Thermodynamik

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Thermodynamik
Mai 2010
1
Von den Phänomenen ausgehende Thermodynamik
In der Thermodynamik beschreiben wir ein System durch makroskopisch beobachtbare
Zustandsgrößen, ohne dass man auf die spezielle Materialbeschaffenheit oder die atomaren
oder molekularen Details des Systems eingehen muss. In der Statistischen Mechanik
wird das thermodynamische Verhalten eines System auf die (klassische oder Quanten)Mechanik seiner Bestandteile, der Atome und Moleküle, zurückgeführt. Die Statistische
Physik wird hier nur kurz vorgestellt und erst in einem späteren Semester behandelt.
1.1
Temperatur und thermodynamisches Gleichgewicht
Wir betrachten im Sinne einer Idealisierung zwei Grenzfälle: Ein System kann von seiner Umgebung durch eine diathermische (= wärmedurchlässige) Wand getrennt sein, oder
es ist durch eine adiabatische (=wärmeundurchlässige) Wand von der Umgebung isoliert.
(Zemansky S. 7, Atkins, Kap. 2)
Wir wissen aus Erfahrung, dass viele Systeme nach einer Störung von außen nach einiger
Zeit wieder in einen Zustand zurückkehren, in dem sie sich von selbst nicht mehr weiter
verändern. Man sagt, sie erreichen einen Gleichgewichtszustand. Anhand der angegebenen
Kriterien unterscheidet man
mechanisches Gleichgewicht: Alle internen Kräfte im System plus evtl. äußere Kräfte
kompensieren sich zu Null.
chemisches Gleichgewicht: Falls chemische Reaktionen in dem System ablaufen, so treten Vor- und Rückreaktion pro Zeiteinheit gleich häufig auf; man sagt, die Raten dafür
sind gleich.
thermisches Gleichgewicht: Ein System oder Teil eines Systems, das über eine diathermische Wand im Kontakt mit der Umgebung ist, und bereits im mechanischen und
chemischen Gleichgewicht ist, ändert seine Zustandsgrößen nicht mehr. Mit anderen
Worten: Alle Teile des Systems haben die gleiche Temperatur, und das System hat
die gleiche Temperatur wie seine Umgebung.
1
Der Begriff thermodynamisches Gleichgewicht umfasst alle drei Unterpunkte. (Zemansky S. 26)
1.2
0. Hauptsatz der Thermodynamik
Wenn zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht mit einem dritten System
sind, dann sind sie im thermischen Gleichgewicht miteinander. (Zemansky S. 7)
Die Temperatur ist also diejenige Systemeigenschaft, die darüber entscheidet, ob zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht sind oder nicht.
Im Gleichgewicht wird ein thermodynamisches System durch eindeutige Werte der Zustandsgrößen (z.B. Druck p, Volumen V , chemisches Potential µ, Teilchenzahl N , Magnetisierung m, . . . ) beschrieben. Man unterscheidet
extensive Zustandsgrößen, deren Wert mit der Systemgröße proportional zunimmt,
z.B. Volumen, Teilchenzahl, Magnetisierung
intensive Zustandsgrößen, deren Wert von der Systemgröße unabhängig ist, z.B. Druck,
chemisches Potential
Eine extensive und eine intensive Größe bilden immer ein Paar zueinander konjugierter
Variablen (z.B. p und V ). In einem Zustandsdiagramm sind die beiden Variablen eines
Paares an den Achsen aufgetragen.
1.3
Differentielle Zustandsänderungen
Im Folgenden bedeutet Zustandsänderung jegliche Änderung der Zustandsvariablen. Die
Phasenänderungen (wie Schmelzen, Vedampfen, . . . ) gehören mit dazu, der Begriff ist
aber umfassender, z.B. bloßes Erwärmen eines Körpers ist auch eine Zustandsänderung.
(Zemansky S. 34)
Quasi-statische Prozesse: Der Prozess wird so geführt, dass jeder auftretende Zwischenzustand einem Gleichgewichtszustand beliebig nahe kommt. Allerdings sind durch die Einwirkung auf das System von außen Abweichungen vom Gleichgewicht praktisch unvermeidlich. Das Konzept des quasi-statische Prozesses ist also eine Idealisierung. Folgende Dinge
dürfen dabei definitiv nicht auftreten (Zemansky S. 49):
• mechanische Wellen oder Turbulenz in Folge der äußeren Störung
• Temperaturunterschiede innerhalb des Systems oder zwischen System und Umgebung
• chemische Reaktion oder Abspaltung eines chemischen Bestandteils in Folge der äußeren Einwirkung
2
Adiabatische Prozesse: Das System kann während des Prozeses keine Wärme mit der
Umgebung austauschen. Das wird in der Regel erreicht, indem das System von seiner Umgebung durch eine adiabatische Wand getrennt ist, und der Prozess schnell genug durchgeführt wird, so dass die experimentell immer vorhandene Wärmeleitung keine Rolle spielt.1
Beispiel für eine kontinuierliche Zustandsänderung ist das Einschieben eines Stempels in
einen gasgefüllten Kolben. Wenn der Kolben fortwährend in Kontakt mit einem Wärmereservoir ist, ändern sich nur das Volumen V und der Druck p, nicht jedoch die Temperatur.
Es wird mechanische Arbeit W an dem System geleistet:
Z
∆W = − pdV
Hinsichtlich des Vorzeichens nehmen wir zum Zwecke einer Energiebilanz den Standpunkt
des Systems ein: Vom System geleistete Arbeit zählt negativ. Die (von außen) am System
geleistete Arbeit hat das umgekehrte Vorzeichen wie die vom System geleistete Arbeit.
Im Allgemeinen wird die vom System geleistete Arbeit von dem Weg abhängen, den das
System im pV -Diagramm durchläuft.
1.4
1. Hauptsatz der Thermodynamik und innere Energie
Wenn man ein System auf vollkommen adiabatische Weise von einem Anfangszustand in
einen Endzustand überführt, dann ist die geleistete Arbeit die gleiche für alle adiabatisch
durchlaufenen Wege im Zustandsdiagramm, die diesen Anfangs- und Endzustand verbinden. (Zemansky S. 73, Atkins S. 50)
Aufgrund der Weg-Unabhängigkeit kann die adiabatisch verrichtete Arbeit zur Definition einer Zustandsfunktion, der inneren Energie U , benutzt werden. U ist eine eindeutige
Funktion der Zustandsvariablen; dU ist ein totales Differential.
Die innere Energie des thermodynamischen Systems resultiert aus der kinetischen Energie
der ungeordneten Bewegung sowie der potentiellen Energie seiner Bestandteile, nämlich der
Atome oder Moleküle. Bei einem Gas liefert die kinetische Energie der Molekülbewegung
den Hauptbeitrag.
Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik drückt die Erhaltung der Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems aus, unter Berücksichtigung der Wärmeenergie. Historisch drückt
der 1. Hauptsatz die Erkenntnis aus, dass auch die Wärme eine Form von Energie darstellt. Auch wenn uns dies heute nahezu selbstverständlich erscheint, war es historisch ein
1
In der Quantentheorie und in der Thermodynamik wird der Begriff adiabatisch in verschiedenen Bedeutungen verwendet. In der Quantenmechanik bedeutet adiabatisch ohne Umbesetzung der quantenmecha”
nischen Zustände“ und bezeichnet damit eine Veränderung, die langsam erfolgt gemessen an der Zeitskala
−1
−1
τ = Frequenz = ~(εi − εj ) für einen Übergang zwischen zwei Energieniveaus. Da die beiden betrachteten Zeitskalen (in der Thermodynamik und in der Quantenmechanik) sehr verschieden sind, kann ein
langsamer“ Vorgang im Sinne der Quantenmechanik trotzdem schnell genug sein, um auch im Sinne der
”
Thermodynamik als adiabatischer Vorgang zu gelten.
3
wichtiger Schritt, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, der erst im 19. Jahrhundert geleistet
wurde.
∆U = Uf − Ui = Q + W
In Umkehrung der historischen Argumentation können wir die Erhaltung der Gesamtenergie zur thermodynamischen Definition der Wärme verwenden: (Zemansky S. 75)
Wenn an einem System, das in thermischem Kontakt mit der Umgebung ist, mechanische
Arbeit verrichtet wird, so bezeichenen wir die Änderung seiner inneren Energie U , die
nicht auf mechanische Weise bewirkt wurde, als zu- oder abgeführte Wärmemenge.
Im Allgemeinen wird die bei einem Vorgang umgesetzte Wärmemenge (genauso wie die
mechanische Arbeit) von dem Weg im Zustandsdiagramm abhängen, der bei dem Prozess
durchlaufen wird. Man drückt dies in der differentiellen Formulierung des 1. Hauptsatzes
dadurch aus, dass man das d“ im totalen Differential durchstreicht:
”
dU = đQ + đW
Man spricht dann von einem unvollständigen Differential.
2
Mikroskopische Grundlagen
Wenn wir einmal erkannt haben, dass die Wärme der ungeordneten Bewegung von Teilchen
entspricht, können wir die Thermodynamik auf Klassische bzw. Quanten-Mechanik plus
Wahrscheinlichkeitstheorie zurückführen. Wenn wir die Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür
kennen, dass ein Gasteilchen eine bestimmte Geschwindigkeit besitzt, können wir viele
Größen in Form von statistischen Mittelwerten berechnen.
2.1
Elementare kinetische Gastheorie
Ein Beispiel ist der Druck, den ein Gas auf eine Wand ausübt. Jedes Gasteilchen übt beim
Rückprall von der Wand eine Kraft auf diese aus, die gleich der Änderung seines Impulses
pro Zeiteinheit ist. Der Druck ist das Mittel über diese Kräfte, multipliziert mit der Zahl
der Teilchen, die pro Zeiteinheit die Wand erreichen. (Atkins Kap. 1.3) Damit erhält man
2mvx
1
pA =
nA vx ∆t = nmhvx2 i
∆t
2
Dabei ist A die Wandfläche und n die Dichte des Gases. Die spitzen Klammern bedeuten Mittelung über alle Teilchen. Der Druck p hängt zusammen mit dem Mittelwert des
Quadrats einer Geschwindigkeitskomponente. In Folge seiner Definition als Mittelwert unterliegt der Druck genau genommen auch Schwankungen. Bei makroskopischen Systemen
sind diese Schwankungen jedoch so klein, dass es gerechtfertigt ist, von einem wohldefinierten Wert der Zustandsgröße p zu sprechen, wie wir es in der Thermodynamik tun.
4
2.2
Verteilungsfunktionen
Die Wahrscheinlichkeit, den Geschwindigkeitsvektor ~v in einem kleinen Würfelvolumen d3 v
zu finden, werde beschrieben durch F (~v ). Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Betrag
der Geschwindigkeit, v = |~v |, sei beschrieben durch f (v) = 4πv 2 F (|~v |2 ). In einem idealen
Gas erhält man die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung:
!
3/2
m(vx2 + vy2 + vz2 )
m
F (~v ) =
exp −
2πkB T
2kB T
r 2
m 3/2 2
mv 2
f (v) =
v exp −
π kB T
2kB T
Boltzmann-Verteilung (bzgl. der Energie)
In einem System, das diskrete Energiezustände mit den Energien E0 , E1 , E2 , . . . einnehmen kann, sind diese Zustände im thermodynamischen Gleichgewicht realisiert mit den
Wahrscheinlichkeiten
Ei
1
.
Pi = exp −
Z
kB T
P
Der Normierungsfaktor Z =
exp(−Ei /(kB T )) stellt sicher, dass die Summe der Pi auf
1 normiert ist. Z wird auch als Zustandssumme (engl.: partition function) bezeichnet.
Die Maxwell-Verteilung F (~v ) kann als ein Spezialfall der Boltzmann-Verteilung angesehen
werden für den Fall, dass nur die kinetische Energie eine Rolle spielt, also für den Fall des
idealen Gases.
Beispiel für Anwendung der Boltzmann-Verteilung: Besetzung der Rotationszustände in
einem zweiatomigen Gas als Funktion der Temperatur
2.3
Boltzmannscher Gleichverteilungssatz (Äquipartitionstheorem)
In einem idealen einatomigen Gas (das also durch die kinetische Energie dominiert wird)
trägt jede der drei kartesischen Raumrichtungen 21 kB T zur inneren Energie bei; daher insgesamt U = 32 kB T . Unter der Voraussetzung, dass das System nach der klassischen Mechanik
beschreiben werden kann (und das gilt bei Raumtemperatur und darüber) gilt allgemein:
Jeder Freiheitsgrad, der quadratisch in die Hamiltonfunktion eingeht, trägt 12 kB T zur inneren Energie bei. Beispiel: Eine Molekülschwingung trägt kB T bei, da sowohl Ort als auch
Impuls quadratisch in der Hamiltonfunktion auftreten.
3
Annäherung an das Gleichgewicht
Das totale thermodynamische Gleichgewicht, in dem sich nichts mehr verändert, ist praktisch gesehen uninteressant. Oft interessiert man sich dagegen für ein System in einem
5
gehemmten Gleichgewicht, d.h. für eine Situation, in der eine bestimmte Zustandvariable
auf einem gegebenen Wert festgehalten wird. Gibt man dann diese Zustandsgröße frei,
strebt das System einem Gleichgewichtszustand zu. Beispiel: Aus einem zweigeteilten Gasbehälter wird die Scheidewand herausgezogen.
Wir interessieren uns für das Einlaufen in diesen neuen“ Zustand.
”
3.1
Irreversibilität
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Prozesse, die wir im Alltag beobachten, immer nur
in einer Richtung ablaufen, und nicht umgekehrt. Man spricht von einem irreversiblen
Prozesss. Beispiel: Platzen einer Seifenblase. Das Gegenteil, nämlich eine reversible Zustandsänderung, ist durch folgende Anforderung charakterisiert: Es muss möglich sein,
sowohl das System wie auch seine Umgebung nach Beendigung des Vorgangs wieder in den
Anfangszustand zurück zu bringen, ohne irgendwelche anderen Veränderungen im Universum zu hinterlassen.
Ein in Strenge reversibler Vorgang ist sehr schwierig zu realisieren. Dies ist (für uns als PhysikerInnen) überraschend, da ja sowohl in den Newtonschen Gleichungen der Klassischen
Mechanik als auch in der Schrödingergleichung keine bestimmte Richtung eines Vorgangs
bevorzugt ist. Die Statistische Physik versucht diese Schwierigkeit aufzulösen, indem sie
zeigt, dass eine Zustandsänderung auf das Gleichgewicht hin sehr viel wahrscheinlicher ist
als vom Gleichgewicht weg. Wir werden im Folgenden innerhalb der Thermodynamik eine
Größe definieren, mit der es möglich ist, die praktisch allgegenwärtige Irreversibilität von
Naturvorgängen zu erfassen.
Beispiele für Irreversibilität (Zemansky S. 159 ff., Atkins Kap. 4):
Von außen getriebene mechanische Irreversibilität
• bei der isothermen Arbeitsleistung an einem System, z.B. durch Rühren in einer
zähen Flüssigkeit, Abklingen der Strömung in einer rotierenden zähen Flüssigkeit, plastische Deformation eines festen Körpers, Stromfluß durch einen Widerstand, . . . , wobei all diese Systeme im Kontakt mit einem Wärmereservoir
stehen.
• bei adiabatischer Arbeitsleistung an einem System, z.B. in den oben genannten
Fällen, wenn das System thermisch isoliert ist.
N.B.: Die genannten Prozesse, bei denen von außen aufgebrachte mechanische Arbeit
irreversibel in innere Energie des Systems überführt wird, bezeichnet man auch als
dissipative Prozesse. Insbesondere die (aus er Mechanik bekannte) Reibung ist eine
Form der Energiedissipation.
6
Innere mechanische Irreversibilität z.B. freie Expansion eines Gases ins Vakuum, Druckausgleich zwischen zwei Gasvolumina durch ein Drosselventil (ein poröser Stopfen),
Bruch eines Bauteils, das unter mechanischer Verspannung steht, . . .
Thermische Irreversibilität z.B. Wärmeleitung, Wärmestrom durch ein (unverändert
bleibendes) System, jeweils von einem heißen Reservoir zu einem kalten Reservoir
Chemische Irreversibilität fast alle chemischen Reaktionen, Interdiffusion von Gasen,
Mischen von verschiedenen Flüssigkeiten, Auflösen eines Feststoffs in einem Lösungsmittel, Osmose, verzögertes Gefrieren aus einer unterkühlten Flüssigkeit, verzögerte
Kondensation aus einem übersättigten Dampf
3.2
Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik
Frage: Gibt es ein Perpetuum mobile der 2. Art“ ? Zum Beispiel, könnte ein Schiff die
”
Energie zu seinem Antrieb mit Hilfe von Wärmepumpen aus der thermischen Energie des
Ozeans entnehmen ?
Antwort: Nein. Aber um genau zu verstehen, was möglich ist und was nicht, benötigt
man eine sorgfältige begriffliche Analyse.
Formulierung des 2. Hauptsatzes in der Form von Kelvin: Ein Prozess, der einzig Energie
aus einem Wärmereservoir entnimmt und diese vollständig in mechanische Arbeit verwandelt (ohne sonst etwas in der Natur zu verändern), ist naturgesetzlich unmöglich. (Zemansky S. 147) Man spricht auch von der Unmöglichkeit des Perpetuum mobile der 2. Art.
Formulierung des 2. Hauptsatzes in der Form von Clausius: Ein Prozess, dessen einziges
Ergebnis die Übertragung von Wärme von einem kälteren auf einen heißeren Körper wäre,
ist naturgesetzlich unmöglich. (Zemansky S. 153)
Man kann zeigen, dass beide Formulierungen logisch zueinander äquivalent sind.
Aufgabe: Überlegen Sie sich, warum die jeweils umgekehrten Vorgänge zu der Liste in
Abschnitt 3.1 gegen den 2. Hauptsatz (in der Formulierung von Kelvin oder von Clausius)
verstoßen.
3.3
Entropie
Ein reversibler Vorgang ist eine Idealisierung, an die wir uns experimentell unter folgenden
Bedingungen annähern können (Zemansky S. 163):
1. Der Prozess wird quasi-statisch geführt und
2. Dissipative Prozesse sind vernachlässigbar ( gut geschmierter“ Kolben) und
”
3. Falls Wärme aus einem Reservoir entnommen oder in ein solches abgegeben wird,
so soll das Reservoir so gross sein, dass dadurch keine Temperaturunterschiede im
Reservoir entstehen.
7
Durch Vergleich irgendeines Vorgangs aus dem Alltag mit einem entsprechenden reversiblen
Vorgang können wir erkennen und quantifizieren, dass es sich dabei um einen irreversiblen
Vorgang handelt.
Zur mathematischen Formulierung des 2. Hauptsatzes muss man folgendes Postulat einführen: Die Adiabaten bilden ein krummliniges Koordinatensystem im Raum der Zustandsvariablen. D.h. durch jeden Punkt im Zustandsdiagramm geht genau eine Adiabate; die
Adiabaten schneiden sich nirgends.
Das Postulat läßt sich äquivalent auch so ausdrücken (Zemansky S. 179, Atkins S. 100):
Die Größe
đQrev
dS =
T
ist ein totales Differential, wobei đQrev für den Wärmefluss bei einer reversiblen infinitesimalen Zustandsänderung steht. Wenn ein Prozess quasi-statisch geführt wird und Dissipation vernachlässigbar ist, so ist das ein reversibler Prozess. Wenn ein Prozess quasi-statisch
auf einer Adiabate abläuft, dann ist đQrev = 0 und damit dS = 0, d.h. quasistatische
und zugleich adiabatische Prozesse sind isentrop, die Entropie bleibt dabei gleich.
N.B.: Hier muss T als die Kelvin-Temperatur, also bezogen auf den absoluten Nullpunkt,
verstanden werden, nur dann erhält man die richtige Definition von dS. Umgekehrt kann
man auch sagen: Das obige Postulat (dass dS ein totales Differential ist), definiert die
thermodynamische Temperatur. Diese Definition ist unabhängig von einer bestimmten Thermometersubstanz. Man kann zeigen, dass die Bestimmung von T über ein (mit
einem idealen Gas gefülltes) Gasthermometer gerade mit der thermodynamischen Temperaturdefinition übereinstimmt.
Die obige Gleichung definiert eine weitere Zustandsfunktion (zusätzlich zur inneren Energie), nämlich die Entropie
Z f
đQrev
Sf − Si =
T
i
N.B. Genau genommen definieren wir hier eine Entropiedifferenz; das ist aber ausreichend.
Für die absolute Definition der Entropie benötigt man die Statistische Physik plus die
Quantentheorie (siehe späteres Semester). Die Entropie ist eine extensive Zustandsgröße.
D.h. wenn wir zwei getrennte Systeme (gedanklich) als eines betrachten, müssen wir die
Entropien addieren.
Wir können das Vorhandensein irreversibler Prozesse nun wie folgt in mathematischer
Sprache wiedergeben: Man betrachte einen Kreisprozess, d.h. einen geschlossenen Weg im
Zustandsdiagramm. Dann gilt stets
I
đQ
≥ 0,
T
wobei das Gleichheitszeichen genau für die reversiblen und das >“-Zeichen genau für die
”
irreversiblen Prozesse gilt. In Worten: Bei spontanen Vorgängen in einem abgeschlossenen System nimmt die Entropie niemals ab.
8
N.B.: In der Statistischen Physik muss man diese Aussage noch etwas verfeinern. Wenn
ein System ziemlich klein ist, kann man Schwankungserscheinungen (thermische Fluktuationen) beobachten; bei makroskopischen thermodynamischen Systemen tendieren diese
Fluktuationen gegen Null. Man muss dann sagen: Die Entropie nimmt in einem abgeschlossenen System bis auf Fluktuationen niemals ab, und die Wahrscheinlichkeit für eine
entropieabsenkende Fluktuation wird mit wachsender Systemgröße exponentiell klein.
3.4
Wirkungsgrad von thermodynamischen Maschinen
Eine Wärmekraftmaschine hat den Zweck, Wärme in mechanische Arbeit umzuwandeln.
Nach dem 2. Hauptsatz (siehe die Kelvinsche Formulierung) ist das niemals vollständig
möglich, sondern nur zu einem gewissen Bruchteil. Wir interessieren uns für die Möglichkeit, Wärme in Arbeit zu überführen ohne sonst etwas in der Welt zu verändern. Daher
ist es logisch, den Wirkungsgrad einer periodisch arbeitenden Maschine zu betrachten, bei
der Anfangs- und Endzustand eines jeden Zyklus identisch sind. Eine solche Maschine
entspricht einem Kreisprozess im Zustandsraum. Aus der Sicht des Ingenieurs gibt es verschiedene Kreisprozesse, die Idealisierungen verschiedener technisch realisierter Maschinen
entsprechen. Für die Analyse des Wirkungsgrades genügt es aber, nur einen Typ von
Kreisprozess zu betrachten, den Carnot-Prozess. Der Carnot-Prozess ist ein ViertaktProzess (siehe Abb. 1), bestehend aus zwei adiabatischen und zwei isothermen Teilprozessen. In den isothermen Prozessen steht das System jeweils in Kontakt mit einem heißen
bzw. kalten Wärmereservoir.
Der Wirkungsgrad η der Maschine ist der Quotient aus der geleisteten Arbeit ∆W und
der aus dem heißen Reservoir entnommenen Wärmemenge Qh . Der 1.Hauptsatz impliziert
∆W = −Qh + |Qk | < 0. Es ist wichtig zu sehen, dass der 2. Hauptsatz eine Aussage über
den maximal möglichen Wirkungsgrad einer Carnot-Maschine macht. (Zemansky S. 197,
Atkins S. 102 ff.) Nach dem 2. Hauptsatz darf die Entropie (der Maschine einschließlich
der Umwelt) summiert über alle vier Takte nicht abnehmen, d.h.
4
X
∆Sj (Umwelt) =
j=1
und damit
|Qk | Qh
−
≥0
Tk
Th
−∆W
|Qk |
Tk
=1−
≤1−
Qh
Qh
Th
Man kann auch Kreisprozesse betrachten, die in umgekehrter Richtung (verglichen mit der
Wärmekraftmaschine) durchlaufen werden; das entspricht dann einer Kältemaschine bzw.
einer Wärmepumpe. Diese Maschinen werden durch mechanische oder elektrische Energie gespeist und entnehmen Wärme aus einem kalten Reservoir, geben diese Energie dann
zusammen mit der in Wärme verwandelten mechnischen Arbeit an ein heißes Reservoir
ab. Dieser Vorgang ist im Einklang mit dem 2. Hauptsatz, hat aber wiederum einen beschränkten Wirkungsgrad. Bei der Kältemaschine ist man an der dem kalten Reservoir
η=
9
Abbildung 1: Schema eines Carnot-Zyklus im pV -Diagramm
entnommenen Energie interessiert, bei der Wärmepumpe interessiert man sich technisch
für die ins heiße Reservoir abgegebene Wärme, welche die von außen aufgewandte mechanische Arbeit übersteigt.
Bei dem einleitenden Beispiel des Schiffes muss man sich überlegen, dass der Wirkungsgrad sowohl der eingesetzten Wärmepumpen als auch der Schiffsmotoren durch den 2.
Hauptsatz regiert wird; deshalb kann ein Schiff mit Wärmepumpe keine Energie einsparen verglichen mit einem konventionell angetriebenen Schiff (es sei denn, man hätte einen
großen Temperaturunterschied zwischen Wasser- und Lufttemperatur auf dem Ozean).
3.5
Thermodynamische Potentiale
Wenn wir die Aussagen des 1. und des 2. Hauptsatzes zusammennehmen, können wir das
totale Differential der inneren Energie schreiben
dU = đQ + đW ≤ T dS − pdV
Für reversible Prozesse, die im Folgenden betrachtet werden, gilt das Gleichheitszeichen.
Die innere Energie ist damit eine Funktion von Entropie und Volumen, U (S, V ).
Frage: Gibt es, in Analogie zur inneren Energie U , eine weitere Zustandsfunktion, aus
der ich direkt ablesen kann, welche Wärmemenge mit einer Zustandsänderung verbunden
ist (ohne dass ich mir Gedanken machen muss, ob bei der Zustandsänderung auch noch
mechanische Arbeit geleistet wird oder nicht)?
10
Antwort: Ja. Die Enthalpie H = U +pV leistet das Gewünschte (Zemansky S. 212, Atkins
Kap. 2.5). Denn
dH = dU + pdV − V dp = đQ − pdV + pdV + V dp = đQ + V dp.
Daher ist bei konstantem Druck, d.h. dp = 0,
Z
Hf − Hi =
f
dH = Qf − Qi = ∆Q.
i
N.B.: Während die innere Energie eine Funktion von Entropie und Volumen ist, U (S, V ),
handelt es sich bei H(S, p) um eine Funktion von Entropie und Druck. Darum ist die
Enthalpie besonders nützlich, wenn man den Druckausgleich zwischen zwei Behältern über
ein Drosselventil quantitativ beschreiben möchte.
Frage: Kann man das spontane Einlaufen eines abgeschlossenen Systems in seinen thermodynamischen Gleichgewichtszustand so beschreiben, dass dabei eine gewisse Zustandsfunktion maximiert oder minimiert wird ?
Antwort: Ja. Man benutzt eine von mehreren verschiedenen Zustandsfunktionen, um der
Tatsache Rechnung zu tragen, dass man Gleichgewichtszustände unter unterschiedlichen
Umweltbedingungen haben kann. (Zemansky S. 216, Atkins Kap. 4.6) Die wichtigsten sind:
freie Energie oder Helmholtz-Potential
F (T, V ) = U − T S,
dF
= dU − T dS − SdT = −SdT − pdV
Der Begriff freie Energie“ ist historisch zu verstehen aus der Fragestellung, welcher
”
Bruchteil der inneren Energie eines Systems zur mechanischen Arbeitsleistung verwendet, also freigesetzt werden kann. Bei der Carnot-Maschine muss ja stets eine
gewisse Energiemenge als Wärme |Qk | = Tk S(Tk , V ) an das kalte Reservoir abgegeben werden, d.h. dieser Anteil an innerer Energie ist nicht frei verfügbar, und wurde
in F bereits abgezogen.
freie Enthalpie oder Gibbs-Potential
G(T, p) = F + pV = H − T S = U − T S + pV,
dG = dF + pdV + V dp = −SdT + V dp
Die freie Enthalpie ist motiviert durch ähnliche Fragestellungen wie die, die zur freien
Energie geführt haben; allerdings beschreibt G eine thermodynamische Triebkraft in
Abhängigkeit des Drucks.
11
Die eingeführten Funktionen H, F und G, sowie auch U selbst, nennt man thermodynamische Potentiale. Ebenso wie die Definition von U kann man diese Zustandsfunktionen
durch Integration reversibler Prozesse entlang von Wegen im Zustandsdiagramm gewinnen. Man nimmt dabei jeweils zuerst eine lokale Koordinatentransformation (LegendreTransformation) vor, so dass eine bestimmte Zustandvariable entlang des Weges konstant
ist. Integriert man z.B. entlang der Adiabaten (die ja Entropie-Isolinien sind) anstatt entlang der Isothermen, so erhält man F statt U . Jedes thermodynamische Potential hat
natürliche Variable, denn durch das Konstanthalten einer Größe entlang des Integrationsweges hat man diese Größe wegtransformiert und erhält stattdessen die dazu konjugierte
Größe als neue Variable. Also: Durch Integration entlang der Iso-Entropie-Linien eliminiert
man S (aus U (S, V )) und erhält stattdessen T (in F (T, V )).
Anwendung der thermodynamischen Potentiale:
Ein bestimmtes Potential ist nützlich anzuwenden, wenn in der zu untersuchenden Situation eine oder mehrere seiner natürlichen Variablen konstant bleiben. Fragt man z.B.,
welche Vorgänge unter isothermen Bedingungen spontan ablaufen, dann sind das diejenigen Vorgänge, bei denen F (Tfix , V ) einem Minimum zustrebt. Interessiert man sich für
die umgesetzte Wärmemenge (ohne Rücksicht auf etwaige mechanische Arbeitsleistung
durch Volumenänderung), z.B. beim Zünden eines Brennstoff-Luft-Gemisches im Kolben,
dann erhält man diese Information aus ∆G(Tfix , pfix ). Möchte man ein Phasengleichgewicht
zwischen zwei Phasen, z.B. fest“ und flüssig“, bestehend aus N1 bzw. N2 Teilchen be”
”
trachten, wobei Teilchen bei konstanten Druck und konstanter Temperatur von einer Phase
in die andere übertreten, so muss man fordern, dass für die freien Enthapien in den beiden
Teilsystemen gilt µ1 = G1 (Tfix , pfix )/N1 = G2 (Tfix , pfix )/N2 = µ2 .
Weitere Einsichten in die Bedeutung der thermodynamischen Potentiale gewinnt man
aus der Statistischen Physik: Verschiedene Arten, wie man eine statistische Mittelung
durchführen kann, entsprechen im Ergebnis den verschiedenen thermodynamischen Potentialen.
Literatur
[1] M. W. Zemansky und R. H. Dittman, Heat and Thermodynamics, 6. Auflage, McGrawHill, New York, 1981.
[2] P. W. Atkins, Physical Chemistry, 6. Auflage, Oxford University Press, 1998 (auch auf
Deutsch erhältlich).
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