16 II. Rhetorik und ihre Anfänge Sophistische Redekunst: ,Das Schwächere zum Stärkeren machen‘ Aristoteles und das Wahrscheinliche nicht darauf verpflichten, etwas Seiendes oder gar Wahres aufzufinden. Auch der noch so kunstfertigen Sprache ist es nicht möglich, dieses zu formulieren, geschweige denn mitzuteilen. Die Sophisten wussten allerdings auch, dass die alltägliche Lebenswelt den Einzelnen Entscheidungen für oder gegen etwas abverlangt. Das Handeln nach objektiv richtigen Maßstäben war aber nach ihrer Einsicht nicht möglich, weil es diese nicht gab. Folglich bestand für sie das Ziel der Erziehung, der Paideia, darin, Meinungen (dæjai / doxai) hervorzubringen, die ein Handeln in der Welt ermöglichen sollten. Ihre Redekunst verwendeten sie eben darauf, die Menschen dazu zu bringen, Meinungen zu entwickeln und aufgrund dieser ihre Entschlüsse zu fassen. Die grundlegende These der Sophisten lautete, dass Meinungen konstruiert, geschaffen oder gesetzt werden. Sie nahmen an, dass generell die Sitten und Gebräuche der Menschen auf Übereinkunft und Konventionen beruhen, aufgrund einer Setzung (yfisei / thesei) entstehen und nicht von Natur aus (fn’ sei / physei) vorhanden sind. Sitten, Gebräuche und Meinungen könnten sich schnell ändern, es komme nur darauf an, neue Übereinkünfte und Konventionen festzusetzen. Die Redekunst sahen sie als exzellentes Mittel an, solche Veränderungen zu bewirken, die Menschen zu beeinflussen und sie für neue Meinungen zu gewinnen. Das Selbstbewusstsein der Sophisten drückt sich in der legendären Wendung des Protagoras aus, dass das wahre rednerische Vermögen fähig sei, im geeigneten Augenblick „die schwächere Argumentation zur stärkeren zu machen“ (Schirren/Zinsmaier 2003, 47). Hingegen war für Aristoteles zunächst die Natur der Maßstab, an dem sich die Dinge und Meinungen messen lassen müssen. In seiner Rhetorik heißt es sogar, dass „das Wahre und das von Natur aus Bessere“ auch „überzeugender“ sei (Arist., Rhet., 1355a). Allerdings sah Aristoteles, ursprünglich ein Schüler Platons, auch die Aporien eines moralischen Rigorismus. Er sah, dass die Verpflichtung auf eine abstrakte Wahrheit in der alltäglichen Lebenswelt handlungshemmend sein kann. Im Sinne einer Redekunst, die auch lebenspraktisch tauglich sein und zu Entscheidungen führen können muss, die vielleicht in kurzer Zeit zu treffen sind, verteidigte er bei aller Polemik gegen die Sophisten die Kategorie des Wahrscheinlichen, weil sie eine gewisse Orientierung bieten kann und Handlung in dem Fall ermöglicht, wenn die Wahrheit nicht deutlich zu finden ist. Musste Sokrates, der vor dem Hintergrund der platonischen Ideenlehre argumentierte, das Wahrscheinliche als Maßstab ablehnen, so erkannte Aristoteles die Möglichkeit an, die Zuhörer mit wahrscheinlichen Argumenten zu überzeugen. Das rhetorische Beweisverfahren (Enthymem) darf zu wahrscheinlichen Schlussfolgerungen und Meinungen (doxai) führen, die in Platons Gorgias ein bloßes Scheinwissen darstellen, die Aristoteles aber aufwertet, weil sie auf Erfahrungen beruhen und insofern von empirischen Wert sind (vgl. ebd.). Kann die Wahrheit nicht zweifellos ermittelt werden, so können Meinungen einen Konsens schaffen, der lebensweltliches Handeln möglich macht. Wenn das Reden sich nicht darauf verpflichten lässt, die Wahrheit zum Vorschein zu bringen, so ermöglicht es dennoch Entscheidungsfindungen auch in unsicheren Situationen. Das Reden hat die Aufgabe, Entscheidungsfindungen sowie Konsensbildung zu leisten, auch und gerade dann, wenn es 2. Entstehung im antiken Griechenland nicht möglich ist, das tatsächlich Richtige und Wahre zu finden oder auszudrücken. Darin sieht Hans Blumenberg (1920–1996) die spezifische Aufgabe und Leistung der Rhetorik in der Moderne: Handeln ist die Kompensation der ,Unbestimmtheit‘ des Wesens Mensch, und Rhetorik ist die angestrengte Herstellung derjenigen Übereinstimmungen, die anstelle des ,substantiellen‘ Fundus an Regulationen treten müssen, damit Handeln möglich wird. Unter diesem Aspekt ist Sprache nicht ein Instrumentarium zur Mitteilung von Kenntnissen oder Wahrheiten, sondern primär der Herstellung der Verständigung, Zustimmung oder Duldung, auf die der Handelnde angewiesen ist. Hier wurzelt der consensus als Basis für den Begriff von dem, was ,wirklich‘ ist. (Blumenberg 1993, 108) Folgen wir Blumenberg, so hat die Rhetorik ihren eigentlichen Ursprung in jenem erkenntnistheoretischen Skeptizismus, auf den sich die Redekunst der Sophisten stützte, die es sich zum Ziel setzte, Meinungen und Konventionen zu schaffen. Diese Funktion prägt die Rhetorik auch in der Moderne. Sie hat folglich Anteil an der pragmatischen Herstellung von Lebenswelt und ihren Bedingungen und trägt erheblich dazu bei, dass diese Lebenswelt in ihrer Komplexität und trotz des Fehlens metaphysischer Gewissheiten funktionieren kann. Blumenberg bringt die Sache auf den Punkt: „Rhetorik schafft Institutionen, wo Evidenzen fehlen“ (ebd., 110). 3. Der ideale Redner Die Wirkung, die Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Staatsmann und Politiker, hinsichtlich der Redekunst im antiken Rom ausgeübt hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er wurde für die weitere geschichtliche Entwicklung der Rhetorik bis in die Frühe Neuzeit hinein zum Leitstern und auch heute gehören so manche seiner Reden zum Kanon der Lektüre an Schulen und Universitäten – beispielsweise die Reden gegen Verres, einen korrupten Statthalter auf Sizilien (In Verrem) sowie die Reden gegen Catilinia, den er des Amtsmissbrauchs überführte (In Catilinam). Ciceros besondere Leistung bestand zum einen darin, auf die Bedeutung der attischen Redner wie Demosthenes, Lysias, Isokrates u. a. hinzuweisen und die Rhetorik an diese Tradition zurückzubinden. Er führte die Arbeit von Hermagoras von Temnos weiter, der bereits im 2. Jahrhundert die Grundlagen der griechischen Rhetorik in Rom eingeführt hatte. Zum anderen war für Cicero diese Rehabilitierung der alten griechischen Redekunst mit einem wichtigen Anliegen verknüpft: Er wollte die Trennung von Rhetorik und Philosophie aufheben, die Sokrates in der Apologie durch seine Kritik an den Sophisten nahegelegt hatte. Als politisch umtriebiger und einflussreicher Staatsmann sah er die Notwendigkeit, die Rhetorik auf philosophische Füße zu stellen, anders gesagt: immer wieder daraufhinzuweisen, dass zwischen diesen beiden Feldern eine Allianz bestehe, der sich der öffentlich Redende bewusst zu sein habe. In dem fingierten Gespräch, das in De oratore / Über den Redner Crassus und Antonius über die Rhetorik führen, wird explizit Sokrates dafür verantwortlich gemacht, dass den einen die Weisheit zugestan- 17 18 II. Rhetorik und ihre Anfänge Beredsamkeit und Weisheit Beredsamkeit und Wissen / Übung und Begabung den wurde, den anderen das gute Reden (vgl. Cic., De orat., 3.60). Dieses „Zerwürfnis zwischen Zunge und Gehirn“ sei ,unsinnig‘ und ,nutzlos‘ (ebd., 3.61). In Ciceros Vorstellung ist der Schulterschluss zwischen Philosophie und Rhetorik vor allem von den Staatsmännern zu leisten, denen mit der politischen eine ethische Verantwortung zukommt. Der Redner hat nicht nur politisch, sondern auch menschlich ein Vorbild zu sein. Ein bemerkenswerter Appell für die Verbindung von Rhetorik und Philosophie findet sich im ersten Proömium der Schrift De inventione / Über die Auffindung des Stoffes. Dieses Proömium formuliert eine leidenschaftliche Verteidigung einer Beredsamkeit, eloquentia, die das Bündnis mit der Weisheit, der sapientia, sucht. Cicero räumt wohl ein, dass die Beredsamkeit in der Geschichte viel Übles angerichtet habe. Größer hingegen sei ihr Nutzen gewesen, vor allem dann, wenn sie sich mit der Weisheit verbündet habe (De inv., 1.1). Es sei sinnlos, „geistige und sittliche Bildung“ zu vernachlässigen und all seine Anstrengungen „nur auf Redewendungen“ zu richten (ebd.). Hier konturiert Cicero einen idealen Redner, der rednerisch begabt und zugleich ein sittlichmoralisch vorbildlicher Mensch ist. Seine Redebegabtheit ist eine Frucht auch seiner moralischen Bildung, seiner Tugend. ,Tugend‘ ist ein Begriff, der heute etwas altertümlich anmutet, für den Bildungsgedanken der Römer aber zentral ist. Die Tugend (virtus) ist das Ziel der Bildung und Grundvoraussetzung für den idealen Redner, der sich der moralischen Verantwortung seiner Rede bewusst ist. Die große Qualität eines solchen Redners, der Beredsamkeit mit Weisheit verbindet, liegt darin, dass er Gemeinschaft stiftet und dazu verhilft, sie zu erhalten, dass er die Menschen dazu bewegen und sie davon überzeugen kann, den besseren Teil in sich zu aktivieren, den geselligen und zur Gemeinschaft und Vernunft fähigen (vgl. ebd.). Vor jeder Vereinnahmung durch geschickte Redner, die die Redekunst missbrauchen, steht für Cicero eine kulturelle Leistung der Rhetorik, ohne dass er dabei in die Emphase eines Sokrates verfällt, dass die Rhetorik die Wahrheit auffinden müsse. Auch der Orator unterstreicht, dass der Redner der Philosophie bedarf: „Denn ohne die Philosophie kann niemand mit breiter Ausführlichkeit über bedeutende und mannigfache Themen reden“ (Cic., Orat., 4.14). Die ,wahre‘ und ,vollkommene Beredsamkeit‘ (vera et absoluta eloquentia) trenne die Beherrschung der Sprache und ihrer Ausdrucksmittel nicht von der Philosophie, nicht von der Erkenntnis der Dinge (ebd., 5.17). In De inventione verbindet Cicero die Beredsamkeit zudem mit der Politik, indem er unterstreicht, dass sie für das Funktionieren des Staatswesens unerlässlich sei: Die Rhetorik sei ein Teil der politischen Wissenschaft (civilis scientia, vgl. Cic., De inv., 1.5). Ciceros Schrift De oratore zeichnet das Bild vom idealen Redner noch schärfer. Er erscheint zum einen als moralisch integre Persönlichkeit, zum anderen als ausgesprochen kenntnisreich. Er ist „ein Ehrenmann“, ein vir bonus (Cic., De orat., 2.85), genießt ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und kennt sich auf vielen Wissensgebieten aus. Er überzeugt durch seine Glaubwürdigkeit (vgl. Mayer 2007, 17–21). Prinzipiell ist er in der Lage, über alles kenntnisreich zu sprechen, da er sowohl auf der Grundlage der antiken artes liberales allgemeingebildet als auch in „Geschichte, Philosophie und Recht“ kundig ist (Robling 2007, 111). Daraus folgt, dass dem Red- 3. Der ideale Redner ner das Redenkönnen nicht einfach so zufliegt, sondern er muss sich intensiv Wissen in vielen Studienfächern aneignen, sich mit ehemaligen großen Rednern beschäftigen und sich auch die Theorie der Redekunst aneignen und sich immer wieder im Reden üben. Zu dieser Ausbildung und den Übungen, die sowohl das Reden aus dem Stegreif als auch schriftliche Ausarbeitungen umfassen (exercitatio, vgl. Cic., De orat., 1.150), muss jedoch eine „natürliche Begabung“ hinzutreten (ingenium, vgl. ebd., 1.113). Da eine solche Begabung von Natur aus als gegeben angenommen wird, können bestimmte Voraussetzungen eines guten Redens nicht erlernt werden. Als natürlich gegeben gelten beispielsweise Scharfsinnigkeit, eine gewisse Schnelligkeit im Denken, aber auch Stimme und äußerliche Gestalt (vgl. ebd., 1.114). Kann einerseits auch eine noch so fleißige exercitatio ohne dieses ingenium nicht viel ausrichten, so bedarf andererseits das ingenium der exercitatio. Das ingenium steht „als Talent zur Kombination und Anwendung der Regeln über dem Schulwissen“ (Robling 2007, 111). Ein geringes ingenium kann aber nicht vollkommen durch die exercitatio ausgeglichen werden, will heißen, natürliche Begabung ist die Grundvoraussetzung eines idealen Redners. Anders als dies heute oft der Fall ist, hielten damals die Redner ihre Reden selbstverständlich auswendig. So betont Cicero in De oratore, dass ein guter Redner ein gutes Gedächtnis (memoria) haben müsse (Cic., De orat., 1.64). In der systematischen Rhetoriktheorie bildet das Auswendiglernen den vierten Arbeitsschritt: nach der Auffindung des Stoffes (inventio), der Anordnung der Argumente (dispositio) und der sprachlichen Ausgestaltung (elocutio) und vor dem Halten der Rede (actio). Dass das Memorieren einen eigenen Arbeitsschritt darstellt, zeigt, welch große Bedeutung der Gedächtnisleistung des Redners zuerkannt wurde. Die Rhetorica ad Herennium beschreibt diesen Arbeitsschritt: „Das Sicheinprägen ist das feste geistige Erfassen der Gegenstände, der Worte und der Gliederung“ (Rhet. ad Her., 1.2.3). Die memoria wird als „Schatzkammer“ (thesaurus) und als „Hüter aller Teile der Redekunst“ (omnium partium rhetoricae custos) bezeichnet (ebd., 3.16.28). Durch diese Bezeichnungen erhält das Gedächtnis zwei Konnotationen: Es ist zum einen ein Ding, ein Aufbewahrungsort, zum anderen eine Art Person, die eine Tätigkeit ausführt (vgl. Berns 2003, 539). Für diese Tätigkeit des Sicheinprägens wurde eine eigene komplexe Technik entwickelt, die sogenannte Gedächtniskunst (ars memorativa) oder Mnemotechnik. Sie basiert auf dem Prinzip, dass für die Dinge, die verhandelt werden, für Wörter, Sinnabschnitte und ganze Redeteile, jeweils eigene Orte und Bilder, loci und imagines, gesucht und die Bilder den Orten zugewiesen werden. So entsteht ein „Erinnerungsgebäude“, das der Redner beim Vortrag in seinem Geiste durchwandert. „An allen erinnerten Orten“ nimmt er die dort „deponierten Bilder“ ab (Yates 2001, 12). Die Rhetorica ad Herennium führt als Beispiel eine Anklagerede an, in der es darum geht, dass ein Mann anlässlich eines Erbschaftsstreits vergiftet wurde. Man könnte sich einen Kranken in seinem Bett vorstellen, der als Zeichen für die Vergiftung in der einen Hand einen Becher trägt. In der anderen Hand trägt er eine Schreibtafel als Hinweis darauf, dass das Motiv für die Vergiftung ein Erbschaftsstreit war. Außerdem trägt er an einem seiner Finger die Hoden eines Widders (testiculi) als Zeichen dafür, dass es Zeugen (testes) für diese Tat gibt. Dieses Gedächtnisbild könnte weiter ausgeführt und schließlich die Rede mit Hilfe der Beredsamkeit und Gedächtnis / Gedächtniskunst 19 20 II. Rhetorik und ihre Anfänge gewählten Orte und Bilder memoriert werden (vgl. Rhet. ad Her., 3.20.33). An diesem Beispiel ist zu erkennen, dass die Gedächtniskunst eine komplexe Technik darstellt und einiges erfordert: die Orte und Bilder müssen einerseits prägnant gewählt sein, sich andererseits auch leicht einprägen lassen. Denn auch an sie muss man sich erinnern. Da das Gedächtnis ein Vermögen darstellt, besteht die Frage, in welcher Beziehung es zu der natürlichen Begabung steht, die der ideale Redner mitbringen muss. In De oratore heißt es, dass „die natürliche Begabung die wichtigste Voraussetzung“ für ein gutes Gedächtnis sei (Cic., De orat., 2.356). Allerdings lasse sich das Gedächtnis durch Übungen fördern und sei sogar darauf angewiesen, trainiert zu werden (ebd., 3.357). Cicero erläutert jene Technik, die die Rhetorica ad Herennium beschreibt und begründet ihren Vorteil damit, dass sich Bilder und Orte, die sich der Gesichtssinn einmal eingeprägt habe, gut zur Gedächtnisstütze verwenden und leicht merken ließen (vgl. ebd.). Die Gefahr einer Überladung des Gedächtnisses sieht er nicht, sondern bekräftigt die Notwendigkeit dieser Technik, die schlummernde Gedächtniskräfte zu Tage fördern könne (ebd., 3.360). 4. Die Dreistillehre und das Ideal der Angemessenheit Der ideale Redner vermag es, zu jedem Anlass die richtigen Register zu ziehen. Er ist prinzipiell jeder Situation gewachsen und auch fähig, aus dem Stegreif die richtigen Worte zu finden und die Zuhörer zu überzeugen. Nicht zu jeder Rede passt jeder Stil. In Abhängigkeit von den zentralen Aufgaben des Redners (officia oratoris) und im Hinblick auf das Ideal der Angemessenheit entwickelte vor allem Cicero die sogenannte Dreistillehre, die bis in die Frühe Neuzeit zu einer leitenden Konstante der Rhetoriktheorie wurde. In einer prägnanten Passage im Orator heißt es: Es gibt so viele Stilarten, wie es Aufgaben des Redners gibt: den schlichten Stil, wenn es darauf ankommt, zu überzeugen; den gemäßigten, wenn man Gefallen finden will; den leidenschaftlichen, wenn es darum geht, erschütternden Eindruck zu machen. In diesem einen liegt die gesamte Wirkungsmöglichkeit des Redners. Über ein sicheres Urteilsvermögen und höchste Fähigkeit wird also der verfügen müssen, der diese dreigeteilte Wandlungsfähigkeit im richtigen Maß und Verhältnis einsetzen soll. Denn er wird sich ein Urteil zu bilden haben, was jeweils nötig ist, und er wird so zu reden vermögen, wie es der Fall auch immer erfordert. Aber die Redekunst hat wie die anderen Fähigkeiten ihre Grundlage in der Weisheit. Denn wie im Leben so gibt es auch in der Rede nichts Schwierigeres, als zu sehen, was angemessen ist. Die Griechen bezeichnen das als pr¡pon (prépon), wir wollen es einfach geziemend nennen. (Cic., Orat., 21.69 f.) Belehren, Unterhalten, Bewegen Bei der Wahl des Stils muss der Redner zunächst überlegen, welche Wirkung er beim Zuhörer erzeugen möchte. Bei den drei zentralen Aufgaben des Redners (officia oratoris) handelt es sich um das Belehren oder Beweisen (docere oder wie hier probare), das Unterhalten (delectare) oder das Bewegen (movere oder wie hier flectere).