Keine Angst vor Schwarzem Loch

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52 | Wissen
Sonntag, 25. Juni 2017
Wissen | 53
Sonntag, 25. Juni 2017
Schwarze Löcher
Gefahr: Als bekannt wurde,
dass bei einem Experiment am
Kernforschungszentrum in Genf
Mini-Schwarze-Löcher entstehen
könnten, entbrannte eine Diskussion, ob diese Löcher nicht wachsen würden und schließlich die
gesamte Erde verschlingen. Selbst
wenn unsere Sonne ein schwarzes
Loch wäre, würden alle Planeten
auf ihren Bahnen bleiben. Nur in
der Nähe des Schwarzschildradius
(im Falle der Sonne drei Kilometer)
wird es gefährlich.
Infrarotaufnahme vom
Zentrum
der Milchstraße (gr.
Foto). Eine
Spiralgalaxie wie
unsere
Milchstraße (Foto r.).
Praktisch
alle Galaxiezentren
beherbergen
Schwarze
Löcher.
Spaghettifizierung: Dies ist ein
Fachbegriff, der 1988 von Physiker Steven Hawking geprägt wurde. Menschen (und die Materie)
würden in der Nähe von Schwarzen Löchern langgezogen wie die
italienische Spezialität: denn beim
Sprung ins Schwarze Loch wäre
Schwerkraft an den Beinen deutlich stärker als am Kopf.
SHUTTERSTOCK (2)
Von Robert Seeberger
F
aszinierend ist die Überlegung, dass – sollte der
Sturz in ein Schwarzes
Loch überlebt werden – sich das
Tor zu einem Paralleluniversum
auftun könnte. Eine „Abkürzung“ durch ein Schwarzes Loch
zu weit entlegenen Gebieten des
Weltalls wäre eine andere Möglichkeit.
Der britische Naturforscher
John Michell befasste sich Ende
des 18. Jahrhunderts intensiv mit
der Schwerkraft und spekulierte
über dunkle Sterne, deren Gravitation ausreicht, um Licht gefangen zu halten. Damals wurde
davon ausgegangen, dass Licht
aus festen Teilchen, sogenannten Korpuskeln besteht. In der
klassischen Schwerkrafttheorie
passt das Bild perfekt: Je größer
die Anziehungskraft eines Körpers ist, umso schwerer kann
man diesem entfliehen. Raketen
müssen auf eine Geschwindigkeit von 11.200 Meter pro Sekunde gebracht werden, damit
sie nicht auf einer gekrümmten
Keine Angst vor
Schwarzem Loch
Der Begriff des Schwarzen Lochs beflügelt die
Fantasie von Science-Fiction-Autoren. Eine
­gewaltige Masse, die alles in ihrer Umgebung
verschluckt – unheimlich und furchterregend.
Bahn auf die Erde zurückfallen.
Vom Mond lässt es sich mit einer
viel geringeren Geschwindigkeit
(2400 Meter pro Sekunde) loskommen. Wenn man eine Masse
auf einen sehr kleinen Raum zusammendrückt, so gibt es eine
Grenze ab der die höchstmögliche Geschwindigkeit, nämlich
die Lichtgeschwindigkeit, nicht
mehr ausreicht, um dem Körper
zu entkommen. Alles, was sich
innerhalb dieses Radius abspielt,
ist für die Außenwelt unzugänglich. Diese Grenze wird nach
einem deutschen Astronomen
Schwarzschild-Radius genannt.
Karl Schwarzschild stellte diese Überlegungen im Jahre 1916
auf Grundlage der allgemeinen
Relativitätstheorie Einsteins an.
Der kritische Radius hängt nur
von der Masse des Körpers ab.
Die Supernova. Ein Beispiel:
Könnte man die Erde auf neun
Millimeter oder die Sonne auf
knapp drei Kilometer zusammendrücken, so wären die beiden Himmelskörper Schwarze
Löcher. Lange Zeit blieb die
Frage ungeklärt, ob in der Na-
tur Kräfte existieren, die Sterne
derart zusammenpressen können. Die theoretische Antwort
kam aus der Sternphysik. Massereiche Sterne explodieren am
Ende ihres Daseins in einer sogenannten Supernova. Gas wird
in alle Richtungen ausgeworfen,
im Inneren verbleibt jedoch ein
Rest. Beträgt diese Restmasse
mehr als 2,5 bis drei Sonnenmassen, so entsteht theoretisch ein
Schwarzes Loch. Der anschauliche Begriff wurde von dem
US-Physiker John Archibald
Wheeler verbreitet. Das Objekt
müsse klarerweise schwarz sein,
da nicht einmal Licht entweichen kann. Heute sind Theorien,
die Schwarze Löcher mit millionenfacher Sonnenmasse beschreiben, verbreitet.
Theoretisch gibt es sie also,
die Schwarzen Löcher. Doch wie
soll ein Objekt, das kein Licht
aussenden kann, je entdeckt
werden? Die Astronomen wenden dazu indirekte Methoden
an. An Hand unserer Milchstraße wird dies nachvollzogen:
Die
Milchstraße lässt sich in mondlosen dunklen Nächten als
milchig trübes Band, das sich
quer über den Himmel zieht,
beobachten. Sie besteht aus
mindestens 100 Milliarden Sternen, die mit freiem Auge nicht
unterschieden werden können.
Sonne und Erde befinden sich
innerhalb der Milchstraße, etwa
25.000 Lichtjahre vom Zentrum
entfernt. Unsere Galaxie hat einen Durchmesser von 100.000
Lichtjahren und ist eine flache
Scheibe von maximal 2000
100
Milliarden
Sterne.
Lichtjahren Stärke. In der Mitte gibt es eine Verdickung. Von
oben betrachtet würde man eine
spiralförmige Struktur erkennen. Neben den unzähligen Sternen finden sich Gas- und Staubmassen in den Spiralarmen.
Weil sich die Erde innerhalb
der Milchstraße befindet war
es recht schwierig, deren Struktur zu ergründen. Erst ab den
1930er-Jahren wurden Signale
im Radiowellenbereich auch
aus der Milchstraße wahrgenommen. Diese Wellen können
Staub und Gas durchdringen
und so gelang es obiges Bild der
Milchstraße zu zeichnen. Einer
der Pioniere der Radioastronomie, Karl Jansky von den Bell
Laboratories, konnte Radioquellen entlang des Milchstraßenbandes empfangen. Eine besonders intensive Strahlung kam
aus der Richtung des Sternbilds
Schütze. Hier vermuteten Astronomen das Zentrum unserer
Milchstraße. 1974 wurde die
Radioquelle Sagittarius A* genauer lokalisiert. Die starke Radiostrahlung kommt aus einem
nur 100 Millionen Kilometer
kleinen Gebiet. Dafür kommt
nur ein Schwarzes Loch infrage.
Satelliten, die intensive Röntgenstrahlung von Sgt A* empfangen hatten, ergänzten das
Bild: innerhalb weniger Stunden
nimmt die Röntgenintensität um
das 50-fache zu. Materie in der
unmittelbaren Umgebung des
Schwarzen Loches sendet diese
hochenergetische Strahlung aus.
Blick verwehrt. Im sichtbaren
Licht bleibt der Blick ins galaktische Zentrum durch Staub
und Gas verwehrt. Anfang der
1990er-Jahre gelang es einer
Gruppe um Reinhard Genzel vom
Max- Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im
infraroten Licht Sterne in unmittelbarer Umgebung des Milchstraßenzentrums zu beobachten.
Aus der hohen Geschwindigkeit
der Sterne auf engstem Raum
lässt sich auf eine Masse des Zentralkörpers von vier Mil­
lionen
Sonnenmassen schließen. Die
Ergebnisse wurden seither durch
Daten des Hubble-Weltraumtele-
skops bestätigt und verfeinert. In
einem Umkreis von 50 Lichtjahren um das Milchstraßenzentrum
wurden über eine halbe Million
Sterne gezählt.
Unsere Milchstraße ist eine
von etwa 100 Milliarden Galaxien im Universum. Ist das
Schwarze Loch im Zentrum eine
Besonderheit unserer Galaxie?
Etwa ein Zehntel aller Galaxien
weist eine extrem hohe Leuchtkraft in ihren Zentren auf. Typische Merkmale in ihren Spektren haben diese Galaxien zu
einer eigenen Klasse gemacht.
In ihren Zentren werden massive Schwarze Löcher vermutet.
Heute gehen Experten davon
aus, dass praktisch alle Spiralgalaxien Schwarze Löcher mit bis
zu 100 Millionen Sonnenmassen
beheimaten.
Bei aktiven Galaxien nimmt
das Schwarze Loch gerade Materie auf, was zum Helligkeitsausbruch führt. Die Schwarzen
Löcher „normaler“ Galaxien – so
wie die unserer Milchstraße –
verschlucken derzeit keine Gaswolken und Sterne.
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