Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen Abteilung Köln Masterstudiengang Suchthilfe Masterthesis Behandlungspfade in der Suchttherapie Vorgelegt von: Tanja Lang Matrikelnummer: 277130 1. Gutachter: Herrn Dr. Bernd Schneider 2. Gutachter: Herrn Prof. Dr. med. M. A. Wolfgang Schwarzer Erftstadt im Februar 2011 1 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 5 2. Einleitung 6 3. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der medizinischen Rehabilitation 3.1 Die Qualitätssicherung durch Einführung eines Qualitätsmanagements 9 9 3.2 Der Zertifizierungsprozess der Fachklinik Liblar 13 3.3 Die Position der Behandlungspfade im Qaulitätsmanagementsystem 14 4. Die Suchterkrankung. Fakten, Ätiologie und Behandlungsmöglichkeiten 15 4.1 Diagnostik der Suchterkrankung 15 4.2 Epidemiologie der Suchterkrankung 17 4.3 Ätiologie der Suchterkrankung 18 4.3.1 Die Suchtpersönlichkeit 19 4.3.2 Das Erklärungsmodell der Suchttrias 19 4.3.3 Der lernpsychologische Erklärungsansatz 20 4.4 Therapeutische Behandlungsansätze der Suchttherapie in der Fachklinik Liblar 21 4.4.1 Die Psychodramatherapie 21 4.4.2 Der verhaltenstherapeutische Ansatz 22 4.4.3 Die kognitive Verhaltenstherapie 23 4.4.4 Der systemische Behandlungsansatz 24 4.4.5 Die Gruppentherapie 25 4.5 Behandlungspfade der Patienten mit Suchtmittelabhängigkeit ohne Komorbidität 26 4.5.1 Behandlungspfad der Orientierungsphase 27 2 4.5.2 Behandlungspfad der Kernphase 42 4.5.3 Behandlungspfad der Abschlussphase 59 5. Die Behandlung der Patienten mit Komorbidität 70 5.1 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und Depression 71 5.1.1 Fakten, Ätiologie und Behandlungsansätze der Depression 72 5.1.1.1 Diagnostik der Depression 73 5.1.1.2 Epidemiologie der Depression 73 5.1.1.3 Ätiologie der Depression 74 5.1.1.4 Therapeutische Behandlungsansätze der Depression 75 5.1.2 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender Suchtmittelabhängigkeit und Depression 78 5.2 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und Borderline–Störung 84 5.2.1 Diagnostik der Persönlichkeitsstörung 84 5.2.2 Ätiologie der Persönlichkeitsstörung 84 5.2.3 Diagnostik der Borderline–Störung 86 5.2.4 Epidemiologie der Borderline–Störung 86 5.2.5 Ätiologie der Borderline–Störung 86 5.2.6 Therapeutische Behandlungsansätze der Borderline–Störung 88 5.2.7 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender Suchtmittelabhängigkeit und Borderline–Störung 90 5.3 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung 97 5.3.1 Diagnostik der dissozialen Persönlichkeitsstörung 97 5.3.2 Epidemiologie der dissozialen Persönlichkeitsstörung 98 5.3.3 Ätiologie der dissozialen Persönlichkeitsstörung 98 5.3.4 Therapeutische Behandlungsansätze bei dissozialer Persönlichkeitsstörung 99 3 5.3.5 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender SuchtmittelAbhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung 102 6. Die Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation 109 6.1 Ein Exkurs: die quantitative Inhaltsanalyse in der Sozialforschung 109 6.2 Die Bedeutung der Kategorien therapeutischer Leistungen des Deutschen Rentenversicherungsträgers 110 6.2.1 Gegenüberstellung der Kategorien therapeutischer Leistungen und der Inhalte der Behandlungspfade suchtmittelabhängiger Patienten ohne Komorbidität 113 6.3 Qualitätssicherung durch Leitlinien 120 6.3.1 Die Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen 121 6.3.2 Vergleich der Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen mit den Inhalten der Behandlungspfade suchtmittelabhängiger Patienten ohne Komorbidität 125 7. Diskussion 129 8. Literaturverzeichnis 138 9. Anhang 146 4 1. Zusammenfassung Der Rentenversicherungsträger fordert von allen Kliniken, die durch den Rentenversicherungsträger belegt werden, seit 2005 ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen. Hieraus entstand die Idee zu dieser Masterarbeit, Behandlungspfade für die psychotherapeutische Behandlung drogenabhängiger Patienten in der stationären Langzeitentwöhnungsbehandlung zu erstellen und zu überprüfen, inwieweit sie den unterschiedlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation gerecht werden. Ich nehme dazu den Prozess der Qualitätssicherung und die Behandlungsinhalte der Fachklinik Liblar als Beispiel. Es werden zunächst die der Qualitätssicherung zu Grunde liegende Norm DIN/EN/ISO 9001 : 2008 vorgestellt. Nach der Darstellung der Position der Behandlungspfade innerhalb des Qualitätsmanagementsystems erfolgt die Darstellung des theoretischen Hintergrundes der Suchterkrankung, der sich die Vorstellung der Behandlungspfade für suchtmittelabhängige Patienten ohne Komorbidität anschließt. Die Aufgaben der Behandlungspfade werden, entsprechend den Behandlungsphasen der Fachklinik Liblar, soweit möglich vor einem theoretischen Hintergrund dargestellt. Für die Behandlung von komorbiden Patienten wurden die Behandlungspfade für die Komorbidität von Sucht und Depression, Sucht und Borderline –Störung sowie Sucht und Delinquenz modifiziert, so dass die Inhalte dem Störungsbild gerecht werden. Dabei wurden Aufgaben zeitlich verschoben oder neue Aufgaben in die Behandlungspfade hinzugenommen. Die in der Beschreibung der Aufgaben vorgestellten Trainingsprogramme und die zu den Aufgaben vorgeschlagenen Interventionen befinden sich in Langform im Anhang. Überprüft wurde die Qualität der Behandlungspfade durch Vergleichen der in den Kategorien Therapeutischer Leistungen des Rentenversicherungsträgers angegebenen Therapieziele und die Inhalte der Leitlinien zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. Dabei zeigte sich, dass die Inhalte in weiten Teilen den Forderungen des Rentenversicherungsträgers entsprechen. Die entwickelten Behandlungspfade und das Prinzip der Qualitätssicherung werden zuletzt kritisch diskutiert. 5 2. Einleitung Die Idee, Behandlungspfade für den therapeutischen Bereich der stationären Entwöhnungsbehandlung drogenabhängiger Patienten zu entwickeln, entstand im Rahmen des Zertifizierungsprozesses der Fachklinik Liblar. Seit 2005 ist es für alle Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken in Deutschland Pflicht, im Abstand von zwei Jahren einen strukturierten Qualitätsbericht zu erstellen (Ertl Wagner et al 2009). Die Fachklinik Liblar begann im Sommer 2008 ein Qualitätsmanagementsystem zu implementieren und ist seit September 2010 durch die DEKRA zertifiziert. Die Qualitätssicherung entwickelte sich zunächst im Bereich der Industrieproduktion. Ziel war es, durch die Einführung von Produktionsstandards, so genannten Qualitätsstandards, die Qualität eines Produktes zu sichern, um eine hohe Kundenzufriedenheit, und somit eine sichere Marktposition zu erreichen. Die Kundenzufriedenheit wurde durch Kundenbefragungen und Marktforschung erfasst. Durch das Einbeziehen neuester Technologien, durch ständig verbesserte Produktionsabläufe und aufgrund der Ergebnisse aus Kundenbefragung und Marktforschung sollte die Qualität des Produktes stetig verbessert werden. Die Bedeutung von Prozessorientierung und Kundenzufriedenheit, die ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens sind, nahm seit den 1980er Jahren auch im Gesundheitssystem zu, so dass Qualitätssicherung und die Einführung eines Qualitätsmanagementes im Gesundheitswesen durch die Paragraphen 135 – 137 SGB V gesetzlich geregelt wurden (ebenda). Eine Einrichtung kann zwischen verschiedenen Qualitätsmanagementsystemen wählen. Ein im Gesundheitswesen häufig eingesetztes System zur Qualitätssicherung ist die Norm DIN/ EN/ISO 9001:2008. Bei einer Zertifizierung nach diesem System werden alle Abläufe während eines Klinikaufenthaltes in Form von Flussdiagrammen oder Pfaden dargestellt. Zunächst ging es darum, die Stationen, die ein Patient von der Aufnahme bis zur Entlassung durchläuft, in einem solchen Diagramm darzustellen. Als nächster Schritt wurden die medizinischen Abläufe, die eine Behandlung einer physischen Erkrankung erfordert, in Form von Behandlungspfaden erfasst. Anwendungen, Medikamentengaben und weitere medizinische Maßnahmen wurden in Form eines Pfades dargestellt und sorgten für eine hohe Transparenz der Behandlung für den Behandelnden und den Behandelten. Die Behandlungspfade sollten dabei den Anforderungen des aktuellen wissenschaftlichen Standards entsprechen. Um dies zu gewährleisten, bildeten sich Gremien, die Leitlinien für die Behandlung bestimmter Krankheitsbilder aufstellten. Diese Vorgehensweise setzte sich auch in der Behandlung psychischer Erkrankungen durch. So erstellte die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung (DGS) und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Leitlinien für die Postakutbehandlung 6 alkoholbezogener Störungen. Unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse werden hier Empfehlungen zu notwendigen Inhalten der Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes, in diesem Fall der Alkoholabhängigkeit, gegeben. Verpflichtend für den Behandelnden sind die Leitlinien bislang noch nicht. Der Anteil der Abhängigkeitserkrankungen an der Gesamtzahl der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (ambulant und stationär) betrug 2008 6,2 % (DRV 2010). Dass dieser nicht unerhebliche Kostenanteil in eine qualitativ gute Behandlung fließt, wird vom Kostenträger durch die Forderung der Zertifizierung der von ihr belegten Einrichtung kontrolliert und auch durch die Erfassung und Überprüfung der Kategorien therapeutischer Leistungen, kurz KTL. Sie werden zusammen mit dem Abschlussbericht an den Rentenversicherungsträger übersendet und zeigen alle Leistungen, die der Patient während seiner gesamten Behandlung entsprechende Erkrankung erhalten hat. Abgeleitet aus den Leitlinien für die hat der Rentenversicherungsträger evidenzbasierte Therapiemodule (ETM) zusammengestellt, anhand derer er überprüft, ob der Rehabilitand mit den von der Einrichtung angegebenen KTL eine qualitativ gute Behandlung erhalten hat (DRV 2007). In regemäßigen Abständen gehen Rückmeldungen an die Einrichtungen, in welchen Bereichen die Behandlung verbessert werden muss und in welchen Bereichen die Behandlung der Einrichtung zufriedenstellend ist. Die Struktur der vorliegenden Masterarbeit folgt dem vorgestellten Weg über Qualitätssicherungssystem, Behandlungspfad und Kontrolle durch KTL und Leitlinien. In dem anschließenden Kapitel 3 werde ich auf das Qualitätsmanagement, die Qualitätssicherung und die Position der hier vorgestellten Behandlungspfade innerhalb des Qualitätsmanagementsystems eingehen. Daran schließt sich in Kapitel 4 die Darstellung der Fakten und des theoretischen Hintergrundes für Abhängigkeitserkrankungen sowie die Vorstellung der Behandlungspfade für Suchtkranke ohne Komorbidität an. Die Aufgaben der Behandlungspfade werden anschließend soweit möglich vor wissenschaftlichem Hintergrund beschrieben; und ich schlage zu den Aufgaben passende Interventionen und Trainingsprogramme vor mit Angaben der Seiten, auf denen die Interventionen und Trainingsprogramm im Anhang der Arbeit vorgestellt werden. Eine Veränderung der Behandlungspfade für Patienten mit den komorbiden Störungen Suchtmittelabhängigkeit und Depression, Suchtmittelabhängigkeit und Borderline-Störung und Suchtmittelabhängigkeit und Dissoziale Persönlichkeitsstörung nehme ich in Kapitel 5 vor. Hierbei handelt es sich um Vorschläge von Behandlungspfaden, die zur Zeit noch nicht vollständig in der Einrichtung umgesetzt werden. 7 Kapitel 6 beginnt mit einem Exkurs über die qualitative Inhaltsanalyse, die in veränderter Form die Basis der sich an den Exkurs anschließenden Gegenüberstellung der Inhalte der Behandlungspfade mit den Qualitätsmerkmalen der KTL des Deutschen Rentenversicherungsträgers und den Leitlinien zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen bildet. Eine Diskussion der gesamten Arbeit erfolgt in Kapitel 7. Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. 8 3. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der medizinischen Rehabilitation Die Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen. Durch den Rentenversicherungsträger vorgegeben ist die Einführung und Pflege eines Qualitätsmanagementsystems für Rehabilitationskliniken. Die am Patienten erfolgte Behandlung wird durch die Kategorien therapeutischer Leistungen (KTL) überprüft, die am Ende einer Behandlung erfasst und gemeinsam mit dem Abschlussbericht an den Rentenversicherungsträger übermittelt werden. Der Behandlungsrahmen wird durch die Leitlinien vorgegeben, die von übergeordneten Gremien für ein jeweiliges Störungsbild entwickelt wurden. Die genannten Prozesse der Qualitätssicherung möchte ich am Beispiel der Fachklinik Liblar vorstellen. Eine genaue Betrachtung der KTL und der Leitlinien erfolgt nach der Vorstellung der Behandlungspfade, die Teil des Qualitätsmanagementsystems sind, in Kapitel 6. Beginnen möchte ich an dieser Stelle mit der Vorstellung eines Qualitätsmanagementsystems Qualitätssicherung. und der Rolle der Behandlungspfade innerhalb der Dazu werde ich zunächst auf die Begriffe Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement eingehen und die Inhalte der Norm DIN/EN/ISO 9001:2008 vorstellen. 3. 1 Die Qualitätssicherung durch Einführung eines Qualitätsmanagements Verschiedene Maßnahmen dienen der Qualitätssicherung. Zunächst wird die Qualität eines Produktes gemessen, die entdeckten Mängel werden analysiert und es werden Handlungen eingeleitet, um die Leistungen zu verbessern. Anschließend wird die Qualität erneut gemessen um festzustellen, ob die angestrebte Verbesserung erreicht wurde (Michel 2002). Deming beschrieb diesen Zyklus mit den Begriffen Planen (Plan), Ausführen (Do), Verbessern (Act), Überprüfen (Chek), kurz als PDAC Zyklus bezeichnet (Ertl-Wagern et al 2009, S.6). Voraussetzung für die Qualitätssicherung ist die Existenz von definierten Standards. Anders beim Qualitätsmanagement. Hierbei handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, durch den Strukturen, Prozesse und Ergebnisse einer Einrichtung optimiert und weiterentwickelt werden sollten (ebenda). Das Qualitätsmanagement ist zukunfts-, prozessund kundenorientiert. Alle Mitarbeiter einer Einrichtung müssen sich daran beteiligen. Das Qualitätsmanagement ist der Oberbegriff aller Tätigkeiten einer Einrichtung, die der Qualitätssicherung dienen. Es gibt verschiedene Konzepte zur Qualitätssicherung. Beispielsweise das TQM (Total Quality Management). „Total“ steht für die Notwendigkeit des Zusammenwirkens aller Tätigkeitsbereiche einer Einrichtung, ohne jedoch alle Bereiche kotrollieren zu wollen. „Quality“ bedeutet eine konsequente Qualitätsorientierung bei allen internen und externen 9 Prozessen der Leistungserbringung. „Management“ steht für die Vorbildfunktion durch die Führungskräfte im Bezug auf die Leitungsqualität. Für das TQM ist Qualität eine Grundeinstellung, sie ist kundenorientiert, betrachtet das Qualitätsmanagement als Führungsaufgabe, sieht alle Mitarbeiter in der Verantwortung für eine optimale Qualität und steht für eine leistungs- und prozessorientierte Qualitätsbetrachtung. Es wird als Vorläufer der anderen Qualitätssicherungskonzepte gesehen, aber im Gesundheitsbereich nur selten eingesetzt (Michel 2002). In der Industrie wurden seit 1970 branchenbezogene Normen für die Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen entwickelt, Dienstleistungssektor ausgedehnt wurden. die in den 1980er Jahren auf den Im Mittelpunkt steht die Kundenzufriedenheit. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) trat bereits 1951 der internationalen Organisation für Normung (ISO = International Organisation for Standardization) bei. Europäische Normen werden durch die Buchstaben EN bezeichnet. Die Kurzform dieser Normierungsgesellschaften lauten DIN/EN/ISO (Ertl-Wagner et al 2009). Die 9000er Normenfamilie bezieht sich auf das Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. So steht ISO 9001:2008 für die Norm 9001, die zuletzt im Jahr 2008 geändert wurde. Bei dieser Norm werden die Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem geregelt (ebenda). Der Schwerpunkt liegt hier auf dem systematischen Erkennen und der Handhabung von Prozessen und ihrer Wechselwirkung innerhalb einer Organisation. Eine Einrichtung, die das Qualitätsmanagementsystem DIN/EN/ISO 9001:2008 einführen möchte, muss sich mit den acht folgenden Hauptkapiteln der Norm auseinander setzen: 1. Anwendungsbereich 2. Normative Verweisungen 3. Begriffe 4. Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem 5. Verantwortung der Leitung 6. Management von Ressourcen 7. Produktrealisierung 8. Messung, Analyse und Verbesserung Inhalte des Kapitels 4, Qualitätsmanagementsystem, sind die Darstellung der betrieblichen Prozesse und ihre Wechselbeziehungen, wie die Prozesse gemessen, überwacht und analysiert werden (dguv 2010). Dies geschieht in einem QM-Handbuch, das folgende Bereiche abhandeln muss: der Anwendungsbereich des QM muss definiert werden; es muss die für das QM-System erstellten Verfahren enthalten, bzw. die Verweise darauf; es muss die Wechselwirkung zwischen den Prozessen des Qualitätsmanagements beschreiben (Ertl10 Wagner et al 2009). Die Bedürfnisse der Kunden müssen ermittelt und mit dem Ziel der Kundenzufriedenheit in interne Forderungen umgesetzt werden. Die Förderung eines Bewusstseins der Mitarbeiter für Kundenforderungen muss durch den Qualitätsmanagementbeauftragten der obersten Leitung erfolgen. In seinen Aufgabenbereich gehört es auch, die Qualitätspolitik auf ihre fortdauernde Angemessenheit zu überprüfen und die dazu notwendigen Dokumente zu lenken. Ein weiterer wichtiger Bereich, der zum Aufgabenfeld der Leitungsebene gehört, Kapitel 5, ist die Sicherstellung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen der Funktionsbereiche (dguv 2010). Um eine ständige Qualitätsverbesserung zu erreichen ist es notwendig, Auditergebnisse und Kundenrückmeldungen zu berücksichtigen und die Prozesse dementsprechend zu aktualisieren und zu optimieren. Die dazu erforderlichen Mittel müssen vom Unternehmen bereitgestellt werden. Die Prozesse hierzu werden im Kapitel 6, Management von Ressourcen, erfasst. Weitere Inhalte dieses Kapitels sind die Schulung der Mitarbeiter und die Überprüfung der Wirksamkeit der Schulung. Zur Produktrealisierung (Kapitel 7) gehören die Forderungen der Kunden an das Produkt, die Kommunikation mit den Kunden über das Produkt, z.B. in Form von Produktinformationen, Auftragsbearbeitung und Kundenbeschwerden. Auch gesetzliche Regelungen und Anforderungen von Behörden müssen hier mit einbezogen werden. Wie zufrieden die Kunden nach Erhalt des Produktes sind, wird im letzen Bereich des Qualitätsmanagements erfasst, Kapitel 8, hier wird die Kundenzufriedenheit gemessen, aber auch die Produktionsprozesse werden überwacht (ebenda). Diese Kontrolle des Erreichten geschieht durch interne Audits (= Überprüfung der dargestellten Prozesse auf ihre Richtigkeit und ob die Prozesse den Anweisungen entsprechend umgesetzt werden) und Messungen, die jährlich in einem Management Review zusammengefasst werden müssen. Es soll weiter in der Einrichtung ein standardisiertes Verfahren des Fehlermanagements vorliegen, um nachzuweisen, dass Strategien dazu vorliegen, wie mit „Beinahe-Zwischenfällen“ umgegangen wird (Ertl-Wagner et al 2009). Ob die Aufgaben und Prozesse einer Einrichtung alle der Norm entsprechend erfüllt werden, wird am Ende des Zertifizierungsprozesses in einem Audit durch einen externen, unabhängigen, akkreditieren Auditor überprüft. In dem Falle, dass nicht alle Anforderungen erfüllt werden, muss die Einrichtung die bestehenden Mängel beheben und sich in einem nächsten Audit erneut überprüfen lassen. Sind nun alle Anforderungen erfüllt, erhält das Unternehmen eine Zertifizierung, die meist ein Jahr lang gültig ist und dann erneut überprüft wird. Im Abstand von drei Jahren erfolgt die Rezertifizierung zur Aufrechterhaltung des Zertifikates. 11 Die Norm DIN/EN/ISO 9001 basiert auf den acht folgenden Grundsätzen, die ein Leitbild für das Management darstellen sollen (ebenda): 1. Kundenorientierung Gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse der Kunden sollten verstanden, erfüllt und in den Erwartungen übertroffen werden. 2. Verantwortlichkeit der Führung Sie sollten ein Umfeld schaffen, in dem die Mitarbeiter sich für die Zielerreichung der Organisation voll und ganz einsetzen können. 3. Einbeziehung der beteiligten Personen Personen machen das Wesen einer Organisation aus. Ihre vollständige Einbeziehung ermöglicht, ihre Fähigkeiten zum Nutzen der Organisation einzusetzen. 4. Prozessorientierter Ansatz Tätigkeiten und die dazugehörigen Ressourcen sollten für eine effiziente Zielerreichung als Prozess geleitet und gelenkt werden. 5. Systemorientierter Managementansatz Erkennen, Verstehen, Leiten und Lenken von miteinander in Wechselbeziehung stehenden Prozessen tragen zur Wirksamkeit und Effizienz der Zielerreichung einer Organisation bei. 6. Kontinuierliche Verbesserung Kontinuierliche Verbesserung ist ein dauerhaftes Ziel der Organisation. 7. Sachbezogener Entscheidungsfindungsansatz Um wirksame Entscheidungen treffen zu können, müssen sie auf der Analyse von Daten und Informationen beruhen. 8. Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen Beide, Lieferant und Unternehmen, sind voneinander abhängig. Durch die Beziehung zum beiderseitigen Nutzen wird die Wertschöpfungsfähigkeit beider Seiten erhöht. Die Norm DIN/EN/ISO 9001:2008 ist prozessorientiert, ihr Schwerpunkt liegt auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozessen im modernen Qualitätsmanagement (Ertl-Wagner et al 2009). Für eine Einrichtung bedeutet die Zertifizierung meist eine verbesserte Marktposition oder zumindest eine Sicherung der Marktteilhabe (DEGEMED und FVS, Auditleitfaden 3.0). Bei vielen Suchteinrichtungen, die eine Zertifizierung anstreben, ist die gesetzliche Vorgabe ein wesentlicher Motivationsgrund, da bei Nichtzertifizierung eine weitere Belegung durch den Rentenversicherungsträger nicht gegeben ist. Wenn der Prozess der Zertifizierung einen guten Weg nimmt, bietet das Qualitätsmanagement die Möglichkeiten, die Arbeitsprozesse und angebotenen Produkte ständig zu überprüfen und zu verbessern, Zuständigkeiten klar 12 zu regeln, interne Abläufe zu optimieren und die Arbeit an Schnittstellen zu verbessern (Michel 2002). Wie der Fachverband Sucht und die DEGEMED feststellen, bedarf es dazu einer hohen Motivation und eine entsprechende Bereitschaft der Leitung und der Mitarbeiter, sich auf den Prozess einzulassen und die dazu notwendigen Ressourcen bereitzustellen (2008). 3.2 Der Zertifizierungsprozess der Fachklinik Liblar Die Fachklinik Liblar, eine Einrichtung zur stationären Langzeitentwöhnung für polytoxikomane Männer und Frauen, in Erftstadt Liblar bei Köln gelegen, entschied sich für eine Zertifizierung nach DIN/EN/ISO 9001:2008. Damit galt es, die Prozesse, die von dem multidisziplinären Team der Einrichtung durchgeführt werden, entsprechend den Forderungen der Norm darzustellen. Die Arbeiten hieran fanden in den Qualitätszirkeln der Bereiche Medizin, Arbeitstherapie (unterteilt nach Handwerk und Hauswirtschaft), Sporttherapie, Kreativtherapie, Verwaltung, Nachtbereitschaften und Psychotherapie statt. Koordiniert wurden die Arbeiten durch eine Qualitätsmanagementbeauftragte, deren zusätzliches Aufgabenfeld in der Psychotherapie liegt. Sie wurde und wird durch den Qualitätsmanagementbeauftragten der Geschäftsführung und durch die Klinikleitung unterstützt. Die Klinik kann bis zu 40 Patienten betreuen und verfügt über eine angeschlossene Adaptionseinrichtung mit vier Behandlungsplätzen, die nicht in die Zertifizierung einbezogen wurde. Die Kollegen des Bereiches Psychotherapie arbeiten verhaltenstherapeutisch, systemisch, und mit den Methoden des Psychodramas. In den meist wöchentlich stattfindenden Qualitätszirkeln wurde und wird über Therapieinhalte, deren Umsetzung und Dokumentation diskutiert. Insgesamt dauerte der Prozess der Zertifizierung nahezu zwei Jahre. Keiner der Mitarbeiter hatte vorher Erfahrungen im Bereich Qualitätsmanagement sammeln können, so dass sich alle auf vollkommen fremdem Terrain bewegten. Dem entsprechend dauerte es, bis Flussdiagramme mit einer gewissen Sicherheit gehandhabt wurden oder bis wirklich alle alten Formulare und Vordrucke aus den Büros und den Tiefen des Intranet verschwunden waren. Die Tatsache, dass beispielsweise Dokumente nicht „mal eben“ verändert werden können, sondern dazu ein festgelegter Weg eingehalten werden muss, der mit der Freigabe durch die QM-Beauftragte endet, findet noch heute ihre Gegner. Nach einem internen Audit in jedem Arbeitsbereich fand ein externes Audit statt, dem die Zertifizierung der Einrichtung folgte. Insgesamt hat die Einführung des Qualitätsmanagementsystems in allen Bereichen zu einer Verbesserung der Strukturen, der Kommunikation und der Klarheit der Zuständigkeiten geführt. Im Bereich der Psychotherapie ist durch die Behandlungspfade eindeutig festgelegt, welche Aufgaben die Rehabilitanden in diesem Bereich erledigen müssen, um tatsächlich zur Auseinandersetzung mit den Themen 13 zu gelangen, die mit ihrer Abhängigkeitsentwicklung im Zusammenhang stehen. Ob sie mit der Behandlung zufrieden sind oder Veränderungsvorschläge haben, wird in regelmäßigen Abständen von meist vier Wochen während der Behandlung und am Ende der Behandlung durch Fragebögen in Erfahrung gebracht. Die Auswertung der Fragebögen wird im Team vorgestellt und die sich möglicherweise daraus ergebenden Veränderungsnotwendigkeiten werden in Qualitätszirkeln ausgearbeitet. 3.3 Die Position der Behandlungspfade im Qualitätsmanagementsystem Die in dieser Arbeit vorgestellten Behandlungspfade gehören in das Kapitel 7 „Produktrealisierung“ der zugrunde liegenden Norm. Inhalt dieses Kapitels ist die Forderung des Kunden an das Produkt, die Auftragsbearbeitung und auch die Kundenbeschwerde. Im Gesundheitswesen beinhaltet die Auftragsbearbeitung vor allem die direkten Leistungen am Patienten (Ertl-Wagner et al 2009). Es muss nachgewiesen werden, dass die Organisation definiert, was die Leistungen sind, wie diese geplant werden, welches Leistungsniveau angestrebt wird, wie diese Anforderungen bewertet werden und wie mit dem Kunden kommuniziert wird. Die Behandlungspfade müssen diese Anforderungen erfüllen. Vedder (2004) schreibt hierzu: „ Behandlungspfade legen die optimale Abfolge und Terminierung der wichtigsten Interventionen fest, die von allen Disziplinen bei der Behandlung eines Patienten mit einer bestimmten Diagnose durchgeführt werden“ (S. 1). Sie erhöhen die Effizienz durch eine exakte Festlegung der Reihenfolge und des Umfangs aller Behandlungsschritte. Die Prozesse werden steuerbar und transparent, wodurch die Qualität der Behandlung gesichert wird und die Ressourcen gezielt eingesetzt werden können. In den in dieser Arbeit vorgestellten Behandlungspfaden werden die wesentlichen psychotherapeutischen Aufgaben, die der Rehabilitand während einer Suchtbehandlung in Begleitung des Therapeutenteams erledigen soll, in Form von Flussdiagrammen dargestellt und ihre Inhalte werden vor einem wissenschaftlichen Hintergrund beschrieben. Ob die Behandlungspfade tatsächlich den weiter oben genannten Anforderungen gerecht werden, wird am Ende der Arbeit Rentenversicherungsträgers durch und den eine Gegenüberstellung Leitlinien der mit Deutsche den KTL des Gesellschaft für Suchtforschung (DGS) und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) überprüft. Die Behandlungspfade des therapeutischen Bereiches sind nur ein Teil des komplexen Produktes, das ein „Kunde“ in einer Rehabilitationsklinik erhält. Der zweite wesentliche Bereich der Entwöhnungsbehandlung, die Arbeitstherapie mit ihren Prozessen und Vernetzungen wird in der vorliegenden Arbeit nicht erfasst, ebenfalls werden die Bereiche Medizin, Kreative Gestalttherapie und Bewegungstherapie nicht berücksichtigt. 14 4. Die Suchterkrankung Fakten, Ätiologie und Behandlungsmöglichkeiten Bereits in seiner frühen Geschichte konsumierte der Mensch psychotrope Substanzen. Ihre Einnahme und Wirkung erfüllte wichtige individuelle und soziale Funktionen (Westermeyer 1991). Neben der individuellen Stimulation und Entspannung wurden sie zur Bewusstseinserweiterung genutzt. Auf sozialer Ebene waren sie Teil religiöser Riten und Zeremonien und dienten als Heilpflanzen bei bestimmten Krankheiten. Heute ist der Konsum von Alkohol und Nikotin durch eine hohe Verfügbarkeit fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Ebenso sind illegale Drogen heute überall erhältlich. Obwohl Handel und Besitz illegal sind und juristisch belangt werden, ist es dennoch jedem der es möchte möglich, illegale Substanzen zu erwerben und zu konsumieren. Dabei nehmen die Konsumenten häufig die damit verbundenen psychischen, sozialen und medizinischen Risiken in Kauf. Es gibt Menschen die einen selbstzerstörerischen Umgang mit den Rauschmitteln zeigen, die Droge bis zur Bewusstseinsstörung konsumieren oder bereits am Morgen oder während der Arbeitszeit konsumieren (Tretter & Müller 2001). Wird dieses abweichende Verhalten trotz negativer Konsequenzen fortgesetzt, ohne ihm entgegen zu steuern, sprechen die Autoren von einer Sucht. Das Verhalten zeigt eine „destruktive Eigendynamik“ (ebenda S. 22). Generell kann jedes Verhalten des Menschen, so die Autoren, in die Sucht entgleisen. Voraussetzung hierfür ist, dass jedes menschliche Verhalten zu einer Art Rauschzustand führen kann. Dieser Rausch führt zur Wiederholung des Verhaltens, es entsteht ein Drang zur Wiederholung, der die Essenz der Sucht ist. Ziel dieser Handlungswiederholungen ist das Erzeugen von Lustzuständen oder die Minderung von Unlustzuständen, doch davon mehr bei den Erklärungsmodellen. In der Fachwelt wird heute häufig nicht mehr von Sucht, sondern von Abhängigkeit gesprochen. Der Begriff „Sucht“, der von dem althochdeutschen Wort „Siech“ stammt und kranksein bedeutet wird durch einen milderen Begriff der Abhängigkeit ersetzt. Klein (2001) warnt davor, die beiden Begriffe „Sucht“ und „Abhängigkeit“ synonym zu verwenden, da Abhängigkeit nicht generell negativ sein muss, teilweise sogar notwendig ist, während hinter der Sucht ein negativer Prozess der Selbstzerstörung steht. Zunächst die Diagnosekriterien der Suchtmittelabhängigkeit nach den beiden bekanntesten Klassifikationssystemen ICD 10 der WHO (International Code of Disorders) und DSM IV (Diagnostik and Statistical Manual of Mental Disorders). 4.1 Diagnostik der Suchterkrankung Unproblematisch und damit ohne diagnostischen Befund ist ein „gelegentlicher Konsum“ von Rauschmitteln. Nimmt man ein quantitatives und qualitatives Spektrum des stoffbezogenen 15 Konsumverhaltens an, ist die nächst höhere Ebene der „Gewohnheitskonsum“, bei dem in regelmäßigen Abständen Rauschmittel eingenommen werden. Aus diesem kann sich ein Missbrauch entwickeln, der akut oder chronisch sein kann. Ein deutliches Risiko mit negativen Folgen geht mit „riskanten Konsum“ einher, der nächsten Stufe des Konsumverhaltens. Der dann folgende „Schädliche Konsum“ zeigt bereits gesicherte negative oder bereits persistierende Folgen. Ihm folgt der abhängige Konsum, für den folgende Diagnosekriterien definiert sind (Tretter & Müller 2001). Die Diagnosekriterien der Suchtmittelabhängigkeit nach dem Klassifikationssystem ICD 10 (2010, S.99): 1) Toleranzentwicklung, d.h. Dosissteigerung, um den gewünschten Substanzeffekt zu erreichen. 2) Ein körperliches Entzugssyndrom, nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. 3) Der starke Wunsch bzw. Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren. 4) Vernachlässigung sozialer und beruflicher Aktivitäten. 5) Schädlicher Konsum, d.h. einen anhaltenden Substanzgebrauch trotz Nachweis eindeutiger Schäden. Für eine sichere Diagnose sollten innerhalb der letzten 12 Monate mindestens drei oder mehr Kriterien erfüllt sein. Ähnliche Kriterien gibt das zweite bekannte Klassifikationssystem für Diagnosen, das DSM IV (1998, S.99). Auch hier gilt die Diagnose als bestätigt, wenn drei oder mehr Kriterien innerhalb der letzten 12 Monate erfüllt waren. 1) Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien: a) Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen. b) Deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis. 2) Entzugssymptome, die sich durch eines der folgenden Kriterien äußern: a) Charakteristisches Entzugssyndrom der jeweiligen Substanz (...) b) Dieselbe (..) Substanz wird eingenommen, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden. 3) Die Substanz wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt eingenommen. 16 4) Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren. 5) Viel Zeit für Aktivitäten, um die Substanz zu beschaffen (...), sie zu sich zu nehmen (…) oder sich von ihren Wirkungen zu erholen. 6) Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Substanzkonsums aufgegeben oder eingeschränkt. 7) Fortgesetzter Substanzkonsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch die Substanz verursacht oder verstärkt wurde (...). (DSM - IV, 1994, S. 99). Da unsere Einrichtung mit dem ICD 10 arbeitet, beziehe ich mich ab nun auf dieses Klassifikationssystem. Für die Suchtmittelabhängigkeit nennt das ICD 10 folgende möglichen Störungen (ICD 10 2010, S.100): F10 Störungen durch Alkohol F11 Störungen durch Opioide F12 Störungen durch Cannabinoide F13 Störungen durch Sedative oder Hypnotika F14 Störungen durch Kokain F15 Störungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein F16 Störungen durch Halluzinogene F17 Störungen durch Tabak F18 Störungen durch flüchtige Lösungsmittel / Inhalanzien F19 Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen Wie viele Menschen tatsächlich abhängig von Drogen sind, zeigen die folgenden Angaben zur Epidemiologie. Die vorgestellten Zahlen beziehen sich auf Deutschland. 4.2 Epidemiologie der Suchterkrankung Margraf (2000) weist auf die Schwierigkeit hin, zuverlässige epidemiologische Daten zur Suchterkrankung zu erhalten, da von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. So werden neben den Daten aus Bevölkerungsumfragen auch Unfallstatistiken bezogen auf Alkohol und Drogen, Kriminalstatistiken aus dem Bereich Drogen, Verkaufsstatistiken für Alkohol und Zigaretten und Zahlen aus klinisch therapeutischen Einrichtungen genutzt. Die folgenden Daten entstammen dem Jahrbuch Sucht aus dem Jahr 2010. 17 Bei den am leichtesten zu erhaltenden Suchtmitteln Nikotin und Alkohol besteht der höchste Konsum. So lag der durchschnittliche Pro – Kopf – Konsum für Alkohol 2008 in Deutschland bei 9,9 Litern, höher als in jedem anderen Land, das an der Erhebung teilnahm. Zigaretten wurden 2008 landesweit 87.497 Millionen Stück konsumiert. 18,3 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland betrieben 2008 Alkoholmissbrauch. 2008 bestand eine Alkoholabhängigkeit bei 3,4 % der Männer und 1,4 % der Frauen. Eine Abhängigkeit von illegalen Drogen wurde 2006 bei 1,8 % der Männer und 0,6 % der Frauen festgestellt. Margraf (2000) bezieht sich auf Zahlen aus dem Jahr 1997. Damals habe das durchschnittliche Alter des Erstkonsums für Tabak bei 16 Jahren gelegen, für Alkohol zwischen 16 und 18 Jahren, für Haschisch bei 18 Jahren, bei Opiaten liegt es bei 20 und bei Kokain bei 21 Jahren. Durch eine Abhängigkeit von illegalen Drogen steigt die Mortalitätsrate um das 15 – 20fache. So wurden im Jahr 2008 1449 Rauschgifttote registriert, was einen Anstieg von 4 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet (Stempel 2008). Die Suchtstörung ist bei Männern die am häufigsten gestellte psychische Diagnose. Die Folgestörungen, die sich daraus ergeben sind vielfältig: sie reichen von Leber- und Bauspeicheldrüsenerkrankungen, Herzerkrankungen, gastrointestinalen Störungen, Karzinomen über Infektionen, AIDS bis zu Erkrankungen durch Fehl- und Mangelernährung. Soziale Folgestörungen sind häufig Partnerschaftsprobleme, Verlust des Arbeitsplatzes, soziale Isolierung bis hin zur Verwahrlosung bei schwerem Drogenmissbrauch und Folgeerkrankungen durch Beschaffungsprostitution (Margraf, 2000). So ist es Ziel der stationären Entwöhnungsbehandlungen, die Süchtigen mit Hilfe der Behandlung wieder sozial und beruflich zu integrieren und die Folgeerkrankungen auf einem Minimum zu halten. Dies spiegelt sich in den Behandlungspfaden der Einrichtungen wider. 4.3 Ätiologie der Suchterkrankung Es gibt zahlreiche verschiedene Erklärungsmodelle für die Entstehung der Suchterkrankung. Sie beziehen sich auf alle Ebenen menschlichen Lebens. Im Laufe der Zeit haben sich die Erklärungsansätze deutlich erweitert, so dass in den neueren Theorien nicht mehr ausschließlich die betroffene Person im Fokus steht, sondern das Umfeld und die Situation des Betroffenen mit einbezogen werden. Ich werde mich hier auf die Erklärungsmodelle aus den Bereichen Lerntheorie und Systemtheorie beschränken, die den stärksten Einfluss auf die Arbeit in unserer Einrichtung haben. Den psychoanalytischen Ansatz, der besonders zu Beginn der therapeutischen Suchtarbeit im Vordergrund stand, werde ich nicht weiter erläutern, da er in der aktuellen Erklärungs- und Behandlungspraxis in den Hintergrund 18 gerückt ist. Allem voran möchte ich die von einigen Autoren beschriebenen Eigenschaften der Suchtpersönlichkeit vorstellen. 4.3.1 Die Suchtpersönlichkeit Böhmer et al (1993) bezieht sich auf eine Langzeitstudie von Shedler und Block (1990), bei der 101 Person über 15 Jahre drei mal auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale hin untersucht wurden (vom 3. bis 18. Lebensjahr). Dabei haben sich die regelmäßig drogenkonsumierenden Personen als eher emotional labil, mit einem niedrigen Selbstvertrauen, Beziehungsstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten gezeigt. Dörner (2007) sieht in der gesamtgesellschaftlichen Haltung, ständig „Kapitäne unserer Seele“ sein zu wollen (ebenda S. 237) einen wesentlichen Grund für das Abhängigwerden von Rauschmitteln. Dabei zählen heute für den Menschen nur positive Erfahrungen, negative Erfahrungen und Bedingungen sollen ausgemerzt werden. Schwierigkeiten in unseren Lebenswegen akzeptieren wir nicht mehr, so der Autor, sondern erwarten, dass sie sich von selbst auflösen oder aber jemand anderes sie für uns löst. Dieser Wunsch nach einem ewig zufriedenen Leben ist unser aller Suchtanteil. Viele nutzen Suchtmittel, um mit ihrer Hilfe die Brücke zwischen Wunsch und Realität zu schlagen. Sucht wird meist heimlich gelebt, was dadurch erleichtert wird, dass das Umfeld wegschaut, um dem anderen und sich selbst Peinlichkeiten zu ersparen. Beck (Beck et al 1997) benennt folgende charakteristische Eigenschaften, die Menschen anfällig machen für eine Abhängigkeitsentwicklung. Er nennt als erstes eine hohe Sensibilität für unangenehme Gefühle. Beck geht von einer geringen Motivation aus, Kontrolle über sich auszuüben. Weiter nennt er eine starke Impulsivität und Suche nach Erregung, verbunden mit einer geringen Toleranz gegenüber Reizmangel. Unzureichende soziale Strategien zum Lustgewinn und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, persönlich wichtige Ziele zu erreichen, kennzeichnen häufig süchtige Menschen ebenso wie eine geringe Frustrationstoleranz. Im Erklärungsmodell der Suchttrias sind diese Eigenschaften der Person nur ein Faktor, der eine Sucht auslösen kann, dieser Faktor alleine führt nicht zwangsläufig in eine Suchtentwicklung. 4.3.2 Das Erklärungsmodell der Suchttrias Das Trias Konzept der Sucht wurde zu Beginn der siebziger Jahre des letzen Jahrhunderts von Kielholz und Ladewig formuliert. Der Ansatz geht davon aus, dass das Zusammenwirken der drei Faktoren Person, Umwelt und Droge darüber bestimmt, ob ein Mensch drogenabhängig wird oder nicht. Jeder der Faktoren besteht aus verschiedenen Variablen. So gehören die genetische Disposition und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, wie 19 oben bereits genannt, Konsumverhalten, soziale zu dem Faktor Person. Schichtzugehörigkeit, Soziokulturelle Einstellung Einflüsse gegenüber wie Drogen, Lebensbedingungen, die Familienstruktur und Arbeitssituation bilden den Faktor Umwelt. Der Faktor Droge kann durch seine spezifische Wirkung Teil an der Suchtentwicklung haben. Gefällt der Person die Wirkung der Droge nicht, wird der Konsum eingestellt, so dass sich keine Abhängigkeit entwickeln kann (Böhmer et al, 1993). Das Konzept der Suchttrias gehört heute zu den am meisten genutzten, da für jede einzelne Person ein individuelles Erklärungsmuster zusammengestellt werden kann, es aber trotzdem in seiner Ursprungsform sehr einfach ist und dem Geist des Systemischen entspricht, der alles, was geschieht, im Zusammenhang zwischen System und Umfeld betrachtet. Neben den Risikosituationen, die in die Sucht hineinführen, hat dieses Konzept den Vorteil, dass man hiermit sehr gut Schutzfaktoren herausarbeiten kann, die Resilienzfaktoren, die Möglichkeiten eines Ausstiegs aus der Sucht aufzeigen können. 4.3.3 Der lernpsychologische Erklärungsansatz Hier ist zunächst das klassische Konditionieren nach Pawlow zu nennen, da es die erste Stufe des Lernens beschreibt. Dabei wird ein zunächst unkonditionierter Stimulus zu einem konditionierten Stimulus, der aus einer unkonditionierten Reaktion eine konditionierte Reaktion macht. Beides ist möglich durch die zeitnahe Verknüpfung von Stimulus und Reaktion, so dass der, um Pawlows bekanntes Beispiel heranzuziehen, ursprünglich neutrale Glockenton in Verbindung mit der vorausgehenden Futtergabe zu einer Verknüpfung führt, die bei dem Hund alleine durch das Erklingen des Tones den Speichelfluss hervorriefen. Übertragen auf einen Heroinkonsumenten führt beispielsweise das Sehen einer Spritze zur Vorfreude auf die Drogenwirkung und das Suchen nach der Droge. Skinner fügte später den Faktor der Bewertung hinzu. Eine erlebte positive Konsequenz beeinflusst hier das wiederholte Auftreten eines Verhaltens oder dessen Unterlassung bei negativer Konsequenz. Hiermit ist nun auch die Entwicklung einer Sucht zu erklären, da die als positiv erlebte Wirkung der Drogen zu einer erneuten Einnahme führt. An dieser Stelle kommt der bisher außer acht gelassene Faktor der menschlichen Physiologie hinzu. Das menschliche Hirn entwickelt eine Toleranz gegenüber der eingenommenen Substanz, so dass der Drogenkonsument gezwungen ist, immer mehr des Suchtmittels einzunehmen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Diesem Wunsch läuft er hinterher und landet auf diesem Weg in der Sucht. Das Verschwinden einer negativen Konsequenz, dem körperlichen Entzug, durch eine Handlung, beim Drogenabhängigen die Drogeneinnahme, erklärt den Drogenkonsum bei 20 fortgeschrittener Sucht, da die negativen Entzugssymptome durch die erneute Drogeneinnahme beseitigt werden. Bandura erweitere die Lerntheorien noch um den Faktor des Lernens am Modell. Angenommen wird, dass Menschen von anderen Menschen lernen, besonders dann, wenn sie die Modellperson positiv bewerten. Um so zu sein wie die Person, imitiert der Mensch das Verhalten dieser Person. Ein Grund, der häufig zum Drogenkonsum führt. Der erste Konsum erfolgt meist in der Gruppe und es wird mitgemacht, weil die Person sich nicht ausgrenzen will. Margraf (2000) spricht bei der Entwicklung einer schweren Suchtmittelabhängigkeit von einer „Verschiebung im Verhaltensrepertoire“ (S. 276). Nämlich dann, wenn die normalen täglichen Lebensabläufe aufgegeben werden und nur noch die Verhaltensweisen zur Beschaffung der Drogen zwecks Beseitigung der Entzugssymptome im Vordergrund stehen. Dies geschieht mit steigender Wahrscheinlichkeit, je schwieriger die Lebenssituation der Person zu Beginn des Drogenkonsums ist, je weniger Lebenszufriedenheit und Erfolgserlebnisse die Person zu diesem Zeitpunkt erlebt, da durch die zu Beginn des Konsums positive Wirkung die negativ erlebten Lebensbereiche in den Hintergrund rückt, es kommt lerntheoretisch zu einer negativen Verstärkung, die die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Konsums erhöht. 4.4 Therapeutische Behandlungsansätze der Suchttherapie in der Fachklinik Liblar Im Folgenden stelle ich die wesentlichen Merkmale der Behandlungsansätze vor, die in der Fachklinik Liblar durch die Mitarbeiter der Gruppentherapie vertreten sind. Hierzu gehören der Behandlungsansatz des Psychodrama, der verhaltenstherapeutische und kognitiv verhaltenstherapeutische Ansatz sowie der systemische Behandlungsansatz. 4.4.1 Die Psychodramatherapie Das Psychodrama ist ein Verfahren der handelnden Darstellung und des inneren Erlebens (v. Ameln, Gerstmann & Kramer 2004). Es wurde in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von dem Arzt, Psychotherapeuten und Philosophen Jakob Levy Moreno entwickelt. Für Moreno (1988) ist das Psychodrama eine „Tiefentherapie der Gruppe“ (S.76). Durch die psychodramatische Arbeit in der Gruppe werden die Probleme der Gesellschaft und des Individuums als „Mikro-Realität“ (S.77) in der Gruppe dargestellt. Ziel der Arbeit des Psychodramas soll die Erweckung der Spontaneität, der Aktion und der Kreativität sein (Leutz 1986). Hintergrund ist die Haltung, dass der Mensch ein Teil des Kosmos ist und die zunehmende Entfremdung zwischen den Menschen zur Vernichtung der 21 Welt führen kann. Die Spontanität ist für Moreno eine angemessene Reaktion auf neue Bedingungen oder eine neue Reaktion auf eine alte Bedingung. Aktion sieht Moreno als ein Kennzeichen alles Lebendigen. Durch die Entwicklung des Psychodramas hat er die Aktion in die therapeutische Arbeit gebracht. Durch die Darstellung einer Szene, die der Protagonist unter Umständen verbal nicht beschreiben kann, wird er zum aktiv Handelnden. Durch das Ausprobieren neuer Reaktionen auf der Bühne entwickelt er aktiv Verhaltensalternativen, die ihm bislang nicht bewusste Perspektiven aufzeigen und damit den Blick auf bisher als belastend Erlebtes verändern können. Wenn Spontaneität und Aktion sich auf bestehende oder entstehende Gestaltungsprinzipien beziehen, tritt, so Moreno, Kreativität auf, die es der Person ermöglicht, neue Erkenntnisse zu sammeln und neue Vorstellungen zu entwickeln. Die wichtigsten Techniken diese Therapieverfahrens sind nach Lammers (2004) Folgende: zunächst das Erwärmen der Teilnehmer für das bevorstehende Spiel, das sowohl auf der körperlichen, als auch auf der psychischen und sozialen Ebene stattfindet. Während des Rollenspiels kann Erleben konkretisiert werden, der Szenenaufbau kann von dem Therapeuten zusammen mit dem Protagonisten vorbereitet werden und es können Inszenierungstechniken eingesetzt werden, indem beispielsweise die Zähigkeit einer Situation durch ein sehr langsames Spieltempo ausgedrückt wird. Gerät der Spielfluss ins Stocken, besteht die Möglichkeit des Doppelns, ein Hilfs-Ich spricht mögliche Impulse oder Empfindungen des Protagonisten aus, die er selbst in dem Augenblick nicht benennen kann. Der Protagonist entscheidet für sich selbst, welche Vorschläge des Hilfs-Ichs er akzeptiert oder ablehnt. Eine zentrale Technik ist der Rollentausch, bei dem zwei Personen ihre Rolle tauschen und der Rollenwechsel, der sich auf eine Person bezieht, die in eine neue Rolle schlüpft. Übernimmt ein Hilfs-Ich die Rolle des Protagonisten, kann dieser sein Verhalten aus einer Distanz heraus beobachten, was in der Psychodramatherapie als Spiegeln bezeichnet wird. Ein Rollenspiel wird durch Integration beendet, was bedeutet, dass die erlebten Emotionen, die neuen Handlungsdimensionen und Lösungsansätze in das Leben des Protagonisten integriert werden sollten. Aber der Protagonist muss auch wieder in die Gruppe integriert werden. Eine Integration der Erfahrungen der Mitspieler in das Gruppengeschehen ist ebenfalls notwendig. Dies alles dient nach Moreno der Katharsis, der Reinigung und Läuterung des Menschen von ihn behindernden Fixierungen. Moreno selbst drückt es so aus: „Jedes wahre zweite Mal ist die Befreiung vom ersten“ (Moreno 1983, in Leutz, 1986, S. 141). 4.4.2 Der verhaltenstherapeutische Ansatz Tretter (2001) beschreibt die Verhaltenstherapie als auf der experimentellen Psychologie und der Lernpsychologie aufbauend. Sie konzentriert sich auf objektive Beobachtungen. Eine 22 Ausdifferenzierung dieses Ansatzes ist die kognitive Verhaltenstherapie, die besonders durch Beck et al (1994; 1997) repräsentiert wird. Der Begriff Verhaltenstherapie wurde von Lindlsey und Skinner eingeführt und von Eyseneck verbreitet. Die Verhaltenstherapie besteht aus einer Vielzahl von Methoden, die auf die jeweiligen Störungsbilder zugeschnitten sind, und ihre Methoden bauen auf den Ergebnissen der experimentellen Psychologie auf. Die Tatsache, dass ihre Interventionen experimentell kontrolliert werden, ist ein ausschlaggebender Grund für die kassenärztliche Anerkennung dieses Verfahrens (Dorsch 1994). Allgemein erklärt die Verhaltenstherapie den Aufbau oder Abbau von Verhaltensmustern durch den damit verbundenen Erfolg oder Misserfolg. Positive Effekte führen zu einem gehäuften Auftreten des zugrunde liegenden Verhaltens. Margraf (2000) beschreibt die Verhaltenstherapie wie folgt: „Die Verhaltenstherapie ist ein genuin klinisch-psychologischer Heilkundeansatz mit einer Vielzahl spezifischer Techniken und Behandlungsmaßnahmen, die je nach Art der vorliegenden Problematik einzeln oder miteinander kombiniert eingesetzt werden. Eine für alle Zeiten abschließende Festlegung der Verhaltenstherapie ist angesichts ihrer permanenten Weiterentwicklung nicht möglich (...) S. 631). Dabei weist er im Weiteren ausdrücklich darauf hin, dass die Verhaltenstherapie nicht zu Symptomverschiebungen führt; dass die Gedanken und Gefühle des Patienten mit in die Behandlung einbezogen werden; dass die Verhaltenstherapie nicht davon ausgeht, alle psychischen Störungen seien durch einfache Konditionierung erworben; dass der Gebrauch von Medikamenten nicht generell abgelehnt wird (ebenda). Therapeutische Basisfertigkeiten, die der Therapeut beherrschen sollte sind beispielsweise die Gesprächsführung, die Beziehungsgestaltung und die Motivationsarbeit. Sie sind die Voraussetzung für die Anwendung störungsübergreifender und störungsspezifischer Verfahren. 4.4.3 Die kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Therapie ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Verfahren, die von dem Einfluss der Kognitionen auf das emotionale Erleben und das Verhalten ausgehen (Margraf 2000). Es ist ein Ziel der Behandlung, Veränderungen von Gedanken, Erwartungen, Wahrnehmungsstilen, Vorstellungen, Einstellungen, Überzeugungen und Schluss- folgerungen, die ein Problemverhalten begünstigen, gemeinsam mit dem Patienten zu erarbeiten. Die kognitive Therapie nach Beck (Beck et al 1997), die er im Hinblick auf die Behandlung süchtiger Patienten entwickelt hat, beschäftigt sich mit der Veränderung der einem Verhalten 23 zu Grunde liegenden Denkmuster. So geht er davon aus, dass jeder Mensch Grundüberzeugungen hat, beispielsweise, immer allein zu sein. Diese Grundüberzeugungen beeinflussen sein emotionales Empfinden, so ist z.B. ein Mensch mit der Grundüberzeugung immer alleine zu sein, traurig. Beides führt im Falle der abhängigen Person zu suchtspezifischen Grundannahmen, beispielsweise geht die Person davon aus, dass sie durch den Drogenkonsum die Einsamkeit und Trauer nicht mehr empfinde. Diese Bedingungen führen nach Beck zu typischem Suchtverhalten, der Betroffene sucht Orte auf, an denen er Drogen kaufen kann. Während der Therapie werden diese Muster gemeinsam mit dem Süchtigen sichtbar gemacht, und es wird versucht, alternative Denkmuster dazu zu entwickeln, die ein neues Verhalten ermöglichen (Beck et al 1997). Beide Behandlungsansätze werden in der Suchtbehandlung, sowohl in der Einzeltherapie als auch in der Gruppentherapie, angewendet. 4.4.4 Der systemtheoretische Behandlungsansatz Die systemische Therapie sieht den Menschen immer als in sozialen Bezügen lebend. Individuelle Entwicklung ist nur im Rahmen sozialer Interaktion und mit wichtigen Bezugspersonen denkbar (Schiepek 1999). Sie findet Anwendung in der Paar- und Familientherapie, der Gruppentherapie aber auch in der Einzeltherapie. Der Autor nennt fünf allgemeine Grundpositionen im systemischen Behandlungsansatz: - Die Berücksichtigung der Autonomie des Systems: Zwischen den beteiligten Komponenten besteht eine Vernetzung und Rückbezüglichkeit, die sie nach außen hin geschlossen und unabhängig erscheinen lasst. Das System operiert mit eigenen Strukturen und Grenzen. - Die Berücksichtigung der Eigendynamik des Systems: Die systemeigenen Regeln und Rückbezüglichkeiten bilden eine ganz eigene Dynamik, die das System kennzeichnet. Diese Eigendynamik ist meist sehr komplex und damit in ihrer Wirkung, auch auf Veränderungen, schwer vorher zu sehen. Eine Veränderung oder Irritation der Dynamik kann zur Instabilität des Systems führen, innerhalb der Therapie kommt es bei der behandelten Person oder Familie zu Krisen. - Die Berücksichtigung der System-Umwelt: Obwohl Systeme ihre eigenen Strukturen haben, stehen sie doch mit ihrer Umwelt in Kontakt und werden durch sie beeinflusst und beeinflussen ihrerseits die Umwelt. - Die Veränderung innerer Konstrukte und Wirklichkeitskonstruktionen: 24 Der Mensch schafft sich durch seine Wahrnehmung und die Verarbeitung des Wahrgenommenen eine eigene Wirklichkeit. Dabei geht die systemische Therapie von einer engen Verknüpfung emotionaler und kognitiver Prozesse aus. - Wechselseitiger Bezug zwischen individuellen Problemen und interpersoneller Kommunikation: Hier kommt es häufig zu der Frage des Sinns, den ein bestehendes Problem für ein System hat. Die zwischenmenschliche Kommunikation wird als ein Warnsignal für zwischenmenschliche Konflikte gesehen. Bei der Betrachtung dieser Faktoren liegt der Fokus der systemischen Therapie auf den Ressourcen des Systems. Welche Veränderungen, Irritationen oder Impulse müssen vorgenommen oder gegeben werden, damit das System Zugang zu seinen Ressourcen erhält, um dadurch einen Veränderungsprozess der eigenen Strukturen zu beginnen? 4.4.5 Die Gruppentherapie In der stationären Langzeitentwöhnungsbehandlung süchtiger Patienten nimmt die Gruppentherapie eine wichtige Rolle ein, weswegen ich sie hier extra aufführe. Sie gehört nicht im engeren Sinn zu den Behandlungsmethoden, sondern ist „eine psychotherapeutische, korrigierende Einflussnahme auf Verhalten und Erleben“ (Ermann 1996, S. 303). So ist denn jede Therapie im stationären Bereich Gruppentherapie, da bereits die therapeutische Gemeinschaft eine Gruppe ist, unabhängig davon ob Gruppenpsychotherapie oder ausschließliche Einzelpsychotherapie angeboten wird (Jorda 2004). Im Unterschied zu Familien- oder Freizeitgruppen sind therapeutische Gruppen im stationären Bereich zeitlich begrenzt und die Psychotherapiegruppe hat eine festgelegte Frequenz. Für Moreno (1988) ist „Gruppenpsychotherapie (...) eine Methode, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen und die psychischen Probleme mehrerer Individuen einer Gruppe bewusst im Rahmen empirischer Wissenschaft behandelt“ (S. 52). Die Gruppe ist für einen Menschen ein natürliches Umfeld, sie kommt der natürlichen Umgebung des Menschen näher, als die Einzeltherapie (Moreno1988). Ein Ziel der Gruppentherapie ist die Förderung der Integration des Einzelnen gegenüber den unkontrollierten Kräften der Umgebung. Ein weiteres Ziel ist die Integration der Gruppe. Dabei funktioniert die Gruppe als Miniaturfamilie und Miniaturgesellschaft. So können Beziehungsmuster der Familie in der Gruppe mit Hilfe der Gruppenmitglieder und dem Therapeuten aufgearbeitet werden. Wirkmechanismen der Gruppentherapie sind, dass der Patient die Universalität seiner Störung erkennen lernt; er lernt es, Altruismus zu entwickeln und anderen zu helfen; es kann zu einer korrigierenden Wiederholung der Familiensituation in der Gruppe kommen; soziale 25 Kompetenzen können entwickelt werden indem soziale Ängste abgebaut werden und der Patient erlebt, wie er von anderen ernst genommen wird. Weiter findet ein Lernen am Modell statt; der Patient lernt, mit Konflikten umzugehen und Solidarität zu leben, der Patient erlebt sich als ein Teil einer Gruppe (nach Yalom 1974 aus Sonntag und Tretter 2001). Margraf (2000) beschreibt Gruppentherapie als „Methode der Behandlung psychischer Störungen mit einer Gruppe von Patienten“ (S. 578). Er hebt die Bedeutung der Gruppentherapie zum Training sozialer Kompetenzen hervor. Der Therapeut unterstützt die Gruppenprozesse durch helfende Instruktionen, durch geeignete Vorbilder und Modelle, durch Rollenspiele zur Einübung alternativer Verhaltensweisen. Damit eine konstruktive Gruppenatmosphäre entsteht, sollten folgende Faktoren gegeben sein: es sollte eine gute Gruppenkohäsion bestehen, was bedeutet, dass die Gruppe für die Teilnehmer eine gewisse Attraktivität hat, die sich in einem „Wir-Gefühl“ äußert. Vertrauen und Offenheit sollten in der Gruppe vorhanden sein. Erst dadurch entsteht eine Atmosphäre, in der auch schwierige Themen von den Gruppenmitgliedern angesprochen werden. Die Arbeitshaltung sollte kooperativ sein. Erst dann sind die Teilnehmer bereit, sich auf Neues einzulassen. Kooperation entsteht, wenn die Bedingungen der Kohäsion, der Offenheit und des Vertrauens erfüllt sind (Keusen 2007). Die Arbeit in der Gruppe findet je nach therapeutischer Ausrichtung des die Gruppe leitenden Therapeuten statt. In der Fachklinik Liblar finden in einer Woche vier Einheiten Gruppentherapie mit einer Dauer von 90 Minuten statt. Zusätzlich findet einmal wöchentlich ein 90 Minuten dauerndes Plenum, eine Großgruppenversammlung, statt in der inhaltliche Themen zur Sucht und zum Zusammenleben besprochen werden. Ein Wochenplan der Einrichtung befindet sich im Anhang D auf S. 204. 4.5. Behandlungspfade der Patienten mit Suchtmittelabhängigkeit ohne Komorbidität Es folgt nun die Vorstellung der Behandlungspfade für ausschließlich suchtmittelabhängige Patienten. Ich beginne mit dem Flussdiagramm des Behandlungspfades für die Orientierungsphase. Daran anschließend werden die jeweiligen Aufgaben der Behandlungspfade inhaltlich erläutert und es werden Interventionen oder Trainingsprogramme vorgeschlagen, die im Zusammenhang mit der Aufgabe eingesetzt werden könnten. Die hinter den Interventionen stehende Seitenzahl gibt an, wo die Intervention/ Trainingsprogramme im Anhang beschrieben werden. Das Gleiche wiederholt sich für die Behandlungspfade der Kern- und der Abschlussphase der Behandlung. Die Buchstabenfolgen QMVA IV.x.x.x., die bei den Behandlungspfaden immer wieder zu finden sind, beziehen sich auf das entsprechende Kapitel im Qualitätsmanagementhandbuch der Fachklinik Liblar. 26 4.5.1 Behandlungspfad der Orientierungsphase Hier nun die Vorstellung des ersten Behandlungspfades. QMVA IV.5.1.1 Behandlungspfad Orientierungsphase 1. – 8. Behandlungswoche Aufnahme d. Rehabilitanden u. Bezugsgruppenzuteilung Verantwortlichkeiten 1 Arzt 2 Bezugstherapeut 4 Psychologe Therapeutische Aufnahme 2 1 Medizin. Diagnostik Bemerkungen Psychologische Diagnostik Aufnahmee 3 Aufnahmeanamnesebogen/ Aufnahmemappe 4 –17 Bezugstherapeut Teilweise auch Einzeltherapeut Beobachtungen des Sozialverhaltens in der Gruppe Stabilisierung der Therapiemotivation Psychoedukation 1 vergl. Kap. IV.4.1 Medizinische Aufnahme; Kap. IV.4.2 Therapeutische Aufnahme MGU: Medizinische Fragebögen 4 Tests 5 Erste Verhaltensanalysen 8 Anbindung an die Gruppe und an die Klinik 10 6 erste Zielvereinbarungen mit Rehabilitanden 2 Klärung der Nebenkosten, Krankenkasse Juristisches 3 Abklärungen der Medikation Differenzierung des Behandlungspla nes nach individuellem diagnostischem Schwerpunkt 7 9 4 BSI 6 Fallbesprechung im Team 11 Gesundheitstraining 5- 16, ohne 6-7, finden in Bezugsgruppen statt 10 QMFB IV.5.7 Indikationsgrup pen Unterschriftenli ste (Anhang S. 205) Vorlagen Suchtinfo Erhebung der Familienanamnese 12 13 Schilderung der Lebensgeschichte 14 Darstellung des sozialen Netzes Vorlage Soziales Netz Anstehende Aufgaben erfüllt 15 Nein Nacharbeiten fehlender Aufgaben 16 Ja Wechsel in Kernphase 17 27 Der zeitlichen Rahmen, der durch die Kostenzusage der Rentenversicherungsträger meist auf eine Frist von sechsundzwanzig Wochen festgelegt ist, wird in unserer Einrichtung in drei Behandlungsphasen unterteilt. Die Orientierungsphase umschließt die 1. bis 8. Behandlungswoche, die Kernphase dauert von der 9. bis zur 17. Woche, bis zur 26. Woche befindet sich der Patient dann in der Abschlussphase. unsere Einrichtung eine Kostenzusage von Hat ein Patient bei Aufnahme in 13 Wochen, was häufig bei einer Wiederholungsbehandlung der Fall ist, kommt es meist mit Zustimmung des Patienten zu einer Verlängerung der Kostenzusage auf 26 Wochen durch Antragstellung an den Kostenträger. Besteht keine Notwendigkeit zur Verlängerung, oder ist der Patient dazu nicht bereit, durchläuft er die Behandlungspfade innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit. Die Inhalte der Orientierungsphase Bereits vor seiner Aufnahme wird der Patient einer Bezugsgruppe zugeteilt. In ihr bleibt er während seines gesamten Aufenthaltes und durchläuft gemeinsam mit den anderen Mitgliedern seiner Gruppe das angebotene Gruppentherapieprogramm. In der Orientierungsphase befindet sich der Rehabilitand von der 1. bis 8. Behandlungswoche. Der Therapeut hat in dieser Phase die Aufgabe, den Behandlungsverlauf mit dem Patienten gemeinsam zu planen. Daher werden innerhalb der ersten drei Tage nach Aufnahme des Patienten Daten zur Diagnostik erhoben, die mit der Erfassung der Familienanamnese durch den Bezugstherapeuten beginnt. In einem Aufnahmegespräch erhält der Patient den Fragebogen BSI (Deutsche Version, Belzt Test 2000), den er innerhalb der nächsten zwei bis drei Tage dem Bezugstherapeuten ausgefüllt abgeben muss. Weiter wird dem Patienten im Aufnahmegespräch eine Aufnahmemappe ausgehändigt. Sie enthält die Hausordnung, Einverständniserklärungen und Schweigepflichtsentbindungen, eine Verpflichtungserklärung, die einem Therapievertrag entspricht, die Therapiestandards und die Unterschriftenliste für die Indikationsgruppen. Der Bogen mit den Therapiestandards enthält die wesentlichen Aufgaben des Rehabilitanden, die er während der Behandlung erledigen muss und entspricht damit den Inhalten der Behandlungspfade. Bei Erledigung einer Aufgabe, wird dies durch die Unterschrift des Bezugstherapeuten auf dem Bogen der Therapiestandards bestätigt. Die auf den Flussdiagrammen immer wieder aufgeführte InkationsgruppenUnterschriftenliste ist ebenfalls in der Aufnahmemappe enthalten. Hier lässt sich der Patient am Ende einer einmal wöchentlich stattfindenden Indikationsgruppe seine Teilnahme durch die Unterschrift des die Gruppe leitenden Therapeuten unterschreiben. Der Inhalt der Aufnahmemappe findet sich im Anhang C, ab Seite 187. 28 Aus den Informationen des Anamnesegespräches und dem zu beobachtenden Sozialverhalten wird eine erste Psychodynamik abgeleitet. Am Ende der zweiten Behandlungswoche wird die Psychodynamik gemeinsam mit den Testergebnissen des BSI (Brief Symptom Inventory, Deutsche Version, Beltz Test, 2000) im Team vorgestellt. Hier werden erste Maßnahmen besprochen, an denen der Patient teilnehmen sollte. Entsprechend seiner medizinischen Leistungsfähigkeit werden der Arbeitstherapiebereich und die mögliche sportliche Belastung des Patienten festgelegt. Aufgabe des Patienten ist es, sich innerhalb der ersten beiden Behandlungswochen um die Klärung der Nebenkosten zu kümmern. Bei Patienten die beispielsweise nach längerem JVA - Aufenthalt nicht krankenversichert sind ist es die Aufgabe, sich in dieser Zeit um eine Krankenversicherung zu bemühen. Hierbei wird er, falls er das wünscht, von seinem Bezugstherapeuten unterstützt. In den ersten zwei bis drei Wochen seines Aufenthaltes nimmt der Patient einmal wöchentlich an der Indikationsgruppe „Orientierung“ teil, die auf die Fragen und Nöte der neu aufgenommenen Patienten ausgerichtet ist. In dieser Gruppe findet auch eine erste Psychoedukation statt, das Modell der Suchttrias wird besprochen und die Patienten setzen sich mit verschiedenen Fragen ihrer Suchtmittelabhängigkeit auseinander. Eine Stabilisierung der Motivation erfolgt über die Bearbeitung des Vierfelderschemas (Anhang D, S. 196) zu den Themen Abstinenz und Drogenkonsum. Neben der Orientierungsgruppe findet eine „Patengruppe“ statt. Bei seiner Ankunft wird jedem Patienten ein Pate zur Seite gestellt, dies ist ein Patient, der wenigstens 4 Wochen in unserer Einrichtung ist und den neu aufgenommenen Patienten bei dem Einfinden in die Klinik- und Tagesstruktur unterstützt. Der Sinn der Patengruppe ist dem der Orientierungsgruppe ähnlich, eine Anbindung an die Gruppe und die Einrichtung und ein Einstieg in eine erfolgreiche Behandlung sollen hierdurch unterstützt werden. Innerhalb der ersten zwei Wochen sollte der Patient seinen Lebenslauf in der Bezugsgruppe vorstellen. Während der Orientierungsphase sollte der Patient des weiteren sein soziales Netz vorstellen. Wenn es zu keinen Auffälligkeiten gekommen ist, kann der Patient nach zwei Wochen Aufenthalt Ausgänge mit zwei weiteren Patienten innerhalb des Klinikortes wahrnehmen, die in Rahmen der Bezugsgruppe reflektiert werden müssen. Die im Flussdiagramm genannten Maßnahmen zur Stabilisierung der Therapiemotivation und die Anbindung an die Gruppe erfolgen über die gesamte Zeit der Orientierungsphase und häufig auch darüber hinaus, besonders in Krisen ist ein erneuter Motivationsaufbau immer wieder notwendig. Gleiches gilt für das Beobachten des Sozialverhaltens und die Auseinandersetzung des Patienten mit den Rückmeldungen zu seinem Sozialverhalten. Ein 29 Prozess, der sich über die gesamt Zeit des Klinikaufenthaltes erstreckt und nicht nur auf die Orientierungsphase begrenzt ist, aber eben auch dort stattfindet. Aufgaben während der Orientierungsphase • Aufbau einer Arbeitsbeziehung, • Diagnostik (Testdiagnostik, Anamnesen und Verhaltensanalyse), • Klärung der Nebenkosten, • Aufbau und Stabilisierung der Therapiemotivation, • Anbindung an die Einrichtung und die Gruppe / Beziehungsaufbau / Patengruppe / Betrachten des Sozialverhaltens, • Darstellung des Lebenslaufes und des Sozialen Netzes, • Psychoedukation: Modell der Suchttrias, Vierfelderschema, im Rahmen der Orientierungsgruppe, • Einzelgespräche. Aufbau einer Arbeitsbeziehung Bereits seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass die Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut und Patient wesentlich für den Erfolg der Behandlung ist. Zimmer beschreibt hierzu folgende Kompetenzen des behandelnden Therapeuten (Zimmer, 2005, S. 64): - große Flexibilität, sich auf verschiedene Patienten und ihre Beziehungsangebote einzustellen, - Warmherzigkeit, - Strukturierungsfähigkeit, - Systematische Aufmerksamkeitslenkung, - Unterstützung, - hohes Maß an Offenheit. Nach Carl Rogers sind die Empathie, die Wertschätzung und die Kongruenz des Therapeuten wesentlich für die Gestaltung der therapeutischen Arbeitsbeziehung (Howe und Minsel 1994). Forschungsergebnisse im Bereich der Wirksamkeitsforschung zeigten positive Wirksamkeit, wenn die therapeutische Beziehung durch folgende weiteren Kompetenzen gekennzeichnet war: Wertschätzung Rückmeldungen geben, indem vom des Therapeuten Patienten für geäußertes den Patienten Empfinden durch und den Therapeuten validiert werden und Bemühungen zur Verhaltensänderung genauso anerkannt werden, wie das Erreichen eines Zieles. Angstreduktion bei der Besprechung von schambesetzten Themen und die Veränderung der Sprache, mit deren Hilfe der Patient 30 seine eigenen Probleme konkret benennen kann, so dass aus unklaren Klagen konkrete Problemstellungen werden. Zimmer (2005) beschreibt für die Anfangsphase der Behandlung, dass es zunächst um die Entscheidung für oder gegen Therapie gehe. Dabei muss der Patient für sich entscheiden, ob er sich von diesem Therapeuten angenommen und verstanden fühlt und ihn für kompetent genug hält, ihn bei der Bearbeitung seiner Probleme unterstützen zu können. Weiter muss er für sich entscheiden, ob er sich auf die Patientenrolle einlassen möchte und die dazu notwendige Lernbereitschaft hat. Auch der Therapeut muss sich die Frage stellen, ob er mit dem Patienten zusammenarbeiten und ihm die notwendige Unterstützung geben kann. Bislang habe ich ein Merkmal einer guten therapeutischen Beziehung nicht erwähnt, die Bildung einer therapeutischen Allianz. Hier stehen Freiwilligkeit und Vertrauen im Vordergrund. Der Patient begibt sich freiwillig zu dem Therapeuten seines Vertrauens. Ob sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln kann, stellt sich bei einer ambulanten Therapie meist in den ersten fünf probatorischen Sitzungen heraus. Dies ist im Klinikalltag so nicht möglich. Zum einen, weil wir mit Patienten arbeiten, die ihre Behandlung nach § 35 BTMG beginnen und die Therapie lediglich dem JVA – Aufenthalt vorziehen, zum anderen, weil die Kostenträger entgegen dem Wunsch des Patienten eine Behandlung in unserer Einrichtung bewilligen und nicht in der vom Patienten gewünschten Klinik. Nicht jeder Patient hat dann die Offenheit sich auf unsere Einrichtung einzulassen, viele dieser Menschen beginnen die Behandlung voreingenommen. Auch intensive Motivationsarbeit und Einladung kann diese Voreingenommenheit nicht auflösen. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der die Freiwilligkeit einschränkt, der in unserem zu Beginn des Kapitels kurz erwähnten Aufnahmeprozedere liegt. Am Ende der Woche werden die Neuaufnahmen für die kommende Woche verteilt, so dass Therapeut und Patient willkürlich zugeordnet werden. Freiwilligkeit besteht in der Auswahl des Einzeltherapeuten, hier kann der Patient selbst entscheiden, mit welchem Therapeuten er die Einzelgespräche führen möchte. Interventionen: - Kurzkontakte / Smalltalk in den Behandlungspausen (S. 155) - Besuch der Patengruppe (S. 156) - Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung (S. 190) Diagnostik Margraf (2000) beschreibt Diagnose als das „Erkennen spezifischer Symptom- konstellationen an einem Patienten und deren Zuordnung und Benennung zu einer bestimmten diagnostischen Gruppierung ...“ (S. 565). Die Zuordnung erfolgt nach den 31 Klassifikationssystemen des DSM IV oder des ICD 10. In Deutschland wird letzteres am häufigsten als Klassifikationssystem verwendet. Die therapiebezogene Diagnostik dient demgegenüber der Vorbereitung der Behandlung. Dabei wird Verhalten auf den Ebenen sichtbares Verhalten und Motorik erfasst, der sogenannten Alpha – Ebene, auf der Beta – Ebene werden die Gedanken erfasst, auf der Chi – Ebene werden somatische und physiologische Prozesse erfasst (Skript Dr. Schneider 2006, S. 23). Ebert (2000) beschreibt Diagnostik:“... als einen Prozess, der so lange währt, wie das Arbeitsbündnis mit dem Klienten besteht“ (S. 184). Zur Diagnostik gehören die Anamnesen, die je nach Autor unterschiedliche Schwerpunkte haben, aber immer so ausführlich wie möglich sein sollen. Osten (2000) unterteilt die Anamnesen in Status – Anamnesen und biographische Anamnesen. Häufige Hilfsmittel in der Diagnostik sind Fragebögen und Ratingskalen, mit deren Hilfe der Patient Einschätzungen über sich selbst abgeben kann. In unserer Einrichtung wird, wie bereits erwähnt, das BSI (Brief Symptom Inventory) verwendet. Beobachtungen auf der oben genannten Alpha – Ebene, also des sichtbaren Verhaltens und der Motorik, finden während der Kurzkontakte zwischen Patient und Therapeut im Klinikalltag statt. Häufig stimmt das Verhalten im Rahmen der Therapieeinheiten nicht mit dem in der Freizeit gezeigten Verhalten überein. Der Patient kann innerhalb der Gruppentherapie hierauf angesprochen werden, vorausgesetzt, es besteht bereits ein hinreichend belastbares Arbeitsbündnis. Auch in der Gruppentherapie und der Arbeitstherapie zeigen viele Patienten unterschiedliche Verhaltensweisen. Daher ist es wichtig, sich innerhalb des Teams im Rahmen von Fallbesprechungen über den Patienten auszutauschen. Da die Anamnese eine wesentliche Säule der therapeutischen Diagnostik ist, gehe ich hierauf noch einmal genauer ein. Die Anamnese Die griechische Bedeutung des Wortes Anamnese ist die Wiedererinnerung der Seele und stammt aus der Philosophie Platons (Osten 2000). Die ersten Kontakte zwischen Patient und Therapeut beschreibt Osten als die initiale Phase der hoch symbolisierten Interaktionen, die verdichtet erste wesentliche Punkte des Lebenslaufs der Person zeigen (ebenda, S. 18). Begriffe, die in der ersten Phase der Behandlung immer wieder auftauchen, so auch in unserem Behandlungspfad sind Anamnese, Prozessanalyse, Diagnostik und Klassifikation. Die Anamnese steht hier für das Sammeln von Informationen, sowohl aus der Lebensgeschichte der Person, als auch in Form von Beobachtungen und eigenen 32 Empfindungen, beispielsweise der herrschenden Atmosphäre. Die Prozessanalyse umfasst das Bilden von Synopsen (Zusammenschau) und Inferenzen (Schlussfolgerungen). Das Bild, das durch die Datenerhebung in den ersten Einzelsitzungen gewonnen wird, ist kein objektives Bild von Problemzusammenhängen, sondern ein kleiner Ausschnitt, der ein Modell der Person und ihrer Geschichte zeigt und damit eine grobe Struktur der Lebensgeschichte dieses Menschen darstellt. Die hinter den entwickelten Modellen stehenden Strukturen müssen, so der Autor, hypothetisch erschlossen werden und immer wieder auf ihr Zutreffen hin überprüft werden. Schneider (Handout VT 2006) nennt es „von der Information zum Verstehen“. Das Selbst des Therapeuten ist in diesen Prozess mit einbezogen, wodurch die erarbeiteten Hypothesen gefärbt sein können, was ebenfalls eine ständige kritische Überprüfung der erkannten Strukturen und einen kollegialen Austausch notwendig macht. Osten (2000) benennt die verschiedenen Bereiche der biographischen Anamnese, die es aus seiner Sicht abzufragen gilt: Die frühe familiäre Situation, Geburt und Geschwisterfolge. Dazu gehören detaillierte Fragen nach der Wohnung, der Wohnumgebung, der kulturellen und sozialen Eingebundenheit der Familie, aber auch der Atmosphäre in der Familie, der wirtschaftlichen Lage, der Freizeitgestaltung, wer mit wem Kontakt hatte und aktuell noch hat, bzw. die Nichtexistenz von Kontakten. Erfragt werden des weiter die genauen Lebensumstände in den Kinderjahren, Besonderheiten der Kinderjahre, Erinnerungen an psychische Störungen während der Kindheit, Einstellungen der Eltern zu Arbeit, Beruf und Leistung, Erinnerungen an den Schuleintritt, wie und wann die Entscheidung für den Beruf zu Stande kam. Weiter wird die Entwicklung der Geschlechtsidentität erfragt, empfundene Veränderungen in der Pubertät, welche Veränderungen und Entwicklungen sich im Erwachsenenalter ergeben haben. Ebenso werden mögliche Defizite erfasst und auf eine mögliche Pathologisierung hin untersucht. Gibt es Mangelerfahrungen. In welchen Bereichen gab und gibt es protektive Faktoren, die in der Behandlung genutzt werden können? Meist wird in den ersten drei Tagen nach Aufnahme des Patienten eine Sozialanamnese durch den Bezugstherapeuten erhoben. Hier werden zunächst nur die demographischen Daten des Patienten, seiner Ursprungsfamilie und seiner Partner und Kinder erhoben. Je nach Offenheit des Patienten kann bereits zu diesem Zeitpunkt detaillierter nach der Familienatmosphäre, nach der aktuellen Beziehung zu den Eltern, den Großeltern und den Geschwistern gefragt werden. Weitere Anamnesesitzungen folgen in der zweiten Behandlungswoche. Nun werden im Rahmen der Familienanamnese sozio–ökonomische Verhältnisse der Ursprungsfamilie und der aktuellen Lebensbedingung ebenso erfragt, wie 33 das Erziehungsklima, die Familienthemen und -leitsätze, kritische Lebensereignisse und weitere Krankheiten. Die Berufsanamnese des Patienten wird durch die Arbeitstherapeuten erhoben und an die Bezugstherapeuten weitergeleitet. Im Rahmen der ersten Teamvorstellung werden diese Informationen zusammengefasst an das gesamte Team weitergegeben. Zur störungsspezifischen Anamnese gehören auch die Erfassung der Entwicklung des Suchtmittelkonsums und das Erfassen der Delinquenzentwicklung. Da diese Daten meist erst in der zweiten Behandlungswoche erhoben werden, entscheidet sich dann, ob der Patient in den Behandlungspfad für delinquent persönlichkeitsgestörte, Borderline Störungen oder depressive Patienten wechselt. Verhaltensanalyse Aus den Informationen der Familienanamnese, den Testergebnissen von BSI und den Verhaltensbeobachtungen aus der Arbeitstherapie, den Sporteinheiten und den Kurzkontakten entsteht eine erste Verhaltensanalyse. Hier geht es darum, Hypothesen darüber aufzustellen, wie sich die Psyche des Menschen aus der Lebensgeschichte heraus zu dem entwickelt hat, was aktuell erkennbar und von der Person selbst erlebbar ist. Margraf (2000) nennt es ein Erarbeiten eines sogenannten funktionalen Bedingungsmodells des Problemverhaltens aus den vorliegenden diagnostischen Informationen. Beck et al (1997) heben deutlich hervor, dass ein gutes Fallkonzept dem Therapeuten hilft, die Komplexität einer Suchtproblematik zu verstehen. Daher nun die beiden am häufigsten angewendeten Möglichkeiten der Verhaltensanalyse: die Verhaltensanalyse nach dem SORKC – Modell nach Kanfer und die Verhaltensgleichung nach Bartling et al (1992). Unter Verwendung des SORKC - Modells wird das Verhalten eines Menschen nach den folgenden Kriterien aufgeschlüsselt: Situation = in welchen Situationen tritt ein bestimmtes Verhalten auf? Organismus = mit welchen körperlichen Empfindungen reagiert die Person? Reaktion = die konkrete Verhaltensreaktion der Person. Kontingenz= bezeichnet die Regelmäßigkeit des Auftretens der Konsequenz nach der Reaktion. Konsequenz = welche Konsequenz ergab sich für die Person aus diesem Verhalten. Für eine erste Verhaltensanalyse nutzen wir dieses Modell. Für ein detaillierteres Bild setzen wird die Problemanalyse nach Bartling, Echelmeyer, Engberding und Krause (1992) ein, besonders im Zusammenhang mit der Erarbeitung der dysfunktionalen Kognitionen und der Erarbeitung vorhandener Risikosituationen. 34 Bartling et al (1992) sprechen von der Verhaltensgleichung, die eine wesentlich detailliertere Untersuchung des Verhaltens darstellt und folgende Variablen berücksichtig: Stimulus = überdauernde oder akute interne und externe Vorbedingungen und Ergebnisse, z.B. Setting, Situation, Stimmungen, Bedürfnislage, Gedanken. Beispiel: der Betroffene ist alleine in der Wohnung. Wahrnehmungsprozesse = orientieren, Aufnehmen und Kodieren von Informationen. Beispiel: der Betroffene sieht, dass seine Familie nicht zu Hause ist. Innere Verarbeitung = z.B. Interpretation und Bewertung der Situation, Handlungsvorbereitung. Beispiel: er fühlt sich einsam. Verhalten = auf motorischer, emotionaler, kognitiver und physiologischer Ebene. Beispiel: der Betroffene öffnet eine Flasche Wein und beginnt zu trinken. Konsequenz = hier wird unterschieden zwischen kurzfristig vs. langfristig, intern vs. extern, positiven vs. negativen Konsequenzen. Beispiel: kurzfristig fühlt er sich gut, das Einsamkeitsgefühl ist weg, sein Verhalten wird negativ verstärkt. Indem man beispielsweise Konsumsituationen mit Hilfe dieses Modells analysiert, können typische Verhaltensmuster des Betroffenen herausgearbeitet werden, die wichtig für das Verständnis der Suchtentwicklung des Patienten sind und für die weitere Therapieplanung. Für Patient und Therapeut ergeben sich hieraus wichtige Informationen für die Rückfall- prophylaxe, Risikosituationen werden erkannt und daraus können während der Behandlungszeit Vermeidungsstrategien und Verhaltensalternativen entwickelt werden. Gemeinsam mit dem Patienten können an dieser Stelle erste Zielvereinbarungen getroffen werden, aus denen sich dann eine vorläufige Therapieplanung ergibt. Klärung der Nebenkosten Diese Aufgabe gehört eigentlich in den Bereich der Sozialberatung, weswegen der Punkt nicht als einzelne Aufgabe im Behandlungspfad geführt wird, sondern unter dem Punkt „Bemerkungen“ auf der rechten Seite des Behandlungspfades zu finden ist. 35 Die Klärung der Nebenkosten wird in unserer Einrichtung vom Bezugstherapeuten begleitet, falls der Patient hierfür Unterstützung braucht. Aus diesem Grund ist sie auf den Behandlungspfaden der Psychotherapie zu finden. Aufgaben die zu diesem Punkt gehören sind: die Klärung der finanziellen Situation, Antragstellung für Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld, Klärung der Krankenversicherung, Regelung von gerichtlichen Angelegenheiten und eine erste Regulation der Schulden. Der Patient wird dahingehend unterstützt, dass er hier eine Selbstständigkeit entwickelt, die ihm die Sicherheit und Zuversicht gibt, diese Aufgaben zukünftig erfolgreich bewältigen zu können. Die rasche Erledigung dieser Aufgabe in der ersten Behandlungswoche führt zu einem ersten Erfolgserlebnis, durch das die Behandlungsmotivation positiv beeinflusst werden kann. Aufbau und Stabilisierung der Therapiemotivation Besonders in der Anfangsphase der Behandlung ist es wichtig, Motivation zu erzeugen, da aus der Perspektive des Betroffenen die ganze Arbeit noch vor ihm liegt und das alte, bekannte Leben aus der Gewohnheit heraus bequemer zu sein scheint. „ Das Interesse am Thema „Motivation“ beginnt oft mit dem Erstaunen darüber, weshalb Menschen sich nicht verändern“ beginnen Miller und Rollnick 2002 ihre Einführung in die „Motivierende Gesprächsführung“. Der von den Autoren vorgestellte Ansatz zum Aufbau einer Veränderungsmotivation fasst heute in der Behandlung suchtmittelabhängiger Patienten immer mehr Fuß, weswegen ich mich im Bereich der Motivationsarbeit weitgehend auf diese Autoren beziehe. Ich stelle zunächst die fünf Grundprinzipien der Motivierenden Gesprächsführung (MI) vor: Empathie Durch Empathie oder einfühlendes Verstehen und Akzeptanz werden das Selbstwertgefühl und die Selbstakzeptanz des Klienten gestärkt. Daraus kann der Patient für sich leichter zu der Haltung gelangen, tatsächlich etwas verändern zu können. Es gilt hier, das bisher Erlebte des Patienten und seinen Umgang damit zu respektieren und mögliche Rückschritte in der Behandlung nicht als Widerstand zu werten. Widerstand ist im Sinne der MI ein Fehler des Therapeuten, den er durch Empathie aufheben kann, indem er dem Patienten entweder neue Alternativen anbietet oder aber ihn nach seinen eigenen Lösungen fragt, ihn quasi dort abholt, wo er steht. Widersprüche aufzeigen Hierbei werden dem Patienten Widersprüche zwischen seiner aktuellen Lebenssituation und seiner gewünschten Lebenssituation aufgezeigt. Mit diesen Diskrepanzen, wie die Autoren 36 die Widersprüche nennen, soll in der Therapie gearbeitet werden und im Idealfall werden die vorhandenen Diskrepanzen aufgelöst. Je höher die vom Patienten erlebte kognitive Diskrepanz ist, desto größer wird sein Veränderungswunsch, da die mit dem gegenwärtigen Verhalten verbundenen Nachteile bewusster werden. Beweisführung vermeiden Dies ist das dritte wesentliche Prinzip der MI. Durch das Vermeiden von Beweisführung werden mögliche Reaktanzen des Patienten vermieden, da er, wenn der Therapeut sich sehr für eine bestimmte Lösung einsetzt und den Betroffenen davon überzeugen möchte, dieser immer weiter in die Gegenposition gedrängt wird. Erlebt wird vom Patienten häufig eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit. Umgang mit Widerstand Aus der Sicht der Autoren ist der Aufbau von Widerstand beim Patienten ein Therapeutenfehler, häufig wegen der oben beschriebenen Beweisführung. Wichtig ist es dann, die ambivalente Sichtweise des Patienten zu akzeptieren und mit ihm gemeinsam alternative Ideen zu entwickeln. Für den notwendigen Perspektivenwechsel ist die Empathie des Behandelnden unabdingbar. Miller und Rollnick (2004) empfehlen einen spielerischen Umgang mit Widerstand, die Impulse des Patienten positiv zu nutzen. Förderung der Selbstwirksamkeit Die Selbstwirksamkeitserwartung ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Motivation. Ohne die Überzeugung, seine Lebenssituation selbst verändern zu können wird der Patient nur schwer zu einem Veränderungsversuch zu motivieren sein. Aufgabe des Therapeuten ist es, die Selbstwirksamkeit und die Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten zu unterstützen und zu stärken. Wesentliche Strategien des MI sind demzufolge: - aktives Zuhören (S. 148) - Change talk hervorrufen (S. 148) - positive Entwicklungen verstärken / loben - offene Fragen stellen (S. 148) - Zusammenfassen (S. 149) 37 Die Phasen der Veränderungsbereitschaft Die Patienten, die zu uns zur Behandlung kommen, zeigen unterschiedliche Motivationsgrade. Diejenigen, die Therapie statt Strafe gewählt haben, haben oft zunächst lediglich die Motivation, die JVA zu verlassen, was nicht gleichbedeutend ist mit einer stabilen Abstinenzmotivation. Andere kommen aus der Entgiftung und haben sich dort erst entschieden, es jetzt doch einmal mit einer Therapie zu probieren. Diese Patienten sind entweder zunächst misstrauisch, lassen sich aber im Idealfall auf den Prozess ein und gelangen zu einer stabilen Veränderungsmotivation, oder sie sind zunächst zwar hoch aber nicht stabil motiviert. Die Begeisterung für die Therapie gleicht einem Strohfeuer, das nach kurzer Zeit dem therapeutischen Alltag erliegt. Hier ist es schwer, einen Behandlungsabbruch zu verhindern. Eine andere Patientengruppe, häufig schon mit einiger Therapieerfahrung, kommt mit realistischen Erwartungen, weiß worauf sie sich einlässt, hat die negativen Seiten des Konsums und der Delinquenz so intensiv erfahren, dass sie eine gute Veränderungsbereitschaft hat, die lediglich zwischendurch immer mal wieder stabilisiert werden muss. Mit diesen unterschiedlichen Phasen der Veränderungsbereitschaft haben sich bereits Proschaska und DiClemente 1986 beschäftigt. Besteht keinerlei Motivation, das Konsummuster zu verändern, wird Abhängigkeit als Gewohnheit gesehen, die zum Alltag dazu gehört, so sprechen die Autoren von der Precontemplationsphase. Körkel und Schindler (2003) sprechen von einer Absichtslosigkeit, der Rubikon als Grenze zwischen Konsum und Abstinenz wird noch nicht wahrgenommen. Hier können nur Informationen gegeben werden, die unter Umständen dazu führen, dass der Betroffene in die nächste Phase wechselt, in die Contemplationsphase. Hier entsteht eine erste Einsicht darein, dass die Dinge nicht optimal laufen, allerdings ist die Ambivalenz groß, bei der Annäherung an die Veränderung wird das Alte wieder interessant, wendet sich der Betroffene dem Alten zu, sieht er beim Näherkommen wieder dessen Nachteile. Hier gilt es ihm Rahmen von MI Diskrepanzen zu schaffen. Veränderungsstrategien werden in der Entschlussphase (Determination) entwickelt und in der Handlungsphase (Action) umgesetzt. Das neu Erworbene wird nun stabilisiert und weiter ausgebaut, der Betroffene befindet sich in der Phase der Maintenance, der Aufrechterhaltung. Misserfolge und Durststrecken führen zu einer schwankenden Veränderungsmotivation und unter Umständen zu Rückfällen oder einem Relapse. Die vorher beschriebenen Phasen müssen ganz oder teilweise wieder durchlaufen werden (Körkel & Schindler 2003). Wichtig ist es bei der Behandlung von Suchtmittelabhängigen, zu wissen, in welcher Phase der Betroffene sich befindet, um ihm die dazu passende Unterstützung anbieten zu können. Passen die Interventionen nicht zu 38 der Phase, in der der Patient sich gerade befindet, werden die Interventionen ins Leere laufen oder Widerstand hervorrufen. Dabei muss berücksichtig werden, dass es sich bei diesem Phasenmodell nicht um ein starres Modell handelt, sondern dass die einzelnen Phasen mehrfach durchlaufen werden können, Phasen können ausgelassen werden, in anderer Phasen wird immer wieder zurückgekehrt. Die Überprüfung, in welcher Phase der Patient sich befindet sollte aus diesem Grund nicht nur in der ersten Behandlungsphase durchgeführt werden, sondern ist auch während der weiteren Behandlung notwendig (Körkel & Schindler 2003). Indikationsgruppe Orientierungsgruppe Die Maßnahmen zur Behandlungsmotivation ziehen sich durch die gesamte Behandlung und finden im Rahmen der Bezugsgruppen, der Einzelsitzungen und auch bei den Kurzkontakten immer wieder Verwendung. Allerdings haben sie im Rahmen der Orientierungsgruppe noch einmal einen besonderen Schwerpunkt. Diese Gruppe wird in unserer Einrichtung im Rahmen der wöchentlich stattfindenden 90 Minuten dauernden Indikationsgruppen angeboten und ist für die Patienten in den ersten Wochen ihres Aufenthaltes verpflichtend. Je nach Motivationsgrad erfolgt der Wechsel in andere Gruppen auch zu einem späteren Zeitpunkt. Neben Fragen zur Klinikstruktur und zur Therapie allgemein wird die Orientierungsgruppe entsprechend den Phasen Precontemplation und Contemplation gestaltet. So werden mit dem Patienten die Diagnosekriterien der Sucht besprochen. Im Rahmen der Psychoedukation, die im Rahmen der Orientierungsgruppe stattfindet, stellen wir das Modell der Suchttrias vor. Für die Patienten findet hier eine erste Auseinandersetzung mit der eigenen Suchtentwicklung statt. Inhalte der Psychoedukation (Anhang D) - Modell der Suchttrias (S. 194) - Besprechen der Diagnosekriterien (S. 195) - Vierfelderschema bezüglich Drogen und Abstinenz (S. 196) - Erstellen eines Problemkuchens (S. 197) 39 Darstellung des Lebenslaufes und des sozialen Netzes Während der Orientierungsphase stellt der Patient seinen Lebenslauf in der Gruppe vor und sein soziales Netz. Durch die Vorstellung des Lebenslaufes erfahren die Gruppenmitglieder etwas über das Leben des Mitpatienten und der Patient übt, sich gegenüber der Gruppe zu öffnen. Es ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig, alle belastenden Erlebnisse zu erwähnen. Für die Vorstellung des sozialen Netzen bearbeitet der Patient eine Vorlage (S. 198) mit deren Hilfe er sein persönliches soziales Netz direkt vor Augen hat. Der Begriff des „Sozialen Netzes“ kennzeichnet die Menschen im näheren und ferneren Umfeld des Patienten, die ihn entweder unterstützen oder in seiner Weiterentwicklung behindern. Die Personen des sozialen Umfeldes spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Sucht eine wichtige Rolle, aber auch bei der Behandlung und Rückfallprophylaxe (Klein 2001). Dargestellt auf einem Blatt Papier, entsteht zumeist rasch ein guter Überblick darüber, in welchen Lebensbereichen der Patient gut durch sein soziales Umfeld aufgefangen werden kann oder aber wo er nur wenig Unterstützung hat und hier für sich neue Kontakte aufbauen sollte. Häufig neigen Süchtige dazu, ihre Zeit mit solchen Aktivitäten und Personen zu verbringen, die ihre Sucht weiter begünstigen (Beck et al, 1997). Sie meiden sogar Aktivitäten, durch die soziale Interaktionen begünstigt werden, da diese ihrem Drang nach Konsum im Wege stehen. Wir haben uns entschieden, das soziale Netz bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Therapie einzusetzen, da es für die Patienten häufig ein langer Weg ist, sich von ebenfalls drogenkonsumierenden Freunden oder Gruppen zu distanzieren, und sie in der Kontaktaufnahme mit nicht abhängigen Menschen meist sehr unsicher sind und diese lieber meiden. Mit der meist notwendigen Distanzierung von alten Freunden brechen für die Betroffenen ganze Lebensbereiche weg, die nicht von heute auf morgen ersetzt werden können. Meist wird dieser Punkt erneut thematisiert, wenn es um die Beziehungsgestaltung der Patienten geht und um ihre Zukunftsplanung. Die in der Kernphase wichtige Entwicklung von Freizeitaktivitäten soll hier ein Übungsfeld für die Patienten sein, über deren Ergebnisse in den Bezugsgruppen berichtet wird, doch dazu unter Punkt 4.5.2 mehr. Weitere wichtige Fragen sind, wie gehen Patienten mit ihrem noch konsumierenden oder substituierten Partner um? Diese Fragen können nicht als einmaliges Thema bearbeitet werden, sondern ziehen sich wie ein roter Faden durch die Behandlung. Hier entsteht die Frage, wie intensiv die Angehörigen, gleichgültig ob Eltern, Partner oder Kinder, mit in die Behandlung einbezogen werden sollten. 40 Einzelgespräche Einzelgespräche finden im Normalfall im Rhythmus von zwei Wochen statt, was aber je nach aktueller Situation des Patienten flexibel gestaltet werden kann. So finden in Krisensituationen häufiger Einzelgespräche statt, meist dünnen sie zum Behandlungsende hin aus. Hier hat der Patient die Möglichkeit, sich den Psychotherapeuten auszusuchen, mit dem er seine Einzelgespräche führen will. Für Patienten ohne Therapieerfahrung ist es meist leichter, sich zunächst in den Einzelkontakten zu öffnen, und die Themen, die im Einzelgespräch vorbereitet wurden, in der Gruppe weiter zu bearbeiten. Themen wie Missbrauch müssen nicht in der Gruppe besprochen werden, sie werden in Einzelgesprächen bearbeitet. Allerdings möchte ich hier erwähnen, das wir unsere Patienten deutlich darauf hinweisen, dass wir auch in den Einzelgesprächen keine Traumatherapie durchführen, da aus unserer Sicht die doppelte Belastung der Suchtbearbeitung und der Traumabearbeitung für die meisten Patienten eine emotionale Überforderung darstellt, die häufig zum Behandlungsabbruch führen kann oder in einem Rückfall endet. Vorbereitung Eine und Nachbesprechung der Heimfahrten und Rehabilitationsfahrten findet häufig auch im Rahmen der Einzelgespräche statt. Beobachtung des Sozialverhaltens Zu dieser Aufgabe habe ich keine wissenschaftlichen Hintergrundinformationen finden können. Gemeint ist mit dieser Aufgabe, die durch die Mitarbeiter und im Idealfall die Mitpatienten erfüllt wird, dass darauf geachtet wird, wie der Patient sich in die Therapiegemeinschaft einfügt. Bereitet es ihm Mühe, sich in der Gruppe zu äußern, zieht er sich in der Freizeit zurück oder dominiert er vom ersten Tag an die Gruppe. Ist das Verhalten des Patienten in den Therapieeinheiten und in der therapiefreien Zeit identisch oder gibt es Unterschiede? Die Beobachtungen hierzu werden mit dem Patienten in der Gruppe, in der Großgruppe und in den Einzelgesprächen besprochen. Sie fließen ebenfalls mit in die Anamnese ein. Oft ist es das thematisierte beobachtbare Verhalten, was zu einer ersten Auseinandersetzung mit der eigenen Suchtgeschichte führt und den Patienten an Themen heranführt, die er sonst nicht benennen würde. Wichtig ist es, Veränderungen im Verhalten während des gesamten Therapieprozesses zu beobachten. Folgt nach einer Zeit des Voranschreitens ein Rückschritt in alte Verhaltensmuster, wie verändern sich Frisur und Kleidung während des Aufenthaltes. Oft zeichnen sich durch Veränderungen auf diesen Ebenen bereits Krisen ab, die der Betroffene selbst so nicht benennen will oder kann. 41 4.5.2 Behandlungspfad der Kernphase QMVA IV.5 Verantwortung Behandlungspfad Kernphase 9 - 17 Behandlungswoche Aufnahme in die Kernphase Bemerkungen 1 – 24 Bezugstherapeut teilweise Einzeltherapeut, Vorstellung der Suchtanamnese 1 Erarbeiten der Funktonalität der Drogen Auseinandersetz ung mit Selbst-/ Fremdbild 4 Erarbeiten dysfunktionaler Kognitionen Vorstellung des Delinquenzverlaufs 7 Analyse der kriminellen Energie 10 Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe 13 Auseinandersetz ung mit Emotionen 16 Teilnahme an Rückfallprophylaxe Durchführen von Rehafahrten 18 2 Entwicklung von Sinn drogenfreien Lebens 3 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit 6 8 Entwickeln von Zukunftsperspektiven 9 Auseinandersetz ung Beziehungsgestaltung 11 Angehörigen Gespräch 12 Geschlechtsspezfische Themen 14 Auseinandersetz ung mit dem Thema Sexualität 15 Erarbeiten aktiver Freizeitgestaltung Reflexion i. d. Gruppe Die Aufgaben, der Kernphase, deren Erledigung durch die Rehabilitanden erfolgt, werden in den Therapiestandar ds festgehalten und abgezeichnet vom jeweiligen Therapeuten MGU: QMVA IV.5.3 Therapiestandar ds 17 16 QMFB IV.5.7 Indikationsgrupp en Unterschriftenlist e 19 Zielvereinba rungen überprüfen 20 24 Nacharbeit fehlender Themen 22 nein Aufgaben erfüllt?? 21 ja a Wechsel in Abschlussphase 42 Die Kernphase umfasst die 9. – 17. Behandlungswoche. Nachdem der Patient in der Orientierungsphase begonnen hat, sich mit seiner Familiengeschichte auseinander zu setzen, ist nun die Vorstellung der Entwicklung der Suchtgeschichte eine weitere Aufgabe, die die Auseinandersetzung des Patienten mit seiner Lebensgeschichte betrifft. Damit verbunden ist die Auseinandersetzung mit der Funktionalität des Drogenkonsums. Hier wird die Verbindung zwischen Familien- und Lebensgeschichte und der Suchtentwicklung herausgearbeitet. Weitere Aufgaben sind die Überprüfung des Selbstbildes durch Rückmeldungen der Mitarbeiter und Mitpatienten. Ziel ist es, durch die Überprüfung des Selbstbildes und die Erarbeitung dahinter stehender dysfunktionaler Kognitionen Zugang zu bisher nicht zugängliches Ressourcen zu ermöglichen und damit die Selbstwirksamkeit des Patienten zu erhöhen, da sie eine wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Abstinenz darstellt (Miller & Rollnick 2002). Ohne die Zuversicht des Patienten, bezogen auf seine Sucht etwas bewirken zu können und sich neue Problemlösestrategien erarbeiten und diese umsetzen zu können, ist der Rückfall in den Konsum sehr wahrscheinlich. Die Abstinenzzuversicht wächst mit der Gestaltung einer konkreten Zukunft, was nur dann möglich ist, wenn die betroffene Person einen Sinn in einem drogenfreien Leben sieht. Die Sinnfindung und die Zukunftsgestaltung sind häufig ein schwieriger Prozess, der im Laufe der Behandlung immer wieder neu bearbeitet werden muss, da sich durch das Voranschreiten in der Behandlung die Perspektiven des Patienten verändern. Häufig gelingt es erst gegen Ende der Behandlung, dazu konkrete Vorstellungen zu entwickeln, weswegen diese Aufgabe auch in der Abschlussphase noch einmal auftaucht. Eine weitere wesentliche Aufgabe in diesem Behandlungsabschnitt ist die Auseinandersetzung mit der bisher gezeigten Delinquenz. Dabei ist es an dieser Stelle wichtig, zwischen zweierlei delinquentem Verhalten zu unterscheiden: zum einen dass durch den Konsum illegaler Drogen aufgetretene delinquente Verhalten, d.h. Delinquenz, die aus dem Drogenkonsum resultiert, zum anderen das delinquente Verhalten, dass bereits vor der Suchtmittelabhängigkeit aufgetreten ist. Der Drogenkonsum wird in diesem Fall häufig funktionalisiert, um das delinquente Verhalten beeinflussen zu können. In diesem Fall spricht man von einer delinquenten Persönlichkeitsstörung, auf die in Kapitel 5.3 genau eingegangen wird. Die mit der Delinquenz gesammelte Erfahrung, z.B. durch den Verkauf von Drogen schnell große Summen Geldes verdienen zu können, bedarf einer kritischen Auseinandersetzung. Damit verbundene Scham- und Schuldgefühle sollten im Rahmen der Einzel- und Gruppentherapie bearbeitet werden. Wesentliche Frage ist, wie kann ein anderer Umgang mit den aufgetretenen kriminellen Energien gefunden werden. 43 Wie auch in der Orientierungsphase ist die Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe eine Aufgabe, die von dem Therapeutenteam geleistet werden soll. Rückmeldungen zum Sozialverhalten durch Gruppenmitglieder gehören ebenfalls zu dieser Behandlungsaufgabe. In der Gruppe sollte dann eine konstruktive Auseinandersetzung stattfinden. Szenenahes Verhalten kann anzeigen, dass eine erneute Motivation des Patienten notwendig ist. Eine Überprüfung des Tempos in der Bearbeitung der Themen und der begonnen Veränderung kann Klarheit bringen, besonders, wenn sich nach einer Phase positiver Veränderung ein erneutes Hinwenden zum Szeneverhalten zeigt. Wenn die Veränderungen zu rasch erfolgen, tritt eine massive Verunsicherung des Patienten auf, auf die eine Gegenregulation durch Hinwenden zu bislang vertrautem Verhalten folgt. Dann sollte das Bearbeitungstempo in der Behandlung reduziert werden, ein Betrachten und Stabilisieren des Erreichten ist notwendig. Der Drogenkonsum ist häufig Ausdruck einer gestörten Beziehungsgestaltung, die bereits in der Ursprungsfamilie erlernt wurde. Beziehungen im Erwachsenenalter bestanden häufig nur zu ebenfalls Drogenabhängigen. In diesen Beziehungen steht die Droge meist im Vordergrund. Das Aufbauen und Pflegen einer anderen Beziehung ist für langjährig Drogenabhängige daher meist eine Herausforderung, besonders wenn sie in Kindheit und Jugend keine konstruktive Beziehungsgestaltung erlernen konnten. In diesen Themen- komplex gehören auch die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen und Sexualität, die im Rahmen der Indikationsgruppen in der Frauen- und Männergruppe bearbeitet werden und die Auseinandersetzung mit dem eigenen emotionalen Erleben. Immer wieder bilden sich während des Aufenthaltes Paarverbindungen, die von der bisherigen Art der Beziehungsgestaltung geprägt sind und somit einiges Konfliktpotential mit sich bringen. Aus diesem Grund haben wir ein spezielles Prozedere für die Paare entwickelt, bei denen sich die Partner in unserer Einrichtung kennen gelernt haben. Bevor die Möglichkeit eines privaten Rückzugs gegeben wird, ist die Inanspruchnahme von Zweiergesprächen oder Sechsaugengesprächen sinnvoll, in denen die Beziehungsgestaltung der Partner von einem Therapeuten begleitet wird. Sie wird auf bestehende Suchtmuster durchforscht und es werden mögliche Alternativen dazu erarbeitet. Ebenfalls notwendig ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Beziehungsgestaltung in der Bezugsgruppe. Nur ein offener Umgang und eine offene Auseinandersetzung mit der Beziehung führen aus unserer Erfahrung zu einem positiven Behandlungsverlauf. Im letzen Teil der Kernphase sollte der Patient an der Indikationsgruppe Rückfallprophylaxe teilnehmen. Hier geht es ganz konkret um Strategien der Rückfallvermeidung in riskanten Situationen, die es erst einmal herauszufinden gilt. An dieser Stelle kann der Patient auf die erarbeiteten Ergebnisse der Suchtanamnese und der Funktionalität des Drogenkonsums zurückgreifen und diese mit konkreten Verhaltensweisen verknüpfen. 44 Ab der neunten Behandlungswoche kann der Patient, soweit es zum bisherigen Behandlungsverlauf passt, seine Ausgänge alleine wahrnehmen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird von uns erwartet, dass er seine Freizeit aktiv gestaltet, indem er sich beispielsweise in einem Sportverein anmeldet oder sich zur Teilnahme an einem Volkshochschulkurs anmeldet und von dem dort Erlebten berichtet, beispielsweise ob es ihm schwer fällt, mit nicht abhängigen Menschen Kontakt aufzunehmen, wie ist seinem Erleben nach die Reaktion der „Normalen“ auf den Patienten. Hierdurch soll der Patient neben der Kontaktaufnahme üben, seine freie Zeit aktiv zu gestalten und neue Hobbys zu finden, so dass die Zeiten der Langeweile und der Sinnlosigkeit, die häufig zum erneuten Drogenkonsum führen, reduziert werden. Allerdings muss hier auf das rechte Maß geachtet werden, da Patienten häufig dazu neigen, sich Freizeitstress aufzubauen, indem sie viele Aktivitäten planen. Wichtig ist es, hier das Risiko der Rückfälligkeit durch Überforderung zu bearbeiten und eine Ausgewogenheit zwischen Aktivität und Passivität herauszuarbeiten, die zur Zufriedenheit des Patienten führt. Nach einer anfänglichen Phase der euphorischen Aktivität bricht die Bereitschaft zur Teilnahme an Vereinen häufig ein, an dieser Stelle gilt es, mit Motivationsarbeit die Kontinuität zu fördern und so die Basis für ein positives Erlebnis zu schaffen, da jede Art von abgebrochener Aktivität häufig wieder zu Rückschritten führt und selbstwertbehindernde Kognitionen wachruft und die notwendige Selbstwirksamkeit schwächen. Der Punkt der maßvollen Freizeitgestaltung gehört auch in den Bereich des Gesundheitstrainings. Weitere Punkte sind gesunde Ernährung, Bewegung, konstruktiver Umgang mit Stress und das Erkennen und Akzeptieren der eigenen Grenzen. Mit dem Einzelausgang ist die Möglichkeit von Heimfahrten gegeben, die im Rhythmus von zwei Wochen stattfinden können. Diese Zeitvorgabe ist durch den Rentenversicherungsträger gegeben. Die Fahrten werden in der Bezugsgruppe vorbesprochen. Mögliche auftretende Schwierigkeiten werden angesprochen und ein Umgang damit erarbeitet. Nach der Fahrt wird diese vom Patienten reflektiert. Inwieweit konnten im Vorfeld erarbeitete Strategien umgesetzt werden oder wenn dies nicht der Fall war, warum die Umsetzung nicht möglich war. Die besonders bei den ersten Heimfahrten auftretenden Emotionen können für eine weitere Bearbeitung der Beziehungsmuster und der Funktionalität des Drogenkonsums genutzt werden. In der sechzehnten Behandlungswoche spätestens soll dann eine Überprüfung des bisher Erreichten erfolgen. Die in der Orientierungsphase aufgestellte Psychodynamik und die mit dem Patienten gemeinsam vereinbarten Ziele sollen überprüft und gegebenenfalls verändert werden, so dass mögliche Fehlentscheidungen oder falsche Hypothesen von Seiten der Therapeuten nicht mit in die Abschlussphase hinüber genommen werden. 45 Die Aufgaben während der Kernphase • Suchtanamnese und die Funktionalität des Drogenkonsums / Erarbeiten dysfunktionale Kognitionen, • Delinquenzverlauf, Umgang mit kriminellen Energien, • Selbstbild / Fremdbild, Zugang zu Ressourcen und das Erhöhen der Selbstwirksamkeit, • Auseinandersetzung mit dem emotionalen Erleben, • Beziehungsgestaltung, Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen und Sexualität, • Angehörigengespräche, • Rückfallprophylaxe, • Gesundheitstraining, • Aktive Freizeitgestaltung, • Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe. Entwicklung der Suchtgeschichte Ähnlich wie bei der Familienanamnese geht es hier um die genauen Details, die den Patienten in die Sucht geführt haben. Die Informationen dazu werden meist zunächst in Einzelgesprächen erhoben, müssen aber auch in der Bezugsgruppe vorgestellt werden. Die Rückmeldungen und -fragen der Mitpatienten decken häufig weitere Aspekte auf, die unter Umständen im Einzelgespräch nicht aufgetaucht sind. Im Rahmen der Erhebung der Suchtkarriere nennen Schuhler und Vogelsang (2006) und ebenso Beck et al (1997) als wichtige Aspekte folgende: biologisch – medizinische Faktoren, die für den Substanzkonsum wichtig sind; Gefühle, die mit dem Suchtmittelkonsum verbunden sind; wann tritt Verlangen nach Drogen auf; wie hat sich der Drogenkonsum entwickelt, wann wurde eine neue Substanz dazu genommen bzw. eine alte Droge weggelassen; was hat der Patient für suchtspezifische Gedanken, wie werden die Drogen beschafft; welche Gedanken hat der Patient vor dem Konsum, was sind seine erlaubnisgebenden Gedanken, zu welchem Zeitpunkt wird welche Droge in welcher Menge unter Umständen in Verbindung mit welchen weiteren Drogen eingenommen; welches sind die unmittelbaren positiven Folgen der Suchtmitteleinnahme, welches sind die mittel- und langfristigen Konsequenzen des Drogenkonsums, welche Risikosituationen im Sinne von Auslösesituationen gibt es für den Patienten? Fragen, die Schuhler und Vogelsang nicht aufgeführt haben, die aber aus unserer Sicht ebenfalls wichtig sind: wie hat das Umfeld reagiert, als es vom Drogenkonsum des Angehörigen erfahren hat, wie hat sich dadurch der Kontakt verändert, welche emotionalen 46 Verbindungen bestehen heute zu den Angehörigen, wie hat sich der Freundeskreis verändert, gibt es noch drogenfreie Kontakte. Meist wird hier das bereits in der Orientierungsphase dargestellte soziale Netz (S. 198) hinzugezogen. Für den Bezugstherapeuten ist es an dieser Stelle wichtig, die in der Orientierungsphase aufgestellte Verhaltensanalyse noch einmal zu überprüfen, meist ergeben sich hier wichtige Ergänzungen. Funktionalität des Drogenkonsums Zur Auseinandersetzung mit der Suchtgeschichte gehört die Auseinandersetzung mit der Funktionalität des Drogenkonsums. Dies geschieht hier wieder zweigleisig sowohl innerhalb der Einzelgespräche als auch in der Bezugsgruppe, da dysfunktionale Kognitionen, suchtspezifische Gedanken und manchmal auch das Herausarbeiten von Risikosituationen in den Einzelgesprächen besser erarbeitet werden können. Unter der Funktionalität versteht man den Nutzen, den es für den Betroffenen hat, Drogen zu konsumieren. Meist liegt der Nutzen auf der emotionalen und körperlichen Ebene. Heroinabhängige Patienten geben oft an, zum Beginn ihres Konsums intensiv Wärme empfunden zu haben und das Gefühl, dass sie einfach toll sind. Patienten die einen intensiven Speedkonsum hatten, wollten für sich damit erreichen, das sie ein ganzes Wochenende durchfeiern konnten und das einfach toll fanden. Im Sinne der Lerntheorie sind dies positive Verstärker, die dafür verantwortlich sind, dass ein Verhalten weiter fortgesetzt wird. Bei der Sucht bleibt es allerdings nicht dabei. Entsprechend den Diagnosekriterien der Suchtmittelabhängigkeit kommt es nach einer gewissen Zeit zu massiven körperlichen Entzugssymptomen, die eine weitere Drogeneinnahme nach sich ziehen, damit die körperlichen Missempfindungen verschwinden. Aus der positiven Verstärkung wird eine negative, da durch die Drogeneinnahme die negativen Symptome beseitig werden, die heroinabhängigen Patienten reden häufig von „gesund machen“. In diesem Stadium der Abhängigkeit ist der zu Beginn empfundene „Kick“ für den Konsumenten kaum noch erreichbar. Im Folgenden werde ich mich an dem kognitiven Erklärungsmodell der Sucht nach Beck (Beck et al 1997) orientieren. Um die Funktionalität gut zu erfassen, müssen nach diesem Ansatz die suchtspezifischen Grundannahmen und die automatischen Gedanken des Patienten gemeinsam mit ihm herausgearbeitet werden. Die suchtspezifischen Grundannahmen, die erst entstehen, wenn die Person süchtig ist, spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Dranges zu konsumieren. Beispielweise beschreibt ein Patient: “ wenn ich Kokain genommen habe, konnte ich wesentlich mehr leisten. Damit wurde ich den 47 hohen Erwartungen meines Vaters gerecht.“ Grundannahme ist hier, viel leisten zu müssen, um anerkannt zu werden. Diese Erwartung kann besser erfühlt werden durch den Kokainkonsum. Es geht hier um die Wirkungserwartung, die der Patient gegenüber der Droge hat. Diesen suchtspezifischen Grundannahmen liegen Grundüberzeugungen zu Grunde, die sogenannten dysfunktionalen Kognitionen, die sich auf verschiedene Ebenen des menschlichen Erlebens beziehen können. Beispielsweise auf das persönliche Überleben, Erfolg und Freiheit, von den Betroffenen benannt als „ich bin hilflos“, „zu nichts nutze“ etc. Eine weitere Ebene ist die der Stellung innerhalb einer Gruppe. Hier denken Betroffene häufig, „ich werde nicht akzeptiert, wenn ...“. Diese Grundüberzeugungen führen zu negativen Emotionen, die die Person manipulieren möchte. Meist gibt es nicht nur eine Grundüberzeugung für die suchtspezifischen Grundannahmen, sondern mehrere bilden ein Netz aus dysfunktionalen Kognitionen. Beispielsweise könnte die Grundannahme „ich bin hilflos“ zu der suchtspezifischen Grundannahme führen, dass die Person sich durch den Konsum von Heroin sicher und geborgen fühlt. Ist diese Kette aus Grundüberzeugung, negativen Emotionen und suchtspezifischen Grundannahmen einmal in Gang gesetzt, folgt meist die motorische Umsetzung des Konsums, der Betroffene besorgt sich die gewünschte Droge, konsumiert sie und hat damit zunächst einmal einen Ausweg gefunden. Der Unterschied zwischen den Grundüberzeugungen und den suchtspezifischen Grundannahmen liegt darin, dass die Grundüberzeugungen nicht immer präsent sind, wenn die dazugehörenden negativen Emotionen auftreten, wogegen die suchtspezifischen Grundannahmen leichter abrufbar sind. Beck et al (1997) beschreiben die Abfolge, in der diese Grundannahmen abgerufen werden wie folgt: zunächst kommen die antizipatorischen Annahmen, wie z.B. „es wird mir gut gehen“, als nächstes folgen die romantisierenden Erinnerungen, die z.B. sein kann, „ich werde einige Stunden nur ein angenehmes Vergnügen empfinden“. Durch das Verlassen auf die Drogenwirkung entwickeln sich die suchtspezifischen Gedanken, z.B. „ich brauche die Droge, um...“ aus denen sich dann der Drang zu konsumieren entwickelt. Was nun zum Konsum fehlt ist der erlaubnisgebende Gedanke, z.B. „ dieses eine Mal ist es ok“, der dann zur konkreten Handlung des Drogenerwerbs und zum Konsum führt. Ich möchte hier auf die Nähe zur Verhaltensanalyse nach Bartling et al (1992) hinweisen (S. 31). Da ich das Erklärungsmodell von Beck für den Patienten aber griffiger finde, weil es um seine persönlichen Gedanken geht, die er mit dem Konsum und der Abstinenz verbindet, habe ich es an dieser Stelle vorgestellt. Einschränkend muss ich allerdings erwähnen, dass dieses kognitive Modell nach Beck aus meiner Erfahrung nicht mit jedem Patienten bearbeitet werden kann, da es immer wieder Patienten gibt, die nicht über eine ausreichende Reflexionsfähigkeit verfügen, oder aber es mangelt an den notwendigen Sprachkenntnissen, 48 um diesen Weg gehen zu können. Wenn sich ein Patient auf dieses Modell einlassen kann, können seine Grundannahmen mit ihm überprüft werden, Auslösesituationen werden deutlich und es können Strategien erarbeitet werden, die die abstinente Seite stärken, und damit die abstinenzbezogene Selbstwirksamkeit erhöhen. Mögliche Interventionen: - Gedankenstopp (S. 153) - Geleitetes Entdecken (S.154) - Überprüfung dysfunktionaler Kognitionen (S. 163) Delinquenzverlauf, Umgang mit kriminellen Energien Bei suchtmittelabhängigen Patienten entwickelt sich die Delinquenz im Rahmen ihrer Drogenabhängigkeit, sie tritt als Folgeerscheinung der Suchtentwicklung auf. Diese Patienten sagen, dass sie abstinent kein delinquentes Verhalten zeigen, es ist ihnen unangenehm, diese Verhaltensweisen während der Konsumzeiten gezeigt zu haben. Sie haben ein natürliches Scham- und Schuldgefühl, dass ihnen dieses Verhalten untersagt (Vogelsang 2006). Um sich aber dennoch mit diesem Thema auseinander zu setzen, müssen sie die Entwicklung ihres delinquenten Verhaltens im Rahmen des Delinquenzverlaufes in der Bezugsgruppe vorstellen. Dazu gehört neben der Darstellung des eigentlichen Verhaltens auch das Nennen der bisher erfolgten Verhaftungen und der Haftzeiten. Eine Auseinandersetzung mit diesen Verhaltensweisen und den Konsequenzen für die Betroffenen selbst, die Opfer, die Angehörigen und die Gesellschaft wird erwartet. Meist haben die Patienten sich darüber bislang keinerlei Gedanken gemacht. Schuld- und Schamgefühle werden geweckt mit dem Ziel, dem Patienten die negativen Konsequenzen, die er bislang, wie in vielen anderen Bereichen auch, außer Acht gelassen hat, bewusst zu machen. Häufig wird das Handeln mit Drogen auf eigentümliche Weise als nicht delinquentes Verhalten gerechtfertigt, da die Käufer ja selbst entschieden hätten, die Droge erwerben zu wollen. Aus der so verharmlosten Handlung erhält die Kriminalität des Abhängigen eine positive Verstärkung, beispielsweise die Anerkennung in der Szene, eine bessere Lebensqualität, da bestimmte Formen der Beschaffung aufgrund begrenzter finanzieller Mittel nicht notwendig sind (Beck et al 1997). Patienten mit negativem Selbstwertgefühl erhalten eine selbstwertdienliche Anerkennung ihrer Person, da sie die reine Zweckbeziehung der Kunden zu ihnen ummünzen in persönliche Wichtigkeit. Diese scheinbar positiven Konsequenzen machen es auch den nicht delinquent 49 persönlichkeitsgestörten Patienten häufig schwer, sich von der Kriminalität zu distanzieren. Sie haben gelernt, wie rasch große Summen Geldes erworben werden können, ohne sich lange dafür anstrengen zu müssen. Dieses Schnelle, was sie auch bei der Drogenwirkung fasziniert hat, ist eng mit der Suchtmittelabhängigkeit verbunden (ebenda). Aus diesem Grund nimmt der Punkt der Selbstwertstabilisierung in unserer Einrichtung viel Raum ein. Es ist für die Patienten eine wichtige Aufgabe, zu lernen, sich auch dann als wertvoll zu erleben, wenn sie sich die Statussymbole der Gesellschaft nicht leisten können. Mögliche Interventionen: - Auseinandersetzung mit Verstößen gegen das Klinikregelwerk (S.149) - Vorstellung des Delinquenzverlaufes (S. 152) Selbstbild / Fremdbild, Zugang zu Ressourcen und das Erhöhen der Selbstwirksamkeit Selbstbild oder Selbstkonzept umfasst die Gefühle und Kognitionen, die der Mensch sich selbst gegenüber hat. Sie werden erlebt durch die Selbstbeobachtung der eigenen Erlebnisse und Handlungen, aber auch durch die Beurteilung durch andere. Die Beziehung zu anderen spiegelt sich im Fremdbild wider. Es besteht aus den Annahmen darüber, wie andere Menschen uns sehen und bewerten (Dorsch 1994). Wesentliche Anteile des Selbstkonzeptes entwickeln sich in der Kindheit, doch bleibt das Selbst auch im Erwachsenenalter eine „prinzipiell dynamische Größe“ (Potreck – Rose & Jacob, 2008, S. 19). Für die Autorinnen bilden die Selbstakzeptanz, das Selbstvertrauen, die soziale Kompetenz und das soziale Netz die vier Säulen des Selbstwertes. Selbstakzeptanz bedeutet hier eine positive Einstellung zu sich selbst. Selbstvertrauen meint die positive Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und Leistungen. Soziale Kompetenz beinhaltet das Erleben von Kontaktfähigkeit und soziales Netz steht für das Eingebundensein in positive soziale Beziehungen. Selbstwertstarke Personen werden von anderen meist positiv beschrieben und tun dies selbst auch. Menschen mit hohem Selbstwert leiden weniger an psychischen Störungen, fühlen sich attraktiver und kompetenter. Ein positives Selbstwertgefühl ist somit ein Schutzfaktor im Sinne einer „Coping-Ressource“ (ebenda, S. 25), die in Stresssituationen schützen kann. Die Richtung der Kausalzusammenhänge ist dabei allerdings noch nicht geklärt. Ein wesentlicher Faktor, der bislang unerwähnt blieb, ist die Selbstkontrolle. Sie scheint, gemeinsam mit der Selbstregulation, wesentlich für die sozialen und beruflichen Erfolge zu sein. Daraus ergibt sich, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl ihre Selbstkontrolle und ihre Selbstregulation verbessern sollten, um konkrete Erfolge erreichen zu können. 50 Zusätzlich können sie ihr Wohlbefinden steigern, wenn sie sich auch unabhängig von ihren Leistungen positiver bewerten, so die Autorinnen. Ein geringes Selbstwertgefühl ist häufig der Grund und/oder die Ursache der Suchterkrankung. Oft waren bereits die Beziehungserfahrungen der frühen Kindheit nicht selbstwertdienlich, zusätzlich ist das Selbstwertgefühl meist nach langen Jahren des Konsums sehr niedrig und sehr brüchig. Ergebnis ist oft mangelnder Realismus in der Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, der sich entweder in einer starken Überschätzung oder einer starken Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten ausdrückt. Nach Behrendt (1996) kompensieren viele Drogenabhängige diese selbstempfundenen Schwierigkeiten mit dem Gefühl, durch die Drogeneinnahme und die erlebten Erfahrungen etwas Besseres zu sein. Körkel und Schindler (2003) sprechen vom Selbsthass, den Abhängige häufig dann entwickeln, wenn sie nach Abstinenzphasen wieder exzessiv konsumieren und damit für sie selbst der Eindruck entsteht, der Sucht nichts Eigenes entgegen setzen zu können. Dies erleben wir genauso in unserer Einrichtung. Daher ist die Auseinandersetzung mit dem Selbst- und Fremdbild eine wesentliche Aufgabe während der Behandlungszeit. Ziel ist es, Selbst- und Fremdbild realistisch zu überprüfen und dann eine Stabilisierung des Selbstwertgefühles aufzubauen. Weiter scheint es uns wichtig, die Selbstwirksamkeit des Patienten zu verbessern, so dass seine Abstinenzzuversicht zunimmt, damit er sich zutraut, an seiner Situation erfolgreich und dauerhaft etwas verändern zu können, so dass dadurch seine Abstinenzzuversicht wächst. Die Aktivierung persönlicher Ressourcen gilt als ein wesentlicher Faktor beim Schutz gegen Rückfälle (z.B. Körkel & Schindler 2003) und bedeutet eine Aktivierung sozialer Kompetenzen, positiver Gefühle und Erfahrungen und sozialer Netzwerke. Mögliche Interventionen: - Ressourcenaufbau (S. 158) - Ressourcenwaage (S. 158) - Rückmeldungen aus dem handlungsorientierten Bereich (S.160) - Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes (S 161) Beziehungsgestaltung, Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen und Sexualität Das Thema Beziehung ist in der Suchtarbeit wesentlich. Häufig stammen die Abhängigen aus Familien mit gestörten Beziehungsmustern. Die Beziehungen, die sie eingehen haben 51 deutliche Suchtstrukturen, der Partner wird instrumentalisiert, um eigene Defizite auszugleichen und/oder um gute Gefühle zu vermitteln. Dabei werden die Schwierigkeiten des Partners häufig nicht gesehen oder der Patient möchte den anderen aus seiner Not retten, hier sei an die Co-Abhängigkeit erinnert. Minuchin (nach v. Schlippe 1995) beschreibt drei unterschiedliche Beziehungsstrukturen innerhalb einer Familie, die das in der Praxis erlebte fachlich darstellen. Die verstrickte Familie ist stark mit sich selbst beschäftigt, die einzelnen Familienmitglieder stehen sich sehr nah, so dass Distanzen verschwinden und Grenzen verwischt werden, die Autonomie des Einzelnen ist beeinträchtigt. Die größte Angst verursacht hier die Trennung. Eine Störung bei einem der Familienangehörigen destabilisiert das gesamte Familiengefüge. Genau das Gegenteil passiert in isolierten Familien, hier sind die Grenzen sehr starr. Die Kommunikation über diese Grenzen hinweg ist schwierig. Das Zugehörigkeitsgefühl innerhalb dieser Familien ist sehr schwach, es ist schwierig, um Hilfe zu bitten. Hier wird die größte Angst durch Nähe ausgelöst. Störungen eines Familienmitgliedes werden nicht beachtet. Zwischen diesen beiden Extremen sieht Minuchin die gesunde Beziehungsstruktur. Die Grenzen zwischen den Angehörigen sind klar, aber flexibel. Kontakt besteht innerhalb der Familie, ist aber genauso nach außen hin möglich. Innerhalb des Familiensystems hat die Ehe der Eltern eine besondere Rolle, da sie ein Subsystem innerhalb des Systems ist. Hier ist es wichtig, dass die Grenzen der Eltern als Ehepaar eingehalten werden und nicht durch Kinder oder Großeltern aufgeweicht werden. Oftmals kommt es bei Schwierigkeiten in der Ehe zu einer Grenzaufweichung, indem die Kinder im elterlichen Konflikt instrumentalisiert werden, als Triangulation bezeichnet (ebenda). Der aktuellere Begriff des „parenting“ beschreibt diesen Zustand ebenfalls. Meist geht ein Elternteil eine Koalition mit einem Kind ein und versucht sich mit ihm gegen den Ehepartner zu verbünden. Triangulationen werden von den Betroffenen meist geleugnet. Trost (1999) schreibt hierzu, dass eine sichere emotionale Bindung, wie sie in einer Familienstruktur mit klaren Grenzen weitergegeben wird, für Kinder die wichtigste Ressource zur Bewältigung von Unsicherheit, Angst und Stress sind. Der aus der Psychoanalyse stammende Autor sieht die Entwicklung einer Suchterkrankung als eine Störung des Prozesses des Erwachsenwerdens während der Adoleszenz. Dem Jugendlichen gelingt es nicht, die mit der Adoleszenz verbundene Aufgaben der sozialen Integration in die Gesellschaft der Erwachsenen, der Ablösung vom Elternhaus und der Entwicklung eines Rollenbildes für das eigene und das Gegengeschlecht zu lösen. Betrachtet man die Lebensläufe der Patienten, sind klare Familienstrukturen nur sehr selten zu finden. Häufig liegt bei einem Elternteil bereits eine Suchterkrankung vor, so dass die Patienten bereits sehr früh Verantwortung innerhalb der Familie übernommen haben und von dem nichtabhängigen Elternteil als Partnerersatz gesehen wurden. Diese erworbenen 52 Beziehungsstrukturen und die Erfahrungen der Grenzüberschreitung behindern die erfolgreiche Entwicklung eines stabilen Selbstbildes, dass eine wesentliche Voraussetzung für eine gesunde Beziehungsgestaltung ist. Die erlebten Beziehungsmuster werden meist mit solchen Partnern fortgesetzt, die ebenfalls keine stärkenden Beziehungsstrukturen kennen gelernt haben. Um eine zufriedene Beziehung führen zu können, ist es notwendig, eine gute Beziehung zu sich selbst aufgebaut zu haben. Dazu gehört, eine Vorstellung davon zu haben, wie man sich in der eigenen Geschlechterrolle erlebt. Insgesamt finden wir bei den Patienten häufig ein klassisches Rollenverständnis. Die weiblichen Patienten legen häufig, einem alten Rollenverständnis entsprechend, Wert darauf, beschützt und versorgt zu werden (Vogelsang 2006). Den bei den Männern offen dargestellten Machtanspruch drücken sie subtiler aus, indem sie über ihre vordergründigen Schwächen Druck auf den Partner ausüben. Diese unterschiedlichen Strategien gilt es bewusst zu machen, so dass weibliche Patienten aus der Opferrolle heraustreten können und Männer nicht nur als Täter gesehen werden. Erstaunlich ist, wie schnell Beziehungen während einer Langzeittherapie eingegangen werden und dass sie, so schnell wie sie entstanden sind, auch wieder aufgelöst werden. Hierzu schreibt Tretter (2001), dass er die Liebe mit dem Craving vergleicht, dem süchtigen Verlangen und dem damit verbundenen Kontrollverlust. Das Zusammensein mit der geliebten Person hat eine Rauschqualität und eine Trennung von der geliebten Person führt zu dem Verlangen, wieder mit ihr im Kontakt zu sein. Tretter nennt Liebe, ein geistiges Besetztsein von dem geliebten Menschen. Nachteile einer Person werden in der ersten Phase intensiven Verliebtseins nicht gesehen. Das äußere Erscheinungsbild der Person wirke wie berauscht. Für den Verliebten wird die geliebte Person zum Rauschmittel. Auch die Sexualität gleicht einem Rauscherleben beim sexuellen Akt. Der Autor stellt die Frage, ob dieses Streben anders ist als das süchtige Streben nach Alkohol (S. 184). Die Abhängigkeit von Rauschmitteln könnte demnach ein fehlgeleitetes Liebesverhältnis sein. Wir sehen es als wesentliche Aufgabe, gemeinsam mit den Patienten den Zusammenhang zwischen seiner Beziehungsgestaltung und dem möglichen Konsum einer Beziehung und seiner Sucht zu erarbeiten, um die Chance auf eine zufriedenstellende Beziehung zu erhöhen und dies auch im Rahmen der Angehörigengespräche weiterzuführen. Mögliche Interventionen: - Teilnahme an Frauen- und Männergruppe (S. 153) - Betrachten der bisherigen Paarbeziehungen in Gruppen- und Einzeltherapie (S. 156) - Sechs-Augen-Gespräch mit Patienten, die während der Behandlung eine Beziehung beginnen (S. 160) 53 Angehörigengespräche Der Kontakt zu Angehörigen kann für den Patienten sowohl positiv, als auch negativ sein. Beck et al (1997) weist auf die Risiken hin, die mit ebenfalls drogenkonsumierenden Familienangehörigen verbunden sind. Oft bedeutet die Abstinenzentscheidung damit eine Entscheidung gegen den Kontakt zu diesen Familienmitgliedern. Bei abhängigen Partnern steht eine mögliche Trennung im Raum. Aber auch nichtabhängige Angehörige, die den Patienten bereits lange in seiner Sucht begleiten, können durch ihr für Außenstehende verständliches Misstrauen und ihre Wut ein Risiko für die Abstinenzentscheidung des Patienten sein, da eingespielte Verhaltensmuster zwischen den Partnern zu einem Rückfall in alte Muster und später in den Drogenkonsum führen können. Es gibt mehr Angehörige, die in einem süchtigen Umfeld leben, als Süchtige selbst (Klein 2001). Der Autor spricht von der Mitbeteiligung der Partner bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Sucht. Körkel und Schindler (2003) haben in ihrem Rückfalltraining ein ganzes Kapitel dem Angehörigengespräch gewidmet. Themen sind hier die mögliche Rückfälligkeit und der erwartete Umgang der Partner damit, aber auch Befürchtungen und Wünsche der Partner an den süchtigen Partner. Durch die Sucht des Partners habe die Angehörigen häufig viel Verantwortung sowohl für den kranken Partner, als auch für die anderen Familienmitglieder übernommen. Befindet sich der Suchtkranke nun in einer Entwöhnungsbehandlung, erwarten sie, dass er bei seiner Rückkehr den vernachlässigten Pflichten nachkommt und den nichtabhängigen Partner unterstützt. Diese Forderung löst beim Patienten Versagensängste aus, die vor der Rückkehr in die Familie besprochen werden sollten. Kinder Suchtkranker haben ebenso Verantwortung übernehmen müssen oder übernommen und sind häufig verunsichert, wie der Elternteil zukünftig ohne Drogen seine Rolle übernehmen wird und hat gleichzeitig Angst vor der Rückfälligkeit des Elternteils. Andererseits können Schwierigkeiten in der Elternbeziehung das Kind selbst in die Sucht führen. Diese komplexen Verbindungen, sollten im Rahmen der Angehörigengespräche unter Moderation eines Therapeuten bearbeitet werden. Die zukünftige Gestaltung der Familienbeziehung sollte besprochen werden und das emotionale Erleben beider Seiten sollte offen angesprochen werden. Im Idealfall finden mehrere Angehörigengespräche während eines Behandlungsaufenthaltes statt, oftmals ist es aber auch nur ein Gespräch und weitere Auseinandersetzungen finden ohne Therapeut bei Besuchen oder Heimfahrten statt. Ziel ist es, die Angehörigen soweit möglich konsequent in die Behandlung des abhängigen Patienten einzubeziehen und die Themen, die in der Behandlung des Betroffenen relevant sind, auch im Angehörigengespräch zu bearbeiten. 54 Auseinandersetzung mit dem emotionalen Erleben „Unabhängig vom Zeitpunkt des Rückfalls kristallisieren sich immer wieder unangenehme Gefühle unterschiedlichster Qualität und Intensität als wichtigster Faktor des Rückfallgeschehens heraus“ (Körkel & Schindler 2003, S.19). Dazu gehören nach Angabe der Autoren Angstzustände, depressive Verstimmungen oder Depressionen, Gefühle innerer Leere, Verlusterlebnisse, aber auch aufkommende Wahnsymptome oder unangenehme Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Daraus ergibt sich die Aufgabe, besonders im Rahmen der Rückfallprävention, die Patienten zu befähigen, belastendes emotionales Erleben ohne Rauschmittel zu regulieren. Doch zunächst einige theoretische Informationen über den nicht immer eindeutigen Begriff der Emotion. Margraf (2000) definiert den Begriff der Emotion wie folgt: „in der Verhaltenstherapie meist mit Hilfe eines Mehr- oder Dreiebenen-Ansatzes als komplexes Reaktionsmuster aufgefasste Vorgänge, die mit physiologischen, kognitiven und Verhaltensänderungen sowie subjektiven Valenzurteilen (…) einhergehen. Bei starken Emotionen kann es zu zeitweisen Beeinträchtigungen des klaren Denkens und angemessenen Handelns kommen“ (S. 570). Im Unterschied zum Gefühlsbegriff schließt die Emotion auch den körperlichen Zustand und die Verhaltensebene der Person mit ein. Das Gefühl macht lediglich einen Teil der Emotionen aus (Schmidt-Atzert 1996). Emotionen sind nicht alleine auf äußere Ereignisse zurück zu führen, sie hängen auch vom momentanen Zustand und von zeitlich überdauernden Personenmerkmalen ab. Die durch eine Situation ausgelösten Veränderungen laufen nicht synchron auf den verschiedenen Ebenen ab. Der Autor bezieht sich unter anderem auf Ausführungen von Schachter und Singer (1962), die davon ausgehen, dass die physiologische Erregung nur für den Aspekt der erlebten Intensität verantwortlich sein kann. Ob ein Mensch Angst, Freude oder eine andere Emotion erlebt, ergibt sich aus der Wahrnehmung und kognitiven Verarbeitung der Situation. Der Mensch sucht demnach nach einer Erklärung für eine durch ein Ereignis ausgelöste unspezifische physiologische Reaktion. Die Erklärung liefert die Situation. Ein Geschenk löst beispielsweise Freude aus, der Anblick einer Schlange löst vermutlich eher Angst aus. Zur Neuroanatomie der Emotionen sei an dieser Stelle nur soviel gesagt, dass man heute weiß, dass Strukturen des limbischen Systems maßgeblich an der Bildung von Emotionen beteiligt sind, besonders die Amygdala, auch Mandelkern genannt. Weiter spielen Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin u.a. eine wesentliche Rolle bei der Bildung von Emotionen (Birbaumer & Schmidt 1996). Sie werden durch die Einnahme von Drogen ebenfalls manipuliert, so dass die Patienten lernen, durch die Drogeneinnahme positive Emotionen stimulieren zu können, besonders wenn sie in ihrer Alltagssituation negative 55 Emotionen erleben, woraus sich das zu Beginn von Körkel und Schindler beschriebenen erhöhte Rückfallrisiko bei negativem emotionalen Erleben ergibt. Mit dem emotionalen Erleben setzen sich die Patienten im Rahmen der Einzel- und Gruppentherapie auseinander. Das Thema Emotionen wird besonders in der Indikationsgruppe „Emotionen“ behandelt. Die Inhalte des Emotionstraining werden im Kapitel Trainingsprogramme (S. 160) vorgestellt. Aber auch in der Rückfallprophylaxe wird der Themenkomplex „Emotionen“ bearbeitet. Mögliche Interventionen: - Emotionstagebuch (S. 152) - Emotionstraining (S. 166) Rückfallprophylaxe Der Rückfall ist ein häufiges Ereignis während und nach der Behandlung von Abhängigen, stellt Margraf (2000) fest. Körkel und Schindler (2003) schreiben: „nach sozial-kognitivem Rückfalldenken ist erneuter Alkoholkonsum der statistisch erwartbare Normalfall, auf den man sich realistischerweise einstellen sollte“ (S. 31). Margraf (2000) schreibt, dass rund zwei Jahre nach der Behandlung 70 % der Patienten mit einer Heroinabhängigkeit rückfällig geworden sind. Die Haltung gegenüber Rückfällen ist in der deutschen Suchthilfe nicht einheitlich, tendiert aber vermehrt in die Richtung, das stationäre Langzeitentwöhnungen mit rückfälligen Patienten weiterarbeiten und nicht sofort die Behandlung beenden. Dies ist auch die Haltung der Fachklinik Liblar. Marlatt und Gordon (1985) haben ein kognitives Rückfallmodell vorgestellt. Die Autoren gehen davon aus, dass ein Rückfall eine längere Vorlaufzeit hat, in der sich auf der Verhaltensebene bereits Hinweise auf die Rückfälligkeit zeigen. Als begünstigende Faktoren eines Rückfalls werden immer wieder kritische Lebenssituationen, Konfrontation mit Risikosituationen und das Fehlen konstruktiver Bewältigungsstrategien genannt. Durch die Risikosituation werden suchtspezifische Grundannahmen aktiviert, wie z.B. „ohne Drogen ist das Leben langweilig“. Den Grundannahmen folgen die automatischen Gedanken, hier als mögliches Beispiel:“es ist Zeit, es sich gut gehen zu lassen“. Mit diesen Gedanken verbunden ist der Drang oder das Verlangen, Suchtmittel zu konsumieren, die Gedanken werden zum internalen Auslöser, die durch erlaubnisgebende Gedanken wie „einmal kann ich ja konsumieren“ mit zunehmender Wahrscheinlichkeit zur konkreten Handlung führen, der Abhängige besorgt sich das Suchtmittel und konsumiert (dazu auch S.43, dysfunktionale Kognitionen). Ist es zum ersten Konsum gekommen, spricht man heute vom Ausrutscher oder „lapse“ im Englischen. Dieser Vorfall kann zum Auslöser weiteren Konsums werden, wenn nun selbstkritische 56 automatische Gedanken ausgelöst werden, wie:“ich werde es niemals schaffen, abstinent zu sein“. Diese können dann zu einer Fortsetzung des Konsumverhaltens führen, der Abhängige ist in seinem Suchtverhalten gefangen (Beck et al 1997). Für die therapeutische Arbeit bedeutet das eine intensive Auseinandersetzung mit möglichen Risikosituationen des Patienten und der Aufbau einer möglichst stabilen Selbstwirksamkeit und Abstinenzzuversicht. Das Herausarbeiten der Risikosituationen sollte mit viel Sorgfalt betrieben werden, denn je länger ein Patient konsumiert hat, desto mehr Risikosituationen gibt es für ihn. Hinter den Risikosituationen stehen verschiedene gedankliche Muster, die ihm im Laufe seines Therapieaufenthaltes klar werden sollten. Als kritische Zeit nach einer Entwöhnungsbehandlung gelten die ersten drei Monate (Körkel & Schindler 2003). Hier werden die meisten Abhängigen rückfällig 40% (Angaben für Alkoholiker). In den weiteren drei Monaten werden nochmal 10 % rückfällig und in den folgenden sechs Monaten kommt es bei weiteren 10 % der Patienten zur Abstinenzverletzung, so dass innerhalb des ersten Jahres 60 % der Betroffenen erneut rückfällig geworden sind. Patienten, die diese Zeit überstanden haben, haben gute Aussichten, längerfristig abstinent zu bleiben. Diese Zahlen zeigen die Notwendigkeit einer Rückfallprophylaxe während und nach der Behandlung, besonders zu den Zeiten des Übergangs, beispielsweise von der stationären Behandlung zurück in das alte Umfeld. Mögliche Interventionen: - Gedankenstopp (S. 153) - Geleitetes Entdecken (S. 154) - Rückfallprozedere (S. 159) - Erarbeiten und Überprüfen dysfunktionaler Kognitionen (S. 163) - Rückfallprophylaxe (S. 178) Gesundheitsinformation Die Suchtmittelabhängigkeit hat für den Betroffenen vielfältige medizinische Folgen, selbst wenn er den Konsum einstellt (Beck et al 1997). Bei Heroinabhängigen mit intravenösem Konsum liegen meist erhebliche Gefäßprobleme vor, die Leber ist geschädigt durch Alkoholkonsum oder eine der möglichen Hepatitisformen. Andere Infektionserkrankungen wie AIDS stellen ein weiteres Risiko dar. Herzerkrankungen und Kreislaufprobleme können Folge des Drogenkonsums sein, zusätzlich Konzentrations- und Gedächtnisstörungen (Tretter 2001). Die meisten Patienten, die in unserer Einrichtung ihre Behandlung beginnen, liegen mit ihrem Gewicht unterhalb des Normalgewichtes. Für viele weibliche Patienten ist die Gewichtszunahme während der Behandlung ein großes Problem. Die mit dem 57 Untergewicht verbundenen Störungen wie Amenorröh nehmen sie häufig in Kauf, um dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Allerdings stabilisiert sich durch die regelmäßige Nahrungsaufnahme während einer Langzeitentwöhnung der Hormonhaushalt wieder. Aus diesen Gründen finden in regelmäßigen Abständen Großplenen statt, in denen Mediziner über die Themenschwerpunkte Hepatitis, Geschlechtskrankheiten, AIDS, Herz-Kreislaufbeschwerden und gesunde Bewegungsabläufe und gesunde Ernährung informieren. Ich habe diesen Punkt trotzdem hier aufgenommen, da die Auseinandersetzung mit einer gesunden Lebensweise auch in der Gruppen- und Einzeltherapie immer wieder statt findet. Aktive Freizeitgestaltung Dieser Punkt deckt sich teilweise mit der Sitzung 8 der Rückfallprophylaxe S. 178. Trotzdem möchte ich an der Stelle auch noch einmal darauf eingehen. Die Drogensucht hat meist den gesamten Tag des Patienten strukturiert und alle Kraft und Zeit in Anspruch genommen, so dass für andere Aktivitäten keine Kapazitäten mehr frei waren. Fällt dieser strukturgebende Faktor weg, bleibt viel Zeit übrig, die der Patient gestalten muss. Patienten mit Therapieerfahrung und Rückfallerfahrung wissen, dass Berufstätigkeit alleine die Lücke, die der fehlende Konsum hinterlässt, nicht füllen kann. „Vor allem ein Ungleichgewicht zwischen täglichen Verpflichtungen (…) und Regenerationsmöglichkeiten (…) trägt zu einem unausgewogenen Lebensstil bei (…). Wenn dem Belastungspegel langfristig nichts an angenehmen Dingen entgegengesetzt wird, erhöht sich die Bereitschaft, sich durch Alkoholkonsum Erleichterung zu verschaffen“ (Körkel & Schindler 2003, S. 307). Besonders die Abende und Wochenenden werden häufig als langweilig und somit negativ erlebt und immer wieder als einen der Rückfallgründe angeben, wenn es auch meist nicht der ausschlaggebende Grund ist. Das ist einer der Gründe, weswegen in der Klinik der Einzelausgang mit der Aufgabe verbunden ist, sich in einem Sport- oder Freizeitverein anzumelden und diesen regelmäßig zu besuchen. Durch die Koppelung an die Möglichkeit, die Klinik alleine zu verlassen, wird der Anreiz erhöht, sich hier tatsächlich zu engagieren, da sonst die Möglichkeit des Einzelausgangs wegfällt. Ziel soll es somit auch sein, drogenfreie Kontakte zu knüpfen, was für viele Drogenabhängige eine Herausforderung ist, da sie davon ausgehen, dass Nichtabhängige ihnen mit vielen Vorurteilen begegnen und sie ablehnen werden. Insofern ist es auch eine positive Erfahrung für das meist negative Selbstwertgefühl des Patienten, wenn er tatsächlich Anschluss in einem örtlichen Verein findet und erleben, dass er, wenn er auf die Drogeneinnahme verzichten, wieder anerkannt wird. 58 4.5.3 Behandlungspfad der Abschlussphase QMVA IV. 5. 3 Behandlungspfad Abschlussphase 18. – 26.Behandlungswoche Aufnahme in die Abschlussphase Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe Verantwortung 1 Bemerkungen 1 - 18 Bezugstherapeut Einzeltherapeut 2 QMFB IV 5 7 Indikationsgruppen Unterschriftenliste Teilnahme an der Rückfallprophylaxe 2 Krisenbewältig. Stressmanagem. / Notfallheft Ausgewogenheit v. Selbst- u. Gem. schaftsverantwortung 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit Nachsorgeplanung Adaption / BeWo Durchführung von Rehafahrten/ Heimfahrten 7 10 3 Besuch einer Selbsthilfegruppe 4 6 8 Erarbeiten von Berufsperspektiven Erarbeitung von Zukunftsperspektiven 9 10 QMFB IV.10.3 Rehafahrtscheine 11 Reflexion i. Einzel. /Gruppe 12 QMFB IV.5.5 SGELaufzettel_Freizeit gestaltung Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung 12 13 Abschied aktiv gestalten 14 QMFB IV.11.3 Patientenfragebog en Abschlussdiagnostik 14 Psychologischer Test: BSI 15 Zielvereinbarun gen überprüfen 16 Nacharbeit fehlender Themen 17 nein Aufgaben erfüllt?? ja Entlassung 18 59 Die letzte Phase der Behandlung dauert von der 18. bis zur 26. Behandlungswoche. Hier liegt der Schwerpunkt in der guten Vorbereitung auf die Zeit nach der Therapie. Die in der Kernphase begonnene Rückfallprophylaxe soll hier zu Ende geführt werden. Gleichzeitig ist es Pflicht für alle Patienten, während ihres Aufenthaltes wenigstens einmal eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Wir begrüßen es, wenn sich ein Patient verschiedene Selbsthilfegruppen anschaut, um Unterschiede in der Arbeitsweise zu erleben und um zu verhindern, dass er im Falle des Missfallens einer Gruppe das gesamte Selbsthilfekonzept ablehnt. Es ist für die Patienten eine wichtige Übung zur Frustrationstoleranz, wenn sie erleben, dass etwas nicht schlecht ist, nur weil beim ersten Versuch nicht alles optimal war. Es geht in der letzten Behandlungsphase weiter darum, Strategien zur Krisenbewältigung zu entwickeln und das bisherige Stressmanagement zu verbessern. Da zwei Drittel der Behandlung bereits hinter dem Patienten liegen, sollte er vermehrt Verantwortung in der Großgruppe übernehmen, ohne seine eigenen Aufgaben aus dem Blick zu verlieren. Dies ist für viele Patienten schwierig, da sie entweder sehr stark in der Großgruppe engagiert sind und dies zur Vernachlässigung ihrer eigenen Pflichten führt, oder aber sie zeigen nur wenig Engagement für die Großgruppe mit der Begründung, sie müssten sich jetzt um ihre Nachsorge kümmern. Bei der Planung der Nachsorge, also ob sich jemand für eine Adaption, ein betreutes Wohnen oder eine ambulante Nachsorge im Anschluss an die stationäre Behandlung entscheidet, geht es wieder um die Entwicklung konkreter Zukunftsperspektiven und der Abklärung der beruflichen Perspektive. Diese Aufgaben werden dem Patienten umso besser gelingen, je höher seine Selbstwirksamkeit ist. Unter Umständen muss hier noch einmal nachgearbeitet werden, sowohl in den Einzelgesprächen, als auch in der Gruppentherapie. Patienten werden oft während der Kernphase wesentlich sicherer, ihr Zutrauen in die eigene Abstinenzfähigkeit steigt, sie sind stolz darauf, über einen längeren Zeitraum keine Drogen mehr konsumiert zu haben, die körperlichen Beschwerden durch den oft langjährigen Konsum und den Entzug haben sich verbessert, die Leistungsfähigkeit im psychischen und physischen Bereich ist erhöht. Schreitet die Behandlungszeit weiter fort und sehen die Patienten die Umsetzung des Gelernten auf sich zukommen, sinkt die Zuversicht wieder, alles Erreichte wird in Frage gestellt und die Vertrautheit des alten Umfeldes lockt wieder ins alt bekannte Fahrwasser. Eine Stabilisierung der Selbstwirksamkeit durch die Würdigung des bisher Erreichten und eine konkrete Planung, um die mit der Veränderung verbundene Angst vor dem Neuen zu reduzieren, ist jetzt unbedingt notwendig. An dieser Stelle bieten auch externe Belastungserprobungen in Form von Heimfahrten oder Rehabilitationsfahrten die Möglichkeit der Überprüfung. Auch in dieser Phase ist, wie auch in der Kernphase, weiterhin die aktive Freizeitgestaltung ein wichtiges Aufgabenfeld für die Patienten, gerade jetzt ist sie wichtig, damit sie die 60 Fortsetzung von Freizeitaktivitäten in Zeiten üben, die sie als emotional belastet erleben, denn häufig ist ein Anzeichen für beginnende Rückfälligkeit das Vernachlässigen von positiven Aktivitäten und ein Zurückgleiten in passive Verhaltensmuster (Körkel &Schindler 2003). Obwohl zu Behandlungsbeginn für viele Patienten die Behandlungsdauer von 26 Wochen schier endlos zu sein scheint, stellen sie in der 20. Woche fest, dass alles doch sehr schnell gegangen ist. Aus der Lebensgeschichte vieler Patienten heraus ist Abschied nehmen von etwas, was sie meist mit unangenehmen Erfahrungen verbinden, daher ist der Impuls meist groß, den Abschied nicht vorzubereiten und am letzen Tag einfach zu gehen. Uns ist wichtig, dass dies nicht geschieht, sondern dass der Patient seine Behandlung noch einmal im Rahmen der Gruppentherapie reflektiert und einen Abschied mit ihm nahestehenden Patienten gestaltet, bevor er in die nächste Phase seiner Abstinenzentwicklung wechselt. Circa vier Wochen vor Behandlungsende wird gemeinsam mit dem Patienten überprüft, inwieweit die vereinbarten Ziele erreicht wurden, an welchen Punkten nach nachgearbeitet werden muss und was als Aufgabe mit in die nächste Behandlungsphase, die Adaption oder Nachsorge genommen wird und dort weiter bearbeitet werden sollte. In der letzen Behandlungswoche findet die Abschlussdiagnostik statt. Der Patient füllt noch einmal den BSI aus und den Fragebogen zur Klinikbewertung (Anhang D, S. 199), in dem er seinen Aufenthalt in unserer Einrichtung bewerten kann. Die Aufgaben der Abschlussphase sind somit: • Rückfallprophylaxe / Besuch einer Selbthilfegruppe • Stressmanagement zur Krisenbewältigung • Ausgewogenheit von Selbst- und Gemeinschaftsverantwortung • Planung der Nachsorge • Entwickeln einer beruflichen Perspektive • Gegebenenfalls Verbesserung der Selbstwirksamkeit • Externe Belastungserprobung • Aktive Freizeitgestaltung • Gestalten des Abschieds Rückfallprophylaxe / Besuch einer Selbsthilfegruppe Für die Rückfallprophylaxe verweise ich auf die Ausführungen der Kernphase S. 56. Zum Besuch der Selbsthilfegruppen sagen verschiedene Autoren immer wieder, dass für die Aufrechterhaltung der Abstinenz der regelmäßigen Besuch einer Selbsthilfegruppe ein 61 wesentlicher Faktor ist (Zeitler 2001, Körkel & Schindler 2003, Lindenmeyer 2005). Körkel und Schindler (2003) zitieren eine Untersuchung von Montgomery et al (1995) die zeigt, dass die aktive Auseinandersetzung mit dem 12-Punkte- Programm der Anonymen Alkoholiker bei Betroffenen zu einem reduzierten Trinkverhalten oder zur Abstinenz führte (S.451). Ein wesentlicher Vorteil sei der Gruppenkontakt im Falle des erneuten Trinkens. Die Gruppe werde in diesen Situationen als sehr hilfreich erlebt, da sie den Betroffenen besser unterstützen könne als Angehörige, die, wenn sie überhaupt von dem Rückfall wissen, oft hilflos oder vorwurfsvoll reagieren. Wichtig ist allerdings, dass der Betroffene sich in der Gruppe wohl fühlt und zu den Teilnehmern ein vertrauensvoller Kontakt besteht. Als einige Charakteristika einer guten Selbsthilfegruppe seien hier erwähnt: die Art der Gruppenleitung, Verschwiegenheit nach außen, freundliche Aufnahme in der Gruppe, freundlicher Umgang der Teilnehmer miteinander, die Gruppenstruktur, die Zusammensetzung der Teilnehmer, ein günstiger zeitlicher Rahmen, und auch gemeinsame Freizeitaktivitäten (Körkel & Schindler 2003). Der Besuch einer Selbsthilfegruppe während des Aufenthaltes in unserer Klinik geschieht meist gemeinsam mit anderen Patienten. Viele besuchen die Narcotics Anonymous in Köln oder die Selbsthilfegruppe Keup, die von zwei ehemaligen Patienten der Einrichtung gegründet wurde und deren Arbeitsweise der unserer Klink ähnlich ist. Dies finden manche Patienten positiv, es ist etwas Vertrautes, viele freuen sich aber auch, ein anderes Konzept kennen zu lernen. Oft wird die erste Angst vor dem Besuch der Selbsthilfegruppe dadurch reduziert, dass sich die NAs in großen, aber regelmäßigen Abständen in unserer Einrichtung vorstellen. Stressmanagement zur Krisenbewältigung Der bevorstehende Wechsel aus der stationären Langzeittherapie in die Nachsorgeeinrichtung oder zurück in die alte Umgebung löst bei vielen Patienten Stress aus, der ein mögliches Rückfallrisiko darstellt. Die Stressforschung hat gezeigt, dass neuroendokrine und vegetative Stressreaktionen dann ein besonderes Risiko darstellen, wenn sie über einen längeren Zeitraum andauern (Kaluza 2005). Dabei wird der Stress im Wesentlichen durch die subjektive Bewertung des Betroffenen ausgelöst und durch die Strategien, die er anwendet, um den Stress zu bewältigen. Der Autor unterscheidet zwischen einem instrumentellen Stressmanagement, bei dem das Ziel die Reduzierung der Stressoren ist, dem kognitiven Stressmanagement, das die kognitive Bewertung überprüft, und dem palliativ regenerativen Stressmanagement, also der Entspannung und Regeneration in und im Anschluss an Stressphasen. 62 Als Interventionsmethoden nennt Kaluza psychophysiologische Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelrelaxation, Methoden der kognitiven Umstrukturierung, die Vermittlung von Selbstmanagementkompetenzen, das Training von selbstbehauptendem Verhalten und von sozial-kommunikativen Kompetenzen. Rief (2000) spricht von Maßnahmen zur psychischen Stabilisierung, die die Lebensqualität verbessern und die Risikofaktoren reduzieren sollen, um dadurch die Gefahr eines Rückfalls zu minimieren. Er empfiehlt ein Emotionstraining, ein Kommunikationstraining, Übungen zur Stressreduktion und Steigerung des körperlichen Wohlbefindens. Körkel und Schindler (2003) empfehlen zur Stressbewältigung besonders Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Meditation. Jetzt heißt das Kapitel allerdings Stressmanagement zur Krisenbewältigung. Das Ende der Behandlung, dass ja bereits am Aufnahmetag feststeht, wenn nichts Besonderes dazwischen kommt, kann an sich ja nicht als Krise gesehen werden, da die sich nach dem Duden (1982) als Wende- oder Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung definiert und so sollte man eine Therapie ja eigentlich nicht beschreiben. Als Krise erleben die Patienten beispielsweise eher den Verlust des Arbeitsplatzes, Wohnungsverlust, Beziehungsverlust (Beck et al 1997). Trotzdem trifft ein Quäntchen von jedem der genannten Beispiele auf das Ende der Behandlung zu, da nun wieder neue Aufgaben auf die Patienten zukommen, sie wechseln in ein anderes Umfeld und geknüpfte Kontakte werden durch räumliche Distanz getrennt. Der hier liegende Unterschied zwischen Stress und Krise ist ein wesentlicher, den der Patient lernen muss. Nach dem Stressmodell von Margraf und Schneider (1990) können die Ausprägungen der Anspannung als hoch und niedrig beschrieben werden. Ist die allgemeine Anspannung niedrig, kann mit den alltäglichen Stressoren gut umgegangen werden, auch wenn größere Belastungen auftreten, kann die Person noch ein Gefühl von Kontrolle haben. Liegt eine hohe allgemeine Anspannung vor, können bereits alltägliche Stressoren zu einem Stresserleben führen, wodurch die Schwelle überschritten wird, ab der die Person ein Problemverhalten zeigt. Es soll deutlich werden, dass Stress auch durch alltägliche kleine Probleme ausgelöst werden kann, wenn die allgemein erlebte Belastung hoch ist. Häufig schaffen Drogenabhängige es sehr gut, anstehende Aufgaben zu verdrängen und damit einen möglichen Stressor zu schaffen, der sie dann unter Umständen in eine Krise führen kann. Und hier kann dann ein Teufelskreis entstehen, da Krisen häufig in den Rückfall führen und dieser wiederum die Krise verstärkt (ebenda). Wir bieten aktuell noch kein Stressmanagement im Sinne eines kompakten Trainings an, eine Auseinandersetzung findet während der Gruppentherapie und in den Einzelgesprächen statt. Die Auseinandersetzung mit dysfunktionalen Kognitionen ist eine wesentliche Aufgabe in der 63 Kernphase der Behandlung und begegnet dem Patienten erneut in der Rückfallprophylaxe, die sich in die Abschlussphase erstreckt. Ebenfalls in der Kernphase und in der Abschlussphase besucht der Patient einen Sportverein oder einen Verein seiner Wahl und übt damit eine aktive Freizeitgestaltung, die einen positiven Ausgleich für den Behandlungstag darstellt. Andere hier angesprochene Interventionen bieten wir im Rahmen der einmal wöchentlich stattfindenden Indikationsgruppen an. Hierzu gehören: - Progressive Muskelrelaxation (S. 157) - Emotionsregulationstraining (S. 166) - Genusstraining (S. 170) Ausgewogenheit von Selbst- und Gemeinschaftsverantwortung Zu dieser Aufgabe habe ich in der Literatur nichts finden können. Es geht aus unserer Sicht darum, dass die Patienten entweder zu viel Verantwortung in der Gemeinschaft übernehmen, so wie sie es häufig in ihren Ursprungsfamilien bereits gemacht haben, oder aber jede Verantwortung weit von sich weisen, da sie es nicht gelernt haben, für sich selbst und ihr Handeln Verantwortung übernehmen zu müssen. So spielt hier die jeweilige Familiengeschichte des Patienten eine wesentliche Rolle. Wichtig ist es bei dieser Aufgabe, dass der Patient als Teil einer Gemeinschaft lernt, dass er sowohl Verantwortung für sich übernehmen soll und sich beispielsweise um seine Nachsorge kümmern muss, dass er aber auch eine Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft hat und dieser auch in Zeiten persönlichen Stresses nachkommen muss. Hierbei braucht er die Unterstützung durch die Bezugstherapeuten und die Mitpatienten. Durch Rückmeldungen wird ihm gezeigt, inwieweit die „Verantwortungswaage“ sich im Gleichgewicht befindet. Planung der Nachsorge Es sei eine allgemeine Lebenserfahrung, dass der Mensch in der Regel ca. ein Jahr benötige, um ihm wichtige Lebensgewohnheiten derart umstellen zu können, dass sich sein Leben wieder vollkommen normalisiere und ihm die Veränderung zur zweiten Natur geworden sei, schreibt Lindenmeyer (2005). Alleine aus diesem Grund ist die Nachsorgebehandlung im Anschluss an die stationäre Entwöhnungsbehandlung notwendig, abgesehen davon, dass die wenigsten Patienten während ihres Aufenthaltes alle anstehenden Themen ausreichend bearbeitet können. Immerhin geschehen die meisten Rückfälle innerhalb der ersten drei Monate. Wir gehen von einer Rekonvaleszensphase von mehreren Jahren aus, ohne dass dies wissenschaftlich belegt ist. Wissenschaftlich belegt ist durch Rückfallstudien, dass Patienten, die in den ersten beiden Jahren nicht rückfällig geworden sind ein deutlich reduziertes Rückfallrisiko haben (z.B. Margraf 2000). Wir 64 empfehlen allen Patienten, soviel Unterstützung wie möglich in Anspruch zu nehmen, um Rückfälligkeit zu vermeiden. Das deutsche Suchthilfesystem bietet ein breit gefächertes Nachsorgeangebote an. Für arbeitslose Abhängige besteht die Möglichkeit, eine Adaptionsbehandlung anzuschließen, die zwischen 13 und 16 Wochen dauert. Daran kann ein betreutes Wohnen angeschlossen werden, das bis zu zwei Jahre dauern kann, je nachdem wie viel Unterstützung der Patient braucht und haben möchte. Daran kann sich eine ambulante Nachsorge anschließen, die häufig über Drogenberatungsstellen, Suchtambulanzen, Selbsthilfegruppen, Psychologen und Psychotherapeuten angeboten wird. Viele Patienten begeben sich während des Betreuten Wohnens gleichzeitig in eine ambulante Psychotherapie, um weiterhin auch therapeutische Unterstützung bei der Entwicklung einer stabilen Abstinenz zu haben. Die meisten unserer Patienten sind durch den langjährigen Drogenkonsum arbeitslos geworden. Viele haben in den letzen zwei und mehr Jahren nicht mehr regelmäßig gearbeitet. Für sie ist der Wiedereinstieg ins Berufsleben mit Versagensängsten verbunden. Aus diesem Grund empfehlen wir nahezu allen Patienten im Anschluss an die Langzeittherapie eine Adaptionsmaßnahme. Hier kann der Patient meist zwei Praktika absolvieren und dabei erproben, wie er mit den Belastungen des Arbeitsalltags, der geregelten Struktur und den am Arbeitsplatz geltenden Hierarchien zurecht kommt. Schwierigkeiten werden in Einzelgesprächen oder in der Gruppe zusammen mit den anderen Adaptionshausbewohnern besprochen. Ab und an ergeben sich über den Praktikumsplatz Möglichkeiten einer Festanstellung, oder es wird zumindest deutlich, ob der Patient in diesem Arbeitsfeld tätig werden möchte oder nicht. Leider ist es gerade bei erstbehandelten Patienten oft der Fall, dass sie eine Adaptionsmaßnahme ablehnen, da sie sich durch die stationäre Entwöhnung ausreichend abstinent fühlen. Manchmal geling es uns, diese Patienten von einem betreuten Wohnen zu überzeugen, damit ein gewisses Maß an Unterstützung und Begleitung bei alltäglichen Schwierigkeiten noch gewährleistet ist. Normalerweise empfehlen wir das betreute Wohnen im Anschluss an die Adaptionsbehandlung. Wie auch die oben genannten Autoren empfehlen wir während der gesamten Zeit und über die Zeit der betreuten Nachsorge hinaus den regelmäßigen Besuch der Selbsthilfegruppen, wie unter dem Punkt Rückfallprophylaxe und Besuch einer Selbsthilfegruppe (S. 61) beschrieben. Eine Nachsorge in Form einer Adaption oder eines betreuten Wohnens hat den weiteren Vorteil, dass der Patient sich auch räumlich neu orientieren kann. Häufig ist das alte Umfeld drogennah, die Familien zeigen Suchtstrukturen, so dass das Risiko sehr hoch ist, dass die noch instabilen neu erworbenen Verhaltensweisen in den alten vertrauten Strukturen der Familienbeziehungen untergehen und der Patient, 65 beginnend mit Verhaltensrückfällen, auch stofflich wieder rückfällig wird. Einmal monatlich wird das Thema Nachsorge im Rahmen der Indikationsgruppen extra behandelt. Hier erhalten die Patienten Informationen über die verschiedenen Nachsorgemöglichkeiten. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote werden abgewogen, und es wird individuell auf jeden Teilnehmer bezogen überlegt, was für ihn am passendsten sein könnte. Da dieses Angebot als Indikationsgruppe alleine aber zu wenig ist, um eine ausreichende Motivation für eine Nachsorgebehandlung aufzubauen, wird dieses Thema auch immer wieder in der Gruppen- und Einzeltherapie angesprochen. Wenn klar wird, dass ein Patient an einem bestimmten Punkt für sich nicht weiterkommt oder auch im Rahmen der Arbeitstherapie Schwierigkeiten auftauchen, geben wir immer wieder den Hinweis, dass dies Gründe sind, die eine stationäre Nachsorge sinnvoll erscheinen lassen, so dass der Patient langsam an die Notwendigkeit herangeführt wird. Mögliche Interventionen: - Besuch einer Selbsthilfegruppe als verpflichtende Aufgabe während der Behandlung - Bewerbungsfahrten zu Nachsorgeeinrichtungen (S. 150) Entwicklung einer beruflichen Perspektive Für die meisten Menschen schafft eine Berufstätigkeit, die zufrieden stellt und den Lebenserwerb sichert, ein Gefühl der gesellschaftlichen Integration. Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet für viele einen verlorenen Kampf um Anerkennung, wodurch süchtige Verhaltensweisen gefördert werden können (Baumeister 2006). Hinzu kommt bei längerer Arbeitslosigkeit die Angst, den im Berufsleben gestellten Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein. Das ist ein wesentlicher Grund für die Bedeutung die der Entwicklung einer realistischen beruflichen Perspektive beigemessen wird. Ein anderer Grund ist, dass die beruflichen Reintegration ein wesentliches Ziel des Rentenversicherungsträgers für die stationäre Langzeitentwöhnungsbehandlung ist. Alle bis hierhin vorgestellten Maßnahmen haben den Zweck, die Arbeitsfähigkeit und die gesellschaftliche Teilhabe des Patienten wieder herzustellen. Für die Patienten ist das zunächst meist nicht klar, hier steht die Abstinenzwerdung im Vordergrund, Angehörige sehen das meist ähnlich. Das Thema der beruflichen Zukunftsorientierung ist für viele Betroffene unangenehm, weil sie, mehr ahnend als wissend, ihre Chancen auf dem heutigen Arbeitsmarkt gering einschätzen. In den ersten sechs Monaten des aktuellen Jahres befand sich in unserer Einrichtung ein Patient mit überwiegendem THC Konsum in einer Ausbildung, die er nach dem Behandlungsende fortsetzen wollte. Alle anderen Patienten sind arbeitslos, meist 66 langzeitarbeitslos. Dies ist für unsere Art der Einrichtung eher die Norm, trotzdem gibt es nur wenig Literatur zu dem Thema Berufsperspektive bei Drogenabhängigen. In Ausführungen zu anderen Punkten werden Schwierigkeiten am Arbeitsplatz erwähnt (z.B. Beck et al 1997, Körkel & Schindler 2003), aber detaillierte Ausführungen sind eher selten. Lindenmeyer schreibt in seinem Buch “Lieber Schlau als Blau”, das sich an Alkoholiker richtet, von einer zwei- bis dreimal so hohen Arbeitslosenquote bei Suchtmittelabhängigen wie bei dem Rest der Bevölkerung. Er empfiehlt, die Suche nach einem Arbeitsplatz nicht erst nach der Behandlung zu beginnen, sondern währenddessen, um bei wahrscheinlich auftretenden Frustrationen therapeutische Unterstützung zu erhalten. Die Entscheidung, abstinent zu werden, ist für die berufliche Reintegration wichtig, aber sie ist keine Garantie für einen Arbeitsplatz. Oft geht es darum, gemeinsam mit dem Patienten zunächst realistische berufliche Ziele zu entwickeln. Ein erstes Problem stellt der Schulabschluss dar. Schay et al (2007) benennt für das Jahr 2005 das 47 % der Patienten ohne Schulabschluss seien. Im gleichen Jahr hätten 73,5 % eine oder mehrere Ausbildungen begonnen und nach einiger Zeit abgebrochen. Lediglich 26,5 % hätten eine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt. Meist muss bei diesen Patienten abgeklärt werden, ob sie diesen Beruf weiter ausüben können oder inwieweit sie umschulungsberechtigt sind (ebenda). Eine Rückkehr in den erlernten Beruf ist heute oft über Praktika möglich. Das ist ein wichtiges Argument für eine Adaptionsbehandlung im Anschluss an die stationäre Langzeitentwöhnung. Die durch die lange Zeit der Abhängigkeit große Distanz zum Arbeitsmarkt führt dazu, dass ein unrealistisches Bild des aktuellen Arbeitsmarktes besteht, der oft schon für hochqualifizierte Arbeitnehmer keine Arbeit bieten kann, noch schwieriger ist es für ungelernte Arbeitskräfte. Durch den Konsum haben die Abhängigen gelernt, unangenehme Situationen durch Drogeneinnahme schnell zu beenden. Dieses Verhalten hilft bei der Arbeitsplatzsuche nicht, statt dessen sind eine gute Frustrationstoleranz und ein gutes Selbstbewusstsein notwendig, um auch nach zahlreichen Absagen noch ausreichend für die Fortsetzung der Suche motiviert zu sein. Insofern kann die Arbeitssuche zu einer Risikosituation für Rückfälligkeit werden. Während der Langzeitbehandlung und in der Adaptionsbehandlung kann und muss der Patient hier therapeutisch begleitet werden. Diese Schwierigkeiten ergeben sich für Menschen mit einer reinen Suchtmittelabhängigkeit. Die Problematik verschärft sich noch einmal bei einer bestehenden Doppeldiagnose. Nicht selten sind diese Menschen den Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes nur bedingt gewachsen. Hier ist neben der Abklärung der realistischen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt die Entwicklung anderer selbstwertdienlicher Lebensinhalte zu fördern, denn die Berufstätigkeit gilt als eine wesentliche Säule des Selbstwertgefühls. Diese Säule fällt bei mehrfach belasteten Patienten meist nur sehr klein aus, so dass es wichtig für sie ist, die 67 weiteren Säulen, wie die der sozialen Kontakte und des sozialen Engagements, des Körpererlebens über Sport und eine zufriedenstellende Sexualität, des Erwerbs von Bildung oder der Religiosität (Potreck - Rose & Jacob 2008) auszubauen und zu stärken. Mögliche Interventionen: - Erstellen einer Bewerbungsmappe (S. 151) - Bewerbungstraining (S. 151) - Besuch des BIZ (S. 151) Aktive Freizeitgestaltung Hier verweise ich auf das die Ausführungen zur Freizeitaktivität während der Kernphase (S. 58). Aktive Gestaltung des Abschieds Hierzu habe ich in der Literatur nichts finden können, so dass sich der folgende Absatz auf die Erfahrungen aus der Klink bezieht. Unangenehme Zustände versuchen Drogenabhängige meist zu vermeiden. Zwei Strategien lassen sich bezogen auf die Gestaltung des Abschieds erkennen: einige versuchen meist so lange wie möglich zu verdrängen und dann zu sagen, dass jetzt für eine gute Vorbereitung keine Zeit mehr wäre, andere zeigen verstärkt ihre unsympathische Seite, da sie mit Ärger besser umgehen können als mit Trauer. In den meisten Fällen liegt es an dem Bezugstherapeuten, die Patienten besonders auf die letzte Strategie aufmerksam zu machen und sie bei der Vorbereitung des Abschieds zu unterstützen. Da die Mitglieder der Bezugsgruppe von ihrem eigenen Abschied noch ein Stück entfernt sind, unterstützen sie den Patienten ebenfalls. Für viele war die Behandlungszeit seit langen Jahren die erste Abstinenzzeit, sie haben meist einen Platz in der Gruppe gefunden und oft enge menschliche Kontakte geknüpft. Andere Patienten haben ihnen in schwierigen Phasen geholfen, sie konnten selbst die Erfahrung machen, dass sie jemanden unterstützen konnten. Dies alles jetzt wieder aufgeben zu müssen, macht vielen Patienten Angst und nur wenige gehen offen damit um. Die Ungewissheit, ob sie dass, was sie während der Behandlung für sich verändern konnten, draußen fortsetzen können, ist groß. Je nach Lebensgeschichte kommen Erinnerungen an frühere Trennungen und Verluste wieder ins Bewusstsein, und es ist gut, wenn der Patient sich mit diesen Erinnerungen bereits in der Gruppen- oder Einzeltherapie beschäftigt hat, denn dazu ist es in den letzen Behandlungstagen in der Tat zu spät. Viele verlieren darüber das, was sie erreicht haben aus den Augen und brauchen an dieser Stelle Hinweise, dass 68 sie das von ihnen Erreichte in die nächste Behandlungsphase mitnehmen. Einige Rituale zum Behandlungsende sind von unserer Seite vorgegeben, andere kann der Patient sich selbst überlegen. Mögliche Interventionen: - Abschlusseinzelgespräche mit dem Einzel- und dem Bezugstherapeuten (S. 149) - Therapiereflexion in der Bezugsgruppe (S. 163) - Verabschiedung durch die Großgruppe in der letzen Abendrunde (S.164) 69 5. Die Behandlung der Patienten mit Komorbidität Die Erfahrung in der praktischen Suchtarbeit zeigt, dass der Anteil der Patienten mit mehr als einer diagnostizierten Störung zunimmt. Dies ist der Grund dafür, dass ich die Behandlungspfade für Suchtmittelabhängige entsprechend den veränderten Bedürfnissen der Patienten mit Komorbidität in diesem Kapitel modifiziere. Dabei soll erwähnt werden, dass diese Behandlungspfade nicht im Qualitätshandbuch der Fachklinik Liblar festgehalten sind und es sich bei diesen Behandlungspfaden um Vorschläge einer möglichen Behandlung handelt. Aber zunächst zu dem Begriff der Komorbidität. Liegt bei einem Menschen neben einer Suchterkrankung gleichzeitig eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis vor, so spricht man seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts von einer Doppeldiagnose (Löhrer 1999). Der Autor nennt diese Begriffswahl unscharf, die klinisch exakte Bezeichnung sei die der Komorbidität. Sie sei im Klinischen die Regel und nicht die Ausnahme. Neben der Doppeldiagnose F1/F2 (Abhängigkeit und Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis) sei die Komorbidität F1/F3 (depressive Erkrankungen) und F1/F6 (Persönlichkeitsstörungen) klinisch wichtig (ebenda). Besonders die Komorbidität durch das Vorliegen einer Abhängigkeit und einer Persönlichkeitsstörung (F1/F6) bestimmen die Prognose einer Entwöhnungsbehandlung. Schwoon schreibt dazu: „ Bei Menschen, bei denen eine Abhängigkeitskrankheit zusammen mit einer weiteren psychischen Störung auftritt, ist gehäuft mit besonders schwierigen Krankheitsentwicklungen und extrem komplizierten Behandlungsabläufen zu rechnen“ (Schwoon 2001, S. 504). Beck et al (1997) beschreiben vier typische Eigenschaften eines persönlichkeitsgestörten Menschen, die die Behandlung deutlich erschweren: Die betroffene Person erlebt ihre Symptome als ich-synton, sie erlebt sich selbst als nicht gestört, sondern als normal in ihrem Verhalten; sie werden von anderen Menschen häufig als anstrengend empfunden, da sie, ohne es zu bemerken, anderen Leid zufügen; sie haben eine hohe Änderungsresistenz und können sich dementsprechend eine Veränderung ihrer Persönlichkeit nur schwer vorstellen. Faupel (2005) definiert die Persönlichkeitsstörung als überdauernde Formen affektiver, kognitiver und beziehungsrelevanter Verhaltensmuster, die sehr rigide, fehlangepasst und veränderungsresistent sind. Arbeits- und Obdachlosigkeit, Aggressionsneigungen und körperliche Erkrankungen treten bei ihnen häufiger auf. Trotz der Belastungen gehen komorbide Patienten seltener in weiterführende Behandlungen, brechen diese eher ab und erreichen schlechtere Katamneseergebnisse (ebenda). Art, Dauer und Intensität des Konsums spielen neben der Rauschmittelwirkung eine Rolle bei der Ausprägung der Komorbidität. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird jede oben genannte Komorbidität zunächst theoretisch vorgestellt. 70 Anschließend wird der Behandlungspfad der Suchtmittelabhängigkeit entsprechend verändert. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie eine Komorbidität entstehen kann: Einerseits kann der Suchtmittelkonsum zu psychischen Störungen führen, so die drogeninduzierte Psychose, die unter anderem durch hohen Cannabiskonsum auftreten kann. Das Trigger-Modell geht davon aus, dass bei der betroffenen Person eine Vulnerabilität für die Entwicklung einer Psychose vorliegt. Probiert dieser Jugendliche Cannabis und setzt den Konsum weiter und ansteigend fort, manifestiert sich eine Psychose. Ein weiteres Modell geht davon aus, dass die Einnahme von Drogen als weiterer Vulnerabilitätsfaktor hinzukommt und es so zum Ausbruch der Psychose kommt (Schwoon 2001). Andererseits kann eine psychische Störung den Suchtmittelkonsum fördern. So berichten antisoziale Patienten davon, dass sie durch die Einnahme von Opiaten ihre Aggressionen besser kontrollieren können. Es handelt sich um eine sogenannte Selbstbehandlung der Betroffenen. Sehr selbstunsichere Jugendliche geben an, unter Alkohol oder Drogenwirkung besser auf das andere Geschlecht zugehen zu können oder sich in der Gruppe anerkannter zu fühlen. 5.1 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und Depression Beck et al (1997) sprechen von einer Komorbidität bei Drogenabhängigen durch affektive Störungen von 26%. Er beschreibt, dass der Leidensdruck der Betroffenen durch die Komorbidität deutlich erhöht wird und die Prognose des Suchtverlaufes verschlechtert wird. Dabei weist er darauf hin, dass eine verlässliche Diagnose einer depressiven Störung erst nach einigen Monaten der Abstinenz gestellt werden kann, da der Suchtmittelkonsum und der Entgiftungsprozess depressionsähnliche Symptome hervorrufen können, ohne dass tatsächlich eine Depression im klinischen Sinne vorliegt. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass es gerade bei Suchtpatienten mit einer depressiven Störung wichtig ist, die Selbstwirksamkeitsüberzeugung der Patienten zu verbessern, da durch sie die Abstinenzwahrscheinlichkeit deutlich beeinflusst wird. Konkret empfehlen Beck et al (1997) nach einer Zeit der Abstinenz die Frage zu klären, welche der vorliegenden Störungen im Vordergrund steht, Sucht oder Depression. Stehen die depressiven Symptome im Vordergrund, sollten sie vorrangig behandelt werden, zumal wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine Verbesserung der depressiven Symptomatik zu einer Reduzierung des Suchtmittelverlangens führt. Weiter geben die Autoren zu bedenken, ob umgekehrt eine Reduzierung oder Abstinenz vom Suchmittel zu einer Reduktion der depressiven Symptome führt. 71 Bei der Erstellung eines Fallkonzeptes sollten die verschiedenen Symptomebenen abgedeckt sein: Kognitionen, Affekt, physiologische Symptome, Motivation und Verhalten (ebenda). Dabei ist es wichtig, gemeinsam mit dem Patienten den Zusammenhang zwischen der kognitiven, affektiven und motivationalen Ebene herauszuarbeiten. An erster Stelle steht aber auch für diese Autoren die Aktivierung des Patienten, wobei ihm verdeutlicht werden sollte, dass es zunächst um die jeweiligen Handlungen geht und nicht um die Reduzierung der depressiven Symptome, die meist automatisch mit der Umsetzung der Aktivitäten einhergehen und erst durch das unmittelbare Erleben für den Patienten glaubhaft werden. Die Autoren stellen fest, dass viele Suchtpatienten erst nach dem Verlust einer wichtigen Beziehung depressiv werden. Erschwerend treten meist finanzielle Probleme, gesundheitliche und gesetzliche Schwierigkeiten auf. Diese Bedingungen verstärken den Suchtmittelkonsum, so dass bei einer Abstinenz diese Probleme für den Patienten wieder deutlich zu Tage treten und der Wunsch nach Suchtmitteleinnahme wieder ansteigt. So verlieren sie durch die Aufgabe des Konsums häufig das Einzige, was ihnen Freude bereitet, was die Symptome der Depression zunächst verstärken und die Abstinenzmotivation reduzieren kann. Wichtig ist hier neben dem Überprüfen der Gedankenketten, ein Suchen nach Verhaltensweisen, die von dem Betroffenen positiv erlebt und bewertet werden. Aus unserer Erfahrung heraus ist dies häufig der Sport oder der Kontakt zu Kindern oder anderen Familienangehörigen. Tritt nach einer Phase leichter Besserung eine Verschlechterung der Symptome auf, attribuieren Patienten häufig auf die externale Übermacht der Sucht, der sie sich nicht gewachsen fühlen. Therapie und Therapeut werden als ineffektiv erlebt, oft kommt es an dieser Stelle zu Behandlungsabbrüchen oder zu Rückfällen. Beck et al (1997) empfehlen an dieser Stelle, dass der Therapeut kritisch nachfragen sollte, nicht in Vorwürfe abgleiten und die therapeutische Arbeitsbeziehung aufrecht erhalten sollte. Eine erneute Betrachtung der bisher erreichten Ziele und eine weitere Überprüfung der Kognitionen können aus dieser Krise heraus führen. Aber wann hat ein Mensch überhaupt eine Depression? 5.1.1 Fakten, Ätiologie und Behandlungsmöglichkeiten der Depression Ich beschränke mich bei meinen Ausführungen auf die unipolar verlaufende Depression, die unter den affektiven Störungen den größten Anteil ausmacht. Meist erkranken Personen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. In neuester Zeit wird von einer Zunahme der depressiven Erkrankung ausgegangen, weil sich immer mehr Menschen von ihrem Alltag überfordert fühlen oder den Sinn in ihrem Leben verlieren, was sich in depressiven Verhaltensweisen oder noch schlimmer in einer handfesten Depression zeigen kann. Immer 72 mehr Menschen versuchen zunächst eine Selbstbehandlung, indem sie Alkohol oder Drogen zu sich nehmen, um die erlebten Stimmungen zu verbessern. Hierüber können sie zusätzlich in eine Abhängigkeit zum Suchtmittel geraten. 5.1.1.1 Diagnostik der Depression Diagnostische Kriterien nach ICD 10 für die Depression F32,33 (2010, S 149).: „In den unten beschriebenen typischen leichten (F32.0, mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) depressiven Episoden, leidet die betreffende Person gewöhnlich unter den typischen Symptomen von: - Gedrückter Stimmung - Interessenverlust, Freudlosigkeit - Verminderung des Antriebs, erhöhter Ermüdbarkeit. Die Verminderung der Energie führt zu erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen Anstrengungen auf. Andere häufige Symptome sind: 1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit 2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen 3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit (sogar bei leichten depressiven Episoden). 4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven 5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen. 6. Schlafstörungen. 7. Verminderter Appetit. Für die Diagnose depressiver Episoden aller drei Schweregrade wird gewöhnlich eine Dauer von mindestens 2 Wochen verlangt; kürzere Zeiträume können berücksichtig werden, wenn die Symptome ungewöhnlich schwer oder schnell aufgetreten sind. Einige der oben genannten Symptome können auffällig sein und ein charakteristisches Bild mit spezieller klinischer Bedeutung ergeben“ (ebenda). 5.1.1.2 Epidemiologie der Depression Hautzinger (2005) nennt eine Lebenszeitprävalenz für Depressionen von 12 – 16% bei Männern und 20 – 26% bei Frauen. 73 Schwarzer schreibt 1999, das größte Problem der Depression sei die Selbsttötungsgefahr. Etwa 15% der schwer Depressiven würden ihrem Leiden so ein Ende setzen. Wesentlich höher sei die Zahl der überlebten Selbsttötungsversuche. Zur Dauer der Depression schreibt der Autor, dass sie umso rascher verschwindet, je frühzeitiger sie erkannt wird. Eine Depression kann von einigen Wochen bis zu einigen Monaten andauern. Depressionen treten in Verbindung mit z.B. Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Zwängen, Essstörungen, Süchten, psychophysiologischen, somatoformen Störungen, Schizophrenie und schizophrenoformen Störungen, Demenzerkrankungen und chronischen körperlichen Krankheiten auf (Hautzinger 2005). 1998 berichtet der Autor von einer amerikanischen Studie, die zeigte, dass bei 77 % der Patienten mit Diagnose Depression wenigstens eine weitere Diagnose gestellt wurde. Zwischen 60% und 80 % der Betroffenen geben an, dass die Depression erst nachfolgend auftrat. 5.1.1.3 Ätiologie der Depression Kognitionspsychologisches Störungskonzept Zu Grunde gelegt wird hier eine kognitive Störung. Das Denken depressiver Personen wird dabei als einseitig, willkürlich, selektiv und übertrieben negativ beschrieben. Es wird ausgelöst durch negative Erfahrungen, Verluste, Nichtkontrolle und sozialisationsbedingte Vorgaben. Durch belastende Situationen werden diese Schemata ausgelöst. Diese Abläufe sind stark automatisiert und damit massiv veränderungsresistent. Trotzdem gilt es genau sie zu verändern. Dabei hat sich die kognitive Umstrukturierung als gute Behandlungsmethode gezeigt. Empirische Untersuchungen belegen, dass die kognitive Verhaltenstherapie bei der Behandlung depressiver Personen der medikamentösen Behandlung langfristig überlegen ist. Selbstabwertung und negative Selbstverstärkung sind Ergebnisse der kognitiven Prozesse depressiver Personen (Hautzinger 2005). Zusätzlich verfügen depressive Personen nur über wenige Verstärker, ihre Aktivitätsrate ist reduziert, der konstruktive Umgang mit Belastungen ist herabgesetzt, so dass es zu einer Häufung unangenehmer Ereignisse kommt, die in die oben genannte Spirale hineinführen. Beck et al (1994) spricht von der kognitiven Triade, bestehend aus der Sicht des Patienten von sich selbst, die Sicht seiner momentanen Lebenssituation und die Sicht seiner Zukunft. Diese negativen Schemata hat der Patient durch negative Erfahrungen wie beispielsweise Tod oder Verlust von Angehörigen, Zurückweisung, Kritik oder depressive Vorbilder in der Kindheit erworben. Sie werden bei depressiven Menschen immer dann aktiviert, wenn neue Situationen auftreten, die, und sei es auch nur entfernt, den Bedingungen oder Situationen 74 entsprechen, in denen sie diese Schemata erworben haben. Ein solches Schema kann beispielweise zu der Erwartung führen, immer zu versagen. Die Person fühlt sich dann für jedes auftretende Missgeschick verantwortlich und in ihrer Sichtweise bestätigt. Die negativen Schemata halten zusammen mit den kognitiven Vorurteilen die negative Triade depressiver Patienten aufrecht (Davison & Neal 1998). Das Selbstkonzept des depressiven Menschen ist dem entsprechend negativ, die Zukunft sieht er ebenso, was den dritten Aspekt der Triade darstellt. Schwarzer zieht 1999 das bio–psycho–soziale Erklärungsmodell zur Erklärung der Depression heran. Neben einer genetischen Disposition können frühkindliche Belastungen wie Verlust oder Trennung zu einer gesteigerten Vulnerabilität gegenüber depressiven Strukturen führen. Körperliche oder psychische Stressoren wirken sich auf die Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin aus. Diese Botenstoffe sind für die Regulation unserer Emotionen zuständig, so dass eine Störung dieser beiden Botenstoffe eine Depression auslösen kann. Es wird angenommen, dass ein niedriger Noradrenalinspiegel zu einer Depression führt und ein niedriger Serotoninspiegel die neuronale Aktivität in anderen neurochemischen Systemen verändert und dadurch sowohl Depression als auch Manie auslösen kann (Davison & Neal 1998). Diese Zusammenhänge wurden aus der Wirkung bestimmter Medikamente abgeleitet. Dabei verhindern die Trizyklika die Aufnahme von Noradrenalin und Serotonin durch die Neuronen. Eine andere Medikamentengruppe sind die Monoaminooxidasehemmer, die eben dieses Enzym davon abhalten, die beiden Neurotransmitter zu deaktivieren. Der wissenschaftliche exakte Nachweis dieser Annahmen steht bislang noch aus. Beim ersten Auftreten einer Depression spricht man von einer depressiven Episode, bei wiederholtem Auftreten depressiver Phasen handelt es sich um eine rezidivierende depressive Störung. Schwarzer (1999) beschreibt die Kombination von medikamentöser und Psychotherapie als die gängige Behandlungsmethode der Depression. Dabei läge bei schweren und psychotischen Depressionen der Schwerpunkt auf der Pharmakotherapie, die Psychotherapie würde eher bei leichteren Depressionen angewendet. Daneben führt Schwarzer Bewegung, Lichttherapie, Schlafentzug und Eletrokrampftherapie an und steht damit mit Hautzinger (1998) auf einer Linie. 5.1.1.4 Therapeutische Behandlungsansätze der Depression Eines der anerkanntesten Erklärungsmodelle der Depression ist das Modell nach Beck, das ich weiter oben vorgestellt habe. Es nimmt als wesentlichen verursachenden Faktor die kognitiven Schemata des Patienten an, die ihn in eine Depression führen. Daher sollte sich 75 ein wesentlicher Teil der Behandlung mit den kognitiven Schemata des Patienten auseinandersetzen. Dies findet unter Einsatz der kognitiven Verhaltenstherapie statt, die Margraf (2000) als einen problemzentrierten, strukturierten, psychologischen Behandlungsansatz beschreibt. Im Rahmen der Behandlung depressiver Personen setzt er die vier folgenden Schwerpunkte. - Überwindung der Inaktivität und/oder der einseitig belastenden Aktivität. - Verbesserung des Sozial-, Kommunikations- und Interaktionsverhaltens und der sozialen Kontaktstrukturen. - Erkennen, Überprüfen und Korrigieren dysfunktionaler Einstellungen und Überzeugungen. - Aufbau eines Bewältigungs- und Problemlöserepertoires für zukünftige Krisen. Zu Beginn der Behandlung und in Krisen haben beruhigende Versicherungen, aktuelle Entlastung und konkrete Vorgaben ihre Berechtigung. Schwarzer (1999) nennt im Umgang mit depressiven Patienten folgende Grundsätze: die Vermeidung gut gemeinter Ratschläge; bei akuter Depression, es sollte nicht zu Ablenkung oder Zerstreuung geraten werden; dem Patienten sollte in dieser Situation von wichtigen und folgenschweren Entscheidungen abgeraten werden; und er sollte keine durchgreifenden Veränderungen im beruflichen oder privaten Bereich vornehmen. Der Therapeut sollte stellvertretend für den Betroffenen Hoffnung zeigen und dem Patienten sagen, dass es sich um eine vorübergehende Phase handelt, die ohne bleibende Einschränkungen vorüber gehen wird. Kognitive Elemente der Behandlung Im Laufe der Behandlung sollte der Patient mit Hilfe des Therapeuten sein Denken differenzieren und in Richtung eines reiferen Denkens verändern. Häufige kognitive Fehler sind neben der Übergeneralisierung selektive Abstraktionen, dichotomes Denken, Solltyranneien, emotionales Begründen und Magnifizieren des Negativen. Diese Denkmuster gilt es zu erkennen, zu überprüfen und zu verändern (Margraf 2000). Dabei sollte dem Patienten nichts ausgeredet werden, sondern durch die Kooperation zwischen Patient und Therapeut sollen Probleme identifiziert, individuelle Blockaden erkannt und Alternativen dazu entwickelt und ausprobiert werden. Auch hier ist der erste Schritt die Beobachtung der Denkweise, das Protokollieren automatischer Gedanken in den zentralen Problembereichen. Beck et al (1994) benennt konkret die Suche nach Gegenbeweisen für die dysfunktionalen Gedanken, die Diskussion der logischen Schlussfolgerungen dieser Gedanken im Vergleich zu den tatsächlichen Erfahrungen und die Überprüfung der Grundannahmen in geplanten Experimenten. Der Zusammenhang zwischen Situationen und 76 Gefühlen wird in einem nächsten Schritt erarbeitet. Die erkannten dysfunktionalen Gedanken werden nun durch den Patienten einem Realitätstest unterzogen. Weitere Möglichkeiten der Bearbeitung sind das Experimentieren, das Reattribuieren, das Finden von Alternativen, um nur einige zu nennen. So lernt der Patient, wie er selbst Einfluss auf sein emotionales Erleben nehmen kann, indem er seine Kognitionen überprüft und verändert. Dies soll ihn nach der Behandlung dazu befähigen, in Krisen sein Verhalten eigenständig zu prüfen und Strategien der Bewältigung zu entwickeln (ebenda). Aus dem Vorgestellten ergeben sich folgende Veränderungen der Behandlungspfade für Patienten mit Suchterkrankung und Depression. 77 5.1.2 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender Suchtmittelabhängigkeit und Depression. Die Aufgaben der Behandlungspfade (BHP), die in der Behandlung dieser Patientengruppe besonders wichtig sind oder neu dazu genommen wurden, weil sie bei der Behandlung ausschließlich suchtmittelabhängiger Patienten nicht notwendig waren, sind in den nun folgenden Flussdiagrammen der Behandlungsphasen fett-kursiv hervorgehoben. Orientierungsphase 1. – 8. Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Depression Aufnahme d. Rehabilitanden u. Bezugsgruppenzuteilung Verantwortlichkeiten 1 Arzt 2 Bezugstherapeut 4 Psychologe Therapeutische Aufnahme Medizin. Diagnostik 2 Aufnahmeanamnesebogen / Aufnahmemappe 5 – 20 Bezugstherapeut Teilweise auch Einzeltherapeut 1 Bemerkungen Psychologische Diagnostik Aufnahmee 3 Zuordnung Depres. BHP 5 7 Stabilisierung d. Therapiemotivation 6 Erste Verhaltensanalysen Beobachtungen des Sozialverhaltens & Kontaktangebote 9 Anbindung an die Gruppe und an die Klinik 10 Gesundheitstraining 13 1 vergl. Kap. IV.4.1 Medizinische Aufnahme; Kap. IV.4.2 Therapeutische Aufnahme MGU: Medizinische Fragebögen 4 Tests erste Zielvereinbarungen mit Rehabilitanden Psychoedukation 2 Klärung der Nebenkosten, Krankenkasse Juristisches 3 Abklärung der Medikation Differenzierung des Behandlungspla nes nach individuellem diagnostischen Schwerpunkt 8 11 4 BSI 5 Fallbesprechung im Team Vorlage Suchtinfo Führen des Emotionstagebuchs Erhebung der Familienanamnese 12 15 Schilderung der Lebensgeschichte 6- 17, ohne 7-8, finden in Bezugsgruppen statt 14 Aktivierung 16 Darstellung des sozialen Netzes 11 QMFB IV.5.7 Indikationsgrup pen Unterschriftenli ste 17 Vorlage Soziales Netz Anstehende Aufgaben erfüllt Nacharbeiten fehlender Aufgaben 18 19 Nein Ja Wechsel in Kernphase 20 78 Behandlungspfad Kernphase 9 - 17 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Depression Aufnahme in die Kernphase 1 Diagnostik BDI Verantwortung 2 BHP Depres. Ja 1 – 26 Bezugstherapeut, teilweise Einzeltherapeut, Vorstellung der Suchtanamnese 3 Erarbeitung der Funktonalität der Drogen Selbstbild/ Fremdbild 6 Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen Vorstellung des Delinquenzverlaufs 9 Analyse der kriminellen Energie 12 Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe 15 Emotionen & Emotionstagebuch führen 18 Teilnahme an Rückfallprophylaxe 21 Rehafahrten / Reflexion i.d. Gruppe Wechsel BHP Sucht nein 4 Bemerkungen Entwicklung Sinn drogenfreien Lebens 5 7 Erhöhung der Selbstwirksamkeit 8 10 Entwicklung von Zukunftsperspektive 11 Auseinandersetz ung Beziehungsgestaltung 13 Angehörigen Gespräch 14 Geschlechtsspezfische Themen 16 Auseinandersetz ung mit dem Thema Sexualität 17 Teilnahme an Entspannungstraining 20 Teilnahme an Selbstsicherheitstraining 19 Erarbeitung aktive Freizeitgestaltung 22 Zielvereinba rungen überprüfen Die Aufgaben, der Kernphase, werden in den Therapiestandar ds festgehalten und abgezeichnet vom jeweiligen Therapeuten MGU: QMVA IV.5.3 Therapiestandar ds (S.189) 18 QMFB IV.5.7 Indikationsgrupp en Unterschriftenlist e 23 24 Nacharbeit fehlender Themen 25 nein 24 Aufgaben erfüllt?? ja a Wechsel in Abschlussphase 79 Behandlungspfad Abschlussphase 18 – 26 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Depression Aufnahme in die Abschlussphase Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe Verantwortung 1 Bemerkungen 1 - 18 Bezugstherapeut Einzeltherapeut 2 QMFB IV 5 7 Indikationsgruppen Unterschriftenliste Teilnahme an Rückfallprophylaxe 2 Krisenbewältig. Stressmanagem. / Notfallheft Ausgewogenheit v. Selbst- u. Gem. schaftsverantwortung 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit Nachsorgeplanung Adaption / BeWo Durchführen von Rehafahrten/ Heimfahrten 7 10 3 Besuch einer Selbsthilfegruppe 4 6 8 Erarbeitung von Berufsperspektiven Erarbeitung von Zukunftsperspektiven 9 10 QMFB IV.10.3 Rehafahrtscheine 11 Reflexion i. Einzel. /Gruppe 12 QMFB IV.5.5 SGELaufzettel_Freizeit gestaltung Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung 12 13 Abschied aktiv gestalten 14 QMFB IV.11.3 Patientenfragebog en Abschlussdiagnostik 14 Psychologischer Test: BSI 15 Zielvereinbarun gen überprüfen 16 Nachbearbeitung fehlender Themen 17 nein Aufgaben erfüllt?? ja Entlassung 18 80 Anders als bei der Suchtmittelabhängigen Behandlungsphasen Vorstellung werde den ich bei jeweiligen der Behandlungspfade bei der Komorbidität für Behandlungspfad nicht ausschließlich jede vorstellen, der da drei diese Behandlungspfade für Süchtige das Grundgerüst darstellen und lediglich entsprechend der Doppeldiagnose modifiziert werden. Im Folgenden stelle ich die Veränderungen der einzelnen Pfade im Gesamten vor. Allen besonderen Aktivitäten muss die Diagnostik voran gestellt werden. Allerdings birgt sie im Falle der Depression einige Fallstricke, wie oben beschrieben. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, könnte bei einem deutlich erhöhten Skalenwert auf der Depressionsskala des BSI (Brief Symptom Inventory) bereits in der ersten Fallbesprechung des Patienten im Team nach spätestens zwei Wochen entschieden werden, ob er den Behandlungspfad für Komorbidität Sucht und Depression durchläuft. Dies bedeutet für den Patienten, dass mit ihm gemeinsam im Rahmen von Einzelkontakten verschiedene Möglichkeiten der Aktivierung vereinbart werden. So kann beispielsweise mit ihm vereinbart werden, dass er an den angebotenen Aktivitäten am Wochenende, die von einem verantwortlichen Patienten und einer Nachtbereitschaft vorbereitet werden, verbindlich teilnimmt. Da die Klinik in der Nähe eines Schlossparkes liegt, kann eine weitere Vereinbarung sein, dass er gemeinsam mit seinem Paten an drei Tagen in der Woche nach dem Behandlungsprogramm um 17.00 Uhr 30 Minuten durch den Park joggt. An diesem Punkt sind der Phantasie und der Flexibilität von Patient und Therapeut keine Grenzen gesetzt. Um einen detaillierten Überblick über das emotionale Erleben des Patienten zu erhalten, wird er angehalten, sein Erleben in einem Emotionstagebuch festzuhalten, dass er in regelmäßigen Abständen seinem Bezugstherapeuten zeigt und was dann mit dem Patienten besprochen werden muss. Da neben der verminderten Aktivität der soziale Rückzug ein typisches Verhalten depressiver Patienten ist, wird ihr Sozialverhalten verstärkt beobachtet. Es werden von Seiten des Teams vermehrt Kurzkontakte angeboten, die keinen weiteren therapeutischen Anspruch haben, als den Patienten etwas aus seiner Einsamkeit zu locken und ihm zu signalisieren, dass er, so wie er ist, wahr- und ernst genommen wird. Sollte dem Patienten der Anteil der Gruppen- und auch Großgruppenveranstaltungen in unserem Wochenplan zu hoch sein, so dass er mit den vielen Kontakten überfordert ist (jede Bezugsgruppe hat vier Einheiten Gruppentherapie wöchentlich und drei Großplenen von wenigstens einer Stunde Dauer) ist es möglich, den Patienten von einem Teil der Großplenen und gegebenenfalls auch von Teilen der Gruppentherapie zu befreien. Dies sollte in einer Teamsitzung entschieden und für einen Zeitrahmen von einer Woche angeboten werden. Der Patient kann sich selbst aussuchen, an welchen Einheiten er nicht 81 teil nehmen möchte. Soweit die Änderungen ihm Rahmen der Orientierungsphase. Zu Beginn der Kernphase (9. Behandlungswoche) würde dann die psychologische Testdiagnostik durch die Bearbeitung des BDI II (Becks Depressions Inventar II, Hautzinger, M., Keller, F., Kühner C., Test Service) erfolgen. Bestätigt sich die Diagnose, würde der Patient während seines gesamten Aufenthaltes in dem begonnenen Behandlungsprogramm bleiben. Falls sich die Diagnose nicht bestätigt, durchläuft er ab jetzt den Behandlungspfad für Suchtmittelabhängigkeit. In der Kernphase sollte ein Schwerpunkt der Behandlung auf der Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen und dem Reflektieren des emotionalen Erlebens mit Hilfe des von Anfang an geführten Emotionstagebuches liegen. Hier wäre es wichtig, den Patienten spüren zu lassen, dass die sorgfältige Führung des Tagebuches auch dem Therapeuten wichtig ist. Der Therapeut zeigt das, indem er das Buch regelmäßig, in der Kernphase einmal wöchentlich, durchliest und mit dem Patienten Auffälligkeiten bespricht und bei Erfolgen gemeinsam mit ihm eine mögliche Belohnung erarbeitet. Während der Kernphase sollte der Patient zusätzlich zu den Aufgaben des normalen Suchtbehandlungspfades auf jeden Fall an einem Selbstsicherheitstraining teilnehmen. Es muss zugestanden werden, dass es in unserer Einrichtung nicht immer möglich ist, ein komplettes Selbstsicherheitstraining anzubieten. Alternativ werden dann die Trainingsteile angeboten, die für den Patienten besonders wichtig sind, und es werden Teile des Trainings in die Gruppentherapie eingebaut. Ob ein depressiver Patient an der für die Kernphase wichtigen Delinquenzgruppe teilnimmt und wie intensiv er sich mit seiner Delinquenz beschäftigen muss, hängt von deren Ausprägung ab. Ist diese nur niedrig, kann er von der Teilnahme an der Delinquenzgruppe, die ca. drei Mal monatlich angeboten wird, frei gestellt werden. Pflicht für den Patienten, wäre die Teilnahme an der Entspannungsgruppe, die über einen Block von vier Einheiten angeboten wird. Der Patient soll dadurch bewusst lernen, dass er durch die Entspannung sein emotionales Erleben selbst positiv beeinflussen kann. In der Abschlussphase wäre für den depressiven Patienten neben dem Besuch der NAs (Narcotic Anonymus) auch der Besuch der EAs (Emotion Anonymus) zu empfehlen, damit er unter Umständen für die Zeit nach der stationären Entwöhnung auch diese Selbsthilfegruppe für sich in Anspruch nehmen kann. Für jeden Patienten ist die Zeit nach der Behandlung angstbesetzt, aber der depressive Patient kann hier noch einmal besonders in Selbstzweifel geraten, so dass die frühzeitige und detaillierte Planung der Nachsorge besonders wichtig ist. Gut wäre es, bereits zu Beginn der zweiten Behandlungshälfte, also in der Mitte der Kernphase, mit der Nachsorgeplanung zu beginnen. Dies könnte nach der Halbzeitbesprechung des Patienten im Team beginnen, bei der das Team entscheidet, welche Nachsorgemaßnahme für den Patienten aus 82 therapeutischer Sicht als notwendig erachtet wird. Dabei handelt es sich um Vorschläge zur Nachsorge, die letzte Entscheidung liegt beim Patienten selbst. Da Veränderungen für einen depressiven Menschen immer etwas sehr Unangenehmes sind, scheint es notwendig, dass von Seiten des Therapeuten immer wieder nachgefragt wird, auf welchem Stand die Nachsorgevorbereitungen sind, und er gegebenenfalls auch Unterstützung anbietet. Hier zeigt sich dann die erreichte Veränderung der Selbstwirksamkeit des Patienten und in wieweit noch eine weitere Auseinandersetzung, und damit Stabilisierung, stattfinden muss. Während der gesamten Behandlung sollte die Freizeitgestaltung des Patienten ein Thema sein, da es typisch für Patienten mit diesem Störungsbild ist, dass der Patient nicht die notwendige Kontinuität bei der Entwicklung eines aktiven Freizeitverhaltens aufbringt. An diesem Punkt muss sicherlich immer Abschlussphase noch, damit der Patient wieder angehalten werden, auch in der dies als ein wesentliches Thema mit in die anschließende Nachsorgebehandlung nimmt. Das bei den Interventionen aufgeführte achtsamkeitsbasierte Stressreduktionsprogramm wird derzeit nicht komplett in unserer Einrichtung angeboten, allerdings werden im Rahmen der Gruppentherapie immer wieder Teile davon zu Beginn der Gruppenstunden eingesetzt, um das Bewusstsein für das eigene Erleben und den eigenen Körper zu sensibilisieren. Aufgaben, die ich bereits an anderer Stelle beschrieben habe, stelle ich hier nicht erneut vor, sondern verweise durch die hinter der Aufgabe stehende Seitenzahl auf die frühere Beschreibung. Zusätzliche oder modifizierte Aufgaben während der Behandlung: • Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen (S. 47) • Emotionstagebuch (S. 152) • Entspannungstraining (S. 157) • Steigerung der Aktivitätsrate / Aktive Freizeitgestaltung (Überwindung der Inaktivität und/oder der einseitig belastenden Aktivität) (S. 162) • Mindfulness-Based-Stress-Reduction Programm (achtsamkeitsbasiertes Stressreduktionsprogramm. (S. 172) • Selbstsicherheitstraining (S. 182) 83 5.2 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und Borderline-Störung Zu Beginn dieses Kapitels gehe ich zunächst allgemein auf die Persönlichkeitsstörungen und einige Erklärungsmodelle ein, um im weiteren Verlauf Erklärungsmodelle der Borderline – Störung und ihre Behandlungsmöglichkeiten vorzustellen. 5.2.1Diagnostik der Persönlichkeitsstörung Zunächst die Diagnosekriterien der Persönlichkeitsstörungen nach ICD 10 (2010, S 246): 1. Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen. 2. Das auffällige Verhaltensmuster ist andauernd und gleichförmig und nicht auf Episoden psychischer Krankheit begrenzt. 3. Das auffällige Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend. 4. Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter. 5. Die Störung führt zu deutlichem subjektiven Leiden, manchmal jedoch erst im späteren Verlauf. 6. Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden. Für die Diagnose der meisten Untergruppen müssen mindestens drei der jeweils genannten Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen. Die Untergruppen bilden die paranoide Persönlichkeitsstörung (F60.0), die schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1), die dissoziale Persönlichkeitsstörung (F60.2) und die emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3), die sich in den impulsiven (F60.30) und den Borderline Typus (F60.31) unterteilt. Weiter gibt es die histrionische (F60.4), die anankastische (F60.5), die ängstlich vermeidende (F60.6), die abhängige (F60.7) und die sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung, zu der die exzentrische, haltlose, narzisstische, passiv-aggressive und die unreife Persönlichkeitsstörung gehören. 5.2.2 Ätiologie der Persönlichkeitsstörung Zur Erklärung der Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen schreibt Schwoon (2001), dass die Familien von Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung häufig unvollständig sind und dass die Betroffenen zeitweise in Heimen gelebt haben. Schul- und Berufsausbildungen werden abgebrochen. Selbstständigkeit und Selbstverantwortung sind nur unzureichend, so 84 ist ihre Selbstversorgung unzureichend und ihr Gesundheitsverhalten risikobehaftet. Soziale Kontakte aufzunehmen und zu pflegen ist für diese Patienten schwierig, da sie es nicht gelernt haben. Konflikte werden nicht ausgetragen, sondern vermieden. Eigene Emotionen können nicht richtig wahrgenommen werden und dadurch nicht angemessen darauf reagiert werden. Angenehme Emotionen können nur erlebt werden, wenn sie drogeninduziert sind. Andere Autoren wie Faupel (2005) und Moggi (2002) ziehen das Bio–Psycho–Soziale – Erklärungsmodell heran, das dem Triasmodell der Sucht (S.19) weitgehend entspricht. Auch hier werden biologische, meist genetische, aber auch neurologische oder durch Störungen im Transmittersystem des angenommen, die in Gehirns Verbindung und psychisch bedingte Vulnerabilitätsfaktoren mit einer belastenden Umwelt zu einer Symptomentwicklung führen können. Bei bestehender Drogenabhängigkeit würden diese Betroffenen während einer Abstinenzzeit eine Verschlechterung ihres Empfindens erleben, das sich für sie ins Unerträgliche steigern könne, was die negative Prognose bei der Behandlung dieser Störungsbilder erkläre (Beck et al 1994). Einen Erklärungsansatz, der lerntheoretisch fundiert ist und pathologische entwicklungspsychologische Einflüsse mitberücksichtigt, liefert Millon (Millon 1981; 1990; 1996 in Schmitz et al 2001). Er geht von biologischen Faktoren aus, die aus Anlagefaktoren und Einflüssen pränataler Entwicklungsfaktoren, die Entwicklung den bestehen. Einfluss Weiter berücksichtigt zwischenmenschlicher Erfahrung er und Lernbedingungen, wie die neuropsychologische Kindesentwicklung beinhalten. Er nimmt an, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen aus seiner Position innerhalb der Polaritäten Autonomie und Bindung sowie Selbstkontrolle und Selbstaktualisierung ergibt. Dieses „Raummodell der Persönlichkeit“ (Schmitz et al 2001, S. 10) ermöglicht eine Dimensionierung des Persönlichkeitsstils. Millon nimmt bezüglich persönlichkeitsgestörter Menschen an, dass bei ihnen eine Vulnerabilität vorliegt, die in diesem Fall eine besondere Labilität des Menschen gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen oder psychosozialen Einflüssen nach sich zieht. Schwoon (2001) verweist passend zum oben Dargestellten auf die Notwendigkeit eines individuellen Krankheitskonzeptes, das die subjektive Sicht des Patienten einschließt. Dazu bedarf es einer diagnostischen Klarheit, die sich in einer gründlichen Erhebung der biopsycho-sozialen Lebensdaten ausdrückt. Behandlungsbeziehung, empathische Er empfiehlt Konfrontation weiter Kontinuität und eine in der transparente Behandlungsplanung und Behandlungskontrakte. 85 5.2.3 Diagnostik der Borderline-Störung Im Folgenden stelle ich die Diagnosekriterien der Borderline-Störung (F60.31) nach ICD 10 vor, die eine Erscheinungsform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ist: „Einige Kennzeichen emotionaler Instabilität sind vorhanden, zusätzlich sind oft das eigene Selbstbild, Ziele und innere Präferenzen (einschließlich der sexuellen) unklar und gestört. Meist besteht ein chronisches Gefühl innerer Leere. Die Neigung zu intensiven, aber unbeständigen Beziehungen kann zu wiederholten emotionalen Krisen führen mit übermäßiger Anstrengung, nicht verlassen zu werden, und mit Suiziddrohungen oder selbstschädigenden Handlungen (diese können auch ohne deutliche Auslöser vorkommen) (Internationale Klassifikation psychischer Störungen 2010, S. 250).“ „Kennzeichen emotionaler Instabilität sind nach der gleichen Quelle (…) eine deutliche Tendenz, impulsiv zu handeln ohne Berücksichtigung von Konsequenzen, und mit wechselnder, instabiler Stimmung. Die Fähigkeit, voraus zu planen ist gering, und Ausbrüche intensiven Ärgerns können oft zu gewalttätigem und explosivem Verhalten führen; dieses Verhalten wird leicht ausgelöst, wenn impulsive Handlungen von anderen kritisiert oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen dieser Persönlichkeitsstörung können näher beschrieben werden, bei beiden findden sich Impulsivität und mangelnde Selbstkontrolle (ebenda, S. 249).“ Der zweite Typus ist der impulsive Typ, F60.30. 5.2.4 Epidemiologie der Borderline-Störung Studien aus den Jahren 1983, 1985 und 1989 zeigten ein häufiges gemeinsames Auftreten von Sucht und Borderline Persönlichkeitsstörung (Beck et al 1997). Die Prävalenzdaten zu diesem Diagnosebild zeigen allerdings extreme Schwankungen. Moggi (2002) nennt Zahlen zwischen 2 und 66% von Borderline Störungen bei Suchtmittelabhängigen. Faupel (2005) benennt für die Komorbidität von Sucht und Borderline-Störung Zahlen zwischen 20 – 50%, spricht aber von Schätzungen. Zur Prävalenz der Borderline Störung nennt sie den Wert von 2%, wovon 75% Frauen seien. Die Nutzung von Suchtmitteln gehört zu den Diagnosekriterien. 5.2.5 Ätiologie der Borderline-Störung Die Borderline – Störung ist, wie bei den Persönlichkeitsstörungen beschrieben, multifaktoriell bedingt. Für Rentrop et al (2007) steht im Zentrum eine genetisch bedingte eingeschränkte Fähigkeit, das emotionale Erleben zu steuern. Soziale Faktoren, die eine 86 Entwicklung des Störungsbildes begünstigen, sind für die Autoren eine Überforderung der Eltern im Umgang mit dem „schwierigen“ Kind. Bei den Eltern selbst liegen häufig affektive Störungen, Süchte, Gewalterfahrungen durch Eltern oder andere Familienangehörige, sexueller Missbrauch und / oder chaotische Familienstrukturen vor. Trautmann (2004) führt noch erschwerte Individuationsprozesse an, da zu einem Elternteil eine sehr enge Beziehung besteht oder bestanden hat. Schwarzer (1999) spricht zusätzlich von einer durch Zwillingsstudien belegten genetischen Disposition, einer neurobiologischen Vulnerabilität, ausgelöst durch negative Erfahrungen in der Kindheit, beispielsweise durch einen sehr strengen Erziehungsstil der Eltern, gestörte Autonomieentwicklung im zweiten bis vierten Lebensjahr und einer vorliegenden Traumatisierung. Dazu gehören auch Vernachlässigungen, fehlende Zuwendung, Gewalterfahrung und Missbrauch, der bei 80 % der Betroffenen vorliegt. Trautmann (2004) bezieht sich bei der Erklärung der Störung auf Millon (1996), der das inhomogene Störungsbild in einen entmutigten, einen impulsiven, einen mürrischen und einen selbstdestruktiven Typus unterscheidet. Der entmutigte Typus sei als Kind angepasst gewesen und zeige wenig Eigeninitiative. Ihre Kindheit haben diese Menschen als traurig und depressiv in Erinnerung. Die wenigen Bindungen, die diese Personen in der Kindheit hatten, waren unzuverlässig. Als Erwachsene benötigen sie viel Sicherheit, bevor sie eine Bindung eingehen, in der sie dann aber extrem klammern. Sie können nur schwer alleine sein und haben häufig Mühe, die Aufgaben des Alltags zu erledigen. Da diese Menschen Konflikte zu vermeiden suchen, unterdrücken sie ihren Ärger, der sich über selbstverletzendes Verhalten und suizidalem Verhalten seinen Weg nach außen sucht. Der impulsive Typ braucht viel Aufmerksamkeit durch seine Umwelt. Bekommt er sie nicht, greift er zu drastischen Maßnahmen, wie Selbstverletzung, aggressivem Verhalten gegenüber anderen oder Gegenständen oder sexuell verführerischem Verhalten. Der mürrische Typ ähnelt im Verhalten einer passiv-aggressiven Störung. Der Autor beschreibt diese Menschen als trotzig, unzufrieden, mürrisch, stur, pessimistisch und voller Groll. Sie fühlen sich grundsätzlich vom Leben betrogen und sind schnell gekränkt. Was sie sich wünschen sind enge Bindungen zu anderen, Zuneigung und Liebe. Sie stehen zwischen ihren Abhängigkeitswünschen und ihrem Autonomiebestreben. Diesen Konflikt zeigt auch der selbstdestruktive Typ, der sich allerdings dafür hasst und aus diesem Grund am häufigsten selbstverletzendes Verhalten zeigt. Ihr Verhalten kann sehr unterwürfig sein, um Konflikte mit anderen Menschen zu vermeiden. Sie verfügen über eine hohe Sensibilität für Stimmungen und Erwartungen anderer. Trautmann weist darauf hin, dass die Berücksichtigung der sozialen Rahmenbedingungen, wie Arbeitslosigkeit, Wohnung, Freundeskreis, für die therapeutische Arbeit wichtig ist. 87 Durch den Konsum von Suchtmitteln reduzieren Borderline Patienten ihre negativen Gefühle der Hilflosigkeit in Stresssituationen und im Umgang mit Konflikten (Költzsch & Brodbeck 2002). Dulz und Schneider (2001) fügen hinzu, dass es bei dem Drogenkonsum weniger um die Rauschwirkung geht, als vielmehr um die Vermeidung diffuser Ängste und innerer Leere. Damit dient die Drogenwirkung der Vermeidung negativer Emotionen, lerntheoretisch eine negative Verstärkung und eine Art der Selbstmedikation, die häufig in die Suchtmittelabhängigkeit führt. 5.2.6 Therapeutische Behandlungsansätze der Borderline-Störung Bei der Behandlung von Borderline Patienten kann es in Phasen schwerer Impulsausbrüche und starker Neigung zu psychotischer Dekompensation notwendig sein, auch medikamentös zu behandeln. Neuroleptika wirken antipsychotisch und impulsdämpfend, bei länger anhaltenden ausgeprägten Verstimmungszuständen können Antidepressiva gegeben werden (Schwarzer 1999; Rentrop et al 2007). Langfristig ist aber die Psychotherapie die angezeigte Behandlungsform. Dabei geht es bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen allgemein immer nur um eine Abmilderung der Symptome, die Persönlichkeitsstörung an sich ist überdauernd. Den kognitiv verhaltenstherapeutischen Ansatz bei der Behandlung von Borderline Patienten vertritt neben Beck auch Marsha Linehan (Fiedler 2005). Sie geht von einem affektiven Vulnerabilitätskonzept aus und sieht die Störung im Bereich der affektiv – depressiven Stimmungsstörungen. Zentrales Symptom ist für Linehan die selbstdestruktive Impulsivität der Betroffenen. Sie wertet es als eine Problemlösestrategie, um unangenehmes Erleben zu reduzieren. Primäre Dysfunktion ist für Linehan eine unangemessene Affektregulation. Sie beschreibt „eine hohe Sensitivität gegenüber emotionalen Stimuli, heftige Reaktionen schon auf schwache Reize und eine nur langsame Rückkehr zum Ausgangsniveau“ (Linehan 1989, S. 221, aus Fiedler 2005). Da die Patienten selbst ein stabiles Eingebundensein in bestehende Beziehungen nicht erleben, suchen sie ihr Umfeld nach Richtlinien für ihr Denken und Fühlen ab. Sie verfügen nicht über ein stabiles Identitätserleben. Linehan hat ein Therapiemanual für die Gruppentherapie mit Borderline – Patienten erstellt, das auch als Skillstraining bekannt geworden ist (Rentrop et al 2007), also als Training bestimmter Fertigkeiten, die eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen erreichen soll. Das Training erstreckt sich über acht Gruppensitzungen, die einmal wöchentlich mit einer Dauer von zweieinhalb Stunden stattfinden sollen. Dieses Programm wird in Anhang B auf Seite 162, vorgestellt. 88 Für Beck et al (1997) stehen bei Borderline Patienten die Stabilisierung des Selbstbildes im Vordergrund, das Akzeptieren von persönlichen Erfolgen und die Steigerung der Selbstwirksamkeit. Aber auch die Auseinandersetzung mit dysfunktionalen Kognitionen, besonders im Hinblick auf „die Sabotage ihrer eigenen Ziele und dem Glauben, sie seien nichts wert“ (ebenda S. 297), sind für den Autor wesentliche Aufgaben der Behandlung. Ihre niedrige Toleranz gegenüber Konflikten und ihr ausgeprägtes Empfinden innerer Leere und Einsamkeit macht es in der Behandlung notwendig, dass sie den Aufbau neuer Beziehungen und/oder die Erneuerung alter Beziehungen erlernen. Das Dekatastrophisierung ist notwendig, um die Patienten gegenüber Einüben von ihrer massiven Hoffnungslosigkeit zu stärken. Dem ausgeprägten Schwarz – Weiß – Denken dieser Patienten sollte durch eine Überprüfung der zugrunde liegenden Kognitionen und der Entwicklung von konstruktiven Gedankenmustern begegnet werden. Das beschriebene schwierige Beziehungsverhalten der Patienten zeigt sich natürlich auch in der Arbeitsbeziehung zwischen Patient und Therapeut. Für Trautmann (2004) ist bei der Behandlung von Patienten mit Borderline Störung wichtig, klare Absprachen zu treffen, ein klares, gut strukturiertes Setting und eine rasche Klärung des Arbeitsauftrags. Absolute Ehrlichkeit ist ein weiterer wichtiger Punkt in der Zusammenarbeit mit diesen Patienten, da sie durch ihre hohe Sensibilität schnell spüren, ob beispielsweise ein genanntes Motiv für eine Intervention ehrlich ist oder nicht. In ihrer Kindheit haben sie, so der Autor, oft genug erlebt, dass etwas zu ihrem Besten sein sollte, was dann allerdings dem Wohl des anderen diente. Außerdem würden diese Patienten sehr das Helfermotiv des Therapeuten ansprechen, was bedeutet, dass der Behandelnde sich immer wieder überprüfen muss, wessen Verantwortung er gerade übernimmt (Schwarzer 1999). Die Spaltung der Welt in Gut und Böse nimmt der Borderline Patient auch innerhalb eines Teams vor. Dabei kann der heute idealisierte Mitarbeiter morgen komplett unfähig sein, was für den betroffenen Mitarbeiter als durchaus kränkend erlebt werden kann. Schwarzer (1999) empfiehlt ein solches Verhalten nicht als persönliche Kränkung zu sehen, sondern es als einen Ausweg aus einer angstauslösenden Beziehungssituation zu sehen, zu der dem Patient andere Verhaltensalternativen fehlen. Mögliche Gegenübertragungen durch den Therapeuten gelte es nicht herunter zu spielen, sondern sich offen damit auseinander zu setzen. Offener Austausch im Team, Intervision und Supervision sind in der Arbeit mit Borderline Patienten besonders wichtig, auch um immer wieder zu einer einheitlichen Linie zurück zu finden. 89 5.2.7 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender Suchtmittelabhängigkeit und Borderline-Störung Die Aufgaben der Behandlungspfade (BHP), die in der Behandlung dieser Patientengruppe besonders wichtig sind oder neu dazu genommen wurden, weil sie bei der Behandlung ausschließlich suchtmittelabhängiger Patienten nicht notwendig waren, sind in den nun folgenden Flussdiagrammen der Behandlungsphasen fett-kursiv hervorgehoben. Orientierungsphase 1. – 8. Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Borderlinestörung (BDL) Aufnahme d. Rehabilitanden u. Bezugsgruppenzuteilung Verantwortlichkeiten 1 Arzt 2 Bezugstherapeut 4 Psychologe Therapeutische Aufnahme 2 1 Medizin. Diagnostik Bemerkungen Psychologische Diagnostik Aufnahmee 3 Zuordnung BDL BHP 4 Tests 5 Aufnahmeanamnesebogen / Aufnahmemappe 1 vergl. Kap. IV.4.1 Medizinische Aufnahme; Kap. IV.4.2 Therapeutische Aufnahme MGU: Medizinische Fragebögen Nein 2 Klärung der Nebenkosten, Krankenkasse Juristisches BHP Sucht Ja 4 – 19 Bezugstherapeut Teilweise auch Einzeltherapeut Stabilisierung d. Therapiemotivation 6 Erste Verhaltensanalysen 7 erste Zielvereinbarungen mit Rehabilitanden 8 Beobachtungen Beobachtungen des des Sozialverhaltens Sozialverhaltens/ Verantwortungsübernahme 9 Anbindung an die Gruppe und an die Klinik 10 Psychoedukation & -Skillstraining 11 3 Abklärung der Medikation Differenzierung des Behandlungspla nes nach individuellem diagnostischen Schwerpunkt 4 BSI 5&7 Fallbesprechung im Team Vorlage Suchtinfo Erlernen eines Entspannungstrainings Vorstellung der Familienanamnese 12 14 6- 16, ohne 7-8, finden in Bezugsgruppen statt 13 Teilnahme am Gesundheitstraining Auseinandersetzung Selbtbild 15 Schilderung der Lebensgeschichte Darstellung des sozialen Netzes 11 QMFB IV.5.7 Indikationsgrup pen Unterschriftenli ste 16 Vorlage Soziales Netz Anstehende Aufgaben erfüllt 17 Nein WechselJain Kernphase Nacharbeiten fehlender Aufgaben 18 19 90 Behandlungspfad Kernphase 9 - 17 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Borderline Störung Verantwortung Aufnahme in die Kernphase Bemerkungen 1 – 24 Bezugstherapeut , teilweise Einzeltherapeut, 1 Vorstellung der Suchtanamnese 2 Erarbeitung der Funktonalität der Drogen Entwicklung Sinn drogen-freien Lebens 3 Auseinandersetz ung mit Selbst/ Fremdbild 4 Erarbeiten dysfunktionaler Kognitionen 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit 6 Vorstellung des Delinquenzverlaufs 7 Analyse der kriminellen Energie 8 Entwicklung von Zukunftsperspektive 9 10 Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe 13 Emotionen & Emotionstagebuch 16 Teilnahme an Rückfallprophylaxe 19 Durchführung von Rehafahrten Auseinandersetz ung Beziehungsgestaltung 11 Angehörigen Gespräch 12 Geschlechtsspezfische Themen 14 Auseinandersetz ung mit dem Thema Sexualität 15 Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung Reflexion i. d. Gruppe 17 Teilnahme an Selbstsicherheits training 20 Zielvereinbarung überprüfen 18 Die Aufgaben, der Kernphase, werden in den Therapiestandards festgehalten und abgezeichnet vom jeweiligen Therapeuten MGU: QMVA IV.5.3 Therapiestandards (S. 189) 16 QMFB IV.5.7 Indikationsgruppe n Unterschriftenliste 21 24 Nacharbeit fehlender Themen 23 nein Aufgaben erfüllt?? 22 ja a Wechsel in Abschlussphase 91 Behandlungspfad Abschlussphase 18 – 26 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und Borderline Störung Aufnahme in die Abschlussphase Beobachtung des Sozialverhaltens in der Gruppe Verantwortung 1 Bemerkungen 1 - 19 Bezugstherapeut Einzeltherapeut 2 QMFB IV 5 7 Indikationsgruppen Unterschriftenliste Teilnahme an der Rückfallprophylaxe 2 Krisenbewältig. Stressmanagem. / Notfallheft Ausgewogenheit v. Selbst- u. Gem. schaftsverantwortung 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit Nachsorgeplanung Adaption / BeWo Rehafahrten/ Heimfahrten 8 11 3 Besuch einer Selbsthilfegruppe 6 9 Erarbeitung einer Berufsperspektiven Teilnahme an einem Genusstraining Entwicklung einer ZukunftsPerspektive 4 7 10 11 QMFB IV.10.3 Rehafahrtscheine 12 Reflexion i. Einzel. /Gruppe 13 QMFB IV.5.5 SGELaufzettel_Freizeit gestaltung Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung 13 14 Abschied aktiv gestalten 15 QMFB IV.11.3 Patientenfragebog en Abschlussdiagnostik Psychologischer Test: BSI 16 15 Zielvereinbarun gen überprüfen 17 Nachbearbeitung fehlender Themen 18 nein Aufgaben erfüllt?? ja Entlassung 19 92 Wie bei den Behandlungspfaden für Depression und Suchtmittelabhängigkeit werde ich auch hier nur die Veränderungen der drei Behandlungspfade vorstellen. Da es sich bei der Borderline-Störung um ein vielfältiges Störungsbild handelt, ist es schwierig, diesen Anforderungen im Rahmen einer Drogenentwöhnungsbehandlung voll gerecht zu werden, denn eigentlich brauchen die Betroffenen alles, was Süchtige auch brauchen, nur in größerem Umfang. Ich beginne mit den Veränderungen innerhalb der Orientierungsphase. Zur Zeit wird die Diagnostik bei bestehendem Verdacht auf oder einer bereits diagnostizierten Persönlichkeitsstörung durch die leitende Psychiaterin durchgeführt. In der ersten Teambesprechung nach allerspätestens zwei Wochen würde im Team entschieden, ob der Patient den Behandlungspfad für die Borderline Patienten durchlaufen sollte. Durch das häufig auffallende Verhalten kommt es meist schnell zu einer Auseinandersetzung mit dem gezeigten Sozialverhalten in der Bezugsgruppe. Im Rahmen der Einzelgespräche sollten die Schwierigkeiten des Patienten im Sozialkontakt noch einmal angesprochen werden und die Beziehung zwischen Selbstbild und Auftreten des Patienten sollte erarbeitet werden. In den Einzelkontakten müsste eine erste Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen stattfinden, wobei zu Beginn besonders die Stärken fokussiert werden sollten, um die Selbstwirksamkeit der Patienten zu stabilisieren und damit die Abstinenzzuversicht zu verbessern. Da durch den Verzicht auf die Droge ein wesentliches Regulativ zur Emotionssteuerung fehlt, würde bereits in der Orientierungsphase mit dem Skillstraining und den regelmäßigen Entspannungsübungen begonnen. Da die Patienten zu Beginn oft mit den Großplenen emotional überfordert sind, könnte für sie in dieser Zeit im Rahmen der Psychoedukation eine Schulung angeboten werden. Bezüglich des Skillstraining ist mit der Erstellung eines Notfallkoffers zu beginnen, es wird gemeinsam mit den Patienten überlegt und geübt, was ihnen in dem bestehenden Rahmen helfen könnte, ihre Emotionen besser zu kontrollieren. Ob es dem Patienten gelingt, ein gutes Gleichgewicht zwischen Selbstverantwortung und Verantwortungsübernahme in der Therapiegemeinschaft zu entwickeln, muss bei Borderline Patienten sicherlich bereits in dieser Phase beleuchtet werden und nicht, wie bei den Behandlungspfaden der ausschließlich suchtmittelabhängigen Patienten, in der Abschlussphase. Meist übernehmen diese Patienten bereits nach kurzer Zeit viel Verantwortung innerhalb der Großgruppe, da dies Teil ihrer Beziehungsmuster ist. Damit schaffen die Patienten aber gerade zum Behandlungsbeginn eine Überforderungssituation, auf die sie mit impulsiven Durchbrüchen reagieren. Oft entstehen dadurch Situationen, in denen die Patienten die Behandlung abbrechen wollen, da sie sich in eine ihnen bekannte 93 Lage gebracht haben und daraus ableiten, dass die Behandlung keinen Sinn hat und die Drogen doch das Einzige sind, was ihnen helfen kann. Die mit dem oben Beschriebenen im Zusammenhang stehende Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Selbstbild, die Verbesserung der Selbstwirksamkeit und der Abstinenzzuversicht sind Aufgaben, die sich durch die gesamte Behandlung der Patienten ziehen müssen, aber bereits in der Orientierungsphase beginnen sollten. In der Kernphase sollten zusätzlich das intensive Erarbeiten der dysfunktionalen Kognitionen und die detailierte Auseinandersetzung mit dem emotionalen Erleben im Behandlungsfokus stehen, damit die Patienten lernen, ihre Emotionen besser zu differenzieren. Dazu ist es notwendig, dass sie ein Emotionstagebuch führen, das regelmäßig durch den Bezugs- oder den Einzeltherapeut angesehen und besprochen wird. Borderline Patienten müssen in den ersten beiden Behandlungsdritteln mehr Einzelgespräche erhalten als ausschließlich suchtmittelabhängige Patienten. Dabei wäre es wichtig, dass sich Bezugs- und Einzeltherapeut gut austauschen, sonst wird der Patient mit seinen Spaltungsversuchen sicherlich zum Erfolg kommen. Über die Beziehungsgestaltung der Patienten innerhalb der Patientenschaft und des Teams wird zur allgemeinen Beziehungsgestaltung der Patienten übergeleitet, da hier häufig pathologische Muster vorliegen. Sollten die Patienten einen engeren Kontakt zu einem anderen Patienten eingegangen sein, was häufig der Fall ist, können an diesem konkreten Beispiel die Beziehungsmuster thematisiert werden. Hierzu gehört ebenfalls die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen, die zur Zeit meist in Einzelgesprächen oder in den Männer- oder Frauengruppen stattfindet. Für eine langfristige Abstinenz ist eine konkrete Entwicklung der Zukunftsperspektive und damit verbunden eine Sinnfindung für eine drogenfreies Leben maßgeblich. Hier kann man wieder alten Denkmustern begegnen, so dass unter Umständen erneut eine Überprüfung der kognitiven Muster notwendig wäre. Die zuletzt genannten Themen müssen natürlich auch in der Abschlussphase weiter bearbeitet werden. Wenn es der Klinikrahmen zulässt, findet aktuell in der letzten Phase noch einmal ein Genusstraining statt, meist ist es verkürzt auf die Sinnesreize, die für den Patienten oder die Patientengruppe wichtig sind, häufig Schmecken, Hören und Fühlen. Dies müsste fester Bestandteil des Behandlungspfades werden. Erreicht ein Borderline Patient die Abschiedsphase der Behandlung, was leider in den meisten Fällen nicht der Fall ist, liegt hier noch einmal eine Hürde durch den bevorstehenden Abschied. Die damit verbundenen Emotionen müssen sowohl in den Einzel- als auch in den Gruppensitzungen besprochen und 94 ein angemessener Umgang damit erarbeitet werden. Hilfreich kann es sein, hier immer an das Erreichte zu erinnern und damit die Selbstwirksamkeit zu aktivieren, so dass der Patient den Mut und die Energie aufbringen kann für den Wechsel in die Nachsorgeeinrichtung. Aufgaben, die ich bereits an anderer Stelle beschrieben habe, stelle ich hier nicht erneut vor, sondern verweise durch die hinter der Aufgabe stehende Seitenzahl auf die frühere Beschreibung. Zusätzliche oder modifizierte Aufgaben während der Behandlung: • Diagnostik (31) • Überprüfung dysfunktionaler Kognitionen (S. 47) • Emotionstagebuch (S. 152) • Entspannungstraining (S. 157) • Ressourcenaufbau (S.158) • Emotionsregulationstraining (S. 166) • Gruppentherapie für Borderline Patienten nach Linehan (angeboten im Rahmen der Psychoedukation) (S. 168) • Genusstraining (S. 170) • Selbstsicherheitstraining (S.182) • Skillstraining und Notfallkoffer Gruppentherapie für Borderline Störung nach Linehan Das Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Borderline Störung nach Linehan (1993) besteht aus acht Sitzungen, die hier kurz vorgestellt werden (nach Fiedler 2005). Ich stelle hier nur eine grobe Zusammenfassung vor, eine ausführlichere Ausarbeitung ist bei den Trainingsprogrammen (S.168) im Anhang zu finden. Die erste Sitzung dient der Orientierung über das Therapieprogramm und der Vorstellung der Gruppenteilnehmer. Die zweite Sitzung beschäftigt sich mit der Schulung der Wahrnehmungsfertigkeiten. Die Patienten erhalten Selbstbeobachtungsprotokolle, in die sie alle störungsrelevanten Ereignisse und Erfahrungen eintragen sollen. Diese werden in jeder folgenden Sitzung besprochen und spiegeln Veränderungen und Therapiefortschritte wider. Wichtig ist bei der Nachbearbeitung der Tagebücher, rationale Handlungen den emotionalen Handlungen gegenüber zu stellen. Die Patienten werden dazu aufgefordert, die bei ihnen überwiegenden Emotionen durch das Einüben sorgfältigen Nachdenkens und inhaltlich begründeten Handelns zu ersetzen. Ziel ist es, rationale und gefühlsmäßige Situationsaspekte zu 95 integrieren. Durch verschiedene Übungen wird den Patienten gezeigt, dass es zwischen Schwarz und Weiß viele weitere Farbschattierungen gibt. Skillstraining Skills bedeuten in der Dialektisch Behavioralen Therapie nach Linehan Fertigkeiten, die helfen sollen, Anspannungen zu reduzieren und krisenhafte Situationen ohne selbstschädigendes Verhalten zu überstehen (Rentrop et al 2008). Selbstschädigendes Verhalten ist anzusehen als eine Reaktionsbildung zur Vermeidung oder Reduzierung negativer Emotionen und wird von den Patienten häufig als Kontrollverlust erlebt. Klares Denken ist dann meist nicht mehr möglich, es ist nur noch der eine Wunsch da, den unangenehmen Zustand rasch zu beenden. Dass es den Patienten gelingt, in einer solchen Situation die Kontrolle zu behalten, dies ist das Ziel eines Skillstrainings. Dabei werden verschiedene Lebensbereiche trainiert. Es gibt Stresstoleranzskills, die auf Körperempfindungen basieren und ungefährliche Schmerzreize darstellen. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Emotionsregulation, indem die Patienten lernen, ihre Gefühle richtig zu identifizieren und ein überlegtes Handeln anzuschließen. Beim Erwerb zwischenmenschlicher Skills geht es darum, Gefühle, Wünsche und Kritik angemessen auszudrücken, wie das Trainingsprogramm nach Linehan zeigt. Zu guter Letzt ist das Einüben von Achtsamkeit ein wesentliches Training, bewusst im Augenblick leben, was meist durch regelmäßige Meditationsübungen und durch das Erlernen einer Entspannungstechnik erreicht werden kann. Der Notfallkoffer Die Materialien, die für die Stresstoleranzskills benötigt werden, fassen Borderline Patienten häufig in einem „Notfallkoffer“ zusammen. Dazu probieren die Patienten die einzelnen Mittel im normalen Alltag, ohne erhöhtes Stresserleben aus, und entscheiden, welche ihnen am besten helfen könnten. Diese Substanzen werden dann an einem festen Ort in der Wohnung aufbewahrt und werden in der Tasche oder dem Rucksack der Patienten immer mitgeführt (Rentrop et al 2008). Oft ist es zu Behandlungsbeginn so, dass eine Kette von Substanzen genutzt werden müssen, um dem emotionalen Erleben einen wirksamen Gegenreiz zu bieten, z.B. nimmt jemand zunächst Braustabletten ein, Ammoniakfläschchen. Werden kaut durch anschließend eine Chilischote und riecht das Training der anderen Fähigkeiten am die Kontrollmöglichkeiten des emotionalen Erlebens immer mehr verbessert, bedarf es meist keiner Ketten von Substanzen mehr, sondern es reicht ein Mittel in absoluten Notsituationen. 96 5.3 Die Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung. Der letzte modifizierte Behandlungspfad stellt die Behandlung bei bestehender Komorbidität von Suchtmittelabhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung dar. Vogelgesang (2006) beschreibt zwei Typen von gewalttätigen Patienten, die es in einer Einrichtung geben kann. Einmal ist es der Patient, der nicht über seine Aggressivität und Gewalttätigkeit sprechen möchte, weil er sich für sein Verhalten schämt. Dieser Patient hat dann allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit keine dissoziale Persönlichkeitsstörung, da bei ihm ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass das gezeigte Verhalten nicht der Norm entspricht. Der zweite Typ des gewalttätigen Patienten, ist sich der Auffälligkeit seines Verhaltens gar nicht bewusst, er erachtet es als sein Recht, sich nicht an das Recht halten zu müssen. Um diese Patienten geht es in den folgenden Ausführungen, die, wie auch bei den anderen Störungsbildern, mit den Diagnosekriterien beginnen. 5.3.1 Diagnostik der dissozialer Persönlichkeitsstörung Zunächst die Diagnosekriterien der dissozialen Persönlichkeitsstörung (F60.2) nach ICD 10 (2010, S. 248): Diese Persönlichkeitsstörung fällt durch eine große Diskrepanz zwischen dem Verhalten und den geltenden sozialen Normen auf und ist charakterisiert durch: 1. Kaltes Unbeteiligtsein und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer. 2. Grobe und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen. 3. Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen, aber keine Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen. 4. Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten. 5. Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein oder zum Lernen aus Erfahrungen, besonders aus Bestrafungen. 6. Ausgeprägte Neigung, andere zu beschuldigen oder einleuchtende Rationalisierungen für das eigene Verhalten anzubieten, durch welches die Person in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist. 97 5.3.2 Epidemiologie der dissozialen Persönlichkeitsstörung Rieger et al erhoben 1990 Daten, bei denen 50 % der Opiatabhängigen eine dissoziale Persönlichkeitsstörung aufwiesen. Beck et al (1994) nennt eine Lebenszeitprävalenz der dissozialen Persönlichkeitsstörung bei Suchtmittelabhängigen von 20 – 50%, eine beachtliche Spanne. 5.3.3 Ätiologie der dissozialen Persönlichkeitsstörung Davison und Neale (1998) stellen zahlreiche Untersuchungen vor, die mit dissozialen Personen durchgeführt wurden, um ein besseres Verständnis für dieses Störungsbild zu erlangen. Adoptionsstudien konnten zeigen, dass dissoziales Verhalten genetisch weiter gegeben wird, so dass die Kinder eines dissozialen Elternteils eine erhöhte Disposition habe, selbst dieses Verhalten zu zeigen. Untersuchungen des zentralen Nervensystems dieser Personen zeigten Abnormitäten bei der gezeigten Wellenfrequenz. Die Autoren erwähnen unter anderen eine Studie von Ellington (1954), die eine niedrige Wellenfrequenz im EEG dissozialer Menschen zeigt, wie sie für Säuglinge und Kleinkinder normal ist, aber nicht für Erwachsene. Eine weitere Untersuchung von Sydulko (1978) wird zitiert, die neben der niedrigen Wellenfrequenz positive Spitzen im Temporallappen aufwiesen, die aus Aktivitätsausbrüchen mit einer hohen Frequenz bestanden. Allerdings weisen nicht alle Patienten diese Abnormitäten auf, so dass nicht von einem allgemein gültigen Kriterium ausgegangen werden kann. Untersuchungen von McCord und MCCord aus dem Jahr 1964 zu den familiären Beziehungen, in denen dissoziale Personen aufwachsen zeigen, dass elterliche Zuwendung häufig fehlte und die Kinder von den Eltern zurückgewiesen wurden. Andere Untersuchungen zeigten, dass die Eltern sowohl in ihren Disziplinierungsmaßnahmen als auch in dem Versuch, den Kindern Verantwortung für andere beizubringen, inkonsequent waren (Bennett 1960 in Davison & Neale 1998). Eine offene Frage war, warum dissoziale Personen nicht aus Erfahrungen lernen. Eine Annahme hierzu war, dass das Angstniveau der Patienten niedriger ist als bei normalen Menschen, was sich durch verschiedene Untersuchungen (Lykken, 1957 und Schachter und Latané,1964 in Davison Neale,1998) bestätigte. Außerdem gelingt es den Patienten sehr rasch, sich innerlich von dem Gefühl der Angst zu distanzieren (Ogloff & Wong 1990 in Davison & Neale 1998). 1970 erweiterte Schmauk die Fragestellung der mangelnden Lernfähigkeit um den Aspekt der Differenzierung der Strafe und stellte fest, dass die Patienten durchaus in der Lage waren, ihr Verhalten zu kontrollieren, und zwar dann, wenn sie durch das Nichtlernen materiellen Schaden nehmen würden. Ein anderer Faktor ist die Schwierigkeit der Patienten, über einen längeren Zeitraum eine zielgerichtete Tätigkeit beizubehalten. Hier ergaben Untersuchungen von Gorenstein und Newman (1980), das Tiere mit Läsionen im ZNS im Bereich des 98 Septums, des Hippocampus und des präfrontalen Cortex ähnliche Schwierigkeiten hatten. Gorenstein nimmt an, dass die Präsens eines Ereignisses, das nicht unmittelbar in der näheren Umgebung auftritt, beispielsweise eine Inhaftierung bei bestimmten Straftaten, bei diesen Läsionen nur schwach ist und damit nicht zur Verhaltenskontrolle führen kann. Aus lerntheoretischer Sicht beschreibt Margraf (2000), dass bei Kindern mit einer Störung des Sozialverhaltens oft eine familiäre Häufung aggressiver, expansiver Verhaltensweisen vorliegt, entsprechend den Ausführungen von Davison und Neale. Zudem würde das aggressive Verhalten der Kinder immer wieder verstärkt. Sie erhalten durch ihr aggressives Verhalten mehr Aufmerksamkeit durch Eltern oder Lehrer, oder die Eltern ziehen an die Kinder gestellte Anforderungen zurück, weil die Kinder aggressiv reagieren. All das bedeutet für das kindliche Verhalten eine negative Verstärkung. Andere Kinder ziehen sich von dem aggressiven Kind zurück oder reagieren passiv, was das aggressive Verhalten weiter verstärken kann. Der Autor weist auf das Modelllernen nach Bandura hin, der in einer Untersuchung belegen konnte, dass Kinder sich im Ausdruck ihres aggressiven Verhaltens an erwachsenen Vorbildern orientieren. Der Erziehungsstil der Eltern sei, so Margraf, häufig stark bestrafend. Diese Kinder zeigen außerhalb der Familie öfter aggressives Verhalten als Kinder, die mit einem weniger hart strafenden Erziehungsstil aufwachsen. Der Erziehungsstil der Eltern sich expansiv verhaltender Kinder wird als unberechenbar beschrieben. Auch wird genannt, dass Elternpaare dieser Kinder häufig streiten. Die Therapieforschung zu diesem Störungsbild zeigt durchaus Möglichkeiten einer erfolgreichen Behandlung, wenn die Eltern angeleitet werden, effektiver auf das Verhalten ihrer Kinder einzugehen und den Kindern und Jugendlichen alternative Verhaltensweisen zu ihrem aggressiven Verhalten gezeigt werden. Allerdings stellt Margraf (2000) fest, dass auch hier bei den angebotenen Trainingsprogrammen eine Abbruchquote von 50 % vorliegt. Je ausgeprägter das aggressive Verhalten ist, desto ungünstiger ist die Prognose (ebenda). Trotzdem besteht durch die frühzeitige Behandlung dieser Störung eine deutlich bessere Prognose als bei der Erwachsenenstörung der Dissozialität. Aus diesem Grund habe ich das Störungsbild der expansiven Verhaltensstörung hier kurz erwähnt. 5.3.4 Therapeutische Behandlungsansätze bei dissozialer Persönlichkeitsstörung Moggi (2002) empfiehlt für die Behandlung von Patienten mit dissozialer Persönlichkeitsstörung, zunächst das Interesse für die Behandlung zu wecken, da die meisten dieser Patientengruppe nicht freiwillig in eine Behandlung gehen. Machtkämpfe gälte es zu vermeiden und die Zusammenarbeit müsse immer wieder auf die sachliche 99 Ebene zurück geführt werden, auch wenn der Patient wiederholt Manipulationsversuche unternehme. Beck et al (1997) empfehlen, ebenso wie Moggi, bei dissozialen Patienten als erstes einmal nicht auf die angebotenen Machtkämpfe einzugehen (ebenso Vogelgesang 2006). Die Notizen der Sitzungen sollten möglichst detailliert sein, um Leugnungen entgegenwirken zu können. Auf der Ebene der Verantwortung sei der dissozial persönlichkeitsgestörte Patient nicht erreichbar. Erfolgreicher sei es, ihm Kosten und Nutzen seines Verhaltens vor Augen zu führen und durch eine unterhaltsame Therapie sein Interesse an der Fortsetzung der Behandlung zu erreichen. Ein weiterer wesentlicher Behandlungsbaustein ist aus seiner Sicht ein Selbstsicherheitstraining. Dies begründen Beck et al (1997) damit, dass die Grundlage des passiv-aggressiven Verhaltens oft eine reduzierte Selbstsicherheit sei. Durch ein echtes stabiles Selbstbewusstsein würden die Patienten beispielsweise ihre Kritik direkt äußern, so dass das gezeigte Verhalten oder der Widerstand vom Therapeuten besser zu verstehen sei. Bezüglich der bereits weiter oben erwähnten Machtkämpfe beschreibt Trautmann (2004) folgendes Dilemma, in dem sich ein Therapeut gegenüber einem dissozialen Patienten befindet: „Demonstriert man gegenüber dem Patienten, dass man der Stärkere ist, kommt er nicht wieder; lässt man dem Patienten das Dominanzgefühl, kommt er auch nicht wieder, weil so ein „Schwächling“ kein ebenbürtiger Gesprächspartner ist, von dem man sich etwas sagen lässt“ (S. 95). Der Autor geht davon aus, dass eine Therapie nur dann möglich ist, wenn der Patient der Therapie nicht ausweichen kann. Dann sei es Aufgabe des Therapeuten, ständig seine Macht zu demonstrieren und sich auf die so entstehenden Konflikte einzulassen. Ich finde diese Variante sehr anstrengend für die therapeutische Arbeit und denke, dass es für den Patienten immer die Alternative der Haft gibt, die er einem eventuell aussichtslosen Machtkampf vorzieht. Eine klare Haltung ist aus meiner Erfahrung beim dissozialen Patienten notwendig, und ihm dabei das Gefühl zu vermitteln, dass ihm die Entscheidung zur Veränderung überlassen ist, ihn aber immer wieder sachlich an die Kosten einer Verweigerung zu erinnern, denn die Androhung einer Sicherheitsverwahrung stellt doch eine beachtliche negative Konsequenz für den Patienten dar. Aber es sei noch einmal erwähnt, dass dies meine eigenen Erfahrungen sind, die empirisch nicht belegt werden können. Die Chancen, durch eine Therapie eine Verhaltensänderung der Patienten herbeizuführen, wird von Davison und Neale bei dissozialen Patienten als sehr schlecht eingestuft. Da diese Personen misstrauisch sind, häufig nicht die Wahrheit sagen und ihnen soziale Kontakte unwichtig sind, ist es schwierig, zu ihnen eine stabile therapeutische Beziehung aufzubauen. 100 Da sie sich meist mit ihrem Verhalten im Recht fühlen, ist kein inneres Einsehen vorhanden, das gezeigte Verhalten zu verändern. Die Frage ist, ob sich die Behandlungschancen dieser Patienten bessern würden, wenn die Wirkungserwartung ihrer Therapeuten neutral wäre? Davon geht Vogelgesang (2006) bei der Vorstellung ihres Therapieprogramms für Patienten mit diesem Störungsbild aus. Sie benennt eine Hilf- und Hoffnungslosigkeit, mit der viele Therapeuten dissozialen Patienten begegnen, teilweise auch weil sie in ihrer Ausbildung wenig auf diese Patientengruppe vorbereitet worden sind. Dadurch kann es, so die Autorin, zwischen Patient und Therapeut zu einem Schweigebündnis bezüglich der Themen Aggression und Gewalt kommen. Das wiederum bedeutet, dass der Patient eines seiner wichtigsten Themen nicht bearbeiten kann. Die Autorin hat für ihre Einrichtung ein Therapieprogramm entwickelt, dass ich im Anhang B, S. 169 kurz vorstelle. Fiedler (2004) meint hingegen, dass sich zu sehr auf die Behandlung von Kriminalität, Delinquenz und Gewalt konzentriert wird, anstatt sich auf persönlichkeitsbedingte Interaktionseigenschaften zu konzentrieren. Die bisher angebotenen Behandlungen bestehen meist aus einer Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie, die überwiegend im Rahmen einer Institution angeboten werden. Schwerpunkte der Behandlung sollten das Herausarbeiten der für eine Person typischen Auslöser für Impulskontrollverluste und Aggressivität und eine Verbesserung der Wahrnehmung eigener Risikomerkmale und der eigenen Reaktion darauf sein. Der Patient sollte Verhaltensalternativen erwerben, mit denen er seine Interessen gewaltfrei ausdrücken und erreichen kann. Das Einbeziehen der Angehörigen und Bezugspersonen bereits in einem frühen Behandlungsstadium ist für Fiedler wichtig, um mit ihnen gemeinsam neue Konfliktlösungsmuster zu erarbeiten. Auch die Zeit nach der Entlassung sollte frühzeitig geplant werden, so dass der Patient mit einer tragfähigen Lebensperspektive die Behandlung beendet, im Idealfall durch eine Nachsorgeeinrichtung weiter begleitet werden kann. Aus dem Vorgestellten ergeben sich Veränderungen in der Behandlung, die in den nun folgenden Behandlungspfaden berücksichtigt werden. 101 5.3.5 Modifikation der Behandlungspfade für Patienten mit bestehender Suchtmittel- abhängigkeit und dissozialer Persönlichkeitsstörung Die Aufgaben der Behandlungspfade (BHP), die in der Behandlung dieser Patientengruppe besonders wichtig sind oder neu dazu genommen wurden, weil sie bei der Behandlung ausschließlich suchtmittelabhängiger Patienten nicht notwendig waren, sind in den nun folgenden Flussdiagrammen der Behandlungsphasen fett-kursiv hervorgehoben. Orientierungsphase 1. – 8. Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und dissoziale Persönlichkeitsstörung (DL) Aufnahme d. Rehabilitanden u. Bezugsgruppenzuteilung Verantwortlichkeiten 1 Arzt 2 Bezugstherapeut 4 Psychologe Therapeutische Aufnahme 1 Medizin. Diagnostik 2 Aufnahmeanamne sebogen / Aufnahmemappe Psychologische Diagnostik Aufnahmee 3 1 vergl. Kap. IV.4.1 Medizinische Aufnahme; Kap. IV.4.2 Therapeutische Aufnahme MGU: Medizinische Fragebögen 4 Test 5 Zuordnung DL BHP 2 Klärung der Nebenkosten, Krankenkasse Juristisches BHP Sucht Nein Ja 6 – 18 Bezugstherapeut Teilweise auch Einzeltherapeut Bemerkungen Stabilisierung d. Therapiemotivation 6 Erste Verhaltensanalysen 7 erste Zielvereinbarungen mit Rehabilitanden Beobachtungen des Sozialverhaltens in der Gruppe 9 Anbindung an die Gruppe und an die Klinik 10 Teilnahme an Psychoedukation Teilnahme an einem Gesundheitstraining 12 3 Abklärung der Medikation Differenzierung des Behandlungspla nes nach individuellem diagnostischen Schwerpunkt 8 11 4 BSI 5 &7 Fallbesprechung im Team Vorlage Suchtinfo Erhebung der Familienanalyse 13 14 Schilderung der Lebensgeschichte 5- 18, ohne 6-8, finden in Bezugsgruppen statt Darstellung des sozialen Netzes 11 QMFB IV.5.7 Indikationsgrup pen Unterschriftenli ste 15 Vorlage Soziales Netz 16 Anstehende Aufgaben erfüllt Nein Nacharbeiten fehlender Aufgaben 17 Ja Wechsel in Kernphase 18 102 Behandlungspfad Kernphase 9 - 17 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und dissoziale Persönlichkeitsstörung Verantwortung Aufnahme in die Kernphase Bemerkungen 1 – 24 Bezugstherapeut , teilweise Einzeltherapeut, Vorstellung des Delinquenzverlaufs 1 Analyse der kriminellen Energie Auseinandersetz ung mit Selbst-/ Fremdbild 4 Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen Vorstellung der Suchtanamnese 7 Erarbeitung der Funktionalität der Drogen 10 Beobachtung des Sozialverhaltens 13 Auseinandersetz ung mit Emotionen 16 Teilnehme an Rückfallprophylaxe 19 Durchführung von Rehafahrten 2 Erarbeitung des Kosten/ Nutzen Abwägens 3 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit 6 8 Sinn eines drogenfreien Lebens 9 Auseinandersetz ung Beziehungsgestaltung 11 Angehörigen Gespräch 12 Geschlechtsspezfische Themen 14 Auseinandersetz ung mit dem Thema Sexualität 15 Entwicklung einer Zukunftsperspektive/ Nachsorge 18 Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung Reflexion i. d. Gruppe 17 20 Zielvereinba rungen überprüfen Die Aufgaben, der Kernphase, deren Erledigung durch die Rehabilitanden erfolgt, werden in den Therapiestandar ds festgehalten und abgezeichnet vom jeweiligen Therapeuten MGU: QMVA IV.5.3 Therapiestandar ds 16 QMFB IV.5.7 Indikationsgruppen Unterschriftenlist e 21 24 Nacharbeit fehlender Themen 23 nein Aufgaben erfüllt?? 22 ja a Wechsel in Abschlussphase 103 Behandlungspfad Abschlussphase 18 – 26 Behandlungswoche Suchtmittelabhängigkeit und dissoziale Persönlichkeitsstörung Aufnahme in die Abschlussphase Beobachtung des Sozialverhaltens Verantwortung 1 - 18 Bezugstherapeut Einzeltherapeut 1 Bemerkungen 2 QMFB IV 5 7 Indikationsgruppen Unterschriftenliste Bezugsgru Teilnahme an Rückfallprophylaxe 2 Krisenbewältig. Stressmanagem. / Notfallheft Ausgewogenheit v. Selbst- u. Gem. schaftsverantwortung 5 Erhöhung der Selbstwirksamkeit 7 Nachsorgeplanung Adaption / BeWo 3 Besuch einer Selbsthilfegruppe 4 6 8 Erarbeitung von Berufsperspektiven Entwicklung einer Zukunftsperspektive 9 10 QMFB IV.10.3 Rehafahrtscheine Durchführung von Rehafahrten/ Heimfahrten Erarbeitung aktiver Freizeitgestaltung 10 12 Reflexion in Einzel. /Gruppe 11 12 QMFB IV.5.5 SGELaufzettel_Freizeit gestaltung 13 Abschied aktiv gestalten 14 QMFB IV.11.3 Patientenfragebog en Abschlussdiagnostik 14 Psychologischer Test: BSI 15 Zielvereinbarun gen überprüfen 16 Nachbearbeitung Bemerkungen 17 nein Aufgaben erfüllt?? ja Entlassung 18 104 Wie bei den Modifikationen der Behandlungspfade bei Depression und Suchtmittelabhängigkeit und Borderline Störung und Suchtmittelabhängigkeit werde ich auch hier nur die Veränderungen der drei Behandlungspfade vorstellen. Zusätzlich zu dem Fragebogen der Aufnahmediagnostik findet aktuell eine ausführliche Diagnostik durch die leitende Psychiaterin statt. Eine ausführliche Anamnese des Bezugstherapeuten, die sehr sorgfältig protokolliert wird, ist ebenfalls wichtig für eine gute Diagnostik. Ob der Patient diesem Behandlungspfad zugeordnet wird, sollte spätestens nach zwei Wochen in einer Teambesprechung entschieden werden. Während der gesamten Behandlung sollte großes Augenmerk auf das gezeigte Sozialverhalten des Patienten gelegt werden. Hinweise, dass Regeln nicht zu diskutieren, sondern einzuhalten sind, sind hier immer wieder notwendig. Wichtig ist aber nicht nur das Einhalten der Regeln, sondern das gesamte Auftreten des Patienten, seine Körpersprache und Mimik müssen beachtet werden, da diese von den Patienten bewusst eingesetzt werden, um andere Patienten zu manipulieren, meist mit dem Ziel, sie einzuschüchtern. Dissozial persönlichkeitsgestörte Patienten mit Therapieerfahrung wissen, dass Konflikte in einer Behandlung ohne Gewalt und Gewaltandrohung gelöst werden müssen und versuchen sich zumindest vordergründig an diese Regel zu halten. Patienten mit diesem Störungsbild ohne Therapieerfahrung geben nicht vor, sich an diese Regel halten zu wollen, sondern sprechen in Konfliktsituationen Gewaltandrohungen aus. Da Gewalt und Gewaltandrohung zu einer sofortigen disziplinarischen Entlassung führen können, steht der Patient meist sehr häufig zu Behandlungsbeginn bereits vor seiner disziplinarischen Entlassung. Hier muss die erste Auseinandersetzung mit dem Kosten-Nutzen-Prinzip beginnen, indem dem Patienten verdeutlicht wird, dass ihn dieses Verhalten sofort wieder zurück in die Haft bringt. Akzeptiert der Patient diesen deutlichen Hinweis, arbeitet er dann bereits an der Verbesserung seiner Konfliktfähigkeit und der Akzeptanz der Regeln. Diese Auseinandersetzung mit der Konfliktfähigkeit und der Sozialverträglichkeit müsste sich durch die gesamte Behandlungszeit ziehen. In der Kernphase würde die vorrangige Aufgabe nicht, wie bei ausschließlich suchtmittelabhängigen Patienten, darin bestehen, den Suchtverlauf in der Bezugsgruppe vorzustellen, sondern hier muss die erste Aufgabe sein, den Delinquenzverlauf vorzustellen und regelmäßig an der Delinquenzgruppe teilzunehmen, die als Indikationsgruppe meist drei Mal im Monat über 90 Minuten angeboten wird. Bei der Analyse der Bedeutung des dissozialen Verhaltens sollte wieder das Einüben der Kosten-Nutzen-Abwägung im Vordergrund stehen. Entscheidet der Patient sich, zukünftig auf dissoziales Verhalten zu verzichten, bedeutet das für ihn eine starke Verunsicherung des Selbstbildes, so dass die 105 Teilnahme an einem Selbstsicherheitstraining notwendig ist. Auch in der Kernphase ist die Auseinandersetzung mit dem Sozialverhalten angezeigt. Ähnlich wie bei den anderen komorbiden Störungsbildern sollte auch hier bereits in der Kernphase eine Auseinandersetzung mit der Zukunftsplanung und eine Vorbereitung der Nachsorge stattfinden, da besonders für diese Patienten ein Wechsel in ein delinquenzfreies Leben als bedrohlich erlebt wird und mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Im Umgang mit Krisen brauchen diese Patienten eine umfangreiche Unterstützung, die nicht erst im letzten Behandlungsdrittel beginnen kann, sondern im Rahmen des Konfliktmanagements bereits in der Orientierungsphase beginnen muss. Aufgaben, die ich bereits an anderer Stelle beschrieben habe, stelle ich hier nicht erneut vor, sondern verweise durch die hinter der Aufgabe stehende Seitenzahl auf die frühere Beschreibung. Zusätzliche oder modifizierte Aufgaben während der Behandlung: • Ausführliche Anamneseerhebung / Diagnostik (31) • Auseinandersetzen mit Verstößen gegen die Klinikregeln (S. 149) • Vorstellung des Delinquenzverlaufes (S. 152) • Ressourcenaufbau (S. 158) • Selbstsicherheitstraining (S. 182) • Teilnahme an der Indikationsgruppe Delinquenz • Umgang mit Frustrationen Vorstellung des Delinquenzverlaufes Anders als bei der Vorstellung des Delinquenzverlaufes bei in erster Linie Suchtmittelabhängigen, ist Patienten mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung die Vorstellung ihrer Straftaten nicht unangenehm. Sie berichten von allem, was sie bisher angestellt haben mit sichtlichem Stolz, ohne daran zu denken, wo sie dieses Verhalten hingeführt hat und wie es den Opfern ihrer Straftaten ergangen ist. Hier ist es wichtig, die Gruppendynamik im Auge zu behalten. Befindet sich mehr als ein dissozialer Patient in einer Bezugsgruppe, kommt es zum gegenseitigen Sich-auf-die-Schultern-Klopfen oder offenen Respektbekundungen, was eine Verstärkung des beschriebenen Verhaltens darstellt. Es gilt dann, die nicht delinquenten Gruppenmitglieder zu stärken und zu ermutigen, ihren Eindruck zu dem Geschilderten zu äußern, um dem Patienten zu zeigen, welche Empfindungen er damit bei anderen Menschen auslöst. Aus meiner Sicht sollte aber auch der Stolz angesprochen werden und das gute Gefühl, das der Patient hatte, während er allen anderen 106 gezeigt hat, dass er viel besser ist als sie. Gleichzeitig sollte der Patient darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den Erfolgen seiner Delinquenz um kurzfristige Erfolge handelt. Teilnahme an der Indikationsgruppe Delinquenz Die Inhalte der Delinquenzgruppe der Fachklinik Liblar lehnen sich an das Münchwieser Gruppenprogramm für Substanzabhängige mit aggressiven Störungen nach Vogelsang (2006) an, das ich im Folgenden nur kurz vorstellen möchte. Eine ausführlichere Beschreibung erfolgt im Anhang B, S. 174). Wie der Titel sagt, konzentriert sich dieses Programm auf aggressive Störungen, wurde von dem Leiter der Delinquenzgruppe unserer Einrichtung aber so adaptiert, dass es für die Auseinandersetzung mit Delinquenz ebenso geeignet ist. Die Schwerpunkte sind dabei weitgehend geblieben, es geht darum, die Auslöser dissozialen Verhaltens zu erarbeiten, den Preis dieses Verhaltens zu betrachten und hierbei zwischen kurzfristigen und langfristigen Gewinnen zu unterscheiden. Des Weiteren ist das Selbstbild, das hinter dem delinquenten Verhalten steht, Thema in dieser Gruppe. Umgang mit Frustrationen Meist findet bereits zu Beginn der Behandlung eine Auseinandersetzung mit dem Thema Frustration statt, da der Patient nur schwer damit umgehen kann, dass er etwas nicht bekommt, von dem er meint, dass es ihm zusteht, beispielsweise eine Sonderregelung. Da ein dissozial persönlichkeitsgestörter Patient häufig Wünsche und Anliegen hat, die den bestehenden Klinikregeln entgegenlaufen, kommt es immer wieder zu Frustrationen, die der Patient aushalten muss. Der dissoziale Patient glaubt dann oft, seinen Willen durchsetzen zu können, indem er mit einem Behandlungsabbruch droht. Er hat die Konsequenzen dieser Handlung nicht vor Augen, falls er diese in die Tat umsetzen würde. Hier braucht er immer wieder Hinweise von außen, da, wie oben beschrieben, langfristige Konsequenzen oftmals seine Entscheidungsfindung nicht beeinflussen. Häufig hilft den Patienten an dieser Stelle der Kosten-Nutzen-Vergleich, der es ihnen ermöglicht, angemessen auf eine Frustration zu reagieren. Beck et al (1997) sagen dazu, dass es sinnvoll ist, die Kosten–Nutzen–Vergleiche zunächst für die kurzfristigen Konsequenzen zu üben und im nächsten Schritt langfristigere Abwägungen mit dem Patienten zu trainieren. Beim Kosten–Nutzen–Vergleich werden gemeinsam mit dem Patienten Überlegungen dazu angestellt, welche Konsequenzen eine Handlung für ihn hat und wie er sie bewertet. Übersteigen die Kosten den Nutzen, gilt es alternative Handlungen zu überdenken, die erneut dem Vergleich unterzogen werden. Dies 107 geschieht so lange, bis für den Patienten Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Zu den Kosten und dem Nutzen passt das sich anschließende Kapitel. Es geht im weiteren Verlauf der Arbeit darum, die Behandlungspfade für suchtmittelabhängige Patienten mit den Anforderungen des Rentenversicherungsträgers und den Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen zu vergleichen. 108 6. Die Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation Um die Aufgaben in den vorgestellten Behandlungspfaden für Suchtkranke ohne Komorbidität mit den Kategorien therapeutischer Leistungen (KTL) des Deutschen Rentenversicherungsträgers und den Leitlinien zur Alkoholbehandlung zu vergleichen, werde ich in diesem Kapitel zunächst die Bedeutung der KTL darstellen. Der dann anschließende Vergleich der KTL mit den Inhalten der Behandlungspfade erfolgt in Anlehnung an die quantitative Inhaltsanalyse aus der Sozialforschung, die ich in einem Exkurs kurz vorstelle. Nach der Gegenüberstellung von KTL und Behandlungsaufgaben schließt sich ein Vergleich der Behandlungsaufgaben mit den Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen an. 6.1 Ein Exkurs: die quantitative Inhaltsanalyse in der Sozialforschung Die Inhaltsanalyse wird als ein methodisches Verfahren definiert, das die im Text enthaltenen Aussagen oder Bedeutungen erfasst (Rustemeyer 1992). Lasswell führte diesen Begriff 1948 ein. Er verband damit die Frage: “Wer sagt was in welchem Medium zu wem mit welcher Wirkung?“(Lasswell nach Rustemeyer 1992, S.3). Damit wird deutlich, dass die Inhaltsanalyse aus dem Bereich der Medienwissenschaft stammt. Ziel der Inhaltsanalyse ist es, die „Intersubjektivität des Verstehens einer Textbotschaft“ (ebenda S. 13) anzustreben, indem einzelne Textteile systematisch überprüft werden, um festzustellen, ob und wie sie sich bestimmten herausgearbeiteten Bedeutungsinhalten zuordnen lassen. Mit Intersubjektivität ist gemeint, dass verschiedene Beobachter unabhängig voneinander zu dem gleichen Ergebnis kommen. Kernstück einer Inhaltsanalyse ist die Beschreibung und Definition der relevanten Bedeutungsaspekte, die zur Bildung sogenannter Kategorien führen, denen die Inhalte der zu analysierenden Texte zugeordnet werden. Jeder Textteil wird dabei Schritt für Schritt daraufhin überprüft welche der zuvor festgelegten Bedeutungsaspekte er enthält. In der theoriegeleiteten Forschung ist es optimal, wenn die relevanten Bedeutungsaspekte aus einer theoretischen Fragestellung deduktiv hergeleitet werden (Groeben & Rustemeyer 2001). Vorher sollte das relevante Untersuchungsmaterial festgelegt werden, ob beispielsweise Texte, Filme oder Werbung analysiert werden sollen. Die Definition der Kategorien findet im nächsten Schritt statt. Sie sollten exakt erläutert werden und es sollten positive und negative Beispiele der Inhalte der Kategorie gegeben werden. Die Passung von Analyseeinheit (Untersuchungsmaterial) und Kategoriensystem muss überprüft werden. Bei einer schlechten Passung muss das Kategoriensystem überarbeitet werden und/oder die vorher geschulten Kodierer müssen erneut geschult werden. Die Übereinstimmung der Kategorisierung der Kodierer wird vorher an festgelegtem Trainingsmaterial ermittelt, das nicht in die Ergebnisanalyse einfließt. Als nächster Schritt 109 können nun die Inhalte der Analyseeinheiten den Kategoriensystemen durch die Kodierer zugeordnet werden. Die Auswertung der Kodierergebnisse erfolgt dann entsprechend der Fragestellung und kann von der Analyse der Frequenzen bis zur Faktorenanalyse reichen. Die Ergebnisse sollten mit den eingangs aufgestellten Hpyothesen in Bezug gestellt und diskutiert werden (Groeben & Rustemeyer 2001). Ich erlaube mir bei der Gegenüberstellung der Inhalte der Behandlungspfade mit den Inhalten der KTL und der Leitlinien die Methode der Inhaltsanalyse an wesentlichen Punkten abzuwandeln. Das Kernstück der Inhaltsanalyse, das Kategoriensystem, liegt in diesem Fall bereits in Form der KTL und der Leitlinien zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen vor und muss nicht mehr entwickelt oder überprüft werden. Da es sich bei den vorgegebenen Kategorien um wissenschaftlich fundierte Fachbegriffe handelt und auch die Inhalte der Behandlungspfade, soweit möglich, wissenschaftlich untermauert sind, habe ich von einer Kategorienzuordnung durch mehrere Kodierer abgesehen. Aufgrund der Modifikation der Methode und dem Skalenniveau der erhobenen Daten auf Nominalskalenniveau belasse ich es bei der Erfassung der Häufigkeiten der Übereinstimmungen und der Nichtübereinstimmung. 6.2 Die Bedeutung der Kategorien therapeutischer Leistungen des Deutschen Rentenversicherungsträgers Die Deutsche Rentenversicherung hat im Rahmen der Qualitätssicherung erstmals 1995 ein umfassendes Leistungsverzeichnis in Form der KTL für die gesamte Rehabilitationsmedizin erstellt (Michel 2002). Mit seiner Hilfe soll der Behandlungsverlauf systematisch mit dem Behandlungsergebnis in Beziehung gesetzt werden können. In dem Vorwort des Rentenversicherungsträgers zum Handbuch KTL 2007 heißt es, dass die KTL seit 1997 ein bewährtes Instrument zur Dokumentation therapeutischer Leistungen in den Reha-Entlassungsberichten sind und damit einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung der medizinischen Rehabilitation und zur Weiterentwicklung der rehabilitativen Versorgungspraxis in Form von Reha-Leitlinien liefern. Als Leitlinien werden Handlungsempfehlungen zur Behandlung bestimmter Patientengruppen bezeichnet (DRV Bund 2007). Seit dem Jahr 2007 gilt eine überarbeitete Version der KTL. Die ursprünglich gültige Version wurde dabei in einem wissenschaftlich begleiteten Projekt zur Weiterentwicklung der KTL überarbeitet. Dabei wurden Vorschläge und Erfahrungen von Anwendern und aus internen Arbeitsgruppen, empirische Analysen zum Kodierverhalten und die Prüfungsergebnisse anderer Klassifikationsschemata gesichtet und systematisiert. Der 110 daraus entstandene Entwurf wurde an 1400 Rehaeinrichtungen, Fachgesellschaften, Berufsverbände und andere Institutionen versendet und um eine Einschätzung der Vorschläge gebeten. Die Ergebnisse wurden durch Fachvertreter im Rahmen von Workshops diskutiert und in die Form der aktuellen KTL integriert. Die KTL gelten für alle Bereiche der medizinischen Rehabilitation, sowohl für Erwachsenen als auch für Kinder und Jugendliche, für den stationären Bereich ebenso wie für den Bereich ambulanter Rehabilitation. Das Leistungsverzeichnis besteht aus elf Kapiteln. Sie bezeichnen die übergeordneten Leistungsgruppen der Rehabilitation: A Sport- und Bewegungstherapie B Physiotherapie C Information, Motivation, Schulung D Klinische Sozialarbeit, Sozialtherapie E Ergotherapie, Arbeitstherapie und andere funktionelle Therapien F Klinische Psychologie, Neuropsychologie G Psychotherapie H Reha – Pflege K Physikalische Therapie L Rekreationstherapie M Ernährung Dokumentiert wird immer die im Einzelfall erbrachte therapeutische Leistung. Für jede Leistungseinheit ist eine Codierung definiert, die aus einem vierstelligen Dokumentationscode besteht. Dieser besteht aus einem Buchstaben und drei nachfolgenden Ziffern. Hier ein Beispiel: G051 steht für Psychotherapie einzeln, verhaltenstherapeutisch. Jede therapeutische Leistung wird durch bestimmte spezifische Qualitätsmerkmale beschrieben. Hierzu gehören die therapeutenbezogenen beruflichen Qualifikationsmerkmale der die Leistung ausführenden Berufsgruppen. Weiter ist das Fachgebiet spezifiziert, dem die Leistung zugeordnet ist, und es werden patientenbezogene Merkmale wie Indikation, Zielsetzung und Belastbarkeit berücksichtigt. Mit der Dauer, Frequenz, Anzahl der Rehabilitanden und den Ausstattungsmerkmalen für die Durchführung werden die aufwandsbezogenen Merkmale der jeweiligen therapeutischen Leistung erfasst. Bei den Angaben handelt es sich um Mindestanforderungen für die entsprechende Leistungseinheit, die vom Rentenversicherungsträger als verbindlich vorausgesetzt werden. So gelten für das oben genannte Beispiel G051 folgende Qualitätsmerkmale: 111 G05 Einzelpsychotherapie, verhaltenstherapeutisch Dokumentationscodes G051 Psychotherapie einzeln, verhaltenstherapeutisch G052 Psychotherapie einzeln, verhaltenstherapeutisch, Expositionstraining Qualitätsmerkmale Berufsgruppe: Arzt für Psychosomatik und Psychotherapie, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt mit Zusatzbez. Psychotherapie, Psychologischer Psychotherapeut, Arzt/Diplom-Psychologe in fortgeschrittener psychother. Aus-/Weiterbildung unter Supervision* Zusatzausbildung bzw. Fortbildung: Weiterbildung in Verhaltenstherapie Fachgebiet: Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Abhängigkeitserkrankungen Indikation: spezifische psychische Problematik Therapieziel: Dauer: Aufbau von Therapiemotivation, Problemanalyse, Erkennen und Veränderung problematischer Verhaltensweisen, Erstellen von Therapiezielen, Planung und Durchführung der einzelnen Behandlungsschritte, Planung der Nachsorge mindestens 20 Minuten Frequenz: empfohlen mindestens 1 mal pro Woche Anzahl Rehabilitanden: 1 Rehabilitand Sonstige Qualitätsmerkmale: * sowie im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen Diplom Sozialarbeiter bzw. Diplom-Sozialpädagoge mit DRV anerkannter suchttherapeutischer Zusatzausbildung; in der Kinderrehabilitation Qualifikation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (aus DRV 2007, S.199) Die tatsächliche Therapiezeit der Leistung wird als eigene Variable mit Großbuchstaben codiert. Dabei darf die angeführte Mindestdauer nicht unterschritten werden. Die KTL Daten werden regelmäßig durch den Rentenversicherungsträger ausgewertet. Die Ergebnisse werden den Einrichtungen in Form regelmäßiger Berichte zur Qualitätssicherung zugesendet. Hierin erhält die Einrichtung auch Informationen über fehlerhafte KTL Codierungen. Anhand der Leistungsprofile kann die Einrichtung ihre therapeutische Praxis überprüfen und Dokumentationsmängel erkennen. Die Einrichtung kann ihre Arbeit mit dem Rehabilitanden dadurch kontinuierlich verbessern. 112 6.2.1 Gegenüberstellung der Kategorien therapeutischer Leistungen und der Inhalte der Behandlungspfade suchtmittelabhängiger Patienten ohne Komorbidität. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die konkreten Inhalte einer Suchtbehandlung in strukturierende Behandlungspfade zu übertragen und einerseits durch die Vorstellung des theoretischen Hintergrundes wissenschaftliche zu untermauern, andererseits durch einen Vergleich mit den Anforderungen des Rentenversicherungsträgers zu überprüfen, ob die Inhalte den Qualitätsanforderungen des Rentenversicherungsträgers entsprechen. Da der Schwerpunkt auf den Inhalten der Qualitätsanforderung liegt, werde ich lediglich den Punkt „Therapieziel“ der Qualitätsmerkmale der KTL mit den Behandlungsangeboten der Klinik vergleichen und die weiteren Qualitätsmerkmale (Berufsgruppe, Fachgebiet, Indikation, Dauer, Frequenz, Anzahl Rehabilitanden, sonstige Qualitätsmerkmale) außer acht lassen. Unter den KTL Bezeichnungen werde ich die Therapieziele der jeweiligen KTL aufführen und ihr diejenigen Aufgaben aus den Behandlungspfaden gegenüber stellen, die sich mit den angeführten Therapiezielen beschäftigen und auf die Seite der Masterarbeit verweisen, auf der die Aufgabe vorgestellt wird. Die Ausführungen des Rentenversicherungsträgers zu den Therapiezielen übernehme ich wörtlich aus den Qualitätsmerkmalen. Zu Beginn einer neuen Leistungsgruppe fasse ich die wesentlichen Erläuterungen aus dem Text zur Erklärung der Leistungsgruppe des KTL Handbuches (2007) kurz zusammen. KTL aus dem Bereich C: Information, Motivation, Schulung Es handelt sich bei diesen Schulungen um standardisierte Einheiten, deren Inhalt in einem Manual hinterlegt ist. Die Schulungen können interdisziplinär durchgeführt werden. Es werden grundlegende krankheitsbezogene Informationen vermittelt, die den Rehabilitanden befähigen, begründete Entscheidungen bezüglich der weiteren Diagnostik und Behandlung seiner Erkrankung zu fällen. C030 Gespräche mit Patienten und Partnern / Angehörigen Tabelle 1 Gegenüberstellung Therapieziele C030 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL Vermittlung von Kenntnissen über die Erkrankung, Motivation zu Therapietreue und Verhaltensänderung, Förderung der Krankheitsbewältigung, Erarbeiten von Problemen der Langzeitbehandlung, Motivation zur aktiven Nachsorge (DRV 2007, S. 69). - Angehörigengespräch (S.54 ) 113 Gegenüberstellung C050 Vortrag Gesundheitsinformation Tabelle 2 Gegenüberstellung Therapieziele C050 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Gesundheitstraining (S.57) Motivation zu einer gesunden Lebensführung, z.B. gesunde Ernährung, aktive Nachsorge wie Sport, Bewegung u.a. (DRV 2007, S. 71). C52 Patientenschulung bei Suchtmittelabhängigkeit, -missbrauch C521 Einführung zur Patientenschulung bei Suchtmittelabhängigkeit, -missbrauch C522 Psychoedukatives Programm „Gesundheit“ bei Suchtmittelabhängigkeit, -missbrauch C523 Motivationsgruppe bei Suchtmittelabhängigkeit, -missbrauch Tabelle 3 Gegenüberstellung Therapieziele C052 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Stabilisierung der Therapiemotivation Vermittlung krankheitsspezifischer Informationen, (S.36) Verhaltensmodifikation, Motivierung, Schulung, Psychoedukation (S. 39(Info Förderung eines Krankheitsverständnisses, Orientierungsgruppe)) Krankheitsbewältigung, Aufbau gesundheitsförderlicher Einstellungen, Einsicht in den Zusammenhang von Lebensstil, Erkrankung bzw. Gesundheit, Stärkung von gesundheitsförderlichen Ressourcen, Problematisieren von gesundheitsschädlichen Lebensgewohnheiten, Planung der Nachsorge (DRV 2007, S. 118). KTL aus dem Bereich D: Klinische Sozialarbeit, Sozialtherapie Die klinische Sozialarbeit und Sozialtherapie soll den Rehabilitanden motivieren, beraten, begleiten, anleiten und unterstützen. Die Angebote können mit einzelnen Rehabilitanden oder in Gruppen von Diplom Sozialarbeitern/Diplom Sozialpädagogen oder andern qualifizierten Berufsgruppen durchgeführt werden. D02 Sozialrechtliche Beratung D023 Sozialrechtliche Beratung: Wirtschaftliche Sicherung D025 Sozialrechtliche Beratung: Klärung rechtlicher Fragen Tabelle 4 Gegenüberstellung Therapieziele D02 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Klärung der Nebenkosten (S. 35) Information, Selbstbefähigung, Entscheidungshilfe in sozialrechtlichen Fragestellungen, ggf. persönliche Hilfen (z.B. Antragstellung zur Erlangung von Sozialleistungen) (DRV 2007, S. 122). 114 D042 Vor- und Nachbereitung der Teilnahme an Selbsthilfegruppen im Rahmen des Therapieprogramms D044 Kontakt- und Infogespräch mit Vor- und Nachbehandlern Tabelle 5 Gegenüberstellung Therapieziele D040 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Nachsorgeplanung (S. 64), Vorbereitung und Anbahnung weiterführender - Erarbeitung beruflicher Perspektiven (S. Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den 66) Beruf und/oder das soziale Umfeld (DRV 2007, S. 124). D052 Psychoedukative Gruppe: Training von sozialer Kompetenz Tabelle 6 Gegenüberstellung Therapieziele D052 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Erhöhung der Selbstwirksamkeit (S.50) Auseinandersetzung, Reflexion, psychosoziale - Krisenbewältigung, Stressmanagement Stabilisierung, Rehabilitationsmotivation, (S.62), Krankheitsbewältigung, Vermittlung sozialer - Training sozialer Kompetenzen (183) Basisinformationen, Erwerb von Handlungskompetenz, Erarbeiten von Perspektiven, ressourcenorientierte Veränderungsund Lösungsmöglichkeiten (DRV 2007, S. 125). D100 Sozialtherapie als Großgruppe Tabelle 7 Gegenüberstellung Therapieziele D 100 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Sozialverhalten in der Gruppe (S.41), Verbesserte Wahrnehmung und Entfaltung von - Fremdbild / Selbstbild (S. 50) eigenen Interessen und im Rahmen einer - Ausgewogenheit Selbst-/ größeren Gemeinschaft, Zunahme von Gruppenverantwortung (S. 64) psychosozialer Verantwortungsfähigkeit und Handlungskompetenz (DRV 2007, S. 130). D110 Bereichsversammlung, Vollversammlung Tabelle 8 Gegenüberstellung Therapieziele D110 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Sozialverhalten in der Gruppe (S. 41), Stärkung sozialer Kompetenz, Klärung - Fremdbild / Selbstbild(S. 50) institutioneller Regeln (DRV 2007, S.131). 115 KTL aus dem Bereich F: Klinische Psychologie, Neuropsychologie. Diese Leistungsgruppe umfasst psychologische Leistungen, die nicht im engeren Sinne als Psychotherapie bezeichnet werden. Die klinisch psychologischen, neuropsychologischen und künstlerischen Therapieleistungen dienen in der Regel der Behandlung von psychischen Beeinträchtigungen, die das Erleben und Verhalten der Rehabilitanden beeinflussen. Es soll ein gesundheitsförderlicher Umgang mit krankheitsrelevanten Emotionen und Kognitionen, eine gesundheitsfördernde Verhaltensänderung und die Reduzierung emotionaler und kognitiver Teilleistungsstörungen erreicht werden. Die Leistungen werden von Diplom Psychologen und Ärzten mit entsprechender Weiterbildung sowie ausgebildeten Kunsttherapeuten erbracht. Durch die beschriebenen Therapieziele und die Frequenz der Leistungen findet eine Abgrenzung zu den unter G vorgestellten Interventionen statt. F03 Therapeutische Intervention in Konfliktsituationen Tabelle 9 Gegenüberstellung Therapieziele F030 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Krisenbewältigung und Konfliktklärung, Spannungsreduktion, Stressmanagement (S. 62) emotionale Stabilisierung (DRV 2007, S. 173). F092 Progressive Relaxation nach Jacobson, Durchführung in der Gruppe Tabelle 10 Gegenüberstellung Therapieziele F092 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Indikationsgruppe PMR (S. 158) Erlernen von Entspannungsfähigkeit (DRV 2007, S. 181). KTL aus dem Bereich G: Psychotherapie Die Leistungen dieser Gruppe erfassen psychotherapeutische Leistungen im engeren Sinne, sie gehören zu den Fachgebieten Psychotherapie, Psychosomatik, Psychiatrie und Abhängigkeitstherapie. Die Psychotherapie umfasst die Behandlung psychischer Vorgänge mit psychologischen, konzeptionell fundierten und eigenständigen Methoden. Für eine schlüssige Codierung ist eine strukturierte, zielorientierte und in das therapeutische Gesamtmilieu eingebundene psychotherapeutische Strategie notwendig. 116 G042 Gruppentherapie in der Gruppe, psychodynamisch: Psychoanalytisch – interaktionelle Gruppe G047 Gruppentherapie in der Gruppe, psychodynamisch: Geschlechtsspezifische Gruppe Tabelle 11 Gegenüberstellung Therapieziele G042 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Beobachten des Sozialverhaltens (S. 41), Bearbeitung interpersoneller Beziehungsmuster, - Darstellung des sozialen Netzes (S. 40), Förderung von Realitätsbezug und - Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen psychosozialer Interaktionsfähigkeit, (S. 47), Differenzierung von Selbst- und - Auseinandersetzung mit dem Selbst- und Objektvorstellung, Stabilisierung des Fremdbild (S. 52), Selbstwertgefühls, Verbesserung der - Auseinandersetzung mit dem Körperwahrnehmung emotionalen Erleben (S. 55) (DRV 2007, S. 197). G051 Psychotherapie einzeln, verhaltenstherapeutisch Tabelle 12 Gegenüberstellung Therapieziele G051 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Familienanamnese (32), Aufbau von Therapiemotivation, - Verhaltensanalyse (S. 34), Problemanalyse, Erkennen und Veränderung - Stabilisierung der Therapiemotivation (S. problematischer Verhaltensweisen, Erstellen von 36), Therapiezielen, Planung und Durchführung der - Schilderung der Lebensgeschichte (S. einzelnen Behandlungsschritte, Planung der 40), Nachsorge - Schilderung der Suchtgeschichte (S. 46), (DRV 2007, S. 199). - Funktionalität des Drogenkonsums (S.47), - Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen (S. 47), - Schilderung der Delinquenzentwicklung (S. 49), - Auseinandersetzung mit dem Selbstund Fremdbild (S. 50), - Beziehungsgestaltung (S. 52), - Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen und dem Thema Sexualität (S. 52), - Auseinandersetzung mit emotionalen Erleben (S. 55), - Rückfallprophylaxe (S. 56), - Unterstützung bei der Entwicklung aktiver Freizeitgestaltung (S. 58), Krisenbewältigung, Stressmanagement (S. 62), Nachsorgeplanung (S. 64), Erarbeiten von Berufs- und Zukunftsperspektive (S. 66), Gestaltung des Abschiedes (S.68) - dem 117 G061 Psychotherapie in der Gruppe, verhaltenstherapeutisch, störungsspezifisch: Problemlösegruppe G062 Psychotherapie in der Gruppe, verhaltenstherapeutisch, störungsspezifisch: Training sozialer Kompetenzen und Fertigkeiten G063 Psychotherapie in der Gruppe, verhaltenstherapeutisch, störungsspezifisch: Arbeitsweltbezogene Problematik G064 Psychotherapie in der Gruppe, verhaltenstherapeutisch, störungsspezifisch: Geschlechtsspezifische Gruppe G069 Sonstige störungsspezifische Psychotherapie in der Gruppe, verhaltenstherapeutisch: Tabelle 13 Gegenüberstellung Therapieziele G06 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Vorstellung der Lebensgeschichte und Entwicklung von Lösungs- und Veränderungsdes sozialen Netzes (S. 40), möglichkeiten für individuelles Problem- bzw. Vorstellung des Suchtverlaufes (S. 46), Störungsbild, Aufbau allgemeiner - Funktonalität des Drogenkonsums (S. Problemlösefertigkeiten, Verbesserung des 47), Interaktionsverhaltens - Erarbeitung dysfunktionaler Kognitionen (DRV 2007, S. 201). (S. 47), - Vorstellung des Delinquenzverlaufes (S.49), - Auseinandersetzung mit dem Selbst- und Fremdbild (S. 50), - Beziehungsgestaltung (52), - Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen / Sexualität (S. 52), - Auseinandersetzung mit dem emotionalen Erleben (S.52), - Rückfallprophylaxe (S. 56), - Aufbau einer aktiven Freizeitgestaltung (S. 58), - Krisenbewältigung und Stressmanagement (S. 62), - Nachsorgeplanung (S. 64) - Entwicklung einer realistischen, Zukunftsperspektive / beruflichen Perspektive (66) G094 Störungsspezifische Gruppe bei Abhängigkeitsproblematik: Rückfallprävention Tabelle 14 Gegenüberstellung Therapieziele G094 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Vorstellung des Lebenslaufes (S. 40), Einsicht in die Funktionalität des Problem- Vorstellung des Suchtverlaufes (S. 46), verhaltens, positive Abstinenzentscheidung, - Erkennen der Funktionalität des Erreichen der Abstinenz, Erwerb von kurz- und Drogenkonsums und dysfunktionaler mittelfristigen Bewältigungsstrategien, Kognitionen (S.47), Vermittlung enttabuisierenden Rückfallmodells - Rückfallprophylaxe (S. 56) (DRV 2007, S. 207). 118 G101 Psychoedukative Gruppe: Genusstraining G102 Psychoedukative Gruppe: Motivationstraining bei Abhängigkeitserkrankungen G109 sonstige psychoedukative Gruppe: Tabelle 15 Gegenüberstellung Therapieziele G 10 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Stabilisierung der Therapiemotivation (S. Vermittlung von Informationen zu 36), Erkrankungsverlauf und –behandlung, TherapiePsychoedukation (S.39 (Info konzept, Klinikstruktur und –regeln, Förderung Orientierungsgruppe)) von Krankheitsverständis und –bewältigung - Genusstraining (171), sowie Therapiemotivation, Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sinneserfahrungen (DRV 2007, S. 208). G111 Gesprächspsychotherapie einzeln G112 Systemische Therapie einzeln G114 Psychodramatherapie einzeln Tabelle 16 Gegenüberstellung Therapieziele G11 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Familienanamnese (S. 32), Entwicklung von Lösungs- bzw. Veränderungs- Verhaltensanalyse (S. 34), möglichkeiten für individuelles Problem- bzw. - Schilderung der Lebensgeschichte Störungsbild, Aufbau allgemeiner und (S.40), spezifischer Problemlösefertigkeiten - Schilderung der Suchtgeschichte (S. 46), (DRV 2007, S. 209). - Funktionalität des Drogenkonsums (S. - 47), Schilderung der Delinquenzentwicklung (S. 49), Selbstbild / Fremdbild (S. 50), Auseinandersetzung mit der bisherigen Beziehungsgestaltung (S. 52), Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Themen (S. 52), Angehörigengespräche (S. 54), Auseinandersetzung mit dem emotionalen Erleben (S. 55), Rückfallprophylaxe (S. 56), Entwicklung einer aktiven Freizeitgestaltung (S. 58), Krisenbewältigung, Stressmanagement (S. 62), Nachsorgeplanung (S. 64), Erarbeitung von Berufs- und Zukunftsperspektive (S. 66), Gestaltung des Abschiedes (S. 68) 119 G130 Paargespräch, Familiengespräch, Angehörigengespräch Tabelle 17 Gegenüberstellung Therapieziele G 130 und Umsetzung FK Therapieziel Umsetzung FKL - Selbstbild- Fremdbild (S. 50), Hilfe zur Wahrnehmung und Klärung von - Auseinandersetzung mit der bisherigen Partnerkonflikten bzw. konfliktbehafteten Beziehungsgestaltung (S. 52), Familienstrukturen, psychosoziale - Angehörigengespräch (S. 54) Kompromissbildung (DRV 2007, S. 211). G161 Organisation und Monitoring externer Belastungserprobung in der Psychotherapie G162 Durchführung externer Belastungserprobung in der Psychotherapie (einzeln) Tabelle 18 Gegenüberstellung Therapieziele G16 und Umsetzung FKL Therapieziel Umsetzung FKL - Vor- und Nachbereitung von Vorbereitung auf altes und neues Berufsumfeld, stattgefundenen Heim- und Rehafahrten Einschätzung und Überprüfung der in Einzelgesprächen (S. 41) Leistungsfähigkeit, Erprobung des erreichten Therapieerfolges unter Belastungsbedingungen (DRV 2007, S. 214). Zusammenfassendes Ergebnis Die vom Rentenversicherungsträger vorgegebenen Therapieziele der 18 beschriebenen KTL die sich auf die psychotherapeutische Behandlung der Rehabilitanden beziehen, werden durch die Inhalte der Behandlungspfade vollständig abgedeckt. Allerdings wird aus den Angaben zu den KTL und der Beschreibung der KTL nicht eindeutig ersichtlich, welche Maßnahmen vom Kostenträger im Rahmen einer Suchtbehandlung erbracht werden müssen. Folglich kann ich mit der Gegenüberstellung von KTL und Behandlungspfad nicht eindeutig überprüfen, ob die Inhalte tatsächlich den Anforderungen des Rentenversicherungsträgers entsprechen. Aus diesem Grund stelle ich die Aufgaben der Behandlungspfade nun noch den Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbedingter Störungen gegenüber. 6.3 Qualitätssicherung durch Leitlinien Die Inhalte der Behandlungspfade suchtmittelabhängiger Patienten werden in einem nächsten Schritt mit den gültigen Leitlinien zur Behandlung alkoholabhängiger Patienten verglichen. Leitlinien sind praxisbezogene Handlungsempfehlungen, die die Durchführung der Behandlung für ein bestimmtes Störungsbild vorgeben. Sie beruhen auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Die wissenschaftlich fundierten Inhalte werden in einer 120 idealtypischen Rehabilitation als „evidenzbasierte Therapiemodule“ (ETM) zusammengestellt (DRV 2007). Auch hier werden Häufigkeit, Dauer und Gruppengröße festgelegt. Der Kostenträger sieht hierin indikationsspezifische Bewertungskriterien für die therapeutische Versorgung. Zur Überprüfung der ETM werden die KTL den evidenzbasierten Therapiemodulen zugeordnet und spiegeln damit das therapeutische Geschehen und zeigen dem Rentenversicherungs-träger, inwieweit die geltenden Leitlinien in der therapeutischen Praxis umgesetzt werden. 6.3.1 Die Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen Weissing und Schneider (2006) gehen davon aus, dass Leitlinien und die Entwicklung strukturierter Behandlungspfade in der multiprofessionellen Arbeit mit substanzbezogenen Störungen generell an Bedeutung zunehmen. Die Autoren sehen in der Arbeit mit Leitlinien für den Behandelnden folgende Vorteile: Hilfe bei schwierigen Entscheidungsfindungen und zur Erhöhung der fachlichen Kompetenz; die Verbesserung der Compliance und des guten Rufes für die Einrichtung und damit einhergehend finanzielle Vorteile. Die durch die Leitlinien gegebene rechtliche Absicherung von Therapieentscheidungen ist ein weiterer Vorteil. Der Patient würde in folgenden Punkten von Leitlinien profitieren können: Die Behandlungsrisiken werden verringert; unnötige Maßnahmen können verhindert werden; es besteht die Möglichkeit der Beurteilung und der bewussten Auswahl einer Behandlung. Der Behandelte erhält Unterstützung bei der Durchsetzung des Rechtsanspruches auf Anwendung methodisch gesicherter Behandlungsverfahren; und es wird insgesamt leichter für ihn, sich zu informieren. Die optimale Ressourcennutzung und die wissenschaftliche Grundlage sind Vorteile, die der Rentenversicherungsträger durch die Anwendung von Leitlinien hat. Möglicherweise können Ressourcen eingespart werden. Durch Leitlinien kann der Kostenträger Kontrolle und Einfluss auf die Behandlung ausüben. Seit dem Jahr 2000 werden von Expertengruppen Leitlinien nach den Kriterien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) erstellt (Brüggemann et al 2004). Die deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) und die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) haben 2009 einen Leitfaden zur „Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen“ vorgestellt. Die wesentlichen Inhalte werde ich im Folgenden vorstellen. Der genaue Wortlaut der Leitlinien kann über den Internetverweis in der Literaturliste eingesehen werden. Die Verfasser der Leitlinien geben den Hinweis, dass die Leitlinien der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Ärzte nicht bindend sind. 121 Der Begriff der „Postakutbehandlung“ wurde bewusst gewählt und im Jahr 2000 auf einer konstituierenden Konferenz beschlossen, um einen möglichst neutralen Begriff zu wählen und damit einen wissenschaftlichen und keinen versicherungsrechtlichen oder versorgungskulturellen Hintergrund zu betonen (Brüggemann et al 2004). Nach der Begriffserklärung folgt die Darstellung der Rahmenbedingungen. Hierzu gehören die Definition der Zielgruppe, die Zielvereinbarung mit dem Patienten, der Zugang des Patienten zu einer Postakutbehandlung, Ausführungen zu den Behandlungsorten und die Darstellung des rechtlichen Kontextes. Ein nächster Punkt widmet sich der Diagnostik. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung der ausführlichen Anamneseerhebung, besonders der Suchtanamnese. Es folgen Hinweise, dass auch Folgeerkrankungen erhoben werden sollen. Hierin liegt ein Unterschied zu den KTL, da sie die Diagnostik als eigenständigen Punkt nicht berücksichtigt, da die KTL, so der Rentenversicherungsträger „ausschließlich die Realität des therapeutischen Leistungsgeschehens“ abbildet (DRV 2007, S.15). Mit der Behandlung beschäftigt sich der nächste Punkt der Leitlinien. Als Grundlage nennen die Autoren das bio-psycho-soziale Modell. Die Zuordnung der Patienten innerhalb des Versorgungssystems erfolgt nach dem ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Die Leitlinien empfehlen für die Behandlung eine integrierte Behandlung aus den Therapiezweigen Psychotherapie, Sozialtherapie und Somatotherapie. Weiter wird die Behandlungsdauer angesprochen, die sich nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten richten sollte und maximal bis zu sechs Monaten andauern kann. Zu den therapeutischen Aufgaben zählen der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Bindung, die Motivationsarbeit und die Zielvereinbarungen, die mit dem Patienten getroffen werden. Folgende Behandlungsmethoden werden von den Autoren genannt: Suchtspezifische Methoden wie die Selbstmanagementtherapie mit den Schwerpunkten Rückfallprävention, Erkennen von Risikosituationen, Entwicklung von Verhaltensalternativen und dem Erkennen der Funktonalität des Alkoholkonsums; aber auch das 12 SchritteProgramm der Anonymen Alkoholiker und die Pharmakotherapie zählen hierzu. Allgemeine Behandlungsmethoden sind die Psychoedukation, die Motivierende Gesprächsführung, die klassische Verhaltenstherapie, die kognitiv behaviorale Therapie, das soziale Kompetenztraining, klientenzentrierte Verhaltensverträge, Gesprächspsychotherapie und zu psychodynamische guter Letzt die Therapie, Paar- und Familientherapie. 122 Es folgen Darstellungen zur Ergo- und Arbeitstherapie und zur Sozialtherapie. Hier sind Veränderungen ungünstiger sozialer Verhältnisse und die berufliche Integration thematische Inhalte. Die Leitlinien geben des weiteren Hinweise zur Körpertherapie, zur werteorientierten Therapie und zur Behandlung komorbider Störungen, zur Nachsorge und Selbsthilfe. 6.3.2 Vergleich der Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen mit den Inhalten der Behandlungspfade suchtmittelabhängiger Patienten ohne Komorbidität. Vergleiche ich die Inhalte der Leitlinien mit den Inhalten der hier vorgestellten Behandlungspfade, die sich auf die Behandlung Abhängiger illegaler Drogen bezieht, so ist eine gute Übereinstimmung zu erkennen. Das zeige ich in der folgenden Tabelle, in der ich den Punkten der Leitlinien für Alkoholabhängige die entsprechenden Aufgaben der vorgestellten Behandlungspfade gegenüberstelle. Ich sehe hier von einem Seitenverweis ab, da nicht alle Inhalte der Leitlinien durch die Masterarbeit erfasst werden. Tabelle 19 Gegenüberstellung der Inhalte der Leitlinien für die Postakutbehandlung alkoholbedingter Störungen und der Behandlungspfade der Fachklinik Liblar (FKL). Leitlinie Postakutbehandlung Alkohol Behandlungspfade FKL Rahmenbedingungen - Zielgruppe - Ziele - Durch die Zuweisung der Kostenträger festgelegt. (Abstinenz / Besserung v. - Entsprechen den Zielen der Fachklinik. - Wird durch den Kostenträger geregelt. Störungen) - Zugang Antragstellung durch Drogenberatung oder Entgiftung. - Behandlungsorte - Rechtlicher Kontext - Erfüllt durch die Anerkennung als Fachklinik zur Behandlung polytoxikomaner Patienten. - Geregelt durch die Bewilligungsverfahren versicherungsträgers. - Diagnostik BSI als Standard, weitere Antrags- und des Renten- Diagnostik - Anamnesen 123 Leistungsdiagnostik möglich, Anamnese. Behandlung - Grundlage bio-psycho-soziales Modell - Modell der Suchtrias - Zuordnung nach ICF - Diagnostik durch ICF fehlt, allerdings finden Belastungserprobungen statt. - Integrierte Behandlung - Abgedeckt durch Psychotherapie, Sozialberatung bei Behördenangelegenheiten, medizinischer Behandlung, Arbeits-, Sport- und Kunsttherapie. - Behandlungsdauer - Ist zunächst durch den Kostenträger festgelegt, wird bei Kostenzusage verlängert, 13 Wochen falls ange- zeigt. - Therapeutische Aufgaben Vertrauensvoll therapeutische Bindung Motivationsarbeit Zielvereinbarungen - - Kurzkontakte, Beziehungsaufbau - Anbindung an die Gruppe und die Klinik - Stabilisierung der Therapiemotivation - Zielvereinbarung mit Rehabilitand - Rückfallprophylaxe - Funktionalität des Drogenkonsums - Erarbeiten dysfunktionaler Kognitionen - Aktive Freizeitgestaltung - Inhalte Behandlungsmethoden Selbstmanagement: Rückfallprävention/Risikosituationen/ Funktionalität des Konsums Verhaltensalternativen der Tabelle 11 (S.117) Gruppentherapie & Tabelle 12 (S. 117) Einzeltherapie. 12 Schritte Programm der AA Fehlt. 124 - Pharmakotherapie Gehört in den medizinischen Bereich, daher in dieser Arbeit nicht aufgeführt, findet aber statt. - Allgemeine Methoden - Psychoedukation - Gesundheitstraining - MI (im Rahmen der Motivationsarbeit) - Verhaltenstherapie Kognitiv behaviorale Therapie - Kognitive Therapie nach Beck Soziales Kompetenztraining - Training sozialer Kompetenzen - Psychodramatherapie Klientenzentrierte Gesprächspsychoth. - Fehlt als eigenständige Therapieform Paar- und Familientherapie - SystemischeTherapie - Angehörigengespräch - Beziehungsgestaltung Psychoedukation MI Klassische VT Psychodynamische Therapie - - Ergo- und Arbeitstherapie - Sozialtherapie Veränderung ungünstiger Vorstellung rein psychotherapeutischer Behandlungspfade, beide Bereiche bilden je 50 % des Behandlungsumfangs. sozialer - Klärung der Nebenkosten u.ä. - Erarbeitung berufl. Perspektiven Verhältnisse Berufliche Integration 125 - Körpertherapie - Bewegungstherapie angeboten, aber wird regelmäßig aufgrund der thematischen Einschränkungen hier nicht vorgestellt. - Werteorientierte Therapie Fehlt als einzelner Punkt, wird aber in der GT, in Indikationsgruppen Einzelgesprächen, und Plenen thematisiert. - Behandlung komorbider Störungen - Behandlungspfade Komorbidität (wenn auch noch nicht komplett umgesetzt) - Nachsorge - Selbsthilfe - Nachsorgeplanung - Besuch einer Selbsthilfegruppe Zusammenfassendes Ergebnis der Gegenüberstellung Was bislang noch nicht Bestandteil der Behandlungspfade ist, ist die Bearbeitung des ICF durch die Patienten, so dass hier die geforderte Zuordnung nach den Defizitbereichen in unserer Einrichtung nicht stattfindet. Allerdings findet eine Überprüfung der Belastbarkeit des Patienten durch die Heim- und Rehabilitationsfahrten statt, die in der Gruppen und Einzeltherapie vor- und nachbereitet werden. Das 12 Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker fehlt in unserer Einrichtung, da die dahinter stehende christliche Haltung sich nicht in unserem Klinikkonzept widerspiegelt. Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie wird in unserer Einrichtung nicht als reine Therapiemethode angeboten. Da sie aber Grundelemente für viele Therapieformen liefert, beinhaltet auch die therapeutische Behandlung in der vorgestellten Einrichtung Elemente der Gesprächspsychotherapie, beispielsweise die Haltung des Therapeuten gegenüber dem Patienten. Was in der Fachklinik Liblar zwar nicht als unabhängiges Thema angeboten wird, aber im Rahmen der Gruppen- und Einzeltherapie mit den Patienten bearbeitet wird, ist die werteorientierte Therapie. Obwohl die Leilinien für die Behandlung alkoholabhängiger Patienten entwickelt wurden, besteht zu der in der Fachklinik Liblar stattfindenden Therapie mit polytoxikomanen Patienten eine insgesamt hohe Übereinstimmung. Von 34 Vergleichspunkten aus dem Inhalt der Leitlinien zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen sind 30 Punkte auch in der Behandlung polytoxikomaner Patienten zu finden. Von den vier weiteren Punkten fehlen 126 zwei vollständig (die Verwendung des ICF und des 12 Schritte-Programms der AA) die beiden weiteren Punkte gibt es nicht in Reinform, aber Teile der Gesprächstherapie sind in den in der Einrichtung angebotenen Behandlungsmethoden enthalten, und die Themen Spiritualität und Religiosität der Wertetherapie werden im Rahmen der Einzel- und Gruppentherapie thematisiert. Die Behandlung komorbider Patienten findet statt, wenn auch zur Zeit noch nicht nach den Vorgaben der hier entwickelten Behandlungspfade. Sowohl die Vergleiche der Inhalte der Behandlungspfade mit den KTL, als auch der Vergleich mit den Leitlinien der Postakutbehandlung alkoholbedingter Störungen zeigen das die therapeutischen Inhalte, Behandlungspfade mit Suchtkranker denen ohne ein Patient Komorbidität sich beim Durchlaufen auseinandersetzen sollte, der den Maßstäben der Qualitätssicherung des Rentenversicherungsträger, mit Ausnahme zweier Punkte, gerecht werden. 127 7. Diskussion Das Vorhaben, die Prozesse und Aufgaben, die ein Patient während einer stationären Langzeitentwöhnung im Bereich der Psychotherapie erledigen sollte, in Form von Behandlungspfaden darzustellen, war mit einigen Schwierigkeiten verbunden. So ist es normalerweise üblich, dass die Aufgaben in den Flussdiagrammen medizinischer Behandlungspfade durch Pfeile miteinander verbunden werden, durch die eine Reihenfolge vorgegeben wird, in der die einzelnen Behandlungsschritte durchgeführt werden sollten. So wird durch die Behandlungspfade eine Schritt-für-Schritt Anweisung gegeben, wann eine Aufgabe während der Behandlung erledigt werden muss. Dies in einem gruppentherapeutischen Prozess umzusetzen, ist aus der praktischen Erfahrung heraus nicht oder nur schwer zu realisieren. In der Gruppe stehen häufig aktuelle Themen, die sich aus dem Zusammenleben in der Gemeinschaft ergeben, im Vordergrund. Hat ein Patient in der Gemeinschaft ein unangemessenes Sozialverhalten gezeigt, wird dies in der Gruppe besprochen, da eine zeitnahe Konfrontation erfolgreicher ist, als erst einige Tage später in die Auseinandersetzung zu gehen. Dafür müssen aber die Belange und Aufgaben der anderen Gruppenmitglieder zurückgestellt werden. Außerdem könnte der Patient, der ein unangemessenes Sozialverhalten gezeigt hat eine fehlende Konfrontation als ein stillschweigendes Akzeptieren seines Verhaltens deuten, was eine Verstärkung dieses Verhaltens zur Folge hätte. Auch die Krise eines Gruppenmitgliedes kann dazu führen, dass ein Thema, das ein Patient sich vorgenommen hat, oder das laut Behandlungspfad für ihn ansteht, nicht bearbeitet werden kann. Es besteht aber die Möglichkeit, dass dieser Patient durch die Unterstützung des Patienten in der Krise etwas über sich oder eines seiner eigenen Themen erfährt, was aber im Behandlungspfad zu diesem Zeitpunkt nicht ansteht. Natürlich gibt es Aufgaben der Behandlungspfade, die miteinander verbunden sind: Beispielsweise kommt es durch die Stabilisierung der Therapiemotivation zu einer besseren Anbindung an die Gruppe und umgekehrt, diese Aufgaben können durch Pfeile miteinander verbunden werden; oder durch die Vorstellung der Suchtanamnese kommt es zu einer Beschäftigung mit der Funktionalität des Drogenkonsums und der Frage nach dem Sinn eines drogenfreien Lebens, auch hier ist eine Darstellung der Verbindung der Aufgaben durch Pfeile im Flussdiagramm möglich; Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Angehörigengespräch und Auseinandersetzung mit der bisherigen Beziehungsgestaltung, so kann eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Beziehungsgestaltung zu der Idee, die Familie oder den Partner zum Angehörigengespräch einzuladen, führen. Hat ein Patient eine Rehabilitationsfahrt unternommen, muss sie in der Gruppe reflektiert werden. In der Abschlussphase gehören Krisenbewältigungsstrategien die Rückfallprophylaxe zusammen und das und am die Ende Entwicklung der Kernphase von die 128 Zielvereinbarungen mit dem Patienten überprüft werden, gehört zur Überprüfung, ob alle Aufgaben der Phase erfüllt wurden. Auch diese aufeinander folgenden Aufgaben habe ich in den Flussdiagrammen durch Pfeile verbunden. Alle anderen Aufgaben sind, aus den oben genannten Gründen, soweit sinnvoll, durch Linien miteinander verbunden, um so ihren Zusammenhang darzustellen, ohne eine feste Reihenfolge vorgeben zu wollen. Es wird an dieser Stelle deutlich, dass es einerseits möglich ist, die Aufgaben oder Schritte, mit denen ein Patient sich in der therapeutischen Behandlung auseinandersetzen sollte, mit Hilfe eines Behandlungspfades darzustellen, dass andererseits eine verbindliche Umsetzung einer vorgegebenen Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung aber nur in sehr eingeschränktem Maß gelingen kann. Dies ist in der Einzeltherapie meist etwas besser möglich als in dem komplexen Prozess der Gruppentherapie, wobei auch die Prozesse der Einzeltherapie einem vorgeschriebenen Behandlungspfad zuwiderlaufen können. So können die hier vorgestellten Behandlungspfade eher als ein Rahmen angesehen werden, in dem vorgegeben ist, welche Aufgaben überhaupt bearbeitet werden sollten, damit der Patient an seine ganz persönlichen Themen, die mit seiner Suchtentwicklung im Zusammenhang stehen, herangeführt wird. Ein grobes zeitliches Raster ist durch die Einteilung in Phasen gegeben, die den Aufenthalt des Patienten in drei Segmente unterteilen, in dem die Aufgaben erledigt werden sollten. Das, was beispielsweise Vedder (2004) als Vorteil der Behandlungspfade für die Psychiatrie benannte, die Erhöhung der Effizienz durch exakte Festlegung von Reihenfolge und Umfang aller Behandlungsschritte sowie die Transparenz und Steuerbarkeit der Prozesse, gilt für den rein psychotherapeutischen Prozess, besonders im Rahmen der Gruppentherapie, aus meiner Sicht aus den oben genannten Gründen, nur eingeschränkt. Auch die Idee, mit geschlossenen Gruppen zu arbeiten, bringt hier vermutlich nur wenig Veränderung und ist im normalen stationären Alltag bisher nicht praktikabel, da es unwahrscheinlich ist, dass von beispielsweise acht gleichzeitig aufgenommenen Patienten alle acht die 26 Wochen dauernde Behandlung Querverlegungen, wie durchlaufen. sie im Abbrüche, Suchtbereich die vorzeitige Regel sind, Entlassungen würden zu oder einem Schrumpfungsprozess führen, bei dem am Ende der Behandlungszeit möglicherweise nur noch zwei Patienten in der Gruppe sind. Für diese beiden ein Gruppentherapieprogramm aufrecht zu erhalten, wäre mehr als unwirtschaftlich. Hier würden Ressourcen nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden können. Eine nächste Schwierigkeit liegt in der genauen Aufschlüsselung der einzelnen Therapieaufgaben oder Behandlungsschritte. Wie differenziert stellt man eine Behandlungsaufgabe dar, ohne dass die Darstellungen des Behandlungspfades zu komplex wird und Patient und Therapeut von der dargestellten Menge der zu bewältigenden 129 Aufgaben entmutigt werden? Wie erfasst man die wesentlichen Aufgaben, die zu einer möglichst erfolgreichen Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Thema führen? So stellte sich mir die Frage, ob die Aufgaben „Beobachtung des Sozialverhaltens“ oder die „Anbindung an die Gruppe und die Klinik“ in der Orientierungsphase in einem Behandlungspfad angemessen sind. Ich entschied mich dazu diese Aufgaben aufzunehmen, da gerade drogenabhängige Patienten es gelernt haben, sich in verschiedenen Settings anzupassen. Jemand, der sich in der Gruppensitzung motiviert zeigt und Sachen sagt, die den Therapeuten erstmal erfreuen (unter den Patienten als „Therapeutenfutter“ bezeichnet), zeigt unter Umständen in der Freizeit ein anderes Verhalten indem er beispielsweise ausschließlich den Kontakt zu rückfälligen Patienten sucht. Oder dissozial persönlichkeitsgestörte Patienten, die sich gerne in der Gruppe angepasst zeigen, in der Freizeit aber durch Mimik und Gestik ihre Mitpatienten einschüchtern, ließen es mir sinnvoll erscheinen, diese zunächst eigentümlich erscheinenden Aufgaben „Beobachtung des Sozialverhaltens“ und „Anbindung an die Gruppe und die Klinik“ in den Behandlungspfad mit aufzunehmen. Um zu verdeutlichen, dass eine Vorstellung des Delinquenzverlaufes alleine nicht ausreicht, sondern eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema „dissoziales Verhalten“ notwendig ist, habe ich die Aufgabe der „Analyse der kriminellen Energie“ hinzugenommen. Sicherlich hätte dies auch stillschweigend unter die Aufgabe der Vorstellung des Freizeitgestaltung Delinquenzverlaufes im Aufgabenbereich gefasst der werden können. Entwicklung der Ähnlich hätte die „Zukunftsperspektive“ aufgenommen werden können. Hier war mir eine separate Aufführung allerdings wichtig, da Langeweile und Einsamkeit immer wieder als ein wesentlicher Grund für die Rückfälligkeit genannt werden und der aktiven Freizeitgestaltung daher in unserem Behandlungskonzept eine wichtige Rolle beigemessen wird. Die Reflexion des Verlaufes der Rehabilitationsfahrten ist ebenfalls eine Aufgabe, die unter dem Punkt „Rehafahrten“ besprochen werden könnte, allerdings ergeben sich bei der Reflexion der Fahrten häufig neue Themen, oder die Selbstüberschätzung des Patienten wird deutlich, weil er entgegen seinen Erwartungen Suchtdruck bekommen hat. Die Reflexion ist somit ein wichtiger Schritt in der Behandlung, vorausgesetzt, der Patient geht offen mit den aufgetretenen Schwierigkeiten um. Diese Aufgaben tauchen in der Abschlussphase noch einmal auf. Hier ist eine weitere Aufgabe, auf die ich eingehen möchte, die Entwicklung einer „Ausgewogenheit von Selbst- und Gemeinschaftsverantwortung“. Drogenabhängige haben an diesem Punkt, wie auf S. 60 beschrieben, Mühe, ein gesundes Maß zu finden, so dass es sehr wichtig ist, hier ein gesundes Gleichgewicht zu erlangen, was mich dazu bewogen hat, diese Aufgabe in den Behandlungspfad aufzunehmen. Gleiches gilt für die Aufgabe den „Abschied aktiv zu gestalten“. Wie auf S. 68 beschrieben, liegt im Abschiednehmen oder 130 seiner Vermeidung ein nicht unerhebliches Rückfallrisiko für den Patienten. Aus diesem Grund habe ich der Bedeutung dieser Aufgabe dadurch Rechnung getragen, indem ich sie separat im Behandlungspfad aufgeführt habe. Es war mir nicht möglich, zu diesen Aufgaben theoretische Hintergründe zu finden, so dass ich in diesen Fällen Erfahrungen und Eindrücke aus dem Klinikalltag dargestellt habe. Die Behandlungspfade komorbider Patienten habe ich entwickelt und vorgestellt, da ich auch und gerade für diese Patienten eine strukturierte Therapieplanung für notwendig erachtet. Tatsächlich werden bereist wesentliche Schritte dieser Behandlungspfade in der Praxis umgesetzt, allerdings sind die Flussdiagramme dazu noch nicht im Qualitätshandbuch erfasst. Eine wichtige Veränderung wäre eine differenziertere Testdiagnostik bei diesen Patienten, als sie zur Zeit in der Klinik stattfindet. Bislang werden aus den Daten der Anamnese, der durchgeführten Aufnahmediagnostik, der Verhaltensbeobachtung und einem Gespräch der leitenden Psychiaterin mit dem Patienten die Diagnosen gestellt. Die Anschaffung eines Persönlichkeitstestes ist sinnvoller Weise geplant. In der Behandlung komorbider Patienten wird viel mit Trainingsprogrammen gearbeitet. So wird für alle drei Selbstsicherheitstraining vorgestellten angeraten, Komorbiditäten für depressive in und der Fachliteratur ein Borderline-Patienten sind Entspannungsverfahren wichtige Bestandteile der Behandlung. Letztere werden in der Fachklinik Liblar regelmäßig angeboten, anders das Selbstsicherheitstraining. Aus personellen Gründen besteht hierzu nicht die Möglichkeit. Teile des Selbstsicherheitstrainings fließen in die Delinquenzgruppe mit ein oder werden im Rahmen der Gruppentherapie angeboten. Hier ist eine Verbesserung des Angebotes durch die Klinik notwendig. Insgesamt kann bei der Behandlung komorbider Patienten gesagt werden, dass sie mit Ausnahme der Trainingsprogramme die gleichen Aufgaben erledigen sollten wie die ausschließlich suchtmittelabhängigen Patienten, wenn auch zu verschiedenen Zeitpunkten. Allerdings brauchen sie dabei ein intensiveres Maß an Unterstützung. Borderline-Patienten und depressive Patienten brauchen aus meiner Erfahrung häufig ein behutsameres Vorgehen, wobei der Therapeut ein sehr gutes Gespür dafür haben muss, in welchen Fällen Behutsamkeit einmal nicht angezeigt ist, während dissozial persönlichkeitsgestörte Patienten die Behutsamkeit des Therapeuten als seine Schwäche deuten. Solche Unterschiede in der Arbeit mit Patienten kann man in einem Behandlungspfad nicht darstellen. Hier sind Erfahrung und Intuition des Therapeuten gefragt, die aus meiner Sicht wichtige übergeordnete Prinzipien in der Arbeit mit Menschen sind, die jedoch in einem Flussdiagramm nicht erfasst werden können. Diese Tatsache macht für mich nicht den Wert der Behandlungspfade zunichte. Aber meines Erachtens lohnt es sich, diesen Aspekt im 131 Hinterkopf zu behalten, auch um den Behandlungspfaden keine so starke Bedeutung zukommen zu lassen, dass ich vielleicht einen Teil meiner eigenen Verantwortung für meine Arbeit an die Behandlungspfade abgebe, dass ich möglicherweise Therapie nach Vorschrift, entsprechend den Behandlungspfaden mache und dabei nicht mehr den Patienten mit seiner eigenen Geschichte und seinen eigenen Aufgaben vor Augen habe, was in der psychotherapeutischen Arbeit jedoch das A und O sein sollte. Es ist aus meiner Sicht interessant, wie viele Erklärungsmodelle es heute gibt, die sich mit der Suchtentwicklung und –aufrechterhaltung beschäftigen und welche zahlreichen Modelle es für die Erklärung von Rückfälligkeit gibt. An erster Stelle ist hier das kognitive Modell von Beck zu nennen, vorgestellt auf S. 43. Der Autor sieht es als wesentliches Behandlungskriterium an, dass der Patient sich mit den kognitiven Zusammenhängen seiner Sucht auseinander setzt. Dies ist aber nicht allen Patienten möglich. Nicht jeder Patient hat die kognitiven Fähigkeiten, diese Zusammenhänge zu erfassen und auf seine eigene Sucht zu übertragen. Gerade bei Patienten, die nach langen Jahren des Konsums eine stationäre Langzeitentwöhnung beginnen, zeigt sich häufig eine reduzierte kognitive Fähigkeit. Einfachere Erklärungsmodelle, wie die Trias der Sucht (S. 19), zeigen hier bessere Erfolge und vermitteln dem Patienten rasch das Gefühl, erste Ansätze seiner Sucht verstehen zu können, während das kognitive Modell häufig frustriert, und das negative Selbstbild stabilisiert, denn der auf kognitiver Ebene überforderte Patient spürt sein Unvermögen. Sicherlich gibt es noch vieles, was zu Sucht gesagt werden kann, ich habe mich bei der Vorstellung der Hintergründe, Behandlungsmöglichkeiten und Erklärungsmodelle auf das bezogen, was in der Fachklinik Liblar genutzt oder eingesetzt wird. Eine größere Ausführlichkeit wäre der Überschaubarkeit der ohnehin umfangreichen Arbeit nicht zu gute gekommen. Das ist denn auch der Grund dafür, dass ich mich ausschließlich mit den Behandlungspfaden der Psychotherapie beschäftigt habe und die Bereiche Arbeit-, Ergo-, Kunst- und Bewegungstherapie außen vor gelassen habe. Ein weiterer Grund für die Entscheidung zur Vorstellung der therapeutischen Behandlungspfade war der, dass ich selbst als Bezugstherapeutin in der Gruppentherapie arbeite. Natürlich gibt es im Rahmen der Qualitätssicherung auch für die nicht in dieser Arbeit vorgestellten Bereiche Flussdiagramme und Ausführungen im Qualitätshandbuch, aber in der vorliegen Masterthesis finden sie keine Berücksichtigung. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems lieferte, wie in der Einleitung dargestellt, die Idee für die Behandlungspfade. Bei der näheren Beschäftigung mit der Entstehung des Qualitätsmanagements und der Entwicklung der Normen traten immer wieder Bedenken bei mir auf, inwieweit hier eine adäquate Übertragung von der Industrie zur Behandlung oder sozialen Dienstleistung möglich ist. Zu Beginn der Diskussion erwähnte ich bereits, dass 132 bestimmte Aufgaben des Therapeuten nicht erfasst werden können. Große Bedenken kamen mir bei der in der industriellen Qualitätssicherung sehr wichtigen Kundenorientierung. Das ist in der Industrie sicherlich ein zentraler Punkt. Dies eins zu eins in den Bereich der sozialen Dienstleistung und hier besonders in die Suchttherapie zu übertragen halte ich für nahezu gefährlich. Schwerstabhängige Patienten, und nur die kommen in die stationäre Langzeitentwöhnung, sind durch den Drogenkonsum daran gewöhnt, dass die von ihnen empfundenen Bedürfnisse sofort befriedigt werden. Sie haben es verlernt oder nie gelernt, angemessen und konstruktiv mit Frustrationen umzugehen. Stattdessen konsumieren sie bei auftretenden Schwierigkeiten Drogen. Somit ist es eine der wesentlichen Aufgaben des Patienten, Bedürfnisaufschub zu lernen, Frustrationen auszuhalten, einen Umgang mit dem unter Umständen dabei auftretenden Suchtdruck zu finden. Würde sich eine Klinik hier der Kundenorientierung so verpflichtet fühlen, wie es in der Industrie der Fall ist, würde sie ihrer Aufgabe der Suchtbehandlung nicht gerecht werden. Natürlich ist nicht nur der Patient Kunde, auch die Angehörigen zählen zum Kundenkreis einer Rehabilitationsklinik. Die Familien des abhängigen Patienten sind ebenfalls durch viele verschiedene Suchtmuster gekennzeichnet, so dass auch bei ihnen Vorsicht geboten ist, wenn es um die Erfüllung aller Erwartungen von Seiten der Klinik geht. So müssen Angehörige häufig erst mühsam lernen, dass das süchtige Familienmitglied nicht immer telefonisch erreichbar ist oder nicht für die Lösung aller entstehenden Schwierigkeiten verantwortlich ist. Auch die Drogenberatungsstellen, die Entgiftungen und die Haftanstalten sind als zuweisende Stellen Kunde einer Rehabilitationsklinik. Hier arbeitet die Klinik zwar kundenorientiert, indem sie Informationsmaterial versendet oder die Klinik im Rahmen der Akquise vorstellt, aber ab und an findet man auch auf dieser Ebene Suchtstrukturen, die wir zwar nicht behandeln, aber auch nicht zu unterstützen suchen. Ein weiterer diskussionswürdiger Punkt bei der Übertragung des Qualitätsmanagements (QM) der Industrie in den Bereich der sozialen Dienstleistung ist die ständige Verbesserung der Prozesse und des Produktes. Was wird aber in der Psychotherapie produziert? Wie kann man Verhaltensänderung, Lebenszufriedenheit, Selbstwertgefühl und Zuversicht messen? Nimmt man Studien zur Therapieevaluation, kann man zwar feststellen, welches Verfahren bei welchem Krankheitsbild erfolgreich eingesetzt werden kann, aber nur, weil ausschließlich ein Behandlungsverfahren eingesetzt wird. In einer Rehabilitationsklinik arbeitet ein multiprofessionelles Team und es ist nicht zuzuordnen, welche Intervention zum Erfolg geführt hat. Vielleicht war es ja ein kurzer informeller Kontakt während einer Pause bei einer Tasse Kaffee, der beim Patienten etwas ausgelöst hat. Wie bereits zu Beginn erwähnt, kann dies nicht in einem Flussdiagramm erfasst werden oder als verbesserte Produktqualität gemessen werden. In einem Flussdiagramm wird der organisatorische Rahmen einer 133 Behandlung erfasst. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Zertifizierung einer Einrichtung, also das Anerkennen des QM – Systems der Einrichtung durch einen unabhängigen Auditor, etwas über die Organisation der Klink aussagt und nicht über die Qualität der dort angebotenen Therapie. Natürlich kann man davon ausgehen, dass eine gute Organisationsstruktur sich auf die Qualität der Arbeit auswirkt, aber Untersuchungen dazu sind mir nicht bekannt. Mitarbeiter einer zertifizierten Einrichtung nennen meist die klare Zuständigkeit für einen Bereich, die einheitlichen Dokumente und die festgelegte Struktur beispielsweise des Aufnahmeprozderes als wesentlichen Vorteil des QM, was in der Fachklinik Liblar genauso erlebt wird. Die oben genannten Defizite des Qualitätsmanagements (QM) ist sich auch der Rentenversicherungsträger bewusst, denn er nutzt nicht nur die Zertifizierung zur Überprüfung der Arbeit einer Rehabilitationsklinik, sondern er zieht die Kategorien Therapeutischer Leistungen ebenfalls hinzu. Durch die in Kapitel 6 vorgestellten KTL versucht der Rentenversicherungsträger Kontrolle über die Inhalte der durchgeführten Behandlung zu erhalten. Gleichzeitig ist es das Ziel, die von der Einrichtung angegebenen Leistungen als Abrechnungsbasis zu nutzen, was bislang aber noch nicht der Fall ist. Die Inhalte der KTL beschreiben wesentliche Aufgaben der Therapie ausführlich, aber auch mit ihnen kann das zwischenmenschliche Geschehen eines therapeutischen Prozesses nicht erfasst werden, was unter den Dokumentationshinweisen für die KTL durch die DRV (2007) selbst folgendermaßen ausgedrückt wird:“ Auch inhaltliche Aspekte der therapeutischen Beziehung können mit der KTL nicht standardisiert erfasst werden“ (S. 16). Für mich war die Zuordnung der Behandlungsinhalte zu den KTL nicht immer eindeutig möglich. So werden beispielsweise während eines Angehörigengespräches sowohl edukative als auch therapeutische als auch sozialarbeiterische Inhalte angeboten. Wie kundenfreundlich wäre es, im Rahmen eines Angehörigengespräches Fragen der Familienmitglieder aus dem Bereich der Sozialarbeit mit dem Hinweis abzuwehren, dass es sich um ein therapeutisches Angehörigengespräch handelt, in dem Fragen zu Behördenangelegenheiten nicht beantwortet werden dürfen? Auf die Gefahr hin, dass ich selbst zu „kundennah“ bin, würde ich als Therapeutin so nicht reagieren. So geben auch die KTL eine Struktur vor, setzen einen Rahmen, der aber von einer klaren Eindeutigkeit aus meiner Sicht zur Zeit noch entfernt ist. Bei der Gegenüberstellung der in den KTL vorgegebenen Therapieziele und der Aufgaben der Behandlungspfade zeigt sich eine gute Übereinstimmung. Ich habe den Therapiezielen die Aufgaben der Behandlungspfade gegenübergestellt, in denen diese Ziele bearbeitet werden. Dies entspricht nicht immer den abzurechnenden Einheiten. So werden z.B. die Therapieziele der Leistung „G049 störungsspezifische Gruppe bei Abhängigkeitsproblematik: 134 Rückfallprävention“ nicht nur in der Rückfallprävention angesprochen, sondern auch bei der Vorstellung des Lebens- und Suchtverlaufes, bei der Erarbeitung der dysfunktionalen Kognitionen usw. Damit habe ich zum Zweck der Gegenüberstellung der KTL Ziele und der Behandlungsinhalte den Rahmen der KTL erweitert, um die Vielfältigkeit der Behandlungsinhalte darzustellen. Gegenüber dem Kostenträger wird selbstverständlich nur die dem Titel der KTL entsprechende Leistung abgerechnet, bei dem Beispiel „G049“ die Rückfallprophylaxe. In der Klinik werden im Bereich der Psychotherapie, bestehend aus Einzel- und Gruppentherapie, aus allen notwendigen Leistungsgruppen der DRV Leistungen angeboten, sofern der Patient die Behandlung nicht nach einem kurzen Aufenthalt abbricht. Es gibt in der Klinik für jeden Therapiebereich eine Zusammenstellung der angebotenen Leistungen eines Arbeitsbereiches mit den entsprechenden Kennzeichnungen der KTL und den notwendigen Zeitangaben. Diese wird von den Mitarbeitern genutzt, um die ausgeführten Leistungen zu erfassen. Ein drittes Element der Qualitätssicherung des Rentenversicherungsträgers sind die Leitlinien zur Behandlung eines bestimmten Störungsbildes. Hier wird die Behandlungsqualität, wie bei den KTL, auf der Ebene der therapeutischen Arbeit erfasst. Ich habe die Leitlinien zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen des AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) als Basis verwendet und mit den Inhalten der erstellten Behandlungspfade verglichen. Auch hier zeigte sich eine weitgehende Übereinstimmung, mit den Ausnahmen Zuordnung nach ICF, 12 Schritte Programm der AA, die Werteorientierte Therapie und die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. selbstständige Therapieform Die beiden letztgenannten Therapieformen werden als tatsächlich nicht angeboten, allerdings finden sich Basiselemente der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, wie die therapeutische Haltung gegenüber dem Klienten, auch in den in unserer Einrichtung angebotenen Behandlungsmethoden. Es wird sowohl in der Gruppen- als auch in der Einzeltherapie über Werte gesprochen, aber nur bedingt in der Art und Weise wie sie die Leitlinien vorgeben, die sich auf Spiritualität und Religiosität beziehen. Hier ist evtl. noch ein Relikt aus den Anfängen der Suchttherapie in dieser Klinik zu finden, in der solche Inhalte nicht besprochen wurden. Spürbar ist allerdings, dass das Interesse für diese Themen in der Patientenschaft vorhanden ist. Zur Zeit findet der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) noch keine Verwendung in der Fachklinik Liblar. Unter Berücksichtigung des zunehmenden Schwerpunktes der beruflichen Rehabilitation besteht hier Notwendigkeit zur Veränderung, so dass dieser Fragebogen in die Anfangsdiagnostik aufgenommen werden sollte. 135 Die Einhaltung der Leitlinien ist zur Zeit noch nicht verpflichtend. Hinzu kommt in Bezug auf die Masterthesis, dass die Leitlinien für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit entwickelt wurden, die Behandlungspfade sich jedoch auf die Behandlung polytoxikomaner Patienten beziehen. Ich habe den Vergleich damit gerechtfertigt, dass die zugrunde liegenden Suchtmuster der beiden Suchtformen gleich sind, auch wenn sich ein beispielsweise Kokain konsumierender Patient eindeutig von einem alkoholabhängigen Patienten unterscheidet. Nicht erwähnt wurden bei den Gegenüberstellungen die Behandlungspfade komorbider Patienten. In den berücksichtigten Leitlinien ist der Komorbidität zwar ein Kapitel gewidmet, allerdings findet man dort beispielsweise im Bezug auf Borderline-Störungen Folgendes: „Bei alkoholabhängigen Patienten mit Borderline–Störung wird von einigen Experten die „Dialektisch–Behaviorale Therapie“ (DBT) nach Linehan empfohlen (…). Darüber hinaus können Empfehlungen für eine spezielle Therapiemethode derzeit nicht gegeben werden“ (Bottlender et al bei AWMF 2010, S.9). Das Skillstraining aus der DBT wird in der Fachklinik Liblar bei der Behandlung von Borderline–Patienten angewendet. Da weitere konkrete Aussagen in den Leitlinien fehlen, erschien mir eine Gegenüberstellung nicht sinnvoll. Bei den KTL werden in der Leistungsgruppe G „Psychotherapie“ Hinweise auf die „Rehabilitation von Menschen mit Abhängigkeit (DRV 2007, S. 189) gegeben, Hinweise auf die Behandlung von Menschen mit Komorbidität habe ich nicht finden können, so dass dies ein Grund für die fehlende Gegenüberstellung ist. Ein anderer Grund ist, dass eine Behandlung komorbider Patienten in der Klinik zwar entsprechend den Erkenntnissen der Therapieforschung erfolgt, aber die in dieser Arbeit entwickelten Behandlungspfade zur Zeit noch nicht vollständig umgesetzt werden, da notwendige Trainingsprogramme und die Diagnostik noch verbessert werden müssen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Entwicklung von Behandlungspfaden für die therapeutische Arbeit nur bedingt die Vorteile der Behandlungspfade aus der Industrie oder Medizin bietet. Sie bieten keine so klaren Prozessvorgaben wie Behandlungspfade in der Medizin oder gar Prozessbeschreibungen in der Industrie. Allerdings zeigen die Behandlungspfade für die jeweilige Phase der Behandlung die wesentlichen Aufgaben auf, die der Patient und/oder der Therapeut während dieser Zeitspanne erledigen sollten. Ein Vergleich mit den Vorgaben des Rentenversicherungsträgers durch die Gegenüberstellung der Therapieziele der KTL und ein Vergleich der Behandlungspfade mit den Leitlinien der AWMF für die Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen zeigte, dass die Inhalte der Behandlungspfade den Vorgaben beider Qualitätssicherungssysteme größtenteils gerecht werden. Inwieweit es sinnvoll ist, Vorgaben aus der Industrie auf den Bereich der sozialen Dienstleistung zu übertragen, bleibt an einigen exakten Prozessbeschreibung oder der Stellen fraglich, so an dem Punkt der Erfassbarkeit von Beziehungsarbeit und 136 Therapieevaluation. Trotzdem sollen hierdurch die Vorteile der kontrollierten Qualitätssicherung nicht geschmälert werden. Die klare Regelung von Zuständigkeiten, die einheitliche Dokumentenlenkung, das Erfassen aller Prozesse in einem Qualitätshandbuch tragen eindeutig zur Verbesserung der organisatorischen Prozesse bei. Aus meiner Sicht ist es zum einen wichtig, sich die unterschiedlichen Bereiche der Qualitätssicherung zu verdeutlichen, um den jeweiligen Systemen die richtige Bedeutung beizumessen; zum anderen zu beachten, dass nicht jedes Geschehen durch die Qualitätssicherung erfasst werden kann. Eine Erhebung der Patientenzufriedenheit am Ende der Behandlung erfasst subjektive Eindrücke des Patienten, die von zahlreichen unspezifischen Faktoren bestimmt sein können, beispielsweise von der Atmosphäre der Einrichtung oder der Art und Weise, wie Teamkollegen einander begegnen und mit welcher Haltung dem Patienten begegnet wird. Die Haltung, die ein Therapeut gegenüber den Patienten und der therapeutischen Arbeit hat, muss er sich selbst erarbeiten, sie hängt mit seinen persönlichen Werten zusammen für die er selbst verantwortlich ist. Qualitätssicherung bedeutet hier aus meiner Sicht Auseinandersetzung mit sich selbst. Schön, wenn darüber im Team ein Ausstausch stattfinden kann, der, so war es in der Fachklinik Liblar, durch den Prozess der Qualitätssicherung ausgelöst worden ist. 137 8. Literaturverzeichnis Ameln v., F, Gerstmann, R. & Kramer, J. (2004). Psychodrama. Berlin: Springer Verlag. Bartling, G., Echelmeyer, L., Engberding, M. & Kraus, R. (1992). Problemanalyse im therapeutischen Prozess (3. Auflage). Stuttgart: Kohlhammer. Baumeister, H. (2006). Arbeitsplatzprobleme und Sucht. In P. Schuhler & M. Vogelgesang (Hrsg.). Psychotherapie der Sucht (S.454 - 479). Lengerich: Pabst Science Publishers. Beck, A., Freeman, A., Breidenbach, C. (1994) (Hrsg.). Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen (2. Auflage). Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union. Beck, A., Wirght, F., Newman, C. & Liese, B. (1997). Kognitive Therapie der Sucht. Weinheim: PVU. Behrendt, K. (1996). Beziehung zwischen Arzt und Patient – Ziele und Grenzen in der Praxis. In Nowak, M., Schifman, R., Brinkmann R. (Hrsg.), Drogensucht (2. Auflage) (S. 151 –160). Stuttgart: Schattauer. Bierbaumer, N. & Schmidt, R.F. (1996). Biologische Psychologie (3. Auflage). Heidelberg: Springer Verlag. Böheme, J., Bühringer, G. & Janik – Konecny, T. (1993). Expertise zur Primärprävention des Substanzmissbrauchs. Band 20 Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit. Baden Baden. Brodbeck, J. (2007). Diagnostik der Komorbidität. In F. Moggi (Hrsg.), Doppeldiagnosen (S. 125 – 140). Bern: Hans Huber Verlag. Brüggemann, S., Klosterhuis, H. & Köhler, J. (2004). Leitlinien in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Sucht aktuell, 2, 2004, S. 55 – 58. Davison, G.C. & Neale, J.M. (1998). Klinische Psychologie (5. Auflage). Weinheim: Psychologie Verlags Union. 138 DEGEMED & Fachverband Sucht e.V. (2008). Internes Qualitätsmanagement: Auditleitfaden 3.0 zum Zertifizierungsverfahren nach DEGEMED / FS für den Bereich „Abhängigkeitserkrankungen“ (stationäre Einrichtungen) (3. Auflagen). Verfügbar unter: www.sucht.de/tl_files/pdf/veröffentlichungen/Anlage_1_FS%20DEGEMED%20Auditleitfaden _stationär_%204.0.pdf (Zugriff am 28.12.2010). DGUV Test (2010). Informationen zur DIN EN ISO 9001. http://www.dguv.de/dguv-test/de/qualitaetsmanagement/9001/index.jsp (Zugriff am 26.09.2010). DG-Sucht & DGPPN (2010). Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlienien/076_008_s2_Postakutbehandlung_alkoholbedezoge ner_Störungen_05_2006_05-2011.pdf (Zugriff 14.01.2011). Deutsche Rentenversicherung Bund (2007). KTL (5. Auflage). Berlin: Druckerei Buck. www.Deutsche-Rentenversicherung-Rheinland.de/SharedDocs/de/Inhalt/Zielgruppe/ 01_sozialmedizin_forschung/04_klassifikationen/dateianhänge/ktl_2007_pdf Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M.H. (Hrsg.), (2010). Internationale Klassifikation psychischer Störungen (7. überarbeitete Auflage). Bern: Verlag Hans Huber. Dörner, K., Plog, U., Teller, C. & Wendt, F. (2007). Irren ist menschlich (3. Auflage). Bonn: Psychiatrieverlag. Duden 1982. Fremdwörterbuch. Mannheim: Dudenverlag. Dulz, B. & Schneider, A. (2001). Borderline – Störung (2. Auflage).Stuttgart: Schattauer. Ermann, M. (1996). Gruppentherapie. In F. Dorsch, H. Häcker, K. H. Stapf (1996) (Hrsg.), Dorsch, Psychologisches Wörterbuch (12. Auflage) (S. 302 – 303). Göttingen: Verlag Hans Huber. Ertl-Wagner, B., Steinbrucker, S. & Wagner, B. C. (2009). Qualitätsmanagement & Zertifizierung. Heidelberg: Springer Verlag. 139 Fiedler, P. (2005). Verhaltenstherapie in Gruppen (2. Auflage). Weinheim: Beltz Verlag. Fischer G. & Riedesser, P. (1999). Lehrbuch der Psychotraumatologie (2. Auflage). München: UTB. Fröhlich, W. D. (1994). Wörterbuch zur Psychologie (20. Auflage). München: dtv. Groeben, N. & Rustemeyer, R. (2001). Inhaltsanalyse. In E. König & P. Zedler (Hrsg.), Qualitative Forschung (S.233 – 258). Weinheim: UTB. Häcker, H. & Stapf, K.H. (1994). Dorsch Psychologisches Wörterbuch (12. Auflage). Bern: Verlag Hans Huber. Hautzinger, M. (1998). Depression. Göttingen: Hogrefe. Hautzinger, M. (2005). Grundüberzeugungen ändern. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.171 - 175). Heidelberg: Springer Verlag. Hinsch, R. & Pfingsten, U. (1998). Gruppentraining sozialer Kompetenzen (3. Auflage). Weinheim: Psychologie Verlags Union. Howe, J. & Minsel, W.R. (1994). Gesprächspsychotherapie. In H. Petzold (Hrsg.), Wege zum Menschen (S. 309 – 385). Paderborn: Junfermann. Jorda, C. (2004). Psychodrama im stationären Bereich. . In J. Fürst, K. Ottomeyer & H. Pruckner (Hrsg.), Psychodramatherapie (S. 337 - 347). Wien: Facultas Verlag. Kaluza, G. (2005). Stressbewältigungstraining. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.171 - 175). Heidelberg: Springer Verlag. Kanfer, F.H., Reinecker, H. & Schmelzer, D. (1991). Selbstmanagement – Therapie. Berlin: Springer. Kapp, F. (2006). Die Ressourcen – Waage. In S. Fliegel & A. Kämmerer (Hrsg.), Psychotherapeutische Schätze (S.151 -152). Tübingen: dgvt Verlag. 140 Keusen, R. (2007). Handout für das Seminar „Praxis der Gruppentherapie“. Masterstudiengang Suchthilfe. Klein, M. (2001). Suchtstörungen. In R. Brinkmann-Göbel (Hrsg.), Handbuch für Gesundheitsberater (S. 227 – 237). Bern: Verlag Hans Huber. Klein, M. (2001). Das personale Umfeld von Suchtkranken. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.), Psychologische Therapie der Sucht (S. 201 - 229). Göttingen: Hogrefe. Költzsch, K. & Brodbeck, J. (2002). Psychotherapie von Patienten mit Persönlichkeits- und Substanzstörung. In F. Moggi (Hrsg.), Doppeldiagnosen (S. 161 – 180). Bern: Hans Huber Verlag. Körkel, J. (2001). Rückfall und Rückfallprävention bei Alkoholabhängigkeit. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.), Psychologische Therapie der Sucht (S. 519 -547). Göttingen: Hogrefe. Körkel, J. & Schindler, C. (2003). Rückfallprävention mit Alkoholabhängigen. Heidelberg: Springer Verlag. Kriz, J. (1999). Systemtheorie für Psychotherapeuten, Psychologen und Mediziner. Wien: Facultas Universitätsverlag.Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.171 - 175). Heidelberg: Springer Verlag. Lammers, K. (2004). Allgemeine Techniken im Psychodrama. In J. Fürst, K. Ottomeyer & H. Pruckner (Hrsg.), Psychodramatherapie (S. 222 - 243). Wien: Facultas Verlag. Lebenbauer, T. & Vocks, S. (2006). Manual der kognitiven Verhaltenstherapie bei Anorexie und Bulimie. Heidelberg: Springer. Leutz, G. (1986). Psychodrama (1. Korrigierter Nachdruck). Berlin: Springer Verlag. Lindenmayer, J. (2005). Lieber schlau als blau (7. Auflage). Weinheim: Beltz Verlag. Löhrer, F. (2005). Doppeldiagnosen: Sucht und Psychose. In A. Trost & W. Schwarzer (Hrsg.), Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (3. Auflage) (S. 263 – 280). Dortmund: borgmann publishing. 141 Lutz, R. (2005). Genusstraining: Kleine Schule des Genießens. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.171 - 175). Heidelberg: Springer Verlag. Margraf, J. (Hrsg.) (2000). Lehrbuch der Verhaltenstherapie (Bd. 2) (2. Auflage). Berlin: Springer Verlag. Marlatt, G.A. & Gordon,J.R. (Hrsg.) (1985). Relapse prevention: maintenance strategies in the treatment of addictive behaviors. New York: Guilford. Michalak, J. & Heidenreich, T. (2007). Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie: Ein neuer Ansatz zur Prävention depressiver Rückfällle. In O.M. Elmer (Hrsg.), Psychotherapie affektiver Störungen (S. 41 - 55). Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie. Michel, S. (2002). Qualitätsmanagement in der stationären Suchtbehandlung als Prozess des organisationalen Lernens. Konstanz: Hartung – Gorre Verlag. Miller, R. & Rollnick, S. (2004). Motivierende Gesprächsführung. Freiburg i.B.: Lambertus. Moreno, J.L. (1988). Gruppenpsychotherapie und Psychodrama (3. unveränderte Auflage). Stuttgart: Thieme Verlag. Moggi, F. (2007). Doppeldiagnosen, Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Bern: Hans Huber Verlag. Müller, A. (2001). Interaktion mit Menschen mit problematischem Suchtmittelkonsum. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.) (2001). Psychologische Therapie der Sucht (S.285 - 303). Göttingen: Hogrefe. Mueser, K., Drake, R. & Wallach, M. (2007). Komorbidität von psychotischen Störungen und Substanzstörungen. In F. Moggi (Hrsg.), Doppeldiagnosen (S. 93 – 122). Bern: Hans Huber . Osten, P. (2000). Die Anamnese in der Psychotherapie. München: Ernst Reinhardt Verlag. Potreck – Rose, F. & Jacob, G. (2008) Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen 142 (5. Auflage). München: Klett Cotta. Rehan – Sommer, S. (2006). Ressourcenaufbau in kritischen Alltagssituationen. In S. Fliegel & A. Kämmerer (Hrsg.), Psychotherapeutische Schätze (S.148 - 150). Tübingen: dgvt Verlag. Rentrop, M., Reicherzer, M. & Bäuml, J. (2007). Psychoedukation Borderline – Störung. München: Urban & Fischer. Rief, W. (2000). Somatisierungsstörungen. In J. Margraf (Hrsg.) (2000). Lehrbuch der Verhaltenstherapie (Bd. 2) (2. Auflage) (S.189 - 208). Berlin: Springer Verlag. Rustemeyer, R. (1992). Praktisch-methodische Schritte der Inhaltsanalyse. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung GmbH & Co.. Saß, H., Wittchen, H.U., Zaudig, M. & Houben, I.(1998) (deutsche Bearbeitung). Diagnostische Kriterien DSM IV. Göttingen: Hogrefe. Schay, P., Pultke, U., Jakob-Krieger, C., Petzold, H. (2007). Berufliche Integration Drogenabhängiger. In H. Petzold, P, Schay, W. Ebert (Hrsg.), Integrative Suchttherapie (2. Auflage) (S.125 – 148). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Schiepek, G. (1999). Die Grundlagen der Systemischen Therapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Schlippe v. A. (1995). Familientherapie im Überblick (11. Auflage). Paderborn: Junfermann Verlag. Schmidt-Atzert, L. (1996). Lehrbuch der Emotionspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer Schmitz, B, Schuhler, P., Handke-Raubach, A, & Jung, A. (2001). Kognitive Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen und unflexiblen Persönlichkeitsstilen. Lengerich: Pabst Science Publishers. Schneider, B. (2006). Grundlagen der Verhaltenstherapie. Masterstudiengang Sucht 2006. KatHo Köln. 143 Schuhler, P. & Vogelgesang, M. (Hrsg.) (2006). Psychotherapie der Sucht. Lengerich: Pabst Scienc Publishers. Schwarzer, W. (1999). Psychische Erkrankungen im Erwachsenenalter. In A. Trost & W. Schwarzer (Hrsg.), Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (S.139 - 188) (3. Auflage). Dortmund: borgmann publishing. Sonntag, G. & Tretter, F. (2001). Grundaspekte der Suchtkrankentherapie. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.), Psychologische Therapie der Sucht (S.329 - 361). Göttingen: Hogrefe. Stavemann, H. H. (2002). Sokratische Gesprächsführung .Weinheim: Beltz PVU. Steinacher, B. (2008). Effekte der Implementierung eines klinischen Behandlungspfades für Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis. http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/. (Zugriff am 21.11.2010). Stempel, K. (2008). Rauschgiftlage 2008. In DHS (Hrsg.), Jahrbuch Sucht 2010 (S. 96 – 109). Geesthacht: Neuland. Sulz, S.K.D. (2005). Emotionsregulationstraining. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.). Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S. 141 - 147). Heidelberg: Springer Verlag. Trautmann, R. D. (2004). Verhaltenstherapie bei Persönlichkeitsstörungen und problematischen Persönlichkeitsstilen. Stuttgart: pfeiffer bei Klett Cotta. Tretter, F. & Müller, A. (2001 a). Grundaspekte der Sucht. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.). Psychologische Therapie der Sucht (S.17 - 32). Göttingen: Hogrefe. Tretter, F. & Müller, A. (2001 b). Medizinische Aspekte der Suchtkrankentherapie. In F. Tretter & A. Müller (Hrsg.). Psychologische Therapie der Sucht (S.573- 582. Göttingen: Hogrefe. 144 Trost, A. (1999). Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und –pschotherapie. In A. Trost & W. Schwarzer (Hrsg.), Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (S.69 - 137) (3. Auflage). Dortmund: borgmann publishing. Tyron, G.S. (2005). Gedankenstopp. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.). Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S. 168 - 170). Heidelberg: Springer Verlag. Vedder, H. (2004). Behandlungspfade in der Psychiatrie und Psychotherapie. http://www.med.uni-marburg.de/stpg/ukm/ob/psychiatrie/QM/Behandlungspfade.html (Zugriff am 21.11.2010). Vogelgesang, M. (2006). Psychotherapie bei Aggressiven Störungen und Abhängigkeitserkrankungen. In P. Schuhler & M. Vogelgesang (Hrsg.). Psychotherapie der Sucht (S.438 - 453). Lengerich: Pabst Science Publishers. Vogelgesang, M. (2006). Psychotherapie bei frauenspezifischen Aspekten der Abhängigkeitserkrankung. Hier: sexuelle Missbrauchserfahrung. In P. Schuhler & M. Vogelgesang (Hrsg.). Psychotherapie der Sucht (S.438 - 453). Lengerich: Pabst Science Publishers. Weissing, V. & Schneider, R. (2006). Leitlinien und ihre Bedeutung für die Suchthilfe in Deutschland: Statement des Fachverbandes Sucht e.V.. Sucht aktuell, 2, 2006, S. 4 – 7. Zimmer, D. (2005). Therapeut – Patient – Beziehung. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.). Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.64 - 70). Heidelberg: Springer Verlag. Zimmer, F.T. (2005). Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.). Verhaltenstherapiemanual (5. Auflage) (S.64 - 70). Heidelberg: Springer Verlag. Zobel, M. (2007). Trauma und Sucht. Handout Masterstudiengang Sucht 2007. KatHo Köln. 145 9. Anhang Anhang A Interventionen S. 147 – 165 Anhang B Trainingsprogramme S. 166 - 186 Anhang C Inhalt der Aufnahmemappe S. 187 - 193 Anhang D Handouts Psychoedukation S. 194 – 199 Patientenfragebogen S. 200 – 204 146 Anhang A Interventionen Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das Verb intervenieren dazwischentreten, vermitteln, sich einmischen. Durch das gezielte Eingreifen in Organismen, soziale oder technische Systeme soll dem Auftreten von Störungen vorgebeugt werden, sie behoben oder ihre Folgen eingedämmt werden. In der medizinischen und psychologischen Gesundheitsvorsorge zählen hierzu neben Therapie und Psychotherapie alle Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation (Fröhlich 1994). Weiter schreibt der Autor:“ als psychologische Intervention gelten alle Maßnahmen, die mit psychologischen Mitteln das Erleben und Verhalten ansprechen und durch den Abbau von Störungen bei gleichzeitigem Aufbau positiver Einstellungen (…) sowie kreativer, kommunikativer und sozialer Fähigkeiten der Förderung von Gesundheit, harmonischem Zusammenleben, Wohlbefinden und Zufriedenheit dienen “ (S.225). Margraf (2000) gibt für die Psychologie folgende Definition: „Professionelles, wissenschaftlich fundiertes und überprüftes Handeln, das mit psychologischen Mitteln und Methoden im Erleben und Verhalten zum Zweck der Entfaltung oder Rehabilitation einer Person oder der Vorbeugung oder Behandlung von Störungen ansetzt.“ (S. 584). In diesem Sinne stelle ich nun die im Zusammenhang mit den Behandlungspfaden in unserer Einrichtung eingesetzten Interventionen vor. Allgemeine Interventionen Die folgenden Begriffe kennzeichnen die Standardinterventionen des therapeutischen Alltags, weswegen ich sie nicht näher beschreiben werde: Abstrahieren, Anerkennen, Auffordern, Bewerten (aber vorsichtig), Fragen, Humor Hypothesen bilden und bilden lassen, Informieren, Ideen sammeln, Konfrontieren, Loben, Paraphrasieren, Provozieren, Strukturieren. Die ersten fünf nun folgenden Interventionen habe ich aus der Motivierenden Gesprächsführung übernommen: Aktives Zuhören Die Grundannahme, die hinter dem Aktiven Zuhören steht, ist die Annahme, dass es in der Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen zu Störungen kommen kann, beispielweise weil der Sender etwas Bestimmtes sagen möchte, dies aber nicht so formulieren kann, dass der Empfänger tatsächlich versteht, was der Sender ausdrücklich will. Antwortet der Empfänger nun auf das, was er gehört hat, reden die Gesprächspartner möglicherweise aneinander vorbei und fühlen sich vom ihrem Gesprächspartner nicht 147 verstanden. Das versucht der aktive Zuhörer zu verhindern, indem er das, was er als die Bedeutung des Gesagten verstanden hat, formuliert und es der Person als eigene Aussage zurückspiegelt, allerdings nicht in Form einer Frage, sondern als Aussage (Miller und Rollnick 2000). Wichtig hierbei ist es, dass der Therapeut reflektiv denkt, ihm klar ist, dass sein Verständnis eines Begriffes nicht auch das seines Gegenübers sein muss und er sich diesbezüglich Klarheit verschaffen muss, indem er die Aussage mit eigenen Worten wiederholt und so nachprüft, ob er die Aussage richtig verstanden hat. Dabei genügt es, nur ein oder zwei Wörter des Gesagten zu wiederholen oder aber als subtilere Art der Reflexion die Worte des Patienten durch andere zu ersetzen. Das wird als Paraphrasieren bezeichnet. Durch das Anbieten von Hypothesen oder durch Reflexion der angenommenen Gefühlslage des Patienten wird der Prozess der Selbstexploration beschleunigt. Da der Therapeut entscheidet, was reflektiert wird und was ignoriert wird, kann er der Reflexion des Gegenübers eine Richtung vorgeben. Bestätigen Das Bestätigen der Person dient im therapeutischen Prozess dem positiven Beziehungsaufbau. Dies kann durch Anerkennung, Komplimente oder Verständnis vermittelnden Aussagen geschehen. Auch das aktive Zuhören kann als eine Bestätigung verstanden werden, weil der Patient merkt, dass es dem Therapeuten wichtig ist, was der Patient meint. Change Talk hervorrufen Miller und Rollnick sagen selbst, dass es sich hierbei um eine sehr direktive Intervention handelt. Im Rahmen des Change Talk kann die Person die Nachteile des derzeitigen Zustands erkennen, dazu die Vorteile einer Veränderung. Daraus kann sich eine Zuversicht gegenüber der Veränderung einstellen, die Selbstwirksamkeitserwartung der Person steigt und es kommt zu einer Veränderungsabsicht. Die Motivation des Patienten, sich auf einen therapeutisch begleiteten Veränderungsprozess einzulassen, ist nun vorhanden. Offene Fragen stellen Besonders in den ersten Kontakten zwischen Patient und Therapeut ist es wichtig, dass der Patient Vertrauen aufbaut, er sollte sich akzeptiert fühlen. Dazu sollte der Patient viel Raum zum Reden haben, Miller und Rollnick (2000) sprechen davon, dass der Patient mehr als die Hälfte der Zeit redet. Dies kann der Therapeut dadurch erreichen, dass er offene Fragen stellt, die längere Antworten provozieren. 148 Zusammenfassen Miller und Rollnick (2000) unterscheiden zwischen sammelnder Zusammenfassung. Sie sind eher kurz und sollen entweder zu weiteren Ausführungen einladen oder aber eine neue Richtung vorgeben. Eine anschließende Frage kann sein: “Was gibt es sonst noch?“ Verbindende Zusammenfassungen verknüpfen das von einer Person Gesagte mit Inhalten, die bereits vorher einmal besprochen wurden. Hierbei wird die Person ermutigt, über Zusammenhänge zwischen den beiden Themen nachzudenken. Durch verbindendes Zusammenfassen kann die Ambivalenz einer Person gut verdeutlicht werden. Überleitende Zusammenfassungen markieren den Wechsel von einem Thema zu einem anderen. Die Autoren empfehlen sie besonders am Ende der ersten Sitzung, um alles Gesagte thematisch zu verbinden. Interventionen im Rahmen der Behandlungsphasen: Abschlusseinzelgespräche mit dem Einzel- und dem Bezugstherapeuten. Der Patient fasst aus seiner Sicht die Arbeit in den Einzelgesprächen zusammen und reflektiert sie kritisch, dazu gehören die Fragen, was ihm gut gelungen ist, wo er weiter gekommen ist, wo noch Veränderungsbedarf besteht und wo er unter Umständen ein Thema konsequent vermieden hat, ob die vereinbarten Ziele erreicht worden sind, wenn nicht, welches die Gründe dafür waren. Das Gleiche macht der Einzeltherapeut für die Arbeit mit dem Patienten. Im Abschlussgespräch mit dem Bezugstherapeuten werden die mit dem Patienten vereinbarten Ziele noch einmal besprochen. Sollten sich bei der Überprüfung der Therapiestandards, was ca. zwei Wochen vor Ende der Behandlung geschehen sollte, herausgestellt haben, dass noch Aufgaben offen waren, wird nun geschaut, ob diese Aufgaben erledigt worden sind. Aus meiner Sicht ist es wichtig noch einmal gemeinsam mit dem Patienten zu schauen, was ihn nach der Behandlung in seinem Alltag stärken kann und was er in der Behandlung für Möglichkeiten gefunden hat, sein Belohnungszentrum zu befriedigen, ohne das es zu einer Abstinenzverletzung kommt. Auseinandersetzen mit Verstößen gegen das Klinikregelwerk Das Nichteinhalten bestehender Regeln ist oftmals ein Ausdruck delinquenter Verhaltensweisen, sofern man Delinquenz als von der Norm abweichendes Verhalten definiert. So findet drei Mal in der Woche eine Abendrunde statt, in der es unter anderem darum geht, die Regelverstöße der vergangenen Tage offen anzusprechen. Im Rahmen der Bezugsgruppen wird über die Bedeutung des Übens der Regeleinhaltung immer wieder 149 gesprochen, ebenso wie in Großgruppenveranstaltungen. Ziel ist es häufig, einen Weg zu finden, indem der Patient seinen Wunsch, sich von anderen zu unterscheiden ausdrücken kann, ohne bestehende Regeln zu verletzen, anders ausgedrückt, einen angemessenen Umgang mit dem Wunsch nach Rebellion zu finden. Regelverstöße können auch Desinteresse oder Überforderung zum Ausdruck bringen. Auch dies wird in den Bezugsgruppen thematisch bearbeitet. Da wir über keine feststehenden Konsequenzen für bestimmtes regelwidriges Verhalten verfügen, werden Konsequenzen meist in der Bezugsgruppe individuell festgelegt. Besprechen der Diagnosekriterien Immer wieder beginnen solche Patienten eine Behandlung, die sich für weniger süchtig als die anderen Patienten und folglich für fehl am Platze halten. Da es nach Proschaska und DiClemente in der Phase der Precontemplation sinnvoll ist, Informationen zu geben, stellen wir dann die Diagnosekriterien der Suchtmittelabhängigkeit nach ICD 10 vor. Bisher war demnach noch niemand falsch in unserer Einrichtung, allerdings heißt das noch lange nicht, dass der Betroffene dies auch akzeptiert. Immerhin erfährt er, dass er aus Sicht dieses Diagnoseschlüssels alle Kriterien erfüllt. Als Therapeuten lassen wir diese Feststellung, das die notwendigen Kriterien erfüllt sind, ohne weiteren Kommentar stehen. Oftmals entwickelt sich dann zwischen den Gruppenteilnehmern ein Austausch, da therapieerfahrene Patienten diese Leugnungshaltung von sich selbst kennen. Die dann folgenden Selbsterfahrungsberichte erreichen häufig mehr bei den Patienten als die theoretischen Ausführungen der Therapeuten. Bewerbungsfahrten zu Nachsorgeeinrichtungen Die Belastungserprobungen in der zweiten Hälfte der Behandlung bestehen einerseits aus Tages- und Wochenendfahrten zu Familie und Angehörigen, andererseits geht es darum, dass die Patienten sich bei für sie in Frage kommenden Nachsorgeeinrichtungen vorstellen. Dazu existiert ein von einem Patienten verwalteter Ordner, in dem sich Informationsmaterial über Nachsorgeeinrichtungen in NRW, aber auch Baden Württemberg befinden. Hier findet der Patient mögliche Adressen. Der erste Kontakt zu einer in Frage kommenden Einrichtung ist meist telefonisch. Nachdem der Patient seine Bewerbungsunterlagen an die Einrichtung gesendet hat, folgt meist die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Diese Fahrten werden innerhalb der Gruppentherapie vorbereitet. Mögliche Schwierigkeiten, die unterwegs auftreten können, Risikosituationen, in die der Patient geraten kann werden angesprochen, mögliche Verhaltensweisen werden erarbeitet und teilweise im Rollenspiel durchgespielt. 150 Nach der Fahrt werden die Strategien, falls sie angewendet werden mussten, besprochen und gegebenenfalls überarbeitet. Bewerbungsmappe Jeder Patient muss während seines Aufenthaltes eine Bewerbungsmappe erstellen. Meist geschieht das in den ersten Behandlungswochen, da die Patienten dann die für die Gruppentherapie notwendigen Lebens-, Sucht- und Delinquenzverläufe erstellen. Die Gelegenheit dazu erhalten sie während der sogenannten “Rehaeinheit”, die einmal wöchentlich für jede Gruppe stattfindet. Hier werden die Patienten bei der Erstellung des Lebenslaufes und des Anschreibens unterstützt. Die Stellenausschreibungen finden sie in der Zeitung oder sie können sie an ihren ehemaligen Arbeitgeber richten. Am Ende der Behandlung soll jeder Patient eine komplette Bewerbungsmappe zur Verfügung haben. Patienten die nicht schreiben können, werden zum einen durch ehrenamtlich tätige Pädagogen im Schreiben, Lesen und im einfachen Rechnen nachbeschult, und sie erhalten Unterstützung durch ihre Mitpatienten. Bewerbungstraining In den einmal wöchentlich angebotenen Rehaeinheiten, in denen alle Aufgaben, die mit der Rehabilitation verbunden sind erledigt werden können, finden die Bewerbungstrainings statt. Durchgeführt werden sie von einem Ergotherapeuten, der die Patienten während der gesamten Behandlung in diesem Bereich betreut. Es werden mit Hilfe der anderen Patienten Bewerbungsgespräche geführt, die anschließend analysiert werden, leider zur Zeit noch ohne Videoaufzeichnung. Im Nachhinein wird das Training meist positiv bewertet, da die Patienten eine Vorstellung davon bekommen haben, wie sie in einer solchen Situation wirken und was sie verbessern können oder sogar müssen. Besuch des BIZ Alle Patienten fahren während der wöchentlich angebotenen Rehaeinheiten, in denen alle Aufgaben, die mit der Rehabilitation verbunden sind erledigt werden können, wenigstens einmal zum Berufsinformationszentrum nach Brühl. Sie können dort die Suche nach Informationen über den sie interessierenden Beruf üben oder sich über Umschulungsmöglichkeiten informieren. Dadurch soll die Hemmschwelle herabgesetzt werden, solche Informationsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Vielen ist es auch lästig, sich in so einem Raum hinzusetzen und Informationen zu sammeln. Ist das jedoch bereits einmal gemacht worden, fällt ein erneuter Besuch des BIZ am zukünftigen Wohnort leichter. 151 Delinquenzverlauf Jeder Patient stellt in der Bezugsgruppe seinen bisherigen Delinquenzverlauf vor. Dabei werden auch erste Vergehen aus der Kindheit erwähnt, z.B. das Stehlen von Süßigkeiten in einem Geschäft. Wichtig ist, das emotionale Erleben vor, während und nach den Straftaten zu beschreiben und zu beobachten, wie sich das Empfinden im Laufe der Zeit verändert hat und Straftaten zu einer Selbstverständlichkeit im Drogenalltag geworden sind. Häufig zeigen Patienten Stolz bezüglich ihrer Straftaten. Nachfragen verdeutlichen dann, dass es oft die einzigen Handlungen sind, auf die sie stolz sind und für die sie innerhalb der Szene Anerkennung erhalten konnten. Offene aber nicht abwertende Rückmeldungen zum delinquenten Verhalten der Patienten sind ein wichtiger Bestandteil der Therapie, damit die Patienten erkennen, dass sie außerhalb der Szene mit diesem Verhalten auf Ablehnung stoßen. Hier gilt es oftmals für die Patienten auszuhalten, dass sie sich in der Welt der Nichtabhängigen zunächst nicht profilieren können. Nicht alle Patienten stellen ihre Delinquenz so positiv dar. Immer wieder löst der Vortrag der bisherigen Straftaten auch Schuld- und Schamgefühle aus. Aus unserer Sicht gilt es diese nicht wegzureden, sondern sie als Teil der Abhängigkeitserkrankung zu sehen, der durch eine stabile Abstinenz verhindert werden kann. Distanzierungstechniken Meist wenden wir diese Interventionen für traumatisierte Patienten an, die häufig zu Behandlungsbeginn über Erinnerungen an die traumatisierenden Erlebnisse klagen, die sie immer wieder einholen würden. Viele, meist Frauen, kommen in unserer medialen Zeit gut damit zurecht, sich eine Fernbedienung vorzustellen, mit deren Hilfe sie die erinnerten Bilder, wie bei einem Fernsehapparat, ausstellen. Eine Alternative dazu ist es, sich das Überpinseln eines Bildes mit einer dicken Quaste und schwarzer Farbe vor zu stellen. Nach mehrmaligem Üben im Rahmen von Einzelsitzungen können die Betroffenen diese Übung alleine für sich durchführen. Weitere Interventionen können sein, die Patienten rückwärts zählen zu lassen oder die Übung der Zwerchfellatmung, bei der der Patient sich gerade hinsetzt, seine rechte Hand auf den Bauch legt und sich auf seinen Atem konzentriert (Zobel 2007) Emotionstagebuch Das Emotionstagebuch wird den Patienten als Hausaufgabe gegeben. Die vom Betroffenen gesammelten Einträge werden in der nächsten Behandlungssitzung ausgewertet. In einem Heft werden mehrere Spalten eingerichtet, die als Überschrift folgende Fragen haben: 152 Was fühle ich? Was denke ich? Was war? Was will ich tun? Welche Konsequenzen hat mein tun? Dabei soll der Patient sich beim Ausfüllen der Spalten Zeit lassen und seine Fühlen und Denken genau beschreiben (Schmitz et al 2001). Durch die Auseinandersetzung mit den Notizen und der Überlegung alternativer Verhaltensweisen zu selbst- oder fremdverletzenden Verhaltensweisen und dysfunktionalen Denkmustern soll es für den Patienten möglich werden, seine negativen Emotionen zu verstehen, neu zu bewerten und willentlich zu beeinflussen (Rentrop et al 2007). Diese Intervention wird meist bei Patienten mit Depressionen oder Borderline – Störung eingesetzt. Frauen- oder Männergruppe Wir bieten regemäßig im Rahmen der Indikationsgruppen Männer- und Frauengruppen an, die jeweils von einem Therapeuten, bzw. von einer Therapeutin geleitet werden. Inhalte sind das Geschlechtsrollenverständnis und der Austausch darüber, so dass eine Erweiterung des bisherigen Rollenverständnisses möglich ist. Für beide Geschlechter ist es wichtig, einen geschützten Rahmen zu haben, in dem sie unter ihres Gleichen schambesetzte Erfahrungen austauschen können. Immer geht es auch darum, einen Zusammenhang zur Suchtentwicklung herzustellen und alternative Verhaltensweisen zu erarbeiten und gegebenenfalls auch auszuprobieren. So ist es für Frauen, die sich oft als Konkurrentinnen sehen, immer wieder eine neue Erfahrung, etwas gemeinsam mit anderen Frauen zu unternehmen oder die Erfahrung der gegenseitigen Unterstützung zu erleben. Gedankenstopp Eigentlich findet man diese Intervention häufig im Bereich der Zwangserkrankungen, um ständiges Grübeln und negative Gedankenketten zu unterbrechen (Tyron 2005). Für uns ist die Intervention von Nutzen, weil bei der Analyse dysfunktionaler Kognitionen deutlich wird, dass der Patient bestimmte Grundüberzeugungen innerlich manifestiert und damit seinen Substanzkonsum rechtfertigt. Hat der Patient für sich selbst eingesehen, dass ein bestimmter Gedanke irrational ist und seine Abstinenzfähigkeit immer wieder in Frage stellen kann, arbeiten wir mit dem Gedankenstopp. Es wird dabei so vorgegangen, dass der Patient sich innerlich den Gedanken vorspricht, ohne Vorwarnung ruft der Therapeut sehr laut „Stopp“, was meist zu einer Schreckreaktion des Patienten führt. Der Therapeut lässt den 153 Patienten genau beschreiben, was passiert ist und was er empfunden hat. Dasselbe Vorgehen wird erneut wiederholt. Der Patient wird wieder nach seinem Erleben gefragt. Der Patient versucht es im nächsten Schritt selbst, indem er zunächst laut Stopp ruft, beim nächsten Schritt stellt der Patient sich vor, selbst stopp zu rufen. Meist müssen einige Schritte mehrfach wiederholt werden, da es für die Patienten oft befremdlich ist, sich selbst etwas zuzurufen. Nach jedem Wiederholungsdurchgang ist es wichtig, den Patienten nach seinem Erleben zu fragen. Treten nun wieder die altbekannten Grundüberzeugungen auf, soll der Patient seine Gedanken mit dem inneren „Stopp“ unterbrechen können. Wichtig ist es, nachzufragen, ob der Patient diese Technik im Alltag auch anwendet und ob sich die Frequenz der Anwendung des Gedankenstopp verändert, denn sie sollte sich reduzieren. Steigert sie sich, würde das eine Festigung des Gedankens bedeuten könne, was kontraindiziert wäre. Diese Intervention wird auch noch einmal im Rahmen der Rückfallprophylaxe (S. 179 genannt. Geleitetes Entdecken Beck et al (1997) verstehen unter geleitetem Entdecken, dass der Therapeut den Patienten nach der Bedeutung fragt, die ein auslösender Reiz, beispielsweise ein Löffel für einen Heroinabhängigen, hat. Er fragt nach der Wirkungserwartung, seinen erlaubnisgebenden Gedanken und seinen speziellen suchtbezogenen Handlungsplänen. Mit Hilfe dieser Fragen werden dem Patienten die kognitiven Zusammenhänge seiner Suchtmittelabhängigkeit deutlich. Dabei wird ein Flussdiagramm erstellt, in dem jeder Bestandteil des kognitiven Suchtmodells ein Kästchen hat. Nachdem der Therapeut dem Patienten dieses Modell erklärt hat, wird es von beiden gemeinsam ausgefüllt, weil suchtbezogene Grundannahmen und dahinter stehende Grundüberzeugungen dem Menschen oft gar nicht, bzw. nicht einfach zugänglich sind. Die Fragen des Therapeuten werden benötigt, um diese Grundüberzeugungen bewusst zu machen. Hautzinger (2005) nennt diese Intervention „Grundüberzeugungen ändern“ (S. 172). Er schlägt vor, Grundannahme von einem automatischen auszugehen. Diese Gedanken Gedanken oder können einer nach suchtspezifischen Hautzinger über Tagesprotokolle erfasst werden. Der Patient wird nach der Bedeutung dieses Gedanken gefragt. Aus den Gedanken wird eine allgemeingültige Regel, eine Axiom, abgeleitet. In der weiteren therapeutischen Arbeit werden die Vor- und Nachteile der Axiome herausgearbeitet, sie werden Realitätstests unterzogen, und der Patient nimmt einen Rollentausch vor, indem er andere Grundsätze annimmt, die für seine Ziele erfolgversprechender sind. Parallel dazu werden aus den Axiomen Hypothesen bezüglich der Grundüberzeugungen erstellt, die zur 154 Lebensgeschichte des Patienten in Bezug gesetzt werden. Der Autor hebt die Bedeutung hervor, die dem kritischen Bewerten dieser grundlegenden Überzeugungen zukommt. Dem Patient soll deutlich werden, dass diese Grundüberzeugungen ganz oder teilweise falsch sein können. Diese Überprüfung kann wieder durch das Abwägen von Vor- und Nachteilen geschehen, durch Realitätstest und Verhaltensexperimente, durch das Formulieren von Extremen und das Suchen alternativer Erklärungen (ebenda). Kurzkontakte und Smalltalk Unsere praktische Erfahrung zeigt, dass kurze Kontakte in den Behandlungspausen und in der Freizeit, während Spät- und Wochenenddiensten die Anbindung des Patienten an die Einrichtung und damit die Behandlung positiv beeinflussen. In diesen Kontakten geht es nicht darum, sich über den therapeutischen Prozess auszutauschen, sondern es wird über Alltägliches gesprochen. Der Patient hat dadurch die Möglichkeit, den Mitarbeitern der Einrichtung als „normalen“ Menschen zu begegnen, der Makel des „Kranken“ fällt weg. Die Mitarbeiter können aus einer anderen Perspektive erlebt werden. Das kann die Hemmschwelle, Kontakt aufzunehmen, verringern helfen. Hier wird aus unserer Erfahrung ein Grundstein für die Bereitschaft des Patienten gelegt, sich auch in Krisen an die Mitarbeiter zu wenden und bereits früh in der Behandlung die Erfahrung zu machen, dass das Einholen von Unterstützung möglich und hilfreich ist. Manchmal genügt bereits ein Kopfnicken aus der Distanz, das dem Patienten das Gefühl gibt, als Mensch wahrgenommen zu werden. Aus diesen Kontakten können allerdings auch Informationen über das Sozialverhalten des Patienten hervorgehen. Hier erlebt man den Menschen häufig anders als im Rahmen der Therapieeinheiten, in denen eine größere Distanz und ein stärkeres Gefälle zwischen Therapeut und Patient erlebt wird. Mögliche Widersprüche im Erleben können bei länger bestehender Arbeitsbeziehung, die bereits eine gewisse Belastbarkeit erlangt hat, angesprochen werden. Modell der Suchttrias Dieses Erklärungsmodell der Entstehung von Suchtmittelabhängigkeit gehört zu den prozess- und interaktionsorientierten Modellen. Es ist ein Modell, das den Patienten im Rahmen der Orientierungsphase Denkanstöße geben kann, über ihre eigene Suchtentwicklung nachzudenken. Es wird in diesem Erklärungsmodell angenommen, dass der Drogenmissbrauch ein Geschehen ist, dass durch drei Faktoren bedingt wird: die Person, die Umwelt der Person und die Droge. Zur Person gehören Erbanlagen, psychische Variablen, soziokulturelle Einflüsse wie Konsumverhalten, Einstellung gegenüber Drogen. 155 Soziale Schichtzugehörigkeit, allgemeine Lebensbedingungen, Familienstruktur, Arbeitssituation und der Einfluss sozialer Gruppen bilden den Umweltfaktor. Zu dem Faktor Drogen gehören ihre spezielle Wirkung, die Art und Dauer der Einnahme und die Höhe der Dosis (Böhme et al 1993). Die Interaktionen zwischen den Faktoren ist nicht geklärt, so dass es sich eher um ein deskriptives Modell handelt. Trotzdem ist es als erstes theoretisches Input für die Patienten gut geeignet. Paarbeziehungen in Gruppensitzungen und Einzelgesprächen Der Patient berichtet über seine bisherigen Beziehungen. Dabei werden rasch Muster deutlich, die der Betreffende selbst meist noch nicht erkannt hat. Diese Muster werden hinterfragt, wie sie entstanden sein können, wem sie nützen, wie sich Kosten und Nutzen gegenüber stehen, was Alternativen sein könnten, wie diese umgesetzt werden könnten. Immer wieder werden diese Gespräche in den Einzelsitzungen vorbereitet, so dass der Patient mit einer gewissen Vorarbeit in die Gruppensitzung geht. Dies hat den Vorteil, dass besonders Frauen mit Erfahrungen sexueller Gewalt ihre eigenen Grenzen wahren, denn oft reden sie sehr detailreich über ihre Erfahrungen und inszenieren damit Retraumatisierungen. In den Einzelsitzungen kann besprochen werden, welche Informationen in der Gruppe wichtig sind, welche jedoch ausschließlich in den Einzelgesprächen bearbeitet werden. Patengruppe Bei der Patengruppe handelt es sich um eine ausschließlich von den Patienten selbst geleitete Gruppe, die die neuen Patienten in den ersten beiden Wochen ihres Aufenthaltes in Begleitung ihres Paten aufsuchen. Die Paten sind Patienten, die wenigstens sechs Wochen im Haus sind und die Regeln und die Struktur des Hauses und des Therapietages bereits kennen. Die Patengruppe findet je nach Bedarf ein bis zwei mal wöchentlich statt. Der neue Patient kann hier Fragen zur Therapie und zum Ablauf stellen, Wochenendaktivitäten für die neuen Patienten werden organisiert, es findet ein Austausch auf Patientenebene statt. Dadurch werden neue Patienten auch in der Großgruppe willkommen geheißen, gleichzeitig werden die alten Patienten in die Pflicht genommen, sich für die Neuen zu engagieren und das zurückzugeben, was sie selbst zu Beginn der Behandlung auch empfangen haben. Auch für sie findet hierdurch noch einmal eine Bindung an die Klinik und die Großgruppe statt. Praktikumssuche Diese Aufgabe stellt sich nicht nur für die Patienten, die in unsere angeschlossene Adaptionseinrichtung wechseln, sondern auch für die Patienten, die in eine andere Adaptionseinrichtung wechseln wollen. Dies ist mit einer sogenannten externen 156 Belastungserprobung verbunden. Der Patient muss sich, ähnlich wie zur Vorstellung bei der Adaptionseinrichtung (S. 150), selbst mit möglichen Praktikumsgebern in Verbindung setzen, die Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln heraussuchen, um zu dem Betrieb zu gelangen und die Fahrt in der Bezugsgruppe vorbesprechen, um auf mögliche Risiken vorbereitet zu sein. Dies ist nicht für alle Adaptionseinrichtungen notwendig, da einige den Patienten auch ein bis zwei Wochen, manchmal auch vier Wochen, zur Verfügung stellen, um sich Praktika vor Ort zu suchen. Dies ist sicherlich praktischer, als die Praktika aus der Behandlung heraus zu suchen, zumal sie ja auch dort bei auftretenden Schwierigkeiten betreut werden. Trotzdem hat die vorzeitige Praktikumssuche ihre Vorteile, da sie eine erste Orientierung am neuen Aufenthaltsort mit sich bringt und im Falle der Frustration immer noch der Bezug zur Klink da ist, der stabilisieren kann. Patienten, die in unser Adaptionshaus wechseln, müssen sich während der letzen Wochen ein Praktikum suchen, so dass sie mit dem Wechsel in die Adaption direkt in ein Praktikum starten. Problemkuchen Besteht eine Orientierungsgruppe aus Patienten, die bereits über Therapieerfahrung verfügen, stellen wir die Aufgabe, einen Problemkuchen zu zeichnen. Ähnlich eines Tortendiagramms teilt der Patient den Kreis in unterschiedlich große Felder ein, in die er die Themen einträgt, die er meint bearbeiten zu müssen. Interessant ist dabei, dass das Thema Sucht häufig nicht konkret erwähnt wird. Das kann als Hinweis verstanden werden, dass der Patient weitere Unterstützung beim Aufbau der Behandlungsmotivation braucht. Progressive Muskelrelaxation (PMR) Durch Entspannungsübungen soll eine Veränderung physiologischer Reaktionen herbeigeführt werden. Angst und Anspannung werden häufig von solchen Reaktionen begleitet. Ziel einer Entspannungsübung ist es, die Wahrnehmung des Kontrastes zwischen willkürlich angespannter und entspannter Muskulatur zu verbessern (Margraf 2000). Der Patient lernt, dass er sein eigenes Erleben steuern kann und verliert das Gefühl des Ausgeliefertseins. Auf die genaue Vorstellung der PMR möchte ich im Hinblick auf die zahlreiche Literatur, die hierzu bereits existiert, verzichten. In der Fachklinik Liblar wird ein PMR Kurs von vier Sitzungen einmal im Quartal angeboten. Zusätzlich werden in unregelmäßigen Abständen Imaginationsübungen angeboten, meist in Form von Gedankenreisen. 157 Ressourcenaufbau Ziel dieser Intervention ist es, von einem negativen Stimmungszustand in einen positiven zu gelangen und damit den Zugang zu den eigenen Ressourcen zu verbessern und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen. Voraussetzung ist, dass der Patient bereits etwas über die steuernde Funktion negativer und positiver Imaginationen, Wörter und Körperhaltungen kennt und ihm die Bedeutung persönlicher Ressourcen vertraut ist (Fliegel und Kämmerer 2006). Der Patient sucht sich eine Situation aus, die ihm Angst bereitet, in der er glaubt, unterlegen zu sein. Daraufhin wird der Patient gebeten, die antizipierten negativen Gefühle so intensiv wie möglich in sich aufsteigen zu lassen und die dazugehörenden physiologischen und körperlichen Reaktionen genau wahrzunehmen und zu beschreiben. Diesem Empfinden gibt der Patient als nächstes in einer übertriebenen Körperhaltung Ausdruck und friert für ca. 5 Sekunden diese Haltung ein. Nachdem der Therapeut bis fünf gezählt hat, wechselt der Patient ohne lange Überlegung in eine dieser Haltung entgegengesetzte Köperposition. Das Empfinden in dieser neuen Position wird von dem Patient in einem kurzen Satz beschrieben. Für manche Patienten ist es schwierig, in der neuen Situation passende Beschreibungen zu finden, hier kann der Therapeut Hilfestellung geben und seine Beobachtung benennen. Dieses Prozedere wird nun erneut wiederholt, allerdings spricht der Patient beim Einnehmen der positiven Körperhaltung auch die dazu gehörenden positiven Beschreibungen laut aus. Anschließend wird der Patient aufgefordert, positive Erinnerungen von früher mit der positiven Körperhaltung zu verbinden, das können Bilder, Melodien oder auch Gerüche aus der Kindheit sein. Als nächstes wird der Patient aufgefordert, für dieses positive Erleben ein Symbol zu finden, das er in der Problemsituation verwenden kann, imaginär oder real, was für ihn am besten ist. Im nächsten Schritt wird wieder die Verbindung zur Problemsituation hergestellt und ein praktisches Vorgehen erarbeitet, so dass der Patient sich beispielweise vor einem schwierigen Gespräch etwas Zeit nimmt und sich an das gute Gefühl erinnert und das Symbol dazu in die Hand nimmt. Diese Übung muss der Patient als Hausaufgabe während der Therapiesitzungen regelmäßig alleine trainieren. Unter Umständen ist es sinnvoll, gemeinsam mit ihm eine Zeit zu überlegen, zu der er diese Übung täglich durchführen kann. Ressourcenwaage Ziel der Übung ist ein Erarbeiten und Verdeutlichen von Ressourcen, die entweder bereits vorhanden sind oder im Rahmen der Therapie geweckt werden sollen. Gemeinsam mit dem Patienten wird für die thematische Belastung ein symbolisierender Gegenstand gesucht und auf eine Waagschale gelegt. Es geht nun darum gemeinsam mit 158 dem Patienten zu überlegen, was ein Gegengewicht zu der erlebten Belastung sein könnte, so dass eine unter Umständen nicht zu verändernde Belastung wie der Tod eines Angehörigen besser ertragen werden kann. Es geht darum mit Hilfe der Waage bildlich die innere Balance wieder herzustellen, so dass die Belastung ausgeglichen werden kann. Für jede Ressource, die dem Patienten einfällt, werden Gegenstände auf die zweite Waagschale gelegt, bis die Balance hergestellt ist. Im Weiteren ist es wichtig, gemeinsam mit dem Patienten zu erarbeiten, wie die genannten Ressourcen in den Alltag integriert werden können. Rückfallprozedere Die Haltung gegenüber Rückfällen ist in der deutschen Suchthilfe nicht einheitlich, tendiert aber vermehrt in die Richtung, dass stationäre Langzeitentwöhnungen mit rückfälligen Patienten weiterarbeiten und nicht sofort die Behandlung beenden. So empfiehlt Körkel (2001), die oftmals affektgeleitete disziplinarische Entlassung durch eine einzelfallbezogene Rückfallbearbeitung und Weiterbehandlung zu ersetzen. Die Rückfallbearbeitung sollte bald nach der Abstinenzverletzung beginnen und einem festgelegten Prozedere folgen. Dies ist auch die Haltung der Fachklinik Liblar. Es wurde für rückfällige Patienten folgendes Prozedere entwickelt: Patienten, die während der Behandlung rückfällig werden, werden zunächst von der Großgruppe isoliert, solange sie noch intoxikiert sind, um möglichen Suchtdruck bei anderen Patienten zu reduzieren. Sie werden alleine auf ein Zimmer gelegt, und ein stabiler Patient wird ihnen als Pate zur Seite gestellt. Während dieser sogenannten Besinnungszeit dürfen die Patienten einmal in der Stunde aus dem Zimmer um zu rauchen, darüberhinaus wird eine schriftliche Reflexion des Rückfalls erwartet, wenn der Patient wieder klar ist, und er muss über die gesamte Zeit der Rückfallbearbeitung ein Tagebuch führen, das er dem Therapeuten in regelmäßigen Abständen vorlegen muss. Sobald keine Substanzen mehr im Körper nachgewiesen werden, wird die Kontaktsperre zu den anderen Patienten aufgehoben; und der Hergang des Rückfalls und die ersten Ergebnisse der Reflexion müssen in der Bezugsgruppe dargelegt werden. Die Zeit der Besinnung wird dann aufgehoben, die Rückfallbearbeitung ist aber noch nicht abgeschlossen. Dazu gehören nach die Vorstellung der Reflexion in der Großgruppe und das Ausfüllen von Selbst- und Fremdkonzeptfragebögen, die die gezeigte Veränderung durch die Rückfallbearbeitung erfassen sollen. Erst dann wird die Rückfallbearbeitung als beendet angesehen. Zuerst reflektieren die Patienten häfigl recht oberflächlich, so dass sie Unterstützung durch die Bezugstherapeuten und die Bezugsgruppe brauchen. Für Patienten mit Doppeldiagnosen ist die Zeit der Besinnung häufig nur schwer auszuhalten, so dass bei ihnen diese Zeit meist verkürzt wird. Lässt sich ein Patient auf die gestellten Aufgaben ein, kann er dadurch 159 Wesentliches über seine Abhängigkeit lernen. Risikosituationen werden erkannt, alternative Verhaltensweisen für den Konsum überlegt. Manche Patienten haben erst über dem Erleben eines Rückfalles eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Sucht begonnen. Allerdings arbeiten wir nicht mit allen Rückfällen. Hat der Rückfall mit einem hohen Maß an Delinquenz stattgefunden findet keine weitere Zusammenarbeit statt. Rückmeldungen aus dem handlungsorientierten Bereich Da die Patienten während ihres Aufenthaltes in unserer Einrichtung nicht nur psychotherapeutisch begleitet werden, sondern Arbeits-, Kreativ- und Sporttherapie ebenfalls zum Programm gehören, ergibt sich aus diesen Bereichen auch immer wieder die Möglichkeit, das Selbstwertgefühl des Patienten zu regulieren. Beispielsweise können gute Leistungen in der Arbeitstherapie zu Anerkennung durch Mitpatienten und Teamer führen. Dies kann gemeinsam mit dem Patienten als positive Eigenschaft in sein Selbstbild eingefügt werden. Umgekehrt kann die gescheiterte Verantwortungsübernahme in einem Arbeitsbereich den Patienten an seine Grenzen führen, so dass eine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit in diesem Bereich unausweichlich wird. Sechs-Augen-Gespräch Der Name dieser Gespräche entstand tatsächlich aus der Anzahl der am Gespräch beteiligten Augen. Dies ist eine Alternative zur Bezeichnung „Paargespräch“, da wir den beteiligten Patienten mit diesem Begriff vermitteln könnten, dass sie für uns ein Paar sind, was aber nicht der Fall ist. Wie unter dem Punkt Beziehungsgestaltung (S. 48) dargestellt, handelt es sich meist um Kontakte zwischen männlichen und weiblichen Patienten, die dem Lusterleben dienen und damit eine positives Gegengewicht zu den Unlusterfahrungen des therapeutischen Prozesses darstellen können. Die Gespräche werden von einem Therapeuten geleitet, den die Patienten sich selbst aus dem Team aussuchen können. Themen sind dann die aktuelle Beziehungsgestaltung, bestehende Beziehungsmuster, Parallelitäten zwischen der Beziehungsgestaltung und der Sucht. Wurden mehrere Gespräche geführt und baut sich eine gewisse Stabilität in der Beziehung auf, so dass deutlich wird, dass beide Patienten die Beziehung über die Behandlungszeit hinaus fortsetzen wollen, geht es auch um eine gemeinsame Zukunftsplanung, mögliche Risiken, die bei Partnerschaften bestehen, in denen beide Partner abhängig sind. Die bearbeiteten Inhalte der Sechs–Augen–Gespräche werden in den Gruppensitzungen bekanntgegeben, so dass die Bezugsgruppenmitglieder weitgehend über den Stand der Beziehung informiert sind, ohne dass auf genaue Einzelheiten eingegangen werden muss. 160 Selbstkonzept Diese Intervention greift ebenfalls die Kognitionen des Patienten auf. Meist in der Depressionsbehandlung eingesetzt, kann sie auch in der Behandlung von Zwangs- und Suchtpatienten zur Anwendung kommen. Bekannt ist die Triade negativer Kognitionen von Beck et al (1996). Die Person konzentriert sich überwiegend auf Misserfolge und negative Aspekte, die sie internal attribuiert und woraus sie ein globales negatives Selbstbild aufbaut (Zimmer, F.T. 2005). Als weitere Konsequenz kann es zu einer geringeren Akzeptanz durch außenstehende Personen kommen, wodurch die eigenen negativen Annahmen Bestätigung finden. Es geht bei dieser Intervention darum, die selektiven Informationsfilter für neue positive Informationen zu öffnen. Dazu wird die Aufmerksamkeit auf Wahrnehmungen und Gedächtnisinhalte gerichtet, die positive Selbstbewertungen beinhalten. Diese sind meist in positiver Stimmung leichter zugänglich als bei gedrückter Stimmung. Letztgenannte führt leichter zu allzu kritischer Selbstbewertung. Lässt sich aber der Patient auf die veränderte Betrachtungsweise ein, so zeigt sich eine deutliche Stimmungsaufhellung (ebenda). Da es aber häufig für die Patienten schwierig ist, sich selbst positiv zu bewerten, da sie sich meist in einer gedrückten Stimmung befinden, ist hier die Unterstützung durch den Therapeuten notwendig. Dieser muss dazu die zugrunde liegende Problematik des Patienten und die funktionalen Zusammenhänge mit anderen Problembereichen kennen. Er sollte dem Patienten das Konzept der Intervention erklären können und in angemessenem Tempo vorgehen, orientiert am Tempo des Patienten. Das Konzept kann der Therapeut am besten anhand eines vom Patienten bereits genannten Beispiels verdeutlichen. Wichtig ist, dass der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und emotionalem Empfinden deutlich wird und die Möglichkeit, durch veränderte Kognitionen die eigene Stimmung selbst zu beeinflussen. Unterstützt werden kann der Patient bei der Exploration positiver Eigenschaften durch einen Selbstkonzeptfragebogen, so dass der Patient eine Vorlage möglicher positiver Begriffe erhält. Oder der Patient wird aufgefordert, eine für ihn sympathische Person zu beschreiben. Anschließend wird der Patient gefragt, wann er sich in den letzen zwei Wochen bezüglich bestimmter Eigenschaften aus seiner Sicht akzeptabel verhalten hat. Zimmer empfiehlt weiter, den Begriff der Selbstsicherheit in verschiedene Aspekte aufzuschlüsseln und möglichst gegenwartsbezogene Erfahrungen zur berücksichtigen. Wichtig sei es weiter, auf eine zu positive Formulierung zu verzichten, da der Patient dann unter Umständen nicht mehr folgen könne. Selbstwertdienliche Sätze, die von dem Patienten voll akzeptiert werden, können auf ein kleines Kärtchen geschrieben werden, so dass er die Möglichkeit des wiederholten Lesens hat. Das kann als Hausaufgabe mit gegeben werden. 161 Als Erweiterung der Übung kann der Patient aufgefordert werden, zwischen den Therapiesitzungen weitere positive Aspekte seiner Person zu erkennen und zu formulieren. Eine Anleitung können hierbei die Fragen sein: „Was fand ich heute an meinem Verhalten gut?“ und „Was hat mir heute an mir gefallen?“ (Zimmer F.T. 2005). Eine eigenen Studie des Autors zur Evaluation dieser Intervention ergab bei stark depressiven Patienten eine signifikanten Verbesserung der Stimmung nach einer halben Stunde Aufmerksamkeitslenkung auf positive Aspekte des Selbst. Anders ist es bei Patienten, die sich selbst überschätzen. Sie attribuieren meist nicht internal sondern external, Schuld am Scheitern sind die anderen, die Situation oder das Leben überhaupt. Auch hier gilt es, die kognitiven Prozesse des Patienten zu überprüfen, allerdings nicht mit dem Ziel des Aufbaus eines positiven Selbstbildes, sondern hier ist der Aufbau eines realistischen Selbstbildes notwendig. Dazu werden, wie oben beschrieben, die Gedanken über die Ursachen eines Misserfolgs gemeinsam mit dem Patienten auf ihre reale Gültigkeit hin überprüft. Ist beispielsweise tatsächlich der festnehmende Polizist schuld an der langjährigen Haftstrafe? So, wie bei Patienten mit schlechtem Selbstbild vorsichtig positiv dosiert werden muss, gilt es hier, mit zu rascher negativer Kritik vorsichtig zu sein, um die therapeutische Arbeitsbeziehung nicht zu gefährden. Wird das grandiose Selbstbild zu schnell ausgehöhlt, kann es zu einer erheblichen psychischen Destabilisierung des Patienten kommen. Die mit der Akzeptanz der Selbstverschuldens verbundene Übernahme von Eigenverantwortung stellt den Patienten oft vor eine völlig neue Aufgabe. Es ist wichtig, die Balance zwischen positiven und negativen Eigenschaften des Patienten herzustellen, so dass dem Patienten deutlich wird, dass es nicht um eine Zerstörung der eigenen Person geht, sondern das weiterhin gute Eigenschaften da sind, aber auch negative Eigenschaften, die es zu akzeptieren gilt. So bilden die vorhandenen positiven Eigenschaften die Plattform, von der aus die negativen Eigenschaften betrachtet werden können. Familientherapeutisch könnte gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet werden, welches Familienmitglied welche Werthaltungen mitgegeben hat. Wer hat gesagt, dass der Patient keinen Erfolg haben darf oder keine Fehler machen darf? Wessen Auftrag ist es, das Leben als ständige Scheitern zu erleben? Nachdem das geklärt ist, kann der Patient überprüfen, welche Werte und auch Aufträge er weiterhin übernehmen möchte und von welchen er sich distanziert. Steigerung der Aktivitätsrate Dazu hält der Betroffene zunächst in einem Wochenplan alle stattgefundenen Aktivitäten fest. In den Therapiesitzungen geht es darum, gemeinsam mit dem Patienten positive, 162 neutrale und negative Aktivitäten zu unterscheiden. Es wird auf Ausgewogenheit zwischen positiven und negativen Aktivitäten hin gearbeitet. Die positiven Aktivitäten verbessern die Stimmung des Patienten und fördern weitere Aktivitäten (Hautzinger 1998). Hier ist es die unmittelbare Selbstbeobachtung, die dem Patienten diese Zusammenhänge zeigt. Ein ausschließliches Argumentieren an dieser Stelle ist wenig erfolgreich, weil das eigene Erleben ausbleibt. Gleichzeitig erkennt der Patient depressionsfördernde Verhaltensmuster, die er zu kontrollieren lernt. Sinnvoll ist es, gemeinsam mit dem Betroffenen eine Liste für ihn angenehmer Ereignisse aufzustellen, die das Planen eines aktiven Wochenplanes erleichtern. Dabei gilt es eine Akzeptanz gegenüber den negativen Aktivitäten zu entwickeln, die nicht vermieden werden können. Es geht um die Herstellung von Ausgewogenheit. Therapiereflexion in der Bezugsgruppe In Gegenwart der oftmals kritischen Gruppenmitglieder reflektiert der Patient seine Behandlung. Da die Mitpatienten ihn auch in der Freizeit erlebt haben, haben sie noch eine andere Seite kennen gelernt, die dem Therapeuten oft vorborgen bleibt, da schon seine Anwesenheit zu einer Veränderung führt, und sei es nur in der verbalen Ausdrucksweise. Oft erhält der Patient zu seinem unangemessenen Verhalten während der Behandlung in der letzten Gruppensitzung Rückmeldungen, die vorher so, manchmal bedauerlicherweise, nicht gemacht wurden. Hier kann beim Therapeuten ab und an die Frage auftauchen, ob man ausschließlich an der Fassade des Patienten gearbeitet hat, was bedauerlich wäre. Oft stimmen Patienten- und Therapeutenwahrnehmung überein und es ergibt sich ein rundes Ganzes, was in den nächsten Monaten der Bewährungsprobe unterzogen wird. Überprüfen dysfunktionaler Kognitionen Das Überprüfen dysfunktionale Kognitionen bedeutet: das Erkennen kognitiver Fehler wie der Übergeneralisierung, der selektiven Abstraktionen, des dichotomen Denkens, der Solltyranneien, des emotionalen Begründens und Magnifizierens des Negativen. All dies gehört in den Bereich der dysfunktionalen Kognitionen (Margraf 2000). Sie gilt es zu überprüfen. Die den suchtspezifischen Grundannahmen zugrunde liegenden Grundüberzeugungen sind insofern dysfunktional, als sie häufig irrational sind und keinen wirklichen Realitätsbezug haben. Wenn ein Patient denkt, er dürfe keine Fehler machen oder er sei nur dann ein guter Mensch, wenn er von allen anderen Menschen geliebt würde, sind dies dysfunktionale Gedanken, die Person kann an ihnen nur scheitern. Beck spricht von negativen Schemata, denen mehrere logische Fehler zugrunde liegen wie beispielsweise willkürliche 163 Schlussfolgerungen oder selektive Abstraktion. In der Verhaltenstherapie werden sie auch als systematische Denkfehler bezeichnet. Eine weitere Möglichkeit ist das Führen von Tagebüchern. Beispielsweise nimmt ein Patient an, dass es ihm niemals gelingen wird, aus seiner Depression aufzutauchen. Wenn er ein Tagebuch führt, in das er regelmäßig über den Tag verteilt notiert, wie er seine Gemütsverfassung erlebt wird ihm bei der Durchsicht dieser Notizen auffallen, dass sein Gemütserleben nicht an allen Tagen gleich ist, sondern dass es auch positivere Tage gibt. Durch diese Information kann der Patient die allgemeine Überzeugung in Frage stellen, dass er immer in der gleichen depressiven Stimmung lebt. Hieraus dann der Betroffene die Energie schöpfen, das bestehende Schema in Frage zu stellen und ein realistischeres zu entwickeln (Davison & Neale 1998). Verabschiedung durch die Großgruppe in der letzen Abendrunde Dazu muss ich zunächst einmal den Begriff der Abendrunde erklären. Sie ist eine Großgruppenveranstaltung, die dienstags, donnerstags und sonntags um 18:45 Uhr mit offenem Ende stattfindet und von einem Patienten geleitet wird. Hier werden Verstöße gegen das Regelwerk angesagt, Patienten können sich über das Erlebte der letzen Tage mitteilen oder einen Mitpatienten auf sein Verhalten der letzen Tage ansprechen. Nimmt ein Patient zum letzten Mal an dieser Runde teil, gehört ein Teil der Zeit ihm und seinem Abschied. Patienten, die engen Kontakt zu dem Verabschiedeten haben, suchen ein Musikstück für ihn aus, das gespielt wird, er bekommt Rückmeldungen, die an dieser Stelle meist positiv sind. Sollte etwas Negatives dabei sein, so wird etwas Positives nachgesetzt, ganz selten wird ein Patient an der Stelle noch einmal “in die Mangel” genommen. Jeder Patient bekommt zuletzt ein Geschenk von der gesamten Großgruppe und ist dann meist froh, wenn zum üblichen Ablauf der Abendrunde zurückgekehrt wird. Verpflichtungserklärung Die meisten Kliniken gehen mit dem Patienten einen Therapievertrag ein, der sowohl von dem Patienten, als auch vom Bezugstherapeuten unterschrieben wird. In unserer Einrichtung nennen wir dies Verpflichtungserklärung, da uns dieses Wort weniger formell erschien als der Begriff eines Vertrages. Im Wesentlichen verpflichtet sich der Patient zur Offenheit gegenüber den Mitarbeitern, zur Verschwiegenheit außerhalb der Bezugsgruppe, um das Kleingruppengeheimnis sowie den respektvollen Umgang mit sich, seinen Mitpatienten und den Mitarbeitern zu wahren. Er verpflichtet sich auch zum rücksichtsvollen Umgang mit dem Klinikeigentum. Dieser Vertrag kann zusätzlich unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des jeweiligen Patienten ergänzt werden, so z.B. bei Borderline Patienten, die sich im Falle des 164 Wunsches nach Selbstverletzung unverzüglich an einen Mitarbeiter zu wenden haben. Dieses Dokument wird immer wieder überarbeitet und optimiert. Vierfelderschema bezüglich Drogen und Abstinenz Diese Intervention wird meist in Gruppen eingesetzt. Das Ausfüllen der vier Felder zu den Punkten Drogen Pro und Contra, Abstinenz Pro und Contra geschieht gemeinsam (Anhang D, S. 196). Je nach Motivationslage der Teilnehmer sind die einzelnen Felder unterschiedlich gewichtet. Häufig erschreckt es die Patienten, dass sich die Vor- und Nachteile zahlenmäßig in der Waage befinden. Dann kommt der nächste Schritt, den Körkel und Schindler (2003) als das Waagemodell bezeichnen. Die einzelnen Argumente werden von jedem einzelnen für sich selbst gewichtet, dabei überwiegt meist, aber nicht immer, die negative Seite der Droge und die positive Seite der Abstinenz. Beck et al (1994) bezeichnen die Analyse der Vor- und Nachteile als eine sehr wichtige Technik der kognitiven Therapie. 165 Anhang B Trainingsprogramme Die nun vorgestellten Trainingsprogramme werden nicht alle komplett in unserer Einrichtung angeboten, oft werden nur bestimmte Module eingesetzt, da es aus personellen Gründen nicht möglich ist, jedes Programm komplett in regelmäßigen Abständen anzubieten. 1. Emotionsregulationstraining Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, emotionales Erleben zu verändern. Dazu gehören z.B. als erster Schritt das Identifizieren von Emotionen und die Steigerung der Achtsamkeit gegenüber aktuellen Gefühlen. Die Hindernisse die es bei der Veränderung von Gefühlen gibt, gilt es zu identifizieren. Es gilt die Verwundbarkeit gegenüber verletzlichen Emotionen zu reduzieren. Ereignisse, die positive Gefühle hervorrufen, gilt es, bewusster zu erleben (Sulz nach Linehan 2005). Eingesetzt werden kann das Training, bei fehlender Gefühlswahrnehmung, bei fehlendem oder inadäquatem verbalen und nonverbalen Gefühlsausdruck, fehlende Steuerung eines intensiven Gefühls und Über- oder Untersteuerung des durch das Gefühl ausgelösten Handlungsimpulses. Das Training wird meist bei Patienten mit Depressionen oder Borderline Störung angeboten. Zunächst das Vorgehen bei Überemotionalität und Untersteuerung nach Sulz (2005). In der ersten Einheit wird mit den Patienten gemeinsam geübt, Emotionen zu identifizieren und zu benennen. Dazu werden zunächst Informationen über die jeweiligen Emotionen gegeben. Eine Selbstbeobachtung des Patienten schließt sich an. Es wird geschaut, in welcher Situation welche Gefühle ausgelöst wurden, und es wird erfasst, wie sie sich auf Denken und Handeln ausgewirkt haben. Auch das Erkennen der Hindernisse beim Erleben von Emotionen erfolgt über die Selbstbeobachtung. Dabei wird die Funktion der Emotionen erfasst, welche Wirkung erzielt ein Gesichtsausdruck, es wird geschaut, wie viel schneller Verhalten durch Emotionen ausgelöst wird als durch Kognitionen; wie viel Energie unter Umständen durch Emotionen freigesetzt werden kann. Weiter wird an diesem Punkt gemeinsam mit den Patienten beobachtet, wie erlebte Emotionen die Sicht der eigenen Person bestätigen. Im nächsten Schritt geht es darum, sich stärker gegen schmerzliche Gefühle zu schützen. Dabei wird zunächst auf körperlicher Ebene reagiert, indem die körperliche Gesundheit weitgehend hergestellt wird. Dazu gehört eine gesunde Lebensweise mit gesunder Ernährung, Verzicht auf Alkohol, Drogen und Medikamente. Es sollte auf ausreichenden Schlaf geachtet werden, auf ausreichende Bewegung. Wichtig ist hier der Wechsel von 166 passiver Haltung zu aktiver Lebensgestaltung, damit die Person erlebt, wie sie durch eigenes Handeln ihre Emotionen verändern kann. Zur Vermehrung positiver Ereignisse, reicht es teilweise, kurzfristig angenehme Aktivitäten zu planen und durchzuführen und so z.B. jeden Tag eine positive Aktivität auszuüben und diese ganz bewusst wahrzunehmen. Langfristig gilt es, die eigene Lebensplanung so zu verändern, dass positive Ereignisse häufiger werden. Dazu gehört auch, Umstände, die negative Emotionen auslösen, nach Möglichkeit zu verändern, sich von Kontakten zu lösen, die häufig zu Enttäuschungen und Verletzungen führen. Als letzten Punkt nennt der Autor das Ablenken im Fall von verstärktem Grübeln, z.B. indem die Person sich bewusst auf die Gegenwart konzentriert. Um die Achtsamkeit gegenüber Emotionen zu steigern, gilt es, sie zunächst zu beobachten; bewusst ihr Kommen und Gehen wahrzunehmen; zu erleben dass es wenig Sinn macht, aufkommende Gefühle abblocken oder vorhandene Gefühle verdrängen zu wollen. Ein wesentlicher Schritt ist es, sich nicht in die Gefühle zu verbeißen, sondern sie los zu lassen. Es gilt, sich nicht in ein Gefühl hinein zu steigern. Wichtig ist es zu erleben, dass die Person nicht das Gefühl ist, sondern dass sie sich als Mensch mit Emotionen erlebt und sich entscheiden kann, wie sie auf das Gefühl reagiert. Emotionen sollten nicht verurteilt, sondern akzeptiert werden. Bei bestimmten Emotionen ist es sinnvoll, ihnen entgegen zu handeln, beispielsweise bei der Angst, wenn sie übertrieben ist. Dann sollte die Person genau das machen, wovor sie Angst hat. Den durch die Angst ausgelösten Fluchtimpulsen sollte widerstanden werden; die Angst soll die Zeit und den Raum bekommen, den sie braucht. Wenn sie weniger wird, sollte sich von ihr verabschiedet werden und die Person sollte noch eine Zeit ohne Angst in der Situation bleiben. Als letzten Punkt verweist Sulz (2005), auf die Notwendigkeit, Techniken der Stresstoleranz anzuwenden. Er nennt hier die einem Gefühl entgegengesetzte Mimik, die zu einer Abschwächung der negativen Emotion führen kann. Zeigt ein Patient dagegen eine Unteremotionalität mit Übersteuerung, ist ein ähnliches Vorgehen sinnvoll (ebenda). Hier gilt es die Selbstbeobachtung zu schulen, damit die Person die jeweiligen Emotionen überhaupt erleben kann. Dies geschieht durch Analyse der äußeren Situation. Anschließend wird auf die körperlichen Reaktionen geachtet. In Anlehnung an die kognitive Emotionstheorie nach Lazarus (Sulz 2005) beobachtet die Person auch, welche Gedanken eine Emotion auslösen; die Person übt, diese Emotion zu verbalisieren. Dabei sollte auch die Unsicherheit in der Auseinandersetzung mit dem Gefühl zum Ausdruck kommen. 167 Über die Kognitionen kommt es dann zum mimischen Zeigen des Gefühls, z. B. über den Gesichtsausdruck, die Stimme und die Wortwahl, die Körperhaltung und die Gestik. Der nächst Schritt der Annäherung an die Emotionen erfolgt auf der Handlungsebene, z. B. sich aus dem Ärger heraus bei einer zuständigen Person zu beschweren. Sollte dies alles gelungen sein, ist es für die betreffende Person wichtig, das Geleistete anzuerkennen und sich selbst zu belohnen. Der Autor empfiehlt, gemeinsam mit dem Patienten zehn sehr typische Situationen herauszusuchen, in denen der Betroffenen nicht angemessen auf seine Gefühle reagieren konnte. Mit Hilfe der Skalierungstechnik wird der Grad der dysfunktionalen Reaktion eingeschätzt und ein Sollwert vereinbart. Am Ende des Trainings liegt der Erfolg darin, dass der Patient zum einen seine Gefühle besser erleben und differenzieren kann, zum anderen Möglichkeiten für sich erarbeitet hat, die erlebten Emotionen in konkretes Handeln münden zu lassen. Durch dieses intensivere emotionale Erleben wird die Person unter Umständen für ihre Umwelt anstrengender, da sie bisher ihre Emotionen verschwiegen und verdrängt hat, um andere nicht zu belasten. Aus diesem Grund rät der Autor, Bezugspersonen in die Behandlung mit ein zu beziehen. 2. Dialektisch behaviorale Therapie nach Linehan (eine Zusammenfassung) Das Gruppentherapieprogramm für Patienten mit Borderline Störung nach Linehan (1993) besteht aus acht Sitzungen, die hier kurz vorgestellt werden (nach Fiedler 2005). Die erste Sitzung dient der Orientierung über das Therapieprogramm und der Vorstellung der Gruppenteilnehmer. Die zweite Sitzung beschäftigt sich mit der Schulung der Wahrnehmungsfertigkeiten. Die Patienten erhalten Selbstbeobachtungsprotokolle, in die sie alle störungsrelevanten Ereignisse und Erfahrungen eintragen sollen. Diese werden in jeder folgenden Sitzung besprochen und spiegeln Veränderungen und Therapiefortschritte wider. Wichtig ist bei der Nachbearbeitung der Tagebücher, rationale Handlungen den emotionalen Handlungen gegenüber zu stellen. Die Patienten werden dazu aufgefordert, die bei ihnen überwiegenden Emotionen durch das Einüben sorgfältigen Nachdenkens und inhaltlich begründeten Handelns zu ersetzen. Ziel ist es, rationale und gefühlsmäßige Situationsaspekte zu integrieren. Durch verschiedene Übungen wird den Patienten gezeigt, dass es zwischen Schwarz und Weiß viele weitere Farbschattierungen gibt. 168 In den Sitzungen drei bis sieben geht es um das Training spezifischer Fertigkeiten. Durch die intensive Tagebucharbeit können individualisierte Bereiche festgelegt werden, in denen der Teilnehmer seine Fertigkeiten in verschiedenen zwischenmenschlichen Bereichen verbessern muss. Dabei können die Wahrnehmungsfertigkeiten der Teilnehmer geschult werden. Hier werden die Inhalte der zweiten Sitzung weiter ausgebaut, also Selbstbeobachtung, aber auch Selbstmanagementtraining. Weiter geht es um die Effektivierung sozialer und zwischenmenschlicher Kompetenzen. Hier geht es um das Erlernen einer Ausgewogenheit zwischen allgemeinen Anforderungen und persönlichen Bedürfnissen der Patienten. Das Respektieren der Bedürfnisse anderer ist einzuüben sowie auch das Respektieren der eigenen Bedürfnisse und das Sich-Einsetzen für sie. Die Patienten üben, in Konflikten aggressionsfreie Lösungen zu finden und mit Stimmungsschwankungen in zwischenmenschlichen Situationen angemessen umzugehen. Die Themen Selbstmanagement und Emotionsregulierung werden weiter vertieft. Dabei wird das Benennen und Identifizieren verschiedener emotionaler Befindlichkeiten geübt. Im Laufe der Sitzungen wird die Aufmerksamkeit vermehrt auf positives emotionales Erleben gerichtet. Auch werden gemeinsam mit den Teilnehmern Strategien erarbeitet, sich selbst besser gegen mögliche Verletzungen durch andere und/oder gegen sich selbst zu schützen. Der hohen Stressanfälligkeit der Patienten wird mit einer Steigerung der Stresstoleranz begegnet. Hier lernen die Teilnehmer, zwischenmenschliche Krisen zu erkennen, rational zu bewerten und konstruktiv zu bewältigen. Als konkrete Beispiele werden die in den Tagebüchern festgehaltenen Krisen genutzt. Wichtig ist hier ebenfalls, den Impulskontrollverlust der Patienten zu durchbrechen. Die letzte Sitzung dient dem Abschluss des Trainingsprogramms. Dabei wird das gemeinsam Erreichte resümiert. Das Gesamte wird einer Wertung des Für und Wider unterzogen. Möglichkeiten des Transfers des Erreichten in den Alltag werden überlegt. Neben den Gruppen sollen die Patienten auch einzeltherapeutisch begleitet werden, um sehr persönliche Themen, die nicht in ein Gruppensetting passen, bearbeiten zu können. Das Manual ist verschiedentlich auf seine Effektivität hin untersucht worden. Erste Ergebnisse der Autorin selbst zeigten zunächst, dass 16,7 % der Trainingsteilnehmer die Behandlung abbrachen, demgegenüber brachen 58,3 % der Kontrollgruppe die Behandlung ab. Durch weitere Überarbeitungen des Trainingsmanuals sei die Effektivität weiter verbessert worden (Fiedler 2005). 169 3. Genusstraining Beobachtet man die Patienten bei den Mahlzeiten oder während und nach einer Freizeitaktivität z.B. in der freien Natur, sieht man, dass es den meisten nicht mehr gelingt, etwas richtig zu genießen. Zwar werden sie zum Ende einer Therapieeinheit ungeduldig und wollen unbedingt rauchen, aber genossen wird die Zigarette dann nicht, es geht lediglich um die Wirkungserwartung und den schnellen Konsum, den die Patienten durch die Drogeneinnahme gewöhnt sind. Das Gehirn ist durch die Drogenwirkung nur noch auf besondere “Kicks” programmiert. Immer wieder berichten Patienten, dass sie erst nach einigen Wochen bis Monaten in der Einrichtung wieder bewusst eine Farbe wahrgenommen haben oder bewusst in den Himmel geschaut haben. Zur Förderung solch positiver Wahrnehmungen bieten wir ein Genusstraining an, das alle fünf Sinne anspricht, pro Einheit ist eine Sinneswahrnehmung Hauptthema. Zu Beginn der ersten Sitzung geht es zunächst darum, was Genuss eigentlich bedeutet, wie Genuss sich mit der Sucht verträgt und wie Genuss mit Verzicht zu vereinbaren ist. Viele Patienten haben auch vor ihrer Sucht nicht richtig genießen können, am ehesten können sie das Gemeinte nachvollziehen, wenn sie nach einer Zeit der Abstinenz erneut konsumiert haben. Aber auch hier ist es eher die Gier, die die Überhand gehabt zu haben scheint und nicht der Genuss. Oftmals entwickelt sich um diese Fragen eine interessante Diskussion, an der sich meist die ganze Gruppe beteiligt, da es einmal nicht um ein schweres persönliches Thema geht, sondern allen klar ist, dass es in den nächsten 90 Minuten um etwas Angenehmes geht und keiner selbst “zum Thema wird”. Nach der Diskussion werden die sieben Genussregeln noch besprochen. Genuss braucht Zeit. Lutz (2005) weist darauf hin, dass ein emotionaler Zustand sich entwickeln muss, man muss sich manchmal einen Freiraum schaffen, um genießen zu können. Genuss muss erlaubt sein. Bei vielen Patienten wird klar, dass die Erziehung Genuss unterbunden hat, entweder war alles strukturiert oder nichts war wirklich so wichtig, als dass es sich gelohnt habe, sich dafür Zeit zu nehmen. Die dritte Regel besagt, dass Genussempfinden sich nicht nebenbei einstellen kann. Wichtig ist es, die gesamte Aufmerksamkeit auf einen eng begrenzten Bereich, beim Training eben einen Sinnesreiz, zu konzentrieren. Man muss wissen, was einem gut tut, wenn man richtig genießen will. Für Drogenabhängige ist das eine wesentliche Regel. Denn für sie bedeutet der Verzicht auf Rauschmittel aller Art, dass sie auf etwas verzichten müssen, was ihnen nach ihrer Erfahrung einmal gut getan hat. Zu wissen, was einem gut tut, heißt auch zu wissen, was einem nicht gut tut und dieses dann konsequent zu meiden. Der Wert einer Sache sinkt mit zunehmender Verfügbarkeit. Auch hier haben Drogenabhängige intensive Erfahrungen, ein Vergleich zur Sucht bleibt hier nicht außen vor. Schließlich gilt noch die Regel, dass es ohne 170 Erfahrung keinen Genuss geben kann. Zu guter Letzt heißt die siebte Genussregel, dass Genuss alltäglich ist. Jeder Mensch hat in seinem Alltag Dinge, die er genießen kann, er muss sie nur bewusst wahrnehmen. Wir haben bewusst keine Reihenfolge der angesprochenen Sinnesreize fetgelegt. Die Gruppengröße liegt bei maximal acht Patienten, die das gesamte Training gemeinsam absolvieren. Nachteil unseres Angebotes ist, dass es meist nur im Abstand von zwei bis drei Wochen angeboten wird, da wir sonst das Angebot an Indikationsgruppen nicht koordinieren können. 4. Kompetenztraining zur Verbesserung der Körperwahrnehmung nach Schmitz, Schuler, Handke-Raubach und Jung (2001). Dieses Training wird häufig bei Borderline Patienten im Zusammenhang mit dem Emotionstagebuch durchgeführt. Es dient der Steigerung der Achtsamkeit, dem verbesserten Umgang mit Emotionsspitzen, und der Steigerung der Selbstregulationsfähigkeit. Die Achtsamkeit kann beispielsweise trainiert werden durch ein bewusstes Wahrnehmen der Körperhaltung. So wird der Patient aufgefordert, seine Sitzhaltung bewusst wahrzunehmen und bewusst zu verändern, um so den Unterschied zwischen den Positionen zu erleben und ein Gefühl dazu zu bekommen, wann der Patient sich besser oder sicherer fühlt (Schmitz et al 2001). Die dialektisch behaviorale Therapie nach Linehan beinhaltet unter anderen Elemente des Zen-Buddismus. Hierzu gehört die Achtsamkeitsübung des Atemzählens. Der Patient bekommt die Instruktion, seine Atemzüge zu zählen, dabei beginnt er mit eins für den ersten Atemzug und eins für das erste Ausatmen, zwei für den zweiten Atemzug und zwei für das zweite Ausatmen. Dies setzt er bis 10 fort. Verzählt sich der Patient, muss er wieder bei eins beginnen (ebenda). Durch diese Übung soll das Auftreten störender Gedanken unterbunden werden. Weitere Übungen hierzu sind das bewusste Gehen. Hierbei sollen die Füße bewusst angehoben und abgesetzt werden, die Schritte sollen einen gleichmäßigen Abstand haben, so dass der Körper in einen gleichmäßigen Bewegungsfluss kommt, der wiederum die Gedanken beruhigen und ein Bewusstsein für Veränderungen der Körperhaltung und Körperempfindung stärken soll, so dass die Patienten ihren Körper als etwas Ganzes erleben und nicht nur aus isolierten Einzelteilen bestehend. Das Zusammenwirken des Systems Körper soll den Patienten durch diese Übungen bewusst werden. Eine wichtige Trainingseinheit ist die Nähe – Distanz – Übung. Dabei handelt es sich um eine Paarübung, bei der die Patienten experimentell prüfen, welcher Abstand zum 171 Gegenüber für sie angenehm ist und welcher als unangenehm erlebt wird. In diesem Fall gilt es zu üben, den Partner gegebenenfalls zu stoppen und auf eine für den Patienten angenehme Distanz zu bringen. Eine Übung, um innerlich auf Distanz gehen zu können, ist die Balkonübung. Hier stellt sich der Patient eine schwierige Situation vor, beispielsweise eine schwierige Verhandlungssituation. Wegen der Abwertungen seitens einer der Teilnehmer ist der starke Wunsch da, seine Wut ungefiltert heraus zu schreien, was aber in der Situation unangemessen wäre. So übt es der Patient sich vorzustellen, wie er in seinen Gedanken die Situation verlässt und auf einen zu dem Raum gehörenden Balkon hinaus geht. Dort versucht der Patient sich so plastisch wie möglich einen angenehmen Ausblick vorzustellen, einen Park, in dem Kinder spielen oder Menschen Fahrrad fahren. Nach ca. 2 Minuten kehrt er zurück in die Situation. Mit einiger Übung ist sein emotionales Erleben gefasster, und er kann sich wieder konstruktiv am Geschehen beteiligen. An diese beispielhaft vorgestellten Übungen schließen sich jeweils Auswertungen an, bei denen in den Gruppen ein Austausch über das Erlebte stattfinden soll. Wichtig ist bei allen Aufgaben, dass die Patienten das innere Erleben möglichst exakt schildern und die mit den Übungen verbundenen Veränderungen des Erlebens auch detailliert schildern. 5. Mindfulness-Based-Stress-Reduction Programm (Achtsamkeitsbasiertes Stressreduktionsprogramm. 2002 entwickelten Segal, Williams und Teasdale dieses Programm, das als eine Art Rückfallprophylaxe bei Depressionen gesehen werden kann. Anlass für die Entwicklung eines solchen Programms waren die hohen Rückfallraten depressiver Patienten nach einem Klinikaufenthalt. So seien zwei Jahre nach einer Behandlung 60% rückfällig (eine Zahl, die jeden Suchttherapeuten jubeln lassen würde). Bisherige Evaluationsstudien haben bei depressiven Patienten, die in ihrem Leben mehr als zwei depressiven Episoden hatten, eine Stabilisierung des Behandlungserfolges gezeigt, so dass bei dem Programm von positiven therapeutischen Effekten ausgegangen werden kann (Michalak & Heidenreich 2007) Es handelt sich um ein Gruppenprogramm für bis zu 12 Teilnehmer, das acht Sitzungen umfasst und einmal wöchentlich mit einer Dauer von zwei Stunden stattfinden sollte (ebenda). Jede Sitzung beginnt mit einer gemeinsamen Achtsamkeitsübung von 30 Minuten. Die Erfahrungen während der Sitzungen und während des Übens zu Hause werden ausführlich besprochen. Weiter hat jede Sitzung ein Schwerpunktthema. Die Autoren empfehlen, zusätzlich einen Tag der Achtsamkeit in das Programm zu integrieren, an dem die Teilnehmer über einen längeren Zeitraum Achtsamkeitsübungen praktizieren können. Bevor die Patienten an dem Programm teilnehmen, müssen sie sich bereit erklären, an sechs 172 Tagen in der Woche 45 Minuten Achtsamkeitsübungen zu Hause durchzuführen. Die Teilnehmer sollten sich während der Teilnahme am Programm nicht in einer suizidalen Phase ihrer Depression befinden, da die Aufmerksamkeit auf das innere Erleben zu einer weiteren Verschlechterung des Erlebens führen kann. Das Üben der Achtsamkeit stammt aus den verschiedenen buddhistischen Schulen und will eine innere Haltung fördern, aktuelles Geschehen zu akzeptieren, statt zu bewerten. Es geht um eine veränderte innere Haltung dem Alltag gegenüber. Hierin liegt auch, so die Autoren, der Unterschied zu dem Behandlungsansatz von Beck, der sich schwerpunktmäßig mit den kognitiven Schemata der Patienten auseinander setzt, aber nicht unmittelbar an einer Veränderung der inneren Haltung der Patienten arbeitet. Die achtsamkeitsbasierten Übungselemente bestehen aus folgenden Themen (Michalalk & Heidenreich 2007). „Body Scan“ Der Teilnehmer liegt auf einer weichen Unterlage auf dem Rücken und beobachtet und konzentriert sich auf den eigenen Atem, ohne ihn verändern zu wollen. Nach einigen Minuten wird die Aufmerksamkeit nacheinander auf jedes Körperteil gerichtet. Begonnen wird mit den linken Zehen. Auch hierbei wird das Wahrgenommene nicht bewertet. Bemerkt ein Teilnehmer, dass seine Konzentration abdriftet, kehrt er, ohne sich dafür zu verurteilen, zu dem aktuellen Körperteil zurück und setzen die Übung weiter fort. „Atemmeditation“ Die Teilnehmer sitzen in aufrechter Haltung auf einem Stuhl oder auf einem Kissen auf dem Boden. Sie konzentrieren sich auf ihren Atem und achten besonders auf ihre Empfindungen im Unterbauch. Bei Abdriften der Aufmerksamkeit soll der Teilnehmer ohne Selbstverurteilung wieder mit seiner Aufmerksamkeit zum Atmen zurückkehren. Ist die Aufmerksamkeit auf den eigenen Atem gefestigt, wird sie auf den gesamten Körper ausgedehnt. Während der Atem beachtet wird, kommt die Wahrnehmung des gesamten Körpers als Einheit dazu. Auftretende Schmerzen oder Spannungen werden ebenfalls nur wahrgenommen, aber nicht bewertet. Insgesamt dauert diese Übung 30 – 45 Minuten. „Achtsamkeit in Bewegung“ Hier werden einfache Dehnübungen aus dem Yoga durchgeführt. Sie bieten die Möglichkeit, im Wechsel von Dehnung und Entspannung Achtsamkeit für den Körper zu entwickeln, was für viele Patienten einfacher ist als bei ausschließlich statischer Sitzmeditation. Besonders die Gehmeditation lässt sich gut in den Alltag integrieren. Das Gehen wird hierbei entschleunigt und die damit verbundenen Empfindungen werden achtsam wahrgenommen. 173 „Routinetätigkeiten“ Als Übungsmöglichkeit wählen die Teilnehmer Routinearbeiten wie Geschirrabwaschen oder Bügeln, die sie achtsam durchführen. Im Laufe der Zeit sollen die Teilnehmer versuchen, immer mehr Situationen des Alltags achtsam wahrzunehmen und alltägliche Tätigkeiten achtsam auszuführen. „Atemraum“ Während des Alltags sollen die Teilnehmer sich mehrmals am Tag einen dreiminütigen Atemraum schaffen, um in dieser Zeit ihren Atem achtsam zu verfolgen. Zu Beginn werden feste Zeiten vereinbart, beispielsweise vor dem Arbeitsbeginn oder vor dem Schlafengehen. Später sollen die Teilnehmer sich diesen Raum auch während der alltäglichen Aufgaben schaffen, besonders wenn sie sich angespannt oder niedergeschlagen fühlen. Dabei ist es nicht das Ziel, dieses Erleben aufzulösen, sondern ohne Bewertung bewusst wahr zu nehmen. Ergänzt werden die Achtsamkeitsübungen durch kognitiv verhaltenstherapeutische Elemente wie Psychoedukation, Informationen über den Umgang mit Kognitionen und der Veränderung des eigenen Verhaltens. Auch bei diesen Teilen des Programms soll die Achtsamkeit das Handeln leiten. Dies wird dadurch begünstigt, dass jedes Element mit der Atemraum-Übung begonnen wird, damit die Teilnehmer wieder Kontakt zum aktuellen Hier und Jetzt bekommen. 6. Das Münchwieser Gruppenprogramm für Substanzabhängige mit aggressiven Störungen nach Vogelsang (2006). Die Autorin schlägt dieses Programm vor für Patienten mit einer Substanzabhängigkeit und antisozialer und narzisstischer Persönlichkeitsstörung mit mangelnder Impulskontrolle; und selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung mit sporadischen aggressiven Impulsdurchbrüchen. Die Gruppe ist halboffen und findet über sechs Wochen einmal wöchentlich mit einer Dauer von zwei Stunden statt. Maximal 12 Personen können teilnehmen. Wichtig ist, dass das betreuende Therapeutenteam die Gruppenatmosphäre immer wieder überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Die Autorin weist ausdrücklich darauf hin, dass der Therapeut sich nicht in Machtkämpfe verwickeln lassen sollte. Die therapeutische Ausrichtung des Programms ist verhaltenstherapeutisch und berücksichtigt interaktionell-gruppendynamische Aspekte. Am Ende einer jeden Sitzung bekommen die Teilnehmer Hausaufgaben für die nächste Sitzung. Weiter findet eine Schlussrunde am Ende einer jeden Sitzung statt, in der 174 die Teilnehmer sich mitteilen können und die Therapeuten fassen die Quintessenz der Sitzung noch einmal zusammen Erstes Thema ist: „Die Auslöser meiner Aggressivität“. Ziel ist es, die individuellen Auslöser aggressiven Verhaltens zu identifizieren und davon grundlegende Ursachen der Aggressivität abzuleiten. Eine Annäherung an dieses Thema erreicht die Autorin durch die als Frage formulierte Hausaufgabe, mit welchen Mitpatienten der Rehabilitand nicht zurecht kommt und in welchen Situationen der Patient besondere Schwierigkeiten mit ihm hat. In der Gruppe werden von jedem Teilnehmer die Auslöser gesammelt, um dann unter Anleitung des Therapeuten die allgemein zugrunde liegende Ursachen aggressiven Verhaltens zu erarbeiten. Das können beispielsweise Gefühle des Bedrohtseins, der Unterlegenheit, der Angst oder der Hilflosigkeit sein. Zum Ende der Sitzung werden Möglichkeiten erarbeitet, wie man diesen Auslösern alternativ begegnen kann. Zuletzt wird die Frage für die nächste Sitzung als Hausaufgabe mitgegeben. Thema Nummer zwei ist: „Teile meiner Aggressivität“. Die kognitiven, emotionalen und verhaltensmäßigen Bestandteile der individuellen Störung und das Herausarbeiten von zugrunde liegenden Gemeinsamkeiten der jeweiligen aggressiven Verhaltensweisen der Teilnehmer sind das Ziel dieser Sitzung. Die dazu gestellte Frage lautet: „Was kann man von außen beobachten und was geht innen in mir vor, wenn ich wütend bin?“ Das geschilderte Verhalten wird unter Anleitung der beiden begleitenden Therapeuten unter die Rubriken Gefühle, Gedanken und Verhalten eingeordnet, indem das geschilderte Verhalten auf einer Tafel unter den jeweiligen Punkten festgehalten wird. Besonders eingegangen werden sollte auf aktuell bestehendes aggressives Verhalten. Wesentlicher Punkt ist die Herausarbeitung der Zusammenhänge dieser drei Rubriken und das Ziel, das mit der Einnahme von Drogen erreicht werden sollte. Zuletzt gibt es wieder die Hausaufgabe für die nächste Sitzung. Die Dritte Sitzung gilt dem Thema: „Preis meiner Wut“. Hier sollen die kurzfristigen positiven Folgen aggressiven Verhaltens den mittel- und langfristigen negativen Konsequenzen gegenüber gestellt werden und es soll eine kognitive Repräsentanz der negativen Konsequenzen aggressiven Verhaltens in der Auslösesituation erarbeitet werden. Die Frage dazu lautet: „Was habe ich von meiner Wut?“ 175 Die Antworten werden unter den Kategorien Positiv und Negativ eingeordnet, so dass dadurch deutlich wird, dass die positiven Konsequenzen immer kurzfristig sind, die mittelund langfristigen jedoch negativ sind. Die Möglichkeiten, die negativen Konsequenzen in der aktuellen Situation präsent zu haben, werden individuell herausgearbeitet. Die vierte Sitzung beschäftigt sich mit der „Teufelsspirale der Aggression“. Ziel dieser Sitzung ist das Erkennen des Teufelskreises aggressiver Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen. Weiter sollen die Aggressionen als unpassendes Mittel der Problemlösung erkannt und alternative Problemlösestrategien gemeinsam mit den Patienten erarbeitet werden. Dabei sollen die Teilnehmer sich eine Situation vorstellen, in der ein Mann unbedingt durch eine Türe gehen muss, die von einem aggressiv knurrenden Hund bewacht wird. Welches Verhalten würde der Patient zeigen und wie erfolgversprechend wäre dieses. An diesem Beispiel soll den Teilnehmern klar werden, dass aggressives Verhalten zur Eskalation führt und damit nicht erfolgversprechend ist. Am ehesten erfolgversprechend wäre besänftigendes Verhalten. Wie ein Aussteigen aus der individuellen Aggressionsspirale aussehen kann, wird in der Gruppe erarbeitet, was zu einem individuell zugeschnittenen Training sozialer Kompetenzen führt. Dieses Mal wird wieder eine vorbereitende Frage für die nächste Sitzung als Hausaufgabe mitgegeben. Die fünfte Sitzung beschäftigt sich mit dem Thema „Mein Selbstbild“ Dieses Mal soll das durch die aggressiven Verhaltensweisen geprägte Selbstbild sowie die handlungsleitenden Modelle und Ideale herausgearbeitet werden. Die Hausaufgabe der letzen Sitzung war die Beantwortung der Frage:“Wenn Sie ein Tier wären, welches Tier würden Sie verkörpern?“ oder „Welchem Filmhelden kommt Ihr Verhalten am nächsten?“ Die Antworten werden gesammelt und in der Gruppe kritisch diskutiert. Die Autorin nennt als Beispiel den Teilnehmer, der sich John Wayne als Vorbild genommen hat und hinter dessen Einsamkeit der Teilnehmer seine Dominanz zu verdecken sucht. Die sechste Sitzung beschäftigt sich mit der Frage:“Was kann ich statt dessen tun?“. Ziele sind das Herausfinden und Erproben individuell geeigneter alternativer Strategien statt aggressiver Verhaltensweisen. Es geht noch einmal darum, dass die Teilnehmer sich mit den auslösenden Situationen beschäftigen und sich die erstellte Kosten-Nutzen-Bilanz vor Augen führen. Praktische Hinweise, zur Vermeidung von Orten, Situationen und Personen, 176 die aggressionsauslösend sind, werden noch einmal besprochen. Das während des Programms Erreichte wird noch einmal resümiert. Als erlebnisaktivierende Therapiebausteine schlägt die Autorin Hockey, Tschoukball vor. Ziel ist die Aktivierung von Gefühlen, die in Situationen entstehen, die aggressives Verhalten sowohl fördern als auch verbieten. Weiter soll die Fähigkeit zur kritischen Reflexion eigenen Verhaltens direkt nach einer Aktivität gefördert werden. So werden nach 10 Minuten Tschoukballspiel unter Anleitung eines Sporttherapeuten die beobachteten Verhaltensweisen und die begleitenden Emotionen und Kognitionen reflektiert. So kann herausgearbeitet werden, dass die lange Unterdrückung von Aggressionen zu einem aggressiven Durchbruch führen kann. Anschließend werden 10 Minuten Hallenhockey gespielt, bei dem ein höheres Maß an Aggressivität notwendig ist. Anschließend wird auch hierzu das Verhalten reflektiert, und es werden Vergleiche zum vorherigen Spiel gezogen. Die Autorin schlägt auch einen Friedhofsbesuch vor. Er findet aus der Gruppenstunde heraus statt, ohne dass die Teilnehmer das Ziel des Spaziergangs kennen. Auf dem Weg zum Friedhof soll das Thema Aggression weiter besprochen werden. Dann sollen die Teilnehmer sich ein Gräberfeld aussuchen und dort 15 Minuten lang die Gräber anschauen und sich gedanklich mit den Menschen, die dort beerdigt sind, beschäftigen. Auf dem Rückweg von dem Friedhof zur Klinik soll über das Verschwinden der Aggressionen gesprochen werden. Den Teilnehmern soll durch den Friedhofsbesuch deutlich werden, dass ein Settingwechsel die Aggressionsspirale unterbrechen kann. Außerdem zeigt der Tod als existentielles Thema die Vergänglichkeit des Daseins und stellt die Verhaltensweisen des Patienten in einen anderen Sinnzusammenhang, der das Aufregen über Nichtigkeiten in Frage stellt. 177 7. Rückfallprophylaxe Das Rückfallprophylaxeprogramm der Fachklinik Liblar orientiert sich weitgehend an dem Rückfallpräventionstraining S.T.A.R nach Körkel und Schindler (2003). Unsere Adaptation besteht aus acht Sitzungen. Die einzelnen Themenblöcke werden einmal wöchentlich in einer 90 Minuten dauernden Einheit bearbeitet. Das Programm findet als Block statt, die Teilnehmer bilden eine feste Gruppe. Die Gruppengröße ist auf 10 Teilnehmer beschränkt. 1. Sitzung „Hinführung zum Thema Rückfälligkeit“ In der ersten Veranstaltung geht es inhaltlich um die Bedeutung der Rückfallprophylaxe, die Erwartungen und Sorgen der Teilnehmer bezüglich dieses Themas. Es wird nach Erfahrungen mit ähnlichen Programmen, aber auch mit bestehenden Rückfällen der Teilnehmer vor der Behandlung gefragt, so entsteht zunächst ein Erfahrungsaustausch. Da natürlich über das Programm auch nach der Einheit ein Austausch zwischen den Patienten stattfindet, wissen die meisten schon, was auf sie zukommt. Trotzdem gibt es immer wieder Teilnehmer, die zunächst fest davon überzeugt sind, dass sie dieses Training nicht brauchen, da sie nicht rückfällig werden. Dies sind meist junge Patienten und / oder Patienten, die zum ersten Mal eine stationäre Langzeitbehandlung machen und in der ersten Euphorie über eine längere Abstinenzzeit zur Selbstüberschätzung neigen. Häufig verbirgt sich aus unserer Erfahrung dahinter die Angst vor einem Rückfall und die Angst, wieder die komplette Kontrolle über das eigene Verhalten zu verlieren. Solche Informationen werden von der Therapeutin an die Bezugs- und Einzeltherapeutin weitergegeben, damit auch in diesen Bereichen eine Auseinandersetzung mit den Ängsten möglich ist. 2. Sitzung „Pro und Contra Abstinenz“ Die Einnahme von Drogen wird häufig während einer Behandlung, zumindest gegenüber den Therapeuten, nahezu verteufelt. Ist es bis hierhin in der Behandlung noch nicht gelungen, darüber offener ins Gespräch zu kommen, soll das nun an dieser Stelle möglich werden. Es geht darum, sich noch einmal genau anzuschauen, was es für Vorteile hat, abstinent zu leben, aber auch, was es für Nachteile hat. Meist entsteht ein Vierfelderschema Pro und Contra Abstinenz (S.197), in dem es um die Vor- und Nachteile der Abstinenz und des Drogenkonsums geht, denn dass der nicht nur Nachteile hatte, ist ein wesentlicher Grund für die Abhängigkeitsentwicklung. Oft sind Patienten erstaunt, dass es meist genauso viele Vorwie Nachteile auf beiden Ebenen gibt. Hier wird den Betroffenen meist selbst klar, wie wichtig für sie auch das den Konsum Umgebende ist, die „Kollegen“, die Delinquenz, das Ritual, das mit dem Konsum verbunden war, das Gefühl anders zu sein, nicht spießig. Und es zeigt sich, dass die Entscheidung des Abstinent-Werdens erstmal eine kognitive 178 Entscheidung ist, weil eine Bewertung der Vor- und Nachteile zeigt, dass die Nachteile des Konsums überwiegen. Das Erarbeitete wird im Anschluss diskutiert und jeder Teilnehmer kann sich seine eigenen Gründe für seine Abstinenzentscheidung noch einmal vor Augen halten, bzw. schriftlich festhalten, wenn er das möchte. 3. und 4. Sitzung „ Risikosituationen“ Zunächst wird den Patienten das kognitive Modell des Rückfalls ausführlich nahegebracht. Erklärt werden internale und externale Risikosituationen. Jeder Teilnehmer muss an dieser Stelle für sich selbst erste Überlegungen anstellen, welche Auslöser es für ihn gibt. Der nächste Schritt ist die Erklärung suchtspezifischer Grundannahmen, was sich manchmal als schwierig erweist, da sie zunächst nicht einfach zugänglich sind. Für viele Patienten ist es schwierig, sie von den automatischen Gedanken zu unterscheiden. Dass das bisher Gesagte Verlangen auslösen kann, wird für manchen Teilnehmer in der Sitzung spürbar, indem sie Suchtdruck erleben. Die 3. und 4. Sitzung sind unserer Erfahrung häufig vom Erleben des Suchtdruckes begleitet. Für die Erklärung der Zusammenhänge des kognitiven Modells wird viel Zeit eingeplant, da die Inhalte für die meisten Patienten sehr fremd sind. Es ist neu für sie, sich mit ihren innerlichen Prozessen so detailiert auseinander zu setzen. Für manche Patienten ist dieses Modell allerdings auch zu kompliziert. Wichtig ist dann aus unserer Sicht, dass die Patienten Auslöser verstehen lernen, wie den verbogenen Kaffeelöffel für Heroinabhängige. In der vierten Sitzung geht es dann um die Suche nach möglichst vielen Risikosituationen des Einzelnen und dem Finden der dahinter stehenden Grundannahmen. Begeistert sind viele Teilnehmer, wenn sie bemerken, dass die suchtspezifischen Grundannahmen sich in verschiedenen Risikosituationen wiederholen. Sie erkennen darin eigene Muster und bekommen das Gefühl, dass sie ihre Sucht, die sie häufig als übermächtig erleben, verstehen und ihr etwas entgegensetzen können. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit wird hier gestärkt, wenn auch erstmal nur vorübergehend. 5. Sitzung „Umgang mit Anerkennung und Kritik“ Hier geht es darum, das angemessene Ausdrücken und die Annahme von Kritik und Anerkennung zu üben. Für viele Patienten war beides unter der Wirkung von Drogen kein Problem, oftmals hat dieser Punkt zur Abhängigkeitsentwicklung geführt, so dass sie große Schwierigkeiten haben, hier angemessen zu agieren. Dies wird in Anlehnung an das S.T.A.R Programm von Körkel und Schindler (2003) nicht theoretisch besprochen, sondern aktiv geübt. Jeder Teilnehmer muss einem Mitpatienten gegenüber Kritik und Anerkennung äußern und anschließend entgegennehmen. Dabei zeigt sich, was von beidem ihm besser 179 gelingt. Für viele ist es leichter, Kritik anzunehmen und Anerkennung zu äußern. Anerkennung versuchen viele abzuwehren oder attribuieren auf den Zufall. Durch diese Übung wird auch das Selbstbewusstsein des Patienten thematisiert, z.B. dass es ein gutes Gefühl hervorruft, wenn Anerkennung offen angenommen werden kann. Ein weiterer Punkt ist die Art, wie beides geäußert wird. Hier bekommen die Patienten im Vorfeld Tipps, wie sie beides angemessen platzieren können, z.B. indem sie konkrete Dinge ansprechen, mit dem anderen in Blickkontakt treten und respektvoll ihr eigenes Erleben schildern, ohne Vorwürfe an das Gegenüber zu richten. 6. Sitzung „ Umgang mit unangenehmen Gefühlen“ Fragt man einen Patienten, wie er sich fühlt, sagt er meist „schlecht“. Fragt man weiter nach, was er genau damit meint, kann der Patient dies nicht konkret benennen. In dieser Einheit geht es darum, diesbezüglich mehr Klarheit zu erlangen. Dazu werden zunächst die negativen Gefühle in der Gruppe gesammelt. Als nächstes geht es an die Beschreibung des Erlebens, das die einzelnen negativen Gefühle auslösen. Diese Beschreibung kann durch die Gruppenteilnehmer geschehen, braucht aber auch immer wieder die Unterstützung und Ergänzung der Therapeutin. Auf der letzen Ebene geht es darum, die physischen Veränderungen zu beschreiben, die ein Gefühl auslösen kann. Körkel und Schindler (2003) lassen ihre Teilnehmer die Gefühle in Form und Farbe darstellen. Dies machen wir in unseren Einheiten seltener, da dies häufig im Rahmen der Kreativen Gestalttherapie in den Bezugsgruppen gemacht wird. Des Weiteren findet regelmäßig eine Indikationsgruppe zum Thema Emotionen statt, so dass dieses Thema im Rahmen der Rückfallprophylaxe etwas kürzer eingeplant ist. Wichtiger ist aus unserer Sicht, an dieser Stelle noch einmal intensiv auf die Zusammenhänge zwischen Emotionen, insbesondere den negativen, und dem Drogenkonsum sowie möglichen Rückfallrisiken einzugehen. Das ist besonders unter dem Aspekt wichtig, dass das emotionale Erleben in dem kognitiven Erklärungsmodell des Rückfalls nicht ausführlich besprochen wird, sondern ausschließlich als internale Auslösesituationen auftaucht. 7. Sitzung „ Umgang mit Suchtdruck“ Die erlebten negativen Emotionen benennen zu können, ist ein wichtiger Schritt in der Suchtbehandlung, schützt aber alleine noch nicht vor dem Verlangen, Drogen zu konsumieren. Diese Einheit ist die, in der viele Patienten wieder starken Suchtdruck bekommen, weil in Rollenspielen bestimmte Risikosituationen nachgespielt werden. Das Treffen das ehemaligen Dealers oder Kunden wird nachgestellt und mögliche Verhaltensweisen werden gemeinsam mit der Gruppe erarbeitet und durchgespielt. Dann 180 kann und soll der Betroffene selbst entscheiden, was für ihn die beste Strategie ist, z.B. sich verbal ganz klar abzugrenzen und ein Drogenangebot abzulehnen oder doch besser die Straßenseite zu wechseln und damit die Situation zu verlassen. Streit mit dem Partner oder den Kindern, dem Vorgesetzen oder Kollegen werden im Rollenspiel gestellt. Wichtig ist es in dieser Sitzung, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, sowie eine kognitive Neubewertung vorzunehmen. Z.B. können das Verlassen einer Situation oder das Meiden bestimmter Orte und Lokale nicht als Zeichen von Schwäche gesehen werden, sondern sollen als eine klare Abstinenzentscheidung bewertet werden, auf die der Betreffende stolz sein kann. Wichtig ist hierbei, dass der Patient lernt, seinen Suchtdruck realistisch einzuschätzen. Wir arbeiten mit einer 10er Skala, auf der der Patient seinen Suchtdruck bewerten soll, wenn er ihn erlebt. Dies geschieht nicht nur während der Rückfallprophylaxe, sondern immer dann, wenn das Verlangen, Drogen zu konsumieren, groß wird. Dadurch entsteht eine Selbstverständlichkeit darin, dem eigenen Konsumverlangen einen Wert zu geben, und entsprechend auch Veränderungen im Erleben besser einschätzen zu können und zu erkennen, durch welche Strategien der Suchtdruck nach unten reguliert werden kann. 8. Sitzung „Ausgewogener Lebensstil“ Für viele Abhängige ist es schwierig, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Belastung und Entspannung zu finden. Die meisten berichten, in Zeiten der Abstinenz viel gearbeitet zu haben, aber irgendwann sei das zu eintönig gewesen, etwas habe gefehlt. An den Wochenenden, in denen nur ein sehr eingeschränktes Therapieprogramm stattfindet, werden begleitete Freizeitaktivitäten angeboten, an denen sich aber oft nur wenige Patienten beteiligen, wenn nicht ausreichend Werbung dafür gemacht wird. Zum Wochenbeginn klagen dann viele Patienten, es sei am Wochenende langweilig gewesen. Für die Patienten ist es schwierig, ihre freie Zeit aktiv zu gestalten oder überhaupt so zu gestalten, dass diese ein gutes Gegengewicht zur wöchentlichen Anspannung bietet. In dieser Einheit werden zusammen mit der Gruppe Ideen entwickelt, wie eine „machbare“ Freizeitgestaltung aussehen könnte. Das Wort „machbar“ benutze ich deshalb, weil die Patienten oft kostspielige Vorstellungen haben, die sich dauerhaft mit einem normalen Einkommen oder gar Hartz IV nicht umsetzen lassen. Um hier Frustrationen vorzubeugen, versuchen wir schon im Vorfeld realistische Pläne zu entwickeln. Auch innerhalb der Freizeit kommt der Ausgewogenheit zwischen Aktivität und Spannung einerseits und Entspannung andererseits Bedeutung zu. Zeiten, in denen man sich mit anderen austauscht, sind ebenso einzuplanen wie Zeiten, die man für sich allein hat. Ziel ist es, das jeder Patient für sich rausfindet, welche „Mischung“ für ihn die richtige ist. Eine richtige Patentlösung gibt es nicht. Wichtig ist 181 die Erkenntnis bei den Teilnehmern, dass auch die Freizeitgestaltung nicht dauerhaft die gleiche sein kann, sondern dass sie dem jeweiligen erlebten Belastungsgrad angeglichen werden muss. Hierzu wird, wieder in Anlehnung an Körkel und Schindler (2003), ein Waagemodell genutzt, bei dem die eine Seite der Waage mit den wechselnden Belastungen belegt wird und der Patient dann überlegen kann, was bei der gegebenen Belastung auf der anderen Seite der Waage ein Gegengewicht in der Freizeit bilden könnte. 8. Selbstsicherheitstraining Bei der Vorstellung des theoretischen Hintergrundes der Borderline Störung wurde immer wieder deutlich, dass diese Patienten häufig ein negatives Selbstbild haben, nur über eine niedrige Selbstwirksamkeit verfügen und ihre eigenen Erfolge nicht wirklich akzeptieren können. Aus diesem Grund stelle ich nun in kurzen Zügen das Trainingsmanual zum Gruppentraining sozialer Kompetenzen (Hinsch und Pfingsten 1998) vor. Das Trainingsprogramm besteht aus sieben Sitzungen mit je ca. 180 Minuten Dauer, die mit acht Teilnehmern und zwei Trainern durchgeführt werden. Vor der ersten Trainingseinheit findet eine Einführungsveranstaltung statt. Den potentiellen Teilnehmern werden die Ziele, Konzepte und der Ablauf des Programms nahe gebracht. Am Ende der Veranstaltung kann jeder Teilnehmer noch einmal überprüfen, ob er tatsächlich an dem Programm teilnehmen möchte. Das Training bietet folgende Hilfen dabei an: zu lernen, eigene Forderungen und Interessen durchzusetzen; in Beziehungen zum Partner oder Freunden eigene Wünsche und Bedürfnisse angemessen zu vertreten; die Sympathie anderer Menschen zu gewinnen (ebenda). Dabei gehen die Autoren davon aus, dass selbstsicheres Verhalten ebenso erlernbar ist wie Fahrradfahren oder Schwimmen. Das Training dient hier als Übungsfeld und soll nicht als ein Selbsterfahrungskurs verstanden werden. Erster theoretischer Inhalt ist die umgekehrte Verhaltenspyramide. Sie zeigt, dass selbstsicheres Verhalten im Laufe der Zeit in selbstsichere Verhaltensgewohnheiten übergeht. Diese wiederum tragen im Laufe der Zeit zur Bildung einer selbstsicheren Persönlichkeit bei. Die Teilnehmer werden darüber informiert, dass mit Rollenspielen gearbeitet wird, die mit einer Videokamera aufgenommen und anschließend mit den Teilnehmern besprochen werden. Inhalt der ersten Sitzung ist das Erklärungsmodell für sicheres / unsicheres Verhalten. Zu Beginn jeder Sitzung empfehlen die Autoren die Bekanntgabe der Tagesordnung. Als Warming-up findet eine Übung zum besseren Kennenlernen statt, bei der sich zunächst zwei Teilnehmer zusammensetzen und sich gegenseitig vorstellen. Nach ca. fünf Minuten setzen sich jeweils zwei Gruppen zusammen und jeder stellt den Teilnehmer vor, mit dem er den 182 ersten Teil der Übung gemacht hat. Je nach Gruppe kann die schwierigere Variante gewählt werden, bei der ein Teilnehmer seinen Übungspartner im Plenum vorstellt. Die Trainer sollten ihre Funktion glaubhaft ausüben, ohne als perfekt sozialkompetent und damit unglaubwürdig zu gelten. Als nächstes wird das Erklärungsmodell eingeführt. Anhand eines konkreten Beispiels wird der Zusammenhang zwischen Situation, Selbstverbalisation, Emotion und Verhalten erläutert. Dabei wird zunächst erarbeitet, was bei negativer Selbstverbalisation geschieht, anschließend, wie die gleiche Situation bei positiver Selbstverbalisation ablaufen kann. Wichtig ist, dass es für alle Teilnehmer nachvollziehbar ist, dass durch ihr Verhalten die negative Selbstverbalisation verstärkt werden kann und die Person sich dadurch in eine Negativspirale bringen kann. Jeder Teilnehmer überlegt als nächstes, welche Situationen für ihn mit negativer Selbstverbalisation verbunden sind und schreibt dies auf ein Arbeitspapier. Nachdem er das negative Muster aufgeschrieben hat, soll der Teilnehmer anschließend, eine positive Alternative entwickeln. Zuletzt findet eine 40 Minuten dauernde Entspannung nach der PMR statt. Es handelt sich dabei um eine Bewältigungsstrategie, die den Umgang mit schwierigen Situationen erleichtern kann, was sich aber erst nach mehrmaligem Üben zeigen wird. Damit die Teilnehmer auch zu Hause üben können, wird jedem die Entspannungsübung auf einem Tonträger mit gegeben, so dass er diese Übung fortsetzen kann. Zusätzlich erhält jeder Teilnehmer ein Arbeitsblatt mit verschiedenen Rollenspielsituationen, die in eine Rangfolge zu bringen sind, beginnend mit der für den Betreffenden schwierigsten Situation. Das Arbeitsblatt soll beim nächsten Mal ausgefüllt mitgebracht werden und entsprechend dem Erklärungsmodell bearbeitet werden. Die Kassette soll von den Teilnehmern einmal täglich gehört werden. Am Ende einer jeden Sitzung werden „Stundenbögen“ ausgeteilt, die als Feedback für die Trainer dienen. Die zweite Sitzung beginnt wieder mit der Bekanntgabe des Tagesablaufes. Als nächstes widmet sich die Gruppe den erledigten Hausaufgaben der ersten Sitzung. Dabei sollten sich die Trainer auch nach den Erfahrungen mit der Entspannungsübung erkundigten. Aufgabe der Trainer ist es dann, die Teilnehmer weiter zu motivieren und von der Notwendigkeit des fortgesetzten Übens zu überzeugen. Ein Diskriminationstraining schließt sich an, bei dem die Teilnehmer üben zwischen selbstsicherem, aggressivem und unsicherem Verhalten zu unterscheiden. Die Teilnehmer erhalten dazu einen Fragebogen, der Verhaltensbeispiele zeigt, die jeder für sich alleine bewerten soll, gemeinsam mit den Trainern wird dann herausgearbeitet, was an einem beschriebenen Verhalten selbstsicher, selbstunsicher oder aggressiv ist. Falls Unsicherheiten über die Zuordnung eines Verhaltens auftreten, ist es die Aufgabe des Trainers, nach den Verhaltenskonsequenzen zu fragen. Dies geschieht indem 183 er nach den Gefühlen des anderen fragt. Hierdurch wird es für die Teilnehmer meist leichter, so die Autoren, die dargestellten Verhaltensweisen richtig zuzuordnen. Hierauf folgt ein Modellrollenspiel durch die Trainer, das den Teilnehmern das Prozedere des Rollenspiels und des anschließenden Video-Feedbacks nahebringen soll. Vorteil des Modellrollenspiels ist, dass die Trainer dadurch für die Teilnehmer zum Modell werden, an dem sie bereits lernen können. Vorher wird ein Arbeitsblatt mit den Kriterien selbstsicheren Verhaltens besprochen, so dass die Teilnehmer das Verhalten der Trainer richtig deuten können. Anschließend führen die Teilnehmer selbst Rollenspiele mit Video-Feedback durch. Die Autoren weisen an dieser Stelle auf die Notwendigkeit hin, dass Vermeidungsstrategien einzelner Teilnehmer unterbunden werden sollten, wobei das idealerweise durch die Gruppe selbst geschieht. Ein Entspannungstraining von 18 Minuten bildet den Abschluss vor der Verteilung der Hausaufgaben. Diese bestehen neben dem weiteren täglichen Üben der Entspannungstechnik darin, eine Situation, die die Teilnehmer sich selbst aus einer Reihe auf einem Arbeitsblatt vorgegebener Situationen aussuchen, im Alltag umsetzen. Das Ausfüllen der Stundenbögen bildet den Abschluss der zweiten Sitzung. Die dritte Sitzung beginnt wieder mit der Bekanntgabe der Tagesordnung und der Frage nach den Hausaufgaben, besonders nach den Erfahrungen des in vivo Trainings. Auch das Vorankommen mit der Entspannungstechnik wird abgefragt. Kernthema dieser Sitzung ist das Bewusstmachen der Selbstverbalisationen. Die Autoren erarbeiten diese Bewusstwerdung in zwei Schritten. Zunächst wird den Teilnehmern ein Videoband vorgeführt, bei dem eine selbstunsichere Person zunächst Vermeidungs- und dann Bewältigungsstrategien zeigt. An fünf markanten Punkten wird der Film angehalten und die Teilnehmer müssen auf einem Blatt Papier die Gedanken aufschreiben, die ihrer Meinung nach der Person dazu durch den Kopf gehen. Anschließend wird die Gruppe geteilt und die Trainer sprechen mit den Teilnehmern die Notizen durch und diskutieren die Unterschiede. Ziel ist es, gemeinsam mit den Teilnehmern die Selbstverbalisationen in günstig/ungünstig, konstruktiv/destruktiv zu kategorisieren. Die unterschiedlichen Arten, mit Vermeidungsverhalten umzugehen, sollten ebenfalls gemeinsam mit den Teilnehmern herausgearbeitet werden. Als konstruktive Problemlösungen sollten internal variable Attributionen entwickelt werden, so dass das konkrete Verhalten in den Focus rückt und nicht eine Abwertung der gesamten Person stattfindet. Als zweiten Schritt müssen die Teilnehmer nun üben, sich selbst zu loben. Dies wird in einer Partnerübung geübt, bei der jeder Teilnehmer seinem Partner wenigstens zwei positive Dinge über sich sagen muss. Auf ein Zeichen des Trainers setzen sich dann jeweils zwei Paare zusammen und berichten den anderen, was ihr Partner ihnen über sich gesagt hat. In 184 einem anschließenden Plenum sollen noch einmal die Schwierigkeiten genannt werden mit Lob umzugehen, bzw. sich selbst Anerkennung auszusprechen. Im Anschluss finden Rollenspiele statt, die mit der Videokamera aufgezeichnet werden. Dabei muss, wie auch bei den anderen Rollenspielen, jeder Teilnehmer einmal eine Szene spielen. Daran schließt sich das Entspannungstraining von nur noch 9 Minuten an. Vor den Stundenbögen werden die Hausaufgaben benannt, eine erneute in vivo Übung aus dem Arbeitsblatt mit den Szenen zum Thema „Recht durchsetzen“. In der vierten Sitzung beschäftigen die Teilnehmer sich mit dem Situationstyp „Selbstsicheres Verhalten in Beziehungen“. Hier gilt es zu üben, Emotionen angemessen zu äußern und Abstand von der Vorstellung zu entwickeln, dass man ein Recht auf die Erfüllung der Wünsche durch den Partner hat. Denn genau das führt in vielen Beziehungen zum Streit. Die Teilnehmer erhalten ein Arbeitsblatt, auf dem zahlreiche Situationen in Beziehungen vorgestellt werden. Als erstes lesen die Teilnehmer das Blatt durch. Gemeinsam wird dann anhand der Instruktionen für selbstsicheres Verhalten herausgearbeitet, welche Kriterien für die neue Situation wichtig sind. Wesentlich sind das Äußern der eigenen Gefühle und das Verstehen des Partners. Im Anschluss daran erhalten die Teilnehmer ein Arbeitsblatt zum Thema: „Gefühle erkennen und benennen“. Es sind wieder Situationen beschrieben und die Teilnehmer sollen die dazu gehörenden Emotionen zunächst für sich selbst aufschreiben und die Ergebnisse in Kleingruppen besprechen. Auch zu dieser Sitzung gehören wieder das Entspannungstraining und die Hausaufgaben, die Umformulierungen des letzten Arbeitsblattes und die Bearbeitung eines Arbeitsblattes, wobei es um die Benennung der Gefühle geht, da der Teilnehmer jeden Abend eine Situation des Tages aufschreiben und die dabei erlebten Gefühle benennen soll. Die Aufzeichnungen werden zu Beginn der fünften Sitzung ausführlich besprochen. Den Teilnehmern werden mit einem neuen Arbeitspapier Instruktionen für ein selbstsicheres Verhalten in Beziehungen ausgeteilt und im Plenum besprochen. Im Anschluss daran führen die Trainer ein Modellrollenspiel durch, das von den Teilnehmern anhand der neuen Instruktionen bewertet wird. Dann müssen sie selbst ins Rollenspiel einsteigen, das in Kleingruppen durchgeführt und mit dem begleitenden Trainer besprochen wird. Ab dieser Sitzung findet kein Entspannungstraining mehr in der Gruppe statt, das weitere Üben bleibt aber weiterhin Hausaufgabe. Auch die Hausaufgaben entfallen in dieser Sitzung. In der sechsten Sitzung wird der Situationstyp „Sympathie gewinnen“ eingeführt. Die Autoren stellen fest, dass diese Situationen für die Teilnehmer die komplexesten sind, da hier am 185 intensivsten auf die Haltung des Gegenübers eingegangen werden muss. Sein Verhalten muss aufgenommen und richtig interpretiert werden und die situationsbezogenen Bedingungen müssen ebenfalls mit einbezogen werden. Um angemessen zu reagieren, müssen die Teilnehmer auch die in den vorherigen Situationen erworbenen Fähigkeiten in ihre Bewältigungsstrategie einbringen. Der Teilnehmer wird über vier Schritte an dieses Thema herangeführt. Zunächst bekommt er ein Arbeitspapier mit Rollenspielsituationen zu diesem Situationstyp. Im Plenum wird diskutiert, was bei diesen Situationen anders ist als bei den anderen und welche Techniken besonders wichtig sind. Verstärken können sollte hier als zentrale Technik herausgearbeitet werden. Dazu werden im nächsten Schritt verschiedene Verstärkungsmöglichkeiten erarbeitet. Die Beiträge sollen an einer Tafel festgehalten werden. Im dritten Schritt erhalten die Teilnehmer das Arbeitspapier mit den Instruktionen für selbstsicheres Verhalten in Situationen, in denen sie Sympathie erwerben möchten. Es wird im Plenum durchgesprochen. Nachdem im vierten Schritt die Trainer ein Modellrollenspiel gezeigt haben, sind die Teilnehmer mit ihrem Rollenspiel an der Reihe. Hausaufgabe in dieser Sitzung ist es, eine der aufgeführten Situationen zu verwirklichen. Die unterschiedlichen Machtverhältnisse der drei Situationen (Recht haben, Beziehung, Sympathie) werden mit den Teilnehmern erläutert. Geht es darum, sein Recht durchzusetzen, hat das eigene Ich die größte Macht, während in Beziehungssituationen die Macht von Ich und Du gleich sind. Anders ist es, wenn jemand Sympathie erwerben möchte, da erhält der andere die größere Macht und die Person selbst einen niedrigeren Machtanteil. Wichtig ist, bei den Teilnehmern der Bewusstwerdungsprozess, dass sie die Zuordnung einer Situation selbst vornehmen, prinzipiell ist jede Zuordnung möglich. Welche Entscheidung ein Mensch hier trifft, hängt von den persönlichen Mustern des Menschen ab. Dabei wird der Mensch dann häufig nicht der Vielfalt der gegebenen Situationen gerecht, sondern entscheidet immer nach dem gleichen Schema, was zu Konflikten und Unzufriedenheit führen kann. Für die Autoren ist ein wesentliches Ziel des Trainings erreicht, wenn die Teilnehmer diese Zusammenhänge für sich erkennen können und differenzierter werden in der Bewertung von Alltagssituationen. Diese Unterscheidung der drei Situationstypen wird in der letzten Sitzung noch einmal geübt. Zuletzt wird jeder Teilnehmer gebeten, eine für ihn problematische Situation auf eine Karteikarte zu schreiben. Diese Situationen sollen in Kleingruppen diskutiert werden, so dass anschließend klar ist, welchem Typ die Situation zugeordnet werden soll, welche kurz- und langfristigen Ziele in der Situation verfolgt werden und welche kurz- und langfristigen Konsequenzen sich daraus ergeben. Jede Situation sollte nach der Analyse in einem Rollenspiel dargestellt werden. Die 186 erarbeiteten notwendigen Verhaltensweisen für eine optimale Zielerreichung werden anschließend von dem Teilnehmer auf der Karteikarte notiert. Für die Katamneseerhebung erhält jeder Teilnehmer am Ende der letzen Sitzung einen Fragebogen mit einem frankierten Rückumschlag. 187 Einverständniserklärung Name:……………………………………………………… Datum:……………………….. Gegenüber Drogenberatungsstellen, Krankenkassen und anderen für mich zuständigen Stellen entbinde ich die Mitarbeiter der Fachklinik Liblar von der Schweigepflicht bzgl. des Therapieverlaufs. Gegenüber meinen Angehörigen entbinde ich die Mitarbeiter der Fachklinik Liblar von der Schweigepflicht für den Fall eines stationären Krankenhausaufenthaltes. Ich erteile den Mitarbeitern der Fachklinik Liblar Postvollmacht und erkläre mich damit einverstanden, daß die Verwaltung an mich adressierte Post in Empfang nimmt. Mir ist bekannt, dass die Fachklinik Liblar gegenüber Justizbehörden auf Antrag zur Auskunft über Mitarbeit in der Therapie, Zukunftsprognose und die Art des Abschlusses meiner Behandlung verpflichtet ist. Informationen über Inhalte des Therapieverlaufs werden den Behörden nicht übermittelt. Ich bin damit einverstanden, dass meine derzeitige und später meine künftige Adresse Behörden und anderen Einrichtungen mitgeteilt wird. ____________________________ (Datum, Unterschrift) Ich bin damit einverstanden, dass nach der Aufnahmephase ein Foto von mir gemacht wird, das gegebenenfalls einer schriftlichen Rückinformation an Ihren Drogenberater oder die Entgiftung beigelegt oder auf einem entsprechenden Schreiben aufgedruckt wird. ____________________________ (Datum, Unterschrift) Ich bin davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ich bei einem Abbruch der Behandlung die volle Verantwortung für die möglichen Folgen selbst trage und die Fachklinik Liblar jede Haftung ausschließt. Dies gilt insbesondere für gesundheitliche Folgeschäden, Rückzahlungsforderungen durch den Kostenträger, mögliche Rentenkürzungen oder justizielle Folgen. Ich weiß, dass die Klinik ihrer Meldepflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft nachkommen wird, falls dies für meine Person erforderlich ist. ____________________________ (Datum, Unterschrift) 188 Einverständniserklärung Seite 2 Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, dass die Fachklinik Liblar im Falle einer disziplinarischen Entlassung oder eines Abbruches meinerseits keine Haftung für den unsachgemäßen Verbleib meines mitgebrachten persönlichen Eigentums übernimmt. Grundsätzlich bin ich dazu verpflichtet, meinen persönlichen Besitz beim Verlassen der Klinik mitzunehmen. Falls ich möchte, dass meine Sachen auch nach meinem Weggang aus der Klinik aufbewahrt werden, so bin ich dazu verpflichtet, sie vor dem Verlassen der Klinik zusammenzuräumen und in dem dafür vorgesehenen Raum deutlich lesbar mit meinem Namen versehen zu deponieren. Die Klinik wird dann diese Sachen zwei Monate dort aufbewahren. Sollten diese Privatsachen innerhalb von zwei Monaten nicht abgeholt sein, so werden sie an Bedürftige weitergegeben. Dies gilt ebenso für das abgegebene Pfand-Geld. Sollte das Pfand nach zwei Monaten nicht abgeholt sein, wird es dem Soli-Fond der Patienten zur Verfügung gestellt. Es ist der Klinik nicht möglich, Privatsachen an ehemalige Patienten zurückzuschicken! ____________________________ (Datum, Unterschrift) Ich bin damit einverstanden, mich im Falle eines Therapieabbruchs zunächst noch 24 Stunden im Gebäude der Fachklinik Liblar aufzuhalten. Auch in dieser Zeit bin ich verpflichtet, mich an alle im Haus geltenden Regeln zu halten! Diese Zeitspanne von 24 Stunden kann zum Überdenken der negativen Konsequenzen eines Abbruchs genutzt werden. Die Zeitspanne ermöglicht der Verwaltung, alle notwendigen Formalitäten vorzubereiten. Erst nach Ablauf der 24 Stunden kann ich meine hier hinterlegten Wertsachen und Papiere sowie meine Koffer und Taschen ausgehändigt bekommen. ____________________________ (Datum, Unterschrift) 189 Verpflichtungserklärung • Ich verpflichte mich während der gesamten Behandlung zur Abstinenz. • Ich verpflichte mich zur aktiven Mitarbeit während der Rehabilitationsmaßnahme. • Ich verpflichte mich, die im Haus geltenden Regeln zu achten. • Ich verpflichte mich, Rückmeldungen von Mitarbeitern und Mitrehabilitanden anzuhören und mich damit auseinander zu setzen. • Ich verpflichte mich, das Eigentum der Klinik respektvoll zu behandeln. • Ich verpflichte mich, eigene Abstinenzverletzungen oder die meiner Mitrehabilitanden unverzüglich einem Mitarbeiter mitzuteilen. • Ich verpflichte mich zur Verantwortung für die Abstinenz und das Verhalten meiner Besucher. • Die Mitarbeiter der Fachklinik Liblar verpflichten sich im Gegenzug zu einer offenen Zusammenarbeit nach bestem Wissen und Gewissen. _________________________ _____________________ Datum und Unterschrift des Rehabilitanden Unterschrift des Therapeuten 190 Rehabilitand: FK Liblar 10-3-26 - 2 Therapiestandards Der Prozess der Abstinenzentwicklung: Rekonvaleszenzphase: Dauer: min. 2,5 Jahre (30 Monate), dazu gehören die Rehabilitationsphase I und II (Therapie und Adaption) Stabilisierungsphase: 5 - 6 Jahre Gefährdungsphase: lebenslänglich In der Regel beinhaltet die Rekonvaleszenzphase 6 + 3 Monate (Therapie + Adaption) in unserer Einrichtung. Bitte erledigen Sie während dieser Zeit die folgenden Aufgaben und lassen Sie diese abzeichnen: 1. Klärung allgemeiner behördlicher und Datum Bemerkungen/ organisatorischer Angelegenheiten Unterschrift • Beantragung/Prüfung ALG II/Sozialhilfe & Klärung der Krankenversicherung • Bewerbungsmappe erstellen • Schuldenregulation erörtern 2. Erarbeitung lebensgeschichtlicher bedeutsamer Faktoren für die Abhängigkeitserkrankung • eigenverantwortliche Vereinbarung und Wahrnehmung von Einzelgesprächen (alle 2-3 Wochen) • Vorstellung der Lebensgeschichte in der Bezugsgruppe • • Datum Bemerkungen/ Unterschrift Datum Bemerkungen/ Unterschrift Vorstellung der Suchtgeschichte in der Bezugsgruppe • Auseinandersetzung mit der Funktionalität des Drogenkonsums • Thematisierung des Prozesses der Abstinenzentwicklung (zeitliche Perspektive) • Erstellung des Delinquenzverlaufs und Vorstellung in der Bezugsgruppe 3. Auseinandersetzung mit der eigenen Beziehungsgestaltung und den eigenen Beziehungsmustern 191 • Darstellung des bisherigen sozialen Netzes • Darstellung der Beziehungen und Freundschaften aktuell in der Gruppe • Übernahme von Verantwortung: Aufgaben, Jobs etc. für Gruppe und Hausgemeinschaft • Angehörigen- / Bezugspersonengespräch mit Therapeut Training der Kontaktaufnahme zu drogenfreien Kreisen/Menschen • • Emotionale Belastungserprobung (z. B. Heimfahrt) • Problematisierung des alten Umfeldes (z.B. Auflösung / Trennung von alter Wohnung etc.) 4. Klärung und Vorbereitung der zukünftigen beruflichen Perspektive • • • Bemerkungen/ Unterschrift Datum Bemerkungen/ Unterschrift Datum Bemerkungen/ Unterschrift Berufsfindung: Neuorientierung oder Weiterqualifizierung von Vorhandenem/ggf. schulische Ergänzungen Abklärung der beruflichen Reintegrationsmöglichkeiten Information über berufliche/ schulische Perspektiven Belastungserprobung (Besuch im BIZ/ggf. Herman Hesse Schule etc.) • Planung einer adäquaten Nachbehandlung • Orientierung am künftigen gewöhnlichen Aufenthaltsort 5. Aufbau und Entwicklung einer aktiven sinnvollen Freizeitgestaltung • Kontaktaufnahme zu Vereinen oder anderen Freizeitanbietern Durchführung regelmäßiger wöchentlicher Freizeitaktivitäten; verpflichtend gekoppelt an den Einzelausgang/Nachweis per Laufzettel • Besuch einer Selbsthilfegruppe (mindestens einmal während der Behandlung!) • Tagesfahrten und Unternehmungen planen für sich selbst und für die Gruppe • Datum Aufgaben der Rekonvaleszenzphase allgemein: 192 • Delinquenzfreiheit • Konfliktfähigkeit • Kritikfähigkeit • Frustrationstoleranz • Anpassungsfähigkeit • Übernahme von Verantwortung • sorgsamer Umgang mit Gesundheit • durch gesunde Ernährung • Stressmanagement • Funktionalität des Drogenkonsums 193 Anhang D Handouts Psychoedukation Bedingungsfaktoren der Suchtentstehung Modell der Suchttrias nach Kielholz und Ladewig Süchtige Verhaltensweisen entstehen aus den Interaktionen folgender Merkmale: Droge Person Umgebung Finden Sie Beispiele aus ihrem eigenen Leben für die einzelnen Merkmale: Person: Umgebung: Droge: 194 Kriterien der Abhängigkeit 1. Starkes Verlangen nach der Droge. Eigene Erfahrungen hierzu: 2. Kontrollverlust oder erfolglose Versuche, keine Drogen zu konsumieren. Eigene Erfahrungen hierzu: 3. Körperliche Entzugserscheinungen nach Absetzen der Droge. Eigene Erfahrungen hierzu: 4. Toleranzentwicklung gegenüber der Drogenwirkung. Eigene Erfahrungen hierzu: 5. Vernachlässigung von Interessen und Verpflichtungen. Eigene Erfahrungen hierzu: 6. Trotz eindeutig schädlicher Folgen wird der Drogenkonsum vorgesetzt. Eigene Erfahrungen hierzu: Kriterien nach WHO 1991 ICD-10 195 Pro und Contra des drogenfreien Lebens Leben mit Drogen Vorteile Nachteile Leben ohne Drogen Vorteile Nachteile 196 Name: Datum: Problemkuchen Eigene Notizen: 197 Soziales Netz Menschen, mit denen man zusammen wohnt Nachbarn/ Freunde Professionelle Helfer Randzone MittelMMitt zone Kernzone Verwandte Kollegen Name: Datum: 198 P ATIENTENFRAGEBOGEN Dieser Fragebogen soll uns Rehabilitationsangebots geben. Aufschluss über Ihre Einschätzung unseres Sie können die Fragen selbstverständlich anonym beantworten. Somit helfen Sie uns, die Qualität unserer Arbeit ständig zu überprüfen und zu verbessern. Wir danken für Ihre Mitarbeit. Bitte kreuzen Sie die für Sie zutreffende Zahl an. Ich bin in Gruppe 1 2 3 4 1. Wie sind Sie mit dem Rehabilitationsprogramm zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut Begründung: 2. Wie sind Sie mit der medizinischen Versorgung zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut 1 sehr gut 1 sehr gut 1 sehr gut Begründung: 3. Wie sind Sie mit dem Pflegedienst zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 4. Wie sind Sie mit der Gruppentherapie zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 5. Wie sind Sie mit der Einzeltherapie zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 199 6. Wie sind Sie mit der Arbeitstherapie zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut Begründung: 7. Wie sind Sie mit der Sport- und Bewegungstherapie zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut Begründung: 8. Wie sind Sie mit der Gestaltungstherapie zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut 1 sehr gut 2 1 sehr gut 2 1 sehr gut 1 sehr gut Begründung: 9. Wie sind Sie mit der Großgruppe zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 10. Wie sind Sie mit der Hauswirtschaft zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 Begründung: 11. Wie sind Sie mit der Küche zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 Begründung: 12. Wie sind Sie mit der Verwaltung zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 13. Wie sind Sie mit den Freizeitangeboten zufrieden? Ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut 200 Begründung: 14. Wie sind Sie mit den Selbsthilfegruppen zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut 1 sehr gut Begründung: 15. Wie sind Sie mit dem Raumangebot zufrieden? ungenügend 6 5 4 3 2 Begründung: 16. Wie hilfreich empfinden Sie die Familienseminare? ungenügend 6 5 4 3 2 1 sehr gut Begründung: 17. Ich habe meine Therapieziele erreicht: gar nicht teilweise ganz Begründung: 18. Ich habe einen Nachsorge- / Weiterbehandlungsplan erarbeitet: ja nein Begründung: 19. Ich werde diesen Plan anwenden: ja nein Begründung: 20. Würden Sie die Klinik einem guten Freund weiterempfehlen? ja nein Begründung: 201 21. Welche Mitarbeiter erlebten Sie als hilfreich in der: 1. Gruppentherapie: _____________________________________ 2. Arbeitstherapie: _____________________________________ 3. Gestaltungstherapie: _____________________________________ 4. Sporttherapie: _____________________________________ 5. Pflegedienst: _____________________________________ 6. Ärztliche Betreuung Intern (Im Hause) -------------------------------- Extern (Außer Haus) -------------------------------- 7. Küche: _____________________________________ 8. Verwaltung: _____________________________________ 22. Verglichen mit dem, was Sie erwartet haben, waren die folgenden Bereiche der Klinik viel schlechter 1. Qualität der Behandlung 2. Qualität der Unterbringung 3. Erfolg der Behandlung ein wenig schlechter ein wenig besser viel besser Wenn Sie möchten, begründen Sie Ihre Einschätzung hier: Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! 202 Danksagung Bei Herrn Dr. Schneider möchte ich mich sehr für die fachliche Unterstützung und die Geduld bedanken, mit der er mich bei der Erstellung der Masterarbeit begleitet hat. Ebenso gilt mein Dank Herrn Professor Schwarzer für seine Unterstützung im Prozess der Masterarbeitserstellung. Dem Team der Fachklinik Liblar danke ich für die fachliche und kollegiale Unterstützung. Besonders bedanke ich mich für die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeitgestaltung und die unproblematischen Vertretungen, wenn die Masterarbeit mal wieder vermehrt Zeit „konsumierte“. Traute Mühlfeld hat mich besonders in den letzten Wochen mit Rat und Tat unterstützt, dafür mein herzlicher Dank. Erftstadt, Februar 2011 Tanja Lang 203 Einverständniserklärung Ich bin damit einverstanden, dass meine Masterarbeit mit dem Titel „Behandlungspfade in der Suchttherapie“ in der Bibliothek der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Köln, ausgestellt wird. ___________________ Tanja Lang Erftstadt, den 25.02.2011 204 Versicherungserklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit „Behandlungspfade in der Suchttherapie“ selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. ____________________ Tanja Lang Erftstadt, den 25.02.2011 205