Drohungen: Diagnostik, Risikobeurteilung und sinnvolles Intervenieren PD Dr. med. Frank Urbaniok Psychiatrisch-Psychologischer Dienst (PPD), Justizvollzug Kanton Zürich, Feldstrasse 42, 8090 Zürich - www.zurichforensic.org Drohungen PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 2 Drohungen als Prädiktor für Gewalt o Drohungen sind weder hinreichende noch notwendige Bedingung für schwere Gewaltdelikte o Aber: Retrospektiv häufig Drohungen im Vorfeld schwerer Gewalthandlungen o Darum: Drohungen ernst nehmen und bewerten PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 3 Inhaltliche Merkmale der Drohungen I Merkmale hoher Ausführungsgefahr: o Spezifische Details wie genaue Angaben … o o o o o zur Identität des Opfers, zum Motiv, zu Mitteln, zum Ausführungszeitpunkt zum Vorgehen PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 4 Inhaltliche Merkmale der Drohungen II Merkmale niedriger Ausführungsgefahr: o Mangel an Details o Unlogische, unwichtige oder undurchführbare Details o Kein Zusammenhang zwischen emotionalem Gehalt der Drohung und der Ausführungswahrscheinlichkeit PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 5 Schizophrenie bei Drohenden o Das Vorliegen einer wahnhaften/paranoiden Störung erhöht die Ausführungswahrscheinlichkeit einer Drohung o Zürcher Forensik Studie: 11% aller Gewalt- und Sexualstraftäter litten an einer Schizophrenie PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 6 Suizidalität bei Drohenden o Retrospektiv fanden sich unter 83 Attentätern bei 24% frühere Selbstmordversuche und bei 41% Suiziddrohungen. o Fast 75% jugendlicher Gewalttäter an Schulen drohten vor der Tat mit Selbstmord, machten suizidale Gesten oder Selbstmordversuche. PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 7 Täter-Opfer-Beziehung o Persönliche oder intime Beziehungen zum Opfer erhöhen die Ausführungsgefahr bei Drohungen. PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 8 Beobachtbares Verhalten o Viele Ähnlichkeiten im Verhalten von Attentätern in den Wochen vor der Tat, z.B.: o Auffällig übertriebenes Interesse an der Zielperson im Gespräch, in Tagebüchern und Leserbriefen o Auskundschaften von Lokalitäten, die sie mit der Zielperson in Verbindung bringen o Waffenbeschaffung o Interesse an anderen Attentaten o Bei Schülern: besonders blutrünstige Schularbeiten o In 75% der Fälle wurde dieses „attack-related behaviour“ vom Umfeld wahrgenommen, aber nicht als Warnzeichen gewertet. PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 9 Zusammenfassung: Drohungen I o Risikomerkmale bei Drohungen o Hoher Konkretisierungsgrad der Drohung o Exklusivität der Täter- Opfer-Beziehung o Progredienz o Wahrnehmungseinengung o Akute oder latente Suizidalität o D +: Syndrome PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 10 Zusammenfassung: Drohungen II o Protektive Merkmale bei Drohungen o Entaktualisierung des Konflikts o Nicht gewalttätige Handlungsalternativen o Gewaltpräventive soziale Bindungen PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 11 Prognostische Syndrome PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 12 Drohungen (D+) o Drohungen (D+) (= zusätzliche Risikodisposition) o o ! ! ! Psychose (z.B. im Rahmen einer Schizophrenie) Paranoide Persönlichkeit Narzisstische Persönlichkeit Dissoziale Persönlichkeit Psychopathie o Aktuelle oder frühere Gewalthandlungen o Aktueller oder früherer Waffeneinsatz o Waffenaffinität PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 13 Paranoide Persönlichkeit o Paranoide Persönlichkeit o Übertriebene Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung o Neigung zu ständigem Groll wegen der Weigerung, Beleidigungen, Verletzungen oder Missachtungen zu verzeihen o Misstrauen und starke Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden o Streitsüchtiges und beharrliches, situations-unangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten o Häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners o Tendenz zu stark überhöhtem Selbstwertgefühl, das sich in ständiger Selbstbezogenheit zeigt PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 14 Narzisstisches Syndrom o Ein tiefgreifendes Muster von Grossartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie o Übertriebene Anspruchshaltung o Diskrepanz zwischen grossartiger Selbstinszenierung an der Oberfläche und geringem Selbstwertempfinden in der Tiefe der Persönlichkeit o Hohe Kränkbarkeit und Auslösbarkeit von Wut PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 15 Dissoziales Syndrom o Herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer o Deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen o Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen aber keine Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen o Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätige Verhalten o Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein oder zum Lernen aus Erfahrung, besonders aus Bestrafung PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 16 Psychopathie I o Item 1: Oberflächlicher Charme o Item 2: Übersteigertes Selbstwertgefühl o Item 3: Stimulationsbedürfnis o Item 4: Pathologisches Lügen o Item 5: Betrügerisches manipulatives Verhalten o Item 6: Fehlendes Schuldbewusstsein o Item 7: Oberflächliche Gefühle o Item 8: Fehlen von Empathie o Item 9: Parasitärer Lebensstil o Item 10: Unzureichende Verhaltenskontrolle o Item 11: Promiskes sexuelles Verhalten o Item 12: Frühe Verhaltensauffälligkeiten PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 17 Psychopathie II o Item 13: Fehlen von langfristigen realistischen Zielen o Item 14: Impulsivität o Item 15: Verantwortungslosigkeit o Item 16: Mangelnde Verantwortungsübernahme für eigene Handlungen o Item 17: Viele kurzzeitige eheähnliche Beziehungen o Item 18: Jugendliche Delinquenz o Item 19: Widerruf bei bedingter Entlassung o Item 20: Polymorphe Kriminalität PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 18 Auswahl spezieller Syndrome PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 19 Pathologisches Lügen o Nützlich vs. nicht Nützlich statt Wahr vs. Unwahr o Keine Hemmschwelle für Lügen o Lügen werden geschickt, effektiv und instrumentalisierend eingesetzt o Drittpersonen verkennen diesen Mechanismus oft PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 20 Instrumentalisierung von Beziehungen o Die Beziehungsaufnahme und Beziehungsgestaltung sind strategisch und zweckgerichtet motiviert und gestaltet o Manipulatives Vorgehen im persönlichen Kontakt PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 21 Internet o Forschung & Studien: www.zurichforensic.org o FOTRES: www.fotres.ch o Weiterbildung: www.iotschweiz.ch Zürcher Opferschutz-Charta: www.z-o-c.org PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 22 Literatur o Urbaniok, F. (2003): Was sind das für Menschen Was können wir tun. Bern: Zytglogge. o Endrass J, Rossegger A, Urbaniok F (2007): Die Zürcher Forensik Studie. http://www.zurichforensic.org/1/1_2/PDF_Dokumente/ABSC HLUSSBERICHT_MV_November2007_definitiv.pdf PD Dr. med. Frank Urbaniok, 29. April 2009 23