Originalarbeit Prävalenz psychischer Syndrome bei Studierenden einer deutschen Universität Prevalence of Mental Disorders Among College Students at a German University Autoren Josef Bailer1, Daniela Schwarz1, Michael Witthöft1, Cornelia Stübinger1, Fred Rist2 Institute 1 2 Key words " mental health l " college students l " somatoform disorders l " health anxiety l " multiple chemical sensitivity l " alcohol abuse l eingereicht 22.5.2007 akzeptiert 5.10.2007 Bibliografie DOI 10.1055/s−2007−986293 Psychother Psych Med Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ´ New York ´ ISSN 0937−2032 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Josef Bailer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Abteilung Klinische Psychologie J5 68159 Mannheim josef.bailer@zi−mannheim.de Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Abteilung Klinische Psychologie, Mannheim Psychologisches Institut I, Wilhelms−Universität Münster Zusammenfassung Abstract ! ! Hintergrund Studierende sind ein bedeutsamer Teil der Bevölkerung, dennoch existieren kaum aktuelle Daten zur Verbreitung häufiger psy− chischer Störungen unter Studierenden in Deutschland. Fragestellung Es sollen Prävalenzangaben für affektive Störungen, Angststörungen, somatofor− me Störungen, Essstörungen und alkoholassozi− ierte Probleme bei Studierenden ermittelt wer− den. Methodik Die Prävalenz psychischer Syndrome wurde mittels einer Campus−Befragung an einer unselektierten Stichprobe von 1130 Studierenden der Universität Mannheim bestimmt. Dazu wur− den etablierte Screeninginstrumente eingesetzt: der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ−D), der Whiteley−Index (WI) sowie die Che− mische Geruchssensitivitätsskala (CGSS). Ergebnisse Die PHQ−D−Kriterien für mindestens eine psychische Störung (ohne Alkoholsyndrom) erfüllten 22,7 % der Studierenden, Frauen häufi− ger als Männer (OR = 1,8). Am häufigsten war das Alkoholsyndrom (30,2 %), das als einziges Syn− drom bei Männern häufiger als bei Frauen war. Die nächsthäufigen Syndrome waren das soma− toforme Syndrom (9,1 %), andere depressive Syn− drome (8,1 %), Idiopathische Umweltintoleranz (7,2 %), Major depressives Syndrom (6,0 %) und Hypochondrie (4,2 %). Hypochondrie war mit ei− nem deutlich erhöhten Risiko für komorbide psy− chische Syndrome assoziiert. Alle Syndrome ± mit Ausnahme des Alkoholsyndroms und der Binge−Eating−Störung ± waren mit Funktionsbe− einträchtigungen verbunden. Schlussfolgerungen Diese Befunde sind alar− mierend, da sie auf einen großen psychologi− schen Versorgungsbedarf bei Studierenden an deutschen Hochschulen hinweisen. Eine Replika− tion der Ergebnisse an repräsentativen Stichpro− ben ist jedoch angezeigt. Background Students are an important part of the general population of Germany, but only lim− ited information exists about the prevalence of common psychological syndromes among them. Objective To provide prevalence rates for vari− ous psychological syndromes (affective, anxiety, somotoform, eating disorders, and alcohol asso− ciated problems) among German university stu− dents. Methods A campus−wide survey including N = 1130 students at the University of Mannheim was conducted. Established assessment instru− ments were employed for this purpose: the Ger− man version of the Patient Health Questionnaire (PHQ), the German Version of the Whiteley−In− dex (WI), and the Chemical Odor Sensitivity Scale (COSS) to screen for idiopathic environmental in− tolerance (IEI). Results PHQ criteria for at least one psychologi− cal disorder (apart from the alcohol abuse/de− pendence syndrome) were met by 22.7 % of the students, more frequently by women than men (OR = 1.8). The alcohol syndrome (30.2 %) was most frequent and the only syndrome which was more frequent in men than in women. The next frequent syndrome was the somatoform syndrome (9.1 %), followed by other depressive syndromes (8.1 %), IEI (7.2 %), major depression (6.0 %) and hypochondriasis (4.2 %). The presence of hypochondriasis increased greatly the risk for co−morbid disorders. All syndromes ± with the exception of the alcohol syndrome and the binge eating disorder ± were accompanied by function− al impairments. Conclusions We consider these results rather alarming, as they indicate a considerable need for both preventive and curative interventions in German students. However, further epidemiolo− gical studies are needed to prove the generaliza− bility of our findings and to examine functional Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med Originalarbeit interrelations among and the course of these psychological syn− dromes. Einleitung ! Für die Planung von Hilfs−, Beratungs− und Behandlungsangebo− ten für Studierende mit psychischen Störungen ist die Ermitt− lung populationsspezifischer Prävalenzraten unerlässlich. Zur Häufigkeit psychischer Störungen unter Studierenden an deut− schen Hochschulen existieren bislang jedoch nur wenige und eher unsystematische Befunde. Nach diesen bereits älteren Stu− dien leiden 10 ± 20 % der Studierenden unter behandlungsbe− dürftigen psychischen Störungen [1]. Diese Prävalenzraten kor− respondieren gut mit den repräsentativen Daten der letzten So− zialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studie− renden in Deutschland im Jahr 2003. Bei dieser Umfrage gaben 14 % der Studierenden einen Beratungsbedarf wegen psychischer Probleme an, Frauen häufiger als Männer (17 vs. 11 %). In den ers− ten zehn Semestern ist der Beratungsbedarf relativ konstant, ab dem 11. Hochschulsemester steigt er jedoch sprunghaft an und erreicht bei den Langzeitstudenten (15 +−Semester) einen Wert von über 20 % [2]. Die Art von psychischen Störungen unter de− nen die Studierenden leiden, ist dieser Umfrage nicht zu entneh− men. In früheren Befragungen dominierten depressive Syndro− me, Arbeitsstörungen, diffuse Ängste und interpersonelle Pro− bleme das Beschwerdebild [1, 3]. In den letzten Jahren ist zwar auch in Deutschland eine verstärk− te Forschungsaktivität auf dem Gebiet der psychischen Gesund− heit von Studierenden zu verzeichnen (z. B. [4 ± 7]), dennoch mangelt es an breit angelegten Screeninguntersuchungen. In den USA ist wegen der wachsenden Zahl von Studierenden mit ernsthaften psychischen Problemen zwar seit einigen Jahren die Sensibilität für diese Thematik erhöht [8], systematische Erhe− bungen zur psychischen Gesundheit von Studierenden wurden aber auch dort nur vereinzelt durchgeführt. Um diesen Mangel zu beheben, wurde von einer Arbeitsgruppe der American Col− lege Health Association (ACHA) ein Gesundheitsfragebogen ent− wickelt, mit dem seit 1998 etwa zweimal pro Jahr Studierende an amerikanischen Hochschulen befragt werden. An der letzten Erhebung im Frühjahr 2006 beteiligten sich über 94 000 Studie− rende aus über 100 Institutionen [9]. Befragt nach Gesundheits− problemen während des letzten Schuljahres, gaben 46,6 % Rü− ckenschmerzen, 17,8 % Depressionen und 12,4 % Angststörungen an. Diese Gesundheitsprobleme wurden von Frauen durchweg häufiger berichtet als von Männern. Viele der befragten Studie− renden fühlten sich wegen ihrer psychischen Probleme in ihrer akademischen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Die hierfür am häufigsten angeführten psychischen Ursachen waren Stress (32 %), Schlafstörungen (23,9 %), Depressionen und Angststörun− gen (15,7 %) sowie problematischer Alkoholkonsum (7,3 %). Die Aussagekraft derartiger Studien ist stark eingeschränkt, da die Angaben zu spezifischen psychischen Störungen häufig nur auf der Beantwortung einer einzelnen Frage basieren. Um diesen Mangel zu überwinden, wurden in der hier berichte− ten Studie umfangreiche Screeninginstrumente eingesetzt, die speziell zur ökonomischen Erfassung spezifischer psychischer Syndrome in großen Untersuchungskollektiven entwickelt wur− den. Das primäre Ziel bei der Auswahl der Screeninginstrumente war, jene psychischen Störungen zu erfassen, die auch in der Be− völkerung häufig auftreten. Darüber hinaus galt unser besonde− res Interesse Angaben zur Hypochondrie sowie zur Idiopathi− Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med schen Umweltintoleranz, da zu diesen beiden gesundheitspoli− tisch und −ökonomisch hoch relevanten Syndromen bislang kaum Prävalenzangaben für studentische Kollektive vorliegen. Die Idiopathische Umweltintoleranz (IEI) bezeichnet ein medizi− nisch unklares Beschwerdebild, das gegenwärtig am ehesten als funktionelles somatisches Syndrom bzw. als eine Variante der undifferenzierten Somatisierungsstörung verstanden werden kann [10 ± 16]. Die Betroffenen reagieren nach subjektiver Ein− schätzung auf eine Vielzahl chemisch nicht miteinander ver− wandter Umweltstoffe, die von der Allgemeinbevölkerung ohne erkennbare gesundheitliche Probleme toleriert werden, mit multiplen Beschwerden und Intoleranzreaktionen. Als typische Auslöser für Beschwerden werden der Kontakt mit Parfüms, Sprays, Reinigungs− und Desinfektionsmittel sowie der Geruch von frischen Farben, Farbverdünnern, Tabakrauch oder Ver− kehrsabgasen genannt. Bekannt wurde dieses Beschwerdebild unter der Bezeichnung Multiple Chemische Sensitivität. Eine derartige Etikettierung halten wir jedoch für problematisch, weil sie eine bislang nicht bewiesene chemische Verursachung der Beschwerden impliziert und damit den Betroffenen zwangs− läufig auch einen falschen Umgang mit den Beschwerden nahe− legt. Nach Untersuchungen aus den USA und aus Deutschland leiden bis zu 15 % der Bevölkerung unter einer selbstberichteten IEI [17 ± 19]. In einer US−amerikanischen Befragung von 643 Psy− chologiestudenten betrug der Anteil von Personen mit selbstbe− richteter IEI ebenfalls 15 % [20]. Zur Häufigkeit von Hypochondrie bzw. Krankheitsangst in der Allgemeinbevölkerung wurden in den letzten Jahren zwar einige deutsche Studien publiziert [21, 22], aber entsprechende Unter− suchungen an größeren studentischen Kollektiven sind uns nicht bekannt. Die sehr restriktiven DSM−IV−Kriterien der Hypo− chondrie erfüllen weniger als 1 % der bundesdeutschen Bevölke− rung [21]. Verwendet man jedoch weniger restriktive Diagnose− kriterien, so steigt die Prävalenz für Krankheitsangststörungen deutlich an [21, 22]. In einer fragebogenbasierten Erhebung mit dem Whiteley−Index erfüllten 8,2 % einer bevölkerungsrepräsen− tativen Stichprobe die Screeningkriterien für Hypochondrie, Frauen etwas häufiger als Männer (9,6 vs. 7,1 %) [22]. Neben die− sen Geschlechtsunterschieden fand sich auch eine deutliche Al− tersabhängigkeit des Whiteley−Index, d. h. die Hypochondrie− werte stiegen mit dem Alter linear an. Aber auch in der jüngsten Altersgruppe der bis zu 40−Jährigen erfüllten noch 2,5 % der Männer und 5,1 % der Frauen das Hypochondriekriterium (Sum− menwert von mindestens 8). Vor dem Hintergrund dieser Befunde wurden in der vorliegen− den Studie folgende Fragen untersucht: 1. Wie häufig sind psychische Syndrome unter Studierenden? 2. Unterscheiden sich die Geschlechter in der Prävalenz psychischer Syndrome? 3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Studienfach und psychischer Belastung? 4. Ist Hypochondrie mit einem erhöhten Risiko für weitere psychische Syndrome verbunden? 5. Sind die psychischen Syndrome mit Funktionsbeein− trächtigungen assoziiert? Methode ! Stichprobe Die fragebogenbasierte Screeningerhebung zur ¹Häufigkeit von Beschwerden, Erkrankungen und Krankheitsängsten unter Stu− Originalarbeit dierenden“ fand zwischen Mai 2004 und Februar 2005 auf dem Campus der Universität Mannheim statt. An verschiedenen Or− ten (Mensa, Cafeteria, Hörsaalbereich) wurden insgesamt 1600 Fragebogenpakte an Studierende verteilt. Der Rücklauf an ver− wertbaren Fragebögen lag bei 73 % (n = 1170). 40 Personen muss− ten im Nachhinein ausgeschlossen werden, weil es sich entwe− der um nichtstudentische Teilnehmer handelte oder keine Anga− ben zum Studierendenstatus vorlagen. Die Analysestichprobe besteht folglich aus 1130 Studierenden. 55,4 % der Befragten sind Frauen, das mittlere Alter liegt bei 22,8 Jahren (SD = 2,8; Range: 18 ± 45), die mittlere Studiendauer bei 4,8 Hochschulse− mestern (SD = 3,5; Range: 1 ± 23). Die am häufigsten genannten Studienfächer sind Betriebswirtschaftslehre (15,9 %), Rechtswis− senschaften (14,8 %), Magister Artium (12,7 %), Psychologie (12,7 %), Sozialwissenschaften (9,3 %), Wirtschaftsinformatik (5,0 %) und Wirtschaftspädagogik (4,0 %). Als Teilnahmeanreiz diente ein Lotteriespiel, d. h. nach Abschluss der Studie wurden zehn Geldpreise im Wert von 20 ± 250 Euro an die Teilnehmer verteilt. Die so gewonnene Stichprobe kann selbstverständlich keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, aber bezüglich der Ge− schlechterverteilung und der Studienfachpräferenz gibt es eine zufriedenstellende Übereinstimmung mit der Studierendenge− samtheit (n = 12 572) der Mannheimer Universität im Winterse− mester 2004/2005. In diesem Zeitraum waren 50,8 % aller Stu− dierenden männlich, die vier beliebtesten Studienfächer waren Betriebswirtschaftslehre (25,9 %), Magister Artium (11,9 %), Rechtswissenschaften (8,7 %) und Wirtschaftsinformatik (5,8 %) [23]. Vergleicht man unsere Stichprobe mit der bundesweit re− präsentativen Stichprobe der 17. Sozialerhebung des Studenten− werks, die im Jahr 2003 an deutschen Hochschulen und Univer− sitäten durchgeführt wurde [2], so ergeben sich ebenfalls nur ge− ringfügige Abweichungen im Hinblick auf das Durchschnittsal− ter (23 vs. 24 Jahre) und den Frauenanteil (55 vs. 50 %). Instrumente Der ¹Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ−D)“ [24] ist die deutsche Version des ¹Patient Health Questionnaire (PHQ)“ [25]. Dieses gut validierte Screeninginstrument [26, 27] ermöglicht die Diagnostik von acht psychischen Störungen nach den Krite− rien des DSM−IV. Für drei Störungen (sog. ¹threshold disorders“), die Major Depression, die Panikstörung und die Bulimia nervosa, Tab. 1 werden jeweils alle diagnoserelevanten Kriterien abgefragt. Bei den weiteren erfassten Störungen (sog. ¹subthreshold disor− ders“) werden nicht alle diagnoserelevanten Kriterien abgefragt. Dies sind die anderen depressiven Störungen, andere Angststö− rungen, somatoforme Störungen, die Binge−Eating−Störung und Alkoholmissbrauch bzw. −abhängigkeit (Alkoholsyndrom). Der Beurteilungszeitraum für die Einschätzung einer Beeinträchti− gung durch die erfragten Symptome variiert zwischen den letz− ten 2 Wochen (depressive Syndrome), 4 Wochen (somatoforme und Angstsyndrome), 3 Monaten (Essstörungen) und 6 Monaten (Alkoholsyndrom). Hypochondrie wurde mit dem Whiteley−Index (WI) [28] erfasst. Die 14 Items dieses etablierten Screeninginstruments erfragen krankheitsbezogene Ängste, Krankheitsüberzeugungen und so− matische Beschwerden. Als Schwellenwert für das Vorliegen von Hypochondrie wurde ein Wert von ³ 8 festgelegt [22]. Die Chemische Geruchssensitivitätsskala (CGSS) [29, 30] ist ein reliables, valides und ökonomisches Screeningverfahren zur Identifizierung von Personen mit Idiopathischer Umweltintole− ranz (IEI). Die elf Items der CGSS erfragen IEI−typische körperli− che Unverträglichkeitsreaktionen (z. B. Atemnot oder Schwin− del) auf olfaktorische Umweltreize (z. B. Rauchabgase oder Rei− nigungsmittel). Für die CGSS liegen geschlechtspezifische Cut− off−Werte vor, die als Hinweis für das Vorliegen von IEI gewertet werden können [30]. Diese Cut−off−Werte wurden in der vorlie− genden Studie für die Identifikation von Personen mit IEI ver− wendet, d. h. Frauen mit einem CGSS−Gesamtwert > 31 und Män− ner mit einem Wert > 27 wurden als IEI−Fälle klassifiziert. Ergebnisse ! Prävalenz psychischer Syndrome " Tab. 1 gibt die Häufigkeit der mit PHQ−D, WI und CGSS erfass− l ten psychischen Syndrome wieder. Ohne Berücksichtigung des Alkoholsyndroms erfüllen 22,7 % der Studierenden die Kriterien mindestens eines der sieben restlichen im PHQ−D erfassten Syn− drome. Am häufigsten werden die Kriterien für depressive (14,1 %) und somatoforme Syndrome (9,1 %) sowie für IEI (7,2 %) erfüllt. Ein Alkoholsyndrom nach den PHQ−Kriterien lag bei 30,2 % der Studierenden vor. Diese unterschwellige Syndromdiagnose Häufigkeit (%) psychischer Syndrome in Abhängigkeit vom Geschlecht psychische Syndrome gesamt Frauen Männer % % % OR 1 95 %−KI p somatoformes Syndrom 2 9,1 14,2 2,8 4,87 2,71 8,75 0,000 Major depressives Syndrom 2 6,0 5,9 6,2 0,97 0,59 1,60 0,916 andere depressive Syndrome 2 8,1 8,8 7,3 1,14 0,73 1,78 0,564 Paniksyndrom 2 1,7 2,1 1,2 1,82 0,68 4,92 0,235 andere Angstsyndrome 2 2,9 4,6 0,8 6,41 2,19 18,77 0,001 V.a. Bulimia nervosa 2 1,2 1,4 0,8 1,91 0,57 6,40 0,292 V.a. Binge−Eating−Störung 2 1,2 1,0 1,4 0,61 0,20 1,87 0,384 Alkoholsyndrom 2 30,2 19,0 44,0 0,30 0,23 0,40 0,000 irgendein PHQ−D−Syndrom 46,5 41,2 53,0 0,62 0,49 0,79 0,000 irgendein PHQ−D−Syndrom ohne Alkoholsyndrom 22,7 27,3 16,9 1,81 1,34 2,43 0,000 idiopathische Umweltintoleranz (IEI−Syndrom) 3 7,2 8,5 5,6 1,61 1,00 2,60 0,053 Hypochondrie (WI ³ 8) 4 4,2 3,7 4,8 0,72 0,39 1,31 0,277 n = 1130; 1 Odds Ratios adjustiert für Alter; 2 PHQ−D Syndrom; 3 Anteil von Personen, die in der CGSS den Schwellenwert für das Vorliegen eines IEI−Syndroms erfüllen; 4 Anteil von Personen mit WI−Gesamtwert von mindestens 8 Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med Originalarbeit wird gestellt, wenn für die zurückliegenden 6 Monate mindes− tens eine Frage bejaht wird, die als Indikator für schädlichen oder abhängigen Alkoholkonsum gilt. Am häufigsten wurden Pflichtverletzungen in Bezug auf Arbeit, Schule oder andere Be− reiche aufgrund von Alkoholkonsum bejaht (Item 10c: Männer: 29,6 %; Frauen: 12,3 %). Etwas weniger häufig wurde die Wahr− nehmung von Verpflichtungen in alkoholisiertem oder verkater− tem Zustand angegeben (Item 10b: Männer: 22,2 %; Frauen: 6,7 %). Erheblich weniger Studierende stimmten den Aussagen zu ¹Sie haben Alkohol getrunken, obwohl Ihnen ein Arzt angera− ten hat, aus gesundheitlichen Gründen mit dem Trinken aufzu− hören?“ (Item 10a: Männer: 3,4 %; Frauen: 0,8 %) oder ¹Sie hatten Schwierigkeiten, mit anderen auszukommen, weil sie getrunken hatten?“ (Item 10d: Männer: 6,7 %; Frauen: 1,4 %) und ¹Sie sind Auto gefahren, nachdem Sie mehrere Glas Alkohol bzw. zu viel getrunken haben?“ (Item 10e: Männer: 10,7 %; Frauen: 3,2 %). Bei den Fragen nach der Beeinträchtigung der sozialen Rollen− funktion (Items 10b und 10c) wird dagegen nicht zwischen Alko− holintoxikation (¹¼ weil Sie getrunken hatten“) und den Folgen der Intoxikation (¹¼ weil Sie verkatert waren“) unterschieden. Jedem der beiden Items kann also auch nach zweimaligem Rauschtrinken im vergangenen halben Jahr zugestimmt werden. Es wird also überwiegend den beiden Items zugestimmt, die übermäßigen Konsum zu einzelnen Gelegenheiten implizieren, weniger jenen drei Aussagen, die auf habituellen Hochkonsum und Alkoholabhängigkeit verweisen. Geschlechtsunterschiede ! Frauen haben im Vergleich zu Männern ein annährend doppelt so hohes Risiko (OR = 1,8) für irgendeines der im PHQ−D erfrag− " Tab. 1). ten Syndrome (mit Ausnahme des Alkoholsyndroms) (l Das Geschlechterverhältnis dreht sich allerdings, wenn das Al− koholsyndrom bei der Ermittlung der psychischen Gesamtbelas− tung berücksichtigt wird: Frauen sind dann signifikant seltener von psychischer Problematik betroffen als Männer. Betrachtet man die einzelnen Syndrome separat, so zeigt sich, dass Männer nur ein erhöhtes Risiko für das Alkoholsyndrom haben. Frauen sind dagegen häufiger vom somatoformen Syndrom, den ¹ande− ren Angstsyndromen“ und der IEI betroffen. Studienfach und psychische Belastung Der Zusammenhang zwischen Studienfach (berücksichtigt wur− den die fünf meistgenannten Fächer: BWL, Rechtswissenschaf− ten, Magister Artium, Psychologie und Sozialwissenschaften) und psychischer Gesamtbelastung (definiert als Vorliegen min− destens eines PHQ−D−Syndroms) wurde für Männer und Frauen getrennt untersucht, signifikante Zusammenhänge konnten je− doch nicht nachgewiesen werden (Männer: c2 = 3,38; df = 4,293; p = 0,496; Frauen: c2 = 4,13; df = 4,453; p = 0,388). Detailanalysen zu spezifischen Syndromen konnten aufgrund der kleinen Fall− zahlen nicht durchgeführt werden. Hypochondrie als Risikofaktor für komorbide psy− chische Syndrome Bei Vorliegen von Hypochondrie (definiert als WI ³ 8) ist das Ri− siko für das Vorhandensein mindestens eines weiteren PHQ− D−Syndroms (ohne Alkoholsyndrom) etwa 6−fach erhöht " Tab. 2). Signifikant war der Zusammenhang für das somato− (l forme Syndrom (OR = 4,6), das Major depressive Syndrom (OR = 6,3), andere depressive Syndrome (OR = 2,9), andere Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med Tab. 2 Häufigkeit (%) einzelner Syndrome bei Vorhandensein oder Abwe− senheit von Hypochondrie (WI ³ 8) Hypochondrie nein OR 1 ja 95 %−KI p somatoformes Syndrom 8,4 25,5 4,58 2,17 9,65 0,000 Major depressives Syndrom 5,2 25,5 6,34 3,12 12,90 0,000 andere depressive Syndrome 7,7 19,1 2,85 1,33 6,12 0,007 Paniksyndrom 1,6 4,3 2,94 0,66 13,20 0,159 andere Angst− syndrome 2,3 17,0 10,86 4,39 26,83 0,000 V. a. Bulimia nervosa 1,1 2,1 2,06 0,26 16,26 0,494 V. a. Binge−Eating− Störung 0,8 8,5 10,66 3,14 36,10 0,000 Alkoholsyndrom 30,5 23,4 0,63 0,31 1,28 0,198 irgendein PHQ− D−Syndrom 45,6 66,0 2,27 1,22 4,21 0,010 irgendein PHQ− D−Syndrom ohne Alkoholsyndrom 21,1 59,6 5,99 3,25 11,05 0,000 idiopathische Umweltintoleranz (IEI−Syndrom) 7,1 8,5 1,26 0,44 3,63 0,663 1 Odds Ratios adjustiert für Alter und Geschlecht. n = 1130 Angstsyndrome (OR = 10,7). (OR = 10,9) und die Binge−Eating−Störung Psychosoziale Funktionsbeeinträchtigungen 40,3 % der Befragten gaben im PHQ−D psychisch bedingte psy− chosoziale Funktionsbeeinträchtigungen (d. h. Schwierigkeiten in der Arbeit, im Haushalt oder im zwischenmenschlichen Be− reich) an, diese stellten zumeist eine leichte (34 %), seltener eine ¹starke“ (5,6 %) oder gar eine ¹sehr starke“ (0,7 %) Erschwernis dar. Abschließend wurde geprüft, wie eng die einzelnen psychischen Syndrome mit Funktionsbeeinträchtigungen assoziiert sind. Für diese Analysen wurde die vierstufige Antwortskala des entspre− chenden PHQ−D−Items dichotomisiert in ¹Erschwernis vorhan− den“ (Antwortstufen 1 ± 3) versus ¹Erschwernis nicht vorhan− den“ (Antwortstufe 0). Anschließend wurden Zusammenhangs− analysen mittels logistischer Regressionsanalysen separat für je− des Syndrom unter Kontrolle von Alters− und Geschlechtseffek− " Tab. 3). Alle Syndrome ± mit Ausnahme ten durchgeführt (l des Alkoholsyndroms und der Binge−Eating−Störung ± sind sig− nifikant mit Funktionsbeeinträchtigungen assoziiert. Am engs− ten sind andere Angstsyndrome (OR = 8), Hypochondrie (OR = 7,6) und das Major depressive Syndrom (OR = 6,4) mit ei− ner Funktionsbeeinträchtigung verbunden. Die meisten dieser Assoziationen sind auch dann noch statistisch bedeutsam, " Tab. 3 aufgeführten Einzelsyndrome sowie wenn alle zehn in l die beiden Kontrollvariablen (Alter und Geschlecht) simultan in eine multiple logistische Regressionsanalyse eingebracht wer− den. Durch dieses Vorgehen kann geklärt werden, welche Einzel− syndrome am engsten mit Funktionsbeeinträchtigungen assozi− iert sind, wenn gleichzeitig der Einfluss der anderen Syndrome statistisch kontrolliert wird. In dieser Regressionsanalyse erwie− sen sich folgende Syndrome als signifikante (p < 0,05) Prädikto− ren: Hypochondrie (OR = 4,8), Major depressives Syndrom Originalarbeit Tab. 3 Häufigkeit (%) von Funktionsbeeinträchtigungen (nicht vorhanden vs. vorhanden) in Abhängigkeit vom Vorliegen einzelner Syndrome (nicht vor− handen vs. vorhanden) Prädiktor− % Funktionsbeeinträchtigungen in Abhängig− variable keit vom Vorliegen (Nein/Ja) eines Syndroms nein ja OR 1 95 %−KI Hypochondrie (WI ³ 8) 38,3 82,2 7,59 3,49 16,51 0,000 IEI−Syndrom 38,7 62,3 2,56 1,54 4,25 0,000 somatoformes Syndrom 37,5 68,9 3,62 2,24 5,83 0,000 Major depressives Syndrom 37,7 79,4 6,41 3,43 11,97 0,000 andere depressive Syndrome 37,9 65,5 3,08 1,94 4,90 0,000 Paniksyndrom 39,8 66,7 2,94 1,09 7,51 0,033 andere Angst− syndrome 38,8 84,4 8,03 3,05 21,11 0,000 V.a. Bulimia nervosa 39,9 75,0 4,32 1,16 16,07 0,029 V.a. Binge−Eating− Störung 40,0 66,7 3,12 0,93 10,47 0,065 Alkoholsyndrom 41,9 37,2 0,87 0,66 1,15 0,335 irgendein PHQ− D−Syndrom 32,7 48,2 1,98 1,53 2,57 0,000 irgendein PHQ− D−Syndrom ohne Alkoholsyndrom 31,6 69,3 4,84 3,51 6,67 0,000 p 1 Odds Ratios adjustiert für Alter und Geschlecht; fehlende Werte (n = 130) bei der variablen Funktionsbeeinträchtigung; Analysestichprobe n = 1000 (OR = 4,5), andere depressive Syndrome (OR = 3,1), somatofor− mes Syndrom (OR = 2,5) und IEI (OR = 2,5). Die restlichen Syn− drome sind nicht (mehr) signifikant (p > 0,10) mit Funktionsbe− einträchtigungen assoziiert. Diskussion ! Die vorliegende Studie liefert aktuelle Daten zur Häufigkeit psy− chischer Syndrome bei Studierenden einer deutschen Universi− tät. Die zentralen Ergebnisse dieser umfangreichen Fragebogen− erhebung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Prävalenz psychischer Syndrome 22,7 % der Studierenden erfüllten mindestens die Kriterien für eines von sieben erfassten PHQ−D−Syndromen (ohne Berück− sichtigung des mit 30,2 % sehr häufig vorkommenden Alkohol− syndroms). Frühere Studien kamen mit anderen Messinstru− menten zu etwas geringeren Fallraten [1, 3]. Für diese Diskrepan− zen können sowohl methodische Faktoren (z. B. unterschiedlich sensitive und reliable Erhebungsmethoden, variierende Beurtei− lungszeiträume, systematische Verzerrungen durch die Verwen− dung nichtrepräsentativer Stichproben) als auch inhaltliche Gründe (z. B. das Nichterkennen eines Beratungsbedarfs durch die Betroffenen oder auch eine mögliche Zunahme von psy− chischen Störungen bei Studierenden während der letzten Jahre) verantwortlich sein. In der Häufigkeit einzelner Syndrome ragt das PHQ−D−Alkohol− syndrom deutlich hervor: 44 % der männlichen und 19 % der weiblichen Studenten erfüllten das niederschwellige Kriterium für dieses Syndrom. Diese Befunde stimmen gut mit Ergebnissen aus US−amerikanischen Untersuchungen an College−Studenten überein. In einer jüngst publizierten Studie gaben 50 % der männlichen und 34 % der weiblichen College−Studenten ein problematisches Trinkverhalten an [31]. Aber auch der Anteil der College−Studenten, der die interviewbasierten DSM−IV−Kri− terien für die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit oder eines Al− koholmissbrauchs erfüllt, ist mit 24 % (Männer) und 13 % (Frau− en) beunruhigend hoch [32]. Eine aktuelle epidemiologische Querschnittsstudie zu Suchtproblemen bei Studierenden an deutschen Hochschulen kam zu ähnlich alarmierenden Ergeb− nissen [6]. Hier erfüllten 28,5 % der Befragten das Kriterium des problematischen Trinkverhaltens (Konsum von fünf oder mehr Getränken bei einer durchschnittlichen Trinkgelegenheit). Diese Rate lag deutlich höher als bei der etwa gleichaltrigen Ver− gleichsgruppe von Nicht−Studierenden (19,4 %). Die DSM−IV−Kri− terien für einen Alkoholmissbrauch erfüllten 13 % der Frauen und 25,1 % der Männer, eine Alkoholabhängigkeit wurde bei 5,5 % der Frauen und 16,5 % der Männer diagnostiziert. Bei Nicht− Studierenden war die Rate an alkoholbezogenen Diagnosen ins− gesamt deutlich niedriger (21,1 versus 14,2 %). Die Autoren kom− men zu dem Schluss, dass sich psychische Probleme und Sucht− probleme negativ auf den Studienverlauf und das Studierverhal− ten auswirken. Problematisch ist, dass bei psychosozialen Bera− tungsstellen für Studierende in aller Regel keine spezielle Sucht− hilfe angeboten wird, sodass die Betroffenen auf die außerhoch− schulischen Suchthilfemöglichkeiten zurückgreifen müssen. Die Implementierung niedrigschwelliger, speziell für Studierende mit problematischem Trinkverhalten entwickelter und evaluier− ter Kurzinterventionen in universitäre Beratungsstellen könnte diese Situation verbessern [6]. Auch ökonomische internetba− sierte Kurzinterventionen könnten möglicherweise schon zu einer Verbesserung der Lage beitragen [33]. Die zweithäufigste Störungsgruppe umfasst verschiedene soma− toforme Syndrome: 9,1 % der Studierenden erfüllten im PHQ−D die Kriterien für ein somatoformes Syndrom, 7,2 % die CGSS−Kri− terien für IEI und 4,2 % die WI−Kriterien für Hypochondrie. Ver− gleichsdaten aus repräsentativen Erhebungen an Studierenden liegen uns zwar nicht vor, aber aus bevölkerungsrepräsentativen Umfragen mit Fragebögen wie auch mit Interviews ist bekannt, dass Krankheitsängste und somatoforme Beschwerden in der deutschen Bevölkerung relativ häufig sind [21, 22, 34, 35]. Unsere im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwas niedrigere WI− basierte Hypochondrierate ist durch das niedrige Durchschnitts− alter unserer Stichprobe bedingt [22]. Die vorliegende Studie lie− fert auch erstmalig Angaben zur Häufigkeit von IEI bei deut− schen Studierenden. Unsere IEI−Prävalenz fällt ebenfalls niedri− ger aus als in früheren Studien [17 ± 20], was wir auf den relativ hoch angesetzten IEI−Schwellenwert in der CGSS [30] zurück− führen; in früheren Studien wurden andere und weniger restrik− tive Fallkriterien verwendet. Als zentralen Befund unserer Studie können wir festhalten, dass (funktionelle) körperliche Be− schwerden und Hypochondrie bei Studierenden häufig sind und mit Funktionsbeeinträchtigungen einhergehen. Das Vorliegen von Hypochondrie erwies sich zudem als Indikator für eine er− höhte psychische Komorbidität. In zukünftigen Erhebungen zur psychischen Gesundheit von Studierenden dürfen daher soma− toforme Störungen nicht länger vernachlässigt werden. Depressive Syndrome waren in unserem Studentenkollektiv mit 6 % (Major depressiven Syndroms) und 8,1 % (andere depressive Syndrome) ebenfalls häufig, aber nicht wesentlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung, dort werden jedoch eher leichtere Formen der Depression berichtet [36]. Auch das Paniksyndrom Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med Originalarbeit war in unserer Stichprobe mit einer Prävalenz von 1,7 % nicht häufiger als in der Allgemeinbevölkerung [36]. Geschlechtsunterschiede In allen vergleichbaren Studien berichten Frauen eine höhere psychische Morbidität als Männer, mit Ausnahme des bei Män− nern häufigeren Alkoholsyndroms. Dieser Befund konnte auch in unserer studentischen Population repliziert werden. In Überein− stimmung mit der Literatur [17,19, 20, 34, 35] waren Frauen ins− besondere häufiger von dem somatoformen Syndrom und IEI betroffen als Männer. Überraschend waren allerdings die fehlen− den Geschlechtsunterschiede bei den depressiven Syndromen. Dies könnte das Resultat eines Selektionsbias sein, möglicher− weise haben überzufällig viele depressive Männer an der Unter− suchung teilgenommen. Der Befund könnte aber auch darauf hinweisen, dass Geschlechtsunterschiede in der Häufigkeit de− pressiver Syndrome in soziodemografisch homogenen Perso− nengruppen möglicherweise weniger deutlich ausgeprägt sind als in den heterogeneren bevölkerungsrepräsentativen Stichpro− ben. Eine weitere mögliche Erklärung wäre, dass die Differenzie− rung der Prävalenz bei Männern und Frauen erst im höheren Al− ter deutlich wird. Funktionsbeeinträchtigungen ! 40 % der Studierenden gaben psychisch bedingte Funktionsbe− einträchtigungen an. Dieser Befund kann als Hinweis auf einen hohen und vermutlich nur partiell gedeckten psychologischen Beratungsbedarf gewertet werden. Angstsyndrome, Hypo− chondrie und ernsthafte Depressionen waren in der vorliegen− den Studie am deutlichsten mit Funktionsbeeinträchtigungen verbunden. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit älteren Befun− den der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Heidelberg [1]: Studierende, die psychotherapeutische Hilfe auf− suchten, waren besonders häufig durch Depressivität, Angst− symptome und psychosomatische Beschwerden gekennzeich− net. Hinter diesen klinischen Syndromen verbargen sich häufig Arbeitsstörungen, Prüfungsängste und interpersonelle Schwie− rigkeiten (Konflikte mit Eltern, Partnern, Kontaktprobleme). In dieser Studie gab die Mehrheit der befragten Studierenden an, Probleme und Schwierigkeiten selbst zu lösen, 27 % äußerten den Wunsch nach fachlicher Hilfe, wobei bei 11 % dieser Behand− lungswunsch nicht realisierbar war. In einer aktuellen Untersu− chung von psychisch stark belasteten prüfungsängstlichen Me− dizinstudenten befanden sich nur 7 % in kontinuierlicher psy− chotherapeutischer Behandlung [7]. Diese Daten weisen auf einen relativ hohen ungedeckten Beratungs− und Behandlungs− bedarf hin. Der größte ungedeckte Bedarf besteht vermutlich im Bereich der hochschulinternen Suchtprävention und −inter− vention [6]. Methodische Einschränkungen Die Generalisierbarkeit der vorliegenden Befunde wird durch folgende Faktoren eingeschränkt: Es wurde keine repräsentative Zufallsstichprobe untersucht, sondern nur eine anfallende Stich− probe einer einzelnen deutschen Universität. Weitere Verzer− rungen, insbesondere im Sinne einer Überschätzung der tatsäch− lichen Prävalenz psychischer Störungen, könnten aufgrund von unbekannten systematischen Selbstselektionseffekten aufgetre− ten sein. Ferner muss die Validität der mittels Screeningfragebo− gen erfassten somatoformen Diagnosen infrage gestellt werden, Bailer J et al. Prävalenz psychischer Syndrome ¼ Psychother Psych Med da keine ärztliche Abklärung organischer Ursachen erfolgte. An− dererseits sollte die körperliche Morbidität bei der hier unter− suchten sehr jungen Altersgruppe noch keinen großen Einfluss auf den Symptombericht haben. Auch die Prävalenzraten der so− genannten Subthreshold Disorders (andere depressive Störun− gen, andere Angststörungen, somatoforme Störungen, Binge− Eating−Störung und Alkoholsyndrom) können nur eingeschränkt interpretiert werden, da der PHQ−D bei diesen Störungen nicht alle diagnoserelevanten Kriterien abfragt. Trotz dieser methodi− schen Einschränkungen erachten wir den PHQ−D als ein sehr nützliches Screeninginstrument zur standardisierten Erfassung von psychischen Syndromen in studentischen Populationen. Eine Replikation unserer Ergebnisse an einer bundesweit reprä− sentativen studentischen Stichprobe ist allerdings angezeigt. Fazit für die Praxis Unter Studierenden sind psychische Störungen ähnlich häu− fig wie in der Allgemeinbevölkerung, mit Ausnahme des problematischen Alkoholkonsums, der bei Studierenden sehr viel häufiger ist. Die Alkoholproblematik scheint an deutschen Universitäten ähnlich weit verbreitet zu sein wie an US−amerikanischen Hochschulen. In den USA ist man sich dieses Problems jedoch erheblich stärker bewusst als in Deutschland, wo breit angelegte Wiederholungsuntersu− chungen und gezielt alkoholbezogene Präventions− und Interventionsprogramme fehlen. Darüber hinaus werden Längsschnittstudien zur Identifikation studienbedingter Risikofaktoren benötigt. Literatur 1 Holm−Hadulla R, Soeder U. Psychische Beschwerden und Störungen von Studierenden. Psychother Psych Med 1997; 47: 419 ± 425 2 Bundesministerium für Bildung und Forschung. 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