PD Dr. Peter Gottfried SS 2004 EUROPÄISCHE WIRTSCHAFT I. Organisatorisches II. Literaturgrundlage • Hitiris, Theo (1998): European Union Economics, 4th ed., Prentice Hall, London u.a. • Klemmer, Paul (1998) (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik, Vahlen, München. • Artis, Mike und Norman, Lee (1997) (Hrsg.): The Economics of the European Union. Policy and Analysis, Oxford University Press, Oxford. • Vorlesungsbegleitende Folien im Netz. 1 III. Übersicht über die Veranstaltung 1. Regionale wirtschaftliche Integration, Ziele und Wirkungen (Freihandelszonen, Zollunion, Gemeinsamer Markt etc.) 2. Geschichte und Institutionen der Europäischen Union (Römische Verträge bis Vertrag von Amsterdam; Europäischer Rat, Parlament, Kommission, EuGH etc.) 3. Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages und Stabilitätspakt: Gibt es verschuldungsbedingte Inflationsanreize? 4. Einige wirtschaftliche Daten und EU-Budget (Sozialprodukt, Beschäftigung, Handel etc.; EU-Einnahmen und -Ausgaben) 5. Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) (Instrumente und Wirkungen; aktuell: Bananenmarktordnung) 6. EU-Steuerpolitik (Mehrwertsteuer; Kapitaleinkommensbesteuerung; Steuerwettbewerb vs. Steuerharmonisierung) 7. Europäische Umweltpolitik (Europäische CO2-Steuer?) 8. Geld- und Währungspolitik 9. Sozialpolitik 10. Industrie- und Handelspolitik 11. EU-Osterweiterung 12. Arbeitsmärkte 2 Kapitel 1: Regionale wirtschaftliche Integration: Ziele und Wirkungen Freihandel zwischen Mitgliedstaaten Gemeinsamer Außenzoll Freie Mobilität von Faktoren Harmonisierte Einheitliche Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik Freihandelszone; free trade area (FTA) X Zollunion; customs union (CU) X X Gemeinsamer Markt; common market (CM) X X X Wirtschafts-gemeinschaft; economic union (EU) X X X X Vollständige Integration; complete integration (EI) X X X X 3 X A. Wirkungen von FTA, CU, CM Annahme: (Potentielle) Mitgliedsländer sind kleine offene Volkswirtschaften ( KOV ) . KOV bedeutet: gegebener Weltmarktpreis ( Pw ) Vorbemerkung 1: Zollwirkung im Partialmodell Abbildung 1: Price A S E H pt pw d G 0 F a C g c Q 1 b j h Q B 3 Notation: S: inländisches Güterangebot D: inländische Güternachfrage M ( = D − S > 0) : Importnachfrage 4 W D k Q 2 Wt Q 4 Quantity X ( = S − D > 0) : Exportangebot W: Güterangebot aus Rest der Welt (ROW) • Gleichgewicht ohne Zoll: S = Q1 ; D = Q4 ; M = Q4 − Q1 =: Q1Q4 Ausgaben der inländischen Konsumenten: Pw ⋅ Q4 = g + h+ j+k 1 424 3 = Pw ⋅ Q1 + Pw ⋅ (Q1Q4 ) Pw ⋅ Q1 : Ausgaben für den Kauf der inländischen Güterproduktion Pw ⋅ (Q1Q4 ) : Ausgaben für Importe (in heimischer Währung) Konsumentenrente: ABPw Produzentenrente: GCPw Gesamtwohlfahrt: ABPw + GCPw 5 • Gleichgewicht mit Zoll: Unterscheide: Mengenzoll Pt = Pw + t Wertzoll Pt = Pw (1 + t ) S = Q2 ; D = Q3 ; M = Q3Q2 Wirkungen der Zollerhebung: a) Preiseffekt: Pw → Pt = Pw + t b) Nachfrageeffekt: Q4 → Q3 c) Veränderung der Konsumentenrente (Verlust an ~) ABPw − AFPt = d + a + c + b d) Produktionseffekt: Q1 → Q2 e) Veränderung der Produzentenrente (Zunahme an): d f) Importeffekt: Q1Q4 → Q2 Q3 g) Veränderung der Ausgaben für Importe in heimischer Währung h) (Rückgang): h+k Zollaufkommen: c 6 i) j) Umverteilungseffekte: Konsumenten verlieren ( d + a + b + c) Produzenten gewinnen (d ) Staat "gewinnt" ( c) (Netto-) Wohlfahrtseffekte − ( d + a + b + c) + d + c = −( a + b) Ökonomische Interpretation der "Harberger-Dreiecke" a und b: a: Die Zunahme der inländischen Produktion von Q1 auf Q2 verursacht zusätzliche Produktionskosten in Höhe von (a + h ) . Die Fläche h entspricht den Produktionskosten der Menge Q1Q2 im Ausland. Die Fläche a sind also gerade die vermeidbaren Produktionskosten. b: Der Nachfragerückgang Q3 Q4 führt zu Nutzenverlusten in Höhe von ( b + k ) . Die Fläche k gibt die eingesparten Ausgaben zu Weltmarktpreisen an; b ist der Netto-Nutzenverlust für die Konsumenten. Fazit: In KOV ist Zoll wohlfahrtsmindernd. Frage: Warum erhebt KOV dann Zoll? → Schutz der heimischen Industrie (auf Kosten der inländischen Konsumenten). (Argument ist in großer offener Volkswirtschaft zu modifizieren). 7 Beachte mengenmäßige Äquivalenz von Zoll ( t ) und Importquote in Höhe von Q2 Q3 . Wohlfahrtsmäßige Äquivalenz nur, wenn Importquoten vom Staat versteigert werden. Staatliche Einnahmen aus der Versteigerung sind gerade c. Bei Verzicht auf Verkauf von Importlizenzen bewirken Importquoten um c größere Wohlfahrtsverluste als mengenmäßig äquivalente Zölle. Grund: c geht statt an den heimischen Staat an die ausländischen Produzenten. Beachte, dass Förderung der heimischen Produktion um Q1Q2 durch Produktionssubvention "besser" erreicht werden kann als durch Zoll. Angebotskurve verschiebt sich von S nach S'. 8 Abbildung 2: Price A S S’ E H pt pw d c a C G g 0 F 1 b B j h Q Wt Q D k Q 2 W Q 3 4 Quantity Weltmarktpreis ist weiterhin: Pw Konsumentenrente ist: ABPw (wie vorher) Produzentenrente erhöht sich um: d Staat zahlt ("verliert") Subventions- ( d + a) aufkommen von: d − (d + a) = − a Netto-Wohlfahrtsverlust: Bei Zöllen mit identischem Effekt auf heimische Produktion dagegen: 9 − ( a + b) Vorbemerkung 2: Autarkie vs. Freihandel Abbildung 3: Price Price SA pw b p Price S B XA B c x d z a DB pA M B DA Quantity T Quantity A B Betrachte zwei Länder A und B: Autarkie-Gleichgewichte ergeben sich PB > PA . bei Preisen PA und PB , mit Exportangebot(sfunktion) von A ist X A = S A − DA für P > PA . Importnachfrage(funktion) von B ist M B = DB − S B für P < PB . Außenhandelsgleichgewicht liegt bei und Weltmarktpreis Pw (alles ohne Zölle etc.). 10 X A = MB = T Quantity Wohlfahrtseffekte für Land A: Veränderung der Produzentenrente: (b + a) Veränderung der Konsumentenrente: − b (b + a ) − b = a Netto-Wohlfahrtseffekt: = z (klar?) Wohlfahrtseffekte für Land B: Veränderung der Konsumentenrente: (c + d ) Veränderung der Produzentenrente: −c Netto-Wohlfahrtseffekt: (c + d) − c = d = x a+d =x+z Gesamt-Wohlfahrtseffekt: Zollunion (Freihandelszone wird danach betrachtet.) Zollunionsländer vs. ROW H P heimische VW Partnerland home country partner country 11 Ausgangssituation: H erhebt Mengenzoll: t H = Pt H − Pw P erhebt Mengenzoll: t P = Pt P − Pw Nicht-diskriminierender Zoll, d. h. gegen alle Länder in gleicher Höhe gerichtet. Abbildung 4: Price D Price D P S P p t p pu pu cet f x e b z Y a r p SH H p cet H b P g t a c d m s p p w w u 0P Q 7 Q 5 Q 6 Quantity 0H Partner Country Q 4 Q 2 Q1 Home Country 12 Q 3 Quantity Tabelle 1: Ausgangsgleichgewicht Land H Land P Preis Pt H Pt P inländ. Angebot Q2 Q5 inländ. Nachfrage Q1 Q5 Importe Q2 Q1 - woher? ROW - Zollaufkommen e+z - − (a + b + x ) − (m + s ) Netto-Wohlfahrtseffekt gegenüber Freihandel − ( c + d + y) Jetzt: Einführung einer Zollunion von H und P mit gemeinsamem Außenzoll gegen ROW in Höhe von t CET (common external tariff); innerhalb von H und P keine Zollschranken. Im dargestellten Fall kann H zollfrei aus P importieren. [Zollsetzung diskriminiert zwischen P und ROW (aus Sicht von H) bzw. zwischen H und ROW (aus Sicht von P)]. t CET ergibt sich als gewichteter Durchschnitt von t H , t P . [Nach den Bestimmungen des GATT – General Agreement on Tariffs and Trade (jetzt: WTO) – darf das Protektionsniveau nach Zollunion nicht größer sein als vorher.] Frage: Kann die gesamte Importnachfrage von H durch Einfuhren aus P gedeckt werden? 13 Antwort: Hängt davon ab, ob der sich in diesem Fall (d. h. H’s Importe = P’s Exporte) bildende (ggf. hypothetische) unionsinterne Preis Pu über oder unter Pcet liegt. Annahme hier: Pu < Pcet . Betrachte zunächst Effekte der Zollunion auf Land H (= Importland). 14 Tabelle: Zollunionsgleichgewicht für Land H und Veränderung ge- genüber Ausgangsgleichgewicht Gleichgewicht Veränderung Preis Pu ∆P = Pu − Pt H (< 0) inländ. Angebot Q4 ∆Q S = Q4 Q2 ( < 0) inländ. Nachfrage Q3 ∆Q D = Q1Q3 ( > 0) Importe Q4 Q3 woher? P Zollaufkommen - ∆M = Q4 Q3 − Q2 Q1 (> 0) trade creation Handelsschaffung Q2 Q1 statt von ROW jetzt von P trade diversion Handelsumleitung − (e + z) Konsumentenrente + ( f + x + e + y) Produzentenrente − f Netto-Wohlfahrt x+ y−z Vorzeichen unklar 15