Depression W. Wolfgang Fleischhacker Univ.-Klinik für Biologische Psychiatrie Medizinische Universität Innsbruck Affektive Störungen: ..... sind psychische Erkrankungen, die vor allem den „Gemütsbereich“ (Stimmung, Befinden, Gefühle, etc.) betreffen, aber auch das Denken (Ductus, Inhalte) und die Hirnleistung (Konzentration, Merkfähigkeit) erfassen können. Affektive Störungen: ..... sind gekennzeichnet durch das episodenhafte Auftreten von depressiven und/oder manischen Phasen. Affektive Störungen: ..... sind potentiell tödliche Erkrankungen: Bis zu 20% der depressiven Pat. sterben durch Suizid, 70 bis 80% der Suizide erfolgen im Rahmen von depressiven Erkrankungen. Affektive Störungen: ..... haben einen negativen Einfluss auf den Verlauf körperlicher Erkrankungen (Myokardinfarkt, Schlaganfall, Diabetes). Symptome der Depression (ICD-10) • • • • • gedrückte Stimmung Interessenverlust Freudlosigkeit Verminderung des Antriebs Dauer: mindestens 2 Wochen Symptome der Depression I: • • • • • • • • Depressiver Habitus, „arme“ Mimik Gedrückte, traurige Stimmung Innere Leere, „Gefühl der Gefühllosigkeit“ „Losigkeit“: Interesse, Freude, Sinn, Hoffnung,..... Antriebsverminderung oder Agitiertheit Affektstarre Selbstwert ↓, Insuffizienzgefühle Sozialer Rückzug Symptome der Depression II: • Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven • Kognitive Störungen: Konzentration, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit • Denkhemmung, Monoideismus • Ängste • Schlafstörungen • Appetitstörung, Gewichtsverlust • Libidoverlust, sexuelle Störungen Symptome der Depression III: • Morgenpessimum • Körperliche Schwäche, erhöhte Ermüdbarkeit • „Somatisierung“: Schwindel, Mundtrockenheit, Schmerzen, Zungenbrennen, Globusgefühl, „Druck auf der Brust“ • Wahninhalte: Versündigung, Schuld, Verarmung, Nihilismus, Hypochondrie, (Paranoia) • Lebensüberdruss bis Suizidideen, -handlungen Affektive Störungen: ..... sind quantitativ, aber auch qualitativ different zu "normalen" Schwankungen des Befindens. Unterschiede zwischen klinischer Depression und Traurigkeit/ Trauer • Intensität, Dauer • Beeinträchtigung des sozialen Funktionsniveaus • oft nicht in Zusammenhang mit relevantem Auslöser/Grund • Verlusterlebnisse – so vorhanden – eher übertrieben, befürchtet oder nur in der Vorstellung • keine Ermutigung möglich • oft assoziiert mit Gefühlen von Wertlosigkeit und Verlust von Selbstbewusstsein • progrediente Verschlechterung • körperliche Begleiterscheinungen, hormonelle Dysbalance • wahnhafte Zustandsbilder Genese depressiver Störungen: • Genetik: Assoziations-, Zwillingsstudien • Neuroendokrinologie: Schilddrüse, HPA-Achse (Stress!), Sexualhormone • Persönlichkeitspsychologie: Typus melancholicus Tellenbach • Tiefenpsychologie: "Frühe Verlusterlebnisse", Urvertrauen nicht aufgebaut, "Wendung der Aggression gegen das Selbst" • Lerntheorie: Erlernte Hilflosigkeit • Neurobiologie: Neurotransmitter-RezeptorHypothese: Mangel/Dysbalance von Serotonin und Noradrenalin (induziert durch frühen Dysstress?) Affektive Syndrome ..... können auch durch • Körperliche Erkrankungen • Psychotrope Substanzen (Alkohol, Drogen, Medikamente) oder • Psychogene Mechanismen (z.B. depressive Anpassungsstörung) hervorgerufen werden. Antidepressive TherapieStrategien: • Antidepressiva • Spezifische Psychotherapie bzw. „Psychotherapeutisch orientierte Gespräche“ • Lichttherapie • Schlafentzug • Schlafkur („Auszeit“ – eig. keine Depressionstherapie im engeren Sinn) • ECT (Elektro Convulsions Therapie) • TMS (Transkranielle Magnet Stimulation) • VNS (Vagus Nerv Stimulation) Psychotherapeutische Aspekte der Depressionsbehandlung: • Stützend vs aufdeckend • Meist in Kombination mit Medikation • Wirksamkeit sowohl in der Akuttherapie wie in der Phasenprophylaxe belegt • Am besten untersucht: kognitive Verhaltens-therapie, interpersonelle Psychotherapie • Ziele: Umstrukturierung dysfunktionaler Denk-schemata, Selbstwert, soziales Kompetenztraining. Nicht: Änderung der Persönlichkeit! • Psychotherapie ist keine passive "Seelenmassage"! - Jene Therapie-Form, welche vom Pat. die meiste Eigenleistung erfordert! • Nicht jeder Mensch ist P.-geeignet! Antidepressiva: • Versch. Substanzgruppen: Trizyklische AD, MAOHemmer, SSRI, SNRI, NARI, NaSSA,... • Ziel: Serotonin ↑ und/oder Noradrenalin ↑ • Latenzzeit: 2-3 Wochen • Wirkgrad ca. 70% • Klinische Wirkungen: - Stimmungsaufhellung - Prävention depressiver Episoden - Antriebssteigerung - Sedierung - Anxiolyse - (Zwangsdistanzierung) - (Schmerzdistanzierung) Präsuizidales Syndrom (mod. nach Erwin Ringel): 1.) Kognitive, affektive und dynamische Einengung 2.) Gehemmte/meist gegen die eigene Person gerichtete Aggression 3.) Vermehrte Beschäftigung mit dem Tod, Todeswünsche, Selbstmordphantasien, Selbstmordträume, Planung von Suizidhandlungen: aktiv intendiert versus passiv sich aufdrängend Umgang mit suizidalen bzw. fraglich suizidalen Menschen: • Suizidale Handlungen, Vorbereitungen und Drohungen ernst nehmen (meist Alarmsignal) • FALSCH: „Wer von Selbstmord spricht, tut es nicht.“ • Mögliche Suizidalität ansprechen! • Fast immer Ambivalenz zwischen „Leben wollen“ und „Nicht mehr leben wollen“ • Positive Faktoren (Kinder, Religion) verstärken • „Angebotene“ Motive sind nicht immer die wesentlichen • Adäquate Therapie (Pharmako-, Psychotherapie) • Akut Suizidale nicht alleine lassen! (Notfalls Polizeiparere!) Affektive Störungen: • ..... verursachen 7% der Krankheitslast in Europa und verschlingen 1% des Bruttoinlandsproduktes. • ..... sind eine der häufigsten Ursachen für Krankenstände und Frühpensionierungen. Affektive Störungen: ..... bedeuten eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen, aber auch Angehöriger.