Schizophrenie M. Karr Psychiatrische Klinik der Universität Heidelberg Vorurteile Negatives Bild in der Öffentlichkeit Diagnose als Brandmal • „Viele meiner Leidensgefährten waren von ihrer Krankheit abgestoßen und schienen sich zu schämen“ • „Sie hindern den Menschen daran sich rechtzeitig behandeln zu lassen oder sich energisch um kompetente Behandlung zu bemühen“ S. Sontag (1988, in: Aids und seine Metaphern) Stigma, Brandmal? Stigma (2. Krankheit) Symptome (1. Krankheit) „dass die Diagnose zur zweiten Krankheit wird, die um alles in der Welt verheimlicht werden muss“ A. Finzen Gesund und schizophren? Kennzeichen: • „das Gesunde dem Schizophrenen erhalten bleibt“ (M. Bleuler, 1975) • Gute Behandlungsmöglichkeiten und Prognose Übersicht • • • • • Was kennzeichnet eine Schizophrenie? Wie häufig kommt sie vor? Was weiß man über ihre Ursachen? Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen? Fazit und Zusammenfassung Was kennzeichnet eine Schizophrenie ? 1 Komplexe den ganzen Menschen umfassende Störung: • des Erlebens und Fühlens • des Denkens • des Wollens • des Verhaltens • der Kommunikation Was kennzeichnet eine Schizophrenie ? 2 • Beeinträchtigungen im Alltag • Abnahme der Leistungsfähigkeit • Erwartungen der Umwelt können nicht erfüllt werden Unspezifischer Beginn Erkrankungsbeginn 1 • Die Kranken spüren, das sich etwas verändert hat, das etwas nicht stimmt. Aber sie wissen nicht was. Sie können es auf jeden Fall nicht als psychische Erkrankung begreifen. • Die Angehörigen merken ebenfalls, dass sich etwas verändert. Auch sie können jedoch nicht erklären, was. Erkrankungsbeginn 2 • • • • • Normalpsychologische Bewältigungsversuche Letztendliches Scheitern Psychischer Zusammenbruch Klinikeinweisung Psychiatrische Diagnose Die beginnende Schizophrenie Die häufigsten 10 ersten Zeichen einer schizophrenen Erkrankung (nach Patientenangaben): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Unruhe Depresssion Angst Denk- und Konzentrationsstörungen Sorgen Mangelndes Selbstvertrauen Energieverlust, Verlangsamung Verschlechterung des Arbeitsverhaltens Soziale Rückzug, Mißtrauen Sozialer Rückzug, Kommunikation Häfner PLUS- und NEGATIVSYMPTOME (Andreasen 1982) Überschüsse von Verhalten und Erleben • Halluzinationen • Wahn • psychomotorische Erregung • Desorganisiertes Denken und Verhalten Defizite von Verhalten und Erleben • Interessensverlust • sozialer Rückzug • Apathie • Verflachter Affekt • Antriebsarmut • Teilnahmslosigkeit • gedankliche Verarmung Verlauf psychischer Erkrankungen 5 Jahre 1,1 Jahre 2,5 Monate eindeutige Symptome unspezifische Symptome Erste stationäre Behandlung Erstes unspezifisches Krankheitszeichen erstes Symptom Maximum an Symptomen ABC-Studie, Häfner Wo und wie häufig? • Über alle Kulturen • Risiko für Frauen und Männern gleich • Männer früher als Frauen (ca. 4 Jahre) Einer von hundert Menschen erkrankt im Verlauf seines Lebens Wie kommt es zur Erkrankung? „kein Faktor für sich allein genommen stellt eine notwendige oder hinreichende Bedingung für eine Erkrankung dar“ (Zubin, 1977) Vulnerabilitätsmodell (Verletzlichkeit) Schizophrene Psychosen in Familien Verwandte 1. Grades Verwandte 2. Grades Allgemeinbevölkerung 1% Ehegatten 2% Vettern 2% Onkel/Tanten 2% Neffen/Nichten Enkel Halbgeschwister 4% 5% 6% Kinder Geschwister 13% 9% Geschw + ein Elter 17% ZE-Zwillinge 17% Eltern 6% EE-Zwillinge 48% Nachkommen zweier betroffener Eltern 0 46% 10 20 30 40 50% Bedeutsame Faktoren für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko: • • • • • • Genetische Belastung Geburts- und Schwangerschaftskomplikationen Hirnschädigungen (Traumata, Tumore, Infektionen etc.) Belastenden Lebensereignisse (bedeutsam bei Rückfällen) Familienklima (bedeutsam bei Rückfällen) Drogen (Amphetamine, Designerdrogen, Halluzinogene, Cannabis) • Östrogen Vulnerabilität-Stress-Modell 1 Ressourcen Verletzlichkeit Erkrankung Stressoren viele „Ursachen“ multimodale Therapie Grundlagen einer Therapie 1 Balanceakt • zwischen Beruhigung und Stimulierung • zwischen Schonen und Fordern Grundlagen einer Therapie 2 3 Säulen • Medikamentöse Behandlung • Psychotherapie • Sozio- und Milieutherapie Grundlagen einer Therapie 3: • Einbeziehung der Angehörigen • Behandlungsbeginn: je früher desto besser Prognose • 1/3 gute Remission – psychopathologisch und sozial geringe Restsymptome • 1/3 mäßiggradige Residualbildung • 1/3 schwere Endzustände – weitgehend auf Versorgung angewiesen Es hat sich viel getan! (Entwicklungslinien) • • • • • Asyle – wohnortferne psychiatrische Anstalten – gemeindenahe Psychiatrie mit Krisenzentren und komplementären Einrichtungen Caritas – Wohlstandsgesellschaft (Psychiatrie Enquete) – Budgetierung (GMG) patriarchal – Dialog – Trialog Stigmatisierung – Entstigmatisierung - Akzeptanz Biologische versus psychotherapeutische versus soziotherapeutische Verfahren – multimodalen Therapieverfahren Fazit 2: Die Schizophrenie • Ist eine ernste, aber gut behandelbare Erkrankung. • Sie trifft v.a. junge Menschen im Prozess des Erwachsenwerdens. • Sie hat viele verschiedene Ursachen. • Sie kann sehr unterschiedlich verlaufen. • Die Behandlung sollte multimodal erfolgen. • Das soziale Umfeld (Angehörigen) sollte mit einbezogen werden. Info-Materialien (Sachliteratur, Belletristik, Filme, Internet) 1 • „Das Rätsel Schizophrenie“. Eine Krankheit wird entschlüsselt. (Häfner 2001, C.H. Beck Verlag) • • • • • „Psychose und Stigma“. Stigmabewältigung – zum Umgang mit Vorurteilen und Schuldzuweisung. (Finzen 2000, Psychiatrie Verlag) „Schizophrenie“. Die Krankheit verstehen. (Finzen 2000, Psychiatrie Verlag) „Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen.“ Leitlinien für den psychiatrischen Alltag. (Finzen 2001, Psychiatrie Verlag) „Psychose und Stigma“. Stigmabewältigung – zum Umgang mit Vorurteilen und Schuldzuweisung. (Finzen 2000, Psychiatrie Verlag) „Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis“. Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige. (Bäuml 1995, Springer Verlag)