Journal Club - BIOspektrum

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WISSENSCHAFT · JOURNAL CLUB
ÿ Ein künstliches Seleno-Enzym: DicyclodextrinylGlutathionperoxidase
ÿ Mutationen in mitochondrialer DNA beschleunigen das Altern
ÿ Zwei Menschheiten? Mitochondriale DNA zeigt Abspaltung in
Populationen südlich der Sahara
ÿ Ein thermophiler Crenarchaeot als Ammonium-Oxidierer
Lothar Jaenicke1 Jochen Graw2
Johannes Sander3
Ein künstliches Seleno-Enzym: Dicyclodextrinyl-Glutathionperoxidase
Das Selenoenzym Glutathionperoxidase
(GPX, EC 1.11.1.9) katalysiert die Reduktion schädlicher Peroxide (ROS), indem es
selbst aus dem Selenidzustand (E-SeH)
zum Selenol (E-SOH) oxidiert. Über verschiedene Zwischenstufen kehrt es dann
wieder in den Ausgangszustand zurück.
Da viele Krankheiten auf ROS-Schädigung
zurückgeführt werden, sind einfache zellulär wirksame GPX-Mimetica vergleichbarer Wirksamkeit gesucht.
ó Ein unvollkommenes, aber gebrauchtes
Mimetikum ist das 6,6’-Diselenido-bis-Cyclodextrin (6-SeCD). Es hat nun S-W. Lv et al.
(G-M. Luo, FEBS J. 274 (2007) 3846–3854)
Modell gestanden für das sehr wirksame, einfach zu synthetisierende 6A,6A’-Dicyclohexylamin-6B,6B’-diselenido-bis-β-Cyclodextrin
(6-CySeCD). Man erhält es in folgender Reaktionsfolge: CD (Cyclodextrin) (i) m-Benzoldisulfonylchlorid/Pyridin; (ii) KI/DMF; (iii) Cyclohexylamin (cy-NH2)/DMF; NaSeH/DMF/PBS
(anaerob); (iv) O2 → CD(6-NH-cy)-Se-Se-CD(6’NH-cy) (= 6-CySeCD). Das Enzym hat eine
amphiphile Bindestelle, die in Form und Größe
den Substraten entspricht, und stabilisiert
durch die Imidogruppe das Selenolat während
des Katalysezyklus (wie im natürlichen Enzym).
Sein steady state-Reaktionsmechanismus ist
ping-pong, ebenfalls wie bei nativer GPX. Es
ist anderen GPX-Mimetica nicht nur in der
Reduktion von H2O2 und organischen Hydroperoxiden überlegen, sondern auch im Schutz
gegen die membranschädigende Mitochondrienschwellung durch das Fenton (Feiv=O)System.
Y Damit ist 6-CySeCD ein aussichtsreicher,
den bisherigen Stoffen überlegener Kandidat
für die Vorbeugung und Therapie von ROSGewebeschädigungen.
Lothar Jaenicke ó
Mutationen in mitochondrialer DNA beschleunigen das Altern
Seit langer Zeit wird die Hypothese diskutiert, dass Mutationen im mitochondrialen Genom die Lebensspanne von Säugern begrenzt. Die Gruppe von Marc Vermulst von der Universität in Washington
(Seattle) untersuchte mit Kollegen in Wisconsin (Nat. Genet. 40 (2008) 392–394)
Mutationen in mitochondrialer DNA von
Mäusen, bei denen die proofreading-Aktivität im Gen für die DNA-Polymerase γA
ausgeschaltet ist (Polga–/–). Die homozygoten Mutanten zeigten einige Erscheinungsformen beschleunigten Alterns,
wohingegen heterozygote Mäuse sich
unauffällig verhielten.
ó Genauere Untersuchungen zeigten, dass
bei den homozygoten Mutanten die Zahl der
Deletionen in Gehirn und Herz mit dem Alter
um das 7–10fache ansteigt; Punktmutationen
haben dagegen keine statistisch signifikante
Bedeutung. Da Deletionen oft ihre Ursache in
vorausgehenden Doppelstrangbrüchen der
DNA haben, liegt es nahe, einen ähnlichen
Mechanismus auch im Fall der Polga-defizienten Mäuse anzunehmen. Die Deletionen bei
den Polga–/–-Mäusen treten bevorzugt zwischen nichthomologen Sequenzen auf, was die
Interpretation nahelegt, dass die proofreadingAktivität der DNA-Polymase γA Rearrangements zwischen nichthomologen Sequenzen
unterdrückt. Doppelstrangbrüche haben ihre
Ursachen häufig in einem ungenügenden
Schutz vor oxidativem Stress – die Deletionen,
die auf diesen Mechanismus zurückzuführen
sind, betreffen allerdings fast ausschließlich
Deletionen zwischen homologen Sequenzen
(hier besonders zwischen zwei Wiederholungseinheiten, die 15 bp lang sind und als
Mutationshotspots gelten).
Y Diese Arbeit ist aus zweierlei Gründen interessant: Einmal deutet sie darauf hin, dass es
einen Homologie-abhängigen Reparaturmechanismus für mitochondriale DNA gibt, der
Ähnlichkeiten mit Rekombinationsprozessen
aufweist. Zum anderen erscheint es sinnvoll,
Polymorphismen im Polga-Gen im Hinblick auf
ihre proofreading-Aktivität zu untersuchen.
Das könnte neue Hinweise auf Ursachen bei
altersabhängigen Erkrankungen geben.
Jochen Graw ó
1 Institut f. Biochemie, Universität zu Köln, Zülpicher Straße 47, D-50674 Köln
2 Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
3 Falkenstraße 87, D-58553 Halver
BIOspektrum | 04.08 | 14. Jahrgang
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Zwei Menschheiten? Mitochondriale DNA zeigt
Abspaltung in Populationen südlich der Sahara
Die Phylogenie der mütterlich vererbten
mitochondrialen DNA spielt bei der Evolutionsanalyse der Menschheit eine zentrale Rolle. Moderne Menschen haben in
einer Auswanderungswelle aus Afrika vor
50.000–65.000 Jahren den Rest der Welt
besiedelt, was nicht zuletzt dadurch deutlich wird, dass heute noch innerhalb von
Afrika die genetische Vielfalt des Menschen größer ist als außerhalb. Ein internationales Team um Dahor Behar
(Haifa/Israel) und Richard Villems (Tartu/Estland) hat aus 624 vollständigen
mitochondrialen Genomen verschiedener
heute südlich der Sahara lebender Populationen einen Stammbaum konstruiert
(D. Behar et al., Am. J. Hum. Genet. 82
(2008) 1130–1140).
ó Dabei legten die Autoren besonderen Wert
auf die Khoi- und San-Völker in Südafrika, die
als einzigartige Überreste einer Jäger-undSammler-Kultur gelten. Die Daten zeigen, dass
sich die mitochondriale DNA dieser beiden Völker vor etwa 90.000–150.000 Jahren vom Rest
des menschlichen Genpools abgespalten hat.
In dieser Zeit bildeten sich offensichtlich etwa
40 verschiedene Abstammungslinien im südafrikanischen Raum. Erst viel später, während
der späten Steinzeit vor etwa 40.000 Jahren,
wurden Allele anderer Populationen durch
Kreuzungen und Rückkreuzungen in den mitochondrialen Genpool eingefügt (introgression);
dieser Prozess hat sich durch die jüngere
Expansion der Bantu weiter beschleunigt.
Y Diese Arbeit gibt natürlich Anlass zu Spekulationen: Hätten sich zwei Menschheiten entwickelt, wenn die Isolation der ursprünglichen
Populationen länger angedauert hätte? Im Übrigen stimmen die Untersuchungen der mitochondrialen DNA mit denen männlicher Y-Chromosomen überein: Der ursprünglichste Ast des
Y-chromosomalen Stammbaums ist unter den
Khoi-San-Völkern weit verbreitet, kommt aber in
anderen Populationen nur selten vor. Auch bei
linguistischen Merkmalen haben diese Völker
eine größere Ähnlichkeit untereinander als mit
anderen Populationen in Afrika.
Jochen Graw ó
Ein thermophiler Crenarchaeot als AmmoniumOxidierer
Galten früher allein Proteobakterien als
zur Ammonium-Oxidation befähigt, so ist
heute bekannt, dass auch Planktomyceten und Crenarchaeotae eine wesentliche
Rolle bei diesem Prozess spielen.
ó Die bisher untersuchten Vertreter der Crenarchaeotae, die zur Ammonium-Oxidation befähigt sind (AOA), bevorzugen mesophile Bedingungen. R. Hatzenpichler et al. (Proc. Natl.
Acad. Sci. USA 105 (2008) 2134–2139) ist es
jetzt gelungen, schwach thermophile Archaea
(46 °C) aus einer Mikrobenmatte einer heißen
sibirischen Quelle anzureichern, die zur Oxidation von Ammonium zu Nitrit befähigt sind.
Die Expression der Untereinheit A der Ammonium-Oxidase (amoA) wurde von den Autoren
über eine RT-PCR gezeigt. Über eine (CARD-)
FISH-Analyse gekoppelt mit einer Mikroaudioradiographie mit radioaktiv markiertem Bicarbonat und einer Konzentrationsbestimmung
des Ammoniums konnte die Ammonium-Oxidation einzelnen Zellen (Cocci) zugeordnet
werden. Diese Zellen wurden mit dem Namen
Candidatus Nitrososphaera gargensis belegt
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und gehören innerhalb der Crenarchaeota in
die Gruppe I.1b. Damit unterscheiden sie sich
phylogenetisch von den übrigen bekannten
AOA, den Candidati Nitrosopumilus marinus
und Cenarchaeum symbiosum, die zur Gruppe
I.1a gehören. Interessanterweise ist N. gargensis offensichtlich an niedrige Ammoniumkonzentrationen angepasst, sodass bereits bei
einer Konzentration von 3,08 mM Ammonium
der Prozess gehemmt wird. Das passt zu der
niedrigen Ammoniumkonzentration am Fundort des Organismus.
Y Die Entdeckung eines thermophilen Ammonium-oxidierenden Archaeons könnte bedeuten,
dass dieser Prozess evolutionsgeschichtlich alt
ist. Die Anpassung an niedrige Ammoniumkonzentrationen unterstützt außerdem die These von Valentine (Nat. Rev. Microbiol. 5 (2007)
316–323), dass die Archaea sich in Abgrenzung von den Bakterien an chronischen Energiestress angepasst haben und ihre Evolution
vor allem durch diese Anpassung gesteuert
wird.
Johannes Sander ó
Kurz gefasst
ó Synthese von Nukleosidtriphosphaten ohne Kinase
Wie synthetisieren Mykoplasmen
ohne Nucleosiddiphosphatkinase, nur
mit Nucleosidmonophosphatkinasen
(NMPK) Nukleinsäuren? Ureaplasma
parvum-NMPKs können (d)NMPs
unmittelbar zu (d)NTPs umsetzen (L.
Wang, FEBS J. 274 (2007) 1983–
1990). Die Reaktionsgeschwindigkeiten der (d)NDP-Synthesen sind größer als die von (d)NTP. In vivo wird die
Geschwindigkeit NTP/dNTP durch die
NMP-Konzentration geregelt, sodass
zu schließen ist: NMPKs können die
Funktion der NDKs ersetzen.
LJ
ó Brassinosteroide
Brassinosteroide sind Pflanzenwuchsstoffe. Fehlen sie oder ihre
Transmembran-Rezeptorproteine,
bleiben die Pflanzen zwergwüchsig (S.
Fujioka et al., Annu. Rev. Plant Biol.
54 (2003) 137–164). S. Savaldi-Goldstein et al. (Nature 446 (2007) 199–
202) beweisen an BrassinosteroidSynthese-Mangelmutanten und deren
Restitution durch Gen-Expression,
dass diese Rezeptoren ausschließlich
in der Epidermis liegen.
LJ
ó Eisen-haltige Proteine bei
Ferroplasma acidiphilum
86 % der untersuchten Proteine bei
Ferroplasma acidiphilum enthalten
Eisen als Kofaktor. Die Autoren vermuten, dass sich die FerroplasmaLinie seit Entstehung des Lebens ausschließlich in einem sauren, eisenreichen Milieu entwickelt haben könnte. Ihr Studium wäre dann für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung des Lebens von großer
Bedeutung (M. Ferrer et al., Nature
445 (2007) 91–94).
JS
ó Faltungs-Funktions-Konzept
Viele Proteine sind im Komplex mit
dem Indikatormolekül stabil gefaltet,
sonst flexibel. K. Sugase et al. (Nature 447 (2007) 1021–1025) beschreiben für die Aktivierungsdomäne des
Transktriptionsfaktors CREB (p300)
einen Dreistufen-Vorgang: Nach dem
Treffen mit dem Liganden werden
schwache unspezifische Wechselwirkungen tätig. Das folgende strukturierte Wechselspiel geht durch Molekularbewegung in den Endzustand
über, der den festen Kontrakt mit dem
Liganden herstellt.
LJ
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