Anleitung - Universität des Saarlandes

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Praktikum für Fortgeschrittene
Grundlagen der Thermodynamik und spezifische Wärme
Andreas Tschöpe
Universität des Saarlandes
22. Juli 2014
Die folgende Darstellung der Thermodynamik deckt nur einen kleinen Teil dieses überaus
umfangreichen Gebietes ab. Sie ist erforderlich, weil in der Literatur kein einheitliches System
von Begriffen verwendet wird. Daher sollen zunächst die Grundlagen der Theorie und die
später verwendeten Begriffe erläutert werden. Diese Darstellung ist eng an das Lehrbuch
Thermodynamics and an Introduction to Thermostatistics von H. Callen (J. Wiley & Sons,
1985) angelehnt.
Die Thermodynamik baut auf Hauptsätzen oder Postulaten auf, die nicht beweisbar aber
durch die bisherigen Erfahrungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als gültig
anerkannt sind.
1
Gleichgewicht
Die Thermodynamik beschreibt das Verhalten bestimmter makroskopischer Größen stofflicher
Systeme unter kontrollierter Wechselwirkung mit der Umgebung. Die Ursprünge der Thermodynamik gehen auf Untersuchungen mit sehr praktischem Hintergrund, nämlich Sadi Carnot’s
Arbeiten über den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen Anfang des 19. Jahrhunderts,
zurück. Der Hintergrund ist jedoch fundamentaler Natur. Die Beobachtungen irreversibler
Prozesse führte zur Erkenntnis, dass die Welt nicht rein mechanisch funktioniert, sondern
einem Zeitpfeil“ unterliegt.
”
Beispiel: Zieht man einen Löffel, mit dem man Kaffee gerührt hat, aus der Tasse heraus,
dann wird der Kaffee nach einiger Zeit zur Ruhe kommen. Demgegenüber wird der rückwärtslaufende Prozess, also dass sich der Kaffee von selbst wieder stärker dreht, nie beobachtet.
In der Thermodynamik wird diese Beobachtung verallgemeinert: Wird ein Teil der Natur von
seiner Umgebung isoliert, so verklingen im Laufe der Zeit alle Spuren der Wechselwirkung
mit dieser Umgebung. Das System entwickelt sich auf einem irreversiblen Weg in Richtung
eines stabilen Endzustandes. Unabhängig davon, in welchem Zustand das System von seiner
Umgebung isoliert wurde, der Endzustand ist immer derselbe, solange bestimmte interne
Größen, nämlich Innere Energie, Volumen und Stoffmengen übereinstimmen.
1
Postulat 1
Es gibt besondere Zustände (Gleichgewichtszustände) einfacher Systeme, die makroskopisch vollständig durch die Innere Energie U, das Volumen V und die Molzahlen der chemischen Komponenten des Systems charakterisiert sind [1].
2
Stabiles, metastabiles und instabiles Gleichgewicht
Zur quantitativen Beschreibung der Irreversibilität wurde von Clausius 1865 die Zustandsfunktion Entropie (griech.: ǫντ ρoπιη = Entwicklung) eingeführt. Während die Innere Energie
eines isolierten Systems—einem Erhaltungsgesetz unterliegend—zeitlich konstant ist, kann
sich die Entropie ohne äußere Einwirkung verändern. Die Richtung, in die sich die Entropie entwickelt, ist allerdings durch die Natur festgelegt, sie kann nur zunehmen (irreversibel)
oder gleich bleiben (reversibel). Dieses monotone Verhalten der Entropie bedeutet eben, dass
alle beliebigen Zustände eines isolierten Systems einem ausgezeichneten Zustand zustreben,
nämlich demjenigen maximaler Entropie. Dieser wohldefinierte Zustand ist der thermodynamisch stabile Gleichgewichtszustand. Hat das System diesen Zustand erreicht, erfährt es
keine makroskopische Veränderung mehr. Im Gleichgewicht hat also jede makroskopische
Zustandsgröße einen durch das System selbst festgelegten Wert. Nun kann man eine dieser
Größen auswählen und ihr von außen einen gewünschten Wert aufzwingen. In der Regel wird
das System auf eine solche Störung reagieren, indem es alle noch freien Zustandsgrößen dieser
geänderten Randbedingung anpasst. Das System stellt ein neues, erzwungenes Gleichgewicht
ein. Probiert man für die manipulierte Zustandsgröße alle möglichen Werte aus, so gibt es jeweils einen entsprechenden Gleichgewichtszustand. Die Thermodynamik liefert eine Antwort
auf folgende Frage: Welchen Wert nimmt die betrachtete Zustandsgröße an, wenn sie nicht
mehr von außen manipuliert, sondern das System sich selbst überlassen wird?
Unter der Bedingung, dass Innere Energie, Volumen und Zusammensetzung des Systems unverändert bleiben ist der Gleichgewichtswert jeder extensiven Zustandsgröße derjenige von
allen möglichen erzwungenen, der zur höchsten Entropie führt. Der Übergang von einem
erzwungenen Gleichgewicht in ein stabiles Gleichgewicht ist daher mit einer Erhöhung der
Entropie verbunden. Nach dem Verlauf der Entropie (Abb. 1) unterscheidet man den Zustand
im stabilen Gleichgewicht (absolutes Maximum) und allen anderen instabilen Gleichgewichtszuständen. Die Bezeichnung instabiles Gleichgewicht“ ist nur scheinbar ein Widerspruch,
”
denn die beiden Begriffe beziehen sich nicht auf die gleichen Zustandsgrößen. Ein solcher
Zustand ist instabil bezüglich der betrachteten manipulierten Zustandsgröße, aber alle freien
Zustandsgrößen haben sich dem erzwungenen Gleichgewicht angepasst. Zustände, in denen
das System die frei verfügbaren Zustandsgrößen der äußeren Manipulation noch nicht angepasst hat, heißen Nichtgleichgewichtszustände. In diesem Fall sind die Zustandsgrößen nicht
definierbar und können daher in Abb. 1 auch nicht dargestellt werden.
2
Abbildung 1: Die Entropie als Funktion eines extensiven Parameters mit stabilem (s), metastabilem (m) und instabilem (i) Gleichgewicht ist nach unten geöffnet.
Postulat 2
Es existiert eine Funktion Entropie S der extensiven1 Parameter eines zusammengesetzten Systems, die für alle Gleichgewichtszustände definiert ist und folgende
Eigenschaft hat: jeder extensive Parameter des Systems, der nicht einer inneren
Zwangsbedingung unterliegt, wird unter allen möglichen (erzwingbaren) Werten
denjenigen einnehmen, der zur höchsten Entropie des Systems führt [1].
An einem Beispiel soll veranschaulicht werden, wie ein System, das bezüglich eines bekannten Parameters instabil ist, thermodynamisch beschrieben werden kann. Das System besteht
aus einem isolierten Zylinder, in dem 1 Mol Gas eingeschlossen ist. Zur Einführung einer inneren Zwangsbedingung, die allerdings von außen manipulierbar sein soll, befindet sich in
der Mitte des Zylinders ein Kolben, Abb. 2, so dass das Gas in zwei gleiche Hälften geteilt
ist. Eine Verschiebung des Kolbens aus der Mitte führt zu einem instabilen Gleichgewicht.
Durch Verschieben des Kolbens wird eine Gashälfte komprimiert und die andere expandiert.
Nach kurzer Zeit sind die beiden Gasvolumina jeweils für sich im Gleichgewicht, alle thermodynamischen Zustandsgrößen sind definiert. Das Gesamtsystem ist jedoch nur in einem
erzwungenen instabilen Gleichgewicht. Die unterschiedlichen Gasdrücke auf den beiden Seiten des Kolben verursachen eine mechanischen Rückstellkraft, durch die der Kolben wieder
in die Zylindermitte wandert sobald der Zwang aufgehoben wird.
Man kann dieses Phänomen auch thermodynamisch quantitativ beschreiben. Dabei bestätigt
sich, dass der stabile Gleichgewichtszustand unter den gegebenen Randbedingungen derjenige maximaler Entropie ist. Lässt man den Kolben nahezu unendlich langsam relaxieren,
dann entwickelt sich der Zustand des Systems entlang eines quasistatischen Pfades (siehe unten) steigender Entropie ins Gleichgewicht zurück. Die Kenntnis des zusätzlichen Parameter
(Kolbenposition) macht eine thermodynamische Beschreibung dieses Systems möglich. Demgegenüber können relevante Beiträge bei der Relaxation unbekannter Freiheitsgrade zu einer
1
Wird ein System in zwei identische Teile getrennt, dann sind die extensiven Größen der Teilsysteme wie
z.B. das Volumen nur noch halb so groß, wohingegen die intensiven Größen wie die Temperatur gleich bleiben.
3
Abbildung 2: Modellsystem: Ein Zylinder, dessen Gasfüllung durch einem Kolben in zwei
Teilvolumen getrennt ist.
Fehlinterpretation des Systems führen. Hier stellt sich zwangsläufig die Frage, woran man erkennt, dass ein System, wenn schon in einem Zwangszustand, dann doch wenigstens in einem
Gleichgewicht ist. Die Antwort ist, dass es leider kein einfach anzuwendendes hinreichendes
Kriterium gibt, das die Anwendbarkeit der Thermodynamik auf ein spezielles Problem entscheidet. Erst Widersprüche in der thermodynamischen Behandlung eines Systems, insbesondere zu den Hauptsätzen, ermöglichen es a posteriori diese Frage negativ zu beantworten [1].
3
Quasistatische Prozesse
Die Gleichgewichtsthermodynamik beschreibt keine Prozesse im herkömmlichen Sinn sondern
nur Zustände. Die Zeit ist kein thermodynamisch relevanter Parameter. Thermodynamische
Prozesse“ sind daher in Wirklichkeit immer nur eine dichte Abfolge von Gleichgewichts”
zuständen, die im Zustandsraum durch eine Linie charakterisiert werden können. Lässt man
z.B. ein instabiles Gleichgewicht durch sukzessives Entfernen der Zwangsbedingung in Richtung des stabilen Gleichgewichts relaxieren, so entspricht diesem Prozess ein quasistatischer
Pfad im Zustandsraum, der wegen des spontanen irreversiblen Charakters bezüglich der Entropie streng monoton steigend ist [1]. Ein quasistatischer Prozess kann sowohl reversibel als auch
irreversibel sein. Jeder reversible Prozess ist immer auch quasistatisch, denn jede Abweichung
vom quasistatischen Prozess - und damit der Gesamtprozess - wäre inherent irreversibel. Der
Umkehrschluss ist jedoch nicht richtig, denn nicht jeder quasistatische Prozess ist reversibel
(siehe Beispiel unten)!
Die Beschreibung der mechanischen Arbeit durch den Term −p dV und des Wärmeaustauschs
durch den Term T dS ist gültig für alle quasistatischen Prozesse (sowohl reversibel als auch
irreversibel).
Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, dient das Beispiel des quasistatischen Wärmeaustauschs zwischen zwei Teilsystemen. Die vom Teilsystem 1 quasistatisch abgegebene Wärme
−δQ ist betragsgleich der vom Teilsystem 2 aufgenommenen Wärmemenge δQ. Nehmen wir
zunächst an, dass beide Teilsysteme gleiche Temperatur haben, d.h. T1 = T2 = T . Dann ist
die Gesamtänderung der Entropie
4
dStot = dS1 + dS2 = −
δQ
δQ
+
= 0.
T
T
Mit anderen Worten, der quasistatische Wärmeaustausch zwischen zwei Teilsystemen mit
gleicher Temperatur ist reversibel. Sind jedoch die Temperaturen verschieden, in unserem
Beispiel T1 > T2 , dann gilt
dStot = dS1 + dS2 = −
δQ
δQ
+
> 0.
T1
T2
In diesem Fall erfolgt der Wärmeaustausch zwar ebenfalls quasistatisch, der Prozess ist jedoch
irreversibel und die Entropie steigt.
Für die weitere Entwicklung des Formalismus der Thermodynamik ist noch folgendes Postulat
wichtig:
Postulat 3
Die Entropie eines zusammengesetzten Systems ist additiv über die Teilysteme.
Sie ist kontinuierlich, differenzierbar und eine monoton steigende Funktion der
Energie [1].
Damit ist S(U, V, Ni ) umkehrbar in U (S, V, Ni ). Die partiellen Ableitungen der Inneren Energie nach ihren natürlichen Variablen S, V und Ni führen in dieser Reihenfolge zu den intensiven Parametern Temperatur T , Druck p und chemischem Potenzial µi . Da die intensiven
Parameter T und p experimentell leichter zu kontrollieren sind, wird die Fundamentalgleichung U (S, V, Ni ) durch zweifache Legendre-Transformation in die Gibbs’sche Freie Enthalpie
G(T, p, Ni ) umgeformt.
1. Legendre Transformation
H(S, p, Ni ) = U + p · V
2. Legendre Transformation
G(T, p, Ni ) = H − T · S
Diese Funktion G(T, p, Ni ) ist ein thermodynamisches Potential, d.h. von zwei Zuständen ist
derjenige mit der niedrigeren Freien Enthalpie thermodynamisch stabiler. Im Gegensatz zur
Entropie ist diese Funktion nach oben offen und hier entscheidet das Minimum über die Stabilität. Der quasistatische Verlauf der Freien Enthalpie ist monoton fallend. Der Überschuss an
5
Abbildung 3: Freie Enthalpie als Funktion der Dichte eines Materials (schematisch). Unterhalb
der Schmelztemperatur ist der Kristall K stabil und die Schmelze S metastabil. Die exzess
Freie Enthalpie einer unterkühlten Schmelze gegenüber dem stabilen Kristall ist die Triebkraft
für die Kristallisation.
Freier Enthalpie eines nichtstabilen Gleichgewichtszustandes gegenüber dem stabilen Gleichgewicht wird als exzess Freie Enthalpie bezeichnet und ist ein Maß für die thermodynamische
Triebkraft. Daher ist die Kenntnis dieser Funktion von grundlegender Bedeutung.
Abbildung 3 zeigt in einer Skizze den Verlauf der Freien Enthalpie einer Substanz in Abhängigkeit von der Dichte mit einem stabilen (Kristall K) und einem metastabilen (Schmelze S)
Gleichgewicht. Die relative Lage der Minima der Freien Enthalpie ist u.a. abhängig von der
Temperatur. Daher können durch Änderung der Temperatur relative und absolute Minima
und damit stabiles und metastabiles Gleichgewicht wechseln. Dieser Vorgang dient zur Beschreibung von Phasenumwandlungen erster Ordnung. Im folgenden wird nur die Temperatur
als variabler Parameter betrachtet, der Druck sei konstant 1013 hPa.
4
Spezifische Wärme und Schmelzenthalpie
Die Wärmekapazität einer Probe ist definiert als die Wärmemenge, die man der Probe
zuführen muss, um deren Temperatur um 1 Grad zu erhöhen. Bezieht man diese Wärmemenge auf die Menge der Probe(in [g] oder [mol]), dann erhält man eine für das Probenmaterial
charaktistische Größe, die spezifische Wärme.
Nach dem Energieerhaltungssatz ändert sich die Innere Energie eines themodynamischen
Systems durch Zufuhr von Wärme bzw. durch Verrichtung mechanischer Arbeit.
dU = δQ + δW.
Bei quasistatischer Prozessführung gilt (s.o.)
dU = δQ − pdV.
6
Damit erhält man für die spezifische Wärme unter der Bedingung V = konst. den Ausdruck
CV
δQ ∂U
=
.
=
dT V
∂T
Unter üblichen Laborbedinungen ist jedoch nicht das Volumen konstant sondern der Druck.
In diesem Fall gilt für die Variation der Enthalpie H = U + p · V
dH = dU + V dp + pdV = δQ + V dp.
Damit gilt für die spezifische Wärme bei konstantem Druck
Cp =
δQ ∂H
=
.
dT p
∂T
Daher ist es im Prinzip möglich, durch Messung der spezifischen Wärme und Integration
über die Temperatur, die Enthalpie und — wie im Folgenden besprochen — auch die Freie
Enthalpie eines Materials zu bestimmen.
Die Freie Enthalpie als Funktion der Temperatur kann geschrieben werden als
G(T ) = H(T ) − T · S(T )
Enthalpie und reversible Entropie lassen sich jeweils in einen temperaturabhängigen Beitrag
und eine Integrationskonstante separieren
H(T ) = H0 +
S(T ) = S0 +
Z
Z
T
T =0
T
T =0
Cp (T )dT
Cp (T )
dT
T
mit
Cp (T ) =
∂H(T )
T ∂S(T )
=
.
∂T
∂T
Somit kann man aus H0 , S0 und Cp (T ) die Freie Enthalpie berechnen. Dies wird nun zunächst
an kristallinem Platin demonstriert. Die Integrationskonstante S0 ist nach einem weiteren
Postulat der Thermodynamik im stabilen Gleichgewicht bei T = 0 K Null; für Platin ist dies
der Einkristall. Die Größe H0 ist rein additiv und wird willkürlich ebenfalls auf Null gesetzt,
da in der Regel nur Differenzen der Freien Enthalpie von Bedeutung sind. Man benötigt nur
noch die spezifische Wärme und erhält durch Integrieren die Freie Enthalpie des Festkörpers.
Nun wird die Freie Enthalpie der Schmelze berechnet. Durch das Schmelzen bei Tm erhöhen
7
sich die Enthalpie H um die Schmelzenthalpie ∆Hm und die Entropie S um ∆S = ∆Hm /TM .
Die Änderungen in H und S heben sich in der Berechnung der Freien Enthalpie gegenseitig
auf, d.h. die Freie Enthalpie bleibt gleich und beide Minima in Abb. 3 haben den gleichen
Wert. Mit Hilfe der spezifischen Wärme der Schmelze kann man nun die Freie Enthalpie der
Schmelze oberhalb Tm berechnen.
Wie Sie aus der bisherigen Darstellung erkennen können, sind die Schmelzenthalpie und die
spezifische Wärme zwei wesentliche Materialgrößen zur Charakterisierung der thermodyamischen Eigenschaften einer Substanz. Ein Teilgebiet der Festkörperphysik beschäftigt sich mit
den physikalischen Ursachen für die spezifische Wärme eines Festkörpers. Dabei werden u.a.
die Energie der Gitterschwingungen und der Leitungselektronen sowie anharmonische Beiträge betrachtet. Im Rahmen dieses Praktikumsversuches werden Sie die spezifische Wärme
von Diamant experimentell bestimmen und anhand des Debye-Modells der Gitterdynamik
analysieren.
5
Gitterdynamik
Zur Beschreibung seiner Gitterdynamik behandelt man einen kristallinen Festkörper als ein
System miteinander gekoppelter Oszillatoren, dessen Innere Energie durch Anregung der Eigenschwingungen (Phononen) mit steigender Temperatur zunimmt. Durch Lösen der Bewegungsgleichungen erhält man die Dispersionsrelation, die den Zusammenhang zwischen der
Wellenzahl q = 2π/λ und der Kreisfrequenz ω darstellt. Berücksichtigt man nur die Wechselwirkung benachbarter Atome, dann gilt für einkomponentige Systeme
2
ω =
s
4f
M
sin q · a ,
2 wobei f die Kopplungskonstante, M die Masse und a der Abstand der Gitteratome bedeuten.
Für q · a ≪ 1, d.h. für große Wellenlängen, gilt näherungsweise
ω = vs · q,
wobei vs die Schallgeschwindigkeit einer longitudinalen Welle im Festkörper bezeichnet.
Um einen Ausdruck für die spezifische Wärme eines Kristalls zu erhalten, muss zunächst der
Beitrag der Gitterschwingungen zur Inneren Energie berechnet werden. Die Energie eines
einzelnen Phonons mit Kreisfrequenz ω beträgt
En =
n+
1
2
h̄ω,
mit der Quantenzahl n = 0, 1, 2, .... Die mittlere Anregungswahrscheinlichkeit ergibt sich aus
der Bose-Verteilungsfunktion zu
8
n̄ =
1
eh̄ω/kB T
−1
.
Um die Energie der Gitterschwingungen zu berechnen, muss man nun die Schwingungsenergien aller Phononen, gewichtet mit ihren mittleren Anregungswahrscheinlichkeiten und der
Zustandsdichte Z(ω) integrieren, d.h.
U =
Z
ω
h̄ω
eh̄ω/kB T
−1
Z(ω) dω
(1)
Die unbekannte Größe in diesem Ausdruck ist die Zustandsdichte. In der Debyeschen Näherung (siehe Anhang) wird die Zustandsdichte beschrieben durch
!
1
2
+ 3
3
vL vT
V
Z(ω) =
2π 2
ω2 ,
wobei vL und vT die longitudinale und transversale Schallgeschwindigkeit und V das Volumen
bezeichnet. Die Zustandsdichte steigt also im Debye-Modell quadratisch mit der Kreisfrequenz
an. Es existiert eine maximale Frequenz, die Debyefrequenz ωD , die sich aus der Bedingung
ZωD
Z(ω) dω = 3N
0
ergibt. Diese Bedingung rührt daher, dass in einem Kristallgitter aus N identischen Atomen
insgesamt nur 3N unterschiedliche Gitterschwingungen möglich sind. Damit ergibt sich für
die Debyefrequenz
ωD = v s
s
3
6π 2 N
V
mit der mittleren Schallgeschwindigkeit
1
1
=
3
vs
3
1
2
+ 3
3
vL
vT
!
.
In der Näherung für isotrope Festkörper können die transversale und longitudinale
Schallp
C
/ρ
und
vT =
geschwindigkeit
aus
den
elastischen
Konstanten
berechnet
werden,
v
=
11
L
p
C44 /ρ. Für die Zustandsdichte gilt schließlich
Z(ω) =
9
9N 2
3 ω .
ωD
Nach Einsetzen dieser Zustandsdichte in Gleichung 1 erhält man schließlich mit der Avogadrozahl NA = 6, 022045 · 1023 M ol−1 für die molare Innere Energie
Um
9NA
=
3
ωD
ZωD
0
h̄ω
eh̄ω/kB T
−1
ω 2 dω
Für die (spezifische) molare Wärme (in J/Mol) gilt dann
CV =
9NA kB
∂Um
=
3
∂T
ωD
ZωD
0
2
h̄ω
eh̄ω/kB T
kB T
(eh̄ω/kB T − 1)2
ω 2 dω.
An Stelle der Debyefrequenz wird häufiger die Debyetemperatur ΘD als charakteristische
Größe angegeben, die aus dem Zusammenhang
kB ΘD = h̄ωD
berechnet werden kann. Man kann zeigen, dass die molare Wärme nach dem Debyemodell für
T ≪ ΘD proportional zu (T /ΘD )3 ansteigt und für T ≫ ΘD gegen der Grenzwert 3 · R ≈
25 J/(mol · K) (Dulong-Petit Gesetz) konvergiert. Der hier aus der Ableitung der Inneren
Energie berechnete Wert entspricht der spezifischen Wärme bei konstantem Volumen. Die
experimentelle Bestimmung erfolgt in der Regel unter konstantem Druck und die spezifische
Wärme ergibt sich in diesem Fall aus der Ableitung der Enthalpie nach der Temperatur.
In der Tat führt die Ausdehnung des Kristallitgitters mit steigender Temperatur zu einem
zusätzlichen Beitrag zur spezifischen Wärme, so dass
Cp = Cv +
T Vm α 2
κ
gilt, wobei α der Volumenausdehnungskoeffizient, Vm das Molvolumen und κ die isotherme
Kompressibilität bezeichnet.
Diese sehr kompakte Darstellung des Debye-Modells sollten Sie in jedem Fall durch die Lektüre
weiterer Quellen ergänzen. Die Gitterdynamik wird in allen Standardwerken der Festkörperphysik behandelt.
10
6
Messmethode
Die experimentelle Bestimmung der spezifischen Wärme erfolgt mit Hilfe eines Kalorimeters
DSC-7 der Firma Perkin Elmer das nach dem Leistungskompensationsprinzip arbeitet. In einem thermostatisierten Block befinden sich zwei unabhängige möglichst identische Ofenzellen,
die beide mit einer eigenen Heizung und einem Pt100-Thermowiderstand ausgerüstet sind.
In beide Zellen wird ein kleines Töpfchen mit Deckel eingesetzt, wobei eines der Töpfchen
die zu untersuchende Probe enthält. Nun werden beide Öfchen gleichzeitig mit konstanter
Rate R von einer Starttemperatur bis zum Erreichen der gewünschten Endtemperatur geheizt. Dabei werden die Heizleistungen dH/dt der beiden Zellen miteinander verglichen. Die
Leistung der Probenzelle ist gegenüber der leeren Zelle um den Betrag C · R der Wärmekapazität C der Probe erhöht. Damit liefert das Differenzsignal nach Division durch die Heizrate direkt die Wärmekapazität und nach weiterer Division durch die Masse die spezifische
Wärme der Probe. Zusätzliche auftretende exotherme oder endotherme Reaktionen der Probe
führen zu einem entsprechenden Gegenregeln der Ofenleistung. Daher kann das Differenzsignal auch zur Bestimmung von Reaktionswärmen verwendet werden. Weitere Details zur
Versuchsdurchführung und Datenerfassung erfahren Sie von dem Betreuer.
7
Aufgaben
1. Bringen Sie bitte für den Datentransport einen USB-Stick mit.
2. Messen Sie die Phasenumwandlungen bereitgestellter Substanzen und bestimmten Sie
Umwandlungswärme und -temperatur, Abb. 4.
Führen Sie jede Messung dreimal durch und berechnen Sie die Mittelwerte und Standardabweichungen σˆ2 = σ 2 N/(N − 1) der Messwerte (siehe auch [4] S.100). Falls ein
Messwert auffällig sein sollte, überprüfen Sie ihn anhand des Chauvenet-Kriteriums (siehe Anhang C) auf Plausibilität und prüfen Sie ggf. den Gasfluss und den Einbau der
Probentiegel. Sollten Sie einen Fehler entdecken, wiederholen Sie die Messung.
3. Erstellen Sie anhand der Messwerte jeweils eine Kalibrierfunktion zur Korrektur der
Temperatur- und Leistungsmessung des Kalorimeters. Wählen Sie als Kalibrierfunktionen
Tkorr = a · Tmess + b
sowie
Pkorr = c · Pmess ,
wobei der Index mess für den von Ihnen bestimmten Mittelwert der Temperatur T bzw.
Leistung P steht und der Index korr für die korrigierte Größe bzw. den Literaturwert
(Anhang B).
Berechnen Sie auf der Grundlage der Fehler der linearen Anpassung der jeweiligen Kalibriergeraden und der Standardabweichung der dazugehörigen Messwerte den erwarteten
Fehler der Temperatur- und Leistungsmessung.
11
Wärmefluss [mW]
40
30
20
10
0
410
420
430
440
450
460
Temperatur [K]
Abbildung 4: Beispiel für die Auswertung eines Schmelzpeaks. Bestimmen Sie die Schmelztemperatur aus dem Schnittpunkt der Wendepunktstangente mit der interpolierten Basislinie
und die Schmelzwärme aus der intergrierten Peakfläche, der Heizrate und der Probenmasse.
4. Messen Sie die spezifische Wärme von Diamantpulver im Temperaturintervall von 50◦ C
- 200◦ C und bestimmen Sie durch Anpassung der Messwerte an das Debye-Modell die
Debye-Temperatur von Diamant.
Nach Auswertung der Messdaten und Korrektur der Leistungs- und Temperaturmessung
mit Hilfe der Kalibrierfunktionen erhält man cp (T ), also die spezifische Wärme bei
konstantem Druck. Vor dem Vergleich mit der aus dem Debye-Modell erhaltenen Größe
cv (T ) muss der Beitrag der thermischen Ausdehnung subtrahiert werden. Berechnen
Sie diesen Beitrag unter Verwendung folgender Materialkonstanten: Molmasse M =
12, 0 g·mol−1 , Dichte ρ = 3, 515 g·cm−3 , linearer (!) thermischer Ausdehnungskoeffizient
α = 3, 3 · 10−6 K −1 , Kompressionsmodul B = 4, 42 · 1011 N · m−2 .
Das Integral im Ausdruck von Debye für die spezifische Wärme kann etwas übersichtlicher in folgender Form dargestellt werden.
f (n) =
Z1
0
(nx)2 enx 2
x dx
(enx − 1)2
(2)
Finden Sie heraus, welche Größen durch die Variablen n und x beschrieben werden.
Berechnen Sie dann Werte für dieses Integral (nummerisch). Einige Werte sind zum
Vergleich in der folgenden Tabelle 1 aufgelistet.
Ihre Aufgabe besteht nun darin, die Debye-Temperatur von Diamant zu bestimmen.
Die Debye-Temperatur ist dadurch ausgezeichnet, dass nach Reskalierung der Temperaturachse mit 1/ΘD die gemessene spezifische Wärme cv (T ) von Diamant mit dem
12
Tabelle 1: Einige Werte des Integrals (2)
n
f(n)
n
f(n)
7,0
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
0,0636
0,0750
0,0885
0,1044
0,1229
0,1440
0,1677
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,1936
0,2209
0,2486
0,2751
0,2987
0,3172
0,3292
theoretischen Verlauf übereinstimmen sollte. Man kann durch Probieren verschiedener
Skalierungsfaktoren die beste Übereinstimmung suchen. Eine direkte Methode besteht
darin, die Umkehrfunktionen T /ΘD (cv ) zu betrachten. Tragen Sie diese Umkehrfunktion
für Ihre Messdaten (ΘD = 1K) und für den theoretischen Verlauf zusammen in einem
Diagramm auf. Dividieren Sie Ihre Messkurve durch den theoretischen Kurvenverlauf
(Origin: Analyse>Mathematik>Einfache Kurvenmathematik) . Das Ergebnis entspricht
der Debye-Temperatur. Da die beiden Kurven in der Regel nicht dieselbe Steigung besitzen, ist diese Debye-Temperatur nicht konstant. Bilden Sie daher den Mittelwert und
bestimmen Sie auch die maximale und minimale Abweichung. Tragen Sie schließlich
beide Kurven in der üblichen Darstellung cv (T /ΘD ) auf.
Die nächste Aufgabe besteht darin, die Unsicherheit bei der Angabe der Debye-Temperatur
abzuschätzen. Analysieren Sie den Rechenweg und prüfen Sie durch Fehlerfortpflanzung
den Einfluss der Messfehler auf das Resultat. Welche Fehler dominieren?
5. Messen Sie die spezifische Wärme von Germanium im Temperaturintervall von 50◦ C 200◦ C und subtrahieren Sie den Anteil der thermischen Ausdehnung. Berechnen Sie
Debyefrequenz und Debyetemperatur aus den elastischen Konstanten. Setzen Sie diesen
Wert in das Debye-Modell ein und vergleichen Sie das Resultat mit den gemessenen
Werten.
Die spezifische Wärme von Germanium kann in dem betrachteten Temperaturbereich
durch den Ausdruck cp (T ) = 4, 186·(5, 16+1, 4·10−3 T /[K]) J/mol K angenähert werden
[3]. Vergleichen Sie Ihre Messwerte mit diesen Literaturangaben.
6. Berechnen Sie aus der spezifischen Wärme und der Schmelzenthalpie die Enthalpie,
Entropie und Freie Enthalpie von Germanium im Temperaturintervall von 0 - 2000 K.
Materialkonstanten: Molmasse M = 72, 63 g · mol−1 , Dichte ρ = 5, 323 g · cm−3 , linearer
(!) thermischer Ausdehnungskoeffizient α = 6, 0 · 10−6 K −1 , Kompressionsmodul B =
7, 7·1010 N ·m−2 , Elastische Moduln: C11 = 12, 9·1010 N ·m−2 , C44 = 6, 71·1010 N ·m−2 ,
Schmelztemperatur Tm = 1211 K, Schmelzwärme ∆Hm = 31, 8 kJ · mol−1 .
7. Fertigen Sie eine Grafik mit den Achsen Cv /3R vs. T /ΘD an und tragen Sie die korrigierten Daten der Diamant- und der Germaniummessungen ein. Tragen Sie außerdem
im Bereich T < 0, 15 · ΘD die entsprechende Näherung des Debye-Intergrals ein.
13
8. Fertigen Sie eine kommentierte schriftliche Ausarbeitung ihrer Versuche an. Diese Ausarbeitung sollte so gestaltet sein, dass ein Leser den Zweck Ihrer Experimente erkennen
und die Auswertung der Messdaten nachvollziehen kann. Es ist nicht erforderlich, den
theoretischen Teil dieser Versuchsbeschreibung im Detail zu wiederholen. Wichtiger ist
die konkrete Formulierung des Ziels, die Erläuterung der Vorgehensweise und die Diskussion der Ergebnisse.
8
Fragen zur Selbstkontrolle
Bitte reichen Sie eine schriftliche Beantwortung folgender Fragen vor Durchführung des Versuchs beim Versuchsbetreuer ein. Die hier angesprochenen Aspekte bilden die Grundlage für
das erste Kapitel der schriftlichen Ausarbeitung dieses FP-Versuches.
1. Erläutern Sie die Bedeutung der Gibbsschen Freien Enthalpie anhand des Phasengleichgewichtes fest-flüssig. Skizzieren Sie den Verlauf der Freien Enthalpie für die feste und
flüssige Phase als Funktion der Temperatur. Wodurch ist die Schmelztemperatur in
diese Auftragung ausgezeichnet?
2. Wie kann man die Gibbssche Freie Enthalpie eines einkomponentigen Materials experimentell bestimmen? Wie ändern sich die Enthalpie, die Entropie und die Freie Enthalpie
am Schmelzpunkt?
3. Was sind die Grundlagen des Debye-Modells der spezifischen Wärme? Wozu dient das
Debye-Modell in diesem Versuch, wenn die spezifische Wärme doch gemessen werden
kann? Könnten Sie allein anhand Ihrer Messdaten für cp (T) die Freie Enthalpie berechnen?
Literatur
[1] H.Callen, Thermodynamics and an Introduction to Thermostatistics (J. Wiley & Sons,
1985).
[2] K. Kopitzki, Einführung in die Festkörperphysik (Teubner, Stuttgart, 1986).
[3] E.A. Brandes, G.B. Brook, Smithells Metals Reference Book, 7th Ed., (Butterworth Heinemann, 1992).
[4] J.R. Taylor, An Introduction to error analysis (University Science Books, Sausalito,
1997).
14
Anhang A: Zustandsdichte nach Debye
Zur Berechnung des Beitrags der Gitterschwingungen zur Inneren Energie benötigt man die
Zustandsdichte Z(ω). Der Ausdruck Z(ω)dω gibt an, wieviele Phononen im Frequenzbereich
zwischen ω und ω + dω im Kristall vorkommen. Diese Größe gilt es also zu berechnen.
Als ersten Schritt dahin berechnen wir die Phononendichte ~q-Raum für einen endlich großen
Kristall. Dabei tritt das Problem auf, dass die Randbedingungen einerseits die endliche Ausdehnung des Kristalls widerspiegeln, andererseits der Wellenansatz eine ins Unendliche fortschreitende ebene Welle beschreibt. Diese beiden Kriterien werden erfüllt durch Einführung
periodischer Randbedinungungen. Ein einfaches Beispiel hierfür ist die lineare Kette aus N
schwingenden Teilchen im Abstand a. Periodische Randbedingungen bedeuten in diesem Fall,
dass die beiden Kettenenden zu einem Kreis mit Umfang L = N · a zusammengefügt werden
und für die Auslenkung die Randbedingung
us = us+N
gelten muss. Für den Wellenansatz us = u exp (−i q s a) bedeutet das,
q N · a = l · 2π mit l = 0, ±1, ±2, ...
Damit erhält man als erlaubte Werte für q genau N unabhängige Werte,
q = 0, ±
2π 4π 6π
Nπ
,
,
, ...,
.
L L L
L
Es ist also für jedes schwingende Atom genau ein Schwingungszustand erlaubt und es liegen
insgesamt N Schwingungszustände im ~q-Bereich −π/a ≤ ~q ≤ π/a oder 1 Zustand im Intervall
2π/L. Überträgt man dieses Resultat auf einen dreidimensionalen Kristall der Kantenlänge
L, so findet man genau einen Zustand im Volumen (2π/L)3 . Mit dem Volumen V = L3 des
Kristalls ergibt sich als Wellenzahldichte ρ im reziproken Raum
ρ =
V
8π 3
Um nun die Zahl der Phononen im Frequenzintervall zwischen ω und ω + dω zu berechnen,
müsste man diese Zustandsdichte über das Volumen im ~q-Raum integrieren, das von den
Flächen ω = const und ω + dω = const′ eingeschlossen wird.
In der Debye-Näherung macht man nun die Annahme, dass der Kristall isotrop sei, d.h. dass
die Schallgeschwindigkeiten vL (longitudinal) und vL (transversal) jeweils unabhängig von der
Frequenz und der Ausbreitungsrichtung sind. Flächen konstanter Kreisfrequenz im ~q-Raum
sind in dieser Näherung Kugeloberflächen. Demnach ergibt sich die Zahl der Schwingungszustände durch Multiplikation der o.a. Zustandsdichte mit dem Volumen einer Kugelschale
im ~q-Raum:
15
dN = ρ · VKugelschale,~q =
V
V q 2 dq
2
4πq
dq
=
8π 3
2π 2
und als Zustandsdichte
Z(ω) =
V q 2 dq
dN
=
.
dω
2π 2 dω
Der letzte Quotient entspricht dem Kehrwert der Dispersionsrelation dω/dq.
Mit der als konstant angenommenen Schallgeschwindigkeit v gilt ω = v · q und dω = v · dq.
Daraus folgt, dass
q 2 dq =
ω 2 dω
ω 2 dω
=
.
v2 v
v3
Damit ergibt sich für die Zustandsdichte der Ausdruck
Z(ω) =
V ω2
2π 2 v 3
und die Zustandsdichte steigt quadratisch mit der Kreisfrequenz. Diese Zustandsdichte gilt
für jeden der drei Phononenzweige (ein longitudinaler und 2 transversale Zweige). Führt man
die mittlere Schallgeschwindigkeit vs ein, mit
3
1
2
= 3 + 3,
3
vs
vL vT
dann erhält man schließlich für die Zustandsdichte das Endergebnis:
Z(ω) =
V ω2
2π 2
2
1
+ 3
3
vL vT
16
=
3 V ω2
2π 2 vs3
Anhang B: Daten der Kalibriersubstanzen
Substanz
Molmasse [g/Mol]
Schmelztemperatur [C]
Schmelzwärme [kJ/mol]
In
Sn
Pb
114,8
118,7
207,2
156,6
231,9
327,4
3,263
7,029
4,796
17
Anhang C: Chauvenet Kriterium
Gelegentlich taucht bei der Diskussion von Messergebnissen der Begriff Ausreißer“ auf.
”
Grundsätzlich ist hier größte Vorsicht geboten. Ein Messwert sollte nur dann verworfen werden, wenn ein grober Fehler bei seiner Bestimmung (z.B. durch fehlerhaften Probeneinbau,
Ausfall eines Gasflusses,...) nachweisbar ist. Solche Fehler sollten dokumentiert werden. Unabhängig vom weiteren Umgang mit solchen Ausreißern stellt sich die Frage nach einem
objektiven Kriterium anhand dessen ein Messwert im Rahmen der Statistik als auffällig identifiziert werden kann. Das Chauvenet-Kriterium beruht auf der Wahrscheinlichkeit, dass ein
einzelner Messwert aus einer endlichen Anzahl von Stichproben die gemessenen Abweichung
vom Mittelwert aufweist (siehe auch [4] S. 166ff).
Beispiel: In Tabelle C1 ist die Standardabweichung bei der Messung der Schmelztemperatur
von Blei gegenüber der anderen Proben auffällig groß. Die Ursache dafür ist schnell identifiziert: Der Eintrag der Gruppe PB14 weicht erheblich von den anderen Werten ab. Ist dieser
Messwert statistisch gesehen auffällig?
Um das Chauvenet-Kriterium anzuwenden, geht man folgendermaßen vor:
1. Berechne die Abweichung des verdächtigen Messwertes vom Mittelwert in Einheiten der
Standardabweichung
t=
|x − hxi|
|317, 7 − 324, 4|
=
= 1, 8
σ
3, 8
(3)
2. Berechne die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Messwert mindestens soviel vom Mittelwert abweicht (siehe Tabelle C2).
1
P (|x| > 1, 8) = 1 − √
2π
Z
1,8
exp (−x2 /2)dx = 0, 072
(4)
−1,8
3. Berechne die Wahrscheinlichkeit dafür, dass von N (hier N=5) Messwerten einer soviel
vom Mittelwert abweicht.
E = 5 · P (1, 8) = 0, 36 < 0, 5
(5)
Ist dieser Wert kleiner als 0, 5, dann zählt er als statistisch auffällig. Das bedeutet nicht
automatisch, dass dieser Messwert kommentarlos verworfen werden sollte. Im Praktikum kann
diese Analyse hilfreich sein, grobe Bedienfehler bei der Messung zu identifizieren und die
Messung ggf. zu wiederholen.
18
Tabelle 1: Messergebnisse aus dem FP‐Versuch mit einem „auffälligen“ Wert.
Schmelztemperatur [°C]
Indium
Zinn
Schmelzenthalpie [kJ/Mol]
Blei
Indium
Zinn
Blei
Literaturwert
156,6
231,9
327,4
3,263
7,029
4,796
Mittelwert
157,2
231,6
324,4
3,36
7,33
4,47
0,1
,
0,2
,
3,8
,
0,03
,
0,18
,
0,18
,
PB13
157,2
232,0
326,1
3,361
7,444
4,548
PB14
157,1
231,6
317,7
3,356
7,583
4,152
MBM.1
157,3
231,6
326,2
3,310
7,140
4,490
PM3
157,2
231,5
326,0
3,376
7,262
4,609
PM4
157 2
157,2
231 5
231,5
326 0
326,0
3 376
3,376
7 201
7,201
4 551
4,551
Standardabweichung*
g
PM7
MB4
Tabelle 2: Wahrscheinlichkeit für einen Messwert außerhalb t
1
√
P (|x|
(| | > t) = 1 −
2π
t
0,1
02
0,2
0,3
0,4
,
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
P(t)
0,9203
0 8415
0,8415
0,7642
0,6892
0,6171
,
0,5485
0,4839
0,4237
0,3681
0,3173
t
1,1
12
1,2
1,3
1,4
1,5
,
1,6
1,7
1,8
1,9
2,0
Z
t
exp (−x
( 2 /2)dx
/2)d
−t
P(t)
0,2713
0 2301
0,2301
0,1936
0,1615
0,1336
,
0,1096
0,0891
0,0719
0,0574
0,0455
t
2,1
22
2,2
2,3
2,4
2,5
,
2,6
2,7
2,8
2,9
3,0
P(t)
0,0357
0 0278
0,0278
0,0215
0,0164
0,0124
,
0,0093
0,0069
0,0051
0,0037
0,0027
Einige Tipps zum Verfassen der Ausarbeitung
29. August 2013
Mit dem Verfassen der Ausarbeitung betreten Sie persönliches Neuland insofern, als Sie zum
ersten Mal im Studium einen wissenschaftlichen Text unter Verwendung des fachspezifschen
Vokabulars erstellen. Erkennen Sie bitte, dass es sich hierbei um einen wichtigen und keineswegs nebensächlichen Teil des Praktikumsversuches handelt, schließlich werden Sie am Ende
Ihres Studiums eine längere schriftliche Arbeit (Bachelor-, Masterarbeit) anfertigen und diese
Ausarbeitung kann als eine vorbereitende Übung betrachtet werden. Es gibt eine Vielzahl
von Büchern und Leitfäden über das Schreiben wissenschaftlicher Texte, die Sie konsultieren
sollten. Es folgt nun eine Auflistung grundsätzlicher Hinweise, die sich an der besonderen
Form eines Praktikumsberichtes orientiert und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
1. Grundsätzlich sollte der Bericht so gestaltet werden, dass er von einem Leser auch ohne
Kenntnis der Versuchsanleitung verstanden werden kann. Das klingt sehr trivial, ist es
aber keinesfalls!!
Gliedern Sie Ihren Bericht nach logischen Gesichtspunkten. Die Ausarbeitung muss eine
Einleitung enthalten, die das Versuchsthema motiviert, und sie sollte mit einer Zusammenfassung enden. Werden Sie sich über die jeweiligen Aufgabenstellungen und die
daraus resultierende Vorgehensweise klar. Schreiben Sie keine Erlebnisberichte! Ordnungsprinzip ist nicht die Chronologie der Ereignisse sondern eine Gliederung nach
thematischen Blöcken, die sinnvoll ineinander übergehen.
2. Beschreiben Sie ggf. den Versuchsaufbau (z.B. anhand einer Skizze, unter Verwendung
der üblichen technischen Symbole; erlaubt sind auch Fotos). Vergewissern Sie sich, dass
man auch wirklich sieht, was man sehen soll!
3. Zu jeder Aufgabenstellung sollten Sie den Hintergrund erläutern, die Zielsetzung definieren und die Vorgehensweise bei der Lösung der Aufgaben erklären. Mathematische
Ableitungen sollten in einen erläuternden Text eingebettet werden. Die Bedeutung aller
mathematischen Symbole muss benannt werden!
4. Abbildungen sollten numeriert und mit einer charakteristischen Bildunterschrift versehen werden. Außerdem muss im Text auf jede Ihrer Abbildungen Bezug genommen
werden. Die charakteristische Bildunterschrift soll in vollständigen deutschen Sätzen
geschrieben sein. Es schadet auch nichts, wenn es mehrere Sätze werden. Abbildungen
sollten möglichst selbsterklärend sein, d.h. der Leser muss anhand der Bildunterschrift
verstehen können, welche Größen aufgetragen sind und worin sich verschiedene Kurven
1
ggf. unterscheiden. Machen Sie sich klar, was Sie zeigen möchten, und ob man es wirklich
anhand der gezeigten Abbildung erkennt! Beachten Sie den sinnvollen Einsatz linearer
oder logarithmischer Skalen.
5. Auch Tabellen werden nummeriert und erhalten eine Beschreibung, die im Gegensatz
zu Abbildungen über der Tabelle steht.
6. Erläutern Sie die Ergebnisse Ihrer Messungen und kommentieren Sie diese im Hinblick
auf die Zielsetzung. Vergleichen Sie die Messergebnisse mit der Theorie. Versuchen Sie,
die Abweichungen zu interpretieren.
7. Ein wichtiger Aspekt bei der experimentellen Erhebung von Messgrößen ist die Fehlerbetrachtung. Geben Sie Messwerte grundsätzlich nur bis zu einer signifikanten Stelle
der Standardabweichung an.
8. Versuchen Sie, vollständige Sätze in deutscher Sprache zu schreiben. Arbeiten mit hoher
Zahl an Rechtschreibe- und Zeichensetzungsfehler werden, unabhängig vom Inhalt, nicht
akzeptiert. Vermeiden Sie Umgangssprache und Mundart.
9. Zitate In wissenschaftlichen Arbeiten ist es üblich, dann, wenn Sie Wissen in Ihren
Text einarbeiten, das nicht auf Ihren eigenen Überlegungen beruht, auf die Quelle zu
verweisen, aus der Sie es entnommen haben. Dies gilt u.a. auch für Bilder, Grafiken oder
auch für mathematische Gleichungen, die ohne Herleitung verwendet werden. Es gibt
verschiedene Zitiervarianten. Sehen Sie einfach in wissenschaftlichen Arbeiten nach.
10. Plagiat Die Übernahme von Formulierungen bis hin zur Verwendung ganzer Textpassagen aus fremden Quellen (im Internet veröffentlichte Diplomarbeiten oder Dissertationen, Wikipedia etc.) stellt ein Plagiat dar und ist nicht akzeptabel.
11. Lesen Sie die Erstversion 1-2 Tage nach der Fertigstellung und vor der Abgabe noch
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