Arch.Geflügelk., 69 (5). S. 235–237, 2005, ISSN 0003-9098. © Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Reproduktives Adaptationsvermögen von Broiler-Muttertieren bei hohen Umwelttemperaturen unter Nutzung spezieller Majorgene A. Reza Sharifi Dissertation Humboldt-Universität Berlin 2004 In einer Vielzahl von Untersuchungen, die überwiegend mit Legepopulationen durchgeführt worden sind, ist eine depressive Wirkung der hohen Umwelttemperaturen auf Wachstum und Fruchtbarkeitsgeschehen nachgewiesen. Durch die hitzebedingte Verringerung der Überlebensrate, der Legetätigkeit und der Qualität des Bruteis sowie durch verminderte Fertilität und Schlupffähigkeit wird die Wirtschaftlichkeit der Broiler-Elterntierhaltung unter den heißen Standortbedingungen beeinträchtigt. Eine Verringerung der wärmespezifischen Leistungsdepression kann mittels züchterischer und haltungstechnischer Möglichkeiten erzielt werden, wobei im Gegensatz zu Züchtungsumsetzungen die Einführung haltungstechnischer Maßnahmen mit hohen Investitionen und dauerhaft anfallenden Kosten verbunden ist. In dieser Arbeit wurden die Einflüsse der tropenrelevanten Majorgene zur Verbesserung der tierischen Leistung der Mast-Elterntiere bei thermischer Belastung in mehreren faktoriell angelegten Versuchsreihen geprüft. Entsprechend dem in der Praxis üblichen Produktionssystem für die Mastgeflügelzucht dienten in diesen Versuchsreihen zwei genetisch differenzierte experimentelle Mast-Eltern-Zuchtlinien. Die Broilermutterlinie (MZL) mit hoher Reproduktionsrate und guter Mastleistung ist segregiert in den Majorgenen für Zwergwüchsigkeit (dw) und Lockenfiedrigkeit (F), während die schwere Broilervaterlinie (VZL) mit genetischer Anlage für hohe Mastleistung in dem Majorgen für Nackthalsigkeit (Na ) segregiert. Die Hennen der Mutterzuchtlinie wurden zum Vergleich in zwei aufeinanderfolgenden Versuchreihen (I und II) ab der 18.-20. Lebenswoche bis jeweils zur 64. bzw. 72. Lebenswoche unter hohen (30 °C, rel. Luftf. 55-58 %) und gemäßigten Temperaturen (ca. 19 °C) in Einzelkäfigen gehalten. Zusätzlich wurden in der Versuchsreihe III die Hennen aller vier Genotypen ab der 18. Lebenswoche in nur einer Versuchskammer unter konstanten Temperaturen von ca. 24,5 °C und 55 % relativer Luftfeuchte in Einzelkäfigen kontrolliert. Die Junghennen wurden während der Aufzuchtperiode in der Versuchsreihe I ad libitum und in der Versuchsreihe II restriktiv gefüttert. In der Legeperiode erhielten die Zwerge eine ad libitum Ration, während die nomalwüchsigen Typen restriktiv (Vers. II) gefüttert wurden. Abweichend davon erhielten alle Hennen der Versuchsreihe III während der gesamten Versuchsdauer ein ad libitum-Futterangebot. Die Hennen der Mutterzuchtlinie der Versuchsreihe I waren im Merkmal Lockenfiedrigkeit heterozygot, mit und ohne Kombination mit dem Zwergfaktor dw (Ffdw-, FfDw-, ffdw-). Als Kontrolllinie dienten Normaltyp-Hennen Inst. für Nutztierwissenschaften, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Humboldt-Universität, Berlin, Germany Arch.Geflügelk. 5/2005 ohne Ausstattung mit den oben erwähnten Majorgenen (ffDw-). Die Hennen der Mutterzuchtlinie der Versuchsreihe II und III waren im Merkmal Lockenfiedrigkeit homozygot (FFDw-, FFdw-, ffdw-). Als Kontrolllinie dienten ebenfalls normalfiedrige und normalwüchsige Hennen (ffDw-). Die Ergebnisse lassen sich für die Hennen der Mutterzuchtlinie wie folgt zusammenfassen: Die thermische Belastung führt insgesamt zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Überlebensfähigkeit der adulten Hennen und zu einer erheblichen Depression der reproduktiven Leistung (Eizahl, Eigewicht, Eischalenqualität, Bruteianteil, Fertilität, Schlupffähigkeit, Anzahl der Küken, Kükengewicht) in beiden Versuchsdurchgängen I und II. Bei der Versuchsreihe I führt die Einzüchtung des F -Gens in heterozygoter Form (Ff) unter Temperaturbelastung zu keiner signifikanten Verbesserung der untersuchten Merkmale, obgleich eine tendenzielle positive Wirkung des F -Gens auf die Merkmale Überlebensfähigkeit, Legeleistung und Fertilität vorhanden ist. Unter gemäßigten Temperaturen besteht kein Einfluss des Lockengens in heterozygoter Form auf die Überlebensfähigkeit, das Wachstum und die Komponenten der reproduktiven Leistung. Während der Einfluss des Zwerggens (Vers. I) sich bei den Merkmalen Gewichtsentwicklung, Legereife, Eizahl und Eigewicht depressiv bemerkbar macht, verbessert er den Bruteianteil und die Schlupffähigkeit. Bei den Merkmalen Eizahl und Eigewicht bestehen allerdings signifikante Wechselwirkungen mit der Umwelttemperatur. Während unter gemäßigten Umwelttemperaturen die Zwerge den Normalwüchsigen signifikant unterlegen sind, besteht unter Temperaturbelastung aufgrund des besseren Adaptationsvermögens der Zwerge kein Unterschied zwischen beiden Körpergrößentypen. Bei der Versuchsreihe II treten bei fast allen untersuchten Merkmalen mit Ausnahme der Legereife signifikante Interaktionen zwischen Befiederungsgenotyp und Umwelttemperatur auf. Dabei führt die Einzüchtung des F -Gens in homozygoter Form (FF) unter Temperaturbelastung zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebensfähigkeit der Hennen und der Komponenten der Reproduktionsleistung Eizahl, Eigewicht Schalenqualität, Bruteianteil, Fertilität, Schlupffähigkeit, Anzahl der Küken und Kükengewicht. Unter gemäßigten Temperaturen ist die Wirkung des F -Gens in doppelter Dosis auf die reproduktive Leistung uneinheitlich. Während die Überlebensfähigkeit der Hennen, die Eischalenqualität, die Fertilität, das Eigewicht und das Kükengewicht durch die Einzüchtung des F -Gens erhöht wird, ist die Eizahl und damit verbunden die Kükenzahl in ausgeprägtem Umfang reduziert. Die Ursache für die depressive Wirkung des Lockengens in homozygoter Form auf die Legeaktivität liegt zum Teil in der verzögert einsetzenden Legereife, die sowohl unter gemäßigten als auch unter hohen Temperaturen auftritt und bei dem Kombinationstyp (FFdw-) insbesondere unter gemäßigten Temperaturen ein erhebliches Ausmaß einnimmt (dreifache Interaktion). 236 Sharifi: Reproduktives Adaptationsvermögen von Broiler-Muttertieren Auch in Versuch II ist eine depressive Wirkung des Zwergfaktors auf die Gewichtsentwicklung der Hennen und die Komponenten der reproduktiven Leistung Legereife, Eizahl, Kükenzahl und Kükengewicht vorhanden. Bei den Merkmalen Legebeginn, Legeleistung und Fertilität treten Interaktionen zwischen den Loci auf, wobei der Kombinationstyp (FFdw-) dem normalbefiederten Zwergtyp (ffdw-) im Merkmal Legeleistung unterlegen und im Merkmal Fertilität überlegen ist. Zwischen beiden Befiederungstypen des Normalwuchses (FFDw- und ffDw-) bestehen keine signifikanten Unterschiede. Die depressive Wirkung des homozygoten Lockengenotyps auf das Legegeschehen ist tendenziell auch in der Versuchreihe III erkennbar. Bei der Versuchsreihe IV (VZL) treten bei fast allen untersuchten Merkmalen mit Ausnahme der Legereife signifikante Interaktionen zwischen Befiederungsgenotyp und Umwelttemperatur auf. Unter der thermischen Belastung weisen die normalbefiederten Hennen (nana) bei allen untersuchten Merkmalen deutliche Leistungsdeppressionen auf. Die Einzüchtung des Nackthalsgens in homozygoter Form (NaNa) führt unter Temperaturbelastung zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebensfähigkeit der Hennen, des Wachstums und der Komponenten der Reproduktionsleistung Eizahl, Eigewicht Schalenqualität, Bruteianteil, Fertilität und Kükengewicht sowie Kükenzahl. Aufgrund einer Nackthalsgen bedingten Erhöhung der embryonalen Mortalität sind die Nackthalshennen (NaNa) in den Merkmalen Schlupffähigkeit und Kükenzahl den normalbefiederten Hennen (nana) gegenüber unterlegen, wenn der Embryo im Merkmal Nackthalsigkeit homozygot ist. Ist der Embryo jedoch heterozygot - also aus der Anpaarung nana x NaNa hervorgegangen - sind die Nackthälse (NaNa) den normalbefiederten Hennen (nana) auch im Merkmal Schlupffähigkeit überlegen. Unter gemäßigten Temperaturen ist die Wachstumsrate der nackthalsigen Hennen (NaNa) gegenüber den normalbefiederten Hennen (nana) reduziert. Im Hinblick auf die Komponenten der Reproduktionsleistung besteht mit Ausnahme des Schlupferfolges und damit verbunden der Anzahl der Küken zwischen beiden Genotypen kein signifikanter Unterschied. Durch die Einzüchtung des Nackthalsgens wird die spätembryonale Mortalität erhöht, wobei die Mortalität der Embryonen im homozygoten Genotyp ein wesentlich höheres Ausmaß erreicht als die der heterozygoten Embryonen. Die Ursachen für die durch das Gen bedingte embryonale Mortalität liegt weder im embryonalen Sauerstoffverbrauch noch in der embryonalen Wärmeentwicklung oder in der Stellung des Embryos im Ei in der Spätphase der Brut begründet. Autorenreferat Stichworte Broiler, Hauptgen, Reproduktionsleistung, Umgebungste mperatur, Embryonalentwicklung Reproductive adaptability of broiler dams carrying special major genes under high environmental temperatures In a series of experiments, mostly conducted in laying populations, a depressive effect of high temperatures on growth and reproduction has been verified. For reasons of depressions in important characteristics such as survival rate, laying activity and quality of hatching egg as a result of the influence of hot temperatures the profitability of the broiler industry in hot climates is affected. A depression of performance due to high temperature can be reduced through breeding or management practices, which unlike breeding measures involve investments and permanently arising expenses. The present thesis investigates the influence of major genes relevant in tropical environment for improvements in growth rate, livability and reproduction performance of broiler parents under thermal impact in a series of factorial experiments. According to the common production systems for the broiler industry two different parental broiler lines have been used in this experimental design. The broiler breeder dams (MZL) with high reproduction rate and good fattening performance are carriers of the major genes for dwarfism (dw-) and frizzle (F), while the heavy broiler sire line (VZL) with genetic disposition for high growth performance is carrier of the major gene for naked neck (Na). In two successive experimental series (I and II), the hens of the broiler breeder dam line (MZL) were housed in separate cages under high and moderate temperatures, 30 °C and 19 °C respectively, with relative humidity of 55-56 % from the 18th-20th week of age to the 56th and 72th week respectively. Especially in the experimental series III the hens of all four genotypes were housed in separate cages under one roof and constant temperature of around 24.5 °C and 55 % relative humidity. All hens of experimental series I have been fed ad libitum during the rearing period; during laying period only dwarfs were fed ad libitum while those of normally sized animals kept under restricted feeding. In experimental series II all hens were under restricted feeding during rearing period followed by the same set-up as in experimental serie I which was ad libitum feed for dwarfs and restricted feeding for normally sized hens. In conduct to the first two experiments all hens of experimental series III have been fed ad libitum during the whole course of the experiment. Hens of the broiler breeder line (MZL) in experimental series I were heterozygous for the frizzle gene, both in combination and without the dw -factor (Ffdw-, FfDw-, ffdw-). Hens without the above mentioned major genes (ffDw-) served as control lines. Hens of the broiler breeder dam line (MZL) of experimental series II and III were homozygous for the frizzle trait and were also carriers of the combination of dw -factor or of normal body size (FFdw-, FFDw-, ffdw-). The normally sized and feathered hens (ffDw) gain served as control line. The results for the hens of the broiler breeder dam line hens (MZL) may be summarized as follows: The thermal impact leads overall to a significant interference of survival rate of adult hens and a considerable depression in reproduction performance (number of eggs, egg weight, egg shell quality, seatable eggs, fertility, seat ability, number of chicks, chick weight) in both experimental settings I and II. Under high ambient temperatures, the frizzle gene in heterozygous form (Ff) does not lead to a significant improvement in the tested traits in experimental series I, although a significant positive effect of the F-gene is recognizable for the following traits: survival rate, laying performance and fertility. Under moderate temperatures the frizzle gene in heterozygous form has no significant impact on survival ratio, growth and the components of reproduction performance. While the influence of the dwarf gene (exp. I) with respect to growth development, sexual maturity, number of eggs and egg weight is depressive, it improves the fraction Arch.Geflügelk. 5/2005 Sharifi: Reproduktives Adaptationsvermögen von Broiler-Muttertieren of hatchable eggs and also the hatchability. A significant interaction with the environmental temperatures exists for number of eggs as well as for egg weight. Under moderate conditions the dwarfs are significantly inferior to the normally body sized birds while under hot temperatures due to the better adaptability of the dwarfs there is no difference between the two types of body size. In the experimental series II almost all traits except for sexual maturity show a significant interaction between feathering genotype and environmental temperatures. The survival ratio of hens and components of reproduction performance such as number of eggs, egg weight, shell quality, fraction of seatable eggs, fertility, hatchability, number of chicks and chick weight clearly improves if the F-gene is present in homozygous form (FF). Under temperate conditions the effect of the homozygous F-gene on reproduction performance is inconsistent. While survival ratio of hens, egg shell quality, fertility, egg weight and weight of chicks improves by the presence of the F-gene, number of eggs and in association with that number of chicks is distinctly reduced. The reason for the depressive effect of the homozygous F-gene on laying intensity consists in the delay of age at first egg which occurs under moderate and high temperatures. This deficiency gains a considerable dimension for the combined genotype (FFdw-) especially under temperate conditions, adding up to a triple interaction. In experiment II, the dw-factor also shows an overall depressive effect on the growth of hens and on most components of reproductive performance such as sexual maturity, number of eggs, number of chicks and chick weight. For other reproductive traits such as sexual maturity, laying performance and fertility special locus by locus -interactions occur. The combined genotype (FFdw-) proves to be inferior to the normal feathered dwarf type (ffdw-) for laying performance but superior to the normally size dam type in fertility. Furthermore, significant differences were found between the two types of feathering in the normally sized genotypes (FFDw- and ffDw-) were not observed. A nonsignificant depressive effect of the homozygous F -gene on laying performance was also noted in the experimental series III, too. Arch.Geflügelk. 5/2005 237 The experimental series IV (VZL) shows significant interactions between feathering type (NaNa, nana) and environmental temperatures in almost all traits tested (with the exception of age of maturity). Under thermal pressure the normally feathered hens (nana) show clear performance depressions in all traits measured. The use of the naked neck gene (Na) in homozygous form results under high temperatures in a distinct improvement of survival ratio of hens, growth and components of reproduction like number of eggs, egg weight, shell quality, fraction of seatable eggs, fertility and chick weight as well as number of chicks. Due to an increase in embryonic mortality as a result of the naked neck gene, the naked necks (NaNa) are inferior to the normal hens (nana) for the trait hatchability when the embryos were homozygous for the Na-gene. If the embryos were heterozygous descending from a nana x NaNa mating plan NaNa-hens were also superior to nana-hens in hatchability. Under temperate conditions, the growth rate of NaNa-hens is reduced compared to nana –hens. But in the components of reproduction performance differences were not significant between both genotypes; an exception was found only in hatchability and consequently in the complex trait of number of chicks. Due to the Na-gene, embryonic mortality in the late hatching stage is significantly increased, whereby the homozygous genotype is much more affected than the heterozygous embryo. The possible reason for the Na -gene induced embryonic mortality is still not clear. In this investigation the phenomenon can neither be explained by the oxygen consumption, nor by the heat development or by the position of the naked neck embryo. Key words Broiler, major gene, reproductive performance, environmental temperature, embryonic development Correspondence: Dr. A.R. Sharifi, Inst. of Animal Breeding and Genetics, Georg-August University, Albrecht-Thaer-Weg 3, 37075 Göttingen, Germany; e-mail: [email protected]