Welt der Wissenschaft: Aufbau der Galaxis Die Sterne dieser lockeren Gruppe sind erst kürzlich aus einer dichten Wolke aus Gas und Staub entstanden. Die heißesten unter ihnen haben mit ihrer Strahlung und ihrem Wind die Reste der Wolke aufgelöst. Die gemeinsame Bewegung der Sterne im Raum bezeugt ihren gemeinsamen Ursprung. Das Gebilde ist ein »offener Sternhaufen«, seine offizielle Bezeichnung ist NGC 4755, und sein glitzernder Anblick hat ihm den Namen »Schatzkästlein« eingebracht. Er ist nur zehn Millionen Jahre alt, seine Entfernung beträgt knapp 2000 Parsec oder 6600 Lichtjahre. In Kürze ó Sterne entstehen in Haufen oder Gruppen entlang der Spiralarme unserer Galaxis. Die Haufen sind zunächst in dichte Wolken aus Staub und Gas eingebettet. ó Wenn die heißesten Mitglieder mit ihrer Strahlung und ihren Winden die Umgebung leer gefegt haben, werden die offenen Sternhaufen sichtbar und bieten oft ein herrliches Schauspiel. ó Offene Sternhaufen leben nicht lange – im Mittel etwa 300 Millionen Jahre. Danach werden sie schnell von den Gezeitenkräften der Milchstraße »aufgerieben«, und ihre Mitglieder im weiten Umfeld zerstreut. 30 August 2011 Sterne und Weltraum Offene Sternhaufen Bausteine der Milchstraße ESO Eine Bestandsaufnahme der offenen Sternhaufen in der weiteren Sonnen­umbebung hat gezeigt, dass es heute in der galaktischen Scheibe etwa 100 000 Exemplare gibt, und dass rund 40 Prozent aller Sterne der Scheibe ihre Jugend in solchen Haufen verbringen. Die anderen 60 Prozent bilden sich in »eingebetteten Haufen«, die sich bereits tief im Innern der Molekülwolken auflösen, aus denen sie entstanden sind. www.astronomie-heute.de August 2011 31 Von Siegfried Röser und Elena Schilbach mit Fug und Recht als Bausteine unserer D Aussage ergab sich aus der Analyse einer ie offenen Sternhaufen gehö­ umfassenden Stichprobe naher offener ren zu den beliebtesten Beob­ Sternhaufen, die wir im letzten Jahrzehnt achtungsobjekten am Nacht­ durchgeführt haben und von der im Fol­ himmel. Sind sie bloß schöne genden die Rede ist. Episoden im weiten Feld der Galaxis, oder Sternhaufen – wichtige Entfernungsindikatoren Galaxis zu bezeichnen. Diese quantitative D ie Bestimmung von Entfernungen im Weltall ist eine grundlegende Aufgabe, die sich den Astronomen immer wieder stellt. Ohne deren Kenntnis Aufbau und Entwicklung des Milchstra­ Lockere Ansammlungen mit Gruppendynamik ßensystems? Das Band der Milchstraße zieht sich in zu verstehen. Die trigonometrische Aus zwei Gründen ist ihr Studium von einem Großkreis über den Himmel. Es Entfernungsbestimmung ist der erste großer Bedeutung: Da alle ihre Mitglieder ist die Heimat der offenen Sternhaufen, Schritt ins Weltall, aber ihre Reichweite praktisch gleichzeitig entstanden sind die, im Gegensatz zu den Kugelstern­ ist durch den Durchmesser der Erdbahn und die gleiche chemische Zusammenset­ haufen, stark zur Ebene der Galaxis hin um die Sonne und die Genauigkeit der zung haben, sind sie ein natürliches Labor, konzentriert sind. Die Skalenhöhe ihrer Messinstrumente begrenzt. Daher konn- in dem sich Theorien zur Entstehung und Verteilung – das ist die Höhe über der te selbst Hipparcos, der astrometrische Entwicklung der Sterne prüfen lassen; galaktischen Ebene, bei der die Zahl der Satellit der ESA, nur Entfernungen bis und während man früher annahm, dass Haufen im Vergleich zum galaktischen etwa 150 Parsec mit einer Genauigkeit offene Sternhaufen nur weniger als zehn Äquator um den Faktor 1/e ≈ 0,37 gesun­ von besser als zehn Prozent bestimmen. Prozent zur stellaren Population der dün­ ken ist – beträgt nur etwa 50 Parsec. Die Mit einem anderen Verfahren, der nen Scheibe des Milchstraßensystems bei­ Scheibe, in der sich die Population der »Hauptreihenanpassung«, lässt sich die tragen, wissen wir heute, dass die galak­ offenen Sternhaufen befindet, ist somit Entfernungsbestimmung der offenen tische Scheibe zu etwa 40 Prozent aus den als sehr dünn zu bezeichnen, selbst wenn Sternhaufen auf mehrere tausend Parsec Zerfallsprodukten aller jemals gebildeten man ihren Radius nur mit dem Abstand ausdehnen. Die Methode beruht auf offenen Sternhaufen besteht. Sie sind also der Sonne vom Galaktischen Zentrum, theoretischen Entwicklungsmodellen, erfüllen sie eine wichtige Funktion bei wäre zum Beispiel die Energieerzeugung der Sonne und der Sterne nicht die für jeden Stern gegebenen Alters, gegebener Masse und chemischer Zusammensetzung dessen Leuchtkraft und effektive Temperatur liefern. Daraus lassen sich über die Kenntnis des Aufbaus der Sternatmosphären für verschiedene Metallhäufigkeiten die zugehörigen absoluten Helligkeiten und Farben berechnen. Trägt man im Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) eines neugeborenen Haufens die Farben und Helligkeiten seiner Mitglieder unter- A Sonne schiedlicher Masse ein, so kommen sie alle auf der Alter-Null-Hauptreihe zu liegen – die massereichen links oben (hell und heiß), die massearmen rechts unten (lichtschwach und kühl. Später, nach Jahrmillionen der Entwicklung, bilden die Haufenmit- galaktisches Zentrum 1000 Parsec S. Röser, E. Schilbach glieder eine so genannte Isochrone (Linie gleichen Alters, siehe Bild oben). Solche Isochronen wurden für Sternhaufen beliebigen Alters berechnet. Die für Sternhaufen verschiedenen Alters berechneten Isochronen unterscheiden sich in der absoluten Helligkeit und So verteilen sich die 650 offenen Sternhaufen der in diesem Artikel vorgestell- im Farbindex, bei denen sie von der ten Untersuchung auf die galaktische Ebene. Jeder Punkt stellt einen Haufen Alter-Null-Hauptreihe abweichen. Das dar und hat etwa dessen gemessene Farbe. Die jüngsten Haufen, in denen höhere Alter bewirkt ein Abknicken der noch Sterne der Spektralklassen O und B leuchten, sind als blaue Punkte Isochrone bei geringerer Helligkeit (oder dar­gestellt, ihre Verteilung folgt dem Verlauf der galaktischen Spiralarme in geringerer Masse) und größerem Farbin- der weiteren Sonnenumgebung. Der Pfeil weist zum Galaktischen Zentrum dex (oder geringerer Temperatur). hin, die galaktische Rotation um das Zentrum verläuft im Uhrzeigersinn. 32 August 2011 Sterne und Weltraum Alter-Null-Hauptreihe Modelle zuverlässig sind. Die Modellparameter müssen zu Anfang Alter: mit Hilfe naher Sternhaufen kalibriert werden, für die möglichst genaue trigonometrische Parallaxen vorliegen. Wie problematisch 10 Mio. Jahre das sein kann, zeigt der Streit um die Entfernung der Plejaden. Der Streit brach nach den Beobachtungen des Hipparcos-Satelliten der ESA zwischen Astrometern und theoretischen Astrophy- 100 Mio. Jahre 1000 Mio. Jahre 0 5 10 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 Farbe B–V In diesem Farben-Helligkeits-Diagramm sind die Alter-NullHauptreihe (schwarz) sowie die berechneten Isochronen (Linien gleichen Alters) für 10, 100 und 1000 Millionen Jahre alte Sterne dargestellt. Zum Beispiel liegen auf der blauen Kurve (Alter zehn Millionen Jahre) Sterne mit 0,4 Sonnenmassen bei MV = 10 mag, Sterne mit einer Sonnenmasse bei MV = 4,82 mag und Sterne mit 20 Sonnenmassen am oberen Ende der Kurve. Aus fotometrischen Beobachtungen erhalten wir scheinbare Helligkeiten und Farben (zum Beispiel V und B – V) für Haufenmit- sikern aus. Hipparcos hatte die trigonometrischen Parallaxen der Plejaden gemessen, woraus sich deren Entfernung zu 120,2 ± 1,9 Parsec ergab. Andererseits hatte die Anpassung der Hauptreihe The Padua Group / Girardi, Marigo et al. / SuW-Grafik absolute Helligkeit MV in mag -5 an theoretische Isochronen im Farben-Helligkeits-Dia­gramm stets mindestens 131,8 ± 2 Parsec ergeben. Die Differenz von mehr als elf Parsec lässt sich durch die jeweiligen Messfehler nicht erklären. Wir hoffen nun, dass die bevorstehende astrometrische Gaia-Mission der ESA diese Diskrepanz auflösen wird. A. Sandage / SuW-Grafik -8 NGC 2362 h + c Persei -4 Plejaden (120) M3 M 41 -2 M 41 M 11 0 M 11 Coma Hyaden (650) Praesepe 2 NGC 752 M 67 (2500) NGC 188 H+P 752 4 glieder. Die gemessene Sequenz ist gegenüber der für absolute Sonne Helligkeiten berechneten, theoretischen Isochrone um einen festen Betrag senkrecht im FHD verschoben, und zwar um den Entfernungsmodul V – MV (die Differenz der scheinbaren und der h + c Persei (1,2) -6 absolute visuelle Helligkeit MV in mag -10 6 absoluten Helligkeit in Größenklassen). Die Entfernung R ergibt sich daraus im Prinzip einfach, und zwar nach der Beziehung V – MV = 5 log R – 5. 8 -0,4 0 0,4 0,8 1,2 1,6 Die Wirklichkeit ist jedoch komplizierter, da gleichzeitig auch in- Dieses Farben-Helligkeits-Diagramm zeigt die Lage der Sterne terstellare Verfärbung und Extinktion bestimmt werden müssen. verschiedener offener Sternhaufen sowie des Kugelhaufens M 3. Dies verursacht eine waagerechte und zusätzlich eine senkrechte Rechts unten liegen kühle, massearme, links oben heiße, masse- Verschiebung der empirischen Sequenz gegenüber der theore- reiche Sterne. Alle Sterne eines Haufens haben das gleiche Alter tischen Isochrone im FHD. und liegen auf der diesem Alter entsprechenden Isochronen. Aus Es kommt hinzu, dass das Alter eines untersuchten Hau- 2,0 Farbe B–V dem Abknickpunkt ihrer Isochronen von der Alter-Null-Hauptreihe fens zunächst nicht bekannt ist. Deshalb vergleicht man alle weg, besser noch aus der Lage des Knies lässt sich durch den möglichen Isochronen mit den Beobachtungen, bis die beste Vergleich mit theoretischen Isochronen das Alter der Haufen und Übereinstimmung gefunden ist. Die Methode liefert recht gute ihre Entfernung ermitteln. Für einige Haufen ist in Klammern das Abschätzungen für Entfernung, Alter und interstellare Verfärbung so ermittelte Alter (in Millionen Jahren) angegeben: Es variiert der Sternhaufen. Voraussetzung ist jedoch, dass die theoretischen zwischen 1,2 und 2500 Millionen Jahren. www.astronomie-heute.de August 2011 33 etwa 8500 Parsec, gleichsetzt. (Ein Parsec ist die Entfernung, aus welcher der mittle­ re Radius der Erdbahn um die Sonne – die Astronomische Einheit – unter dem Win­ kel von einer Bogensekunde erscheint; sie entspricht etwa 3,26 Lichtjahren.) Anders als Kugelsternhaufen erschei­ nen offene Haufen als lockere, unregelmä­ ßige Ansammlungen von Sternen und mit weniger Mitgliedern, so dass es manch­ mal schwierig ist, sie vom allgemeinen Sternfeld zu trennen. Aber alle Mitglieder eines offenen Haufens sind am gleichen Ort und zur gleichen Zeit entstanden und erinnern sich während ihres gesamten Sternenlebens an ihre Geburt: Sie alle ... ó sind gleich weit von der Erde entfernt, ó haben die gleiche chemische Zusam­ mensetzung, ó sind gleich alt und ó bewegen sich mit annähernd gleicher ESO Geschwindigkeit durch den Raum. Das dynamische Verhalten der Haufen­ mitglieder bewirkt, dass sie für einige Zeit zusammenbleiben. Schließlich Der junge offene Sternhaufen NGC 3603 enthält neben mehr als 50 hellen jedoch und massereichen O-Sternen mit insgesamt mindestens 1000 Sonnenmas- wer­den sie von den Gezeitenkräften der Milchstraße auseinandergetrieben. Wir sen auch zahlreiche Sterne, deren Masse geringer ist als diejenige der Sonne. kennen deshalb keine offenen Sternhau­ Alle Mitglieder sind innerhalb der letzten Million Jahre aus einer riesigen fen, die so alt wären wie die galaktische Gas- und Staubwolke entstanden. Das Bild ist ein Komposit aus Aufnahmen in den Wellenlängenbereichen J, H und Ks im nahen Infrarot, das den Staub Scheibe selbst. durchdringt und auch Sterne im Inneren der Wolke sichtbar macht. Betrachten wir die Verteilung der 650 von uns untersuchten offenen Stern­ haufen in der Sonnenumgebung, pro­ jiziert auf die galaktische Ebene (siehe Bild auf S. 32). Ein solches Bild würden Astronomen in der »Black-Eye-Galaxie« M 64 erhalten, sollten sie mit ihrem Weltraumteleskop unser Milchstraßen­ system beobachten. Diese Galaxie steht senkrecht über der Ebene unserer Gala­ xis, und sie ist so weit von uns entfernt, dass das Bild gerade einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble mit der ACSKamera entsprechen würde. Die Darstel­ lung zeigt, dass die jüngsten und hellsten offenen Sternhaufen die Spiralstruktur des Milchstraßensystems nachzeichnen. Dies hängt damit zusammen, dass Sterne bevorzugt in Spiralarmen entstehen. Auch die jüngsten, massereichen Sterne der Spektralklassen O und B zeich­ nen die Spiralstruktur nach, allerdings nicht in der gleichen Klarheit. Denn ihre Entfernung lässt sich weniger genau be­ haufen. Deshalb haben die offenen Hau­ fen große Bedeutung für die Bestimmung astronomischer Entfernungen Kasten auf S. 32/33). 34 August 2011 (siehe NASA / ESA / HST stimmen als diejenige der offenen Stern­ Sterne und Weltraum Viele eingebettete Sternhaufen lösen sich schon sehr früh auf Charles und Elizabeth Lada haben sich gung steckende Energie der Sterne halb besonders für die Gesamtmassen der so groß ist wie ihre potenzielle, durch die Sterne entstehen in Gruppen oder Hau­ eingebetteten Haufen interessiert. Die Be­ vorhandene Masse und deren Verteilung fen im Innern von dichten, mit Staub stimmung der Massen ganzer Sternhau­ bestimmte Energie. Die erforderlichen angereicherten Molekülwolken. Folglich fen ist kompliziert, und unterschiedliche Beobachtungen sind kompliziert und feh­ sind solche Sternentstehungsgebiete im Methoden führen oft zu widersprüch­ leranfällig. Bei eingebetteten Haufen wird sichtbaren Licht durch die diffuse Materie lichen Ergebnissen. Am einfachsten wäre die Massenbestimmung zusätzlich durch in ihrer Umgebung weit gehend verhüllt. es, alle Mitglieder eines Sternhaufens die Extinktion erschwert. Charles und Eli­ Infrarotes Licht hingegen wird durch zu zählen,und jedem einzelnen entspre­ zabeth Lada haben die vorhandenen Daten das Gas und den Staub weit weniger ge­ chend seiner Helligkeit eine Masse zuzu­ aus der Literatur zusammengestellt, die schwächt, so dass Aufnahmen in diesem ordnen. Die Addition der Einzelmassen Haufenmitglieder gezählt, ihre Massen Wellenlängenbereich den Blick auf gerade ergäbe dann die Gesamtmasse. Allerdings bestimmt, zu kleineren Sternmassen ex­ entstehende Sternhaufen gestatten (siehe lassen sich die Sterne nur bis zu einer be­ trapoliert und damit die in der Grafik auf die Bilder links und unten). stimmten Grenzhelligkeit erkennen, und S. 36 oben dargestellte Massenfunktion Junge Sterne sind zunächst noch in die man muss extrapolieren, wie viele schwä­ der ein­gebetteten Sternhaufen abgeleitet. Gas- und Staubwolken eingebettet, aus de­ chere Sterne es zusätzlich gibt. Die­se Ex­ Sie gibt an, wie viele Haufen der Masse M nen sie kürzlich entstanden sind. Vor eini­ trapolation ist unsicher. Alternativ nutzt in den einzelnen Massenintervallen dM gen Jahren haben die US-amerikanischen man die Tatsache, dass die Sternhaufen vorhanden sind. Astronomen den Charles und Elizabeth Gezeitenkräften der Milchstraße Wie aus dieser Grafik ersichtlich, liegen Lada eine umfassende Sammlung von ausgesetzt sind. Die am Rand eines Hau­ die Massen eingebetteter Sternhaufen im Messungen an solchen »eingebetteten fens liegenden Sterne sind gerade noch Bereich zwischen 10 und 3000 Sonnen­ Sternhaufen« zusammengestellt, als de­ durch Gravitation an ihn gebunden und massen, und die Verteilung folgt in die­ ren Prototyp der unten zweimal gezeigte können nicht entweichen. Deshalb lässt innere Teil des Orionnebels gilt: Während sich aus der Größe des Haufens auf seine sem Bereich einem Potenzgesetz der Form n(M) = Ma dM mit dem Exponenten im Optischen wenig mehr als die vier Masse schließen; die so bestimmten Mas­ a = –1,7. Ein Exponent mit dem Wert a = –2 Trapezsterne sichtbar sind, erscheint im senwerte heißen »Gezeitenmassen«, von würde bedeuten, dass jedes Massenin­ Infraroten ein Sternhaufen mit tausenden ihnen wird noch die Rede sein. tervall gleich viel zur Gesamtmasse aller Mitgliedern, von denen die ältesten we­ Auch aus der gemessenen Geschwin­ eingebetteten Sternhaufen beiträgt. Wäre nige Millionen, die jüngsten nur 500 000 digkeitsverteilung der Mitglieder lässt sich der Exponent kleiner als –2, so trügen die Jahre alt sind. Und sehr wahrscheinlich auf die Masse der Haufen schließen, da im vielen massearmen Haufen den Löwen­ entstehen dort auch heute noch Sterne. Gleichgewicht die kinetische, in der Bewe­ anteil. Der Exponent –1,7 besagt, dass die Der Orionnebel ist uns als farbenprächtiges Gebilde aus leuchtendem Gas und dunklen Staubstrukturen vertraut, denn so erscheint er im sichtbaren Licht. Nur die Trapezsterne in seiner Mitte und wenige andere sind zu erkennen, und früher kam niemand auf die Idee, dass sich in der dichten Wolke noch weitere Sterne verbergen (linkes Bild). Ganz anders als im Sichtbaren sieht die Umgebung der Trapezsterne im nahen Infrarot M. McCaughrean / ESO aus. Das infrarote Licht durchdringt die www.astronomie-heute.de vorgelagerten Staubmassen, und nun zeigt sich, dass das Trapez in Wahrheit aus den fünf hellsten Sternen eines großen Sternhaufens mit mehreren tausend Mitgliedern besteht (rechtes Bild). August 2011 35 wenigen massereichen 10000 eingebetteten massen gefunden. Erst in den letzten Jah­ ren hat man einige wenige entdeckt. Alle eingebetteten Sternhaufen sind ähnlich jung wie NGC 3603 oder der Sternhaufen um das Trapez im Orionnebel, die ältesten sind nur etwa fünf Millionen Jahre alt. Die Auswertung der Sammlung von Charles und Elizabeth Lada hat gezeigt, dass in der galaktischen Scheibe die Ent­ stehungsrate der eingebetteten Sternhau­ fen pro Flächeneinheit und pro Million 1000 fen« nach Lada und Lada lässt sich durch ein Potenzgesetz mit dem Exponenten a = -1,7 darstellen. Die 100 dunkle Fläche zeigt die wenigen in den letzten Jahren gefundenen 10 massereichen 1 Sternhaufen, von denen hier die Rede sein 10 wird. Dies führte zu dem Schluss, dass betteten Sternhau- später gefundene massereiche Haufen Jahre etwa zehnmal so hoch ist wie die Entstehungsrate der klassischen offenen lung der »einge- Lada 2010 / SuW-Grafik mit Massen größer als etwa 3000 Sonnen­ Anzahl der Sternhaufen pro Massenintervall samtmasse beitragen. Interessanterweise werden kaum eingebettete Sternhaufen Die Massenvertei- Massenverteilung der »eingebetteten Sternhaufen« zu kleineren und größeren Massen extrapoliertes Potenzgesetz Sternhaufen den Hauptanteil zur Ge­ 100 1000 10 000 105 eingebetteten Sternhaufen. 106 Masse der Sternhaufen in Sonnenmassen sich etwa 90 Prozent der eingebetteten Sternhaufen schon nach wenigen Milli­ onen Jahren auflösen und somit nicht zu offenen Sternhaufen werden. Dieses Phä­ nomen wird als »Kindersterblichkeit« der eingebetteten Haufen bezeichnet. Mit den überlebenden zehn Prozent wollen wir uns in der Folge beschäftigen. Die­se Haufen haben die sie umgebende Gas- und Staubwolke im Wesentlichen ver­ loren und sind nun im sichtbaren Licht zu beobachten. Unsere Untersuchungen aus den letzten Jahren sprechen dafür, dass aus diesen zehn Prozent der eingebetteten Haufen letztlich die klassischen offenen Sternhaufen hervorgegangen sind. Klassische offene Sternhaufen Statistisch aussagefähige Ergebnisse zur gesamten Population der offenen Stern­ haufen erhält man nur, wenn man eine große Stichprobe gleicher Qualität mit wissenschaftlich überprüfbaren Metho­ den untersucht. Eingehende Untersu­ chungen einzelner Objekte wie der Pleja­ den, der Hyaden, von Praesepe oder M 67 haben ihre Bedeutung, aber das Stu­dium der Gesamtheit der offenen Sternhaufen in der galaktischen Scheibe erfordert eine größere Stichprobe. Vor einigen Jahren haben wir zu­ Die meisten hellen Sterne im Zentralteil und Potsdam mit einer systematischen der Plejaden sind Mitglieder des Untersuchung der offenen Sternhaufen Haufens, aber die beiden durch Pfeile in Sonnenumgebung begonnen. Unsere markierten Sterne stehen im Vorder- Arbeitsgrundlage war eine vollständige grund, denn ihre allzu großen Eigenbe- Himmelsdurchmusterung, bestehend aus dem Tycho-2-Katalog, der die astrome­ trischen und fotometrischen Messungen 36 August 2011 Reinhold Wittich sammen mit Kollegen in Kiew, Moskau wegungen passen nicht zu denen der Plejaden (siehe das Bild auf S. 38).). Sterne und Weltraum ED-Apochromaten: NEU! 1.849,-€* 8x50 Sucher ohne Aufpreis! (nur ED 127) des Hipparcos-Satelliten sowie die Daten der Test in den allermeisten Fällen negativ des Astrographischen Katalogs aus dem aus. Jedoch fanden wir 520 Sternhau­ frühen 20. Jahrhundert enthält. Somit fen, die bereits in einer 1700 Mitglieder standen uns für 2,5 Millionen Sterne Ei­ zählenden Liste möglicher Sternhaufen genbewegungen und Fotometrie im Blau­ aufgeführt waren. Zusätzlich entdeckten en und im Visuellen zur Verfügung. wir im Tycho-2-Katalog 130 neue Stern­ Tycho-2 ist vollständig bis zur schein­ haufen, die zuvor noch nirgends ver­ baren visuellen Helligkeit V = 11,5 mag. zeichnet waren, so dass die Gesamtzahl In diesen Daten haben wir nach der der bestätigten Haufen 650 beträgt. Ihre folgenden objektiven Methode offene Verteilung in der galaktischen Ebene zeigt Sternhaufen gesucht: Am ganzen Him­ das Bild auf S. 32. Die Untersuchung der mel haben wir unseren Rechner für jeden räumlichen Verteilung unserer Stichprobe Stern heller als V = 9,5 mag prüfen lassen, ergab, dass sie bis zu einem Abstand von ob die Sterndichte in seiner Umgebung 850 Parsec von der Sonne vollständig ist. erhöht war, ob es in einer eventuellen In diesem Bereich liegen 250 offene Hau­ Dichteerhöhung weitere Sterne gleicher fen. Daraus können wir auf deren Gesamt­ Eigenbewegung gab und ob diese Sterne zahl schließen, die sich gegenwärtig in der im auf galaktischen Scheibe befinden. Es sind einer einheitlichen Isochronen lagen. Es etwa 100 000 – weitaus mehr als die Zahl gibt insgesamt etwa 250 000 Sterne heller der Kugelsternhaufen, die wohl nur einige als V = 9,5 mag, und erwartungsgemäß fiel hundert Mitglieder beträgt. Farben-Helligkeits-Diagramm Woran erkennt man die echten Haufenmitglieder? Sternhaufen fallen dadurch auf, dass an der betreffenden Stelle des Himmels die Konzentration absolut heller Sterne frühen Spektraltyps höher ist als in der ED 127 Carbon Die Carbonausführung wiegt nur 6,2kg mit Tauschutzkappe und Rohrschellen, gegenüber 9,9kg im Alutubus! Und das ohne Aufpreis! Jetzt nur: 898,-€* 979,-€* ED 80 Art.Nr.: Öffnung: Brennweite: Fotografische Blende: Auflösungsvermögen: Max. Grenzgröße: Max. sinnvolle Vergrößerung: Bildfeld im APS-C Format**: Tubuslänge (inkl. 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Umgebung; dies allein will aber noch nicht viel heißen, denn zunächst sind die Entfernungen der einzelnen Sterne ja un­ bekannt. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Plejaden, deren Zentralteil im neben­ stehenden Bild gezeigt wird. Die beiden mit Pfeilen markierten Sterne sechster Größe sind Vordergrundsterne und ge­ stark variable Extinktion kann an einer Stelle eine höhere Sternkonzentration als in der Umgebung vortäuschen. Das erste starke Kriterium dafür, dass ein offener Sternhaufen ein einheitliches Gebilde ist, ist das kinematische – die gemeinsame Bewegung aller seiner Mit­ glieder im Raum. Dies bedeutet, dass die Radialgeschwindigkeiten und Eigenbewe­ gungen aller echten Mitglieder nur we­ nig um ihren gemeinsamen Mittelwert streuen. Über die Eigenbewegungen von Sternen gab es schon immer mehr Infor­ mation, als über deren Radialgeschwin­ digkeiten, deshalb hat man zunächst Ei­ genbewegungen von Sternen verwendet, um damit Mitglieder offener Haufen zu finden. Eigenbewegungen bestimmt man aus 100° Okulare: Brennweite: Art.Nr.: Augenabstand: Scheinb. Gesichtsfeld: Feldblende (virtuell): Optische Elemente: Gewicht: Höhe: Durchmesser: Preis: 82° Okulare: 9mm 0218409 12,5mm 100° 15,7mm 9 680g 120,0mm 59,0mm 399,- €* 14mm 0218414 14.5mm 100° 24.4mm 9 890g 123,5mm 69,0mm 439,- €* 20mm 0218420 14,4mm 100° 34,8mm 9 990g 122,5mm 69,0mm 519,- €* Brennw.: Art.Nr.: Steck Ø: Preis: 4,7mm 0218804 1¼" 159,- €* 6,7mm 0218806 1¼" 159,- €* 8,8mm 0218808 1¼" 179,- €* 11mm 0218811 1¼" 179,- €* Brennw.: Art.Nr.: Steck Ø: Preis: 14mm 0218814 1¼" 179,- €* 18mm 0218818 2" 199,- €* 24mm 0218824 2" 298,- €* 30mm 0218830 2" 329,- €* Features der 100° und 82° Okulare: Wasserdicht und stickstoffgefüllt! 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Dazu haben wir 20 Schmidt-Platten der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg vermessen, die über einen Zeitraum von 25 Jahren aufgenommen worden waren. Das Ergebnis ist im nebenstehenden Diagramm dargestellt. Die gemessenen Eigenbewegungen zeigen zwei Konzentra­ tionen. Die allermeisten untersuchten Sterne konzentrieren sich in der Nähe des Nullpunkts – sie befinden sich in großer Entfernung im Hintergrund. Dagegen gibt die kleine Konzentration von nur etwa 750 Sternen bei (+20, -40) Millibogensekunden pro Jahr die gemeinsame Eigenbewegung der echten Plejadenmitglieder wieder. Sterne mit (den Beträgen nach) noch höheren Eigenbewegungen befinden sich im Vordergrund. 60 40 20 0 -20 -40 Schilbach et al. 1995 zur 17. Größe in einem 16 Quadratgrad großen Feld um 80 Eigenbewegung in Deklination in Millibogensekunden pro Jahr W ir haben die Eigenbewegungen von 40 000 Sternen bis -60 -80 -100 -100 -50 0 50 100 Eigenbewegung in Rektaszension in Millibogensekunden pro Jahr der Kasten oben zeigt, haben die allermei­ nen (siehe die Bilder unten rechts und den Stern. Er ist später entstanden und mas­ sten Sterne in der Umgebung der Plejaden Kasten auf Seite 32/33). sereicher, entwickelt sich schneller und nahezu verschwindende Eigenbewe­ Aufgrund der Lage der Isochrone eines erscheint uns dennoch jünger und blauer gungen – sie gehören zum Hintergrund. Haufens im Farben-Helligkeits-Diagramm als die übrigen Haufenmitglieder auf der Nur etwa 2,5 Prozent haben stark abwei­ lässt sich sowohl seine Entfernung als auch Hauptreihe. Solche Sterne werden »Blaue chende, aber einheitliche Eigenbewe­ die Größe der interstellaren Staubextink­ Nachzügler« genannt, sie liegen oberhalb gungen und sind echte Mitglieder der Ple­ tion im Vordergrund bestimmen. Dieje­ des Abknickpunkts auf der Hauptreihe, jaden. Die beiden im Bild auf S. 36/37 mit nige Isochrone, die zur beobachteten Ver­ und ihre Zahl ist im Vergleich zur Gesamt­ Pfeilen markierten Sterne liegen im Bild teilung im Farben-Helligkeits-Diagramm zahl der Haufenmitglieder sehr gering. oben weder in der Konzentration um den am besten passt, liefert das Alter des Alternativ zu dieser Erklärung könnte Nullpunkt noch bei den Plejaden, sondern Sternhaufens. Grob gesagt, ist dieses Al­ in einem engen Doppelstern von der mas­ Weil alle Mitglieder eines Haufens gemeinsam entstanden sind, dienen sie zum Test für unser Verständnis der Sterne. sereicheren, bereits zu einem Riesen ent­ wickelten Komponente Massenübertra­ gung auf die masseärmere stattgefunden haben. Letztere entwickelt sich dann als besitzen große Eigenbewegungen. Also ter durch den Punkt gegeben, an dem die müssen sie weit im Vordergrund stehen. Isochrone von der Alter-Null-Hauptreihe scheinbar jüngerer, massereicherer Stern. Weniger eindeutig als dieses dyna­ abzweigt. Auf der Alter-Null-Hauptreihe mische Kriterium für die Mitgliedschaft gehört zu diesem Punkt eine ganz be­ Die Population der Sternhaufen in unserer Umgebung ist die Forderung, dass die Mitglieder stimmte Sternmasse. Alle Sterne größerer Nachdem wir die Mitglieder der 650 Hau­ eines offenen Sternhaufens alle gleich alt Masse haben die Alter-Null-Hauptreihe fen unserer Stichprobe mit den verfüg­ sein müssen. Es könnten ja im Haufen im­ bereits verlassen, diejenigen geringerer baren Daten so gut wie möglich bestimmt mer wieder neue Sterne entstanden sein, Masse liegen noch auf ihr. Wenn, wie oben haben, wenden wir uns den integralen bis der Vorrat an Gas und Staub durch angenommen, alle Sterne eines Haufens Eigenschaften der offenen Sternhaufen in Sternbildung aufgebraucht ist. Dennoch gleichzeitig entstanden sind, dürfte es der Sonnenumgebung zu. Es geht um die können wir davon ausgehen, dass Sterne keine Mitglieder geben, die oberhalb des Fragen: Wie groß, wie massereich, wie alt in einem Haufen gleichzeitig gebildet Abknickpunkts auf der Alter-Null-Haupt­ und wie hell sind die offenen Sternhaufen werden oder zumindest innerhalb eines reihe liegen. Auf die große Mehrzahl der in der Milchstraße? Wir wollen die »ein­ Zeitraums entstehen, der kurz ist im Ver­ Fälle trifft dies auch zu. gleich zu seiner Lebensdauer. Trägt man Dennoch gibt es in einzelnen Haufen facheren« Fragen zuerst behandeln. Die Bestimmung des Alters wurde be­ nämlich die gemessenen scheinbaren (alle älter als eine Milliarde Jahre) solche reits besprochen, ähnlich unkompliziert Helligkeiten und Farben eines Sternfelds eigentlich verbotenen Mitglieder. Ihre ergibt sich auch die Gesamtleuchtkraft um einen offenen Haufen herum in ein Mitgliedschaft wird durch die Messung ih­ der Sternhaufen. Man beginnt in jedem Farben-Helligkeits-Diagramm ein, so stellt rer Eigenbewegung bestätigt. Wie lässt sich Wellenlängenbereich mit dem jeweils man fest, dass sich die – zum Beispiel aus dies erklären? Im zentralen Bereich eines hellsten Mitglied und schreitet dann Eigenbewegungen bestimmten – echten Sternhaufens kommt es immer wieder zu zu den schwächeren Mitgliedern fort, Mitglieder des Haufens auf einer gemein­ Kollisionen zwischen Sternen. Wenn zwei indem man jeweils die Leuchtkraft, das samen Sequenz anordnen, die seinem Al­ Sterne dabei verschmelzen, bildet sich heißt die pro Zeiteinheit abgestrahlte ter entspricht – der so genannten Isochro­ aus der Summe ihrer Massen ein neuer Energie, aufsummiert. Dabei zeigt sich, 38 August 2011 Sterne und Weltraum dass die Leuchtkraft aller Sternhaufen Anders als beim Palomar Sky Survey Molekülwolke Sterne entstehen, geschieht meist von dem halben Dutzend ihrer ist die Fotometrie des Two-Micron-All- dies zuerst im dichtesten Teil. Hier ist hellsten Sterne bestimmt wird. Wie viele Sky-Survey (2MASS) im nahen Infrarot auch die Wahrscheinlichkeit für enge Be­ weitere Mitglieder ein Haufen auch hat, zwar ausgezeichnet, aber er verzeichnet gegnungen am größten. Dadurch erhalten sie tragen zur Gesamtleuchtkraft kaum keine Eigenbewegungen, ist also auch nur massearme Sterne sehr bald höhere Ge­ noch bei. Der Grund hierfür ist, dass die bedingt hilfreich. Die Grenzgröße der von schwindigkeiten und können sich weiter massereichen Sterne wesentlich mehr En­ uns benutzten Durchmusterung auf der vom Zentrum entfernen, während die ergie pro Masseneinheit erzeugen als die Basis von Tycho-2 beträgt V = 11,5 mag, massereichen langsamer bleiben und sich massearmen. Die Frage nach der Größe der Stern­ wir können also in den Haufen nur die stärker zum Zentrum hin konzentrieren. Verteilung der helleren Sterne bestimmen Hier entwickeln sie auch bald stellare Win­ haufen scheint einfach zu sein: Man muss und den Winkeldurchmesser über die Be­ de, die ihre Umgebung so weit leer fegen, doch nur an den Himmel schauen! Jedoch stimmung der Mitgliedschaft, sowie den dass sich dort keine weiteren Sterne mehr erweist sie sich aus mehreren Gründen linearen Durchmesser über die Bestim­ bilden. als ähnlich schwierig wie diejenigen mung der Entfernung ableiten. Wenn also Massensegregation vorliegt, nach der Leuchtkaft oder dem Alter. Ba­ Es ergab sich dabei auch, dass sich in muss die Durchmusterung so empfindlich nal ist die Tatsache, dass früher das Ge­ den Sternhaufen die massereichsten und sein, dass der wesentliche Teil des Massen­ sichtsfeld eines Teleskops die scheinbare somit hellsten Sterne verstärkt im Zen­ spektrums, bis zu hinreichend massear­ Größe eines Haufens begrenzte. Hatte trum konzentrieren – dies wird als »Mas­ men Sternen, erfasst wird. man seinen dichten Zentralteil erfasst, sensegregation» bezeichnet. Auch Simula­ Wie lässt sich der »Rand« oder der Ra­ so gab man sich zufrieden, und leitete so tionen der Entwicklung von Sternhaufen dius eines Haufens physikalisch sinnvoll einen zu kleinen Haufendurchmesser ab. zeigen, dass massereiche Sterne sich mit bestimmen? Eine Definition lautet: Der Jedoch hat auch eine flächendeckende der Zeit verstärkt im Zentrum der Haufen Rand ist dadurch gegeben, dass sich hier Himmelsdurchmusterung ihre Probleme. ansammeln. Verständlich ist dies, wenn die Gravitationswirkung des Haufens Bei tiefen Durchmusterungen, etwa beim man annimmt, dass sich eine Gleichver­ und diejenige der Milchstraße gerade die Palomar Sky Survey, reicht die fotome­ teilung der kinetischen Energie einstellt. trische Genauigkeit bei weitem nicht Dann besitzen die massereichen Sterne aus, um Mitglieder von Nichtmitgliedern im Mittel geringere Geschwindigkeiten Diese Farben-Helligkeits-Diagramme zu unterscheiden, und auch die Quali­ als die massearmen. Letztere bewegen einiger naher offener Sternhaufen basieren tät der Eigenbewegungen ist zu gering. sich also weiter vom Gravitationszentrum auf den Messungen des Hipparcos-Satel- Denn geht man in einem Sternhaufen des Haufens weg, unterliegen dadurch liten. Aufgetragen ist die absolute Hellig- von den helleren zu den schwächeren verstärkt den Gezeitenkräften der Milch­ keit gegen die Farbe. Die durch Einzelsterne Sternen, so nimmt die Genauigkeit der straße und gehen dem Haufen leichter definierte Hauptreihe ist sehr gut erkenn- Positionsmessungen, und folglich auch verloren. bar. Die darüberliegenden Haufenmitglieder sind Doppelsterne, die nicht in der Eigenbewegungen ab. Das bedeutet: Je Aber auch im Sternhaufen um das lichtschwächer und weiter entfernt die zu Trapez im Orionnebel sind die masse­ vermessenden Sterne sind, desto genauer reichsten Sterne – trotz seiner Jugend – Einzelsterne aufgelöst werden konnten. Die Farbe B2–V1 bezieht sich auf das Genfer muss die Messung sein. Dieses Problem bereits im Zentrum konzentriert. Man fotometrische System, das sich leicht vom lässt sich nicht umgehen. kann dies so verstehen: Wenn in einer Standardsystem unterscheidet. 0 5 Hyaden Praesepe Großer Bär Haar der Berenike NGC7092 0 Nach van Leeuwen 2009 / SuW-Grafik absolute Helligkeit MV in mag absolute Helligkeit MV in mag Plejaden Blanco 1 NGC 2516 5 0 0,5 Farbe B2– V1 www.astronomie-heute.de 0 0,5 Farbe B2– V1 August 2011 39 Allerdings zeigen Computersimula­ tionen, dass die Lebenserwartung der Siegfried Röser, Elena Schilbach/ SuW-Grafik Anzahl der Sternhaufen pro Million Jahre 1,0 0,1 0,01 0,001 10 100 1000 Alter der Sternhaufen in Millionen Jahre Haufen stark von ihrer Masse abhängt: Je massereicher ein Haufen ist, umso länger dauert es, bis ihn die Gezeitenkräfte der Milchstraße »zerrieben« haben. Weiter finden wir, dass die Massenverteilung aller Sternhaufen in der Sonnenumgebung von den massearmen Haufen dominiert wird. Die Massenfunktion der jüngsten offenen Sternhaufen ist jener der eingebetteten Haufen ähnlich (siehe Grafik auf S. 36). Ein weiterer Befund: Unter den jüngsten offenen Sternhaufen ist der Anteil derer mit Massen unter 1000 Sonnenmassen Die Altersverteilung der offenen Sternhaufen in Sonnenumgebung zeigt, wesentlich geringer als bei den älteren dass die Zahl der Haufen ab einem Alter von einigen hundert Millionen Haufen. Der flache Verlauf der Massenver­ Jahren dramatisch abnimmt. Die rote Kurve stellt einen exponentiellen teilung bei den jüngsten Haufen bedeutet, Abfall mit einer Zerfallszeit von 330 Millionen Jahren dar. dass hier die massereicheren Haufen am meisten zur Gesamtmasse beitragen. In der Tat zeigt sich, dass die jüngsten Waage halten. Innerhalb dieses »Gezeiten­ Ort des Haufens, so ist auch die Haufen­ Haufen im Mittel 4500 Sonnenmassen radius« gehören die Sterne zum Haufen, masse gegeben. Damit waren die Massen besitzen, die durchschnittliche Masse der außerhalb haben sie ihn verlassen. Wir aller Haufen unserer Liste bestimmt. Haufen in Sonnenumgebung beträgt dage­ finden eine Analogie im Sonne-Erde- gen nur 700 Sonnenmassen. Offenbar ver­ innerhalb des Gezeitenradius des Erde- Die zeitliche Entwicklung offener Sternhaufen Mond-Systems, er ist somit ein Trabant Damit liegen die wichtigsten Informati­ Sternhaufen verlieren ihre Masse zum der Erde und kein Planet. onen vor, um die Entwicklung der offenen Teil durch Entwicklung und Sterben ihrer Vor fast 50 Jahren hat der amerika­ Sternhaufen in der Sonnenumgebung zu massereichsten Mitglieder in den ersten nische Astronom Ivan King eine Theorie beschreiben. Wir kennen die Häufigkeits­ Millionen Jahren. Allerdings kommt der entwickelt, wie man aus der Verteilung verteilung Ihres Alters, ihrer Leuchtkraft hauptsächliche Massenverlust dadurch zu der Sterne eines Haufens am Himmel auf und Masse. Betrachten wir zunächst die Stande, weil den Haufen vor allem mas­ dessen Gezeitenradius schließen kann. Altersverteilung der Haufen in der Grafik searme Sterne durch die Gezeitenwirkung Die Anwendung dieser Theorie auf Ku­ oben: Ihre Interpretation ist aufschluss­ der Milchstraße entrissen werden. gelsternhaufen gelingt einfacher als auf reich. Würden einmal entstandene Haufen offene Sternhaufen, da der Kontrast zum nicht zerfallen, so müsste es Sternhaufen Hintergrund groß und die Mitgliedschaft geben, die so alt sind wie die galaktische Der Beitrag offener Sternhaufen zum Aufbau der Scheibe leichter bestimmbar ist. Bei offenen Scheibe (etwa zehn Milliarden Jahre). Dann Nun schätzen wir ab, wie viele Sterne der Sternhaufen spielt die Bestimmung der ließe sich aus der Altersverteilung die Ent­ galaktischen Scheibe sich jemals in einem Mitgliedschaft die entscheidende Rolle. stehungsrate der Haufen im Laufe der Zeit Sternhaufen aufgehalten haben, bevor er Obwohl der Tycho-2-Katalog keine hohe direkt ablesen. Dies ist offensichtlich nicht aufgelöst wurde. Wie die Grafik oben zeigt, Reichweite besitzt, gelang es uns, die Ge­ so: Ab einem bestimmten Alter nimmt die erreichen nur wenige Haufen ein Alter zeitenradien von 236 Haufen zu bestim­ Anzahl der offenen Sternhaufen drastisch von einer Milliarde Jahren; dagegen kön­ men. Es zeigte sich, dass sie etwa 3,5-mal ab. Ähnlich wie beim radioaktiven Zerfall nen Sterne von einer Sonnenmasse und so groß sind wie die großen Halbachsen gibt es eine typische Lebenszeit, bei der weniger um ein Vielfaches älter sein, ohne der Haufen im Tycho-2-Katalog. Mit die­ die anfängliche Zahl der Haufen um den dass sie sich merklich verändert haben – ser Umrechnungsformel konnten wir die Faktor 1/e = 0,37 abgenommen hat. Unter die Sterne eines Haufens können dessen Gezeitenradien aller 650 Haufen unserer Annahme einer konstanten Bildungsrate Auflösung bei Weitem überleben. Liste ableiten. der Haufen lassen sich aus dem Verlauf Um den Beitrag der offenen Haufen zur Aus den Gezeitenradien lässt sich die der Kurve sowohl diese Bildungsrate als galaktischen Scheibe abzuschätzen, müs­ Masse der Sternhaufen abschätzen. Derart auch die typische Lebenszeit ableiten. Die sen wir das Produkt aus der Bildungsrate bestimmte Massenwerte werden »Gezei­ Rechnung ergibt, dass sich im Bereich bis der Haufen mit ihrer mittleren Anfangs­ tenmassen« genannt. Der Gezeitenradius 1000 Parsec um die Sonne im Mittel 1,25 masse über das Alter der Scheibe aufsum­ ist ja dadurch gegeben, dass sich in diesem Haufen pro Million Jahre bilden, ihre mitt­ mieren. Wie oben beschrieben, beträgt die Abstand vom Zentrum des Haufens die lere Lebensdauer beträgt 330 Millionen Bildungsrate im Umkreis von 1000 Parsec Gravitationskräfte von Haufen und Milch­ Jahre. Bezogen auf das Alter der Scheibe um die Sonne 1,25 Haufen pro Million Jah­ straße gerade aufheben. Kennt man die erleben wir damit heute die 30. bis 40. Ge­ re und ihre mittlere Anfangsmasse 4500 Gravitationswirkung der Milchstraße am neration der offenen Sternhaufen. Sonnenmassen. Da die Milchstraßenschei­ Mond-System: Der Mond befindet sich 40 August 2011 lieren die offenen Sternhaufen während ihres Lebens stark an Masse. Die jüngsten Sterne und Weltraum IHR SKYWATCHER PARTNER IN ÖSTERREICH langlebigen, gravitativ gebundenen of­ gleich zu ihrem Durchmesser sehr dünn fenen Sternhaufen werden. ist, gehen wir die Frage zweidimensional Und warum sind eingebettete Haufen an. Der Wert von 1,25 übersetzt sich damit mit mehr als 3000 Sonnenmassen so sel­ in 0,4 Haufen pro Quadratparsec und Mil­ ten? Diese Frage haben Pavel Kroupa und lion Jahre. Nun benötigen wir nur noch Chris Boily schon 2002 beantwortet: In das Alter der Scheibe. Sie ist die jüngste Sternhaufen mit 3000 Sonnenmassen und Komponente der Galaxis, ihre ältesten mehr bilden sich viele O- und B-Sterne, die Sterne sind etwa zehn Milliarden Jahre ihre Umgebung mit ihren Winden schnell alt. Damit liefert die oben beschriebene von Gas und Staub reinigen. NGC 3603 Rechnung für den Beitrag aller jemals ge­ ist hierfür ein gutes Beispiel. Die Chance, bildeten offenen Sternhaufen zur Massen­ einen massereichen jungen Sternhaufen dichte der Scheibe den Wert von 18 Son- zu entdecken, in dem die O- und B-Sterne nenmassen pro Quadratparsec. ihre Umgebung noch nicht freigefegt ha­ Aus der Analyse der Sternbewegungen ben, ist sehr gering. Wenn andererseits in senkrecht zur galaktischen Scheibe konn­ einem massearmen eingebetteten Haufen ten die Astronomen Johan Holmberg und ein massereicher Stern entsteht, so bläst er Chris Flynn 2004 die gesamte Massendich­ nicht nur Gas und Staub hinweg, sondern te der Scheibe (Gas, Staub und Sterne) am auch gleich den ganzen kleinen Haufen Ort der Sonne bestimmen. Für die Sterne auseinander. Auf diese Weise kommen allein ergaben sich 35 Sonnenmassen die restlichen 60 Prozent der Masse der pro Quadratparsec. Aber die meisten der galaktischen Scheibe zu Stande. So könnte jemals in der Milchstraße gebildeten mas­ es der Sonne also auch ergangen sein. WIEN OPERNGASSE 23. +43 699 1197 0808 [email protected] LINZ GÄRTNERSTR. 16. +43 676 5457 994 [email protected] BERATUNG, SERVICE, VERKAUF. WIR LIEFERN WELTWEIT! NEU GEMINI G53F 5290€ STEREOSKOPISCHES BILD be, in der sich die Haufen bilden, im Ver­ 5290€ PULSAR-2 STEUERUNG 1190€ sereichen Sterne sind inzwischen schon vergangen und haben einen Großteil ihrer Masse in Form von Gas und Staub wieder an die Scheibe abgegeben. Daraus sind be­ reits mehrfach wieder Sterne entstanden. Wenn wir dies berücksichtigen, ergibt sich, samt 48 Sonnenmassen pro Quadratpar­ 249€ sec in Form von Sternen gebildet wurden. 249€ Demnach haben die offenen Sternhaufen erforschen am Astronomischen Recheninsti- jeden anderen Stern gilt also, dass sie mit tut, Zentrum für Astronomie der Universität 40 Prozent Wahrscheinlichkeit in einem – Heidelberg die offenen Sternhaufen und ihre inzwischen längst aufgelösten – offenen Rolle bei der Entwicklung unserer Galaxis. SPLER OKULARE 76€ Sternhaufen entstanden ist. Prozent der Sterne der Scheibe? Die Beob­ Literaturhinweise achtungen zeigen immer deutlicher, dass Bastian, U.: Hipparcos, die wissenschaftliche Ernte beginnt. In: Sterne und Weltraum 11/1997, S. 938-941 Burbidge, G.: Fred Hoyle – Astrophysiker, Kosmologe, Querdenker. In: Sterne und Weltraum 1/2003, S. 26-31 Lada, C., Lada, E.: Embedded Clusters in Molecular Clouds. In: Annual Review of Astronomy and Astrophysics 41, 2003, S. 57-115 Pfau, W.: Streifzüge im HertzsprungRussell-Diagramm. Teil 1 in: Sterne und Weltraum 6/2006, S. 32–40, Teil 2 in: Sterne und Weltraum 11/2006, S. 45-52 Sterne nur selten allein entstehen – dem­ nach stammen diese 60 Prozent aller Sterne vermutlich aus den 90 Prozent aller eingebetteten Sternhaufen, die das Kin­ desalter nicht überleben. So schließt sich der Kreis, der bei den eingebetteten offenen Sternhaufen begann. Die Massenfunktionen der ein­ gebetteten und der jungen offenen Stern­ haufen haben die gleiche Gestalt. Aber während man kaum eingebettete Stern­ haufen mit mehr als 3000 Sonnenmassen findet, gibt es umgekehrt eigentlich zu wenige junge offene Haufen mit weniger als 3000 Sonnenmassen. Daraus folgt, dass massearme eingebettete Haufen schnell Weitere Literatur im Internet: www.astronomie-heute.de/ artikel/1114729 OPTIMIERT FÜR SKYWATCHER Und woher kommen die übrigen 60 3MM, 5MM, 6MM, 9MM, 12MM, 14MM, 18MM Siegfried Röser und Elena Schilbach masse beigetragen. Für die Sonne wie für URSAMINOR STEUERUNG BLUETOOTH AB 99 € USB+DSLR AB 87 € SOFTWARE AB 29 € LACERTA EQHC HANDBOX 89€ Mit Autoguider Eingang FÜR EQ3, EQ5, VIXEN-GP, ASTRO5 UND ANDERE STEUERUNGEN 18/48 oder rund 40 Prozent zur Gesamt­ zerfallen und nicht zu vergleichsweise www.astronomie-heute.de August 2011 41 WWW.TELESKOP–AUSTRIA.COM STEREOSKOPISCHES BILD LACERTA OFF AXIS GUIDER dass in der galaktischen Scheibe insge­