Therapieplan in der Forensik

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29.06.2013
ISFP 17. Mai 2013
Dr. B. Borchard
Therapieplan in der Forensik
Ubben (2010)
Verhaltenstherapie ist…
•
p
problemlöseorientiert
und aktivierend: die Behandlung
g orientiert sich an
Konzepten wie dem Problemlösemodell, der Eigenverantwortung und der
Ressourcenaktivierung
•
evidenzbasiert und individualisiert: die Behandlung basiert einerseits auf
empirisch abgesichertem störungsspezifischen Wissen und daraus
abgeleiteten, oftmals manualisierten Interventionsformen, verbindet dies
andererseits mit einem individualisierten Behandlungsplan
•
gegenwartsbezogen und kompetenzaufbauend: in einer modernen
Verhaltenstherapie werden die Phänomenologie und die Funktionalität der
aktuellen Störung durch ein verhaltensanalytisches Störungsmodell
abgebildet. Ein daraus abgeleiteter Behandlungsplan ist die Grundlage für
den Aufbau eigener Problemlösekompetenzen
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29.06.2013
Der aufgeklärte Klient
•
Ziel der verhaltenstherapeutischen
p
Behandlung:
g den Klienten vom
ersten Kontakt an zu befähigen, seine Probleme ohne den Therapeuten zu
bewältigen
–
•
•
Der Klient soll zu einem Experten für seine Probleme werden und sich in der Therapie
entsprechendes Wissen und Fertigkeiten aneignen, damit er in Zukunft ohne therapeutische
Unterstützung schwierige Situationen meistern kann
Für forensische Klienten bedeutet dies, dass sie ihr Delikt verstehen, die
Hintergründe die zur Tatbegehung geführt haben kennen, dysfunktionale
Strategien und psychische Störungen positiv beeinflussen lernen und ein
funktionales System zur Rückfallvermeidung etablieren müssen
Eigenverantwortung ist ein zentrales Konzept in der Behandlung und so
dient ein gemeinsam erstellter differenzierter Therapieplan verbunden
mit Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Verbindlichkeit der Förderung
von intrinsischer Therapie- und Veränderungsmotivation
Wittchen & Hoyer (2006)
Zielsetzung der Diagnostik…
•
•
•
•
•
•
•
•
Beschreibung, Klassifikation, Erklärung, Prognose und Evaluation
psychischer
p
y
Störungen
g und – bei deliktpräventiven
p
Therapien
p
- von
Delikthintergünden (z.B. Zusammenspiel prognostischer Syndrome im
Deliktmechanismus).
klassifikatorische Diagnostik, wie beispielsweise die Zuordnung einer
psychischen Störung zu einer Diagnose gemäss der Internationalen
Klassifikation Psychischer Störungen
dispositionelle Diagnostik (z.B. Persönlichkeitsdiagnostik)
biografische Diagnostik (Beschreibungen der Person und ihrer Vergangenheit)
funktionale Diagnostik (Verhaltensanalyse und funktionale Bedingungsanalyse)
Indikationsfragen (welche Intervention für was)
Verlaufs- und Prozessdiagnostik und
Erfolgsdiagnostik
Die Aufzählung verdeutlicht, dass Diagnostik in der Verhaltenstherapie nicht
einmalig, sondern fortlaufend durchgeführt wird und die Ergebnisse in den
Therapieprozess und die Aktualisierung des Therapieplans einfliessen
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Plananalyse
•
•
•
•
•
Situative Verhaltensanalyse: das Problemverhalten wird genau beschrieben,
wobei die jjeweils vorausgehenden,
g
begleitenden
g
und nachfolgenden
g
Gedanken,
Gefühle, körperlichen Zustände und Verhaltensweisen genau analysiert werden
(s.Deliktrekonstruktion und Deliktteilarbeit)
Analyse der Entstehungsbedingungen, des bisherigen Umgangs mit dem
Problemverhalten, der aufrechterhaltenden Bedingungen und einer
subjektiven Erklärungshypothese
Makro-Ebene: es werden zudem Pläne, Regeln und Ziele des Klienten sowie
sein soziales Umfeld in die Problemanalyse mit ein bezogen
Die empirisch validierte Plananalyse nach Caspar (2007) ergänzt die
Therapieplanung auf der Basis störungsspezifischen Wissens um die
individuelle personenzentrierte Perspektive
Die Plananalyse will das innere Schema oder Drehbuch des Klienten (das
nicht immer bewusst sein muss) erkennen, beschreiben, bewusst machen und
einem Veränderungsprozess zugänglich machen
Plananalyse
•
Plananalyse ergänzt die biographische Anamnese durch:
– die Formulierung
g der zentralen p
positiven Pläne,,
– der zentralen Vermeidungspläne und
– des Selbstkonzeptes des Klienten inklusive der Darstellung der elaboriertesten Mittel,
dieses Selbstkonzept zu schützen, aufrechtzuerhalten und anderen zu vermitteln
• Leitfragen in der Plananalyse:
•
•
•
•
•
•
•
Welche Gefühle und Eindrücke löst der Klient bei mir und anderen aus?
Was will er bei mir und anderen erreichen, wozu will er mich und andere
bringen, welche Verhaltenstendenzen auslösen?
W l h Bild von sich
Welches
i h versucht
ht er mir
i und
d anderen
d
zu vermitteln?
itt l ?
Welches Bild von sich versucht er für sich selber aufrechtzuerhalten?
Welches Verhalten von mir und anderen würde gar nicht in die Situation
passen, würde schwer fallen, versucht er zu verhindern?
Wozu verhält ein Mensch sich in einer bestimmten Weise?
Welcher bewusste oder unbewusste Zweck könnte hinter einem bestimmten
Aspekt des Verhaltens oder Erlebens eines Menschen stehen?
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Plananalyse
•
Therapeuten, die auf der Basis einer Plananalyse verhaltenstherapeutisch
arbeiten werden meist von Klienten als kompetenter,
p
kooperativer
p
und
unproblematischer angesehen als Verhaltens- und Gesprächstherapeuten
ohne Plananalyse
•
In einer deliktorientierten Therapie kann eine Plananalyse die Ergebnisse
– der Deliktrekonstruktion,
– die Formulierung des Deliktmechanismus und
– die Auswahl der prognostischen Syndrome
– mit einem persönlichkeitszentrierten Ansatz verbinden und sowohl
Struktur als auch einen inhaltlichen roten Faden in den
therapeutischen Prozess bringen
Zielvereinbarung
•
•
Es sollten Therapieziele formuliert werden,
– die im Einklang mit den Lebenszielen des Klienten stehen (vgl.
Plananalyse) und
– nichts mit dem deliktrelevanten Problemverhalten zu tun haben
Im Vordergrund stehen dabei Aspekte wie
– das Operationalisieren und Konkretisieren vorher vager
Zielperspektiven,
– die Überprüfung des Realitätsgehaltes der Zielperspektiven,
– die Beurteilung der Klientenkapazitäten zur Zielerreichung,
– positive Ressourcen oder
– hemmende Faktoren im sozialen und materiellen natürlichen Umfeld
und
– normative Überlegungen bzw. ethisch-moralische Fragen
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Planung, Auswahl und Durchführung
spezifischer Methoden
•
•
Auf der Basis der gewonnenen Informationen werden die speziellen
Interventionen ((z.B. Deliktteil- oder Fantasiearbeit)) ausgewählt
g
und
durchgeführt
Kanfer et al. (2005) fordern dazu eine detaillierte Therapieplanung um
sicher zu stellen,
– dass die Probleme differenziert und umfassend verstanden wurden,
– Ziele klar und konkret formuliert wurden und
– motivationale Aspekte sowie
– das Therapiesetting kontinuierlich beachtet und abgestimmt werden
Planung, Auswahl und Durchführung
spezifischer Methoden
•
•
•
Strategische Planung: legt die grobe Richtung der Veränderung sowie die
Veränderungsprinzipien
g p
p
fest
– So könnte im Rahmen der deliktpräventiven Therapie die Planung sein,
dass der Straftäter zum Experten seines Tatverhaltens wird, wofür eine
genaue Deliktanalyse und deliktfokussiernde Ansätze integraler Bestandteil
der Behandlung sind
Taktische Planung: beinhaltet die konkrete Ausgestaltung der therapeutischen
Schritte und gibt in einer deliktpräventiven Therapie Antworten auf die Frage,
wann genau und ob im einzel- oder gruppentherapeutischen Setting ein
Deliktpanorama
p
erstellt wird oder zu welchem Zeitpunkt
p
mit welchem konkreten
Delikt die Deliktteilarbeit eingeführt wird
Dem Prinzip der Zielorientierung folgend wird in der deliktpräventiven Therapie
von Straftätern hinsichtlich der Auswahl der Techniken eine pragmatische
Einstellung empfohlen: Es sollten – basierend auf der individuellen
Fallkonzeption und Wissen um evidenzbasiertes Vorgehen - die jeweils
nützlichsten Methoden und Interventionen zur Anwendung kommen. Die
Effektivität der therapeutischen Interventionen sollte laufend im Sinne eines
ergebnisorientierten Optimierens überprüft werden (Verlaufsdiagnostik)
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Übersicht Therapieplan
•
• Einschätzung von Störung, Gefährlichkeit, Behandlungsbedürftigkeit
(Aktenauswertung, FOTRES, PCL-R, VRAG, SORAG, Static-99, klinische
Urteilsbildung)
• Einschätzung von Behandlungsfähigkeit (Einsicht, Leidensdruck,
Therapiemotivation, Veränderungsmotivation, Introspektionsfähigkeit,
Reflektionsfähigkeit, Gruppenfähigkeit, Flexibilität)
• Formulierung der zu behandelnden deliktrelevanten Problembereiche
(z.B. nach FOTRES)
• Formulierung des Deliktmechanismus (Hypothese der Behandler und des
Klienten)
• Formulierung
F
li
d
der psychotherapeutischen
h th
ti h Problembereiche,
P bl b i h Ziele
Zi l und
d
Behandlungsmassnahmen
• Formulierung der durch alltags- und verhaltens- bzw. erlebnisnah zu
behandelnden milieutherapeutischen Problembereiche, Ziele und
Behandlungsmassnahmen (z.B. nach BEST-Index; SAPROF o.ä.)
• Formulierung vorhandener bzw. zu aktivierender Ressourcen des zu
Behandelnden
s. Vitomed (FM; LW)
Schema Behandlungsplanung in der Forensik
aus: Borchard & Haug, 2012
Prinzipien
forensischer
Behandlung nach
Andrews u. Bonta
Wirkfaktoren
psychotherapeutischer
Behandlung nach Grawe
Forensische und
allgemeinpsychotherapeutische
Interventionen (u.a. Marshall, Urbaniok,
Sachse, Endrass et al.)
K ti i li h
Kontinuierliche
Berücksichtigung
von Risiko-,
Bedürfnis- und
Ansprechbarkeitsprinzip
Problemaktualisierung
P
bl
kt li i
(prozessual, intrapersonal
u. interpersonell)
Deliktpanorama, Deliktrekonstruktion
Deliktpanorama
Deliktrekonstr ktion
Reflektierter sozialer Alltag
Aufbau von therapeutischer Beziehung und
Therapiemotivation
Therapeutische Klärung
Lebenspanorama
Auswertung Deliktpanorama, Deliktrekonstruktion,
Biografiearbeit
Themenzentrierte Therapiegespräche
Problembewältigung
Deliktteil-Arbeit, Fantasiearbeit
Aufbau von Veränderungsmotivation
R fl k i
Reflektierter
sozialer
i l All
Alltag
Problemlösetraining, Feedback, Modelllernen und
konstruktiver Verhaltensaufbau
Spezifische Störungsbehandlung (Sucht, Trauma,
Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung etc.)
Psychopharmakologische Unterstützung
Alltagsnahes Risikomanagement
Ressourcenaktivierung
Auswertung Lebenspanorama u. Biografiearbeit
Reflektierter sozialer Alltag Freizeitgestaltung;
begleitete Ausgänge; Zukunftsplanung
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deliktorientierte Behandlungselemente I
(nach Urbaniok)
• Aufdeckung fördern (nicht angezeigte Straftaten offen legen)
• Deliktrekonstruktion (Rekonstruktion des Tatgeschehens in
detaillierte Sequenzen und mit den jeweils mit der Szene
verbundenen Gedanken, Gefühlen, Wahrnehmungen,
Handlungen)
• Aufhebung kognitiver Verzerrungen (Beschönigungen,
Bagatellisierungen Verdrängungen,
Bagatellisierungen,
Verdrängungen …))
• Etablierung von „Delikt-Know-how“ (Bewusstsein über
möglichst viele Aspekte des Tatverhaltens)
deliktorientierte Behandlungselemente II
(nach Urbaniok)
• Erklärungskontext für die Tat finden und herausarbeiten
(Verständnis für Entstehungsbedingungen und Ursachen)
• Tatzyklus erarbeiten (Tatentwicklung)
• Affektive Kompetenz steigern (eigene Gefühle besser
wahrnehmen und einordnen können – wer das kann, kann
Risiken frühzeitiger erkennen)
• Nachfühlen des Opfererlebens ermöglichen (Opferempathie)
• Permanenten Wachsamkeitspegel erzeugen und
aufrechterhalten (durchgehende Aufmerksamkeit gegenüber
allen tatrelevanten Aspekten)
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deliktorientierte Behandlungselemente III
(nach Urbaniok)
• Risikoentwicklungen frühzeitig erkennen (auch kleine
Anzeichen)
• Fantasiearbeit (z.B. tatrelevante Sexualfantasien kontrollieren
und verändern können)
• Kontrolle und Steuerung erhöhen (lernen, eigenes Verhalten
besser zu steuern)
• „Deliktteil-Arbeit“
Deliktteil Arbeit“ (therapeutisches Modell
Modell, um den eigenen
Deliktteil erkennen und verändern zu können)
• Offenheit lernen (Fähigkeit, über alles reden zu können)
deliktorientierte Behandlungselemente IV
(nach Urbaniok)
• Täteridentität bilden (Zugang zur eigenen Täterseite fördern)
• Aggressions- und Sexualpädagogik (Wissen vermitteln im
Bereich Gewalt und Sexualität)
• Soziales Kompetenz-Training (Fähigkeiten zum kompetenten
Umgang mit vielfältigen Lebenssituationen lernen:
Beziehungsverhalten, Verhalten in Konfliktsituationen, …)
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