Ticstörungen

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Ticstörungen
Definition
Plötzlich einschiessende, repetitive, nicht vom Willen gesteuerte,
Ticstörungen
zwecklose und auf einige umschriebene Muskelgruppen beschränkte
nichtrhythmische Bewegungen oder Lautproduktionen.
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Ticstörungen
Ticstörungen
Klinik
Klassifikation gemäss ICD-10
F 95.0
Vorübergehende Ticstörung
Einzelne oder multiple Tics.
Dauer bis zu zwölf Monaten.
Meistens als Blinzeln, Grimassieren oder Kopfschütteln.
Beginn vor dem 18. Lebensjahr
1. Isolierte Tics
2. Multiple Tics
3. Chronisch persistierende Tics
4. Tourette Syndrom
F 95.1
Chronische motorische oder vokale Ticstörung
Motorische oder vokale Tics (nicht gemeinsam), einzeln oder multipel;
Dauer länger als ein Jahr.
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Ticstörungen
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Epidemiologie und Komorbidität
Klassifikation gemäss ICD-10
F 95.2
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Epidemiologie
Kombinierte vokale und multiple motorische Tics
(Tourette-Syndrom)
• Prävalenz vorübergehender Tics:
5-24 %
Gegenwärtig oder in der Vergangenheit multiple motorische Tics und
einen oder mehrere vokale Tics, nicht notwendigerweise gleichzeitig.
• Geschlechterverhältnis (m/w):
3:1
• Prävalenz des Tourette-Syndroms:
3-5 / 10’000 EW
Beginn fast immer in Kindheit oder Jugendalter.
Komorbidität
Symptomatische Verschlechterung während der Adoleszenz.
• Hyperkinetische Störungen
Üblicherweise Persistenz bis ins Erwachsenenalter.
• Zwangsstörungen (insbesondere beim Tourette-Syndrom)
• Emotionale Störungen
• Störungen des Sozialverhaltens
• Entwicklungsstörungen
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Ticstörungen
Ticstörungen
Symptomatik einfacher motorischer Tics
Symptomatik komplexer motorischer Tics
Rasch, plötzlich einschiessend, nicht-zweckgerichtet
Langsamer, scheinbar zweckgerichtet
Augenblinzeln, Grimassieren, Nase hochziehen, Lippen spitzen,
Schulter hochziehen, Armschleudern, Kopfrucken, Bauch einziehen,
Bauch ausstülpen, kicken, Fingerbewegungen, Mund aufsperren,
Zähneklappern, Körperanspannung, rasche Schleuderbewegungen
verschiedener Körperteile, Augenbrauen hochziehen, Stirn runzeln
Hüpfen, klatschen, Gegenstände/Personen oder sich selbst berühren, Wurfbewegungen, Verwringungen, dystone Körperhaltungen, sich auf die Zunge
oder Lippen oder in den Arm beissen, Kopf einschlagen, ausschlagende
Bewegungen, sich zwicken oder kratzen, Stossbewegungen, Schreibbewegungen, krümmende Zuckungen, Augen nach oben rollen, Zunge herausstrecken, küssen, immer wieder den gleichen Brief oder das gleiche Wort
schreiben, den Stift zurückziehen während des Schreibens, Papier oder Bücher
zerreissen, sexuelle Gestik, immer wieder merkwürdige und ulkige bis
abstossende Körper- und Gesichtshaltungen einnehmen.
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Ticstörungen
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Vokale Symptome
Vokale Symptome
Einfache vokale Symptome
Rituale
Rasch, plötzlich einschiessende Laute
Pfeifen, husten, schnüffeln, spucken, bellen, grunzen, gurgeln, klicken,
lutschen, saugen, kreischen, schnalzen, u.u, eee, au, oh und vielzählige andere
Laute
Zählende Rituale. Einen Satz wiederholen, bis er “genau richtig” ist.
Sprechstörungen
Ungewöhnliche Rhythmen, Intonierungen, Akzente, Intensität des Sprechens,
Nicht-Flüssigkeit des Sprechens von Pausenlängen, stockende Wortanfängen
usw.
Komplexe vokale Symptome
Wörter, Sätze, Kurzaussagen
Sei still, hör auf, ok ok, ist klar, ist klar. Es geht mir besser - richtig? richtig.
Wieso mache ich das ? Wie denn.
Nun hast du es gesehen, in Ordnung, oh nein.
Das ist richtig, mm, ja ja.
Wenn, dann, jaja, so so, aha.
Koprolalie
Obszöne und aggressive Wörter und Kurzäusserungen
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Ticstörungen
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Koprolalie: Obszöne und aggressive Wörter,
Kurzäusserungen und Kommunikationen
Diagnostische Kriterien der multiplen Tics
Sexuelle und körperliche Flüche
Essentielle diagnostische Kriterien
Scheissen, ficken, Furz, Pfriemel, Esel, Sack, Bastard, Arschloch, Aasgeier,
Pisse, Sau, Schnauze
• Erstmanifestation im Alter von 2-15 Jahren
Theologische Flüche
• Multiple unwillkürliche muskuläre Tics
Gottverdammt, Halleluja, Christ, Himmel
• Die Tics können für Minuten bis Stunden willentlich unterdrückt werden
Rassisch, ethnisch und körperlich
• Die Tics nehmen an Häufigkeit und Intensität zu und wieder ab
Nigger, Krüppel, Idiot, Fettsau
• Es gibt langsame Spontanschwankungen der Symptomatik, oft über eine
Periode von 6-12 Wochen
Komplexe und aggressive sexuelle Beschreibungen
Du kahlköpfiger Doktor einer Hure. Ihr Säcke macht mich kaputt. Euch
Fettsäcken muss man den Arsch aufreissen
• Alte Symptome können verschwinden und durch neue ersetzt werden;
neue gesellen sich zu schon vorhandenen
Komplexe oppositionelle Äusserungen
Ich mag sie, ich hasse sie. Sie sind ein voller Depp -tut mir leid. Was hab ich
gesagt?
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• Chronischer Verlauf (mehr als 1 Jahr), oft in der Adoleszenz nachlassend
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Ticstörungen
Ticstörungen
Diagnostische Kriterien der multiplen Tics
Diagnostische Kriterien des Tourette-Syndroms
Unterstützende Kriterien, aber nicht zwingend für die Diagnose
(im Gegensatz zum TS sind bei der multiplen Tics keine bekannt)
Begleitbefunde der Störung, nicht essentiell für die Diagnose
Essentielle diagnostische Kriterien
• Erstmanifestation eines Tics im Alter von 2-15 Jahren
• Multiple unwillkürliche muskuläre und vokale Tics
• Nicht-flüssiges Sprechen
• Die Tics können für Minuten bis Stunden willentlich unterdrückt werden
• Anamnestische Hinweise auf Hyperaktivität oder Perzeptionsstörungen
im Kindeshalter
• Die Tics nehmen an Häufigkeit und Intensität zu und wieder ab
• Abnormes EEG und weiche neurologische Zeichen
• Testpsychologisch Aufmerksamkeitsstörungen und/oder visuomotorische Schwäche
• Andere Verhaltensauffälligkeiten (reaktiv auf CMT, durch Medikamente)
• Es gibt langsame Spontanschwankungen der Symptomatik, oft über
eine Periode von 6-12 Wochen
• Alte Symptome können verschwinden und durch neue ersetzt werden;
neue gesellen sich zu schon vorhandenen
• Chronische, meist lebenslange Erkrankung
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Ticstörungen
Diagnostische Kriterien des Tourette-Syndroms
Diagnostische Kriterien des Tourette-Syndroms
Unterstützende Kriterien, aber nicht zwingend für die Diagnose
Begleitbefunde der Störung, nicht essentiell für die Diagnose
• Nicht-flüssiges Sprechen
• Koprolalie
• Kopropraxie
• Anamnestische Hinweise auf Hyperaktivität oder Perzeptionsstörung
im Kindesalter
• Echolalie
• Abnormes EEG und weiche neurologische Zeichen
• Echopraxie
• Testpsychologisch Aufmerksamkeitsstörungen und/oder visuomotorische Schwäche
• Palilalie
• Zwanghafte Verhaltensweisen (Zählen, Berühren)
• Selbstdestruktives Verhalten (Beissen, Kratzen, Kopf anschlagen)
• Andere Verhaltensauffälligkeiten (reaktiv auf TS, durch Medikamente)
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Diagnostische Kriterien des Tourette-Syndroms
Diagnostik
Motorisch
• Art, Frequenz, Intensität (z.B. über Checkliste)
Einfache motorische Tics: rasch, plötzlich einschiessend, nicht zweckgerichtet
Komplexe motorische Tics: langsamer, scheinbar zweckgerichtet
• Kontextbedeutung
Vokal
• Selbstkontrollversuche
Einfache vokale Tics: bedeutungslose Töne und Geräusche
Komplexe vokale Tics: linguistische bedeutungsvolle Äusserungen, Wörter,
Sätze, Kurzaussagen, Koprolalie
Verhaltensmässig
• Chronizität
• Subjektiver Leidensdruck
• Begleitende psychische Störungen
Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität; Zwanghaftigkeit;
emotionale Störungen; Spiegel- und Echophänomene
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Diagnostik
Diagnostik
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Ätiologie
Therapie
• Genetische Faktoren
(bei chronischen multiplen Tics und Tourette-Syndrom)
• Beratung
• Neurochemische Faktoren
(Überempfindlichkeit der Dopaminrezeptoren;evtl. auch präsynaptische
Hemmung der noradrenergen Übertragung)
• Psychotherapie
• Pharmakotherapie
• Psychologische Faktoren
(lerntheoretische bzw. tiefenpsych. Hypothesen)
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Ticstörungen
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Indikation für Verhaltenstherapie
Formen der Verhaltenstherapie
• Entspannungstechniken
• Hinreichende Behandlungsmotivation
• Kontingenzmanagement (Münzverstärkung / Response-cost)
• Eine schnelle Symptomreduktion ist nicht erforderlich
• Reaktionsumkehr mit folgenden Komponenten:
• Pharmakotherapie-refraktäre Symptomatik
- Selbstwahrnehumgstraining
- Entspannungsverfahren
• Verweigerung der Pharmakotherapie
- Training inkompatibler Reaktionen
- Kontingenzmanagement
- Generalisierungstraining
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Ticstörungen
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Verhaltenstherapie: Beispiele für inkompatible Reaktionen
Pharmakotherapie
Augenblinzeln: Öffnen und schliessen der Augen alle drei bis fünf
Tiaprid (Tiapridex®):
5 - 6 mg/kg Körpergewicht
Sekunden. Der Blick wird dabei alle fünf bis zehn Sekunden langsam und
intensiv nach unten gerichtet.
Pimozide (Orap®):
1 - 2 mg/d
Haloperidol (Haldol®):
2 - 10 mg/d
Nasenrümpfen: Oberlippe etwas nach unten ziehen und Lippen
(Atypische Neuroeleptika)
zusammenpressen
Kopfschütteln: Langsame isometrische Kontraktion der
Nackenmuskeln. Die Augen bleiben geradeaus gerichtet, der Kopf wird
ganz still gehalten. Ist der Kopfschüttel-Tic nur auf eine Körperseite
gerichtet, dann kann eine Kontraktion der Nackenmuskeln durchgeführt
werden, die den Kopf in die entgegengesetzte Richtung bewegt.
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Literatur
Anhang
Pharmakotherapie
l
Robertson MM, and Stern JS (2000): Gilles de la Tourette syndrome:
symptomatic treatment based on evidence. European Child &
Adolescent Psychiatry 9 Suppl 1, 60-75.
l
Müller-Vahl K (2002) Behandlung des Tourette-Syndroms. TouretteGesellschaft Deutschland e.V., Göttingen.
l
Rothenberger A, Banaschewski T, Siniatchkin M (2003): TicStörungen. In: Herpertz-Dahlmann B, Resch F, Schulte-Markwort M,
Warnke A (Hrgs.), Entwicklungspsychiatrie. Schattauer, Stuttgart.
l
Rothenberger A, Banaschewski T (2003): Tic-Störungen. AWMF, Hrsg.
Leitlinien für Diagnostik und Therapie der DGKJPP. Deutscher
Ärzteverlag, Köln.
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