Hyperkinetische Störungen

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Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen
Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung
der Ärztekammer Nordrhein zertifiziert.
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Fortbildung im Deutschen Ärzteblatt ist nur im Internet möglich, unter der Adresse:
Zertifizierte Medizinische Fortbildung
Differenzierte Diagnostik
und multimodale Therapie
hyperkinetischer Störungen
www.aerzteblatt.de/cme
Helmut Remschmidt, Philip Heiser
Weiterführende Informationen, Leitlinien sowie
eine ausführliche Kasuistik können im Internet
abgerufen werden, unter der Adresse:
Zusammenfassung
www.aerzteblatt.de/cme/0401
Hyperkinetische Störungen (HKS), die nach ICD-10, beziehungsweise Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), die nach DSM-IV klassifiziert werden, stellen, zusammen mit
den Störungen des Sozialverhaltens, die häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter dar. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen und etwa 50 Prozent der Störungen
persistieren bis ins Erwachsenenalter. Die Diagnostik fußt auf einer Exploration der Symptomatik und der störungsspezifischen Entwicklungsgeschichte, der Erfassung psychiatrischer Komorbiditäten, Begleitstörungen und Rahmenbedingungen sowie einer apparativen, Labor- und Testdiagnostik. Die ätiologischen Erklärungsmodelle umfassen sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen, wobei der genetische Anteil auf 70 bis 95 Prozent beziffert wird. Therapeutisch wird von einem multimodalen Ansatz ausgegangen, wobei die medikamentöse Therapie
mit Stimulanzien einen hohen Stellenwert einnimmt. Sie wird häufig mit einer Verhaltenstherapie kombiniert, vor allem bei extrem ausgeprägten Symptomen und bei vorhandenen Komorbiditäten.
Schlüsselwörter: Hyperkinetische Störung (HKS), Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Klassifikation, ICD-10, DSM-IV, Komorbidität, Differenzialdiagnose
Summary
Differentiated Diagnostics and Multimodal Therapy in Hyperkinetic Disorders
Hyperkinetic disorders (HKD) which are classified according to ICD-10 and attention deficit-/
hyperactivity disorders (ADHD) which are classified according to DSM-IV, respectively, together
with conduct disorders are the most frequent psychiatric disorders in children and adolescents.
Boys are more frequently affected than girls and about 50 per cent of the disorders persist to
adulthood. The diagnosis is based on exploration of the symptoms and the disorder-specific
development, the registration of psychiatric comorbidities, and environmental factors as well as
objective, laboratory and test diagnostics. Aetiological theories are based on genetical and environmental factors with dominance of the genetical fraction explaining 70 to 95 per cent of the
variance. For treatment a multimodal approach is used in which the pharmacological component
with stimulants is the key part which should be combined with behavioral therapy, especially in
the case of distinct symptoms and comorbidities.
Key words: hyperkinetic disorder (HD), attention-deficit-/hyperactivity disorder (ADHD), ICD-10,
DSM-IV, diagnostic criteria, comorbidity, differential diagnosis
HKS nach ICD-10 und ADHS nach
DSM-IV: Unterschiedliche Kriterien
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt) der Philipps-Universität, Marburg
H
yperkinetische Störungen (HKS), die nach der International Classification of
Diseases (ICD-10) (15), beziehungsweise Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), die nach dem Diagnostic and Statistical Manual
of Mental Disorders, Fourth Edition, Text Revision (DSM-IV-TR) (1) klassifiziert
werden, stellen, zusammen mit den Störungen des Sozialverhaltens, die häufigsten
psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter dar. Diese beiden Störungen
können auch in Kombination auftreten. Hyperkinetische Störungen führen zu Beeinträchtigungen in wichtigen Lebensbereichen wie soziale Beziehungen, Ausbildung, Familienleben, Berufsleben, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Befolgung
von sozialen Regeln, Normen und Gesetzen. Die Patienten erleiden auch vermehrt
körperliche Verletzungen und akzidentelle Vergiftungen (3).
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HKS sind gekennzeichnet durch
Unaufmerksamkeit, Überaktivität
und Impulsivität.
Subtypen der ADHS (nach DSM-IV):
– Mischtypus
– vorwiegend
unaufmerksamer Typus
– vorwiegend
hyperaktiv-impulsiver Typus
Es existieren unterschiedliche
Schweregrade.
Prävalenzraten sind unterschiedlich,
Jungen sind häufiger betroffen als
Mädchen.
Mädchen zeigen häufiger
internalisierende Störungen.
HKS sind durch ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität gekennzeichnet, das in einem für den Entwicklungsstand
des Betroffenen abnormen Ausmaß auftritt. Die Störung beginnt vor dem Alter
von sechs Jahren und sollte situationsübergreifend in mindestens zwei Lebensbereichen (zum Beispiel in der Schule, in der Familie, in der Freizeit, in der Untersuchungssituation) konstant auftreten (6).
Die Definitionen der Störungen unterscheiden sich in den beiden gültigen
Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV. Der größte Unterschied besteht
diesbezüglich in der Unterteilung in Subtypen. Während bei der HKS nach ICD10 (15) sowohl Unaufmerksamkeit als auch Überaktivität und Impulsivität vorliegen müssen, eröffnet das DSM-IV (1) die Möglichkeit, auch Subtypen zu klassifizieren, die entweder nur die Aufmerksamkeitsstörung oder nur die Merkmale Hyperaktivität/Impulsivität umfassen.
Der im DSM-IV beschriebene „unaufmerksame Subtypus“ scheint eine weniger stark ausgeprägte Variante der Störung zu sein. Diese Unterschiede sind
dafür verantwortlich, dass bei einem Vorgehen nach DSM-IV rund doppelt so
viele Kinder die Diagnose erhalten wie nach einem Vorgehen nach ICD-10.
Generell lässt sich der Schweregrad an der Intensität der Symptomatik, am
Grad der Generalisierung in verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Kindergarten/Schule, Freizeitbereich) und am Ausmaß bestimmen, in dem die Symptomatik nicht nur in fremdbestimmten Situationen (zum Beispiel Schule, Hausaufgaben), sondern auch in selbstbestimmten Situationen (Spiel) auftritt (5, 6).
Bei Patienten mit schwerer Intelligenzminderung (IQ unter 50) und erheblicher Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen und stereotypen Verhaltensweisen kann die Diagnose einer überaktiven Störung mit Intelligenzminderung
und Bewegungsstereotypien (F84.4) gestellt werden (5, 6).
Probleme beider Klassifikationssysteme bestehen darin, dass die gleichen
Kriterien für Kinder (inklusive Kleinkinder und Vorschulkinder), Jugendliche
und Erwachsene gelten. Es wird also auf alters- und entwicklungstypische Besonderheiten nicht, beziehungsweise nur unzureichend, eingegangen.
Die Prävalenzraten der HKS (ICD-10) werden auf ein bis drei Prozent geschätzt, während die Prävalenzraten für ADHS (DSM-IV) auf vier bis acht Prozent der Schulkinder (6 bis 14 Jahre) beziffert werden, wobei 35 bis 50 Prozent
der Fälle auf den vorwiegend unaufmerksamen Typus entfallen.
Jungen sind insgesamt gegenüber Mädchen zwei- bis viermal häufiger betroffen. In Bevölkerungsstichproben Erwachsener liegt die Prävalenz zwischen 1,3 bis
4,7 Prozent. Mädchen mit ADHS weisen geringer ausgeprägte Symptome in den
Bereichen Hyperaktivtät, Unaufmerksamkeit, Impulsivität und externalisierende
Probleme auf, allerdings haben sie häufiger intellektuelle Beeinträchtigungen und
internalisierende Probleme (zum Beispiel depressive Verstimmung) (2, 4).
Diagnostik, Komorbidität und Differenzialdiagnosen
Diagnostik nach vorgegebenem
Algorithmus
Eine multiaxiale Diagnostik ist
nützlich und therapierelevant.
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Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie empfiehlt in ihren Leitlinien für die Diagnostik der HKS
das Vorgehen anhand eines Algorithmus (Grafik 1). Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Leitsymptome Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität vorhanden sind. Sollte dies nicht der Fall sein und sollten auch bereits
früher nicht alle Leitsymptome vorhanden gewesen sein, kann es sich nicht um
eine hyperkinetische Störung handeln.
Das diagnostische Vorgehen, die Erfassung möglicher Komorbiditäten und ihrer
Prävalenzraten, sowie die Differenzialdiagnostik gliedern sich in mehrere Schritte.
Dabei macht die Exploration der Symptomatik den Anfang. Sie beschreibt, neben
dem Auftreten der Leitsymptome, die Häufigkeit, Intensität und situative Variabilität der Symptomatik. Ein weiterer Aspekt in der Diagnostik sollte die Exploration der störungsspezifischen Entwicklungsgeschichte sein, sowie die Erfassung der
pyschiatrischen Komorbidität und der Begleitstörungen (Störung des Sozialverhal Jg. 101
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Grafik 1
Zuerst wird die Leitsymptomatik
erhoben.
Medikamentöse Einflüsse und
organische Ursachen müssen
ausgeschlossen werden.
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
(zum Beispiel Autismus, RettSyndrom) sind auszuschließen.
Kriterien für andere psychische
Störungen dürfen nicht erfüllt sein.
Störungen des Sozialverhaltens sind
sowohl differenzialdiagnostisch als
auch als Teilsymptomatik der Störung
zu bedenken (zum Beispiel F90.1).
Algorithmus für die Diagnostik hyperkinetischer Störungen nach ICD-10 (6)
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Störungsrelevante
Rahmenbedingungen beachten
Eine testpsychologische
Untersuchung (Intelligenz, schulische
Fertigkeiten) ist meist indiziert.
Textkasten 1
Multiaxiales Klassifiaktionsschema (MAS)
für psychische Störungen im Kindes- und
Jugendalter (12)
1. Achse: Klinisch-psychiatrisches Syndrom
2. Achse: Umschriebene Entwicklungsstörungen
3. Achse: Intelligenzniveau
4. Achse: Körperliche Symptomatik
5. Achse: Aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
6. Achse: Globalbeurteilung der psychosozialen
Anpassung
Sowohl genetische als auch
umweltbedingte Ursachen sind
bedeutsam.
Formalgenetische Ergebnisse zeigen,
dass ein erhöhtes familiäres Risiko
vorliegt.
Nach Kanidatengenen wird gesucht.
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tens, schulische Leistungsdefizite, Intelligenzminderung, depressive Störungen,TicStörungen und Angststörungen). Der nächste Schritt in der Diagnostik erfasst
störungsrelevante Rahmenbedingungen, zum Beispiel inkonsistentes Erziehungsverhalten, mangelnde Wärme in der familiären Beziehung, Störungskonzepte der
Eltern und Lehrer und deren Therapieerwartung und ihre Bereitschaft zur aktiven
Mitarbeit sowie die Kooperation mit Haus- und Kinderarzt, eine orientierende internistische und neurologische Untersuchung und die Durchführung von Hör- und
Sehtests.
Daran muss sich bei Schulkindern eine psychologische Diagnostik anschließen,
bei der die testpsychologische Untersuchung der Intelligenz und schulischer Teilleistungen notwendig ist, wenn Hinweise auf Leistungsprobleme oder schulische
Unter- oder Überforderung vorliegen. Zusätzlich können Fragebogenverfahren
eingesetzt werden (zum Beispiel Conners-Fragebogen, Fremd- und Selbstbeurteilungsfragebogen für Hyperkinetische Störungen [FBB-HKS, SBB-HKS], Child
Behavior Checklist [CBCL], Teacher Rating Form [TRF], Strengths and Difficulties Questionnaire [SDQ]) (5).
Während der Diagnostik ist eine Verhaltensbeobachtung wichtig. Ergänzt werden kann diese durch eine apparative Diagnostik zum Beispiel zur Objektivierung
von Aufmerksamkeitsstörungen mithilfe des Continuous Performance Test (CPT)
(8). Eine weitergehende Diagnostik und Differenzialdiagnostik kann abschließend
nicht erkannte Ursachen, wie zum Beispiel Panikstörungen, Medikamenteneffekte, Misshandlungen oder massive Vernachlässigung des Kindes aufdecken (5)
(Textkasten 1 im Internet).
Die durch die Diagnostik erhaltene Information soll in eine multiaxiale Bewertung einfließen (12) (siehe Textkasten 1). Dafür ist eine Zusammenfassung der diagnostischen Ergebnisse und Überprüfung des Vorliegens der Leitsymptome Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität erforderlich.
Sind auch die Kriterien für eine Störung des Sozialverhaltens erfüllt, dann wird
eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1) diagnostiziert. Störungen des Sozialverhaltens sind durch ein sich wiederholendes und andauerndes Muster dissozialen, aggressiven oder aufsässigen Verhaltens charakterisiert. In seinen
extremsten Auswirkungen beinhaltet diese Verhalten gröbste Verletzungen altersentsprechender sozialer Erwartungen (15). Weiterhin ist festzustellen, ob umschriebene Entwicklungsstörungen (2. Achse der MAS), eine Intelligenzminderung (3. Achse), organische Erkrankungen (4. Achse) und/oder aktuelle abnorme
psychosoziale Bedingungen (5. Achse) vorliegen. Ferner erfolgt eine Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung (6. Achse) (6).
Ätiologie
Die wesentlichen pathogenetischen Vorstellungen zu HKS and ADHS umfassen sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen. Zwillings-,Adoptions- und Familienstudien ermöglichen eine Aussage zur Beteiligung der genetischen Faktoren als
auch von Umweltfaktoren. Momentan wird von einem genetischen Anteil von 70 bis
95 Prozent ausgegangen (3). Eine Zusammenfassung der bedeutsamen Faktoren für
die Ätiologie und Pathogenese der Störungen ist im Textkasten 2 wiedergeben.
In den meisten Zwillingsstudien fand sich für monozygote Zwillingspaare eine
deutlich höhere Konkordanzrate für HKS beziehungsweise ADHS als für dizygote
Zwillingspaare. In Adoptionsstudien konnte eine höheres Ausmaß an Überaktivität unter leiblichen Eltern von betroffenen Kindern verglichen mit Adoptiveltern
gefunden werden. Familienstudien ergaben, dass Verwandte ersten Grades männlicher Patienten ein 5fach erhöhtes Risiko für HKS beziehungsweise ADHS haben.
Das Risiko für die Eltern von Patienten liegt etwa zwei- bis achtmal höher (7, 13).
Zusätzlich zu den formalgenetischen Befunden, verdichten sich allmählich auch
die molekulargenetischen Befunde. Bis jetzt wurden zwei unabhängige Genomscans zu ADHS durchgeführt. Die einzige Region, in der beide Studien eine Übereinstimmung gefunden haben, liegt auf Chromosom 5p13. Diese Region schließt
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Molekulargenetische Befunde zeigen,
dass das dopaminerge System für die
Pathogenese und Therapie relevant
ist.
Auch Umweltfaktoren wie Nikotinund Alkoholkonsum der Mütter
während der Schwangerschaft sind
bedeutsam.
die Lokalisation des Kandidaten-Gens für den Dopamintransporter (DAT1) mit
ein. Einige der gefundenen Genorte liegen in Regionen, die auch bei Genomscans
für autistische Störungen identifiziert wurden. Inwieweit hier auf gemeinsame genetische Ursachen geschlossen werden kann, ist vorerst unklar.
Für Assoziationsstudien zu Kandidaten-Genen von ADHS beziehungsweise
HKS ist das dopaminerge System von größtem Interesse, sowohl für die Pathogenese der Störungen als auch für die Therapie mit Stimulanzien, die die Wiederaufnahme von Katecholaminen in die Präsynapse hemmen und/oder die
Freisetzung von Dopamin und anderen Katecholaminen erhöhen.
Das stabilste Ergebnis ist die Assoziation mit einem funktionell relevanten Polymorphismus des Dopaminrezeptor-D4- (DRD4-)Gens. Darüber hinaus konnten
mehrere Studien einen Polymorphismus des DRD5- und des DAT1-Gens replizieren (9).
Viele Studien konnten zeigen, dass Kinder mit HKS beziehungsweise ADHS eine eindeutig höhere Rate an prä-, peri- und postnatalen Komplikationen aufweisen, jedoch ist der relative Einfluss verschiedener Faktoren immer noch unklar.
Man spricht deshalb eher von Risikofaktoren. Als gesicherte Risikofaktoren gelten: fetaler Kontakt mit Nikotin und Alkohol, Frühgeburtlichkeit (hypoxisch-ischämische Episoden), Blutungen während der Schwangerschaft, emotionale Probleme
der Mutter während der Schwangerschaft, Schwierigkeiten bei der Versorgung des
Säuglings, erhöhte mütterliche Unfallrate während der Schwangerschaft und eine
höhere Rate chirurgischer Eingriffe an den Kindern in den ersten Lebensmonaten.
Darüber hinaus wurden auch Zusammenhänge zwischen psychosozialen Variablen und HKS beziehungsweise ADHS gefunden. So konnte in einigen Studien gezeigt werden, dass eine niedrige Ausbildung der Mutter, niedrige soziale
Schicht, niedriger sozioökonomischer Status, Alkoholprobleme beim Vater und
alleinerziehende Eltern weitere Risikofaktoren darstellen (7, 13).
Textkasten 2
Bedeutsame Faktoren für die Ätiologie und Pathogenese (3, 7, 9, 13)
Die Kombination von ADHS mit
Störungen des Sozialverhaltens weist
auf eine höhere genetische Belastung
im Vergleich zu einer ADHS ohne
Störung des Sozialverhaltens hin.
Bildgebende Verfahren zeigen: Einige
Gehirnareale haben weniger (graue
und weiße) Substanz, und in diesen
Arealen ist weniger metabolische
Aktivität.
Umweltfaktoren wie psychosoziale
Variablen: Niedriger Bildungsstand
der Mutter, niedrige soziale Schicht,
Alkoholprobleme beim Vater und
alleinerziehendes Elternteil sind
bedeutsame Faktoren.
Molekulargenetische Faktoren
Genomscans: höchste LOD-Scores (> 3) für die Chromsomenregionen 16p13 und 15q
Assoziationsstudien: Dopaminrezeptor 4, Dopaminrezeptor 5, (Dopamintransporter 1, Dopamin-ß-Hydroxylase, Serotonintransporter, Serotoninrezeptoren 1B und 2A)
Formalgenetische Faktoren
Zwilllingsstudien: monozygote Zwillingspaare (Konkordanzraten 50 bis 80 %) höhere Konkordanzraten als
dizygote Zwillingspaare (34 %)
Adoptionsstudien: höherer Anteil an Überaktivität unter leiblichen Eltern von betroffenen Kindern (7,5 %)
verglichen mit Adoptiveltern (2,1 %);Adoptiveltern von Kindern mit HKS oder ADHS zu 6 %, während die
biologischen Eltern zu 18 % betroffen sind; höhere Konkordanzraten für leibliche Geschwister von Kindern
mit Überaktivität, obwohl sie getrennt aufwuchsen, als für Halbgeschwister in gemeinsamer Familie
Familienstudien:Verwandte 1. Grades männlicher Patienten haben ein 5fach erhöhtes Risiko für HKS oder
ADHS;Verwandte von Kindern mit ADHS haben nicht nur ein erhöhtes Risiko für die Störung selbst, sondern
auch ein erhöhtes Risiko für andere psychiatrische Erkrankungen; in der unmittelbaren Familie von Kindern
mit ADHS leiden 10 bis 35 % der Familienmitglieder ebenfalls an ADHS;Vorkommen von ADHS bei den Eltern
ist in Familien mit einem betroffenen Mädchen deutlich höher als in Familien, in denen nur Jungen erkrankt
sind; von gesunden Kindern sind 3 % der biologischen Eltern selbst von ADHS betroffen; Risiko für die Eltern
von Patienten liegt etwa 2- bis 8-mal höher.
Hirnstruktur und Hirnfunktion
Spezifische Gehirnregionen: Frontallobus, die Verbindung zu den Basalganglien und ihre Beziehung zum
Kleinhirn
Neurophysiologische Untersuchungen: weniger elektrische Gehirnaktivität und weniger Reaktionsbereitschaft hinsichtlich Stimulation in den vorher genannten Gehirnregionen
Umweltfaktoren
Prä-, peri- und postnatale Komplikationen: fetaler Kontakt mit Nikotin und Alkohol, Frühgeburtlichkeit (hypoxisch-ischämische Episoden), Blutungen während der Schwangerschaft, emotionale Probleme der Mutter
während der Schwangerschaft, Schwierigkeiten bei der Versorgung des Säuglings, erhöhte mütterliche Unfallrate während der Schwangerschaft, höhere Rate chirurgischer Eingriffe an den Kindern in den ersten Lebensmonaten
Atopie und Toxine: Einfluss ist für die Mehrzahl der Patienten mit HKS nicht gegeben
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Multimodales therapeutisches
Vorgehen nach vorgegebenem
Algorithmus
Therapie, Verlauf und Prognose
Die Behandlung der HKS beziehungsweise ADHS sollte grundsätzlich multimodal erfolgen und die einzelnen Komponenten sollten individuell für jeden Patienten abgestimmt werden.
´
Tabelle
C
C
´
Dosierungsbereich für Stimulanzien bei Schulkindern*1
Am besten erprobt sind Stimulanzien
und unter ihnen Methylphenidat.
Chemische
Kurzbezeichnung
Medikamente
HWZ (h)
mg/kg/ KG
Dosierung/Tag
etwa
Anzahl der
Einzelgaben
Methylphenidat
Ritalin, Medikinet
10 mg Tabletten
2,5
0,5–1,0
10–40 mg
1–3
D-L-Amphetamin
Amphetaminsaft
5–8
0,1–0,5
5–20 mg
1–3
Fenetyllin
Captagon (50 mg Tabl.)
5–8
0,5–1,5
12,5–100 mg 1–2
Pemolin
Tradon (20 mg Tabl.)
8–12
0,5–2,0
20–100 mg
1
Anmerkung: Inzwischen gibt es verschiedene Präparate (die vor allem den Wirkstoff Methylphenidat beinhalten), die einen Teil des Wirkstoffs
sofort freisetzen und einen anderen Teil über mehrere Stunden abgeben. Dadurch kann erreicht werden, dass häufig eine Tablettengabe morgens ausreicht, und dass der Wirkstoff gleichmäßiger freigesetzt wird (zum Beispiel Concerta, Metadate CD, Methylin ER, Ritalin LA, Ritalin-SR).
Bei Stimulanzienbehandlung ist ein- oder mehrmals pro Jahr die Durchführung kontrollierter Auslassversuche zur Überprüfung der Notwendigkeit der Weiterführung der Behandlung zu bedenken. Dies sollte in Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern und mithilfe von Verhaltensbeurteilungen erfolgen. Bei der Behandlung mit Antidepressiva sind ähnliche Überlegungen indiziert, wobei auf das systematische Ausschleichen der
Medikation zu achten ist. Pemolin wird vor allem wegen möglicher Leberschäden nur noch selten eingesetzt.Auch Fenetyllin gehört nicht zum
Standardrepertoire.
Antidepressiva (zum Beispiel trizyklische Antidepressiva, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) können ebenfalls als Mittel der zweiten
Wahl in Betracht gezogen werden. Dies geschieht im Allgemeinen bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit von Stimulanzien oder als Zusatzmedikation, bei Vorliegen einer depressiven Verstimmung. Die Risiken von Neuroleptika sind im Allgemeinen größer als ihr Nutzen bei der Behandlung hyperkinetischer Störungen, deshalb ist eine Behandlung mit Neuroleptika sorgfältig abzuwägen. Im Vorschulalter sollte die medikamentöse Therapie mit Stimulanzien eine Ausnahme darstellen.
*1Döpfner M, Lehmkuhl G: Hyperkinetische Störungen (F90). In: Dt. Ges. f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a., eds.: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2003.
Aufklärung und Beratung des
Patienten sowie der Eltern und
anderer Bezugspersonen haben
Priorität in der Therapie.
Textkasten 3
Risikofaktoren die die eine Chronifizierung begünstigen (10)
Niedrige Intelligenz
Früh einsetzende schwere und hartnäckige oppositionelle und aggressive Verhaltensstörung
Schlechte Beziehung zu Gleichaltrigen und Eltern; schlechte soziale Einbindung
Psychische Störung bei den Eltern, vor allem
antisoziale Persönlichkeit des Vaters
Familiäre Instabilität
Niedriger sozioökonomischer Status
Strafender und inkonsistenter Erziehungsstil
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Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie empfiehlt in ihren Leitlinien einen Algorithmus des therapeutischen Vorgehens (Grafik 1 im Internet). An erster Stelle steht die Aufklärung und
Beratung der Eltern, des Patienten und (dies ist hinzuzufügen) auch anderer Bezugspersonen (zum Beispiel Lehrer, Erzieher). Es folgen dann, abhängig von Art
und Ausmaß der Symptomatik, situativen Einflüssen und Komorbidität, verschiedene Entscheidungsschritte zur Optimierung der einzelfallbezogenen Behandlungsstrategie (6) (Textkasten 2 und 3 im Internet).
Bei stark ausgeprägter situationsübergreifender hyperkinetischer Symptomatik
mit krisenhafter Zuspitzung sollte eine Pharmakotherapie begonnen werden (Tabelle). Sollte dies nicht der Fall sein, die hyperkinetischen Symptome allerdings bei
optimalen Arbeitsbedingungen mit dem Therapeuten vorliegen, empfiehlt sich ein
Selbstinstruktionstraining. Bei externalisierenden Auffälligkeiten des Kindes in
der Schule sollte eine Aufklärung und Beratung der Lehrer erfolgen sowie eine Intervention in der Schule vorgenommen werden. Sollte sich das Verhalten des Kindes nicht ändern und weiterhin noch ausgeprägt hyperkinetisch sein, empfiehlt sich
zusätzlich eine Pharmakotherapie. Bei externalisierenden Auffälligkeiten des Kindes in der Familie können ein Elterntraining und die Intervention in der Familie
hilfreich sein. Wenn dies nicht zu einer Minderung der Symptomatik führt, empfiehlt sich auch hier eine Pharmakotherapie, soweit keine Kontraindikation vorliegt und die hyperkinetische Störung nicht auf den familiären Kontext beschränkt
ist. Bei Nicht-Vorliegen dieser gesamten Optionen muss eine komorbide Störung
in Betracht gezogen werden, die dann unter anderem durch soziales Kompetenztraining, Übungsbehandlung sowie Einzel- und Gruppenpsychotherapie behandelt
werden kann.
Die bislang umfassendste und aufwendigste Behandlungs- und Verlaufsstudie zur
Therapie von HKS beziehungsweise ADHS ist die Multimodal Treatment Study of
Children with ADHD (11).
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Textkasten 4
Follow-up-Studien klinischer
Stichproben bis in die Adoleszenz und in
das Erwachsenenalter haben folgende
Daten zur Prognose erhoben (3):
Schulabbruch (32–40 %)
Seltener Collegeabschluss (5–10 %)
Wenige oder keine Freunde (50–70 %)
Schlechtere Leistung am Arbeitsplatz
(70–80 %)
Antisoziale Aktivitäten (40–50 %)
Vermehrter Tabak- und Drogenkonsum
Schwangerschaft in der Frühadoleszenz (40 %)
Sexuell übertragene Krankheiten (16 %)
Geschwindigkeitsüberschreitungen und vermehrt Autounfälle
Depression (20–30 %)
Persönlichkeitsstörungen (18–25 %)
Hohe Chronifizierungsrate bei
unterschiedlichen Verlaufsformen:
– Rückbildung in der Adoleszenz
– Erhaltenbleiben im
Erwachsenenalter
– Übergang in andere Störungen
In dieser Studie wurden 579 Kinder mit einem kombinierten Typus einer
ADHS 14 Monate lang, entweder einer medikamentösen Therapie (mit genauer
Titrierung der Dosis), einer Verhaltenstherapie, einer Kombination beider oder einer sozialpsychiatrisch-orientierten Therapie („community care treatment“) unterzogen. Die Studienstrategie der genauen Titrierung des Medikaments war der
sozialpsychiatrisch-orientierten Therapie überlegen, obwohl zwei Drittel der Kinder in dieser Gruppe auch medikamentös behandelt wurden.
Für die meisten ADHS-Symptome zeigten die Kinder mit der kombinierten
Therapie oder der ausschließlich medikamentösen Therapie signifikant höhere
Besserungsraten im Vergleich zu den beiden anderen angewandten Therapiemethoden.
Eine genaue Analyse der Ergebnisse ergab, dass die kombinierte Therapie,
der ausschließlich medikamentösen Therapie hinsichtlich der Hauptsymptome
der ADHS nicht überlegen ist, aber Vorteile hinsichtlich einzelner zusätzlicher
Symptome (oppositionelle und aggressive Verhaltensweisen, internalisierende
Symptome, Sozialverhalten in der Schule, Eltern-Kind-Verhältnis und Leseleistung) zeigt. In einer Nachuntersuchung weitere zehn Monate später, nahmen
noch 540 Kinder an der Studie teil. Die Vorteile der sorgfältig titrierten medikamentösen Therapie erstreckten sich in der Nachuntersuchung nur noch auf die
Kernsymptome der Störung, die sich weiter verringerten. Da die Störungen eine
hohe Chronifizierungsrate aufweisen, ist es wichtig, auf Risikofaktoren hinzuweisen, die eine Chronifizierung begünstigen (Textkasten 3).
Der Verlauf und die Prognose der HKS beziehungsweise AHDS sind individuell sehr unterschiedlich (siehe Riskofaktoren für chronifizierte und schwere
HKS). Für die HKS werden drei wahrscheinliche Verlaufsformen beschrieben
(14). Die Symptomatik bildet sich entweder ab der Adoleszenz zurück oder das
HKS bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen, was bei 50 Prozent der Patienten
zutrifft. Eine dritte Möglichkeit ist der Übergang des Hyperkinetischen Syndroms in eine andere Störungen (zum Beispiel: Suchterkrankungen, Störungen
des Sozialverhaltens sowie Angst- und affektive Störungen).
Die zeitige Erkennung der Symptome und der Beginn der Behandlung des Hyperkinetischen Syndroms sollten erfolgen, bevor die Störungen, sich vollständig in
der Frühadoleszenz entwickelt haben (Textkasten 4). Die durch Verlaufsstudien begründbaren Prognosen reichen von Schulabbruch (32 bis 40 Prozent) über antisoziale Aktivitäten (40 bis 50 Prozent) bis hin zu schlechten Leistungen am Arbeitsplatz (70 bis 80 Prozent). Die Ergebnisse von Frühinterventionen bei besonders gefährdeten Kindern sind aber viel versprechend. Daher sollten Frühinterventionen,
wann immer möglich, auch unternommen werden.
Manuskript eingereicht: 22. 6. 2004, revidierte Fassung
angenommen: 23. 6. 2004
Die Autoren versichern, dass kein Interessenkonflikt im
Sinne der Richtlinien des International Committee of
Medical Journal Editors besteht.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2004; 101: A 2457–2466 [Heft 37]
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WHO. Mit einem synoptischen Vergleich von ICD-10
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13.Smidt J, Heiser P, Dempfle A, Konrad K, Hemminger U,
Kathofer A, Halbach A, Strub J, Grabarkiewicz J, Kiefl
H, Linder M, Knolker U,Warnke A, Remschmidt H, Herpertz-Dahlmann B, Hebebrand J: Formalgenetische
Befunde zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Fortschr Neurol Psychiatr 2003; 71: 366–
377.
14. Steinhausen HC: Hyperkinetische Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Stuttgart:
Kohlhammer 2000.
15. WHO: The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: clinical descriptions and diagnostic
guidelines. Geneva: WHO 1992.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und -psychotherapie
Philipps-Universität Marburg
Hans-Sachs-Straße 4–6, 35039 Marburg
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen im Internet:
DGKJPP: www.dgkjp.de
www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/kjpp-019.htm
AACAP: www.aacap.org/clinical/parameters/
summaries/Adhdsum.htm
APA: www.psych.org/public_info/
adhdfactsheet42401.pdf
Fragen zur zertifizierten Fortbildung
(nur eine Antwort pro Frage ist jeweils möglich)
2. Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
3. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
4. Sonstige hyperkinetische Störung
5. Nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störung
Frage 1
Die drei Hauptsymptome der hyperkinetischen
Störungen sind:
1. Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität
2. Unaufmerksamkeit, Teilleistungsstörungen, Überaktivität
3. Angststörungen, Impulsivität, Tic-Störungen
4. Intelligenzminderung, Unaufmerksamkeit, Stereotypien
5. Umschriebene Entwicklungsstörung, Störung des Sozialverhaltens, affektive Störungen
Frage 9
In das multiaxiale Klassifikationssystem nach
ICD-10 fließt als eigene Achse mit ein:
1. Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
2. Klinisch-psychiatrisches Syndrom
3. Persönlichkeitsstörungen
4. Besuchter Schultyp
5. Soziale Schicht
Frage 2
Das am besten replizierte Kandidaten-Gen für
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen ist:
1. Dopaminrezeptor 4
2. Dopamintransporter 1
3. Serotonintransporter
4. Serotoninrezeptor 2A
5. Glutamatrezeptor 5
Frage 3
Die Therapie von hyperkinetischen Störungen beziehungsweise Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen sollte besonders bei ausgeprägter Symptomatik und Komorbidität auf jeden Fall beinhalten:
1. Antidepressiva und Ergotherapie
2. Stimulanzien und psychodynamisch-fundierte Psychotherapie
3. Stimulanzien und Verhaltenstherapie
4. Neuroleptika und Familientherapie
5. Stimulanzien und Familientherapie
Frage 4
Welchen Typus der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen gibt es:
1. Vorwiegend unaufmerksamer-impulsiver Typus
A 2466
2. Vorwiegend unaufmerksamer Typus
3. Vorwiegend hyperaktiver Typus
4. Vorwiegend impulsiver Typus
5. Vorwiegend hyperaktiver-unaufmerksamer Typus
Frage 5
Stimulanzien wirken vor allem auf das:
1. Serotoninerge System
2. Glutaminerge System
3. Dopaminerge System
4. Histaminerge System
5. Adrenerge System
Frage 6
Die seltensten Komorbiditäten einer HKS beziehungsweise ADHS sind:
1. Schizophrene Störungen
2. Störungen des Sozialverhaltens
3. Umschriebene Entwicklungsstörungen
4. Intelligenzminderung
5. Depressive Störungen
Frage 7
Für die HKS beziehungsweise ADHS gilt:
1.Tritt im Allgemeinen erst ab dem 8. Lebensjahr auf
2. Tritt bei Mädchen häufiger als bei Jungen auf
3. Persistiert teilweise bis in das Erwachsenenalter
4. Es besteht eine hohe Frustrationstoleranz
5. Kein erhöhtes Risiko für eine Störung des Sozialverhaltens
Frage 8
Bei Patienten mit schwerer Intelligenzminderung und erheblicher Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen und stereotypen Verhaltensweisen soll folgende Diagnose gestellt werden:
1. Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypen
Frage 10
Für die Prävalenzraten gilt:
1. ADHS werden auf 12 bis 15 Prozent der Schulkinder
geschätzt
2. ADHS werden auf 15 bis 20 Prozent der Erwachsenen
geschätzt
3. HKS werden auf 7 bis 9 Prozent der Erwachsenen geschätzt
4. Der vorwiegend unaufmerksame Typus der ADHS wird
auf 70 Prozent der Schulkinder geschätzt
5. HKS werden auf 1 bis 3 Prozent der Schulkinder geschätzt
Wichtiger Hinweis
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist
ausschließlich über das Internet möglich:
www.aerzteblatt.de/cme
Einsendeschluss ist der 22. 10. 2004
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen,
können nicht berücksichtigt werden.
Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft
45 an dieser Stelle veröffentlicht.
 Jg. 101
 Heft 37
 10. September 2004
Deutsches Ärzteblatt
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