TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU Fachgebiet: Plasma- und Oberflächentechnik Dr.-Ing. Birger Dzur Kirchhoff-Bau K 3013 Postfach 100565 98684 Ilmenau e-mail: [email protected] Tel: Fax: 03677 69 2835 03677 69 1533 http://www.tu-ilmenau.de/fakei/FG-Plasma-und-Oberf.891.0.html Technologie des thermischen Plasmas Handout für BA-WSW, 5.FS Stand: September 2009 Inhalt: Kap. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Thema Physikalische Statistik Kinetische Gastheorie Plasmabegriff Wechselwirkungsprozesse im Plasma Zündung, Durchschlag, selbständige Gasentladungen Eigenschaften des thermischen Plasmas Funkenentladungen Der Gleichstrom-Lichtbogen Direkte und indirekte DC-Plasmaerzeuger Anwendungen von Lichtbögen und DCP´s Das thermische ICP Seite 2 4 5 7 12 12 15 16 21 22 23 allgemeine Literaturempfehlungen: G. Hertz, W. Rompe Einführung in die Plasmaphysik und ihre technischen Anwendungen, Akademie-Verlag (Hrsg.) Berlin, 1965 M.I. Boulos et. al. Thermal Plasmas : Fundamentals and Applications, Vol. 1; Plenum Press, New York und London, 1994 A. v. Engel Electric Plasmas: Their Nature and Uses; Taylor & Francis Ltd, London 1983 S. und Y. Eliezer The Fourth State of Matter-Introduction to Plasma Science; IoP Publishing, Bristol 2001 HINWEIS: Dieses Handout enthält insbesondere bei Bildern und Zahlenangaben keine Quellangaben und ist daher für eine Nutzung in eigenen Publikationen nur bedingt verwendbar! ergänzende LV´s in Werkstofftechnik II: o Vakuum-Plasmatechnik (2-0-0) ergänzende LV´s im Ma-WSW-Studium: o Pflichtmodul 2 „Oberflächentechnik“: Physikalischer Verfahren II o Technisches Wahlmodul 1.3. „Oberflächentechnik“: o Plasmatechnologien o Niederdruck-Beschichtungsverfahren o Plasmaoberflächentechnik LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 1 von 25 1. Physikalische Statistik Zum Verständnis der Vorgänge in Gasentladungen kommen Prinzipien der physikalischen Statistik, also der statistischen Betrachtungen zur physikalischen Erfassung „ungeordneter Vorgänge“ zur Anwendung. Statistiken Bose-Einstein-Statistik Mikrozustand: Zu jeder Energiestufe gehört eine bestimmte Anzahl von Teilchen. Makrozustand: Es ist festgelegt, wie viele Energiestufen es gibt, die eine bestimmte Teilchenzahl enthalten. Die Teilchen sind nicht unterscheidbar (Quantenstatistik). Die Besetzung der Energiestufen ist symmetrisch. Die Bose-Einstein-Statistik wird auf Photonen angewendet. Fermi-Dirac-Statistik Mikrozustand: Zu jeder Energiestufe gehört eine bestimmte Anzahl von Teilchen. Makrozustand: Es ist festgelegt, wie viele Energiestufen es gibt, die eine bestimmte Teilchenzahl enthalten. Die Teilchen sind nicht unterscheidbar (Quantenstatistik). Die Besetzung der Energiestufen ist antisymmetrisch. Die Fermi-Dirac-Statistik wird auf Elektronengase in Metallen angewendet. Maxwell-Bolzmann-Statistik Mikrozustand: Jedem (nummerierbaren) Teilchen ist eine Energie (-stufe) zugeordnet. Makrozustand: Zu jeder Energie (-stufe) gehört eine bestimmte Zahl von Teilchen. Die Teilchen sind unterscheidbar. Der wahrscheinlichste Makrozustand hat die größte Zahl von Mikrozuständen. Die Maxwell-Bolzmann-Statistik behandelt Einzelteilchen-Probleme und ist für (ideale) Gase anwendbar. Jedes Teilchen kann durch - Temperatur - Energie - Impuls - Geschwindigkeit beschrieben werden und jeder mögliche Zustand ist von einem Teilchen besetzt. Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der statistischen Physik und spielt in der Thermodynamik, speziell der kinetischen Gastheorie, eine wichtige Rolle. Sie beschreibt die Verteilung der Teilchengeschwindigkeiten in einem idealen Gas. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 2 von 25 Es ergeben sich folgende Kennwerte: maximale Geschwindigkeit (wahrscheinlichste) mittlere Geschwindigkeit (arithmetischer Mittelwert) quadratischer Mittelwert vmax = v= v2 = 2kT m 8k T πm 3kT m = 1,13 vmax = 1,23 vmax Ob die betrachteten Teilchen voneinander unterscheidbar sind, hängt von der Temperatur ab. Bei sinkender Temperatur können Energiezustände mehrfach besetzt werden, die Teilchen sind nicht mehr unterscheidbar. Als Maß dafür kann die so genannte Entartungs- oder FERMI-Energie verwendet werden. Es gilt: Festkörper ⇐ FERMI ⇐ T << TE << T ⇒ BOLZMANN ⇒ Gas LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 3 von 25 2. Kinetische Gastheorie Modellhaft kann das Plasma eines einatomigen Gases oder eines Metalldampfes als ein Gemisch von idealen Gasen aufgefasst werden und dann durch die kinetische Gastheorie beschrieben werden. Diese basiert auf vier Grundsätzen: 1. Die Teilchen bewegen sich im Gasraum ungeordnet (Brown´sche Bewegung). Dabei ist die kinetische Energie der Temperatur proportional: m 2 3 v = kT 2 2 m – Masse; v – Geschwindigkeit; k: Bolzmann-Konstante = 1,38*10-23 J/K; T – absolute Temperatur 2. Die kinetische Energie ist nicht gleichmäßig auf die Teilchen verteilt. Für einen Bruchteil der Teilchen dN ist eine Geschwindigkeit v zwischen v und v+dv zu erwarten. Es gilt die Beziehung: dN (v ) = F (v )dv = ⎛ mv 2 ⎞ ⎟ dv v 2 exp ⎜⎜ − 2kT ⎟⎠ ⎝ ⎛ 2kT ⎞ π⎜ ⎟ ⎝ m ⎠ 4 3 2 Eine solche Verteilungsfunktion wird Maxwell-Bolzmann-Verteilung genannt. 3. Ist eine Geschwindigkeitskomponente in eine bestimmte Richtung zu betrachten, so ergibt sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass alle Richtungen der Geschwindigkeit im Mittel gleich oft vorkommen, eine Normal- oder auch GAUSS-Verteilung (Glockenkurve). 4. Ein Austausch von Energie erfolgt nur im Falle von Stößen. Modell: Die Teilchen verhalten sich wie elastische Kugeln. Der Weg, den ein Teilchen frei zwischen zwei Stößen zurücklegen kann, heißt mittlere freie Weglänge (λ ) . - Da die Teilchenzahl proportional dem Druck ist, sinkt mit wachsendem Druck die mittlere freie Weglänge. - Die Anzahl der Stöße ist der mittleren freien Weglänge umgekehrt proportional. Die mittlere freie Weglänge Die mittlere freie Weglänge kennzeichnet die Strecke, die ein Teilchen frei fliegend zurück legen kann, bevor es zum nächsten Stoßprozess kommt. Sie ist im Plasma vor allem für Stoßprozesse und Transportphänomene von Bedeutung. Da die Teilchenzahl n proportional dem Druck ist, sinkt mit wachsendem Druck die mittlere freie Weglänge, die Wahrscheinlichkeit von Stößen (Stoßzahl) steigt. Die mittlere freie Weglänge ist dem Wirkungsquerschnitt, also der Fläche, auf der ein Teilchen mit einer bestimmten Energie eine Wirkung hervorrufen kann, umgekehrt proportional. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 4 von 25 Stoßprozesse Modell: Die Teilchen werden als starre Kugeln betrachtet. Beim Zusammenstoß von Teilchen ändert sich eine physikalische Größe (Impuls, Energie, Ladung...). Je nach der kinetischen Energie der stoßenden Teilchen kommt es im Plasma zu Ablenkung, Anregung, Dissoziation oder Ionisation. Transportphänomene Sie bestimmen die wichtigsten Eigenschaften des thermischen Plasmas. 3. Plasmabegriff Plasma: Gas, das außer neutralen Teilchen (Moleküle, Atome, angeregte Teilchen) auch einoder mehrfach geladene Ionen und freie Elektronen enthält (4. Aggregatzustand der Materie). Das Plasma - ist elektrisch leitfähig, - gekennzeichnet durch die gegenseitige Beeinflussung der Ladungsträger: o Elementarprozesse (Einzelteilchenstöße) o Transportprozesse o kollektive Wechselwirkungen, - beeinflusst äußere, elektromagnetische Felder und wird von diesen beeinflusst, - sendet Strahlung aus. Wichtigste Bestandteile des Plasmas sind: - Elektronen - positive/ negative Atomionen - positive/ negative Molekülionen - angeregte Atome/Moleküle - Neutralatome/Moleküle - Lichtquanten. Gasentladung: elektrische Entladung beim Durchgang eines Stromes durch ein Plasma. Je nach Gasdruck unterscheidet man Niederdruckentladungen (z.B. in der Leuchtstoffröhre) und Hochdruckentladungen (z.B. Lichtbogen). Wichtige Begriffe: Teilchendichte: kennzeichnet die Anzahl aller Teilchen pro Volumeneinheit. Sie liegt in der Größenordnung von: - 1028 m-3 im Festkörper - 1016 m-3 bis 1020 m-3 im thermischen Plasma. Ladungsträgerdichte: Anzahl der Ladungsträger pro Volumeneinheit. Angegeben wird meist die Anzahl der Elektronen pro Volumeneinheit, da sie für den Stromtransport in Gasentladungen maßgebend sind. Sie umfasst in irdischen und kosmischen Plasmen einen Bereich von mindestens 20 Zehnerpotenzen und ist etwa - 108 m-3 in Zimmerluft - 1020 m-3 in thermischen Plasmen. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 5 von 25 Der Begriff ist eng verknüpft mit dem Ionisierungsgrad, also dem Anteil ionisierter Teilchen in einem Gasvolumen. Da im Mittel die Zahl von positiven und negativen Ladungsträgern gleich groß ist, befinden sich fast alle Plasmen im Zustand einer Quasineutralität, das bedeutet, sie sind nach außen hin elektrisch neutral. Raumladungen sind Gebiete mit hoher Dichte von Teilchen gleicher Ladung. Sie entstehen im thermischen Plasma vorzugsweise in der Nähe von Elektroden und als Folge der trägheitsbedingten unterschiedlichen Geschwindigkeit der Ladungsträger. Thermische und nicht-thermische Plasmen Geladene Teilchen werden zusätzlich zur immer vorhandenen Brown´schen Molekularbewegung und entsprechend ihrer Masse im E-Feld beschleunigt („Drift“). In Gasentladungen wird die kinetische Energie der geladenen Teilchen experimentell meist durch eine Potentialdifferenz entlang der mittleren freien Weglänge (= Spannung) U bestimmt: m 2 3 v = k ⋅T = U ⋅ e = e ⋅ E ⋅λ 2 2 e: Elementarladung Die physikalische Einheit dieser kinetischen Energie ist das Elektronenvolt. Dabei ist 1 eV = 1,602 · 10-19 Ws. Dem Elektronenvolt kann eine Teilchentemperatur von etwa 11.600 K zugeordnet werden. Die Bewegung der Ladungsträger im E-Feld (Drift) ist dabei vom Druck (und damit von der mittleren freien Weglänge) abhängig: hoher Druck im Entladungsraum: - Die mittlere freie Weglänge ist klein (< 1 µm) und damit die Energieaufnahme aus dem E-Feld gering. - Die Energie der Elektronen wird schnell durch zahlreiche Stöße an die schweren Teilchen abgegeben. - Dadurch gleichen sich die Temperaturen der Teilchen an: TElektron = TIon = TNeutral = TGas Man spricht vom Gleichgewichts- oder thermischen Plasma. Die wichtigste Form des GGW-Plasmas in der Technik ist der Gleichstrom-Lichtbogen mit hohen Strömen. niedriger Druck im Entladungsraum: - Die mittlere freie Weglänge ist groß (>> 1 µm). - Bei konstanter Spannung werden die Elektronen entlang der mittleren freien Weglänge stark beschleunigt. - Die kinetische Energie der Elektronen ist wesentlich höher als die der Ionen oder der (durch das E-Feld nicht beschleunigten) Neutralteilchen. - Das bedeutet auch, dass die Teilchen im Entladungsraum unterschiedliche Temperaturen haben: TElektron > TIon >TNeutral >TGas Man spricht vom Nichtgleichgewichts- oder nichtthermischen Plasma (Niederdruckentladung). LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 6 von 25 Das thermodynamische Gleichgewicht Unter thermischen Plasmen sind solche Plasmen zu verstehen, bei denen sich der thermodynamische Zustand des Plasmas einem Gleichgewicht annähert. Vollständiges thermodynamisches Gleichgewicht entspricht einem idealisierten Zustand, für den folgende Bedingungen zu erfüllen sind: ∗ Vorhandensein des kinetischen Gleichgewichtes Die einzelnen Komponenten (Elektronen, Ionen, Atome, Moleküle) genügen der MAXWELL-BOLTZMANNschen-Geschwindigkeitsverteilung oder –energieverteilung. Die aus diesen Verteilungsfunktionen definierten Temperaturen der einzelnen Plasmakomponenten sind gleich. ∗ Vorhandensein des Anregungsgleichgewichtes Die angeregten Zustände entsprechen ebenfalls der BOLTZMANN-Verteilung. Die danach definierten Anregungstemperaturen TA der verschiedenen Plasmakomponenten sind ebenfalls gleich. ∗ Vorhandensein des chemischen Gleichgewichtes Die chemischen Reaktionen, z.B. Dissoziation und Ionisation, werden durch das Massenwirkungsgesetz beschrieben. Die zugehörigen Temperaturen sind für alle auftretenden Reaktionen gleich. ∗ Vorhandensein des Strahlungsgleichgewichtes Die Dichte des Strahlungsfeldes entspricht der schwarzen Strahlung. Es gilt das KIRCHHOFF-PLANCKsche Strahlungsgesetz für die schwarze Strahlung. Nach diesem Gesetz wird eine entsprechende Strahlungstemperatur definiert. Bei Vorhandensein eines vollständigen thermodynamischen Gleichgewichtes müssen die für die jeweiligen Gleichgewichte definierten Temperaturen vollkommen gleich und auch gleich der Teilchen- bzw- Plasmatemperatur sein: Tkin = TAnr = TReak = TRad = TElektron = TIon = TNeutral = TGas. In technischen Gasentladungen existiert das TDG wegen der „Verluste“ durch Konvektion, Wärmeleitung und Strahlung nur lokal (LTE = local thermal equilibrium): 4. Wechselwirkungsprozesse im Plasma Die wichtigsten Prozesse im Plasma lassen sich in drei Gruppen einteilen: - Elementarprozesse: Darunter sind Stoßprozesse zwischen einzelnen Teilchen zu verstehen. - Transportprozesse: Sie bestimmen wichtige Plasmaeigenschaften. - Kollektive Wechselwirkungen: Man geht von stoßfreien Plasmen aus, bei denen eine Vielzahl von Teilchen kollektiv wechselwirken. Dazu gehören z.B. Schwingungen und Instabilitäten. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 7 von 25 a) Wichtige Elementarprozesse Ein Stoß liegt vor, wenn der Abstand zweier Teilchen ein Minimum erreicht (siehe auch Definition des Wirkungsquerschnittes). Beim Zusammenstoß von Teilchen ändert sich eine physikalische Größe (Impuls, Energie, Ladung...). Man unterscheidet: elastischer Teilchenstoß Es wird nur Impuls übertragen, die innere Energie der stoßenden Teilchen ändert sich nicht. unelastischer Stoß Es wird Impuls und Energie übertragen. Die innere Energie der stoßenden Teilchen ändert sich. Je nach der kinetischen Energie der stoßenden Teilchen kommt es daher zu: - Ablenkung - Anregung - Dissoziation - Ionisation. Anregung und Desaktivierung: Durch den Stoß zweier Teilchen werden Elektronen innerhalb der Elektronenhülle auf eine energetisch höher gelegene Schale gebracht. Die dazu notwendige Energie ist die Anregungssenergie (Ea). Die Elektronen bewegen sich bekanntlich in der Atomhülle auf Schalen, zu denen immer ein bestimmtes Energieniveau gehört. Um von einer Schale auf eine höhere gebracht zu werden, muss die zugeführte Energie genau gleich der Energiedifferenz zwischen den zwei Energieniveaus (∆E) sein. Exakt diese Energie haben vor allem Lichtquanten. Es gilt: ΔE = E a = h ⋅ υ h – PLANCKsches Wirkumsquantum = 6,62 * 10-34 J s; υ – Frequenz des beim Übergang ausgestrahlten Lichts Das Elektron fällt nach sehr kurzer Zeit (10-9 s) auf sein Ausgangsniveau zurück. Dieser Prozess ist die Desaktivierung. Dabei wird der Lichtquant wieder frei. Das ist ein Grund, warum Plasmen leuchten. Neben der Bedeutung dieser Prozesse für die Beleuchtungstechnik spielen angeregte Zustände vor allem auch für plasmachemische Zwecke eine wichtige Rolle, weil sie viel reaktionsfreudiger sind als die Atome oder Moleküle im Grundzustand. Ionisation und Rekombination: Durch den Stoß zweier Teilchen werden Elektronen aus der Elektronenhülle herausgelöst. Die dazu notwendige Energie ist die Ionisierungsenergie Wi. Als erste Ionisierungsenergie wird die Energie bezeichnet, die zur vollständigen Abtrennung des am wenigsten fest gebundenen (Außen-) Elektrons gebraucht wird. Sie wird meist in Elektronenvolt (eV) angegeben. Da die Ionisation immer ein Elektronen-Ionen-Paar erzeugt, dessen Ladungen sich gegenseitig aufheben, ist das Plasma nach außen quasineutral. Negative und mehrfach geladene Ionen gibt es natürlich auch, sie sind aber eher selten, weil für Ihre Bildung technisch meist nicht realisierbare Energien erforderlich sind. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 8 von 25 Der Ionisation steht als entgegengesetzter Prozess die Rekombination gegenüber. Zu ihr gehört der Begriff der Elektronenaffinität. Darunter versteht man diejenige Energie, die gebraucht wird, um ein freies Elektron wieder in das Atoms einzubauen. Diese Energiebeträge sind kleiner als die der Ionisierungsenergien. Die Differenz wird als Lichtquant freigesetzt. Das ist die zweite Ursache für das Leuchten des Plasmas. Zur Ionisation gehört der Ionisierungsgrad, also der Anteil an Ionen in einem Plasma. Er kann maximal den Wert 1 annehmen und wird oft mit einem „X“ symbolisiert. Den Zusammenhang von Ionisationsgrad, Temperatur und Druck bei thermischen Plasmen wird durch die Eggert-Saha-Gleichung beschrieben. Das folgende Bild zeigt eine vereinfachte grafische Darstellung, aus der sich folgendes ableiten lässt: o Der Ionisierungsgrad ist umso höher, je höher die Temperatur ist. Es gilt: o Für Temperaturen < 10.000 K ist bei Normaldruck X < 1 %, auch recht heiße Plasmen sind daher keinesfalls vollständig ionisiert! o Zwischen 10.000 K und 20.000 K steigt X bei Normaldruck stark an. o Für T >> 20.000 K ist bei Normaldruck X ungefähr 1. o Niedriger Druck begünstigt die Ionisierung, hoher Druck drängt sie zurück. x 0,1 atm 1,0 atm 10 atm 100 atm 1,0 0,5 20.000 K T Grafische Darstellung des Zusammenhangs von Ionisierungsgrad, Temperatur und Druck (Eggert-SahaGleichung) Die Ionisation ist also Voraussetzung für die Erzeugung von Ladungsträgern. Man unterscheidet dabei: - die direkte Ionisation im Gasraum durch Teilchenstöße - die indirekte Erzeugung von Ladungsträgern an Grenzflächen (Emission). Dazu ist immer Energie nötig, die aus verschiedenen Quellen stammen kann: - hohe Temperaturen - energiereiche Strahlung - ein von außen angelegtes elektrisches Feld. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 9 von 25 Die dazu gehörenden Mechanismen sind: Ionisation im Gasraum Emission aus Grenzflächen thermische Energie thermische Ionisation Thermoemission Strahlungsenergie Fotoionisation Fotoemission elektrisches Feld Stoßionisation Feld-/SEemission Möglichkeiten der Ladungsträgererzeugung thermische Energie Strahlungsenergie elektrisches Feld Ionisation im Gasraum Die Ionisation erfolgt durch Stöße von Teilchen untereinander. Die notwendige Energie kommt aus der Brown´schen Molekularbewegung. Die Ionisation erfolgt durch Stöße energiereicher Photonen auf Neutralteilchen. Das spielt z.B. bei der Blitzentstehung eine wichtige Rolle. Die Ionisation erfolgt durch Stöße von Ladungsträgern, die durch ein E-Feld beschleunigt wurden. Das schaffen meist nur die Elektronen, weil sie die höchste Geschwindigkeit und Energie haben. Emission aus Grenzflächen Bei sehr hohen Temperaturen im Bereich des Schmelzpunktes können Festkörper Elektronen aussenden („Glühkatode“). Spezielle Werkstoffe können unter dem Einfluss von Strahlung Elektronen aussenden, spielt im Plasma aber praktisch keine Rolle. Besonders an Spitzen können durch sehr hohe Feldstärken Elektronen frei gesetzt werden (Feldemission). Im E-Feld beschleunigte, schwere Ionen können bei genügend hoher Geschwindigkeit auch beim Aufprall auf einen Festkörper aus diesen Elektronen herausschlagen („Sekundärelektronen-Emission“, SEE). Um ein selbständiges Plasma zu erzeugen, müssen immer mindestens zwei davon, nämlich immer ein Ionisations- und ein Emissionsprozess, zusammenwirken. Das sind zum Beispiel: - die thermische Ionisation und Thermoemission beim Lichtbogen, - die Stoßionisation und Sekundärelektronen-Emission in der Glimmentladung unserer Leuchtstoffröhren. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 10 von 25 b) Transportprozesse Der Fluss einer transportierten Größe ist dem Gradienten einer verwandten Größe proportional: r dg G = −C grad g (oder auch G ( x ) = C ) dx Transportphänomene innere Reibung Diffusion Wärmeleitung G Impulstransport Materialtransport Wärmetransport C Viskosität Diffusionskoeffizient Wärmeleitfähigkeit g Strömungsgeschwindigkeit Konzentration Temperatur Stromleitung Ladungstransport elektrische Leitfähigkeit elektrisches Potential c) kollektive Wechselwirkungen Im Gegensatz zu den Elementarprozessen zwischen einzelnen Teilchen, nehmen jetzt viele Teilchen an den Vorgängen in geordneter Weise teil. Typische Erscheinungen sind Schwingungen und die Ausbreitung bzw. Beeinflussung von Wellen im Plasma. Schwingungen entstehen zum Beispiel dadurch, dass Ladungsträger nicht nur von der entgegengesetzt geladenen Elektrode, sondern auch vom entgegengesetzt geladenen Teilchen angezogen werden: Kationen hängen an den Elektronen wie eine kleine Feder: Es geht immer ein Stück vorwärts und dann ein kleineres Stück wieder zurück. Der Physiker bezeichnet das auch als „ambipolare Diffusion“. Plasmaschwingungen haben eine charakteristische Frequenz und breiten sich in Form von Wellen aus. Das können beispielsweise sein: - elektromagnetische Wellen - Schallwellen. Sie spielen bei der Erzeugung von Hochfrequenz- und Mikrowellen-Plasmen eine wichtige Rolle. Man benutzt sie auch, um wichtige Eigenschaften des Plasmas, wie Teilchendichten und Energien, zu bestimmen (Plasmadiagnostik). Daneben sind noch Plasmaturbulenzen erwähnenswert. Sie führen zum Beispiel zu Instabilitäten. Das passiert vor allem beim Zünden bzw. Verlöschen einer Gasentladung. Man bezeichnet das auch als Übergangsentladungen. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 11 von 25 5. Zündung, Durchschlag, selbständige Gasentladungen Den Begriff der „Gasentladung“ hatten wir mit einem fließenden elektrischen Strom verbunden. Voraussetzungen dafür sind: - Energie aus einer äußeren Quelle. - Die Einkopplung der Energie über mindestens zwei Elektroden. - Ein Gas, aus dem das Plasma gebildet wird. Das Plasma verbindet dann die Elektroden und der Stromkreis wird geschlossen. Darüber hinaus sind noch weitere drei Grundvoraussetzungen für die Existenz selbständiger Gasentladungen zu erfüllen: - Zündung: Bereitstellung primärer Ladungsträger (Elektronen) aus einer äußeren Quelle). - positive Ladungsträgerbilanz: Es ergibt sich eine bestimmte Bilanz der Ladungsträger aus ihrer Erzeugung und ihrem immer gleichzeitig ablaufenden Verschwinden, z. B. durch Rekombination. Solange eine Gasentladung von einer äußeren Ionisierungsquelle abhängig ist, handelt es sich um eine unselbständige Entladung. Für den Übergang zur selbständigen Entladung muss die Ladungsträgerbilanz mindestens ausgeglichen sein. - Durchschlag: Es müssen Mechanismen einsetzen, die nicht nur aus den wenigen, primären Ladungsträgern sehr viele machen, sondern auch die beiden Elektroden leitfähig miteinander verbinden. Der Durchschlag ist nichts weiter als ein Verlust der Isolationsfähigkeit der Gasstrecke. Für thermische Plasmen passiert das nach dem STREAMER-Mechanismus (Bildung eines leitfähigen Kanals, in dem der Durchschlag erfolgen kann). 6. Eigenschaften thermischer Plasmen Die Wärmeleitfähigkeit in Abhängigkeit der Temperatur hat einen recht komplexen Verlauf, der sich aber einfach erklären lässt. Die Kurve ist durch ausgeprägte Maxima gekennzeichnet, die zu den zwei Elementarprozessen Dissoziation und Ionisierung gehören. Sie setzen bei für jedes Gas charakteristischen Temperaturen ein. Ein Gas kann natürlich nur dissoziieren (hier ist das der Zerfall in einzelne Atome), wenn es wie Luft oder Stickstoff mehratomig ist. Bei Edelgasen, wie Helium, fehlt dieser Peak daher. Für die Dissoziation wird viel Energie benötigt, die Kurve fällt ab. Das gilt analog so auch für die Ionisation. Und weil die Wärmeleitfähigkeit der spezifischen Wärmekapazität proportional ist, sieht diese Kurve qualitativ genauso aus. Die Wärmekapazität ist ein Maß dafür, wie viel Wärme ein Körper speichern kann. Erst wenn das nicht mehr geht, setzt Wärmeleitung ein. Und weil die innere Energie (spezifische Enthalpie) eines Gases aus der spezifischen Wärmekapazität berechnet wird, erkennt man die Peaks in deren Abhängigkeit auch. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 12 von 25 Wärmeleitfähigk eit, spezifische Wärmekapazität 1. Ionisation He 2. Ionisation Dissoziation N2 Temperatur Schematischer Verlauf der Wärmeleitfähigkeit und –kapazität im thermischen Plasma Die innere Reibung beschreibt, dass bei Strömungen die Geschwindigkeit durch Reibung der Teilchen untereinander und an Wänden beeinflusst wird. Man kennzeichnet das mit der Zähigkeit oder Viskosität. Bei Motorenöl wird dieser Wert immer angegeben, weil es hier natürlich enorm wichtig ist, dass das Schmiermittel überall ordentlich fließt. Gutes Stichwort: So unglaublich es klingt, aber auch das thermische Plasma ist ein recht zähes Gebilde. Seine Viskosität ist bei hohen Temperaturen (um 20.000 K) mit der von Motorenöl vergleichbar. Zur Stromleitung: Die Drift der Ladungsträger im elektrischen Feld führt zum Transport von elektrischem Strom. Maßgeblich verantwortlich für den Stromtransport in Plasmen sind die schnellen Elektronen. Daher ist die resultierende Stromdichte definiert als: j= I = n⋅e⋅b⋅ E = n⋅e⋅u = κ ⋅ E A j – Stromdichte, I – Stromstärke; A – stromdurchflossene Fläche; n- Elektronendichte; e – Elementarladung; b – Beweglichkeit; E - elektrische Feldstärke; u - Driftgeschwindigkeit Diese Gleichung ist eine Form des Ohmschen Gesetzes. Proportionalitätsfaktor ist die elektrische Leitfähigkeit κ. An der im folgenden Bild links dargestellten Temperaturabhängigkeit sind zwei Dinge bemerkenswert: - Im Gegensatz zu klassischen metallischen Leitern steigt die Leitfähigkeit mit der Temperatur. Das liegt daran, dass immer mehr Ladungsträger gebildet werden. Deshalb ist auch damit Schluss, wenn das Plasma bei etwa 20.000 K vollständig ionisiert ist. - Einen merkliche Leitfähigkeit gibt es bei Gasen erst ab Temperaturen oberhalb von 5.000 K. Enthält das Plasma wie beim Schweißen oder in Lichtbogenlampen außerdem leitfähige Metalldämpfe, klappt der Stromfluss schon ab 2.000 K. Ein 10.000 K heißer Stickstoff-Lichtbogen hat eine elektrische Leitfähigkeit, die auf einer logarithmischen Skala etwa zwischen Metallern und Halbleitern liegt. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 13 von 25 25 Supraleiter 10 10 10 4 10 -2 10 Metalle -8 -14 10 Bernstein Trafo-Öl Marmor Si (Eigenleitung) N2-Plasma Ag, Al, Cu 10 10 -20 κ in Ω −1m −1 Isolatoren Halbleiter Elektrische Leitfähigkeit thermischer Plasmen Tabellierte Stoffwerte für heiße Plasmen gibt es zum Beispiel in: M. I. Boulos, P. Fauchais, E. Pfender: Thermal Plasmas, Vol. 1; Plenum Press, New York, London, 1994 Umfangreiche Plasmaeigenschaften für Ar, He, H2, N2, O2 und Luft sowie für Argon-Wasserstoffgemische (500 K bis 24.000 K), gültig für Atmosphärendruck M. Capitelli u. E. Fiocelli: Transport Properties of Mixed Plasmas; Adriatica Editrice, Bari 1970 Edelgas-Molekülgasgemische (5.000 K bis 35.000 K) M. Capitelli, E. Ficocelli und E. Molinari: Equilibrium Compositions and Thermodynamic Properties of Mixed Plasmas; Universita degli Studi, Bari, 1969; Stickstoff und Argon-Stickstoff Gemische (5.000 K bis 35.000 K) ___________________________________________________________________________ In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten technisch genutzten thermischen Plasmen als Übersicht vorgestellt. Enthalten sind außerdem Informationen zu: - technischen Bezeichnungen und gängigen (meist englischen) Abkürzungen, - Existenzform: nicht-thermische (NT) und thermische (T) Plasmen, - der eventuellen Notwendigkeit eines Vakuums (V), - wichtigen Anwendungen in Stichworten. Entladungsform Funken Bogenentladung Lichtbogen Abk. spark arc NT T X X V Gleichstrom-Plasmaerzeuger DCP induktiv gekoppelte HFEntladung Mikrowellenplasma Zyklotron-Resonanzquellen ICP X X X µW ECR/ ICR X X X X X X Anwendungen Elektrotechnik, Oberflächentechnik Schweißen, Schneiden, Schmelzen, Elektrotechnik, Oberflächentechnik, Beleuchtungstechnik, Plasmachemie Oberflächentechnik, Plasmachemie, Triebwerke Pulverbehandlung, Plasmachemie, Analytik Oberflächentechnik, Plasmachemie Kernfusion LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 14 von 25 7. Funkenentladungen Funke: = impulsförmige Hochdruckentladung, bei der sich in einem relativ niederohmigen, in induktionsarmen Entladungskreis gespeicherte elektrische Ladungen über eine Gas- bzw. Funkenstrecke plötzlich ausgleichen. Man kann Funken auch als instationäre Entladung ohne ausgebildeten Elektrodenmechanismus bzw. ohne voll entwickelte thermische Bogensäule erklären. Seine Ausbildung kann zwischen zwei Oberflächen aber auch längs einer Oberfläche (Gleitfunke) erfolgen. Funken sind in den Übergangsgebieten der vollständigen UI-Kennlinie der Gasentladung angesiedelt. Die zeitliche und räumliche Entwicklung hängt ab von: - Druck - Gasart - Daten des äußeren Kreises. Parameter des Funkenplasmas - Feldstärke an Luft: 50.000 V/cm - Lebensdauer: 10-8 s - Temperaturen: um 50.000 K Danach schließt sich eine von den Daten des Entladungskreises abhängige, lichtbogenähnliche Phase an, in der z. B. Kondensatorenergie noch in Form einer gedämpften Schwingung zugeführt wird. Sie kann in einen glimmentladungs-ähnlichen Zustand übergehen. technische Erzeugung - Kondensator-Anordnungen - vibrierende Elektroden technische Anwendungen in der Oberflächentechnik: Funkenerosion oder EDM (electrical discharge machining), ist in den letzten Jahrzehnten zu einer etablierten, allgemein gebräuchlichen Technologie herangereift und wird in der Werkzeugformenindustrie als Standardverfahren eingesetzt. Die Funkenerosion ist ein abtragendes Bearbeitungsverfahren, das nach DIN 8580 zu den thermischen Abtrageverfahren gehört. Beim Erodieren entsteht ein Abtrag durch Wärmewirkung an der Arbeits- oder Wirkstelle (thermisches Abtragen). Die Wärme wird durch Funkenüberschlag in einem Elektrolyten aufgebracht. Die Bearbeitung findet also in einem nicht leitenden Medium, dem Dielektrikum statt (z.B. Öl). Man unterscheidet: - Schneiden mit Drahtelektroden. Der Schneidspalt ist dabei nur Bruchteile eines Millimeters breit. - Senken mit feinen Spitzen für Löcher oder dreidimensional strukturierten Elektroden. Sie sind das Negativ der Struktur, die man erzeugen möchte. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 15 von 25 8. Der Gleichstrom-Lichtbogen Eine Bogenentladung ist eine selbständige, stationäre und thermische Gasentladung. Um sie zu generieren, benötigt man mindestens ein Ampere. Von Hochstrombögen spricht man schon bei I > 50 A. Katode (Minus-Pol) Katodenfallgebiet Plasmasäule Anodenfallgebiet Anode (Pluspol) - - - - ++ ++ ++ positive Raumladung (Ionen) negative Raumladung (Elektronen) Schematischer Aufbau einer Bogenentladung Im Lichtbogen selbst herrscht immer hoher Druck, auch wenn er in einem Vakuum erzeugt wird. Es handelt sich daher auch um eine klassische Hochdruckentladung. Man spricht vom Lichtbogen, weil kaum eine Bogenentladung „gerade“ ist. Es wirken immer Kräfte, die die Bogenentladung verbiegen. Der Durchschlag erfolgt nach dem Streamer-Mechanismus. Die Ladungsträger werden nach der Zündung durch Thermoemission von Elektronen aus der Katode und thermische Ionisation im Gasraum erzeugt. Die Gastemperaturen liegen bei: - 2.000 K in metalldampfhaltigen Lichtbögen (Lampen), - 5.000 K in frei existierenden Gas-Lichtbögen (Elektroden-Handschweißen), - 10.000 K in eingeschnürten Lichtbögen (DC-Plasmaerzeuger). Katode, Anode und Bogensäule Die Katode bildet das Interface zwischen dem elektrisch leitfähigen Gas auf der einen Seite und der elektrischen Stromzuführung auf der anderen Seite. Dabei hat die Katodenoberfläche den Elektronen- und damit auch den Energiefluss abzusichern. Gebraucht werden nicht nur Elektronen für den Stromfluss und die Ionisation im Gasraum, sondern auch für die Rekombination der positiven Ionen im Katodenfallgebiet vor der Katode. Für jedes auftreffende Ion müssen dazu etwa 1.000 Elektronen aus der Katode nachgeliefert werden. Dazu ist für jedes Elektron ein Energiebetrag erforderlich, den man als Austrittsarbeit (Wa) bezeichnet. Die wichtigsten Katodenwerkstoffe sind Wolfram, Kupfer und Graphit: Wolfram (W) thoriertes W Kupfer (Cu) Graphit (C) Austrittsarbeit Wa in eV 4,53 2,84...3,2 4.48 4,36 Schmelzpunkt in K 3.663 3.663 1.356 ) 4.100 *) Graphit schmilzt natürlich nicht wie ein Metall, sondern wird sich an Luft schlagartig in Kohlendioxid umwandeln Thoriertes Wolfram enthält bis zu 2 % Thoriumoxid. Das ist zwar leicht radioaktiv, halbiert aber die Austrittsarbeit fast. Damit muss die Katode nicht so heiß gemacht werden und hält länger. Bei hohen Strömen werden Katoden außerdem mit Wasser gekühlt. Dazu führt man sie hohl aus und muss sicher stellen, dass das Katodenmaterial die Wärme auch gut ableitet. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 16 von 25 Der Katodenmechanismus ist entscheidend für die gesamte Entladung und hängt stark von der Katode ab. Je nach den äußeren Bedingungen zeigt sich das schon daran, wie der Lichtbogen an der Katode ansetzt. kontrahiert: brennflecklos: W Katode Cu Säule Ansatz des Lichtbogens an der Katode Es stellt sich im Betrieb eine Energiebilanz der Katode ein, in der Komponenten auftauchen, die aufheizend oder kühlend wirken. Hier spielen die Wärmetransportmechanismen Konvektion, Wärmeleitung und Strahlung eine Rolle. Die bestimmenden Anteile darin sind: zur Aufheizung: - Energieübertragung durch auftreffende Ionen (Umwandlung von kinetischer Energie), - freiwerdende Ionisierungsenergie Wi der auftreffenden Ionen, - durch Wärmeleitung übertragener Wärmestrom aus der Säule, zur Kühlung: - Gasströmung (Konvektion) und Kühlwasser, - Austrittsarbeit Wa der Elektronen. Der Anodenmechanismus ist wesentlich einfacher zu beschreiben als die Vorgänge an der Katode. Elektronen zur Nachlieferung von Ionen sind reichlich vorhanden. Nach der eben schon erwähnten „Zählung“ reicht dazu schon ein Ionisationsprozess durch 1.000 Elektronen, die das Anodenfallgebiet passieren. Die restlichen Elektronen müssen nur noch zurück in die Anode. Die muss daher „nur“ leitfähig sein, aber nicht unbedingt heiß. Die Ansatzphänomene sind die gleichen wie an der Katode. Die Energiebilanz der Anode enthält ähnliche Komponenten, wie die der Katode, allerdings wirken sie hier teilweise ganz anders. Sieht man mal von der Strahlung ab, dann wirkt eigentlich jede Komponente als Heizung: - Energieübertragung durch auftreffende Elektronen (Umwandlung kinetischer Energie) - freiwerdende Kondensationswärme: Was man an Austrittsarbeit in die Katode hinein gesteckt hat, wird an der Anode wieder frei. - Konvektion: Im Gegensatz zur Katode wird die Anode direkt vom heißen Plasma angeströmt. Das führt zu einer wichtigen Konsequenz: Die Wärmebelastung einer Anode ist zehn bis dreißig Mal höher als die einer Katode! Daher sind beim Schweißen und Plasmaschneiden die Werkstücke immer als Anode geschaltet. Das bedeutet aber auch, dass man für andere Anwendungen die Anode entweder großzügiger dimensionieren und/oder besser kühlen muss. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 17 von 25 Die Bogensäule ist der sichtbare Teil des Lichtbogens. Es lässt sich mit einem System aus 7 Differenzialgleichungen prinzipiell vollständig analytisch beschreiben. Aus dem Aufbau einer Lichtbogenentladung resultiert aber ein typischer Potenzialverlauf: Katode - - - - ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ Anode Potenzial Anodenfallspannung UA Katodenfallspannung UK Lichtbogen Glimmentladung Länge Aus diesem Verlauf lassen sich drei wichtige Dinge ableiten: - Selbst wenn man die Elektroden so weit zusammen rückt, dass es praktisch keine Säule mehr gibt, bleiben die Spannungsabfälle über den Fallgebieten. Beide zusammen bilden die minimale Betriebsspannung dieser Gasentladung. - Je weiter sich mit sinkendem Druck das Katodenfallgebiet ausdehnt, umso größer wird der Spannungsabfall darüber. Das wirkt sich natürlich auf die Betriebsspannung aus. Ein Lichtbogen normaler Länge braucht weniger als 50 V, eine Leuchtstoffröhre dagegen ein paar Hundert Volt. - Der etwa lineare Potenzialverlauf in der Säule sagt, dass sie sich wie ein Ohmscher Widerstand verhält und damit auch recht einfach beschrieben werden kann. o Weil nicht nur das Anodenfall-, sondern auch das Katodenfallgebiet gegenüber der Säule räumlich sehr klein ist, entspricht die Länge der Säule praktisch dem Elektrodenabstand. o Wenn im Potenzialverlauf eine ansteigende Gerade für die Säule auftaucht, dann sagt das dem Kenner, dass sich die Säule wie ein Ohmscher Widerstand verhält. o Die von außen angelegte Spannung teilt sich also auf in: U B = (U K + U A ) + l ⋅ E UB – Bogenspannung; (UA+UK) – Mindestspannung; l – Bogenlänge; E-elektrische Feldstärke B Diesen Ansatz bezeichnet man das so genannte „Kanalmodell“. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 18 von 25 Spannung [V] Die Lichtbogenkennlinie Die Spannungs-Strom-Kennlinie des Lichtbogens (U-I-Kennlinie) ist der letzte Abschnitt der vollständigen U-I-Kennlinie stationärer Gasentladungen. Molekülgas Edelgas Lichtbogen-Kennlinien (schematisch) Für ihre Interpretaion braucht man nur das Ohmsche Gesetz, und zwar in der Form: I A j =κ ⋅E = bzw.: U 2 I =π r κ ⋅ l j – Stromdichte; κ – elektrische Leitfähigkeit; E – elektrische Feldstärke; I – Stromstärke; A – Querschnittsfläche des Lichtbogens; r – Lichtbogenradius; U – Spannung; l – Lichtbogenlänge Erhöht man den Strom, wird der Lichtbogen zunächst darauf reagieren, indem er seinen Radius vergrößert. Die Spannung bleibt konstant oder sinkt sogar. Das klappt, solange er frei „brennt“. Hindert man ihn daran, muss er heißer werden. Damit erhöht sich seine Leitfähigkeit und auch jetzt sinkt die Spannung trotz Stromerhöhung. Wenn das Plasma vollständig ionisiert ist, die Leitfähigkeit also nicht mehr steigen kann, muss aber auch die Spannung ansteigen, wenn man den Strom erhöht. Da Molekülgase erst in Atome dissoziieren müssen, bevor sie ionisiert werden, ist die Brennspannung für sie deutlich höher. Dass ein Lichtbogen mehr Spannung braucht, wenn er länger wird, ist logisch. Spezielle Löschvorrichtungen in der Elektrotechnik nutzen das. Man verlängert den Bogen, indem man die Elektroden zum Beispiel V-förmig anordnet und begrenzt gleichzeitig die Spannung. Irgendwann muss der Lichtbogen verlöschen, weil die Energie nicht mehr reicht. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 19 von 25 + Arten von Lichtbögen Wie ein Lichtbogen konkret aussieht, hängt auch von der Form der Elektroden, ihrem Abstand und ihrer Stellung zueinander ab. Man klassifiziert Lichtbögen daher nach ihrem Aussehen in: - freie Lichtbögen, - elektrodenstabilisierte Lichtbögen, - wandstabilisierte Lichtbögen. positive Flamme Aureole negative Flamme + katodischer Ansatz - - “Beck-Bogen” elektrodenstabilisierter (Kurz-)Lichtbogen + - + - freier Lichtbogen wandstabilisierter Lichtbogen Klassifizierungsformen von Lichtbögen Der freie Lichtbogen: Dieser Form verdankt der Lichtbogen seinen Namen. Freie Lichtbögen sind nie exakt gerade, sondern immer irgendwie krumm. Das hat zwei Ursachen: - hohe Temperaturen: Sie führen zu intensiver Bewegung der Umgebungsluft (Konvektion). - hohe Ströme: Sie verursachen entsprechende Magnetfelder. Die Kraft wirkt dabei senkrecht zur Richtung des Stromflusses und verursacht ein Aufweiten des Bogens. Eine weitere Besonderheit solcher Lichtbögen ist die Kernbildung. Sie setzt ein, wenn Molekülgase verwendet werden und dann auch nur bei hohen Strömen. Dann schnürt sich der Lichtbogen in den Ansatzpunkten ein und bildet sehr heiße Zonen, so genannte Plasmajets. Um diese Jets herum bildet sich eine Aureole (vom lateinischen Begriff für „schön, golden“, im übertragenen Sinn für „Strahlenkranz“ oder auch „Heiligenschein“). Der nach seinem „Erfinder“ benannte Beck-Bogen Elektrodenanordnung für Beleuchtungszwecke optimiert ist. ist ein Spezialfall, dessen Freie Lichtbögen findet man insbesondere beim Schweißen, Plasmaschneiden, in der Metallurgie und beim Lichtbogen-Drahtspritzen (Plasmaoberflächentechnik). LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 20 von 25 Der elektrodenstabilisierte Lichtbogen: Sie entstehen, wenn der Elektrodenabstand sehr klein ist (Kurzlichtbogen). Es bildet sich praktisch keine richtige Bogensäule mehr und die Form des Plasmas wird von den Elektroden bestimmt. Man findet sie bei einigen Schweißverfahren und in Lichtbogenlampen für die Straßenbeleuchtung (Beleuchtungstechnik). Der wandstabilisierte Lichtbogen: Das Besondere an dieser Form ist, dass der Lichtbogen anfängt, sich innerhalb des Begrenzungsrohres zu drehen („Wendeln“). Man findet solche Lichtbögen z.B. bei speziellen Gaserhitzern in der chemischen Industrie oder Umwelttechnik (Plasmachemie: z.B. zur thermischen Zersetzung umweltgefährdender oder toxischer Gase und Flüssigkeiten). 9. Gleichstrom-Plasmaerzeuger In der Technik werden Lichtbögen (abgesehen von einigen Ausnahmen, wie dem ElektrodenHandschweißen) in so genannten Gleichstrom-Plasmageneratoren (abgekürzt: DCP, vom englischen Direct Current Plasma) erzeugt. Weil meist hohe Leistungen umgesetzt werden, sind sie gas- oder wassergekühlt und man unterscheidet zwei Grundtypen: - Direkte DCP: Man nennt sie auch Plasmaerzeuger mit übertragenem Lichtbogen, weil der direkt auf das zu bearbeitende Werkstück übertragen wird. - Indirekte DCP: Man nennt sie auch Plasmaerzeuger mit nicht-übertragenem Lichtbogen, weil der Lichtbogen nur im Gerät generiert wird. Die Anode hat gleichzeitig die Funktion einer Düse. Der Lichtbogen heizt ein Gas auf, das die Düse als stromloser Plasmafreistrahl verlässt. Eine Besonderheit dieser Plasmaerzeuger ist das als „Shuntieren“ bezeichnete Verhalten des anodischen Ansatzes. Gas Katode Gas Katode Düse düsenförmige Anode nicht-übertragener Lichtbogen übertragener Lichtbogen stromfreier Plasmastrahl Anode (Substrat/Werkstück) Substrat/Werkstück Grundformen von DC-Plasmaerzeugern LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 21 von 25 10. Anwendungen von Lichtbögen und DCP´s Oberflächentechnik: Die wichtigsten Verfahren sind: - Das Lichtbogen-Drahtspritzen: Es nutzt einen freien Lichtbogen, um zwei kontinuierlich zugeführte Metalldrähte abzuschmelzen. Die verdüste Schmelze wird auf ein Substrat beschleunigt und bildet dort eine Schicht. Hauptanwendungen sind der Korrosions- und Verschleißschutz, sowie Reparaturen an großen Bauteilen. - Das Plasma-Auftragsschweißen: Mit diesem, auch als PTWA-Verfahren (Plasma Transferred Wire Arc) bezeichneten Verfahren, werden mittels direktem DCP dicke Panzerschichten auf Substrate aufgebracht. Der Werkstoff ist wie beim Schweißen entweder die Katode selbst oder er wird im anodischen Fußpunkt als Draht, Stab oder Pulver zugeführt. - Das DC-Plasmaspritzen: Ein indirektes DCP erzeugt einen Plasmastrahl, in dem pulverförmige Werkstoffe aufgeschmolzen und auf eine Substratoberfläche beschleunigt werden, wo sie eine Schicht bilden. Abgesehen von Plastwerkstoffen können alle gängigen Werkstoffe (Metalle, Keramiken) verwendet werden. Plasma-Schweißen: Dazu benutzt man freie Lichtbögen oder direkte DCP´s. Weil bei den DCP´s der Lichtbogen eingeschnürt ist, ist das Plasma meist wesentlich heißer als beim freien Lichtbogen. (bis 10.000 K). Man unterscheidet: - Elektroden-Handschweißen - Schutzgasschweißen o Metall-Inertgas-Schweißen (MIG) für hochlegierte Stähle, Nichteisenmetalle und Al-Legierungen): Das Hüllgas ist inert (Argon oder Stickstoff) und soll die Oxidation verhindern. o Metall-Aktivgasschweißen (MAG) für niedrig legierte Stähle: Das Hüllgas ist aktiv uns soll die die Schweißverbindung gezielt beeinflussen (z. B. CO2 zur Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes). - Wolfram-Inertgasschweißen (WIG). Plasma-Schneiden: Man verwendet direkte und indirekte DCP´s und arbeitet meist mit hohem Gasdurchsatz, um die Schmelze effektiv auszublasen und mit Schutzgas zur Vermeidung von Oxidation. Mit speziellen Düsen wird das Plasma möglichst konzentriert, um einen engen Schneidspalt zu erzielen. Plasma-Schmelzen: In der Elektrometallurgie werden freie Lichtbögen verwendet, um zum Beispiel hochlegierte Spezialstähle oder Edelmetalle herzustellen. Solche Vakuum-Schmelzöfen arbeiten meist mit Drehstrom (drei Katoden). Die elektrischen Leistungen liegen im Megawatt-Bereich. Verwendet man Graphitelektroden, kann man gleichzeitig den Kohlenstoffanteil der Schmelze gezielt beeinflussen. Eine weitere Anwendung sind so genannte Tundish-Heizer. Hier wird mit Lichtbögen vor einem Gießprozess die Schmelze noch mal auf eine definierte Temperatur gebracht. Elektrotechnik: Hier existieren freie Lichtbögen als Schalt- und Störlichtbögen. Beleuchtungstechnik: Neben den bereits erwähnten, heute kaum noch zu findenden Kohlebogenlampen, sind es hier vor allem Metalldampf-Hochdrucklampen, die man aus der Straßenbeleuchtung oder aber auch vom Auto-Scheinwerfer her kennt. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 22 von 25 Plasmachemie: Bekannteste Anwendung des Lichtbogens ist hier die Azetylensynthese nach dem seit 1940 bekannten und praktizierten Hüls-Lichtbogenverfahren. Eine weitere, ähnlich gelagerte Anwendung ist die Spaltung von Kohlenwasserstoffen zur Erzeugung von Ruß. Der wird in der chemischen Industrie und bei der Reifenherstellung benötigt. Triebwerke: Sie nutzen die Expansion (Ausdehnung) von Gasen, um einen Schub zu erzeugen. 11. Das thermische, induktiv gekoppelte HF-Plasma (ICP) 120 mm Aufbau Für thermische IC-Plasmaerzeuger werden heute im allgemeinen Plasmaerzeuger verwendet, die in ihrer Grundform aus drei konzentrischen Rohren bestehen, welche zentrisch in einer Induktionsspule angeordnet sind (Abb). Das Plasma strömt nach unten aus, es ist allerdings auch möglich, den IC-Plasmaerzeuger in anderen Konfigurationen, beispielsweise waagerecht, zu betreiben. Abb. 1: Schematischer Aufbau eines IC-Plasmaerzeugers und das Plasma in Betrieb (TU Ilmenau, FG POT) Das innere Rohr ist eine wassergekühlte Injektionslanze, durch die z. B. das Spritzpulver oder flüssige Precursoren mit einem Trägergas eingebracht werden können. Durch das mittlere Rohr strömt das Arbeitsgas. In den Spalt zwischen dem mittleren und dem äußeren Rohr wird ein Hüllgas eingeblasen. Es dient einerseits dazu, das äußere Rohr zu kühlen, andererseits wirkt es stabilisierend auf das generierte Plasma und begrenzt das Entladungsvolumen. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 23 von 25 Prinzip der Plasmagenerierung Das Plasma wird analog zur Induktionserwärmung von Metallen erzeugt, indem das strömende Gas durch Wirbelströme ohmsch aufgeheizt wird, die durch die elektromagnetische Induktion einer hochfrequenten Wechselspannung getrieben werden. Die Induktionsspule ist dabei Teil eines von einer Senderöhre gespeisten L-C-Schwingkreises: Induktor Der Leistungsumsatz geschieht durch den so genannten Skin-Effekt nur im Randbereich des Plasmas. Dabei werden ca. 86 % der Leistung in einer Zone umgesetzt, deren Tiefe als Eindringtiefe δ bezeichnet wird und die frequenz- und stoffwertabhängig ist. Da die Bestimmung der Plasmaleistung im Gegensatz zum DCP beim ICP sehr komplex ist, wird in der Literatur allgemein das als Plate Power bezeichnete Produkt aus dem Anodenstrom und der Anodenspannung der Senderöhre angegeben, die als Messwerte leicht zugänglich sind. M. I. Boulos geht davon aus, dass in einem gut konstruierten IC-Plasmaerzeuger ca. 70 % der Plate Power im Plasma umgesetzt werden können. In erster Näherung kann das Plasma mit dem Kanalmodell nach Freeman und Chase beschrieben werden. Es geht von einem zylindrischen Plasmakanal mit konstanter Temperatur aus. Somit kann eine konstante elektrische Leitfähigkeit angenommen und das Plasma mit den Grundgleichungen der elektromagnetischen Induktion beschrieben werden. Die Eindringtiefe δ ist nach: δ= ξo 1 π ⋅ ξ0 ⋅ κ ⋅ f - magnetische Permeabilität, κ - elektrische Leitfähigkeit, f – Frequenz berechenbar. Sie beträgt beispielsweise für ein IC-Argonplasma (f = 5 MHz, mitttlere Plasmatemperatur = 10.000 K) 5,1 mm und damit zwei Größenordnungen mehr als bei Kupfer (Raumtemperatur). Bedingt durch das große Volumen der Entladungszone wird unter atmosphärischen Bedingungen ein Plasma mit niedriger Strömungsgeschwindigkeit erzeugt. Durch das von der Induktionsspule erzeugte Feld bilden sich aber im Isothermen- und Strömungsfeld der Entladungszone typische Wirbel aus. Die konkreten Eigenschaften eines IC-Plasmas hängen natürlich von einer Vielzahl von Parametern ab, hauptsächlich von der Frequenz und Leistung der HF-Quelle, der Art und Zusammensetzung, sowie dem Durchsatz der Gase und der Art ihrer Zuführung. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 24 von 25 Da sich im Bereich des Plasmas keinerlei Elektroden befinden, kann dem IC-Plasmaerzeuger im Gegensatz zum DCP praktisch jedes beliebige Gas, unabhängig von oxidierenden oder reduzierenden Eigenschaften, zugeführt werden. Typische Frequenzen von IC-Plasmaerzeugern liegen im Bereich von einigen 100 Hz bis einigen MHz bei Leistungen bis 300 kW. Die Temperaturen in der Entladungszone sind mit um die 10.000 K in etwa mit denen zu vergleichen, die bei DC-Plasmaerzeugern am Düsenausgang erreicht werden. Die geringe Strömungsgeschwindigkeit reduziert das für atmosphärische DCP-Verfahren typische Einwirbeln von Umgebungsluft mit seinen negativen Folgen. Die Verwendung von Inertgasen als Hüllgas hemmt außerdem beim thermischen Beschichten die Oxidation der Substratoberfläche, da die laminare Strömung ein Inertgas-Cover bildet. Anwendungen von thermischen ICPs: o Pulversynthese: o Herstellung nanometerfeiner Pulver durch Verdampfen von Partikeln und anschließendes Quenchen o durch PA-CVD auf Basis flüssiger Precursoren o Pulvermodifikation: o Sphäroidisierung: Umschmelzen kantiger Pulverpartikel in eine kugelige Form o Verdichten: Dichtschmelzen poröser Partikel o Oberflächentechnik: o Herstellung dicker Schichten durch Plasmaspritzen o direkte Herstellung nanostrukturierter Schichten aus dem im ICP synthetisierten Nanopulver o Analytik: Als Verdampferquelle für die Atom-Absorptionsspektroskopie Industriell ist bis zum heutigen Tage lediglich die Pulvermodifikation umgesetzt, die beispielsweise von der Firma TEKNA (Hersteller von IC-Plasmaanlagen) selbst oder Pulverherstellern praktiziert wird. Weitere Industrieapplikationen sind nicht bekannt. Trotz seiner Möglichkeiten hat das ICP also den Sprung aus den Forschungslaboren noch nicht geschafft. LV „Technologie des thermischen Plasmas“(Dzur), Ba-WSW, 5. FS, Seite 25 von 25