Die Chemie der DNA Die Doppelhelix der 2 -Desoxyribonukleinsäure (engl. deoxyribonucleic acid) ist auf Histone (basische Strukturproteine) aufgewickelt, welche sich zu supramolekularen Überstrukturen organisieren, die als Chromosome im Mikroskop sichtbar sind. A Geyer OC4 2011 Das Schmelzen der Sekundärstruktur ist bei allen Biopolymeren ein kooperativer (im Gegensatz zu gradueller) Prozess Groß genug für die direkte Beobachtung! Spektroskopische Charakterisierung AA Geyer Geyer OC4 OC4 2011 2011 Kooperativität Reversibles Schalten zwischen zwei Zuständen (hier: dsDNA vs ssDNA) oder graduelle Änderung? Weitere Einflüsse, die dsDNA aufschmelzen (= denaturieren): Hoher pH-Wert (> 11.5), Niedrige Salzkozentration, etc. Weitere physikalische Parameter zur Unterscheidung von ss und ds DNA: Chemische Verschiebung 1H-NMR optische Rotation, Sedimentationskoeffizient, spezifische Viskosität, etc. A Geyer OC4 2011 Auch im 1H-NMR kann man das kooperative Schmelzen des DNA-Doppelstrangs beobachten. Dabei wandern alle Signale im 1H-NMR innerhalb eines schmalen Temperaturbereichs. Auftragung der chemischen Verschiebung ausgesuchter Basenprotonen gegen die Temperatur zur Ermittlung der Schmelztemperatur der DNA am Beispiel eines Dodecamers. (aus Patel D. J.; Pardi A.; Itakura K. Science 1982, 216, 581-590) A Geyer OC4 2011 B-DNA rechtsgängige Doppelhelix A Geyer OC4 2011 DNA: Desoxyribonukleinsäure In der Erbsubstanz DNA spielen Wasserstoffbrücken bei der molekularen Erkennung eine besondere Rolle N Kooperative molekulare Erkennung: Sobald sich ein Paar gefunden hat, verhält sich das System wie ein Reissverschluß und die anderen Paare finden sich fast wie von selbst. Gibt es weitere Möglichkeiten zur Basenpaarung in der DNA? A Geyer OC4 2011 In einer Tripelhelix bindet der dritte Strang in die große Furche der Doppelhelix und bildet dort zusätzliche H-Brücken mit den Nucleobasen. Dies wird als Hoogsteen-Basenpaarung bezeichnet. A Geyer OC4 2011 Digitalisierung von Information Speicherung enormer Datenmengen mit wenigen Zeichen Computer: 0, 1 4-Bit Binärcode DNA: A, T, C, G Der genetische Code: Drei Basenpaare kodieren eine Aminosäure: 64 mögliche Zeichen A Geyer OC4 2011 Laborchemie Zellchemie Sequentielle Änderung der chemischen Umgebung Parallele Reaktionen, Netzwerke, Fließgleichgewicht Selektivität durch getrennte Reaktionskolben Selektivität durch molekulare Erkennung Semipermeable Membranen batch-weise Zugabe der Reagentien 1 bar, RT, enger pH-Bereich Variation Lösemittel, pH, Temperatur, Druck mRNA, trRNA, Ribosomen, Proteine D. S. Goodsell Sci. Am. 2000, 230 A Geyer OC4 2011 Blick in eine Zelle Die richtige zeitliche und räumliche Kombination von Lipiden, Aminosäuren, Kohlenhydraten und Nukleinsäuren ist essentiell für das Leben. CCTGAGCCAACTATTGAT DNA transcription CCUGAGCCAACUAUUGAU mRNA translation 106 fache Vergrößerung Transkription DNA wird abgelesen A Geyer OC4 2011 PEPTID Protein Transkription der Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) 1-millionenfach 10-millionenfach 30-millionenfach vergrößerte DNA DNA-Doppelhelix DNA-Basenpaarung DNA-Einzelstrang A Geyer OC4 2011 Translation der messanger-RNA (mRNA) Ribosom http://www.rcsb.org/pdb/ 106 fache Vergrößerung Translation mRNA wird in Proteine übersetzt A Geyer OC4 2011 DNA ist stabiler gegen Hydrolyse als RNA. In der Zelle ist dieser Unterschied noch größer, da RNasen die Hydrolyse von mRNA katalysieren. A Geyer OC4 2011 DNA ist der Bauplan, Proteine führen die zellulären Funktionen aus. Synthetische Liganden (Medikamente) können auf jeder Stufe der Proteinbiosynthese eingreifen und so die Entwicklung eines unerwünschten Organismus stören (Antibiotikum) oder Krebszellen an der Vermehrung hindern (Cytostatikum) A Geyer OC4 2011 1953 Die supramolekulare Chemie der DNA ist inzwischen so gut verstanden, dass man sie in beliebigen Formen aggregieren lassen kann: Origami Von diesem strukturellen Verständnis ist man bei Proteinen noch weit entfernt. Es gibt (noch) kein Protein-Origami. 2007 A Geyer OC4 2011 O O O P O HN O B B N O Peptide-Nucleic acid (PNA) ist ein chemisch vereinfachtes Strukturmodell für DNA O Das Oligoamid-Rückgrat trägt die Nucleobasen, die wie bei der DNA-Synthese geschützt sein müssen Base = T, CCbz, ACbz, GBn, O O HN O P O O B N O B O O HN O PNA bildet selbst keine Doppelstränge, es bindet jedoch DNADoppelstränge zu tripelhelikalen Strukturen. Auf dieser Basis versucht man Medikamente zu entwickeln. A Geyer OC4 2011 A Geyer OC4 2011 Die Entschlüsselung des genetischen Codes DNA poly-U transcription mRNA translation Protein poly-Phe Quelle „Der Spiegel“ 2011 Wie wurde aus der Kombination unabhängiger chemischer Reaktionen ein komplettes Lebewesen? Alle Lebewesen benutzen die selben vier Nucleobasen in ihrem genetischen Code, die selben 20 L-Aminosäuren in ihren Proteinen, wenige meist D-konfigurierte Zucker und Adenosintriphosphat als Energieträger. Gab es einst weitere Lebensformen? Es gibt (noch) keine Erklärung. Jede Zelle ist eine komplexe Fabrik Organische Chemie Biochemie Formose-Reaktion N-Heterocyclen Strecker-Synthese Polyphosphate Fe, S, FeS2 Glycolyse, Citratcyclus DNA/RNA Transkription Proteinbiosynthese ATP, Energieträger Stoffwechsel Zeit Präbiotische A Geyer OC4 2011 Chemie Ursprung Des Lebens Letzter gemeinsamer Vorfahr Präbiotische Chemie – Die chemische Evolution Wie, wann und wo entstand das erste, das einfachste Lebewesen? Charles Darwin prägt den Mythos der „shallow tidal ponds“, auf Deutsch die Ursuppe. S. 12/13 Die Ur-Landschaft ...In irgendeinem noch unbekannten Augenblick der Urzeit erscheint das erste Leben: Algen überziehen den feuchten Fels mit ihrem Grün. Sind kleine Lebewesen wirklich „einfacher“ als große? Armin Geyer OC 4 Das Miller-Urey Experiment Eine künstliche Urerde im Labor: Die Atmosphäre enthält H20, H2, CH4, NH3. Entladungen simulieren Blitze und gekocht hat es wohl auch damals. 1952 war das ein innovatives Experiment S.L. Miller Science 117 (1952) 528-529 J. Am. Chem. Soc. 77 (1955) 2351-2361 Armin Geyer OC 4 Sind das entscheidende Schritte in der molekularen Evolution oder ist das nur „organischer Müll“? Synthese von Aminosäuren 1 m Gaschromatogramm nach 24 h Bestrahlung eines Gemisches von H2O / CH3OH / NH3 / CO / CO2 (2:1:1:1:1) G. M. Munoz Caro et al., Nature 2002, 416, 403 Armin Geyer OC 4 Mit Experimenten, bei denen alles entsteht, kann man alles erklären – oder auch nichts. z. B.: Formose-Reaktion N-Heterocyclen aus HCN Strecker-Synthese 1 m Selektive chemische Reaktionen haben sinnvolle (Labor-)Anwendungen und lassen sich zu einem Katalysezyklus oder einem Stoffwechsel verknüpfen. Chemoselektivität durch Schutzgruppen oder durch molekulare Erkennung mit Proteinen Armin Geyer OC 4 z. B.: DNA/RNA-Transkription Porteinbiosynthese Glycolyse, Citratcyclus Stoffwechsel Alle Lebewesen... benutzen die selben vier Nucleobasen in ihrem genetischen Code, Zentrales Dogma der Biochemie: CCTGAGCCAACTATTGAT benutzen die selben 20 LAminosäuren in ihren Proteinen, DNA transcription benutzen D-konfigurierte Zucker, benutzen Adenosintriphosphat als Energieträger. CCUGAGCCAACUAUUGAU translation Es gibt keine molekulare Alternative! Einzeller weisen eine enorme Komplexität auf. Mehrzeller sind nur eine „unbedeutende“ chemische Variation davon. Armin Geyer OC 4 mRNA PEPTID Protein Oligomere Ribonukleotide (RNA) ist das ursprünglichste Biopolymer, denn RNA ist Informationsspeicher, sie ist katalytisch aktiv und sie ist fähig zur autokatalytischen Replikation. Aber wie bildete sich das allererste RNA-Oligonucleotid? Waren es wirklich diese drei offensichtlichen Stoffklassen? NH2 O HO OH HO N O HO N H OH Ribose + O C + O P OH Phosphat ? = (oder A, U, G) Armin Geyer OC 4 Selektive Synthese eines aktivierten Nucleotids unter präbiotischen Reaktionsbedingungen - ohne Schutzgruppen M. W. Powner, B. Gerland, J. D. Sutherland, Nature, Vol 459, S. 239 14 May 2009 Ein fundamental anderer Erklärungsversuch: Cytidin bildet sich nicht aus Ribose und Cytosin! (Rechts: x auf blauen Reaktionspfeilen) Achtung: Die Reaktionen führen diastereoselektiv zum racemischen Nucleotid Armin Geyer OC 4