtdrehimpuls folgt daraus ~ = L X ~ = dt L X ~i L i ~ ext ~ri × F~ij + N . i,j i6=j Für die zeitliche Ableitung folgt dann: X ~ ext ~ = 1 (~ri − ~rj ) × F~ij + N dt L 2 i6=j ~ ext = N P Wegen des 3. Newtonschen Axioms kann auch hier angenommen werden, dass ~ri × F~ij P und 21 i6=j (~ri − ~rj ) × F~ij gleich sind. Da zudem F~ij parallel zu ~ri − ~rj ist, fällt der gesamte Term im Kreuzprodukt raus. Falls keine externen Kräfte wirken, ist damit auch die Drehimpulserhaltung bewiesen: ~ =0 dt L (6) Zu bemerken bleibt, dass der Drehimpuls abhängig von der Wahl des Koordinatenursprungs 0 ist. Wird für ~r stattdessen ~r + ~a gewählt, gilt für den Drehimpuls: ~ → L X ~ + ~a × P~ (~ri + ~a) × p~i = L 9 1.4.3 Energieerhaltung von 1 Teilchen Wenn wir die normale Newton–Gleichung betrachten und um die Geschwindigkeit ~r˙ erweitern, sehen wir die zeitliche Ableitung der kinetischen Energie T : m~r¨·~r˙ = F~ ~r (t), ~r˙ (t), t ·~r˙ 1 ˙2 m~r 2 ¨ ˙ ˙ ~ dt T = m~r · ~r = F ~r (t), ~r (t), t · dt~r T = Die zeitliche Änderung der kinetischen Energie entspricht der Leistung (Energie pro Zeit): P = dt T = F~ · ~v Eine andere Größe ist die Arbeit (Leistung mal Zeit): Z t2 A = P (t) dt t Z 1t2 = t1 d~r ˙ ~ dt F ~r (t), ~r (r), t dt Für den Fall, dass die Kraft nur vom Ort abhängt, also F~ (~r, ~v , t) = F~ (~r ), entspricht die Arbeit dem Wegintegral der Kraftkomponente: Z t2 A = Zt1 = d~r F~ (~r (t)) dt dt F~ (~r ) d~r C Definition: Konservative Kräfte sind Kräfte, bei denen die Arbeit nur vom Anfangs– und Endpunkt des Weges abhängt, nicht von ihrem Verlauf. Z F~ d~r = CA Z F~ d~r CB I ⇔0 = F~ d~r Dies bedeutet, dass das Integral, und damit auch die Arbeit, über einen geschlossenen Pfad verschwindet. 10 Abbildung 4: Zwei verschiedene Wege Definition: Das Potential V , als die Ursache von konservativen Kräften. Dabei sind das Startpotential V0 , der Startpunkt ~r0 sowie der Pfad zwischen Start– und Endpunkt beliebig.6 Z ~ r V (~r ) = V0 − F~ (~r 0 ) d~r 0 ~ r0 Daraus folgt: F~ (~r ) = −grad(V (~r )) = −∇V (~r ) (7) Satz: Ein Kraftfeld ist genau dann konservativ, wenn es Gradient eines Potentialfeldes ist. Z r2 ∇V (~r ) = V (~r2 ) − V (~r1 ) r1 Für die zeitliche Ableitung des Potentials gilt: dx dV dy dV · + · + ... dt dx dt dy h i ˙ ˙ = (~r )x · ∇x + (~r )y · ∇y + . . . V dt V (~r (t)) = dt V (x(t), y(t), . . . ) = = ~r˙ · ∇V ˙ = −~r˙ · F~ 6 Oft wählt man ~r0 ≈ ∞ 11 Die zeitliche Ableitung der kinetischen Energie ist dabei einfach bestimmbar. ˙ Ṫ = +~r˙ · F~ Für konservative Kräfte ist die Energie E = T + V somit erhalten. d E=0 dt (8) Abbildung 5: Rotationsfeld Nützlich ist hierbei, ein lokales Kriterium für konservative Kräfte zu kennen. Kraftfelder in einem einfach zusammenhängenden Gebiet sind genau dann konservativ, wenn die Rotation verschwindet. Das bedeutet, dass das Feld wirbelfrei ist. Beweis: ∇ × F~ = ~0 F~ = −∇V ⇒ ∇ × F~ = −∇ × (∇ · V ) = ~0 Warum ist ∇ × ∇V = ~0? Nutzen wir dabei die Beziehung (∇ × ~a)i = X εijk j,k d aik drj . Es wird verwendet, dass εijk antisymmetrisch und drdj drdk symmetrisch ist. Die Summe wird aufgespalten, dann werden Indizes vertauscht und zuletzt werden j und k ineinander umbenannt, d. h. j → k. 12 d d V drj drk 1 d d 1 d d ( εijk + εijk )V 2 drj drk 2 drj drk 1 d d 1 d d ( εijk − εikj )V 2 drj drk 2 drk drj 1 d d 1 d d ( εijk − εijk )V 2 drj drk 2 drj drk ~0 Z I 2 ~ ∇ × F d ~r = F~ d~r (∇ × F~ )i = εijk = = = = = Fläche Rand Hierbei verwenden wir den Satz von Stokes. Ein Beispiel für die Rotation in Kraftfeldern wäre folgende Rechnung. −y F~ (~r) = x 0 0 0 ~ ~ ∇×F = 0 = 0 6= 0 ∂x F y − ∂y F x 2 Begriffe Äquipotentialflächen oder auch Höhenlinien sind Flächen mit konstantem Potential. Die Kräfte stehen dabei orthogonal auf ihnen. V (~r ) = V0 = const Abbildung 6: Höhenlinien r Kraftlinien oder auch Feldlinien sind die Lösungen von d~ = F~ (~r(δ)) und stehen imdδ mer orthogonal auf den Äquipotentiallinien. Wenn das Integral über die geschlossenen Kraftlinien nicht zu null wird, handelt es sich bei der Kraft um eine nicht konservative Kraft. 13 I F~ d~r 6= 0 Eindimensionale Bewegung und Energieerhaltung Wenn ermittelt werden soll, wie die Bahnkurve x(t) bei einem beliebigen Potential V (x) aussieht, muss man die folgende Differentialgleichung lösen. mẍ = F (x) = d V (x) dx Dafür nutzt man die Energieerhaltung 12 mẋ2 + V (x) = E = const mit den Eigenschaften v(t = t0 ) = v0 und x(t = t0 ) = x0 aus. Für die Energie ergibt sich dann 1 E = mv02 + V (x0 ) , 2 wobei die Energieerhaltungsgleichung jetzt nach x aufgelöst wird. r dx 2(E − V (x)) =± dt m Dies ergibt eine Differentialgleichung 1. Ordnung. Als Lösungsverfahren wird die Trennung der Variablen genutzt. Z x(t1 ) ± x(t0 ) Z 1 q t1 dx = 2(E−V (x)) m dt t0 Daraus ergibt sich dann die Relation Z x(t) t − t0 = ± x0 1 q dx̃ . (9) 2(E−V (x)) m Ein Beispiel dafür ist die Pendelschwingung. m 2 2 ω x mit x(0) = x0 > 0, 2 0 ⇒ E = V (x0 ) Z x 1 p ⇒t = − dx̃ ω02 (x20 − x̃2 ) x0 V (x) = 14 v(0) = 0 An dieser Stelle substituieren wir mit x̃. x̃ = x0 cos(ϕ) ⇒ dx̃ = −x0 sin(ϕ)dϕ Z arccos(x/x0 ) x sin(ϕ) p0 dϕ ⇒t = + x0 ω0 1 − cos2 (ϕ) 0 Z arccos(x/x0 ) 1 = dϕ ω0 0 ⇔ x = x0 · cos(ω0 t) 1.4.4 Energieerhaltung: viele Teilchen Die gesamte kinetische Energie T von N Teilchen ist definiert als T = ⇒ dt T = N X 1 i=1 N X 2 m~r˙ i2 . m~r˙i~r¨i = i=1 N X ~r˙i F~i i=1 Für die Kraft und die Arbeit gelten bekanntermaßen X F~i = F~ij (~ri − ~rj ) + F~ext (~ri ) j6=i Z t2 und A = T (t2 ) − T (t1 ) = Z t2 dt T = t1 t1 X ~r˙i F~ . i Von der konservativen Kraft eines Teilchens F~ext = −∇ V (~ri ) können wir dann auf die konserative 2–Teilchen–Kraft schließen: d F~ij (~ri − ~rj ) = − V (~ri − ~rj ) d~ri (10) Unter Beachtung des 3. Axioms folgern wir auf: X X dt V ~ri (t) − ~rj (t) = ~r˙i −F~ij + ~r˙j −F~ji j ⇒E= j N X 1 i=1 2 m~r˙ i2 + N X Vext (~ri ) + i=1 N 1X V (~ri − ~rj ) 2 i,j=1 i6=j Dabei gilt dann: 15 (11) Für konservative Kräfte gilt: dt E = 0 (12) Zusammenfassung ~ und E zeitlich erhalten. Außerdem gilt selbiges Für konservative Zentralkräfte sind P~ , L für die Schwerpunktskoordinate. ~ ~ ~ − P · t ≡ R(0) R(t) M ~ und R, ~ Demnach kommen wir auf 3 + 3 + 1 + 3 = 10 Erhaltungssätze. Je 3 für P~ , L sowie einen für E. Dies entspricht der Galilei–Gruppe mit 10 reellen Parametern.7 Probleme sind dann analytisch lösbar, wenn sie genau so viele Parameter wie Erhaltungssätze haben. 7 siehe Galilei–Transformationen 1.3 16 2 Spezielle Relativitätstheorie 2.1 Relativitätsprinzip Zur Erinnerung: In einem Inertialsystem gilt nach den 1. Newtonschen Axiom die kräftefreie Bewegung auf Geraden. Bei einer Transformation auf ein bewegtes Koordinatensystem müssen die gleichen Gesetze gelten. Allerdings gibt es bei der Galilei– Transformation Probleme mit der Elektrodynamik nach Maxwell, wenn die Geschwindigkeit v gegen die Lichtgeschwindigkeit c geht. Einstein hat daraufhin die Galilei– Transformation aufgegeben, jedoch nicht die dahinter stehenden Axiome! Postulat: Relativitätsprinzip Alle Naturgesetze haben die gleiche Form in allen Inertialsystemen.8 Wird zwischen zwei Inertialsystemen eine Gerade auf eine andere Gerade abgebildet, handelt es sich dabei um eine lineare Abbildung. Notation Um uns von den Vektoren im dreidimensionalen Raum R3 abzugrenzen, führen wir an dieser Stelle eine neue Notation ein: µ 0 1 2 3 x = t, x, y, z = x , x , x , x mit µ ∈ [0, 3] Die Transformation sieht dann entsprechend aus: xµ 7→ x̃µ = Lµν xν + aµ Nach Einsteinscher Summenkonvention wird über mehrfach auftauchende Indizes summiert, auch wenn kein Summenzeichen hingeschrieben wird. Lµν xν ≡ X Lµν xν ν Der Vektor x̃ setzt sich dabei aus zwei Vierervektoren x und a und einer 4 × 4–Matrix L zusammen: x̃ = Lx + a 8 Da es keinen Äther im All gibt, gibt es auch kein ausgezeichnetes Koordinatensystem. 17 Beispiel: t̃ = 7t + 5x + 3y + 7z + 14 Nach unserer neuen Notation entspricht dann 7t dem Vektor L00 , 5x dem Vektor L01 , 3y entspricht L02 und 7z dann L03 . Zusammen ergeben sie den Vierervektor Lx. Die 14 entspricht dann dem Vierervektor a0 . Zu bemerken bleibt hierbei, dass wir von der Notation her eine Unterscheidung zwischen Dreier– und Vierervektoren machen werden. Vierervektoren werden von uns als xµ oder nur x dargestellt, im Gegensatz zu den Dreiervektoren ~x, ~v etc. Transformationen Zu den uns bekannten Transformationen Rotation und Verschiebungen mit Raum und Zeit kommt nun auch eine weitere Transformation, der sogenannte Boost, einer Transformation auf ein Koordinatensystem (Inertialsystem) mit einer endlichen Geschwindigkeit ~v . Die Geschwindigkeit hat dabei folgende Eigenschaften: v = |~v | und v̂ = ~v |v| Aufgrund des Boosts fordern wir eine Rotationsinvarianz der Transformation. Wir verwenden hierbei den Ansatz: t̃ = x̃0 = α1 (v) · x0 + α2 (v) · ~v · ~x ~x̃ = α3 (v) · ~x + α4 (v) · v̂(~v · ~x) + α5 (v) · ~v · x0 Wenn wir uns hier noch einmal die Geschwindigkeit ~v ansehen, stellen wir fest, dass ~x = ~v t auf ~x̃ = 0 abgebildet wird: ⇒ α3 ~v t + α4 v̂(v̂~v )t + α5 (v) ~v t = 0 ⇒ α3 + α4 + α5 = 0 Für die Rücktransformation von x̃ nach x nutzen wir, dass wir für den Boost ~v˜ = −~v verwenden können und daraus |~v˜ | = |~v | folgt. ⇒ x0 = α1 (v) x̃0 + α2 (v) (−~v )~x˜ ~x = α3 (v) ~x˜ + α4 (v) v̂ (v̂ · ~x˜) + α5 (v)(−~v ) x̃0 18 Setzen wir die Rücktransformation in die Transformation ein, erhalten wir: x0 = α1 (α1 x0 + α2~v ~x) + α2 (−~v )(α3~x + α4 v̂(v̂ ~x) + α5~v x0 ) = (α12 − α2 α5 v 2 )x0 + (α2 α1~v + α2 )v̂ + α2 α3 (−~v )x Wenn wir aus der Rücktransformation verwenden, dass: α12 − α2 α5 v 2 = 1 α3 = 1 α52 − α5 α2 v 2 = 1 −(α2 (α3 + α4 )) = 0 α5 (α1 + α5 ) = 0 kommen wir auf folgende Lösung für unsere Koeffizienten: 1 − α1 α1 v 2 = 1 α2 = α3 α4 = α1 − 1 α5 = −α1 Wir sehen, dass es nur noch einen unbekannten Koeffizienten gibt, und zwar α1 ≡ α(v). Um dieses Problem zu lösen, betrachten wir zwei hintereinander verwendete Boosts: ˜ ≈ ~v w ~ I −→ I˜ −→ I v w̃ ˜ mit ~v = 0 und w ~ = 0 0 0 Daraus folgt x̃˜ = L(w̃) = L(w̃)L(v)x, wobei L(u) = L(w̃)L(v) wieder ein Boost sein soll. Nach einigem Rechnen kommt man darauf, dass dies nur klappt, wenn 1 1 − α2 = const ≡ − v 2 α2 c2 gilt. Hierbei ist c nur eine beliebige Variable, sie ist nicht mit der Lichtgeschwindigkeit zu verwechseln! Somit ist α in Abhängigkeit von v bestimmt: r α= a ≡ γ(v) 1 − (v/c)2 19 2.2 Lorentztransformation x̃ 0 ~v~x 0 = γ(v) x − 2 c ~x˜ = ~x⊥ + γ(v) ~xk − ~v x0 (13) (14) ~xk = v̂(v̂~x) (15) ~x⊥ = ~x − ~xk (16) Dies folgt allein aus dem Relativitätsprinzip und der Rotationsinvarianz. Hierbei ist c die einzige Unbekannte, für c = ∞ erhalten wir wieder die Galilei–Transformation. Relativitätsprinzip Betrachten wir einen Vektor ~v der parallel zu dem Vektor x̂ ist, also ~v k x̂. Wenden wir hiermit eine Transformation an, wird der Vierervektor wie folgt verändert. vx t 7→ t̃ = γ t − 2 c x 7→ x̃ = γ(x − vt) y 7→ ỹ = y z 7→ z̃ = z Für den Fall von c = ∞ erhalten wir die Galilei–Transformation. Es bleibt dabei die Frage, was c physikalisch ist. Abbildung 7: Punkte in räumlichem und zeitlichem Abstand Betrachten zwei Raum–Zeit–Punkte, die wie in Abb. 7 zueinander liegen. Vergleichen wir quadrierten Abstände miteinander, so kommen wir auf ein konstantes Verhältnis. (c∆t )2 − (∆~x )2 = (c∆t̃ )2 − (∆~x˜ )2 = const 20 (17) Daraus wir können schließen, dass es sich bei c um eine Geschwindigkeit handelt. Nehmen wir nun z. B. an, dass die Differenz der Quadratabstände 0 sei, also (c∆t)2 − (∆~x)2 = 0 , dann folgt |∆x0 | |∆x| =c= ∆t ∆t0 . Diese Relation gilt in allen Inertialsystemen und daher können wir daraus schließen, dass die Geschwindigkeit c unabhängig vom Bezugssystem sein muss. Michelson und Moreley zeigten experimentell, dass dies für die Lichtgeschwindigkeit c = 2, 99892458 · 108 ms gilt. Wir stellen uns nun die Frage, ob c eine große Geschwindigkeit ist. Dazu vergleichen wir c mit der Geschwindigkeit eines Elektrons ve im Wasserstoffatom. Den Quotienten aus beiden bezeichnen wir als Feinstrukturkonstante α. ve ≈ α c e2 1 α = ≈ 4π0 ~c 137 Wir sehen, dass diese gerade mal 1 Prozent von der Lichtgeschwindigkeit erreicht. Fast alle Geschwindigkeiten sind langsam im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit, was an dem niedrigen Wert der Feinstrukturkonstante liegt. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. • Bei einem schweren Atom mit großer Ladung Ze wird α zu Z · α. • Bei Kernreaktionen ist die Feinstrukturkonstante der starken Wechselwirkung, αst. WW ungefähr 1. • Sehr große Massen, wie ein Schwarzes Loch, haben eine hohe Feinstrukturkonstante. • An Beschleunigern können so hohe Geschwindigkeiten erreicht werden. Notation Nachdem wir also die transformationsinvariante Lichtgeschwindigkeit kennen gelernt haben, passen wir den Ausdruck für die Zeit neu an. x0 = c t µ x = x = ct, ~x 21 Zudem definieren wir den metrischen Tensor,9 der als 4 × 4–Matrix dargestellt wird. 0 0 +1 0 0 −1 0 0 = 0 0 0 −1 0 0 0 −1 g µν = gµν (18) Es gibt einen Unterschied zwischen den Vierervektoren mit dem Index oben bzw. unten! Wir können dies mit dem metrischen Tensor ändern. Zur Erinnerung: Nach der Einsteinschen Summenkonventionen wird über mehrfach auftretende Indizes summiert. xµ = gµν xν = x , −~x 0 xµ xµ = xµ xµ = xµ gµν xν = = +1 x1 , x2 , x3 , x4 x0 2 2 − ~x x0 x1 −1 x −1 2 x3 −1 ≡ x2 x2 ist der verallgemeinerte Abstand, er ist unabhängig vom Bezugssystem. Damit muss x2 lorentzinvariant sein. Dies bedeutet, dass für zwei Punkte A und B (vgl. Abb. 8) folgendes gilt. ∆x = xB − xA falls x0B > x0A : (∆x)2 = (c∆t)2 − (∆~x)2 > 0 ⇒ (c∆t)2 > (∆~x)2 falls x0B < x0A : zeitartige Abstände (∆x)2 = (c∆t)2 − (∆~x)2 < 0 ⇒ (c∆t)2 < (∆~x)2 raumartige Abstände Wir können daraus auf folgende Behauptungen schließen: • A kann B beeinflussen, wenn (∆x)2 > 0 ⇒ |∆~x | <c ∆t . 9 Ein Tensor ist eine multilineare Funktion, die Vektoren auf einen Skalar abbildet. 22 Abbildung 8: Punkte im Minkovski–Raum • A kann B nicht beeinflussen, wenn (∆x)2 < 0 ⇒ |∆~x | >c ∆t . Dies bedeutet, dass Informationen können nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden können. Beweis Der Beweis folgt aus der Kausalität. Diese bedeutet, dass A nur dann B beeinflussen kann, wenn es zeitlich vorher geschehen ist. Dies ist äquivalent zu x0B > x0A bzw. tB > tA . Sei x0B − x0A > 0 und ∆x 2 < 0 ⇔ ∆x0 2 2 < ∆~x Seien wir nun in einem bewegtem Koordinatensystem und nutzen einen Boost mit ~v k ~x, dann gilt (z. B. mit v = c − ε, ε ≪ c): v x̃0B − x̃0A > ∆x̃0 = γ ∆x0 − ∆~x < 0 c weil ∆x0 < ∆~x Je nach Koordinatensystem kann B vor A oder A vor B liegen. Aus der Kausalität und dem Relativitätsprinzip folgt, dass sich diese Ereignisse jedoch nicht beeinflussen! 23 Poincaré–Gruppe (inhomogene Lorentzgruppe) Die Poincaré–Gruppe ist eine Gruppe der affinen Transformationen x 7→ x̃ = Λ x + a , die den verallgemeinerten Abstand (xB − x)2 invariant lassen. Diese beinhalten die Translation in Raum und Zeit, Drehung im Raum und die Boosts, die durch die Lorentztransformationen dargestellt werden. Somit erhalten wir wieder 10 kontinuierliche Transformationen. Die Zeitumkehr T und die Inversion (Raumspiegelung) P gehören ebenfalls dazu, ebenso wie alle Kombinationen daraus. 0 0 −1 0 0 +1 0 0 0 0 T : x 7→ −x ≡ Λ = 0 0 0 +1 0 0 0 +1 0 0 +1 0 0 −1 0 0 P P : ~x 7→ −~x ≡ Λ = 0 −1 0 0 0 0 0 −1 Hierzu gibt es eine Untergruppe L↑+ , die eigentlichen10 orthochronen11 Lorentztransformationen. Diese sind die Poincaré–Gruppe ohne die Zeit– und Raumspiegelung. Postulat der speziellen Relativitätstheorie: Naturgesetze sind invariant unter der Gruppe L↑+ . Dies ist für alle Naturgesetze – ohne die Gravitation – gültig. Notation • αµ : kontravarianter Vektor transformiert unter der Lorentztransformation (ohne Translation) wie xµ . xµ 7→ Λµν xν = x̃µ αµ 7→ Λµν αν = α̃µ 10 11 det{Λ} = 1 ∀t > 0 : t 7→ t̃ > 0 24 • αµ : kovarianter Vektor αµ = gµν αν = α0 , −α1 , −α2 , −α3 αµ 7→ α̃µ = Λµν αν • Verschiebung von Indizes erfolgt mit dem metrischen Tensor. g µν = gµν : 0 0 0 Λµν = gµµ0 Λµ ν = gµµ0 Λµν 0 g ν ν • Vorteil: Lorentzinvarianz ist leicht sichtbar: αµ βν 7→ α̃µ β̃ν gilt falls αµ 7→ Λµν αν und β µ 7→ Λµν β ν Nun können wir die Einsteinsche Summenkonvention konkreter formulieren: Über mehrfach auftretende Indizes wird genau dann summiert, wenn sie bei kovarianten und kontravarianten Vektoren auftreten. Beispiel: Boost in x-Richtung − 1 Mit β = vc und γ = 1 − (v/c)2 2 gilt: γ(x0 − βx1 ) 1 γ(x − βx0 ) x̃ = 2 x 3 x γ −γβ −γβ β Λµν = 1 25 1 Wir wollen die Rapitität als cosh(η) = γ und sinh(η) = −βγ definieren. Zunächst überprüfen wir, ob dies möglich ist. 1 = cosh2 (η) − cosh2 (η) = γ 2 − (βγ)2 1 = (1 − β 2 ) 1 − β2 = 1 Da dies nun bewiesen ist, folgern wir 0 ! xµ xν = Λµν xν Λµν xν 0 = xν xν ⇔ Λµν Λµν 0 = δν ν 0 0 0 ⇔ Λµν Λµν gµ0 ν 0 = δνν gµ0 ν 0 = gµ0 ν 00 ⇔ Λµν gµµ00 Λµν 0 = gµ0 ν , was wir in Matrixschreibweise als Λ T gΛ = g (19) schreiben können. Wenn diese Bedingung gilt, dann lässt Λ g invariant. Wenden wir Λ auf unsere Metrik g an. Λ T gΛ = = = ! ! 1 0 cosh(η) sinh(η) 0 −1 sinh(η) cosh(η) ! cosh2 (η) − sinh2 (η) 0 0 sinh2 (η) − cosh2 (η) ! 1 0 0 −1 cosh(η) sinh(η) sinh(η) cosh(η) ! Wir wollen nun prüfen, ob die Metrik auch für die Rotation erhalten bleibt. Unsere Matrix Λ hat dann die Form 1 cos(η) sin(η) . Λ= − sin(η) cos(η) 1 26 Für die Rechnung folgt dann Λ T gΛ = = cos(η) − sin(η) sin(η) cos(η) ! 1 0 . 0 −1 ! ! ! 1 0 cos(η) sin(η) 0 −1 − sin(η) cos(η) An dieser Stelle bleibt zu bemerken, dass die Rotation R eine 3 × 3–Matrix ist. Somit gilt für sie R T 1R = 1 . 2.3 2.3.1 Relativistische Phänomene Zeitdilatation und Eigenzeit Betrachten wir zwei Uhren A und B mit der Relativgeschwindigkeit ~v = (v, 0, 0) T im Bezugssystem, in dem A ruht, können wir ihren Verlauf in Raum und Zeit wie in Abb. 9 darstellen. Abbildung 9: Uhren in Relativgeschwindigkeit zueinander Die Koordinaten der beiden Uhren sehen dann im Bezugssystem von A folgendermaßen aus. xµA = (ct, 0, 0, 0) xµB = (ct, vt, 0, 0) Wechseln wir nun das Bezugssystem, so dass B ruht und sich A relativ dazu bewegt. x̃0 = γ x0 − 1 x̃ = γ x1 − v 1 x , c v 0 x , c x0 = γ x̃0 + 1 x = γ x̃1 + 27 v 1 x c v 0 x c Wir wenden dies nun auf B an, wobei ct = p 1 − β 2 ist. v x̃1B = γ vt − ct = 0 c v 1 − β2 x̃0B = γ vt − ct = p c 1 − β2 ct ≡ cτ τ bezeichnet hierbei die Eigenzeit, also die Zeit im Koordinatensystem, in dem B ruht. Diese Zeit wird von der Uhr B angezeigt. Die dazu bewegte Uhr geht um den p Faktor 1 − β 2 < 1 langsamer. Für eine beliebige Trajektorie ~rB (t) mit einer nichtkonstanten Geschwindigkeit ~v (t) gibt es einen differentiellen Ausdruck: dτ = p 1 − β 2 dt ≤ dt (20) Wichtig ist, dass die Eigenzeit unabhängig vom Bezugssystem ist. Formal haben wir also: 2 (c dτ )2 = c(1 − β 2 )dt = (c dt)2 − (dx)2 = dxµ dxµ Wir haben an dieser Stelle verwendet, dass wir dx auch als v dt umschreiben können. Beispiel Betrachten wir die Halbwertszeit von ruhenden Myonen mit der Eigenzeit 1, 5 µs = tµ1/2 . Ohne die Zeitdilatation wäre die Reichweite von Myonen gerade einmal bei c·1, 5 µs = 450 m und wir würden sie hier unten auf der Erde gar nicht messen können. Nehmen wir nun an, dass die Myonen sich mit 99, 99% der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Für ihre Halbwertszeit ergibt sich dann 1, 5 µs tµ1/2 = p = 1, 5 µs · 22 . 1 − β2 Diese wesentlich höhere Halbwertszeit bedeutet, dass selbst Teilchen, die in 10 km Höhe erzeugt werden, noch die Erde erreichen. Wenn wir uns in Bezugssystem A aufhalten, bewegt sich B langsamer und wenn wir uns im Bezugssystem B aufhalten, so ist A langsamer. Dieses scheinbare Paradoxon lässt sich aber leicht auflösen. Zunächst formulieren wir das Problem genauer: „Bei gleichzeitigem Ablesen der Uhren ist B langsamer als A.“ Das Wort gleichzeitig hängt dabei aber vom jeweiligen Bezugsystem ab. Graphisch kann man dieses bezugssystemabhängige „gleichzeitig“ darstellen wie in (Abb. 10). 28 Abbildung 10: Uhren in Relativgeschwindigkeit zueinander Am Pfeil der Uhr B ist eine Differenz zwischen t und t̃ zu sehen. Dabei schneidet t den Graphen vor t̃. Das bedeutet, dass aus Sicht von B die Zeit t vor der Zeit t̃ vergangen ist. Aus der Sicht von A verhält es sich jedoch genau umgekehrt. 2.3.2 Längenkontraktion Bewegt sich B mit der Geschwindigkeit ~v = (v, 0, 0) im Ruhesystem von B, gilt für seinen Ort: x̃1 = γx1 Die Änderung dieser Länge ∆x1 wird von A aus dann folgendermaßen gemessen: ∆x1 = p ∆x̃1 = ∆x̃1 1 − β 2 ≤ ∆x̃−1 γ Dies bedeutet, dass bewegte Systeme ihre Länge in Bewegungsrichtung kontrahieren. Um das Beispiel von eben wieder aufzugreifen, betrachten wir nocheinmal das Myon. Wenn es sich mit 99, 9% der Lichtgeschwindigkeit bewegt, war seine Halbwertszeit eben um den Faktor 22 länger. Das bedeutet, dass die Strecke, die es zurücklegt, aus seiner sich um das 22–fache kürzer ist als zuvor. 2.4 Energie und Impuls Wie kann man die Kraft F~ und den Impuls p~ relativistisch darstellen? Um dieses Problem zu lösen, suchen wir einen „passenden“ 4er-Vektor. Dabei nutzen wir, dass dxµ ist ein 4er–Vektor ist. 29 Da wir dt so nicht verwenden können, nutzen wir die entsprechende lorentzinvariante Eigenschaft p 1 − β 2 dt dτ = dxµ ⇒ = 4er–Vektor , dτ p~ = m0 d~v = dt Impuls . Mit diesem passenden Vektor ergibt sich also: pµ = m0 dxµ dτ (21) Für ein ruhendes Teilchen können wir annehmen, dass: dct dx0 = =c t = τ dt dτ pµ = m0 c, 0, 0, 0 Ein bewegtes Teilchen hat dagegen: dτ = p 1 − β 2 dt pµ = γ(m0 c, m0~v ) m0 c 1 p0 = γm0 c = p ≈ m0 c + m0 β 2 + . . . 2 2 1−β 1 1 ≈ m0 c2 + m0 v 2 + . . . c 2 Wir können dies für den Fall v c annehmen. In dieser Annäherung sehen wir bereits die nichtrelativistische kinetische Energie E = 12 m0 v 2 . Wir vermuten für den Impuls: p0 c = E (Energie) Daraus folgern wir für den Viererimpuls µ p = E , p~ . c (22) Wir können dann aus dem relativistischen Impuls für v = 0 auf folgende Relation schließen: 2 E p pµ = − p~ 2 ≡ (m0 c)2 c µ 30 Dabei bezeichnet m0 die Ruhemasse. Für die Energie ergibt sich dann: q E = (m0 c2 )2 + (pc)2 (23) Wir können die Energie noch Taylorentwickeln und kommen dann ungefähr auf den Term: p2 m0 c + + O(p4 ) 2m 2 Bemerkung Die Ruheenergie m0 c2 ist eine sehr große Größe. Der Brennwert von 1 l Öl entspricht ca. 4 µg. Der Energieverbrauch in ganz Deutschland in einem Jahr liegt dann ungefähr bei 130 kg. Die Energie, die benötigt wird, um auf eine Geschwindigkeit v zu beschleunigen, berechnet sich dann so: m0 c2 − m0 c2 −∆E(v) = p 1 − β2 Der Wert geht gegen unendlich, je weiter sich v an c annähert. 31 3 3.1 Lösungen der Newtonschen Gleichungen Eindimensionale Bewegungen Wir haben die Differentialgleichung mẍ = F (x), wobei F (x) durch ein Potential dargestellt werden kann. Es handelt sich hierbei um eine gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Um diese eindeutig lösen zu können, nutzen wir die Anfangsbedingungen x0 und ẋ0 . Zudem gilt die Energieerhaltung. x(t0 ) = x0 ẋ(t0 ) = ẋ0 1 mẋ2 + V (x) E = 2 p2 = + V (x) 2m = const Wir haben also einen Freiheitsgrad und einen Erhaltungssatz. Wir können diese DGL demnach folgendermaßen lösen. Z x(t) x(t0 ) 1 q 2 (E m r dx 2 = ± (E − V (x)) dt m Z t 0 dx = dt 0 − V (x0 )) t0 Abbildung 11: Für 0 < E < Emax gibt es eine oszillatorisch gebundene Lösung x(t). 32 Der Phasenraum Oft ist es nützlich, die Bewegung in einem (x, p)–Diagramm darzustellen. Den Raum, in dem wir Ort– und Impulsraum eines Teilchens zusammenfassen, nennen wir Phasenraum.12 Dies bedeutet, dass in einem System von N Massepunkten die Koordinaten aller Punkte in durch einen Punkt ausgedrückt werden. Das gleiche wird mit den Impulsen gemacht. Kombiniert man nun den Ortsraum und den Impulsraum zu einem Raum, ergibt das den Phasenraum. In diesem werden die Positionen und die dazugehörigen Impulse beschrieben. Hierzu wird der Impuls als Funktion des Ortes dargestellt. Abbildung 12: Der Phasenraum zu dem Potential in Abb. 11 links. Die schwarze Kurve wird von einem Teilchen mit E = Emax beschrieben, die roten Kurven durch Teilchen mit E > Emax , die blauen durch Teilchen mit E < Emax 2 p + V (x) definieren also die Linien in unserem Phasenraum. Für mẋ = p und E = 2m ein festes E nahe am Minimum ergibt sich dann 1 2 Dx 2 p2 1 E ≈ + Dx . 2m 2 V (x) ≈ Befinden wir uns am Maximum von E, sehen wir in Abbildung 12, dass E = Emax x = xmax V (x) = Emax − α(x − xmax )2 12 Dieser wird im Rahmen der Hamiltonischen Mechanik (5) noch ausführlicher behandelt. 33 gilt. Insgesamt folgt daraus, dass wir für den Impuls und die Kinetische Energie im Phasenraum 1 p2 = α(x − xmax )2 2m 2 p = ±mα(x − xmax ) schreiben können Schwingungsdauer der gebundenen Lösungen Als Startbedingung für unsere DGL haben wir x(0) = 0, v(0) = v0 und E = 12 mv02 . Den rechten Umkehrpunkt der Schwingung erreichen wir für E = V (xu ) nach einer Zeit T1 , wobei für diese gilt: Z T1 = 0 xu 1 q 1 (V 2 (xu ) − V dx0 (x0 )) Um dieses Problem zu lösen, machen wir nun eine Fallunterscheidung. Im ersten Fall betrachten wir kleine Startgeschwindigkeiten v0 und einen daraus folgenden kleinen Umkehrpunkt xu . Wir können das Potential über eine Taylorentwicklung um 0 ausdrücken 1 V (x) ≈ V (0) + V 00 (0) x2 + 2 1 x = D x2 (x2 + ) + O 2 c 1 V (xu ) = m v02 = E 2 m ⇒ xu = v0 + O v02 . D 34 1 000 3 V x + ... 6 x4 Verwenden wir diese Näherung und nutzen die Substitution x0 = xu y, dx0 = xu dy, so ergibt sich für die Schwingungsdauer T1 Z xu T1 = 0 1 q m xu p = D x2u T1 T1 D m Z dx 1 2 0 2 3 03 xu − x + c (xu − x ) 1 0 1 1 ·r dy 1 − y2 0 xu 1−y 3 1 + c 1−y r Z π xu 1 − sin3 (ϕ) m cos(ϕ) p 1− · dϕ = D 0 2c 1 − sin(ϕ) 1 + sin2 (ϕ) ! r Z π m π 1 xu 2 1 − sin3 (ϕ) ≈ − · dϕ D 2 2 c 0 1 − sin2 (ϕ) ! r r m 2 2E 1 = 1− · + O(E) . D π D c p Rπ 3 (ϕ) Das Integral 02 1−sin dϕ ergibt dabei den Wert 2 und O(E) entspricht O(v02 ). Ins1−sin2 (ϕ) gesamt ist hier E = 21 Dx2u . Wir gehen analog vor, wenn wir vom Minimum zum rechten Umkehrpunkt wollen. Hier ergibt sich für die Schwingdauer T2 r T2 = 2 mπ 1+ D2 π r ! 2E 1 + O(E) . D c Die Oszillationsfrequenz ω ist dann 2π 2(T1 + T2 ) r D = + O(E) . m ω = Im zweiten Fall betrachten wir große Auslenkungen, d. h. E ≤ Emax und xu ≤ xmax . Nahe dem Maximum gilt 1 V (x) ≈ V (xmax ) + V 00 (xmax )(x − xmax )2 + . . . 2 α = Emax − (x − xmax )2 + . . . 2 α ⇒ E − V (x) = V (xu ) = (x − xmax )2 − (xu − xmax )2 2 α = (x − xu )2 + 2(xmax − xu )(xu − x) . 2 35 Für die Schwingungsdauer T1 können wir dann das Integral als xu Z T1 = 0 x1 Z 1 q = 0 2 (V m 1 + ... dx0 (xu ) − V Z xu x1 (x0 )) 1 ... schreiben. Wir wählen ein x1 , das nah genug an xu liegt, so dass wir hier problemlos taylorentwickeln können. Das Integral von x1 zu xu nennen wir T̃1 . Um es zu berechnen, verwenden wir die Substitution xu − x = y: Z T̃1 = 0 Z x1 1 q xu −x1 ≈ 0 2 (V m (xu ) − V (x0 )) 1 dy pα p 2 · y + 2(xmax − xu )y m Für den Fall, dass der Umkehrpunkt dem Maximum entspricht, also xu = xmax , ist E = Emax und das Integral divergiert: Z xu −x1 0 1 dy = ∞ y Wir können daraus schließen, dass das Maximum für E = Emax nie erreicht wird. Für den Fall, dass xmax − xu wesentlich kleiner ist als y ist, können wir sagen, dass (xmax − xu ) y ⇒ y 2 + 2(xmax − xu )y ≈ y 2 Für T̃1 erhalten wir dann r T̃1 ≈ Z m α Z xu −x1 xmax −xu xu −x1 = 1 dy y 1 p 2y(xu − x1 ) r m xu − x1 = ln . α αu − α1 0 36 . 3.2 Lineare DGL und Greensche Funktion Wir wollen eine Lösung für den harmonischen Oszillator mit einer beliebigen Kraft F (x) zu finden. Für diese Kraft gilt F (x) = mẍ0 + mω02 x = F (t) . Die lineare DGL der Form Lx = F , wobei L ein Operator ist, bildet die Funktion x(t) auf mẍ0 + mω02 x(t) ab. Die Eigenschaft von L ist dabei L(ax1 (t) + bx2 (t)) = aLx1 (t) + bLx2 (t) . Um diese DGL zu lösen, zerlegen wir F (t) in einfache Funktionen, wie z. B. F (t) = P n an exp(iω1 t), also mit Hilfe der Fourierzerlegung. F (t) = X αn δ(t − t1 ) n Z = F (t0 )δ(t − t0 )dt0 Wir zerlegen hier also die DGL in einzelne Kraftstöße. Zur Erinnerung: δ(t) ist eine Distribution, die durch Z δ(t)g(t)dt = g(0) (24) definiert ist. Abbildung 13: Die Verteilung der Werte in der δ–Distribution Wie in Abbildung 13 zu sehen ist, bezeichnet a die Breite des Peaks und g(t) eine stetige Funktion. Wir können die Distribution beispielsweise durch den Grenzwert δ(t) = lim δa (t) a→0 x 2 1 √ mit δa (t) = exp − a a π 37 definieren. Definition: Die Greensche Funktion G(t) ist die Lösung der Gleichung LG = δ(t) mit der Randbedingung G(t) = 0 für t < 0. Damit ist Lx = F (t) einfach lösbar. Z x(t) = F (t0 )G(t − t0 )dt0 (25) Die Lösung für beliebige F (t) erhalten wir also durch Integration. Um an dieser Stelle weiter zu kommen, zerlegen wir F (t) in einfache Funktionen und sagen, dass L zeitunabhängig ist. Die Frage ist jetzt, wie sieht G(t) aus? Wir nutzen dafür, dass mẍ0 + mω02 x = δ(t) ist. Für t < 0 gilt x(t) = 0 ⇒ x(t → 0) = 0 . Für t > 0 gilt demnach x(t) = a cos(ω0 t) + b sin(ω0 t) x(t → 0) = 0 ⇒ a = 0 ⇒ x(t) = b sin(ω0 t) ⇒ ẍ(t) = ω0 b cos(ω0 t) . Abbildung 14: Die Geschwindigkeitskurve mit der Amplitude ω0 Wir sehen in Abbildung 14, dass die Geschwindigkeit des Teilchens um den Faktor ω0 gestreckt ist. Die Frage ist nun, wie wir die Beschleunigung annähern können. ẍ(t) = ω0 bδ(t) + endliche Terme 38 Abbildung 15: Ableitung vom Sprung in der δ-Funktion Wir stellen fest, dass wir zwischen den Funktionen f (t) und f 0 (t) eine Art Sprung haben, den wir als a bezeichnen (Abbildung 15). Dieser Sprung stammt von der δDistribution. Es geht jetzt darum a genauer zu bestimmen. Z t f 0 (t0 )dt0 f (t) = −1 0 = f (t) = δ(t) f () − f (−) Wir definieren uns für das Integral ein ausreichend kleines , so dass, wenn t → die Funktion f () wird und für t → − ebenfalls die Form f () hat. Wir sagen dann: Θ0 (x) = δ(x) Für t → 0 ergibt sich dann sin(ω0 )bδ(t) + mω02 x = δ(t) mẍ + mω02 x = δ(t) 1 ⇒b = mω0 . Insgesamt können wir also darauf schließen, dass die Greensche Funktion die Form G(t) = Θ(t) 1 sin(ω0 t) mω0 hat, wobei Θ(t) = 1 ist für t > 0 und Θ(t) = 0 für t < 0. 3.3 Lösbarkeit Newtonscher Gleichungen Bei N gegebenen Teilchen ~x1 , . . . , ~xN haben wir 3N DGL 2. Ordnung. Mit der Anfangsbedingung ~xi (t0 ) = ~xi0 und den Indizes i, j = 1, . . . , N haben wir ¨ ˙ ~ mi~xi = Fj ~xj , ~xj ~x˙ i (t0 ) = ~vi0 39 . Dies ist umformbar in 6N DGL 1. Ordnung. P~i mi = F~i (xj , Pj ) ~x¨i = (26) ˙ P~i (27) Alternativ kann dies mit einem Vektor~x mit 6N Komponenten dargestellt werden. x~1 p~1 ~x = . . . x~N p~N ~ ⇒ ~x˙ = K(x) (28) Eindeutigkeitssatz für gewöhnliche DGL ~ Es sei X(x) bezüglich ~x ∈ Γ differenzierbar. Dann gibt es zu jedem Punkt z ∈ Γ eine Umgebung U und ein Zeitintervall I mit t0 ∈ I derart, dass es für alle t0 ∈ U genau eine Kurve ~x(t) mit t ∈ I gibt, für die ~x(t) = K(x(t)) und ~x(0) = ~x0 ~x(t) 3.4 gelten sowie bezüglich x0 → t differenzierbar ist . Numerische Lösungsverfahren ~ ~x ), so ist diese transforBringt man die Newton–Gleichung auf die Form ~x˙ (t) = K(t, mierbar. In der Numerik diskretisieren wir die Zeit t mit tn = n·∆ t . Über das Eulerverfahren bestimmen wir dann den Ort für den nächsten Zeitschritt mittels ~x(tn+1 ) = ~x(tn ) + ∆t~x˙ (tn ) = ~x(tn ) + ∆t · K(tn , ~x(tn )) . Wir können in der Abbildung 16 sehen, dass wir pro Schritt den Fehler O((∆ t)2 ) erhalten. Auf die gesamte Funktion bedeutet das, dass wir den Fehler O(∆ t) nach ∆t t Schritten haben. Wir sollten deshalb dieses Verfahren nie verwenden. 40 Abbildung 16: Schrittweise Annäherung des Funktionsgraphen Eine bessere Möglichkeit das Problem zu lösen bietet das Mittelpunktsverfahren. ~ n , ~x(tn )) ∆ x1 = ∆t · K(t ∆t ∆x1 ~ ∆ x2 = ∆t · K tn + , ~x(tn ) + 2 2 ~x(tn+1 ) = ~x(tn ) + ∆~x2 t Bei diesem Verfahren haben wir pro Schritt den Fehler O(∆t)3 ), der sich nach ∆t Schritten zu O((∆t)2 ) korrigiert. Noch bessere Verfahren sind das Runge–Kutta–Verfahren mit 4 Stützstellen und einem Fehler von O((∆t)4 ) oder adaptive Algorithmen mit variablem ∆t. Wir kommen damit auf sehr genaue Lösungen für viele Teilchen in einer kurzen Zeitspanne, jedoch nicht auf Vorhersagen für Langzeitverhalten in chaotischen Systemen. 3.5 Zwei–Körper–Probleme Vernachlässigen wir den Mond und die anderen Planeten, haben wir zwischen Sonne und Erde ein zwei–Körper–Problem. m1~r¨1 = F~1 2 (~r1 − r~2 ) m2~r¨1 = F~2 1 (~r1 − r~2 ) Wir verwenden, dass F~1 2 (~r ) = −∇V (r) ist und das 3. Newtonsche Axiom, F~1,2 = −F~2,1 , gilt. Im Falle der Gravitation nimmt das Potential die Form m1 m2 G , mit |~r | m2 G = 6.67 · 10−11 , kg s2 V = VG (r) = an. 41 Beachte Wichtig ist an dieser Stelle zu bemerken, dass mi im Gravitationspotential die schwere Masse ist und in der Newton–Gleichung die träge Masse, beide sind jedoch identisch. Hierauf wird näher in der allgemeinen Relativitätstheorie eingegangen. Betrachten wir zudem die Coulombkraft, sehen wir, dass ihr Potential die Form V = q1 q2 4π0 |~r | hat. Bilden wir den Quotienten beider Potentiale, so erhalten wir VG m1 m2 = G4π0 VC q 1 q2 . Für ein Proton und ein Elektron bedeutet dies, dass der Wert ca. bei 10−36 liegt. Warum die Gravitation F~G = −∇VG so schwach ist, ist unbekannt. Jedoch können wir sagen, dass FG rein additiv ist. Das bedeutet, dass sich FC in astronomischen Skalen aufhebt, FG aber nicht. Die Gravitation zwischen zwei astronomischen Objekten ist daher nach wie vor messbar. Lösung für beliebiges Potential Wählen wir nun ein beliebiges Potential. Es gilt, die 6 DGL 2. Ordnung bzw. die 2 DGL 1. Ordnung zu lösen. Wir nutzen dabei die 10 Erhaltungssätze durch die Wahl geeigneter Koordinaten. 1. Nutzen von Impulserhaltung und Schwerpunktsbewegung ~ 0 (t) = R ~ 0 + P~ t, wobei R ~ = Wir nutzen, dass R M und ~r = ~r1 − ~r2 die Relativkoordinate sind. Die Frage ist jetzt, was ~r1 ist. m1 ~ r1 +m2 r~2 m1 +m2 die Schwerpunktsbewegung ~r1 = ~r + ~r2 m ~ r ~ − 1 1 = m2~r2 R M M ~ − m1 r~1 MR ⇔ ~r2 = m2 ~ − m1~r1 MR ⇒ ~r1 = ~r + m2 ! −1 ~ m1 MR ⇔ ~r1 = −1 · ~r + m2 m2 42 Wir können also nach diesen einfachen Rechenschritten sagen, dass ~r1 und ~r2 folgendermaßen dargestellt werden können. ~ + m2 ~r ~r1 = R M m1 ~ ~r2 = R − ~r M Für die zweifache zeitliche Ableitung ergibt sich dann, zusammen mit der reduzierten Masse µ, folgende Relation. 1 ~ 1 ~ −F (~r ) F (~r ) − m m 1 2 1 1 ~ = + F (~r ) m1 m2 1~ = F (~r ) µ ~r¨ = ~r¨1 − ~r¨2 = Für die reduzierte Masse µ gilt dabei 1 1 + µ = m1 m2 m1 m2 = , M −1 wobei M die Summe aller Massen mi ist. Wir haben damit das Problem um 3 Koordinaten erleichtert und aus 3 DGL 2. Ordnung 6 DGL 1. Ordnung gemacht. µ~r¨ = F~ (~r ) 2. Nutzung der Drehimpulserhaltung Der Drehimpuls in unserem Zweikörperproblem sei gegeben durch ~ = ~r1 × p~1 + ~r2 × p~2 L ~ + m2 ~r1 × m1~r˙1 + R ~ − m1 ~r2 × m2~r˙2 = R M M ~ × P~ + ~r × µ ~r˙1 − ~r˙2 = R ~ × P~ + ~r × p~ . = R Wichtig zu bemerken ist, dass p~ = ~r˙1 − ~r˙2 und P~ = p~1 + p~2 ist. 43 (29) Abbildung 17: Orthogonalität von Drehimpuls und Ortsvektor ~ ~ = ~r × p~. Auffällig ist Im Schwerpunktsystem wird für R(t) = 0 der Drehimpuls zu L ~ und ~r(t) null wird, d. h. sie stehen orthogonal hierbei, dass das Skalarprodukt von L zueinander, wie in Abbildung 17 zu sehen ist. ~ · ~r(t) = 0 L ~ ⇔ ~r(t) ⊥ L Führen wir nun die Polarkoordinaten in der Ebene orthogonal zum Drehimpuls ein und drehen das Koordinatensystem derart, dass der Drehimpuls parallel zum êz –Einheitsvektor ist, ergeben sich folgende Koordinaten. cos(ϕ) ~r = r sin(ϕ) 0 − sin(ϕ) cos(ϕ) ~r˙ = ~r˙ sin(ϕ) + ϕ̇ cos(ϕ) 0 0 = ṙêr + rϕ̇êϕ Abbildung 18: Einheitsvektoren in Polarkoordinaten 44 Für den Drehimpuls schreiben wir dann ~r × p~ = ~r × µ~r˙ = µr2 ϕ̇êz ! = Lêz . ⇒ µr2 ϕ̇ = L = const (30) Wir können die Kraft demnach wie folgt schreiben. µ~r¨ = µr̈êr + 2µṙêϕ + µrϕ̈êϕ − µrϕ̇2 êr F~ (~r ) = F (r) · êr i h 2 = µ r̈ − rϕ̈ êr + (2ṙϕ̇ + rϕ̈)êϕ Um zu überprüfen, dass dies so auch korrekt ist, vergleichen wir nun die Vorzeichen. ! ⇒ r(2ṙϕ̇ + rϕ̈) = 0 F (r) = r̈ − rϕ̇2 µ ⇔ dt (µr2 ϕ̇) = L̇ = 0 Wir verwenden dabei, dass ϕ̇ = L µr2 ist. ⇒ F (r) = µr̈ − L2 µr3 Wir haben unser Problem hiermit also von insgesamt 12 DGL 1. Ordnung auf 3 DGL 1. Ordnung reduziert. L2 µr̈ = F (r) + 3 µr 2 L = µ r(t) · ϕ̇ t = const 45 (31) (32) 3. nutze Energieerhaltung Wir drücken zunächst unsere kinetische Energie T mithilfe von Schwerpunktskoordinate und Relativkoordinate aus. 1 1 m1~r˙12 + m2~r˙22 2 2 1 ~˙ 2 1 ~˙ m1 m2 ˙ ˙ 1 ˙ 2 m1 m2 = MR + 2 · R ~r − ~r + ~r (m1 + m2 ) 2 2 M 2 M2 1 ~˙ 2 1 ˙ 2 M R + µ~r = 2 2 T = In Polarkoordinaten ausgedrückt ergibt dies 1 ~˙ 2 1 2 1 2 T = MR + µṙ + µϕ̇ 2 2 2 . 1 2 1 L2 µṙ + + V (r) 2 2 µr3 1 2 ⇔E = µṙ + Veff (r) 2 1 L2 + V (r) Veff (r) = 2 µr3 E = (33) (34) (35) Das effektive Potential ist dabei das Zentrifugalpotential. Lösen wir nun nach ṙ und ϕ̇ auf. 2 ṙ = ± E − Veff (r) µ −1 ϕ̇ = L µr2 (t) (36) (37) Nun haben wir nur noch 2 DGL 1. Ordnung. Die Lösung unseres Anfangsproblems lautet also Z r(t) t − t0 = r(t0 ) Z t ϕ(t) − ϕ(t0 ) = t0 2 E − Veff (r0 ) µ L dt0 µr(t0 )2 − 21 , woraus wir die Gleichungen r(t) und ϕ(t) bestimmen können. 46 dr0 (38) (39) Es bleibt noch die Frage, was r(ϕ) ist. Wir leiten dafür r ϕ(t) zeitlich ab. dr ϕ̇ = ṙ dϕ r ṙ µr2 2 dr = = E − Veff (r) ⇒ dϕ ϕ L µ dt r ϕ(t) Z r(ϕ) ⇒ r(ϕ0 ) = L q 2 µ 0 Z ϕ dr = E − Veff (r) · µr2 dϕ0 = ϕ − ϕ0 (40) ϕ0 Abbildung 19: Das effektive Potential Veff (links) und die Bewegungskurve für E < E∞ (rechts). Veff setzt sich aus dem tatsächlichen Potential V und einem Drehimpulsanteil zusammen. Wir haben bis jetzt das Zwei–Körper–Problem von 12 DGL 1. Ordnung in 2 DGL 1. Ordnung vereinfacht. Die qualitative Form der Lösung für ein attraktives Potential wird in Abbildung 19 dargestellt. Wir können die Änderung des Winkels zwischen einem minimalen und einem maximalen Abstand der Körper berechnen, indem wir über r integrieren. Z rmax ∆ϕ = rmin dr p 2µ(E − Veff (r)) n Genau dann, wenn ∆ϕ = m 2π (mit n, m ∈ Z), ist die Bahnkurve um den Schwerpunkt eine Ellipse. Ansonsten gibt es eine komplexe Bahn, wie beispielhaft in Abbildung 20 dargestellt. 47 Abbildung 20: Für kleine ∆ϕ ist rote Kurve fast geschlossen. Für irrationale ∆ϕ wäre die Fläche vollständig von der roten Kurve überstrichen. Nur mit ∆ϕ = 0 ist die Kurve eine Ellipse (blau). Abbildung 21: Die Planetenbahn um die Sonne (links) und die Darstellung von Keplers zweitem Gesetz (rechts). 3.6 Keplerproblem Unser Potential sei nun durch V (r) = − kr gegeben. Für die Gravitation gilt somit q1 q2 k = m1 m2 G, für die Coulombwechselwirkung k = − 4πε , allerdings sind auch andere 0 Potentiale möglich. Kepler stellte aufgrund seiner Beobachtungen drei Gesetze auf: 1. Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren Fokalpunkt die Sonne ist. (siehe Abbildung 21) 2. Der Fokusstrahl, d. h. der Radiusvektor, überstreicht in der gleichen Zeit die gleiche Fläche. (siehe Abbildung 21) 3. Die große Halbachse a und die Umlaufdauer T hängen wie folgt zusammen: a3 = T 2 · const Ellipsen Hier muss nun kurz erklärt werden, was eine Ellipse ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Ellipse zu definieren. In Abbildung 22 wird dies dargestellt. 48 Abbildung 22: Die Definition einer Ellipse anhand der Halbachsen (links) bzw. anhand der Radien (rechts). 1. Für die große Halbachse a und die kleine Halbachse b gilt. x2 y 2 + 2 =1 a2 b 2. Für jeden Punkt ist die Summe der Radien gleich. Ein Radius ist der Abstand zu einem der beiden Fokalpunkte. r1 + r2 = 2a In Polarkoordinaten mit dem Fokalpunkt F1 im Ursprung kann eine Ellipse folgendermaßen dargestellt werden: p 1 + ε cos(ϕ) b2 mit p = a r p 1− und ε = a r1 ≡ r = (41) (42) (43) Herleitung der Keplergesetze Wenden wir uns nun der Herleitung der Kepler-Gesetze zu, so beweisen wir zuerst, dass der Fokusstrahl tatsächlich in gleicher Zeit gleiche Flächen überstreicht. Wir lassen dafür das Zeitintervall infinitesimal klein werden, also ∆t → 0. 1 2 1 ∆ϕ r ∆ϕ = r2 ∆t 2 2 ∆t ⇒ r2 (t)ϕ̇(t) = const ∆A = L = µ r2 ϕ̇ = const 49 Wir sehen, dass der Drehimpuls erhalten ist. Für eine endlich Fläche gilt dann Z ϕ1 +∆ϕ Z dA = ϕ1 t1 +∆ t1 1 2 r dϕ 2 Z = t1 t1 +∆ t1 Z = t1 1 2 r ϕ̇ dt 2 L dt 2µ L ∆t . 2µ = Als nächstes zeigen wir, dass sich die Planeten auf Ellipsenbahnen bewegen. k L2 Veff = − + r 2µ r2 Z r(ϕ) ϕ(r) = ϕ(0) + r(ϕ0 ) L 0 q dr 0 2 0 (r ) 2µ E − Veff (r ) Wir verwenden hier folgende Substitution 1 1 = u ⇒ du = − dr 0 r0 (r 0 )2 . Daraus folgt dann für ϕ(r) Z ϕ(r) = c − 1 r(ϕ) L q 2µ(E + K u − Z = const − 1 p c 2 − (u − u0 )2 Wir legen nun die Konstanten u0 und c 2 fest mit u0 = erhalten damit das Integral 1 L2 2 u) 2 µ du du . µk L2 und c 2 = 2Eµ L2 + u20 . Wir u − u0 ϕ(r) = const + arccos c p−r = const + arccos . εr An dieser Stelle haben wir resubstituiert und und verwenden, dass p = q L2 ε = 1 + 2E ist. Wir erhalten somit die Bahnkurve k2 µ r(ϕ) = p 1 + ε cos(ϕ − ϕ0 ) 50 . 1 u0 = (44) L2 kµ und Wir können hieraus schließen, dass ε < 1 äquivalent zu E < 0 ist; außerdem handelt es sich bei der Bewegungskurve um eine Ellipse mit der Sonne in einem Fokalpunkt. Als letztes zeigen wir, dass die große Halbachse a hoch drei genommen und das Quadrat Umlaufdauer T proportional zueinander sind. Für die Fläche einer Ellipse gilt πab = L T 2µ , wobei T die Umlaufdauer des Planeten ist. ∆t = T b2 ! L2 p= = a kµ r a ⇒b = L kµ 2µ ⇒ T = πab Lr a 2µπ = a L kµ 2 2 4π µ 3 ⇔ T2 = a L2 kµ Wir nutzen nun, wie bereits erwähnt, dass für die Gravitation k = m1 m2 G gilt und m2 , also die relative Masse, gilt. Darauf folgt dann µ = mm11+m 2 T2 = 4π 2 a3 2 L (m1 + m2 ) . Gehen wir nun davon aus, dass die Sonnenmasse wesentlich größer ist als die Planetenmasse, MSonne mPlanet , folgt daraus dann, dass der Quotient aus T 2 und a3 konstant ist. 4π 2 T2 ≈ = const a3 G MSonne Bemerkenswert ist hier, dass alle gebundenen Lösungen, also jene, die periodisch sind und somit geschlossene Bahnen haben (∆ϕ = 2π), unabhängig von E und L sind. Das ist allerdings nur für Potentiale der Form 1r und r12 möglich. Der Grund dafür ist, dass für andere Potentialformen eine weitere Erhaltungsgröße, der Runge–Lenz–Vektor existiert. ~l = L ~ × ~r(t) + k ~r(t) = const |~r | 51 Dieser Vektor zeigt in Richtung des Perihels. Die Periheldrehung, also wenn ∆ϕ 6= 2π, erlaubt präzise Messungen von Abweichungen des 1r -Potentials. Die Ursache dieser Abweichungen liegt an anderen Planeten und die durch sie verursachte Raumkrümmung (vlg. Allgemeine Relativitätstheorie). Betrachten wir nunq ein paar Berechnungen dazu. Für einer Energie größer 0, E > 0, 2 L2 und p = kµ sowie ε = 1 − 2EkµL ≥ 1 gilt p = r + ε r cos(ϕ − ϕ0 ) p x2 + y 2 r = x = r cos(ϕ − ϕ0 ) ⇒ x2 + y 2 = (p − ε x)2 ⇒ p2 = y 2 − (ε3 − 1) x2 + 2p xε . An dieser Stelle machen wir eine Fallunterscheidung: 1. Für ε = 1 erhalten wir eine Parabel: y 2 = p2 − 2p x 2. Für ε < 1 erhalten wir eine Ellipse: x − x0 a 2 + y 2 b =1 p2 (1 − ε)2 p2 = 1 − ε2 a2 = b2 3. Für ε > 0 erhalten wir eine Hyperbel: x − x0 a 2 − y 2 b =1 b2 = Abbildung 23: eine Hyperbel 52 p2 ε2 − 1 Angewendet wird diese Lösung z. B. in der Raumfahrt, um Raumsonden zu beschleunigen („Swing By“) oder bei dem Rutherford–Experiment. Bei letzterem muss noch gesagt werden, dass im Allgemeinen mechanische Lösungen nicht auch die quantenmechanischen Probleme lösen. In diesem Fall jedoch geht dies, was mit Besonderheiten von Potentialen V (~r ) ∝ r−1 zusammenhängt. 3.7 Zwangskräfte Bisher haben wir gesagt, dass für alle Kräfte in Kombination mit Newton eine Bewegung erhalten. Oft ist die Bewegung jedoch eingeschränkt und die Kräfte sind nur teilweise bekannt. Die Unbekannten sind in diesen Fällen oft Kräfte, die durch Seile, Unterlagen und dergleichen wirken. Wir führen daher eine neue Notation ein. Notation N Teilchen in d Dimensionen ~r1 , . . . , ~rN ∈ Rd können durch einen D–dimensionalen Dimensionsvektor beschrieben werden ~r1 . D . ~x = , . ∈R ~rN wobei D = d · N gilt. Hierbei handelt es sich um den Konfigurationsvektor aus dem Konfigurationsraum. Analog können wir den Kraftvektor als F~1 . D . F~t = . ∈R F~N schreiben. Für die Newton–Gleichung schreiben wir dann mi~r¨i = F~i =M b ~x¨ = F~t 53 . Wir definieren uns dabei eine Matrix M für die Massen. Diese Matrix sei der Dimension D × D und hat die Form m1 m 1 m1 . M = m 2 ... mN Definition: Holonome Zwangsbedingungen Bei einer Zwangsbedingung kann sich das zu betrachtende Teilchen nicht überall im Raum oder zu jeder Zeit befinden, sondern ist nur in einem bestimmten Bereich definiert. So ist beispielsweise ein Kind auf der Rutsche an den Verlauf derselben gebunden und kann nicht über oder unter dieser seine Bewegung ausführen (Abb. 24, links). Zudem muss es sich in einer Ebene mit der Rutsche befinden, ansonsten wäre es eben nicht auf ihr. Weitere Beispiele sind ein Fadenpendel, das sich in einem Aufzug bewegt (Abb. 24, Mitte) und zwei Massen, die über ein Seil verbunden sind (Abb. 24, rechts). In jedem Fall sind die Bewegungen eingeschränkt, z. B. durch das Seil, das das Pendel hält oder die Massen verbindet. Abbildung 24: Beispiele für Zwangsbedingungen: ein Kind auf einer Rutsche (links), ein Fadenpendel im Aufzug (Mitte) und verbundene Gewichte (rechts) Wir formulieren für das Problem also k Gleichungen fµ , die von den systemabhängigen Koordinaten abhängen. Die fµ sind demnach k verschiedene Funktionen, welche die Zwangsbedingungen formulieren. Bei holonomen Zwangsbedingungen sagen wir, dass die Zwangsbedingung genau dann erfüllt ist, wenn die Funktion gleich null ist, also fµ = 0. Wir fordern zudem, dass die Gradienten der fµ linear unabhängig voneinander sein sollen. 54 Mathematisch können wir es folgendermaßen formulieren: ! ∀µ ∈ [1, . . . , k] ⊂ N : fµ (~x, t) = 0 ∇fµ (~x, t) ∈ RD ∀(~x, t) : ∀i, j ∈ [1, . . . , k] : ∇fi (~x, t) · ∇fj (~x, t) = δi,j Eine Zwangsbedingung definiert zu einer festen Zeit eine (D − 1)–dimensionale Hyperfläche im D–dimensionalen Konfigurationsraum. k Zwangsbedingungen definieren dann eine (D − k)–dimensionale Hyperfläche (bzw. Mannigfaltigkeit). Das System hat dann (D − k) Freiheitsgrade. Abbildung 25: Drei Kugeln an den Orten ~ri , die durch feste Stangen der Längen li verbunden sind. Beispiel Betrachten wir als Beispiel 3 Kugeln, die über Stangen der Längen li miteinander verbunden sind (Abbildung 25). Mit den drei Zwangsbedingungen f1 (~ri ) = (~r1 − r~2 )2 − l12 f2 (~ri ) = (~r2 − r~3 )2 − l22 f3 (~ri ) = (~r3 − r~1 )2 − l32 erhalten wir ∂f1 ∂x1 2(~r1 − r~2 ) . . ∇f1 = . = 2(~r2 − r~1 ) ∂f1 ~0 ∂xD ~0 ∇f2 = 2(~r2 − r~3 ) 2(~r3 − r~2 ) 2(~r1 − r~3 ) ~0 ∇f3 = . 2(~r3 − r~1 ) 55 Die Gradienten sind genau dann linear unabhängig, wenn für alle i und j gilt, dass ~ri 6= ~rj ist. Dies ist wiederum durch die Zwangsbedingungen fi gegeben. In diesem Beispiel haben wir 6 Freiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade beschreiben dabei den Schwerpunkt und die anderen drei z. B. die Winkel, welche die Orientierung des Dreiecks im Raum bestimmen. Die Zwangsbedingungen werden durch Kräfte in Stäben, Seilen usw. aufrecht erhalten. Die Zwangskräfte F~Z sind dabei unbekannt. In der Newton–Mechanik sagen wir daher, dass die Kraft sich aus der bekannten äußeren Kraft und den unbekannten Zwangskräften zusammensetzt, d. h. M ~x¨ = F~ + F~Z . Wir stellen uns jetzt die Frage, in welche Richtung die Zwangskräfte. Sie muss orthogonal zur Hyperebene (Zwangsebene) sein, da sie den Körper nicht beschleunigen darf! Wir können daraus folgern, dass F~Z im k–dimensionalen Raum liegt, der durch den Gradienten der Funktion aufgestellt wird. F~Z = k X λµ (t)∇fµ (~x, t) (45) µ=1 Dies kann geometrisch dadurch begründet werden, dass ∇f = 0 die Änderung der Werte von f darstellt. Da diese verschwindet muss die Zwangskraft orthogonal zur Ebene liegen. ∇f2 = (∇f2 )∆~r ~r kFläche ⇔ ∆f = 0 Insgesamt sagen wir also k X M ~x¨ = F~ ~x, ~x˙ , t + λµ (t)∇f (~x, t) (46) µ=1 0 = ∀µ ∈ 1, . . . , k : fµ (~x, t) . (47) Es handelt sich hierbei um eine Lagrange–Bewegung der 1. Art, wobei λµ der LagrangeParameter ist. Wir kennen in dieser Gleichung weder ~x(t) noch λµ , haben also D + k Unbekannte. Diese werden jedoch durch ebensoviele Gleichungen bestimmt und sind damit lösbar. Wir sehen uns hier einen möglichen Lösungsalgorithmus mal an: 56 Lösungsalgorithmus 1. eliminiere ~x¨ d ∂ ∂ ! fµ (~x(t), t) = ~x˙ f + f = 0 dt ∂~x ∂t d2 ∂ ! ˙ ¨ f + R ~ x , ~ x , t f (~ x , t) = ~ x =0 µ µ dt2 ∂~x (48) Wir verwenden an dieser Stelle, dass fµ (~x, t) = 0 ist. Für Rµ haben wir: ∂2 ∂ Rµ = (ẋ∇)(ẋ∇)fµ (~x, t) + 2~x˙ ∇ fµ + 2 fµ ∂t ∂t . ẍ(t) hat folgende Form: ẍ(t) = M −1 F~ + F~Z ẍ T = F~ + F~Z M −1 Verwenden wir dies nun in (48), so erhalten wir: k X λν ∇fν M −1 ∇fµ = −F~ T M −1 ∇fµ − Rµ ~x, ~x˙ , t ν=1 Das Ergebnis der Elimination ergibt uns ein Gleichungssystem vom Typ: λ1 . . ~ A . =b λk A ist dabei eine k × k–Matrix mit: Aνµ = ∇fν M −1 ∇fµ 2. bestimme Zwangskräfte Es gilt hierbei zu beachten, dass A positiv definiert ist (∀ Eigenwerte > 0), und daher invertierbar. Der Beweis dafür: Sei ~c 6= ~0 ~c T A~c = d~ T M −1 d~ k X d~ = cµ ∇fν ν=1 57 c ist hierbei beliebig gewählt und M −1 ist positiv, weil die Massen mi größer als 0 sind. Zudem ist d~ 6= ~0, da die Gradienten ∇fν linear unabhängig sind. Daraus folgt ~c T A ~c > 0. Deswegen können wir sagen, dass λµ eindeutig bestimmbar ist, also ~λ(~x, ~x˙ , t) = A−1~b . 3. bestimme Bewegungsgleichung Setzen wir nun λµ in die Bewegungsgleichung ein, erhalten wir M ẍ = F~ + k X λµ (~x, ~x˙ , t)∇fµ (~x, t) . µ=1 Wie zuvor gezeigt, ist uns λµ (~x, ~x˙ , t) bekannt. Dies liefert uns also die Bewegungsgleichung mit vollständig bekannten Kräften. Es gilt zu beachten, dass die Anfangsbedingungen kompatibel mit den Zwangsbedingungen sein müssen, d. h. fµ ~x(t0 ), t0 dt fµ ~x(t0 ), t0 = 0 , aber es gilt auch ! = ~x˙ (t0 )∇fµ ~x(t0 ), t0 + dt fµ ~x(t0 ), t0 = 0 . 4. löse Bewegungsgleichung An dieser Stelle ist leider keine allgemeine analytische Lösung möglich. Wir müssen dazu jedesmal eine geeignete Parametrisierung finden. Es bleibt aber anzumerken, dass es eine elegantere Lösung ist sich direkt auf die Freiheitsgrade zu konzentrieren,13 allerdings gelingt es uns nur so die Zwangskräfte zu bestimmen! Wir können eine DGL mit f Freiheitsgraden folglich lösen, wenn wir zunächst ẍ eliminieren, λ finden, die Zwangskräfte F~Z bestimmen und dann die Bewegungsgleichung lösen. Der letzte Teil ist der Schwierigste: Zunächst einmal müssen wir jeweils eine dazu geeignete Parametrisierung ~x = ~x(ϕ1 , . . . , ϕf ) finden. Im Anschluss lösen wir die DGL für ϕi . Beispiel Um das Verfahren einmal deutlich zu machen, widmen wir uns dem Beispiel des Pendels. 13 in der Hamilton–Mechanik (siehe Kapitel 5) 58 Abbildung 26: das mathematische Pendel Zunächst notieren wir, welche Kräfte und Zwangsbedingungen wirken. F~ = m~g ~g = −gêz r2 − l2 f (r) = m 2 ⇔ |~r | = |l| ⇒ ∇f = m~r Wir sehen, dass die Zwangskräfte parallel zum Seil verlaufen. Mit der Newton–Gleichung mr̈ = F~ + F~Z kommen wir dann zu folgenden Gleichungen. r̈ = ~g + λ(t) ~r (t) (49) 0 = r2 − l2 (50) Wir haben also unsere beiden Unbekannten ~r (t) und λ(t). Verwenden wir nun unseren Algorithmus. 1. ~x¨ eliminieren d f = m~r˙ ~r dt d2 ! f = m~r¨ ~r + m~r˙ 2 = 0 2 dt ~r˙ 2 ⇒ ~r¨ = r 2 ˙ ⇒ m ~g + λ(t)~r ~r + m~r = 0 59 2. λ finden λ(t) = − ~r˙ (t) + ~g~r (t) ~r 2 (t) 3. F~Z finden Wir setzen dies nun in die Newton–Gleichung ein: ~r˙ 2 ~r¨ = ~g − r̂(t)~g r̂ (t) − r̂ r 2 Der Term − ṙr r̂ ist dabei die Zentripetalkraft bei der |r| konstant ist. r̂(t)~g r̂(t) beschreibt die Komponente von ~g in Richtung von r̂, also die Gewichtskraft parallel zum Faden. ~g ist dabei orthogonal zu r̂. Die Kraft auf den Faden hat also die Form −F~Z = −λ∇f = m(~g r̂)r̂ + 4. Parametrisierung des Pendels 60 m~r˙ 2 r̂ r . Wir bestimmen zunächst ~r und seine Ableitungen und ermitteln dann ~g . sin(ϕ) ~r(t) = l 0 − cos(ϕ) cos(ϕ) ~r˙ (t) = ϕ̇l 0 sin(ϕ) cos(ϕ) − sin(ϕ) ~r¨(t) = ϕ̈l 0 + ϕ2 l 0 sin(ϕ) cos(ϕ) 0 sin(ϕ) ~g − (r̂~g )r̂ = −0 − g cos(ϕ) 0 g − cos(ϕ) − cos(ϕ) sin(ϕ) = g 0 −1 + cos2 (ϕ) cos(ϕ) = −g sin(ϕ) 0 sin(ϕ) − sin(ϕ) ~r˙ 2 − r̂ = −ϕ2 l 0 r cos(ϕ) ⇒ lϕ̈ = −g sin(ϕ) Wir können sehen, dass sich der zweite Term von ~r¨ und die Zentripetalkraft gegenseitig aufheben, weswegen sich die Gleichung auf lϕ̈ = −g sin(ϕ) reduzieren lässt. Zusammenfassend können wir sagen, dass Zwangsbedingungen Zwangskräfte zur Folge haben und die Beschreibung mit D + K Lagrange–Gleichungen 1. Art nur D − K Freiheitsgrade haben. 61 4 Lagrange–Mechanik 4.1 Einführung Bisher haben wir die Newton–Mechanik verwendet in der wir m~r¨ = F~ sowie Anfangsbedingungen gegeben haben. Die Frage, warum sich das Teilchen beschleunigt, wird dadurch beantwortet, dass Kräfte wirken. Dies nennt man das kausale Weltbild. Jetzt wollen wir aber ein völlig neues Axiomssystem einführen. Abbildung 27: Mögliche Wege von einem zum anderen Ort Betrachten wir die Abbildung 27: Es gibt eine Menge aller möglichen Pfade ~r (t) mit Startpunkt ~r (tA ) = ~rA und Endpunkt ~r (tE ) = ~rE . Welcher Pfad ist dabei der tatsächlich benutzte? Um das herauszufinden, ordnen wir jedem Pfad ~r (t) eine reelle Zahl, die Wirkung S[ ~r (t) ], zu. Z tE S[ ~r (t) ] = tA 1 ˙2 m~r (t) − V (~r (t)) 2 Physikalische Pfade Physikalische Pfade sind diejenigen, für die S[~r ] extremal bzw. stationär wird. Das bedeutet, dass es Maxima, Minima und Sattelpunkte gibt! Wir nennen dies das Hamiltonische Variationsprinzip oder auch Prinzip der kleinsten Wirkung. Stellen wir uns erneut die Frage, wie sich das Teilchen bewegt, so lautet diesmal die Antwort: Es bewegt sich derart, dass S extremal wird. Es bleibt dabei zu sagen, dass die Axiomssysteme äquivalent zueinander sind.14 Der Vorteil im neuen Axiomssystem ist jedoch, dass die Wirkung eine Zahl ist, bei Newton ist es eine vektorielle Gleichung. Auch sind hier die Strukturen wesentlich leichter erkennbar. Neue Koordinaten und Zwangsbedingungen sind hier leichter zu bestimmen. 14 Jedenfalls gilt dies für konservative Kräfte. 62 Ein Großteil der modernen Physik ist über die Wirkung formuliert, was bedeutet, dass die Wirkung das Standardmodell geworden ist. Das Extremalprinzip folgt dabei aus der Quantenmechanik. In der nächsten Zeit werden wir uns der Lagrange–Mechanik auf nähern, indem wir uns zunächst der Mathematik dahinter widmen. Darauf folgen die hierin formulierten Axiome. Dann werden wir lernen, wie wir zwischen Lagrange– und Newton– Formalismus wechseln. Zuletzt lernen wir etwas über die Anwendung und Strukturen. 4.2 Funktionale und Extremalprinzip Betrachten wir die Menge M der auf dem Intervall [t0 , t1 ] definierten differentierbaren Funktionen bzw. Kurven M = {q : [t0 , t1 ] → Rn | q ist diffenenzierbar} . Funktionale ordnen jeder Funktion aus M eine reelle Zahl zu.15 S: M → R q 7→ S[q] ∈ R Um Funktionen und Funktionale voneinander unterscheiden zu können, gibt es folgende Schreibweise: runde Argumentenklammern kennzeichnen Funktionen, z.B. q(t), x(t). Eckige Argumentenklammern kennzeichnen dagegen Funktionale, z. B. S[q], S[q(r)]. Beispiele Abbildung 28: Kurvenlänge 15 Sie können daher mit Funktionen verglichen werden. Diese ordnen Werten (reelle) Zahlen zu. 63 Betrachten wir als erstes Beispiel die Kurvenlänge L einer Funktion y(x) (Abb. 28). Für diese ergibt sich p (∆x)2 + (∆y)2 q 2 ≈ (∆x)2 + y 0 (x)∆x q 2 1 + y 0 (x) = Z x1 q 2 S 1 + y 0 (x) dx . ⇒ L[y] = (∆l) = x0 In einem weiteren Beispiel wollen wir wieder die Länge L einer Kurve ermitteln. ~q (t) = ∆l = = ⇒ L[~q ] = q1 (t) . .. qd (t) p (∆q1 )2 + · · · + (∆qd )2 s 2 d~q dt dt s Z t1 2 d~q dt dt t0 Als letztes Beispiel betrachten wir die Laufzeit eines Lichtstrahls in einem Medium mit Brechungsindex n(~r ). Die Lichtgeschwindigkeit c wird dabei durch den Brechungsindex des Mediums vermindert. c(~r ) = c n(~r ) Der Weg durch das Medium ist dann gegeben durch ∆r = c(r)∆t . ∆r ⇒ ∆t = c(r) ∆rn(~r ) = c Auffallend ist, dass es sich hierbei um eine skalare Größe handelt, im q Gegensatz zur d~ r 2 Newton–Mechanik! Für die Laufzeitlänge der Kurve ~r (λ) mit ∆r = dλ gilt dλ folgendes: s Z λ2 2 1 d~r T [~r (λ)] = n(~r (λ)) dλ (51) c λ1 dλ 64 Fermatsches Prinzip der geometrischen Optik Das Fermatsche Prinzip der geometrischen Optik besagt, dass Lichtstrahlen sich derart ausbreiten, so dass ihre Laufzeit T [~r (λ)] extremal wird.16 Eine wichtige Klasse von Funktionalen ist Z t1 F ~q (t), ~q˙ (t), t dt . S[~q ] = t0 Extrema von Funktionalen Betrachten wir kleine Variationen ~q (t) + ε~ν (t). ~ν (t) ist dabei eine beliebige differenzierbare Funktion mit ν(t0 ) = ν(t1 ) = 0. Wegen der Randbedingung ~q (t0 ) = ~q0 und ~q (t1 ) = ~q1 ist diese fest. Wir fordern, dass f stationär für alle Richtungen êi sei. ∂f + O ε2 ∂xi ! = 0 + O ε2 f (~x + εêi ) − f (~x ) = ε Von der Newton–Mechanik zur Lagrange–Mechanik Aus der Newton–Mechanik kennen wir für die Bewegungsgleichung m~r¨ = F~ . In der Lagrange–Mechanik nutzen wir stattdessen die Funktionale S[q]: Z t1 S[q] = F q(t), q̇(t), t dt t0 Wir sagen dabei, dass S[q] extremal sein soll. Das heißt δS = 0 . Um dies besser zu verstehen, wiederholen wir die Extrema von Funktionen. df ~ε + O ε2 dx = 0 + O ε2 f (~x + ~ε ) − f (~x ) ≈ 16 Anmerkung zu den Übungsaufgaben: Das Licht geht durch zwei Medien mit dem Brechungsindizes n1 und n2 . Die Winkel der zuückgelegten Strecken sind ϕ1 und entsprechend ϕ2 . 65 Analog können wir das ganze auf die Funktionale S[q] anwenden. Wir nutzen hier, dass wir für die kleine Variation statt ~x + ~ε einfach ~q (t) + ε~η (t) schreiben können. η(t) ist dabei eine beliebige differentierbare Funktion, für die wir wegen der Randbedingungen sagen können, dass ~η (t0 ) = ~η (t1 ) = 0 . Wir schreiben also für unsere Funktionale:17 Z t1 F ~q + ε~η , ~q˙ + ε~η˙ , t − F ~q, ~q˙, t dt ⇒ S[~q + ε~η ] − S[~q ] = t Z 0t1 ∂F ∂F ˙ = ε~η dt + ε~η + O ε2 ∂ q̇ t0 ∂q t Z t1 ∂F 1 ∂F d ∂F p. I. = − ε~η dt + ε~η + O ε2 ∂q dt ∂ q̇ ∂ q̇ t0 t0 ! = 0 Der Term ∂F ε~η ergibt aufgrund der Randbedingung 0. Wir können hieraus also folgern, ∂ q̇ dass für alle ~η (t) gilt h i h i ˙, t ˙, t ∂F ~ q , ~ q ∂F ~ q , ~ q d = dt ∂ q̇i ∂qi . (52) Dies sind die Euler–Lagrange–Gleichungen. Die Extremalkurven der Funktion F sind durch die Differentialgleichung gegeben. Aufgabe Zur Übung berechnen wir was Integral Z x1 R x1 x0 f 0 (x)δ(x − x̄)dx für alle x̄ ∈ (x0 , x1 ). x1 0 f (x)δ (x − x̄)dx = f (x)δ(x − x̄) x0 f (x)δ(x − x̄) x0 x1 wir nutzen hier die partielle Integration 66 Z − x0 17 x1 − xx10 = Z x0 f 0 (x)δ(x − x̄)dx f 0 (x̄)dx Notation Für die Variation von S, die wir δS nennen, schreiben wir δS[~q ] = S[~q + δ~q ] − S[~q ] Z t1 ∂F d ∂F = − δq dt ∂q dt ∂ q̇ t0 Z t1 ∂S = δq(t) dt . t0 ∂q(t) Mit der Funktionalableitung von S ergibt sich dann ∂S[q] = ∂q(t) ∂ d ∂ − F ~q, ~q˙, t . ∂q dt ∂ q̇ Wir können die Variation aber auch als alternativ so definieren: δS[~q ] 1 = lim S ~q (t) + εêi δ(t − t̃ ) − S ~q (t) ε→ 0 ε δ~qi (t̃ ) Z t1 ∂F 0 ∂F = δ(t − t̃ ) + δ (t − t̃ )dt ∂ q̇i t0 ∂qi d ∂F ∂F − = ∂qi dt ∂ q̇i t=t̃ Anschaulich bedeutet tung i zu der Zeit t̃. δS[q] δqi (t̃ ) t=t̃ eine Änderung von S bei einer Änderung von ~q (t) in Rich- Als Ergebnis halten wir fest: ~q (t) ist Extremalkurve ⇔ S ist stationär ⇔ δS = 0 δS ⇔ =0 ∀t ∈ (t0 , t1 ) δq(t) ⇔ Euler–Lagrange–Gleichung Beispiele Als erstes Beispiel betrachten wir eine Kurve g(x) mit g(x1 ) = y1 und g(x2 ) = y2 die eine minimale Länge haben soll. Z x2 ∆= q 2 1 + y 0 (x) dx x1 67 Für Euler–Lagrange sagen wir, dass ∂F ∂y = d ∂F dx ∂y 0 und F (y, y 0 , x) = p 1 − y 2 ist. d y0 p = 0 dx 1 + y 2 y 00 y 0 y 00 y 0 p = 0 − 3 1 + y 2 (1 + y 2 ) 2 2 2 ⇒ y 00 1 + y 0 − y 0 y 00 = y 00 y 00 = 0 Wir können daraus folgern, dass wir eine Gerade mit der Geradengleichung y = a + b · x haben. Widmen wir uns einem weiteren Beispiel. Wir haben jetzt eine Kurve mit minimaler 2 Länge ∆ auf einer gekrümmten Fläche z(x, y) = − x2 und wollen nun den Pfad auf der Fläche folgendermaßen parametrisieren. x ~r (x) = y(x) 2 − x2 Für die minimale Länge gilt dann Z x1 ∆ = x0 s d~r dx 2 dx mit d~r ⇒ F (y, y , x) = dx p = 1 + y 0 2 (x) + x2 0 68 . 1 d~r 0 = y (x) dx −x Wir nutzen nun wieder Euler–Lagrange. d ∂F ∂F = 0 dx ∂y ∂y ⇒ mit ∂F y0 p = ∂y 0 1 + y 02 + x2 d y0 p = 0 dx 1 + y 02 + x2 y0 ⇒p = c = const 1 + y 02 + x2 ⇒ y 02 = c2 (1 + y 02 + x2 ) ⇒ y 02 (1 − c2 ) = c2 (1 + x2 ) √ c2 ⇒ y 0 = α 1 + x2 mit α2 = 1 − c2 Z x√ 1 − x̃2 dx̃ + β ⇒ y(x) = α 0 α √ x 1 + x2 + a sinh(x) + β = 2 2 Dies beschreibt die Kurven minimaler Länge auf der Fläche z = − x2 . 4.3 Lagrangeformulierung der Mechanik Wie schon festgestellt, nutzen wir in der Lagrange–Mechanik ein neues Axiomensystem δS = 0, das im äquivalent zu den Axiomen der Newton–Mechanik ist. Ein mechanisches System mit f Freiheitsgraden ist durch eine skalare Funkti on, die Lagrange–Funktion L(q1 , . . . , qf , q̇1 , . . . , q̇f , t) = L ~q, ~q˙, t charakterisiert. Die Bewegung des Systems von der Konfiguration ~q (t1 ) = ~q1 zur Konfiguration ~q (t2 ) = ~q2 verläuft so, dass die Wirkung: Z t2 S[~q ] = L ~q, ~q˙, t dt t1 stationär ist. Es gelten daher die Euler–Lagrange–Gleichungen, die Lagrange–Gleichung 2. Art sind. ⇔ ∀i ∈ [1, f ]: δS = 0 ˙ ˙ ∂L ~q, ~q, t d ∂L ~q, ~q, t = dt ∂~qi ∂ ~q˙i 69 (53) (54) Für konservative Kräfte reproduziert die Lagrangefunktion die newtonsche Bewegungsgleichungen. L = T − V = Ekin − Epot Im folgenden Überprüfen wir nun, ob dies auch wirklich zutrifft. 1–Teilchen–System L= m˙2 ~r − V (~r ) 2 Mit der Euler–Lagrange–Gleichung ergibt dies: ∂L = dt m~r˙ = m~r¨ dt ∂~r˙ ∂L = ∂~r ∂V = − ∂~r = −∇V (~r ) = F~ (~r ) Wir sehen also, dass die Gleichung m ~r¨ = F~ (~r ) ergibt und somit stimmt die Vermutung. n–Teilchen–System L= X mi i 1X ~r˙ 2 − V (~ri − ~rj ) 2 2 i6=j 70 Auch an dieser Stelle verwenden wir wieder die Euler–Lagrange–Gleichungen. dt ∂L = mk~r¨k ∂~r˙k ∂L 1X ∂ = − V (~ri − ~rj ) ∂~rk 2 i6=j ∂~rk 1X ∂ ∂ = − V (~rk − ~rj ) + V (~ri − ~rk ) 2 i6=j ∂~rk ∂~rk X ∂ 1 X ∂ = − V (~rk − ~rj ) + V (~ri − ~rk ) 2 j ∂~rk ∂~rk i X ∂ V (~ri − ~rk ) = − ∂~ r i i X = F~i,k ! i Dies bedeutet, dass das Produkt aus der Masse des k–ten Teilchens und seiner Beschleunigung die Summe der Kräfte aller anderen Teilchen auf dieses Teilchen ist. Koordinateninvarianz und Zwangsbedingung Eine triviale aber wichtige Eigenschaft der Wirkung S[q] ist, dass sie sich bei der Umparametrisierung der Koordinaten nicht ändert. Beispiel Z t1 2 Z t1 f (t) dt = Z t0 t1 t0 g(t) dt falls g(t) = f 2 (t) t g 02 (t) dt = Z 0t1 2f 0 (t)f (t) 2 dt t0 Wir können hieraus folgern, dass stätionäre Pfade stationär bleiben bei Umparametrisierungen. Das Hamiltonische Variationsprinzip und die Euler–Lagrange–Gleichungen bleiben invariant unter Koordinaten–Transformationen Machen wir einen Vergleich mit Newton: Die Bewegungsgleichung in Form m ~x¨ = F~ ist so nur im Inertialsystem kartesischer Koordinaten gültig. Hier nutzen wir stattdessen verallgemeinerte Koordinaten, die beliebig wählbar sind! Betrachten wir diesen Fall einmal genauer: 71 Ein System sei durch f Koordinaten q1 , . . . , qf bestimmt. Wir können diese Koordinaten in einem Vektor ~q = (q1 , . . . , qf ) T ∈ Rf zusammenfassen. Wir betrachten nun lokal die eineindeutige differentierbare Ableitung auf die neuen Koordinaten Q1 , . . . , Qf . Für Qi gilt dabei Qi = Fi (~qi , t). Unsere alten Koordinaten qi hängen dann mit den neuen Koordinaten Qi folgendermaßen zusammen: ~ t) qi = fi (Q, f = F −1 differentierbar Sei L ~q, ~q˙, t die Lagrange–Funktion. Da für die Ableitung der einzelnen Koordinaten ~¨ i + ∂fi gilt, haben wir für die neue Lagrange–Funktion: q̇i = ∂fi Q ∂Q ∂t ∂f ∂f ˙ ˙ 1 1 ~ Q, ~ t = L f1 (Q, ~ t), . . . , ff (Q, ~ t), ~+ L̄ Q, ,...,t Q ~ ∂f ∂Q Z Z L̄ dt = L dt = S[q] ⇒ S[Q] = Hamiltonisches Variantionsprinzip ~ Q(t) ist genau dann eine Lösung von δS = 0, wenn für die zeitlichen Ableitungen gilt: ∂ d ∂ L̄ = L̄ dt ∂ Q̇i ∂Qi ~ t) genau dann eine Lösung von δS = 0, wenn für die Ebenso ist ~q (t) = f~(Q, zeitliche Ableitung auch hier gilt: ∂ d ∂ L= L dt ∂ q̇i ∂qi Fassen wir die verwendeten Bezeichnungen der Euler–Larange–Gleichung nochmal alle zusammen: 1. verallgemeinerte Koordinaten: qi ∂ ∂ q̇i ∂L Fi = ∂qi 2. verallgemeinerter Impuls: pi = 3. verallgemeinerte Kraft: 72 frei wählbar Wichtige Anwendung Diese Methode wird insbesondere bei Systemen mit k holonomen Zwangsbedingungen fi (~x, t) = 0 verwendet, wobei i ∈ 1, . . . , k mit ~x ∈ RD gilt und es f = D − k Freiheitsgrade gibt. Diese können mit mit folgendem „Rezept“ gelöst werden. • Konstruiere f = D − k verallgemeinerte Koordinaten qi mit ~x = ~x(~q, t) so, dass fi ~x(~q, t), t = 0 nach der Konstruktion gilt. • Setze diese in L ~x, ~x˙ , t = T − V ein und erhalte so L̄ ~q, ~q˙, t = L ~x(~q, t), ~q˙, t • Bestimme die Bewegungsgleichung d ∂ L̄ ∂ L̄ = dt ∂ q̇i ∂qi Dies ist viel effizienter als die Lagrangegleichungen 1. Art, allerdings werden die Zwangskräfte hierbei nicht bestimmt. Beispiel: Pendel im Aufzug Wenn die Höhe der Aufzugsdecke h(t) gegeben ist und ~r(t) den Ort des Pendels in Polarkoordinaten18 gilt bei zeitlich konstanter Länge l des Fadens l 2 = ~r(t) − !! 0 . h(t) Parametrisieren wir das Pendel mit ~r = ⇒ ~r˙ (t) = 18 ! 0 + h(t) ! 0 + ḣ(t) ! sin(ϕ) ·l − cos(ϕ) ! cos(ϕ) · lϕ̇ , sin(ϕ) Hierbei ist die Aufhängung des Pendels im Ursprung. 73 folgt daraus m ˙2 ~r − mg ~rz 2 m m 2 l ϕ̇ + mlḣϕ̇ sin(ϕ) + ḣ2 − mg h(t) − l cos(ϕ) . = 2 2 L(ϕ, ϕ̇, t) = ⇒ d ∂L = ml2 ϕ̈ + mlḧ sin(ϕ) + mlḣϕ̇ cos(ϕ) dt ∂ ϕ̇ ∂L ! = ∂ϕ = mlḣϕ̇ cos(ϕ) − mgl sin(ϕ) ⇒ lϕ̈ = − g + ḧ sin(ϕ) Hieran sieht man, dass die Beschleunigung des Fahrstuhls die Beschleunigung, die das Pendel durch die Gravitation erfährt, verändert. Für den Fall, dass der Fahrstuhl im freien Fall ist, hat das Pendel keine Beschleunigung mehr. Beispiel: Block auf beweglichem Keil Nehmen wir als Beispiel einen Block auf einem beweglichem Keil an, wie in (Abb. 29) dargestellt. Abbildung 29: beweglicher Block auf einem beweglichem Keil Der Keil hat die Position xK und die Masse M . Für den Block gilt an der Position x, dass sein Ortsvektor ~r = (x, y) T mit y = tan(α)(x − xK ) ist. L=T −V 1 1 M ẍ2K + m(ẋ2 + ẏ 2 ) − mgy 2 2 1 1 1 = M ẍ2K + mẋ2 + m(tan(α)(ẋ − ẋK ))2 − mg tan(α)(x − xK ) 2 2 2 = L(xK , x, ẋK , ẋ) = 74 Wenden hierauf wieder Euler–Lagrange an d ∂L = M ẍK − m tan2 (α)(ẍ − ẍK ) dt ∂ ẋK ∂L dt = mẍ + m tan2 (α)(ẍ − ẍK ) ∂ ẋ ∂L = mg tan(α) ∂xK ∂L ! =− = mg tan(α) ∂x ! = und addieren beide Anteile der Gleichung aufeinander auf. M ẍK + mẍ = 0 M ⇒ ẍ = − ẍK m ! m m 1 + tan2 (α) 1 + ẍK = tan(α) M M 4.4 Von Newton zu Lagrange: d’Alembertsches Prinzip Unser Ziel: 1. Wir wollen die Äquivalenz der Lagrange-Gleichungen 1. Art (d. h. Newton–Gleichungen mit Zwangsbedingungen) mit den Euler–Lagrange–Gleichungen zeigen. 2. Wir wollen in unseren Gleichungen Zwangsbedingungen und Reibung als nicht– konservative Kraft haben. Ausgangspunkt Unser Ausgangspunkt ist der D = d · n dimensionale Konfigurationsraum ~x ∈ RD , wobei wir für ~x sagen ~r1 . . ~x = . . ~rn Für unsere Freiheitsgrade f gilt zudem f =D−K , wobei K die Anzahl der Zwangsbedingungen ist. Bekannterweise schreiben wir für die Newton–Gleichung M ẍ = F~ + F~Z , wobei für die Zwangskräfte F~Z F~Z = K X λi ∇fi i=1 75 gilt. Wählen wir nun geeignete verallgemeinerte Koordinaten ~q1 , . . . , ~qf zur Parametrisierung der Zwangsmannigfaltigkeit. ~x = ~x(q1 , . . . , qf , t) mit f ~x(~q, t), t = 0 Beispiel Gehen wir vom Beispiel eines Pendels aus. Abbildung 30: Der Radialabstand bleibt erhalten Betrachten wir hier eine infinitisimale Änderung δ~r von ~x, die verträglich mit den Zwangsbedingungen ist. Dies bedeutet von uns, dass das Pendel die erlaubte Bahnkurve nicht verlassen kann, wie in Abb. 30 zu sehen ist, d. h. sein Radialabstand zur Aufhängung bleibt erhalten. f (~x + δ~r, t) = 0 + O δr2 falls f (~x, t) = 0 ⇒ δ~r · ∇fi = 0 Wir betrachten also eine virtuelle Verrückung δ~r, die orthogonal zu den Zwangskäften und parallel zur Mannigfaltigkeit ist. Wir nutzen dann die Parametrisierung ~x(~q, t) ⇒ δ~r = f X ∂~x δqi ∂q i i=1 . ∂~ x Wir haben hier f linear unabhängige Vektoren ∂q , die den Tangentialraum aufspani nen. Um an dieser Stelle weiterzukommen, verwenden wir einen Trick: Wir multiplizieren die Gleichung M ẍ = F~ + F~Z mit δ~r und erhalten somit das d’Alembertsche Prinzip. 76 M ~x¨ − F~ δ~r = 0 (55) Wir haben nun die Zwangskräfte eliminiert. Für beliebig kleine Verrückungen verwenden wir jetzt: f X ∂~x d (M ~x¨ − F~ ) =0 ∂qK dqK k=1 Wir nutzen eine Diagonalmatrix M für alle Massen die wir haben und schreiben T ∂~x ∂~x = ~x¨ T M · M ~x¨ · ∂, qk ∂qk . Dies führt zu den f Gleichungen ∂~x ∂~x ∀k ∈ [1, f ]: ~x¨ T M = F~ ∂qk ∂qk (56) Wir benutzen nun zuerst, das t X ∂~x ∂~x ˙~x = d ~x ~q (t), t = q̇i + dt ∂qi ∂t i=1 ⇒ . ∂ ~x˙ ∂~x = ∂ q̇i ∂qi Dies ist eine Funktion, die von ~q, ~q˙ und t abhängt. Als nächstes nutzen wir d ∂~x ∂~x ˙ = ~x . dt ∂qk ∂qk Wichtig ist, dass wir hierbei beachten, dass ∂t die partielle Zeitableitung ist und nicht mit der totalen Zeitableitung dt identisch ist. Wir kontrollieren daher diese Aussage: f X ∂~x ∂ 2~x ∂ 2~x dt = · q̇j + ∂qk ∂qk ∂qj ∂qk ∂qt j=1 X ∂ ∂~x ∂~x = · q̇j + ∂qk ∂qj ∂t ∂ ~x˙ = ∂qk 77 Daraus folgt dann: ∂~x ∂~x ∂~x T T ¨ ˙ ~x M = dt ~x M − ~x˙ T M dt ∂qk ∂qk ∂qk ∂~x ∂~x − ~x˙ T M = dt ~x˙ T M ∂q ∂qk k ∂ 1˙T ˙ ∂ 1˙T ˙ = dt ~x M ~x − ~x M ~x ∂ q̇k 2 ∂qk 2 ∂ ∂ − T = dt ∂ q̇k ∂qk T Wir beachten hierbei, dass für die kinetische Energie T = 12 ~˙xM ~x˙ gilt. Wir kommen somit auf die Gleichung d ∂ ∂ ∂~x T = T + F~ dt ∂ q̇k ∂qk ∂qk . (57) Die hier verwendete Kraft F~ sei dabei eine ganz allgemeine Kraft mit der Form: ! F~ = F~ ~x ~q (t), t , ~x˙ ~q (t), ~q˙ (t), t , t Wir haben also bis jetzt f DGL 2. Ordnung, die Bewegungen mit Zwangsbedingungen für beliebige Koordinaten q1 , . . . , qf beschreiben. Falls zusätzlich eine Kraft F~ der folgenden Form existiert F~ = −∇V ∂~ x ∂ ⇒ F~ = − V ~x ~q (t), t , t , ∂qk ∂qk dann gilt d ∂ ∂ L = L dt ∂ q̇k ∂qk L = T −V Was wir bisher erreicht haben: Die Herleitung der Euler–Lagrange–Gleichungen für verallgemeinerte Koordinaten aus der Newton–Gleichung mit zusätzlichen Zwangsbedingungen für konservative Kräfte haben wir geschafft, dies schließt die Reibung als eine nicht–konservative Kraft allerdings aus! Damit sind alle Annahmen, wie die Form der Zwangskräfte oder auch die Form des Hamiltonischen Prinzips, äquivalent. 78 Neu dazugekommen ist d’Alembert–Gleichung (57), die anwendbar ist, wenn keine Lagrange–Funktion existiert. Betrachten wir nun die Reibung, oder allgemeiner: nicht–konservative Kräfte. Beispiel Betrachten wir ein starres Doppelpendel mit Reibung (Abb. 31). Abbildung 31: aneinander gekoppelte Pendel Wie zu sehen sind die jeweiligen Pendellängen l1 und l2 gleich groß. ! ~r1 = l · sin(ϕ1 ) − cos(ϕ1 ) ! sin(ϕ2 ) − cos(ϕ2 ) und ~r2 = ~r1 + l · Für die Geschwindigkeit ergibt sich dann entsprechend ~r˙1 = l · ϕ̇1 cos(ϕ1 ) sin(ϕ1 ) ! und ~r˙2 = ~r˙1 + l · ϕ̇2 ! cos(ϕ2 ) . − sin(ϕ2 ) Ohne Reibung lautet die Lagrange–Gleichung dann 1 1 m1~r˙12 + m1~r˙22 − m1 gy1 − m2 gy2 2 2 1 1 = m1 l2 ϕ̇12 + m2 l2 ϕ̇12 + ϕ̇22 + 2ϕ̇1 ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + . . . 2 2 · · · + m1 gl cos(ϕ1 ) + m1 gl cos(ϕ1 ) + cos(ϕ2 ) . L = Wir wissen, dass für die Lagrange–Gleichung folgendes gilt: dt ∂L ∂L = ∂ q̇i ∂qi ⇔ δS = 0 Gehen wir nun von der Newton–Gleichung in die d’Alembertschen Gleichung, gilt: dt ∂T ∂T ∂~x = + F~ ∂ q̇i ∂qi ∂qi 79 Dies ist äquivalent für F~ = −∇V und L = T − V , aber auch für die Reibung. In unserem Beispiel haben wir also: dt h ∂L = m1 l2 ϕ̈1 + m2 l ϕ̈1 + ϕ̈2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) − . . . ∂ ϕ̇1 i −ϕ̇1 ϕ̇2 sin(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇22 sin(ϕ1 − ϕ2 ) ! = ∂L ∂ϕ1 ∂L = −m2 l2 ϕ̇1 ϕ̇2 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − m1 gl sin(ϕ1 ) − m2 gl sin(ϕ1 ) ∂ϕ1 Dies gilt analog für ϕ2 . Betrachten wir das ganze nun mit Reibung. Für die Kräfte gilt dann F~R1 = −γ1~r˙1 und F~R2 = −γ2~r˙2 ∂~r1 ⇒ F~R1 · ∂ ϕ̇1 ⇒ F~R2 · ∂~r2 ∂ ϕ̇2 . ! cos(ϕ1 ) ·l· sin(ϕ1 ) ! ! cos(ϕ1 ) cos(ϕ1 ) ·l sin(ϕ1 ) sin(ϕ1 ) = −γ1 ϕ̇1 = −γl2 ϕ˙1 = −γ2 l2 ϕ̇1 + ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) . Mit d’Alembert folgt ergibt sich dafür: ∂L ∂L ∂~r1 ∂~r2 = + F~R1 + F~R2 ∂ ϕ̇1 ∂ϕ1 ∂ϕ1 ∂ϕ1 m2 ϕ̈2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇22 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − . . . ⇒ ϕ̈ 1 = − m1 + m2 γ1 + γ2 γ2 −gl sin(ϕ1 ) − ϕ̇1 − ϕ̇2 cos(ϕ1 − ϕ2 ) m1 + m2 m1 + m2 dt Analog gilt für ϕ2 : ϕ̈2 = −ϕ̈1 cos(ϕ1 − ϕ2 ) + ϕ̇21 sin(ϕ1 − ϕ2 ) − . . . γ2 g − sin(ϕ2 ) − (ϕ̇2 + ϕ̇1 cos(ϕ1 − ϕ2 )) l m2 Betrachten wir nun die Grenzfälle, bei denen eine der beiden Reibungen extrem groß ist. γ1 → ∞ ⇒ ϕ̇1 = 0 mit ϕ̇2 = const γ2 → ∞ ⇒ ϕ̇2 + ϕ̇1 cos(ϕ1 − ϕ2 ) = 0 (58) ⇒ ϕ̇1 + ϕ̇2 cos(ϕ2 − ϕ1 ) = 0 (59) 80 Für den Fall, dass γ2 → ∞, wird γ1 = 0. Rechnen wir (58) ± (59), so erhalten wir (ϕ̇1 ± ϕ̇2 )(1 ± cos(ϕ1 − ϕ2 )) = 0 und ϕ̇1 = ϕ̇2 = 0 . Wir können dies auch als ϕ1 − ϕ2 = const ∝ π schreiben. 4.5 4.5.1 Symmetrie und Erhaltungssätze Transformation der Lagrange–Funktion Für den Fall, dass wir die Lagrange–Funktion L um eine Konstante erweitern oder mit einem Vorfaktor versehen, also L 7→ L + const L 7→ L · const , ändert sich die Bewegungsgleichung nicht. Das eigentlich interessante hierbei ist die Wirkung, die wir uns jetzt nochmal genauer ansehen werden. Z t2 L ~q, ~q˙, t + dt f ~q(t), t dt t1 Z t2 t2 = L dt + f ~q (t), t S = t1 t2 t1 Z = L dt + const t1 t Der Anteil f ~q (t), t t21 ist dabei konstant für q(t1 ) = q1 und q(t2 ) = q2 . Wir sehen also: L 7→ L + dt f ~q (t), t ändert die Euler–Lagrange–Gleichung nicht. (60) 81 Beispiel Betrachten wir als Beispiel ein Teilchen im elektromagnetischem Feld. Die Lagrange– Funktion lautet dann 1 ~ r, t)~r˙ , L = m ~r˙ 2 − eφ(~r, t) + eA(~ 2 wobei ~ ~ = −∇φ − ∂ A E ∂t ~ = ∇×A ~ B gilt. Damit folgt für die Kraft ¨ ˙ ~ ~ m~r = eE + e ~r × B . ~ und φ gilt, das sie trotz Verschiebung invariant bleiben. Für A ∂ Λ(~x, t) ∂t ~ → ~ + ∇Λ(~x, t) A 7 A φ 7→ φ − Für die Lagrange–Gleichung bedeutet das, dass sie die Form ∂ Λ + e~r˙ ∇Λ ∂t = L + edt Λ L 7→ L + e annimmt. 4.5.2 Symmetrien und Form der Lagrange-Funktion Die Aufgabe ist, L für ein neues Naturgesetz zu finden. In der Festkörperphysik geschieht dies ca. 1 bis 2 mal im Jahr, weswegen diese Überlegung gerechtfertigt ist. Die dafür erforderliche Strategie lautet, das einfachste L zu finden, das mit den Symmetrien verträglich ist. Beispiel Wir nehmen als Beispiel ein freies Teilchen mit den Symmetrien der Galilei-Gruppe. Unser Ansatz ist dabei ein beliebiges L ~r, ~r˙, t zu wählen. Durch die Galilei–Gruppe können wir sagen, dass aus der Invarianz für t 7→ t + ∆t und ~r 7→ ~r + ∆~r, sowie der 82 Rotationsinvarianz t 7→ t + ∆t ⇒ L = L ~r, ~r˙ ~r 7→ ~r + ∆~r ⇒ L = L ~r˙ Rotationsinvarianz ⇒ L = L ~r˙ 2 folgen. Verschieben wir den Ortsvektor ~r auf ~r 7→ ~r +~v0 t, nimmt die Lagrange–Funktion folgende Form an. 2 ˙ L → 7 L ~r + ~v0 ∂ 2L + O ~v0 2 = L ~r˙ 2 + 2~r˙ ~v0 ∂~r˙ 2 Wir können die obige Gleichheit annehmen, wenn v0 klein ist und wir analytisch über die Taylorfunktion nähern können. 2 ! Als nächstes fordern wir, dass 2~r˙ ~v0 ∂∂~r˙L2 = dt f sei, also die totale Zeitableitung der Funktion f . Diese totale Zeitableitung hat die Form dt f (~r, t) = ~r˙ ∇f + ∂t f und gilt nur für ∂ L = const ∂~r˙ 2 . ⇒ L = const · ~r˙ 2 Wir haben diese Form aufgrund der Symmetrien gefunden. Bis auf const = Gleichung also durch die Galileiinvarianz festgelegt. m 2 ist unsere Beipiel Widmen wir uns einem noch weiterem Bespiel: Als Ausgangspunkt nehmen wir diesmal ein Teilchen im bekannten statischem Potential Das Potential hat also die Form 1 V (~r ) = eφ(~r ) ⇒ L = m~r˙ 2 − eφ(~r ) . 2 83 Wir suchen jetzt eine Verallgemeinerung, so dass unter der Eichtransformation folgendes invariant bleibt. ∂Λ(~x, t) ∂t ~ ~ A → 7 A + ∇Λ(~x, t) φ 7→ φ − Wir stoßen dabei allerdings auf das Problem, dass die partielle Zeitableitung von Λ nicht identisch ist mit ihrer totalen Zeitableitung, also L0 7→ L0 + e ∂Λ ∂t mit ∂t Λ 6= dt Λ dt Λ = ∂t Λ + ~r˙ · ∇Λ . Durch die Invarianz erzwungen modifzieren wir darum L0 zu 1 ~ ~r˙ . L = m~r˙ 2 − eφ + eA 2 Die Eichinvarianz bestimmt die Form von L und erzwingt die Form der Lorentzkraft ˙ ~ ~ ~ F = eE + e ~r × B 4.5.3 Noethertheorem Wenn wir uns mit dem Noethertheorem19 auseinandersetzen, betrachten wir zunächst einmal die Symmetrie. Nach diesem Theorem bleibt die Wirkung unter einer Symmetrietranslation invariant. Beispiel Führen wir beispielsweise eine Rotation um die z–Achse aus, gilt cos(ϕ) ~ri 7→ − sin(ϕ) sin(ϕ) cos(ϕ) · ~ri = Dϕ (~ri ) 1 = ~ri 0 Die Symmetrie ist genau dann erhalten, falls 0 ˙0 ˙ L ~r, ~r, t = L ~r , ~r , t . 19 benannt nach Emmy Noether (1882 – 1935) 84 . Nehmen wir nun an, dass es sich um eine infinitesimale Rotation gehandelt hat, also der Drehwinkel ϕ sehr viel kleiner als 1 sei. Dann können wir ~ri 0 mit Hilfe einer Taylorentwicklung um ϕ = 0 annähern. ~ri 0 ∂ Dϕ (~ri ) + O ϕ2 = ~ri + ϕ · ∂ϕ ϕ=0 0 1 0 = ~ri + −1 0 0 · ~r + O ϕ2 0 0 0 ry = ~ri + ϕ · −rx + O ϕ2 0 = ~ri + êz × ~r + O ϕ2 êz ist in diesem Falle die ausgezeichnete Drehachse. Abbildung 32: Rotation um die z–Achse Wir folgern nun hieraus auf die Erhaltungssätze. Betrachten wir eine parametrisierte differentierbare Abbildung des f –dimensionalen Konfigurationsraums. ~q 7→ ~q 0 = ~g (~q, λ), λ∈R ~g (~q, 0) = ~q, wenn ∀λ ∈ R: L ~g ~q, λ , dt~g ~q (t), λ , t = L ~q, ~q˙, t Dann besitzt das System eine kontinuierliche Symmetrie mit der infintesimalen Erzeugenden ϕ ~ (~q ) = d ~g (~q, λ) dλ λ=0 85 Deswegen ist f X ∂L d ~g (~q, λ) Q ~q, ~q˙, t = ∂ q̇i dλ λ=0 i=1 (61) erhalten, d. h. seine zeitliche Ableitung ist 0 für physikalische Bewegungen mit δS = 0. Beweis d L ~g ~q, λ , dt~g ~q(t), λ , t 0 = dλ λ=0 f X ∂L ∂qi ∂L ∂ q˙i = + ∂qi ∂λ ∂ q˙i ∂λ i=1 λ=0 Nutzen wir an dieser Stelle, dass ∂L ∂L = dt ∂qi ∂ q˙i ∂ ġ ∂g = dt und ∂λ ∂λ gelten, können wir dies in die Formel einsetzen und erhalten f X d ∂L ∂g ∂L d ∂g 0 = + dt ∂ q̇i ∂λ λ=0 ∂ q̇i dt ∂λ λ=0 i=1 ! f d X ∂L ∂g = dt ∂ q̇i ∂λ i=1 λ=0 = dt Q = 0 Jede kontinuierliche Symmetrie führt zu einem Erhaltungssatz. Es bleibt hierbei zu bemerken, dass diskrete Symmetrien, wie z. B. Spiegelungen, nicht mit Erhaltungssätzen verbunden sind. Beispiel Widmen wir uns einem weiterem Beispiel, der Translationsinvarianz in x–Richtung. ~ri 7→ ~ri 0 = ~ri + λê1 d mit λê1 = ê1 dλ 86 Wenn die Lagrange–Funktion für ~ri und ~ri 0 identisch sein sollte, so ist der Impuls in x–Richtung erhalten. N X ∂L i=1 · ê1 = px ∂ q̇i Wählen wir also beispielsweise L= X1 i 1X mi ~q˙i 2 − V (~qi − ~qj ) , 2 2 i6=j P folgt daraus für den Impuls in x-Richtung px = i mi q̇i . Die Impulserhaltung folgt also aus der Translationsinvarianz. Betrachten wir nun die Rotationsinvarianz. Die Drehung um die z–Achse erfolgt mit einem infinitesimalen Winkel ϕ. ~ri 0 = ~ri + ϕêz × ~ri X ∂L (êz × ~ri ) = const ⇒ Lz = ∂~r˙i Wir wählen L wie zuvor und erhalten somit für Lz Lz = X m~r˙i (êz × ~ri ) i = êz N X (~ri × p~i ) . i=1 Beispiel Ein weiteres Beispiel, das wir uns näher ansehen wollen, ist die Zeittranslationinvarianz. t 7→ t + ∆t Wir haben unsere Symmetrie, wenn wir sagen können, dass L ~q, ~q˙, t = L ~q, ~q˙ ∂L bzw. = 0 ∂t gilt. Die bisherige Formulierung des Noethertheorems ist für diesen Fall nicht verwendbar, weswegen wir es einfach nachrechnen werden. Aus der Zeittranslationsinvarianz folgt die Energieerhaltung20 . 20 dies ist klausurrelevant 87 E = f X ∂L i=1 ∂ q̇i q̇i − L = const (62) Beweis: f X ∂L ∂L ∂L ∂L ∂L dt = q̇i + q̈i − q̇i − q̈i − ∂ q̇i ∂ q̇i ∂qi ∂ q̇i ∂t i=1 d E dt ∂L ∂t ∂E ∂L ⇒ =0 ⇔ =0 ∂t ∂t = − Für die Lagrange–Funktion der Form 1 L = ~x˙ T M~x − V (~x) 2 folgt für die Energie E = ~x˙ T M ~x˙ − L 1˙T ˙ ⇒E = ~x M ~x + V 2 . Haben wir beispielsweise ein Potential der Form V (~r, t) = V (y, t), wie z. B. exp [−y 2 ] cos (ωt), so sind demnach px , pz , Ly erhalten. 4.5.4 Verallgemeinertes Noethertheorem Wählen wir nun eine zeitabhängige Transformation der Lagrangefunktion mit L 7→ L + d F (~q, t) , dt so wollen wir die Symmetrie erhalten haben. Betrachten wir folgende Transformation mit λ ∈ R. qi 7→ qi0 t 7→ t0 ˙ ˙ = gi ~q, ~q, t ' qi + λψi ~q, ~q, t + O λ2 = h ~q, ~q˙, t ' t + λϕ ~q, ~q˙, t + O λ2 88 Wählen wir nun neue Koordinaten qi0 (t0 ) mit dt0 dt −1 = ≈ ⇒ dϕ 1+λ dt dϕ 1−λ + O λ2 . dt d d 1 − λ ϕ + O λ2 q˙i + λ ψ dt dt dψ dϕ q̇i + λ − λq̇i + O λ2 dt dt dqi0 dqi0 dt = ≈ dt0 dt dt0 ≈ Wir haben nun eine Symmetrie, wenn Z t02 t01 ! Z t2 d d dt L ~q (t), ~q˙ (t), t + F (~q, t, λ) dt0 L ~q 0 (t0 ), 0 ~q 0 (t0 ), t0 = dt dt t1 Entwickeln wir das Ganze jetzt in λ, ergibt sich d ! f (~q, t) = dt mit f = 0 d d 0 0 0 dq L q , 0 ,t · t dλ dt dt λ=0 d F . dλ λ=0 Daraus ergibt sich folgender Term. d dλ ! ~ ~q˙ + λdt ψ ~ − λ~q˙dt ϕ, t + λϕ 1 + λdt ϕ L ~q + λψ, = ... λ=0 f X dϕ ∂ϕ ∂L ∂L dψi ∂L ··· = − q̇i ·ϕ+L· ψi + + ∂qi ∂ q̇i dt dt ∂t ∂t i=1 Nun können wir die Identitäten und ∂L d ∂L = ∂q dt ∂ q̇i ! ∂L d X ∂L = − · q̇i − L dt i ∂ q̇i ∂t verwenden, um den obigen Term zu vereinfachen. " # X ∂L X ∂L X ∂L d ∂L ... = dt ψi + dt ψi + dt ϕ · L − q̇i + ϕ · L − q̇i dt ∂ q̇i ∂ q̇i ∂ q̇i ∂ q̇i X ∂L ! ∂L ⇒ dt ψi + L + q̇i ϕ = dt f ∂ q̇i ∂ q̇i Wir können deswegen darauf schließen, dass 89 X ∂L X ∂L ˙ ψi + L − q̇i ϕ − f (~q, t) = const Q ~q, ~q, t = ∂ q̇i ∂ q̇i (63) ein Erhaltungssatz ist. Für den Spezialfall, dass ϕ = f = 0 ist, verwenden wir die vorherige Version des Noethertheorems. Falls f = 0, ψ = 0, ϕ = 1, verwenden wir die Energieerhaltung. Das Noethertheorem verbindet somit Symmetrien mit physikalischen Erhaltungsgrößen. t 7→ t + ∆t Energie ~x 7→ ~x + ∆~x Impuls ϑ 7→ ϑ + ∆ϑ Drehimpuls ~q 7→ ~q + λ · ψi ~q, ~q˙, t ˙ t 7→ t + λ · ϕ ~q, ~q, t L 7→L + λ · dt f ~q, t = b Symmetrie In der Quantenmechanik kennen wir die Schrödingergleichung i~∂t Ψ = HΨ, wobei H die Energie beschreibt (Energieoperator ). X ∂L X ∂L ψi + L − q̇i ϕ −f ~q, t = const Q ~q, ~q˙, t = ∂ q̇i ∂ q̇ {z i } | −E Beispiel: Galilei–Transformation Die Galilei–Transformation haben wir schon kennengelernt.21 ~r 7→ ~r + ~v · t ~v = λêα mit α ∈ {x, y, z} Mit einer geeigneten Langrange–Funktion können wir die Dynamik ausrechnen. 1X V (~ri − ~rj ) 2 2 i6=j X ˙ ⇒ L ~ri + ~vi t, ~r + ~v , t = L + mi~r¨i êα · λ +O λ2 L = X1 mi~ri2 + |i λ·dt ( 21 siehe Galilei–Transformationen 1.3 90 {z P } r˙i êα ) i mi ~ Demnach lauten die Funktionen ψ, ϕ und f ψ = t · êα ϕ = 0 X f = mi~r˙i êα i und wir können Q bestimmen. Hierbei verwenden wir die Gesamtmasse M und die P ri mi , um die Gleichung umzuschreiben. Schwerpunktskoordinate R = M1 i~ Qα = X mi~r˙i êα · t − X i = êα · M P~ ~ t−R M mi~ri êα i ! ~ ~ − P t = const ⇒R M Insgesamt können wir festhalten: Die Galileigruppe wird durch 10 kontinuierliche Parameter bestimmt. Dazu passen 10 Erhaltungssätze, die ein solches System lösbar machen: ~ E und R ~ − P~ t P~ , L, M 4.5.5 Kontinuumsmechanik und Feldtheorien: Schwingung einer Saite Betrachten wir eine Gitarrensaite. Für den Fall einer kontinuierlichen Schwingung haben wir die Auslenkung u(x, t). Abbildung 33: u(x, t) gibt die Auslenkung eines Punktes auf der Saite an. Abbildung 34: Diskretisierung der schwingenden Saite 91 Bei einer disktretisierten Saite geben wir die Koordinatenpunkte und Masse folgendermaßen an: qi (t) = u(x, t) xi = i · ∆x mit i ∈ [1, N ] L N = ∆x Masse mi = ∆xρ wobei ρ = Länge Deswegen ergibt sich für die kinetische Energie T N X 1 = 2 i=1 = ∆x→0 = mi q̇i 2 2 N 1 X dqi ρ ∆x 2 i=1 dt Z L 1 (u̇(x, t))2 dx ρ 2 0 Für die potentielle Energie sehen wir uns zunächst den Abstand der einzelnen qi an. q (∆x)2 + (qi+1 − qi )2 = di Für den Fall, dass |qi+1 − qi | ∆x ist, ergibt sich für di dann 1 (qi+1 − qi )2 di ≈ ∆x 1 + 2 ∆x2 wobei wir di über die Tayloerentwicklung haben. Das Potential hat somit die Form V = N X 1 i=0 2 D di − di0 = const + N X √ ! , 1 + 2ε = 1 + 21 (2ε) + O(2ε) angenähert 2 D · ∆x − di0 i=0 ∆x qi+1 − qi 2 + ... 2 ∆x . D ist dabei die Federkonstante und di0 die Länge der entspannten Feder. Gehen wir nun davon aus, dass wir eine durch die Kraft P vorgespannte Saite haben. D ∆x − di0 = P > 0 92 Lassen wir unsere Schrittgröße wieder infinitesimal klein werden, also qi+1 − qi ∂ = u(x, t) , ∆x→0 ∆x ∂x lim nimmt das Potential die Form V 2 ∂ 1 X ∆x · u(x, t) = const + P 2 ∂x 2 Z L 1 ∂ = const + P· u(x, t) dx ∂x 0 2 an. Für kleine Auslenkungen lautet die Lagrange–Funktion: L = T −V 2 2 Z L 1 ∂ 1 ∂ = ρ· u(x, t) − P · u(x, t) dx ∂t 2 ∂x 0 2 (64) (65) Die Lagrangedichte L ist dann gegeben durch Z L L dx 2 2 ∂ ∂ 1 1 ⇒L = ρ u(x, t) − P u(x, t) 2 ∂t 2 ∂x L = 0 . Entsprechend ergibt sich für die Wirkung Z L S[u(x, t)] = Z t2 dt L u, ∂t u, ∂x u, t dx 0 (66) t1 Alternativ können wir folgende Herleitung aus Symmetrieüberlegungen betrachten: L = u, ∂x u, ∂x2 u, . . . , ∂t u, ∂t2 u, . . . , t u(x, t) 7→ u(x, t) + ∆ L 7→ L x 7→ x + ∆x Wir können nun zwei verschiedene Extremfälle untersuchen: 1. Für kleine Auslenkungen können wir in u(x, t) eine Taylorentwicklung durchführen. 93 2. Alternativ können wir für große Längen und lange Zeiten um in der „Anzahl der Ableitungen“ taylorentwickeln. Wir sagen dafür |∂x u| |∂x2 u|a, wobei a der mittere Abstand zwischen den Atomen ist. Bei ∂x u und ∂t u handelt es sich um Oberflächenterme. Integrieren wir jeweils danach erhalten wir L Z ∂x u dx = u(L) − u(0) 0 ! = 0 wegen der Randbedingungen Z t2 ∂t u dt = u(t2 ) − u(t1 ) . t1 Wir erhalten damit die möglichen Terme c1 (∂x u)2 + ct (∂t u)2 + c3 (∂x u)(∂t u) | {z } , Oberfläche wobei der Oberflächenterm wegfällt, da Z L 0 x=L (∂x u)∂t u dx = u∂t u . x=0 Nun wollen wir die Bewegungsgleichung aus dem Hamiltonischen Variationsprinzip δS = 0 herleiten. Für die Randbedingungen läuft u → u + δu. Im Variationsprinzip lassen wir für den Startzeitpunkt als auch für den Endzeitpunkt δu(x, t1 ) = δu(x, t2 ) = 0 sein. Zudem lassen wir die Saiten für dieses Problem an Rand eingespannt sein. δu(0, t) = 0 δu(L, t) = 0 Für δS bedeutet dies ∀δu(x, t): δS = = p. I. = S[u + δu] − S[u] Z L Z t2 ∂L ∂L ∂L + (∂x δu) + (∂t δu) dx dt δu ∂u ∂(∂x u) ∂(∂t u) 0 t1 Z L Z t2 ∂L ∂L ∂L δu − dx − dt ∂u ∂(∂x u) ∂(∂t u) 0 t1 x=L Z L t=t2 Z t2 ∂L ∂L + δu dt + δu dx ∂(∂x u) ∂(∂t u) t1 ! = x=0 0 94 0 t=t1 Die letzten beiden Integrale fallen weg, da es sich bei ihnen um die Randbedingungen handelt. Die Euler–Lagrange–Gleichung lautet demnach für Felder d ∂L ∂L d ∂L + = dt ∂(∂t u) dx ∂(∂x u) ∂u . (67) Für unsere Saite mit den Randbedingungen ∂L = ρ∂t u ∂(∂t u) ∂L = p∂x u ∂(∂x u) ∂u L = 0 bedeutet dies ∂ 2u ∂ 2u ρ 2 −p 2 =0 . ∂t ∂x Für p ρ (68) = c2 mit der Geschwindigkeit c erhalten wir die Wellengleichung 2 ∂ 2u 2∂ u − c =0 . ∂t2 ∂x2 (69) Um dieses Problem zu lösen nutzen wir im Allgemeinen die Fourieranalyse. Unser Ansatz ist dabei, dass wir u(x, t) als h i u(x, t) = Re a0 · exp i(kx − ωt) umschreiben können. ⇒ exp h i ! −ω 2 + c2 k 2 · a0 · exp i(kx − ωt) = 0 ⇒ ω = ±ck Die allgemeine Lösung für eine unendlich lange Saite kann nun durch folgende Gleichung beschrieben werden. Z u(x, t) = Re dkfkR exp [i(kx − ωt)] + fkL exp [i(kx + ωt)] = f R (x − c t) + f L (x + c t) Z R,L mit f (x) = fkR,L exp [ikx] 95 f R (x) und f L (x) sind beliebige Funktionen für die unendlich lange Saite. Abbildung 35: Qualitative Lösung für die schwingende Saite einer Gitarre mit den Randbedingungen u(0, t) = u(L, t) = 0. 4.6 Exkurs: Quantenmechanik und Variationsprinzip Ausbreitungsrichtung der Welle In der Quantenmechanik kennen wir den Wellen–Teilchen–Dualismus von Objekten. Dies kann man sehr schön im Doppelspaltexperiment sehen. Abbildung 36: Doppelspaltexperiment Wir kommen daher auf ein neues Konzept Ereignisse durch Wahrscheinlichkeitsamplituden zu beschreiben. Diese Wahrscheinlichkeitsamplitude C ergibt sich aus C = |c| exp[iϕ] ∈ C , wobei |c|2 die Wahrscheinlichkeit ist. 96 Interferenzprinzip Wenn wir beim Doppelspaltversuch bleiben, betrachten wir das Interferenzmuster der Teilchen auf dem Schirm genauer: Wir sehen, dass sich die Wahrscheinlichkeitsamplituden additiv zu einander verhalten. In Formeln ausgerückt bedeutet dies |c1 + c2 |2 = (|c1 | exp[iϕ1 ] + |c2 | exp[iϕ2 ]) · (|c1 | exp[−iϕ1 ] + |c2 | exp[−iϕ2 ]) |c1 |2 + |c2 |2 | {z } = Addition von Wahrscheinlichkeiten + 2|c1 ||c2 | cos(ϕ1 − ϕ2 ) | {z } . Interferenzterm Unser Ziel ist es, die Wahrscheinlichkeit p zu berechnen. Wir sagen dazu, dass ein Teilchen am Ort ~r2 zur Zeit t2 ist, falls es zur Zeit t1 am Ort ~r1 war. Wir schreiben dies als 2 G(t2~r2 )t1~r1 {z } | p(~r2 t2 | ~r1 t1 ) = . Wahrscheinlichkeitsamplitude Ein mögliches Postulat aus der Quantenmechanik könne also folgendermaßen lauten. iS[~r(t)] exp G(~r2 t2 | ~r1 t1 ) = ~ alle Pfade X (70) R t2 ˙ Dabei ist S[~r(t)] = t1 L ~r, ~r, t dt die klassische Wirkung, ~ ≈ 10−34 Js ist das Plancksche Wirkungsquantum. Dies bedeutet für uns, dass wir klassisch nur physikalisch sinnvolle Pfade gehen können, für die δS = 0 gilt. Quantisch können wir alle Pfade simultan laufen. Unser jetziges Ziel ist es, das Hamiltonische Variationsprinzip herzuleiten für den Fall, dass die Wirkung S sehr viel größer als ~ ist. Wir betrachten dazu die benachbarten Pfade ~r(t) und ~r(t) + δ~r(t), wobei δ~r(t) klein sei. S[~r ] exp i ~ = cos S[~r ] ~ + i sin S[~r ] ~ Die Summation aller Pfade mittelt sich auf diese Art fast immer zu 0. Für S ~ gibt es destruktive Interferenz, d. h. diese Pfade sind tatsächlich nicht benutzt. cos S + δS ~ ≈0 Genau dann, wenn benachbarte Pfade fast die selbe Wirkung haben, gibt es eine konstruktive Interferenz mit S[~r + δ~r ] − S[~r ]. Damit haben wir den folgenden Satz hergeleitet, den wir beweisen wollten. 97 Nur Pfade mit δS = 0 tragen im klassischen Grenzfall zu benutzten Pfaden bei. 98 5 Hamiltonische Mechanik Wir wollen die uns bekannte Euler–Lagrange–Gleichung ∂L d ∂L = dt ∂ q̇ ∂q durch den generalisierten Impuls pi und die generalisierte Kraft Fi darstellen, um die Analogie zu den Newton–Gleichungen zu zeigen. Wenn wir Impuls und Kraft als ∂L ∂ q̇i ∂L = ∂qi pi = Fi definieren, erhalten wir d pi = F i dt , was wiederum den Newton’schen Gleichungen entspricht. Wir können die Mechanik somit auch mit Impulsen beschreiben, anstatt Geschwindigkeiten zu benutzen. Dies bringt verschiedene Vorteile. Insbesondere ist die Formulierung damit flexibler, aber auch die Struktur der Mechanik wird transparenter als bei den bisherigen Beschreibungen. Zudem ist diese Form der kanonischen Beschreibung der Quantenmechanik ähnlich. 5.1 Legendre–Transformation und Hamiltonfunktion Wir wollen nun q̇i in der Lagrangefunktion durch pi ersetzen. Dazu benutzen wir ein allgemeines Verfahren, die Legendre–Transformation. Mit dieser können wir eine Variable durch eine andere darstellen. Z. B. wird in der Thermodynamik das Volumen V oft durch den Druck p dargestellt, wobei letzterer als p = dE dV definiert ist. Legendre–Transformation Gegeben sei eine Funktion f (x). Nun soll x durch y = ∂f = f 0 (x) ∂x 99 definiert wird. Zudem sei die y = f 0 (x) eindeutig nach x = x(y) auflösbar. Definition: Legendre–Transformation von f (x) e f (y) = y · x(y) − f (x) y=f 0 (x) = y · x(y) − f x(y) Wichtig ist hierbei zu bemerken, dass df dy = x(y) + y dy df dy − = x(y) . · dx |{z} dx dx y Daraus können wir folgern, dass die Transformierte der Transformierten fe wiederum f ist. ≈ f = x · y(x) − fe y(x) = f (x) Anwendung auf die Lagrangefunktion 1. L ~q, ~q˙, t ist eine Funktion von den generalisierten Koordinaten ~q und den generalisierten Geschwindigkeiten ~q˙. 2. Löse für alle i die Gleichungen pi = ∂q̇i nach q̇j = q̇j (~q, p~, t) auf. 3. Berechne die Hamiltonfunktion als die Legendre–Transformierte: H(~q, p~, t) = f X ˙ pi · q̇i (~q, p~, t) − L ~q, ~q ~q, p~, t , t i=1 H ist nun keine Funktion von ~q˙ mehr, sondern stattdessen von p~ ! 100 (71) Sehen wir uns nun einmal die Ableitungen von H an. ∂H ∂pj = f X i=1 ∂qi δij q̇i + pi ∂pj f X ∂L ∂ q̇k − ∂ q̇k ∂pj k=1 |{z} pk = q̇j X f f X ∂ q̇i ∂L ∂L ∂ q̇k pi = − − ∂qi ∂qi ∂ q̇k ∂qi i=1 k=1 ∂H ∂qj ∂L − ṗj ∂qj ∂L = −dt ∂ q̇j = − Es gelten die Hamiltonischen Bewegungsgleichungen ∂H ~q˙ = ∂~p ∂H und p~˙ = − ∂~q (72) . (73) Sie führen zu einer neuen Formulierung der Mechanik. und mi~r¨i = F~i . 2. Lagrange postuliert: F~ (~r1 , . . . , ~rN ) ˙ L ~q, ~q, t und δS = 0 mit S = 3. Hamilton postuliert: H(~q, p~, t) und Gleichungen (72) und (73). 1. Newton postuliert: Z L dt . Neu ist, dass wir eine Symmetrie zwischen p~ und −~q haben. Zudem formulieren wir in der Hamilton–Mechanik 6f DGL 1. Ordnung statt 3f DGL 2. Ordnung. Wir betrachten: L = 1˙T ˙ ~ x, t)~x˙ . ~x M ~x − V (~x, t) + A(~ 2 101 Der Variabelwechsel ist immer durchführbar: ~x = ~x(~q, t) X ∂~x ∂~x ⇒ ~x˙ = · ~qi + ∂qi ∂t i ⇒ ∂ ẋj ∂ q̇i ⇒ pi ∂xj ∂qi ∂xβ ∂xβ ∂xβ ∂L X ∂xα ∂xα = Mαβ Mαβ + Aβ = ·q̇j + ∂ q̇i ∂qi ∂qi ∂t ∂qi ∂qi α,β | {z } = Ãij Daraus22 folgt, dass Ãij positiv definiert ist. ⇒ ~q˙ = Ã−1 p~ + ~c Die Matrix à ist invertierbar und daher ist der Variablenwechsel möglich. Betrachten wir die partielle Zeitableitung der Hamiltonfunktion. ∂H ∂t = X pi i = − ∂L ∂ q̇i ∂L − ∂ q̇i ∂t ∂t ∂L ∂t = 0 genau dann gilt, wenn auch ∂L = 0. Dank Wir können daraus folgern, dass ∂H ∂t ∂t ˙ des Noethertheorems H = p~ · ~q − L können wir auf die Erhaltungsgröße der Energie folgern: d H ~q (t), p~ (t) = 0 dt ∂H = 0 falls ∂t Beweis d ∂H ˙ ∂H ˙ H = · ~q + p~ dt ∂~q ∂~p = p~˙ · ~q˙ − ~q˙ · p~˙ = 0 22 siehe Kapitel 3.7 102 (74) (75) H kann dann mit der Energie identifiziert werden. Es gilt aber zu beachten, dass für zeitabhängige Koordinaten H nicht mit der üblichen Energie übereinstimmen muss! Es sollte nicht vergessen werden, dass H eine Funktion von Ort, Impuls und Zeit ist. Beispiele 1. L = ⇒ p~ = ⇒ ~r˙ (~p ) = ⇒ H(~r, p~ ) = = = m~ 2 ṙ − V = T − V 2 dL = m~ṙ dṙ p~ m p~ · ~r˙ (~p ) − L ~r, ~r˙ (~p ) 2 p~ p~ 2 − −V m 2m p~ 2 +V =T +V 2m 2. Kugelkoordinaten L = ⇒ pr = ⇒ pθ = ⇒ pφ = ⇒H = m ˙ 2 ~r + r2 θ̇2 + r2 sin2 (θ)φ̇2 − V 2 ∂H = mṙ ∂ ṙ ∂H = mr2 θ̇ ∂ θ̇ ∂H = mr2 sin2 (θ) φ̇ ∂ φ̇ p2φ 1 p2θ 2 p + + 2 2 +V 2m r r r sin (θ) 3. Teilchen im elektromagnetischen Feld m˙2 ~ r, t)~r˙ ~r − eV (~r ) + eA(~ 2 ∂L ~ ⇒ p~ = = m~r˙ + eA ˙ ∂~r 1 ˙ ~ p~ − eA ⇒ ~r (~p ) = m ⇒ H = p~ · ~r˙ (~p ) − L L = H = 2 1 ~ + eV p~ − eA 2m 103 (76) 5.2 Differentiale und Hamiltonformalismus Wir wollen ein Differential als die Summe der Produkte ihrer einzelnen Bestandteile darzustellen, wobei ~x(λ) eine beliebige Funktion ist. X ∂f ∂xi df ~x(λ) = dλ ∂xi ∂λ i Wir können dies weiter abstrahieren zu df = X ∂f dxi ∂xi i Definition: Formal schreiben wir df (~x), mit ~x ∈ Rn und df : Rn → R ~h → df · ~h ∈ R . wobei df · ~h als der Grenzwert des Differentenquotient lim ε→0 f (~x + ε~h) − f (~x) ε ! gegeben ist. Damit folgt für df êk df êk = df xk dxi êk = dxi xk = δik . N X ∂f ⇒ df = · dxi ∂xi i=1 Aus Produktregel und Kettenregel folgt dann d(f · g) = f dg + g df d(f ◦ ~g ) = df (~g (x)) ∂f = · dx~g ∂~g 104 (77) Wenden wir dies auf die Lagrange–Funktion an, ergibt sich für ihr Differential dL ~q, ~q˙, t X ∂L = i ∂qi dqi + ∂L ∂L · dt dq̇i + ∂qi ∂t |{z} . pi Für die Hamiltonfunktion der Form H= f X pi q̇i − L i=1 nimmt ihr Differential die Form dH = X = X pi dq̇i + q̇i dpi − L i q̇i dpi − i ∂L ∂L dqi − dt ∂qi ∂t an. Vergleichen wir dies mit unserer üblichen Schreibweise von dH, dH = X ∂H i ∂qi · dqi + ∂H ∂H · dpi + · dt ∂pi ∂t , erhalten wir folgende Relationen. ∂H ∂pi ∂L d ∂L = − =− = −ṗi ∂qi dt ∂ q̇i ∂L = − ∂t q̇i = ∂H ∂qi ∂H ∂t Wir sehen also, wie der in Büchern meist genutze Formalismus aussieht und funktioniert. Für die Vorlesung benutzen wir ihn jedoch nicht. 105 5.3 Liouville–Theorem Für die Hamiltonfunktion H(~q, p~, t) nutzen wir die generalisierten Koordinaten qi und die generalisierten Impulse pi , wobei i von 1 bis f läuft. Unseren Zustand geben wir duch einen 2f –dimensionalen Vektor ~x = q1 . .. ! qf ~q ∈ R2f = p~ p1 . .. pf im Phasenraum23 an. Wir kommen so zu der Hamiltonschen Bewegungsgleichung ~x˙ = ~vH (~x, t) = ∂p H −∂q H ! . Beispiele Abbildung 37: Ein Rotationsfeld im Phasenraum H= p~ 2 1 + mω 2 ~q 2 2m 2 ! ⇒ ~vH = p ~ m −mω 2 ~q Wir sehen also, wie in Abbildung 37 die Bewegung in der q–p–Ebene entlang ~vH geschieht. Wichtig ist, dass die Divergenz dieses Vektors 0 ist. 23 Eigentlich müsste er Zustandraum heißen, aber es ist ein historisch entstandener Begriff. 106 ∂ ∂H ∂H ∂H + − =0 ∇ · (~vH ) = ∂~q ∂~p ∂~p ∂~q (78) Wir können hieraus auf das Liouville–Theorem folgern: Die physikalische Bewegung im Phasenraum ist volumenerhaltend. Abbildung 38: Volumenerhaltung aufgrund des Liouville–Theorems: Die Form der Fläche kann verändert werden, die Fläche selbst jedoch bleibt zu jeder Zeit t erhalten. Wie in Abbildung 38 zu sehen, befindet sich das Teilchen in diesem Bereich des Phasenraums, was ebenfalls mit der Kausalität zusammenhängt. Beweis R Betrachten wir die Untermenge Mt0 des Phasenraums mit dem Volumen Vt0 = d2f x. Durch alle Punkte x0 , die Element der Untermenge sind, geht eine Trajektorie ~x(~x0 , t) mit ~x˙ (x0 , t) = ~vH (~x, t) Dann sind Untermenge und Volumen der Form Mt = {~y = ~x(~x0 , t) | ~x0 ∈ Mt } Z d2f y Vt = ~ y ∈Mt 107 gegeben. Wir substituieren nun die Variable ~y durch ~x0 und erhalten so für das Phasenraumvolumen Z Z ∂y 2f 2f d y= Vt = det ∂x0 d x0 Mt Mt0 Das Liouville–Theorem gilt also genau dann, wenn der Betrag ihrer Determinante 1 ist. Für t = t0 + ∆t mit kleinen ∆t nimmt ~y die Form ~y = ~x0 + ~vH ∆t + O ∆t2 an. Die Determinante det ∂y ∂x0 sieht dabei folgendermaßen aus ∂vH,2f 1 + ∂vH1 . . . ∂x0,1 ∂vH∂x0,1 ∂vH,2 1 1 + ∂x0,2 . . . .. ∂y ∂x0,2 . det = . . . .. .. .. ∂x0 ∂vH2f ∂vH1 ∂x . . . 1 + ∂x0,2f 0,2f =: det(A) Waagerecht steigt der Index von H an, senkrecht der Index von x0 . Wir nutzen, dass nur Diagonalelemente der Ordnung O(1) sind und jeder Summand ein Produkt von 2f Termen Aij ist. Zudem enthält jeder Term mit einem Faktor Amn mit m 6= n weder Faktoren Ann noch Amm im Produkt. Damit ist dieses Produkt von der Ordnung O(∆t2 ) oder kleiner und verschwindet, nur die Diagonaleinträge bleiben übrig. Daraus folgt für die Determinante: det(A) = 2f Y Aii + O (∆t)2 i=1 2f Y ∂~vH,i ∆t + O (∆t)2 = 1+ ∂x0,i i=1 X ∂vHi = 1 + ∆t · + O (∆t)2 ∂x0i i = 1 + ∆t + ∇ · ~vH + O (∆t)2 = 1 + O (∆t)2 Für das Volumen ist damit zeitlich konstant: Vt0 +∆t = Vt0 + O (∆t)2 ⇒ dt Vt = 0 108 Da für die Divergenz ∇·~vH = 0 gilt, können wir auch hieraus folgern, dass das Volumen Vt zeitlich konstant ist. Die mögliche Dymanik im Phasenraum ist stark eingeschränkt und oft sind nur die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Anfangsbedingungen bekannt. So wählen wir z. B. die Untermenge Mt = {~x ∈ R2f | p(~x(t)) ≥ p0 } Gegenbeispiel Abbildung 39: Das Liouville–Theorem gilt aufgrund von Reibung nicht. Die betrachtete Fläche des Phasenraumvolumens verändert sich. Wir betrachten nun als „Gegenbeispiel“ einen Fall mit Reibung, da diese durch den Hamiltonformalismus nicht direkt beschreibbar ist. Hierbei wird τ = m definiert. γ m ~r¨ = −γ~r˙ γ ⇔ p~˙ = − p~ m =: −τ −1 p~ t ⇒ p~ (t) = p~0 exp − τ Wir können also sagen, dass mikroskopische Naturgesetze konvervativ und damit hamiltonisch sind. Allerdings gibt es keine effektive Beschreibung für dieses Beispiel, da die Reibung durch Kollision mit vielen anderen Freiheitsgraden geschieht. Das wahre Volumen (z. B. 3D) bleibt konstant, aber der gezeichnete Schatten (2D) ändert sein Volumen. In Abb. 39 betrachten wir allerdings nur diese Projektion des gesamten Phasenraumes auf einen Schatten, weshalb sich die Fläche dort ändert. Es bleibt festzustellen, dass diese Theorie nur im Phasenraum gilt, weshalb sich die Hamiltonmechanik hierfür so gut eignet. 109 5.4 Poissonklammern Wir wählen eine beliebige Funktion g auf dem Phasenraum. Für die zeitliche Ableitung dieser gilt: ∂g ˙ ∂g ˙ ∂g · ~q + · p~ + dt g(~q, p~, t) = ∂~q ∂~p ∂t f X ∂g ∂H ∂g ∂H ∂g = − + ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi ∂t i=1 Eigenschaften f X ∂f ∂g ∂f ∂g − {f, g} = ∂pi ∂qi ∂qi ∂pi i=1 (79) Damit folgt für die zeitliche Ableitung von g: dt g = {H, q} + ∂g ∂t (80) Eigenschaften 1. Zu den Eigenschaften der Poissonklammern zählen sowohl Antisymmetrie {f, g} = −{g, f } , 2. eine antisymmetrische Bilinearform {f, α1 g1 + α2 g2 } = α2 {f, g1 } + α1 {f, g2 } {f, g1 · g2 } = g1 · {f, g2 } + {f, g1 } · g2 ∂ g1 · g2 ∂g2 ∂g1 = g1 + g2 , da ∂pi ∂pi ∂pi 3. die Jacobi–Identität {f, {g, h}} + {g, {h, f }} + {h, {f, g}} = 0 , 4. elementaren Poisson–Klammern 110 {qi , qj } = 0 = {pi , pj } (81) {pi , qj } = δij ∂qi ∂pi da = =0 , ∂pj ∂qj (82) 5. die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen q̇i = {H, qi } (83) ṗi = {H, pi } , (84) wobei für ṗj ṗj = {H, pj } f X ∂H ∂pj ∂H ∂pj = − ∂p ∂q ∂qi ∂pi i i i=1 |{z} |{z} 0 = − δij ∂H ∂qj gilt, 6. {H, H} = 0 ⇒ ∂H dH = ∂t dt 7. ∂g ∂pi ∂g {qi , g(~q, p~ )} = − ∂pi {pi , g(~q, p~ )} = In der Quantenmechanik warten mit der Bra–Ket–Schreibweise sehr ähnliche Strukturen auf uns. Zudem gibt es den Kommutator [f, g] = f · g − g · f , der in der Form − i~1 [f, g] der Poissonklammer {f, g} entspricht. 5.5 Variationsprinzip Unter Lagrange sagen wir, dass δS[q] = 0 gilt. Wie dies bei Hamilton aussieht, können wir nicht sagen. Stattdessen betrachten wir die modifizierte Wirkung 111 Z t2 I[~q(t), p~(t)] = ˙ p~(t) · ~q(t) − H(~q(t), p~(t), t) dt (85) t1 Wir können dann sagen, dass das modifizierte Hamiltonsche Variationsprinzip folgende Form annimmt: Variationsprinzip: δI = 0 unter Randbedingung ~q (t = 0) = qi0 und p~ (t = 0) = p0i Betrachten wir dieses Variationsprinzip genauer, kommen wir auf einen Ausdruck für ~q˙ und p~˙. δI = I[~q + δ~q, p~ + δ~p ] − I[~q, p~ ] Z t2 ∂H ∂H δ~p · ~q˙ + p~ · δ ~q˙ − = δ~q + δ~p dt + O δ~p 2 , δ~q 2 , δ~pδ~q ∂~q ∂~p t1 t2 Z t2 ∂H ∂H ˙ ˙ = δ~p ~q − + δ~q −p~ − + p~ · δ~q ∂~p ∂~q t1 t1 ∂H δI = 0 gilt, wenn ~q˙ = ∂~p 5.6 ∂H und p~˙ = − ∂~q (86) kanonische Transformation ~ und P~ zu wählen. Bei Lagrange haben wir beUnser Ziel ist es neue Koordinaten Q ~ q , t) wird. Bei Hamilton haben liebige Transformationen im Ortsraum, so dass ~q 7→ Q(~ ~ q , p~, t) sowie p~ 7→ P~ (~q, p~, t) wir diesbezüglich mehr Flexibilität und können so ~q 7→ Q(~ fast beliebig wählen. Beispiel ~ = p~, P~ = −~q, Q ~ = H(~q, p~ ) H̃ P~ , Q ~ = H −P~ , Q 112 ˙ ~˙ Damit folgt für P~ und Q ˙ P~ = −~q˙ ∂H = − ∂~p ∂ H̃ = − ~ ∂Q ~˙ = p~˙ Q ∂H = − ∂~q ∂ H̃ = ∂ P~ Definition: ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die Abbildung ~q 7→ Q = Q(~q, p~, t), p~ 7→ P = P (~q, p~, t), H 7→ H̃ Q, P , t heißt ~˙ = ∂ H̃ und P~˙ = − ∂ H̃ unverändert kanonisch, falls die Bewegungsgleichungen Q ~ ~ ∂P ∂Q sind. Um dies zu erreichen, gibt es zwei Methoden. Die eine Methode verlangt die Poissonklammern unverändert zu lassen. Dieser widmen wir uns später. Die andere Methode greift auf das Variationsprinzip zurück und sieht folgendermaßen aus. Z t2 δ p~ · ~q˙ − H(~q, p~, t) dt = 0 t Z t2 1 ~˙ − H̃(Q, ~ P~ , t) dt = 0 ⇔δ P~ · Q t1 Es ist hinreichend zu sagen, dass ~˙ − H̃ + d M ~q, p~, Q, ~ P~ , t . p~ ~q˙ − H = P~ Q dt Rt Dieser letzte Term verändert die Form nicht, da t12 dt M dt = M (t2 ) − M (t1 ) = const gilt. Die Idee ist, dass die Gleichung 4f Variabeln qi , pi , Qi , Pi mit i ∈ [1, f ] hat, wir aber nur 2f nutzen. Zunächst wählen wir 2f Variablen als unabhängig. Dann wählen wir 113 eine beliebige Funktion M dieser 2f Variablen und bestimmen aus der hinreichenden Bedingung eine kanonische Transformation. M heißt hierbei die Erzeugende dieser Transformation. ~ seien unabhängig, d. h. Option A: ~q, Q ~ t), M = MA (~q, Q, ~ t), P~ = p~ (~q, Q, ∂MA ˙ ∂MA ~˙ ∂MA · ~q + ·Q+ ⇒ dt M = ~ ∂~q ∂t ∂Q ~˙ − H̃ + dt M (~q, p~, Q, ~ P~ , t) ein und erhalten Wir setzen dies in p~ ~q˙ − H = P~ Q ∂MA ˙ ∂M A ~˙ − H̃ + ∂MA ~q − H = p~ − P~ + Q ~ ∂~q ∂t ∂Q . ~ beliebig und unabhängig voneinander sind, erhalten wir Da ~q und Q ∂MA ∂~q ∂M A P~ = ~ ∂Q p~ = H̃ = H + (87) (88) ∂MA ∂~t (89) ~ ~˙ und ~q˙ eliminieren. Daher lösen wir P~ = − ∂MA (~q,Q,t) Wir wollen nun Q nach ~q auf und ~ ∂Q setzen dies in P~ ein. ~ P~ , t , ~q = ~q Q, ~ P~ , t ⇒ p~ = p~ Q, ~ ∂MA ~q, Q P~ = ∂~q ~ ∂MA ~q, Q ⇒ H̃ = H(~q, p~ ) + ∂t p~=~p (P~ ,t) ~ q~=~ q (Q,t) ~ ⇒ MA = ~q · Q ~ ⇒ p~ = Q, P~ = −~q, H̃ = H ~q = −P~ , Wir können die Poissonklammer {f, g} umschreiben als ∂f ∂g ∂f ∂g − ∂~p ∂~q ∂~q ∂~p 114 ~ p~ = Q Für die zeitlichen Ableitungen von g, q und p gilt d ∂g g(~p, ~q, t) = {H, q} + dt ∂t q̇ = {H, q} ṗ = {H, p} ~ p~ für die Hamiltonschen Wir haben auch die kanonische Transformation ~q, p~ 7→ Q, Bewegungsgleichungen kennengelernt. ~˙ − H + dt M p~ · ~q˙ − H = P~ · Q Um die Matrix M zu erstellen, haben wir 4 Optionen, bei denen die jeweiligen Vektoren voneinander unabhängig sind: ~ → ~ t) Option A: ~q, Q 7 MA (~q, Q, Option B: ~q, P~ → 7 MB (~q, P~ , t) | {z } beliebig = M̃B (~q, P~ , t) − Q(~q, P~ , t) ·P~ | {z } unbekannt Um von M auf M̃ zu kommen, nutzen wir die Legrende–Transformation. Im Hinblick auf die Hamiltonsche Bewegungsgleichung berechnen wir zunächst die zeitliche Ableitung von MB und setzen sie dann in die Bewegungsgleichung ein. ∂ M̃B ˙ ∂ M̃B ~˙ ∂ M̃B d ~ ~ d MB = · ~q + ·P + − (Q · P) dt ∂~q ∂~t !dt ∂ P~ ∂MB ~ ~˙ − Q ~ · P~˙ − P~˙ Q ~ − ∂ M̃B − H̃ + ∂ M̃B ⇒ P− ·~q˙ − H = P~ · Q ~ ∂~q ∂t | {z∂ P } | {z } 0 =0 ~ und H̃ nehmen unter der kanonischen Transformation die Form p~, Q ∂ M̃B ∂~q ~ = ∂ M̃B Q ∂ P~ p~ = H̃ = H + 115 (90) (91) ∂ M̃B ∂t (92) ~ nach ~q auf, indem wir P~ an der Stelle ~q einsetzen. an. Daher lösen wir Q ~ ~ = ∂ M̃B (~q, P , t) Q ∂ P~ ~ P~ , t) ~q = ~q (Q, ∂ M̃ B P~ = ∂~q ~ ~ q~=~ q (Q,P ,t) ~ P~ , t) ⇒ P~ = P~ (Q, Für die transformierte Hamiltonfunktion H̃ wiederholen wir diesen Schritt, nur diesmal sowohl mit P~ als auch mit ~q. Beispiel ~B M = ~q · P~ ⇒ p~ = P~ ~ = ~q (identische Abbildung) Q ~q 7→ |~q | p~ 7→ p~ ~ und p~, die voneinander unabhängig sind, in der Matrix M = Analog kann dies für Q ~ p~, t) + ~q · p~ gemacht werden und wir erhalten MC (Q, ∂ M̃C P~ = − ~ ∂Q ∂ M̃C ∂~p ∂ M̃C H = H̃ + ∂t ~q = − Die letzte Option, Option D, in der P~ und p~ unabhängig voneinander sind, gibt uns ~ · P~ + ~q · p~. Für ~q, Q ~ und H̃ erhalten wir dann eine Matrix M = MD (~p, P~ , t) − Q ∂ M̃D ∂~p ~ = − ∂ M̃D Q ∂ P~ ~q = − H̃ = H + ∂ M̃D ∂t 116 . ~ lokal eindeutig bleibt, müssen wir zusätzlich für Damit P~ für die Abbildung ~q, P~ 7→ Q die Determinanten fordern, dass sie jeweils 6= 0 sind, also 2 ∂ MA 6= 0 det ∂qi ∂Qj 2 ∂ MB det 6= 0 ∂qi ∂Pj 2 ∂ MC det 6= 0 ∂Qi ∂pj 2 ∂ MD det 6= 0 ∂Pi ∂pj Falls eine der Matrizen zeitabhängig ist, gilt für die transformierte Hamiltonfunktion ~ ~ ~ ~ H̃ = H ~q Q, P , p~ Q, P 5.6.1 Integrabilität und kanonische Transformation auf Erhaltungssätze Beispiel Wir betrachten als Beispiel den Fall des harmonischen Oszillators, bei dem wir die Masse m = 1 gewählt haben. Für die Hamiltonfunktion ergibt sich dann p2 1 2 2 + ω q 2 2 ⇒ {H, H} = 0 H = und wir sehen, dass die Energie erhalten bleibt. Wir haben nun die Idee eine kanonische Translation q, p 7→ Q, P mit P = H(q, p, t) zu machen und nach p(q, P ) = q 2 2 P − ω2 q 2 aufzulösen. Offensichtlich benutzen wir dafür die Option B, bei der q und P voneinander unabhängig sind. Wir wissen, dass p für M̃B (q, P ) die Form p= ∂ M̃B ∂q hat. Für M̃B gilt dann Z q M̃B = q0 p q 0 , P dq 0 Z r √ = 2P · q 1− q0 117 2 ω2 · q 0 dq 0 2P Nutzen wir nun die Substituierung x = M̃B q ω2 2P · q 0 und dq 0 = q 2P ω2 dx, erhalten wir Z √ω √ 2P 2P = 1 − x2 dx ω 0 P √ x 1 − x2 + arcsin(x) = ω x= √qω 2P Für Q = q ∂ M̃B ∂P erhalten wir nach gleicher Rechnung 1 ω arcsin √ωq 2P und damit folgt für √ q= 2P sin(ωQ) . ω (93) Da wir gesagt haben, dass H̃ = H = P gilt, folgt daraus Ṗ = 0 ∂ H̃ Q̇ = = 1 ⇒ Q = t − t0 ∂P √ 2P ⇒q = · sin (ω(t − t0 )) ω Definition: Systeme mit f Freiheitsgraden und f Erhaltungssätzen Fj , wobei i, j ∈ [1, f ], d.h. mit {Fi , Fj } = 0 heißen integrabel. Hierfür gibt es einige Beispiele: 1. 1–Dimensionales System mit Energieerhaltung 2. Zweikörperproblem mit Zentralkraft (⇒ f = 6): V (~r1 − ~r2 ) = V (|~r1 − ~r2 |) ~r = Relativkoordinate p~ = µ~r ~l = ~r × p~ p2 + V (r) mit lz , lx , ly haben wir den Schwerpunktsimpuls bei P~ Bei z. B. Hrel = 2µ und 6 Erhaltungssätze mit {Fi , Fj } = 0. {lx , ly } = −lz 2 lz , l = 0 118 3. f gekoppelte harmonische Oszillatoren Im Normalfall haben wir nicht–integrable Körperprobleme. Bewegungsgleichungen integrabler Systeme können durch Integration gelöst werden, aber Fehler in den Anfangsbedingungen pflanzen sich linear fort. Herleitung Wir konstruieren nun die kanonische Transformation auf neue Impulse Pi = Fi (~q, p~ ). ~ auf. Wir fordern dazu, dass die Zunächst lösen wir die Gleichung nach p ~ = p ~ ~ q , P Determinante det ∂Pi 6= 0 sei. Anschließend bestimmen wir M̃B ~q, P~ mit ∂ M̃B = p~. ∂pi ∂~ q M̃B ~q, P~ = Z q~ p~ ~q 0 , P~ d~q 0 q~0 image missing Abbildung 40: no image Dies ist erfüllt für {Fi , Fj } = 0. Die Beweisidee hierfür ist, dass P~ und ~q voneinander unabhängig sind und wir deswegen ∂Pi ∂Fi ∂Fi ∂pm =0= + ∂qj ∂qk ∂pm ∂qk in {Fi , Fj } einsetzen können. ∂Fi ∂Fj ∂pk ∂qk ∂qk ∂pk X ∂Fi ∂Fj ∂pm ∂pk = − · − ∂pk ∂pm ∂qk ∂qm {Fi , Fj } = X ∂Fi ∂Fj − Daher ist eine kanonische Transformation auf P~ = F~ möglich. 119 ∂H ˙ P~ = − =0 ~ ∂Q ⇒ H = H P~ ∂H P ˙ ~ ⇒Q = = const ∂~p ~ ~ 0 + t · ∂H ⇒ Q(t) = Q ∂ P~ Für gebundene Systeme ist die resultierende Bewegung periodisch durch f Frequenzen ω charakterisiert. 5.7 Poissonklammern und kanonische Transformationen ~ P~ Wir betrachten hier die zeitunabhängigen kanonischen Transformationen ~q = ~q Q, ~ P~ . Damit ergibt sich für die transformierte Hamiltonfunktion H̃ und P~ = p~ Q, ~ P~ H̃ Q, ~ P~ ~ P~ , p~ Q, . = H ~q Q, Für die Poissonklammern bedeutet dies {A, B}(~q,~p) = X ∂A ∂B − ∂A ∂B ∂qi ∂pi ∂pi ∂qi i X ∂A ∂B ∂A ∂B {A, B}(Q, − ~ P ~) = ∂Pi ∂Qi ∂Qi ∂Pi i , wobei A die Form ~ P~ A Q, ~ P~ , p~ Q, ~ P~ = A ~q Q, hat. Widmen wir uns nun der Zeitentwicklung ~q˙ = {H, ~q }(~q,~p ) n o d ~ ~ ~ P~ ~q Q, P = H̃, ~q Q, ~ P ~) dt (Q, . Da H = H̃ gilt, folgt daraus {H, ~q }(~q,~p ) = {H, ~q }(Q, ~ P ~) . Dies läuft analog für {H, p~ } und gilt für alle H(~q, p~ ), wie z. B. H = pi0 oder H = qi0 . 120 Eine Phasenraumtransformation ~q, p~ 7→ wenn die Poissonklammern invariant sind. ~ P~ Q, ! {qi , qj }(~q,~p ) = 0 = {qj , qi }(Q, ~ P ~) ist genau dann kanonisch, analog für pi,j ! {pi , qj }(~q,~p ) = 0 = {pj , qi }(Q, ~ P ~) Dann gilt für beliebige Größen: {G, H}(~q,~p ) = {G, H}(Q, ~ P ~) Beweis Betrachten wir bei dem Beweis hierfür zunächst die Hinrichtung. Die kanonische Transformation lässt die Poissonklammern invariant, wie wir bereits zuvor gesehen haben. Für die Rückrichtung des Beweises sehen wir " # f X ∂F ∂pj ∂F ∂qj {F, G}(Q, + · ... ~ P ~) = ∂q ∂p ∂p ∂q j i j j i,j=1 " f # X ∂G ∂pk ∂G ∂pk ∂G ∂qk ∂G ∂qk + + − ... · ∂qk ∂Qi ∂pk ∂Qi ∂qk ∂Pi ∂pk ∂Pi k=1 f X ∂F ∂G ∂F ∂G = {qj , qk }(Q, {pj , pk }(Q, ~ P ~) + ~ P ~) + . . . ∂q ∂p j ∂qk | j ∂pk | {z } {z } j,k=1 =0 (n. Vor.) ··· + ∂F ∂G ∂F ∂G − ∂pj ∂qk ∂qj ∂pk =0 (n. Vor.) {pj , qk }(Q, ~ P ~) | {z } δij = {F, G}(~q,~p ) . Damit gilt auch {H, ~q }(Q, q }(~q,~p ) . Alle Bewegungsgleichungen sind invariant ~ P ~ ) = {H, ~ und kanonisch transformierbar. Bemerkung Dies ist eine einfache Möglichkeit um auf kanonische Transformationen zu prüfen. Ohne an dieser Stelle den entsprechenden Beweis zu erbringen, können wir sagen, dass dies auch für zeitabhängige Transformationen gilt. 121 Beispiel Betrachten wir als Beispiel wieder den harmonischen Oszillator, für den wir wieder die Masse auf m = 1 festlegen. H= Wir suchen nun P = √p , m 1 p2 + mω02 q 2 2m 2 Q und H̃. Wir lösen dafür die Poissonklammer {P, Q}. Q = √mq ! {P, Q} = {p, q} ⇒ H̃ = 5.8 P2 2 + 12 ω02 Q2 Symplektische Struktur der Mechanik Wenn wir die symplektische Struktur der Mechanik betrachten, geschieht genau dasselbe, was wir schon in Kapitel 5.8 gemacht haben, lediglich mathematischer formuliert. Wir führen an dieser Stelle erst eine kompaktere Notation unserer Vektoren ein ! ~q p~ ! ~ Q , P~ ~x = ~ = X sowie eine neue Matrix {xi , xj } = −Iij , die wir die symplektische Eins nennen und die eine 2f × 2f –Form hat. I= 0f −1f 1f 0f ! Damit folgt für die Poissonklammer ∂F {F, G} = − ∂~x T ·I · 122 ∂G ∂~x , (94) ~ kanonisch ist. Hierbei gilt falls X f X ∂F ∂xj ∂F = ∂Xi ∂xj ∂Xj j=1 oder ∂F ~ ∂X ∂~x ∂F ~ ∂~x ∂X |{z} = Matrix ∂~x ∂xj = ∀i, j ∈ {1, . . . , 2f } ~ ij ∂Xi ∂X T " T # ∂~x ∂G ∂F ∂~x ⇒ {F, G}(X~ ) = − ·I · ~ ~ ∂~x ∂~x ∂X ∂X ! = {F, G}(~x) . Eine Phasenraumtransformation ist genau dann kanonisch, wenn Man nennt dann ∂~ x ~ ∂X ∂~x ~ ∂X T ·I · ∂~x ~ ∂X =I . symplektisch. Definition: Wir definieren nun den Begriff der sympletkischen Gruppe. Sp(n) = {M ∈ Matn×n | M T I M = I} Vergleichen wir dies mit der Drehgruppe O(n) = {M ∈ Matn×n | M T 1 M = 1} , so stellen wir fest, dass diese ähnlich zueinander sind. Wir können daraus folgern, dass det ∂~x T ~ ∂X ! ! ∂~x · det (I) · det = det(I) ~ ∂X ∂~ x = 1 . ⇒ det ~ ∂X Wir können deswegen darauf folgern, dass 123 Kanonische Transformationen das Volumen des Phasenraums erhalten. Z ~ = dX Z Z det ∂~x d~x = d~x ~ ∂X image missing Abbildung 41: no image 5.9 Erhaltungssätze und infinitesimale Transformationen Zur Erinnerung: Im Noether–Theorem ist S invariant unter kontinuierlicher Transformation. Wir können deswegen auf einen Erhaltungssatz schließen. Wir wollen dies nun verallgemeinern auf die Transformationen im Phasenraum. F1 . . P~ = . gilt ⇔ {Fi , Fj } = 0 Ff Wir erkennen diese Mathematik in der Quantenmechanik wieder. 5.10 Erhaltungsgroessen und infinitesimale Transformationen Wir können nun einiges mit Kapitel 5.6 vergleichen. M̃Bλ ~q, P~ generiert eine λ ∈ R– kontinuierliche Transformation, z. B. eine Drehung um den Winkel λ. Hierbei ist MBλ=0 ~q, P~ = ~q · P~ die identische Transformationen. Für λ → 0 gilt dann M̃Bλ=0 ~q, P~ = ~q · P~ + λ · σ ~q, P~ + O λ2 , λ ∂ M̃ B mit σ ~q, P~ = ∂λ λ=0 124 als der Erzeugenden der Transformation. Zudem haben wir gesehen, dass ∂ M̃Bλ ~ Q= ∂ P~ ∂ M̃Bλ P~ = ∂~q ∂σ 2 = ~q + λ + O λ ∂ P~ P~ =~p ∂σ 2 = P~ + λ + O λ . ∂~q q~=Q~ ~ P~ folgt dann Für beliebige Funktionen f Q, ~ P~ , p~ Q, ~ P~ = f ~q Q, ~ P~ − f ~q, p~ δf = f˜ Q, ∂f ∂f ~ Q − ~q + P~ − p~ + O λ2 = ∂~q ∂~p ∂f ∂σ ∂f ∂σ = · ·λ− · ·λ . ∂~q ∂~p ∂~p ∂~q ~ P~ f˜ Q, Damit haben wir die durch die Funktion σ(~q, p~ ) erzeugte, infinitesimale kanonische Transformation. δf = {σ, f } · λ + O λ2 (95) Insbesondere gelten damit δ~q = {σ, ~q } · λ und δ~p = {σ, p~ } · λ . Beispiel Wir wählen σ = H und λ = dt, woraus δf = {H, f } dt folgt. Dies vergleichen wir mit df = {H, f }, hier wählen wir f so, dass ∂f = 0 gilt. Wir können deswegen sagen, dass dt ∂t die Zeitentwicklung eine durch H erzeugte kanonische Transformation ist. image missing Abbildung 42: no image 125 Wir können demnach sagen, dass ~x(~x0 , t) eine Trajektorie im Phasenraum mit ~x˙ = ~ = ~x(~x0 , ∆t) eine {H, ~x} und ~x(~x0 , t = 0) = ~x0 . Dann ist die Abbildung ~x0 7→ X kanonische Transformation. Daraus folgt das Liouville–Theorem, da alle kanonischen Transformationen das Phasenraumvolumen erhalten. Verallgemeinertes Noether–Theorem Wählen wir f = H, so folgt δf = δH = {H, H} dt. σ ~q, P~ ⇔ ist Erhaltungsgröße d σ = {H, σ} = 0 dt ⇔ H ist invariant (δH = 0) unter der kanonischen Transformation, die von σ erzeugt wird. Hierbei gilt ~ − ~q = {σ, ~q } · λ + O λ2 δ~q = Q δ~p = P~ − p~ = {σ, p~ } · λ + O λ2 . Wenn {σ, H} = 0 = −{H, σ} gilt, kann man das auf zwei Weisen deuten. Zum einen ändert sich H nicht unter der von σ erzeugten Transformation. Zum anderen ändert sich σ nicht unter der von H erzeugten Transformation, d. h. σ = const, da σ̇ = {H, σ}. Beispiel: Translationsinvarianz H(~q, p~ ) = X p~i 2 i 2m + X V (~ri − ~rj ) i<j ~ i = ~ri + êλ und p~i 7→ P~i = p~i . H ist ist invariant unter einer Transformation mit ~ri 7→ R ∂σ ! =0 ∂~ri ∂σ ! λ = êλ = {σ, ~ri } = ∂~pi ⇒ δ~pi = {σ, p~i } = − ⇒ δ~ri ⇒ ∂σ = ê ∂~pi ⇒ σ = ê X p~i i {σ, H} = 0 bedeutet nun, dass sich H unter der Translation nicht ändert. DementspreP chend ist auch σ zeitlich konstant, bzw. der Gesamtimpuls i p~i ist erhalten. 126 Dies wollen wir noch einmal überprüfen. ∂f λê + O λ2 ∂~r ∂f δf = {σ, f } = ê ·λ ∂~r f (~r ): f (~r + λê) = f (~r) + Analog lässt sich zeigen, dass Lz Drehungen um die z–Achse erzeugt. cos(ϕ) sin(ϕ) 0 M~r = − sin(ϕ) cos(ϕ) 0~r 0 0 z x y = y + ϕ̇−x + O ϕ2 z 0 y {Lz , ~r } = {ypz − zpy , ~r } = −x 0 Im Keplerproblem ist der Runge–Lenz–Vektor ~` = (~r × p~ ) × p~ + κ ~r m |~r | erhalten. Daher ist H unter der entsprechenden kanonischen Transformation erhalten. 127 6 Stabilität und Chaos 6.1 Berechenbarkeit und Störungen In der klassischen Mechanik lässt sich die Zukunft prinzipiell aus der Gegenwart berechnen, wenn man die Bewegungsgleichungen ~x = {H, ~x } = ~vH (~x, t) kennt. Allerdings gibt es oft mehrere Probleme. 1. Die Bewegungsgleichungen sind nicht genau bekannt oder es gibt äußere Störungen. 2. Die Anfangsbedingungen sind nicht genau bekannt. 3. Es gibt numerische Fehler, die Berechnung ist numerisch aufwendig. In Abb. 6.1 ist das Verhalten von zwei Systemen dargestellt. Im regulären System unterscheiden sich die Pfade nur gering voneinander: Wenn man z. B. ein Elektron in einem elektrischen Feld an einem leicht verschobenen Ort loslässt, so bewegt es sich auf einer sehr ähnlichen Bahn. Wäre das System chaotisch, könnte man sich bei der selben leichten Störung kaum vorhersagen, wie sich das Elektron bewegen würde. Abbildung 43: Bahnkurven zweier Teilchen in einem regulären System (links) und einem chaotischen System (rechts). In beiden Fällen sind die Startpunkte nur minimal unterschiedlich, so dass man es kaum messen kann. Der Abstand der Startpunkte könnte z. B. im Bereich von Mikro– oder Nanometern liegen. 128 Potential Minimum Abbildung 44: kleine Auslenkung 6.2 Kleine Schwingungen Ein Beispiel für reguläre Bewegung wäre eine kleine Auslenkung um eine stabile Gleichgeichtslage. Wir entwickeln die Lagrange–Funktion in kleinen Auslenkungen qi und q̇i in generalisierten Koordinaten. Dies ergibt dann L = 1X 1X q̇i Aij q̇j − qi Bij qj , 2 i,j=1 2 i,j=1 wobei die Matrizen A und B symmetrisch und positiv definit sind. Um diese LagrangeGleichung allgemein zu lösen, gehen wir dabei folgendermaßen vor: 1. Wir diagonalisieren A mit der orthogonalen24 Matrix Q1T Q1T AQ1 m1 .. = . =M mf ~˜ mit 2. Wir wählen die neuen Koordinaten Q ~q = Q1 · √ ~˜ M −1 · Q wobei √ M −1 = √1 m1 .. . √ 1 mf gilt. Daraus folgt dann für die Lagrange–Funktion L = 24 1 ~˜˙ ~˜˙ 1 ~˜ T ~˜ Q · Q − Q · B̃ · Q 2 2 d. h. Q T Q = 1 129 wobei B̃ = √ √ M −1 Q1T BQ1 M −1 gilt. 3. Wir diagonalisieren B̃2 mit der Matrix Q2 Q2T B̃Q2 = ω12 ω22 .. , . ωf2 wobei ωi2 > 0 die Eigenwerte von B sind. Wir haben damit die neuen Koordinaten ~˜ = Q2 Q ~ neu bestimmt, damit Q ~ und ~˜ T B̃ Q ~˜ = Q ~ · Q T B̃Q2 · Q Q | 2 {z } diagonal ˙ ˜˙ ~˜ Q ~ = Q ~˙ · Q T Q2 ·Q ~˙ Q | 2{z } 1 gelten. Damit erhalten wir f entkoppelte harmonische Oszillatoren. f X 1 2 1 2 2 ˙ ~ Q ~ = Q̇i − ωi Qi L Q, 2 2 i=1 ⇒ Qi (t) = ai cos(ωi t + ϕi ) √ ~ ⇒ ~q(t) = Q1T M −1 Q1 · Q(t) Allgemein gilt, dass Oszillatoren nahe dem Minimum immer mit f Frequenzen ωi schwingen. Wir sehen zudem, dass sie stabil gegen kleine Störungen sind (höhere Terme in der Taylorentwicklung), falls keine Resonanzen auftreten, wenn z. B. ωi n = ωj m mit kleinen n, m ∈ N . Betrachten wir nun die Schwingungen von Molekülen mit n Atomen. 1. lineares Molekül C O C Wir haben für die Freiheitsgrade 3 Translationen und 2 Rotationen. Für die Anzahl der Schwingungen bedeutet dies 3 · n − (3 + 2) = 4 Schwingungen für n = 3 Atome. 130 Die Atome im linearen Molekül können in Richtung der roten Pfeile schwingen. Abbildung 45: lineare Molekülschwingungen O 2. nicht–lineare Moleküle H H Für die Freiheitsgrade haben wir diesmal 3 Translationen und 3 Rotationen, was die Anzahl der Schwingungen auf 3 · n − (3 + 3) = 3 Schwingungen reduziert. Abbildung 46: nicht–lineare Molekülschwingungen Zur Erinnerung: Wenn unser System integrabel ist, bedeutet dies, dass die Anzahl der Freiheitsgrade der Anzahl der Erhaltungsgrößen entspricht. 6.3 Poincarésche Phasenraumschnitte Wir haben einen 2f dimensionalen Phasenraum und H(~q, p~ ) ist zeitunabhängig. Für f = 1 ist H integrabel, für f > 1 ist Chaos möglich. Unser Problem ist nun, dass der Phasenraum hochdimensional ist. Die Idee ist nun, dass wir eine anschauliche Untermanigfaltigkeit U betrachten, wie z. B. eine Ebene im Phasenraum. Die Trajektorie ~x(t) schneidet U in den Punkten ~xi ∈ U zur Zeit ti mit i ∈ {1, 2, 3}. Untersuchen wir die Punktmenge S = {~xi , ∀i ∈ N}, den sogenannten Poincaréschnitt und die Poincaré–Abbildung ~xi 7→ ~xi−1 = φ(xi ). 131 Abbildung 47: Eine Untermannigfaltigkeit U im Phasenraum, hier eine Ebene, die mehrfach von der Bahnkurve ~x(t) eines Körpers durchstoßen wird. Dies bedeutet, dass wir zunächst alle bekannten Erhaltungssätze Fi benutzen um möglichst viele Koordinaten zu eliminieren. Dann bestimmen wir den Phasenraumschnitt und S für vorgegebene Fi = const. Beispiel Wir wählen für unser Beispiel f = 3 und H(~q, p~ ) folgendermaßen: p2 p21 + 2 + V (q1 , q2 ) 2m1 2m2 H(~q, p~ ) = Wir wählen den Poincaréschnitt beispielsweise in der q1 , p1 Ebene mit q2 = 0 und legen p2 fest durch H(~q, p~ ) = E fest. Das heißt, dass wir für p2 die Lösungen s p2 = p2 (q1 , p1 ) = ± 2m2 p21 − V q1 , q2 = 0 E− 2m1 erhalten. In der Regel wählen wir die Lösung p2 > 0, woraus für die Untermanigfaltigkeit q1 q 2 U= p q2 = 0, 1 p 2 s 2 p1 − V (q1 , 0) p2 = E − 2m1 folgt. U wird also durch q1 und p1 parametrisiert. 132 Beispiel Für das Potential V = 12 m1 ω12 q12 + 21 m2 ω22 q22 ergibt sich für qi (t) qi (t) = qi0 sin (ωi t + ϕi ) pi = mi q̇i = mi qi0 ωi cos(ωi t + ϕi ) . Wie oben gesagt, wählen wir q2 (t) = 0 und p2 > 0 ω2 t + ϕ2 = 2ūu 2ūu − ϕ2 ⇒ tu = ω2 . tu ist hierbei immer die Zeit, zu der die Ebene U durchstoßen wird. Wir können deswegen für q1 (tu ) q1 (tu ) = q10 ω1 0 · sin 2ūu + ϕ ω2 sagen. Für p1 (tu ) ergibt sich dann ω1 0 p1 (tu ) = · cos 2ūu + ϕ ω2 n o S = q1 (tu ), p1 (tu ) , u ∈ N m1 q10 ω1 Wir haben nun zwei Fälle, die wir unterscheiden müssen. 1. Fall: ω1 ω2 = N M mit N, M ∈ N Abbildung 48: Poincaréschnitt für wird immer wieder geschnitten. 2. Fall: 25 ω1 ω2 ω1 ω2 = N . M Nur ein einzelner Punkt in der Untermenge ist inkommensurabel25 . Dies bedeutet, dass die ωi keinen gemeinsamen Teiler besitzen. 133 Abbildung 49: Poincaréschnitt für immer wieder geschnitten. 3. Fall: ω1 ω2 ω1 ω2 = 35 . Genau an 5 Punkten wird die Untermenge sei irrational (Abb. 50). Abbildung 50: Für einen irrationalen Bruch liegen die Schnittpunkte mit der Untermenge dicht auf der Ellipse. Betrachten wir, was S allgemein für Formen annehmen kann. • S kann endlich viele Punkte haben. • S kann dicht auf einer Linie, einer Fläche oder einem Fraktal liegen. Existiert ein weiteres Teilchen, gilt es den Erhaltungssatz zu berücksichtigen. Wir können dann daraus folgern, dass der Poincaréschnitt dicht auf der Linie liegt. Der Grund dafür ist, dass die Schnittmenge von Phasenraumschnittflächen mit der Fläche F (~p, ~q ) = F0 konstant ist. Zudem ist F (~p, ~q ) eine Linie. Für unser Beispiel können wir sagen, dass F q1 , q2 = 0, p1 , p2 (q1 , q2 ) = t0 eine Linie definiert, in der q1 –p1 –Ebene auf der Lösungen liegen müssen! Es gilt hierbei zu beachten, dass die Umkehrung dieser Aussage nicht gilt. 134 6.4 Fallstudie: Atwood–Pendel Fast alle hochangeregten, nicht integrablen Systeme zeigen ein chaotisches Verhalten für bestimme Parameter. Mit Reibung sorgen wir für eine genügend starke Energiezufuhr, z. B. für eine periodische Kraft. Sehen wir uns dafür das Atwood–Pendel genauer an. Abbildung 51: Darstellung des Atwood–Pendels. Ci sind Konstanten, r und ϕ sind die Variablen. Widmen wir uns zunächst einmal den Ortsvektoren für die beiden Massen M und m. Wir wählen für die Masse M den Vektor ! C1 ~r1 = . C2 + r Für die Masse m wählen wir den Vektor ~r2 = r · ! sin(ϕ) + − cos(ϕ) C3 C4 ! , Hierbei sind C1 und C3 die x–Koordinaten der Aufhängungen, C4 ist die y–Koordinate der Aufhängungen. C3 ist die tiefste Höhe, die M erreichen kann, sie wird durch die Länge des Fadens zwischen m und M bestimmt. Für die Lagrange–Funktion ergibt sich damit26 L ϕ, r, ϕ̇, ṙ 26 1 ˙2 M ~r1 + m~r˙22 − M gr1y − mgr22 2 1 1 = (M + m)ṙ2 + mr2 ϕ̇2 + mgr cos(ϕ) − M gr + const 2 2 = mit riy ist die y–Komponente des i–ten r–Vektors gemeint 135 . Deswegen nimmt der generalisierte Impuls die Form ∂L = mr2 ϕ̇ ∂ ϕ̇ ∂L = = (M + m)ṙ ∂ ṙ Pϕ = Pr an. Für ϕ̇ und ṙ erhalten wir deswegen Pϕ mr2 Pr ṙ(Pr ) = M +m ϕ̇(Pϕ ) = Wenn wir nun die Legrende–Transformation auf die Hamilton–Funktion machen, nutzen wir unsere Ergebnisse für ϕ̇ und ṙ kommen zu den folgenden 4 Bewegungsgleichungen H = Pϕ · ϕ̇ + Pr · ṙ − L ϕ, r, ϕ̇, ṙ 1 Pϕ2 2 mr2 1 Pr2 + 2M +m Ṗr = − ∂H ∂r und ∂H Ṗϕ = − ∂ϕ ! r mit ~q = , p~ = ϕ = ⇒ ∂H ⇔ ~q˙ = , ∂~p ṙ = ϕ̇ = ∂H ∂Pr ∂H ∂Pϕ ∂H p~˙ = − ∂~q ϕ̇(Pϕ ), ṙ(Pr ) + gr(M − m cos(ϕ)) Pr Pϕ ! Wir müssen bei der Transformation beachten, dass zwar r 7→ λr transformiert, aber t 7→ √1λ t, da die Transformation aus der Lagrange–Funktion L ein λL und aus der Hamilton–Funktion H ein λH macht. Das heißt, dass, falls r0 (t) und Q0 (t) Lösungen zur Energie E0 sind, für r(t) und ϕ(t) t r(t) = λr0 √ λ t ϕ(t) = λϕ0 √ λ Lösungen mit E = λE0 sind. Die Physik für dieses Modell sind in E unabhängig. Um uns die Rechnung zu erleichtern, wählen wir für unser Beispiel die Einheiten m = 1, M = µ, g = 1 und E = µ − 1, damit r < 1 ist. Somit sind die einzig relevanten Parameter M = µ und die m Startbedingungen, damit r < 1 wie gefordert gilt. Für die Phasenraumschnitte wählen 136 wir die (r, Pr )–Ebene mit sin ϕ 2 = 0 und dem generalisierten Impuls Pϕ v u ! 2 u P 1 r +V Pϕ (Pr ) = t2r2 m E − 2M +m für feste Energien E. Ein typisches Ergebnis liefert entsprechende Poincaréschnitte, die dicht auf der Linie liegen, wie in Abbildung 52 zu sehen. Abbildung 52: Poincaréschnitt für das Atwood–Pendel mit µ = 23 , r = die Punkte liegen dicht auf der gezeichneten Linie. 2 5 und Pr = 0, Für andere Werte liegen die Poincaréschnitte für einen Startwert dicht auf der Fläche, wie in Abbildung 53 zu sehen. Verändern wir die Werte noch weiter, so sehen wir, dass wir Inseln der Stabilität erhalten für reguläre Bewegungen, also für Poincaréschnitte dicht auf der Linie Für den Fall, dass die Punkte dicht auf der Fläche sind, erhalten wir ein Meer des Chaos (Abb. 54). Für jeden dieser Startpunkte in diesem Bereich gilt, dass sie eine Trajektorie mti den Poincaréschnitten dicht in F sind. 6.5 Liapunovexponent Chaotische Systeme sind sehr sensitiv auf Anfangsbedingungen. Gegeben sei eine Trajektorie ~x0 (t) mit dem Startwert ~x(t = 0) = ~x0 . Betrachten wir nun eine „benachbarte“ Trajektorie ~x(t), die am Ort ~x(t = 0) = ~x0 + δ~x startet, wobei δ~x sehr klein sein soll. Wie entwickelt sich jetzt der Abstand |~x(t) − ~x0 (t)| für große Zeiten t? Der Abstand entwickelt sich mit |~x(t) − ~x0 (t)| ∝ eµ1 t , wobei µ1 der „führende Liapunovexponent“ ist. Ein chaotisches System ist durch µ1 > 0 gegeben. 137 Abbildung 53: Poincaréschnitt für das Atwood–Pendel mit µ = 32 , r = 0.65 und Pr = 0, die Punkte liegen dicht auf der gezeichneten Fläche. Abbildung 54: Der Poincaréschnitt ist ein Meer des Chaos. Die roten Ellipsen sind Inseln der Stabilität, innerhalb derer reguläre Pfade liegen. In dem blauen Bereich dagegen liegen die Schnittpunkte dicht auf der Fläche, das System ist hier chaotisch. Dies wollen wir nun etwas genauer betrachten. Sei die Bewegungsgleichung ~x˙ = ~vH (~x) gegeben, wobei ~x = ! ~q ⇒ ~vH = p~ ∂H ∂~ p ∂H − ∂~q ! gelte. ~x(t) = ~x0 + δ ~x(t) | {z } klein ⇒ ~x˙ + δ~x˙ = ~vH ~x0 + δ~x(t) X ∂~vH (~x0 (t)) 2 ≈ ~vH (~x0 (t)) + δxj (t) + O (δxj ) 138 ∂xj d. h. δ ẋ(t) = M (t)δ~x ! ∂2H ∂2H ∂~ p∂~ q ∂~ p∂~ p Bevor wir das Atwood–Pendel und seine Schwingung weiterführen, wiederholen wir an dieser Stelle nocheinmal einige Definitionen, die für die weiteren Rechnungen notwendig sind. Wir wissen, dass wir für den Poincaréschnitt die Größen r und ϕ sowie ihre generalisierten Impulse Pr und Pϕ brauchen. Den Poincaréschnitt ermitteln wir in der (r, Pr )–Ebene bei sin(ϕ) = 0. Pϕ wählen wir nun so, dass wir die Hamilton–Funktion H mit der Energie gleichsetzen können, also H = E. Mit dem Atwood–Pendel befinden wir uns in einem chaotischen System, weswegen wir uns die dazugehörige Sensitivität auf Anfangsbedingungen genauer ansehen müssen. Mit der sensitiven Abhängigkeit von Anfangsbedingungen ist gemeint, dass in chaotischen dynamischen Systemen bereits eine infinitesimale Änderung der Anfangsbedingungen zu einem vollkommen anderem Ergebnis führen kann (dies wird auch als deterministisches Chaos bezeichnet). Wir legen unsere Anfangsbedingung also als ~x0 (t) fest mit der Bedingung, dass ~x0 (0) = ~x0 sei.Betrachten wir nun die weitere Entwicklung unseres Ortsvektors, so ergänzen wir unsere Anfangsbedingung um jene infinitesimale Änderung ~x(t) = ~x0 (t) + δ~x(t) mit δ~x(0) = δ~x0 . Die entsprechende zeitliche Änderung unserer infinitesimalen Änderung bilden wir dann mit der (2f × 2f )–Matrix als δ~x˙ (t) = M (t)δ~x(t) . Kommen wir nun wieder auf unser chaotisches System zurück. Die Bewegungsgleichungen des Atwood–Pendels hatten wir mit der Hamilton–Funktion ermittelt als Pr 1+µ Pϕ2 Ṗr = + 2 − µ + cos(ϕ) r Pϕ ϕ̇ = . r ṙ = Daraus können wir die infinitesimale Änderung von ṙ und ϕ̇ errechnen. 1 δr 1+µ 1 Pϕ δ ϕ̇ = 2 δPϕ − 2 3 0 δr r (t) r0 (t) δ ṙ = 139 Für δ~x˙ (t) erhalten wir damit 0 0 2Pϕ0 (t) δ~x˙ = M δ~x = − r03 (t) 0 .. .. . . 1 1+µ 0 .. . 0 1 r02 (t) . .. . Nach der Konstruktion der Matrix sehen wir, dass δ~x(t) eine lineare Funktion von δx0 (t) ist. Daraus folgt, dass δ~x(t) = U (t)δx0 (t) . U (t) ist eine 2f × 2f –Matrix, welche die Verzerrung eines infinitesimalen Phasenraumvolumenelements beschreibt. Abbildung 55: U (t) beschreibt die Verzerrung eines infinitesimalen Phasenraumvolumenelements. Im Liouville–Theorem sagen wir, dass das Phasenraumvolumen konstant sei, was bedeutet, dass die Determinante von U (t) 1 ergibt. ∂δx(t) = det |U (t)| = 1 det ∂δx(0) Dennoch sollten wir beachten, dass manche Richtungen extrem gestreckt bzw gestaucht werden können, was in Abbildung 55 dargestellt wird. Für die Eigenwerte λi (t) ∈ C von U (t) mit i ∈ [1, 2f ] sagen wir |λ1 (t)| ≥ |λ2 (t)| ≥ · · · ≥ |λ2f (t)| Y λi (t) = 1 . i 140 ∂ Wir erwarten also, dass wir eine Matrix M haben, für die ẏ = M · y und ∂t M = 0 gilt, so dass wir dann sagen können, dass der Eigenwert λi durch λi ∝ exp [Mi t] ausgedrückt werden kann. Demnach vermuten wir, dass auch für M (t) ein zeitliches Mittel gilt. Wir definieren also: Definition: Der Liapunov–Exponent ist als µi = lim t→∞ ln (|λi (t)|) t (96) definiert. Wir sagen, dass für die Summe aller Liapunov–Exponenten gilt X i P µi = lim t→∞ i ln(|λi (t)|) t Y 1 = lim ln λi (t) t→∞ t i ! = 0 . Da µ1 ≥ µ2 ≥ · · · ≥ µ2f gilt, muss µ1 ≥ 0 sein. Sehen wir uns die infinitesimale Änderung um x0 nocheinmal genauer an Abbildung 56. Abbildung 56: Unterschied zweier Bahnkurven, die um δ~x0 verschoben starten. 141 √ δ~x T δ~x p δx0 (t) T U T U δ~x0 = |δ~x(t)| = ≈ |δ~x0 · ê1 | exp [µ1 t] + O(exp [µ2 t]) Dabei ist ê1 ein Eigenvektor von U (t → ∞) mit dem Eigenwert λ1 (t). Insgesamt können wir also sagen: Typische Störungen chaotischer Systeme wachsen mit exp [µ1 t], falls Chaos existiert. µ1 > 0 ist dabei der führende Liapunov–Exponent. Betrachten wir als Spezialfall die integrablen Systeme aus Kapitel ??. ~ ~ 0 + ∂H t Q(t) = Q ∂ P~ ⇒ |δx(t)| ≈ t ln(t) =0 ⇒ µi = lim t→∞ t Wir wollen nun numerisch |δx(t)| ≈ t lösen, die auch in den Inseln der Stabiliität vorkommen. In integrablen Systemen und Systemen in Bereichen mit regulärer Dynamik, wie etwa den Poincaréschnitt oder Licht auf einer Linse, wachsen kleine Störungen linear. Die Liapunov–Exponenten µi sind dann für alle i ∈ [1, 2f ] gleich 0. Ein Liapunov–Exponent, der größer ist als 0, bedeutet dann entsprechend Chaos. Wir können nun folgern, dass das Langzeitverhalten für µi > 0 praktisch nicht berechenbar ist. Problematisch dabei ist, dass sich numerische Fehler und Fehler in den Anfangsbedingungen exponential verstärken. Wir können ebenfalls folgern, dass für das Atwood– Pendel mit M = µ ≈ 1 im chaotischen Bereich und bei einer Schwingungsdauer von m ca. 1 der Fehler nach 1000 Schwingungen ca. bei exp [1.000µ] ≈ 1043 liegt. Nach 10.000 Schwingungen liegt der Fehler dann bei 10430 . Das Langzeitverhalten der Inseln der Stabilität ist also leicht berechenbar. Ein Beispiel für ein chaotisches System ist das Wetter. Ein beliebtes Beispiel ist, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in China einen Hurrikan in Amerika verursachen oder verhindern kann. Das bedeutet, dass eine so kleine Störung sämtliche Rechnungen stark beeinflusst. 142 Ein anderes Beispiel ist der Saturnmond Hyperion. Er torkelt auf seiner Umlaufbahn, diese Bewegung ist ca. für 1 Jahr vorhersagbar. Der Liapunov–Exponent hängt nicht von den Anfangsbedingungen ab. Dies liegt daran, dass typische Trajektorien dicht im Phasenraum von chaotischen Systemen lieµ usw. gen. Daher ist µ1 in diesen Bereichen konstant, die µi hängen aber von E, m ab. Allerdings gilt dies nur für t → ∞, nachdem der ganze chaotische Phasenraum „erkundet“ wurde. Oft wird dieser Grenzfall nicht erreicht, z. B. beim Wetter. Damit gibt es hier üblicherweise ein effektives µ1 , das über ∆t gemittelt wurde und von den Anfangsbedingungen abhängt. Zusammenfassend können wir also über den Liapunov–Exponenten sagen, dass er für chaotisches dynamisches Verhalten größer als 0 ist. Chaos: µ1 > 0 regulär: µ = 0 Für den Übergang von regulärer Dynamik zu Chaos kommt es typischerweise zur Bifurkation, der Verdopplung der Punkte im Poincaréschnitt, was wir bsw. bei fraktalen Strukturen kennen. Die entsprechenden Forschungsgebiete in Köln sind Quantenchaos mit der Störung von integrablen Vielteilchensystemen. 6.5.1 Beispiel Chaos mit Reibung Betrachten wir ein Pendel mit Reibung mit periodischer Kraft. Um die anschließende Rechnung zu vereinfachen, setzen wir m = l = 1. Die Bewegungsgleichung lautet dann ϕ̇ = Pϕ 1 Ṗϕ = − sin(ϕ) − Pϕ + g cos(φ) . q − sin(ϕ) steht dabei für das eigentliche Pendel, − 1q Pϕ für die Reibung und +g cos(φ) für die äußere Kraft F . Für den Winkel φ der äußeren Kraft gilt zudem φ̇ = ωD = const. Da wir zuvor gesagt haben, dass ϕ̇ = Pϕ gilt, ist ϕ̈ = Ṗϕ . Wir müssen aber an dieser Stelle sagen, dass das System aufgrund der Reibung nicht–hamiltonisch ist. Zudem sind wegen der Reibung die Anfangbedingungen normalerweise irrelevant. 143 6.6 Ausblick Weitere Informationen lassen sich z. B. im Buch „Chaos and Integrability in Nonlinear Dynamics“ von Tabor finden. Es gibt u. a. folgende interessante Themen: • Chaos überall: mit Reibung, Turbulenzen usw. • Grenzen der Vorhersagbarkeit in der Klassischen Mechanik • Verschiedene Klassen von chaotischem Verhalten Z. B. treten bei einem Pendel mit Reibung und einer periodisch wirkenden Kraft fraktale Poincaréschnitte auf. • Übergang von Integrabilität ins Chaos Wir wollen nur kurz das KAM–Theorem27 nennen. Unter gewissen Bedingungen28 sind die Trajektorien von integrablen Systemen auch bei kleinen Störungen ∆H stabil. Hges = H0 + |{z} ∆H |{z} integrabel 27 28 Kolmogorow–Arnold–Moser–Theorem D. h. insbesondere, es treten keine Resonanzen auf 144 Störung