Machtmissbrauch als zentrale menschliche Verhaltensdisposition 30. März 2011 Bern Prof. Dr. med. Frank Urbaniok Psychiatrisch-Psychologischer Dienst (PPD), Justizvollzug Kanton Zürich, Feldstrasse 42, 8090 Zürich - www.zurichforensic.org Essentials der Prognostik oder: Persönlichkeits- versus Situationstäter Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 2 Essentials der Risikokalkulation I 1 2 3 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok • Möglichst vollständige Erfassung aller risikorelevanten Merkmale einer Persönlichkeit • Individuelle Risikodisposition • Risikokalkulation 3 Essentials der Risikokalkulation II o Risikokalkulationen = Wahrscheinlichkeitsaussagen o Die Ausprägung der Risikodisposition steht in einem inversen Zusammenhang zur Ausprägung situativer Faktoren o Unterscheidung diagnoserelevanter und prognoserelevanter Faktoren Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 4 Persönlichkeitstäter - Situationstäter Persönlichkeit 0%* Persönlichkeit 20% 40% 60% 80% * * * * *Ausprägung risikorelevanter Persönlichkeitsmerkmale Prof. Dr. med. Frank Urbaniok Persönlichkeit 100%* 5 Persönlichkeitstäter: Risikomerkmale fester Teil der Persönlichkeit Persönlichkeitstäter o Risikorelevante Persönlichkeitsmerkmale stark ausgeprägt o Deliktdynamik entwickelt sich aus der Persönlichkeit o Täter (-persönlichkeit) Tatmotivation (Tat-) Situation o Regeln und Normen sind unwichtig o Gewalt- und Sexualtäter sind meist Persönlichkeitstäter o Strafe & Abschreckung wirkungslos ! Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 6 Situationstäter: Gelegenheit macht Täter Situationstäter o Risikorelevante Persönlichkeitsmerkmale schwach ausgeprägt o Deliktdynamik entwickelt sich aus der Situation o (Tat-) Situation Tatmotivation „Latente Persönlichkeitsanteile werden geweckt“ o Strafe & Abschreckung wirksam ! Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 7 Situationstäter Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 8 Situationstäter: Strafen sind wirksam! o Situationstäter: Strafe & Abschreckung wirksam o Z.B. Geschwindigkeitskontrollen o Konsum von Kinderpornografie Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 9 Vorstrafen bei Kinderpornografie Konsumenten Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 10 Rückfälligkeit (erneute Verurteilung) Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 11 Asymmetrische Machtsituationen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 12 Ungleiche Machtverteilung Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 13 Machtvorteil hat viele Gesichter o Körperliche Überlegenheit o Psychische Überlegenheit o Wissens-/Informationsvorsprung o Strukturelle/hierarchische Überlegenheit o Finanzielle Überlegenheit o Hemmungslosigkeit o Waffen … und vieles mehr Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 14 Die Straftat: Spezialfall einer asymmetrischen Machtbeziehung o Der Straftäter hat immer einen - wenn auch nur kurzzeitigen - (Macht-) Vorteil o o o o o o o Überraschungsmoment Körperliche Überlegenheit Psychische Überlegenheit (z.B. bei Inzest) Einsatz von Waffen Skrupellosigkeit Informationsvorsprung u.v.m Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 15 Asymmetrische Machtverteilungen: Ein alltägliches Phänomen o Straftäter o Bezugsrahmen Strafgesetzbuch o Vorgesetzte, Richter, Polizisten, Pförtner, Türsteher, Kellner, Ärzte, Therapeuten, Briefträger etc. o Bezugsrahmen Professionalität o Mütter, Väter, Kollegen etc. o Bezugsrahmen „Ethischer Verhaltenscodex“ Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 16 Umgang mit asymmetrischen Machtsituationen Person A Eigene Bedürfnisse von A Basale, legitime Rechte von B Person B Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 17 Kritische Situationsparameter Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 18 Situative „Risiko-Trias“ 1. Geringes Bestrafungsrisiko o o Grenzverletzendes Verhalten ist erlaubt oder wird befohlen Geringe Entdeckungs- oder Bestrafungswahrscheinlichkeit 2. Sehr grosses Machtgefälle o o Z.B. sexueller Missbrauch in kirchlichen Strukturen Inzest-Taten 3. Ansatzpunkte für Legitimationsstrategien o o o o Opfer selber schuld, haben es so verdient Opfer rechtlos (z.B. keine eigene Identität, minderwertig) Eigene emotionale Evidenz („gerechte Rache“) Unterschied Steuerhinterziehung und Steuerbetrug Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 19 Persönlichkeitstäter und situative „Risiko-Trias“ Persönlichkeitstäter o Regeln und Normen sind unwichtig nutzen sich bietende Gelegenheiten exzessiv aus o Z.B. unforced killings (Soldaten, die Frauen, Männer und Kinder „unerlaubterweise“ töteten): Häufiger Verhaltensauffällige, Freiwillige, Personal Violence History, Schulabbrecher (Yager 1975) o Besonders sadistische KZ-Wärter Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 20 Situationstäter und situative „Risiko-Trias“ Situationstäter o Regeln und Normen sind wichtig erst die Gelegenheit macht sie zu Tätern o o o o Z.B. Abu Grahib Milgram-Experiment Standford-Experiment Vergewaltigungen in Kriegen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 21 Präventionsstrategien Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 22 Allgemeine Präventionsstrategie o Situationstäter: Risikozonen entschärfen! o Keine rechtsfreien Räume! o Delinquenznahe Kulturen bekämpfen (z. B. Verantwortungs- & Skrupellosigkeit in der Gesellschaft insbesondere in Wirtschaft und Politik) o Persönlichkeitstäter: Risikotäter identifizieren o Persönlichkeitstäter frühzeitig erkennen o Rückfallrisiken mit individuellen Massnahmen vermindern Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 23 Tierschutz … oder: … weniger Opfer in der Gesellschaft Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 24 Verhältnis Mensch - Tier: Eine Risikozone 1. Geringes Bestrafungsrisiko 2. Sehr grosses Machtgefälle 3. Ansatzpunkte für Legitimationsstrategien Hohes Risiko für Ausbeutung und Misshandlung ! Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 25 Basale Rechte verteidigen o Basale Rechte verteidigen - eintreten für: o o o o Weniger Gewalt- und Sexualtaten Weniger Misshandlung Weniger Ausbeutung Weniger Diebstahl und Betrug Weniger Opfer = gesündere Gesellschaft Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 26 Internet Forschung & Studien www.zurichforensic.org Zürcher Opferschutz-Charta www.z-o-c.org Prof. Dr. med. Frank Urbaniok 27