BIOLOGISCHE LANDWIRTSCHAFT – ZWISCHEN ETHIK UND WIRTSCHAFTLICHKEIT Autor: Bernhard Freyer 1 INHALTSVERZEICHNIS ZUSAMMENFASSUNG ..............................................................................................1 1 ÜBERKOMMENE ORIENTIERUNGEN IN LANDWIRTSCHAFT UND ERNÄHRUNG ..................................................................................................1 1.1 Beziehungslosigkeit zwischen Stadt und Land ...................................................... 1 1.2 Familienbetrieb oder Unternehmertum – veraltete Modelle................................... 3 1.3 Neuorientierung in der Ernährungssicherung? ...................................................... 3 2 DIE ÖKOLOGISCHE LANDWIRTSCHAFT – IHRE LEISTUNGEN UND GRENZEN ........................................................................................................3 2.1 Was macht den Biolandbau aus – eine Kurzfassung ............................................. 3 2.2 Ökonomie auf dem Vormarsch ................................................................................. 4 2.3 Konventionalisierungs- und Globalisierungsprozesse .......................................... 4 2.4 Womit ernähren wir uns? .......................................................................................... 5 3 KANN EINE ETHISCHE PERSPEKTIVE LÖSUNGEN ANBIETEN? ..............5 3.1 Was meint Ethik im allgemeinen............................................................................... 5 3.2 Ethik in den Richtlinien zur Ökologischen Landwirtschaft.................................... 6 4 ÜBERLEGUNGEN ZU EINER ERWEITEREN ETHIK ENTLANG DER ÖKOLOGISCHEN LEBENSMITTELKETTE ....................................................7 4.1 Positionierung ethischer Grundlegungen ............................................................... 7 4.2 Eckpunkte ethischer Grundlegungen zur Erzeugung und dem Umgang mit LEBENSmitteln ........................................................................................................... 7 4.3 Den Dialog einleiten ................................................................................................... 8 4.4 Eine Unternehmensethik entwickeln........................................................................ 8 4.5 Umorientierung der Politik einfordern ..................................................................... 9 4.6 Die KonsumentInnen zum Handeln auffordern ....................................................... 9 4.7 Ein erweitertes Verständnis vom LandwirtIn sein entwickeln ............................. 10 4.8 Ein angemessenes Einkommen und Fairen Handel gewährleisten .................... 10 5 CONCLUSIO ..................................................................................................10 6 LITERATUR ...................................................................................................11 DANK 11 1 ZUSAMMENFASSUNG In einer von Hedonismus geprägten Gesellschaft, erscheint die Integration von ethischen Ideen in das wirtschaftliche Handeln als ein sehr anspruchsvolles Unterfangen zu sein. Das private Glück (als ein höchstes Gut) anzustreben, ohne das Gute für die Allgemeinheit mit zu beachten, wird in einer globalisierten Welt jedoch zunehmend schwieriger und nur für wenige möglich sein, da die gesellschaftlichen Konflikte sich kaum mehr an Grenzen aufhalten, sondern in alle gesellschaftlichen Schichten sowie in den privaten Bereich hinein diffundieren. Landwirtschaft und Ernährung sind dafür in ihrer flächigen und alltäglichen Präsenz ein gutes Beispiel. Dies verdeutlicht der Einblick in ausgewählte Konfliktfelder, in denen sich die Landwirtschaft im generellen und die konventionelle im besonderen sowie die Gesellschaft heute befinden (Kapitel 1). Die Biologische1 Landwirtschaft versucht durch ihr ökologisches Konzept, einige dieser Konflikte zu entschärfen, es zeigt sich jedoch, dass sie in ihren ökologischen, sozialen und ethischen Ansprüchen bei zunehmendem Wachstum insbesondere durch sogenannte wirtschaftliche Zwänge ebenso an Grenzen stößt (Kapitel 2). Dabei stellt sich jeweils die Frage, inwieweit ein stärkerer Einbezug ethischer Grundlagen der Entschärfung von verschiedenen Konfliktfeldern dienlich sein kann. Grundbegriffe der Ethik im Allgemeinen und ethisch orientierte Aussagen in den Richtlinien der Biologischen Landwirtschaft im Besonderen dienen als eine Art Standortbestimmung (Kapitel 3) und verweisen auf die Notwendigkeit der Erweiterung ethischer Handlungsgrundlagen für die Biologische Landund Lebensmittelwirtschaft. Entlang der gesamten ökologischen Lebensmittelkette werden beispielhaft Perspektiven einer stärkeren Integration ethischen Handelns und den dafür notwendigen Voraussetzungen vorgestellt (Kapitel 4). The integration of ethical concepts into business and economics in a strongly hedonistic society appears to be an ever greater challenge. The pursuit of individual happiness (as a high goal) with no consideration for the common good is becoming increasingly difficult in a globalized world, and will be possible in the future only for a chosen few, given that social conflicts can no longer be contained by national borders and are taking root throughout society, both at the public and the private level. Agriculture and human nutrition, as an omnipresent part of daily life, are an excellent example of this, as can be seen by observing certain conflicts that affect not only agriculture, particularly conventional agriculture, but also society at large (Chapter 1). The ecological concepts employed by organic agriculture are attempting to ease some of these tensions, but it is evident that even organic agriculture, with its ecological, social and ethical demands, is severely limited by economic factors when faced with increasing growth (Chapter 2). The question is to what extent the increased application of ethical principles can contribute to the reduction of conflict potential in these areas. Basic ethics and current ethically-oriented content in organic regulations serve to define organic agriculture’s position (Chapter 3) and point out the necessity for additional ethical guidelines in organic agriculture and food production. Various examples are presented of how ethical behaviour can better be integrated throughout the entire organic food production system, and of what conditions are necessary to achieve this (Chapter 4). 1 ÜBERKOMMENE ORIENTIERUNGEN IN LANDWIRTSCHAFT UND ERNÄHRUNG Die einem ökonomischen Diktat unterliegende und im Sog der Globalisierung stehende herkömmliche Landwirtschaft hat mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Es hat derzeit nicht den Anschein, dass diese Probleme weder mit dieser Wirtschaftsweise noch mit deren Rahmenbedingungen lösbar sind, vielmehr das Festhalten an alten Konzepten und Leitbildern eine Stagnation verursachen. 1.1 Beziehungslosigkeit zwischen Stadt und Land Das Thema Umwelt ist derzeit kein gesellschaftlich hoch stehendes Thema, Landwirtschaft noch weniger. Einen Stadt-Land Dialog (siehe Schweisfurth et al. 2002) gibt es ebenso wenig, wie einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über eine nachhaltige landwirtschaftliche 1 Die Begriffe „Biologisch“ und „ökologisch“ werden im Folgenden synonym verwandt 2 Produktion verbunden mit einer gesunden Ernährungskultur, sieht man einmal von wenigen Lichtblicken wie die „Slow Food“ Bewegung ab. Konsumiert wird, was preiswert ist, sichtbar an dem seit Jahren rückläufigen Anteil des Einkommens an den Lebensmittelausgaben. D.h., es fehlt an einer innergesellschaftlichen Verzahnung entlang der Lebensmittelkette, von den ProduzentInnen bis zu den MedizinerInnen. Das Vertrauen in die Qualität der konventionell erzeugten Lebensmittel und damit die Landwirtschaft insgesamt hat abgenommen. Neben Ursachen, welche unmittelbar in der Art der Produktion, der Verarbeitung und dem Handel zu ergründen sind sowie in Lebensmittelskandalen zum Ausdruck kommen, können folgende Defizite genannt werden: • der Landwirtschaft wird von der Gesellschaft nicht die Bedeutung beigemessen, die ihr von seiner flächenhaften Ausdehnung und Funktionen an sich zukommt: der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung von deutlich unter 5% (in der BRD bei 1,1%), mag dazu beitragen, dass ihr Wert von der Gesellschaft kaum wahrgenommen und honoriert wird. Dass es jedoch ohne Lebensmittel nicht geht, dass mehr als nur Lebensmittel produziert werden, der Wert der Landwirtschaft eigentlich ein weitaus höherer ist, geht im Alltagsgeschehen einer konsumorientierten Gesellschaft unter. • die räumliche und emotionale Distanz zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen ist groß; deren Begegnung findet überwiegend nur noch indirekt im Supermarkt und über die Werbung statt • die Menschen im ländlichen Raum suchen nach Orientierung zwischen Tradition und Moderne. Begriffe wie Nachhaltigkeit oder Biotechnologie kaschieren das eigentliche Problem der Ausblutung sozialer Strukturen und kultureller Identitäten im ländlichen Raum • die Forderung landwirtschaftlicher Interessensverbände nach höheren Direktzahlungen sind zwar wichtig, sie reichen jedoch nicht aus, um sich neu in der Gesellschaft zu positionieren und verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen • die Begriffe Energiewirt oder Rohstoffwirt helfen dabei nicht die Beziehung und das Vertrauen zwischen Stadt und Land, das Vertrauen in die Qualität der Lebensmittel wiederzugewinnen • einen Diskurs über das mangelnde Vertrauen in die Lebensmittel gibt es nur in wenigen Kreisen; selbst Bildungseinrichtungen und Universitäten führen den Dialog über Ethik in der landwirtschaftlichen Produktion nur punktuell • im Handel dominiert: „Billig ist Trumpf“. Ethische Dimensionen spielen praktisch keine Rolle (Ausnahme FAIR Trade) • in der medizinischen Versorgung und in der Heilbehandlung ist die Ernährung ein untergeordneter Aspekt Zusammengefasst lassen sich zwei Vertrauensebenen identifizieren, welche als defizitär zu bezeichnen sind: • Der Mangel an persönlichem Vertrauen zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen: Es fehlt an einer Ansprache von Bewusstseinsebenen, es fehlt die Sicherheit der Integrität / Authentizität • Der Mangel an Systemvertrauen: Es fehlt an Vertrauen in die Funktionsfähigkeit / Richtigkeit abstrakter Prinzipien im Rahmen eines sozialen Systems – hier des landwirtschaftlichen Systems resp. der Ernährungswirtschaft Die Menschen reagieren darauf entweder fatalistisch, d.h. sie nehmen die Dinge wie sie sind oder aber sie entdecken die Ökologische Landwirtschaft und deren Produkte als eine Perspektive. 3 1.2 Familienbetrieb oder Unternehmertum – veraltete Modelle Seitens der Agrarpolitik und bäuerlicher Verbände wird einerseits der Familienbetrieb und andererseits die Betrachtung des Landwirts (nicht die Landwirtin) als Unternehmer propagiert. Beide Zielvorgaben sind kritisch zu beleuchten. Der Familienbetrieb in seiner klassischen Form ist längstens in Auflösung begriffen, d.h., es arbeiten nicht mehr alle Familienmitglieder im Betrieb mit. Grund dafür ist allein schon das geringe Arbeitseinkommen, das heute in der Landwirtschaft erzielbar ist (Gottwald 2003). Das Unternehmerische innerhalb der Landwirtschaft ist aus mehreren Gründen zu hinterfragen. Zum einen ist der/die Landwirt/Landwirtin in einem System von Direktzahlungen und Vorschriften, weitgehend vorgegebenen Preisen sowie einer vor- und nachgelagerten Industrie in einem engen Korsett eingezwängt, welches das eigentliche unternehmerische Handeln erheblich einschränkt. Zum anderen kann er/sie in der Regel nur einmal im Jahr ernten, ist abhängig von der Natur, und somit nicht in der Lage, auf kurzfristige Anforderungen des Marktes zu reagieren. Eine Landwirtschaft, welche dennoch als obersten Maßstab die Wirtschaftlichkeit anstrebt, im Sinne von: das Erreichen eines maximalen Ertrages bei minimalen Kosten, kann nicht nachhaltig sein, vielmehr vernichtet sie Landkultur, Sozialstrukturen und belastet die Umwelt (Fink 2002: 43). Angemessen wären andere als nur ökonomische Unternehmensziele. 1.3 Neuorientierung in der Ernährungssicherung? Diskurse zwischen höchsten Vertretern z. B. des Deutschen Bauernverbandes und kirchlichen Kreisen zeigen die weiterhin erheblichen Differenzen in der Wahrnehmung und der Informiertheit über die globale Ernährungssituation (Vogt 2004/2005: 3). Während einer Tagung im März 2004 in Deutschland vertrat der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes die Leitthese, dass die wachsende Weltbevölkerung nur durch Intensivierung der Landwirtschaft ernährt werden könne. Diese längst widerlegte These wird dazu genutzt, eine intensive Landwirtschaft, den Einsatz von Risikotechnologien und die Zurückstellung von sozialen, kulturellen und ethischen sowie ökologischen Zielen zugunsten einer Wirtschaftlichkeit für immer weniger Unternehmen zu legitimieren. Das Prinzip der Nachhaltigkeit kann damit nicht eingelöst werden. Weitaus differenziertere Positionen vertreten dagegen kirchliche Organisationen, NGOs oder Umweltverbände, wie den Erhalt eigenständiger landwirtschaftlicher Strukturen, die Umverteilung von Einkommen, soziale Gerechtigkeit, den Erhalt von lokaler Sortenvielfalt und anderes mehr. In verschiedenen Papieren, Publikationen und Buchtiteln, sprechen sich die Kirchen für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt aus (Vogt 2004/2005). 2 2.1 DIE ÖKOLOGISCHE LANDWIRTSCHAFT – IHRE LEISTUNGEN UND GRENZEN Was macht den Biolandbau aus – eine Kurzfassung Die ökologische Landwirtschaft darf den Anspruch erheben, die derzeit nachhaltigste Form der Landwirtschaft zu sein. Das wird ihr im Bereich der Umweltleistungen zugestanden. Dass sie auch die ökonomischste Form der Landwirtschaft ist, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden, selbst wenn es viele Hinweise in diese Richtung gibt. Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche, alle sozialen, Gesundheits- und Umweltwirkungen und Langzeitwirkungen wären Gegenstand einer derart komplexen und methodisch anspruchsvollen Gesamtkostennutzenrechnung. Die sozialen Leistungen der Ökologischen Landwirtschaft sind bisher selten Gegenstand von Diskussionen, sie kommen jedoch in vielen Tätigkeiten der ökologischen Praxis zum Ausdruck, wie z. B. dem hohen Anteil an Direktvermarktungsangeboten, welche dem direkten vertrauensbildenden Kontakt zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen dient oder Schulführungen, Tage der offenen Tür und anderes mehr. In der gesamten Lebensmittelkette stehen Sozialleistungen jedoch zunehmend im Spannungsfeld von Ökonomie und Markt. Scheinbar geht hier etwas verloren. Auch wenn die Ökologische Landwirtschaft sich als Erfolgsgeschichte anpreisen lässt, insbesondere in Österreich, so darf nicht übersehen werden, dass sie weltweit zumindest als zertifiziertes Produktionssystem eine marginale Rolle spielt. Die Ökologische Landwirtschaft hat jedoch nicht zum Ziel, einen Nischensport zu betreiben, dies stände im Widerspruch zu 4 ihrer gesamten Botschaft. Wie aber kann sie sich weiter ausbreiten? Reicht das ökologische Argument, der Nachweis der ökonomischen Vorzüglichkeit, die gesunden Lebensmittel als Zugpferde, oder braucht es noch etwas anderes, um der Ökologischen Landwirtschaft global zu einem beträchtlichen Wachstum zu verhelfen? 2.2 Ökonomie auf dem Vormarsch Die ökologische Lebensmittelkette ist für alle daran mitwirkenden Subsysteme – landwirtschaftliche Praxis, Verarbeitung, Handel, Transportwesen und Konsum – mit hohen und komplexen Anforderungen verbunden. Mehrarbeit, Kontrollaufwand, zusätzliche Kosten oder hohe Preise sind Argumente gegen die biologische Produktion resp. deren Produkte. Bio ist keine „Fashion Parade“, Bio produzieren ist nicht „crazy“ genug, um die Massen anzulocken.2 Fasst man Untersuchungen zu Umstellungsmotiven der LandwirtInnen der letzten 30 Jahre zusammen, so stellt man fest, dass heute ideelle, religiöse oder ökologische Motive zugunsten wirtschaftlicher Überlegungen in den Hintergrund gerückt sind. Die Pioniere des Ökologischen Landbaus haben nicht wegen Direktzahlungen oder höheren Preisen umgestellt, da es erstens keine Direktzahlungen gab und zweitens auch keine offiziell diskutierten Preise. Die Entscheidungsfindung darüber, ob man biologische Produkte erzeugt, mit diesen Produkten Handel betreibt oder diese konsumiert, ist deshalb heute in vielen Fällen eine primär ökonomische. Ökologische, soziale und ethische Beweggründe haben an Bedeutung verloren, je mehr die Bewegung zur Branche wurde (siehe Thomas 2004). Über die Ökonomie oder Höchsterträge allein, lassen sich die Herausforderungen, die sich im Umweltschutz, in der Ernährungssicherung, der Gesundheit und der Armutsbekämpfung stellen, jedoch nicht lösen. Das musste sich auch die konventionelle Landwirtschaft längst eingestehen. So stellt sich die Frage, inwieweit dem moralischen Handeln eine Gestaltungskraft zugunsten ökologischer und sozialer Qualitäten zukommt? 2.3 Konventionalisierungs- und Globalisierungsprozesse Die in jüngster Zeit verstärkt aufkommende Diskussion der Konventionalisierung der Ökologischen Landwirtschaft meint, dass zunehmend in allen Subsystemen der ökologischen Lebensmittelkette versucht wird, mittels unterschiedlichster, die Grenzen der Richtlinien ausreizenden Strategien und Mitteln ökonomische Vorteile zu erzielen. In der Regel gehen diese zu Lasten ökologischer Ziele und sozialer Anliegen. Treibende Kraft dieses Verhaltens ist zum einen der Markt, zum anderen ein fehlendes Verständnis von einer ethischen Idee der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Kann eine Intensivierung der Wertedebatte dazu beitragen, diesen Qualitätsverlust bezogen auf die ökologische Lebensmittelkette und deren Produkte einzugrenzen? Zwar gibt es unabhängige bäuerliche Betriebe, in denen alle Tätigkeiten selbst vollzogen werden und vom globalen Geschehen völlig losgelöst sind. Doch es gibt zunehmend ökologische Lebensmittelketten, welche nach den Regeln des internationalen Handels agieren und sich inmitten von Globalisierungsprozessen befinden. Innerhalb dieser globalen Strukturen ist es eine große Herausforderung die Werte und Ziele (siehe unten Auszüge aus den IFOAM- und DEMETER -Richtlinien) der Ökologischen Landwirtschaft zu bewahren und weiterzuentwickeln. Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit eine gerechte Verteilung des Gewinns gewährleistet werden kann, zum anderen, inwieweit die mitwirkenden AkteurInnen in ihrem Handeln soziale Ziele berücksichtigen. Ein zentrales Problem der arbeitsteiligen Vorgehensweise besteht darin, dass zwar innerhalb der Subsysteme eine hohe Effizienz, Flexibilität und Produktivität erreicht wird, eine Rückbindung an allgemeine, systemübergreifende Ziele – hier: ökologische, soziale und ethische – wird jedoch hintan gestellt (Homann 1998, in Vogt 2000: 2). In diesem Kontext stellt sich die Frage nach den Perspektiven moralischen Handels entlang der ökologischen Lebensmittelkette. 2 ... „das kleine Schwarze legt ein anderes seelisches Verfassungserleben nahe als die Latzhose“ (Heubach 1996, in Marlovits (2000: 3). 5 2.4 Womit ernähren wir uns? Bleibt der Umgang mit der Natur, aus der heraus unsere Lebensmittel entstehen, ohne Folgen für unser Wohlbefinden? Die Raum- und Zeitbilanz eines Lebensmittels, die Geschwindigkeit, mit der das Lebensmittel bewegt wurde – ist das alles egal oder sind das Werte, die von Bedeutung, die qualitativ zu unterscheiden sind? Auch hier treffen wir wieder auf systembedingte Unterschiede, wenn wir konventionelle mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln vergleichen. In den Lebensmitteln wird Information gespeichert und an uns weitergegeben. Alles was wir der Natur antun, begegnet uns also wieder in den Lebensmitteln. Was charakterisiert die Qualität ökologisch erzeugter Lebensmittel außer der Rückstandsfreiheit und spezifischer stofflicher Qualitäten? Die Lebenszeit eines ökologisch aufgewachsenen Tieres ist im Allgemeinen länger als die eines konventionellen. Das Getreide steht länger auf dem Feld. Beide lassen sich Zeit resp. wir geben ihnen die Zeit. D.h., gemäss den Richtlinien des ökologischen Landbaus aufgewachsene Pflanzen und Tiere haben mehr Zeit zur Verfügung, um zu werden. Wir ernähren uns also mit mehr Zeit, wenn wir uns biologisch ernähren. Wir ernähren uns aber auch mit mehr Raum, denn die Tiere und Pflanzen wachsen in einer Umwelt mit weniger Gedränge auf, sie leben mehr ihre Neugierde aus, können den Raum erkunden – die Wurzeln gehen auf Suche im Boden, ohne dass diese über Mineraldünger geleitet sich im Oberboden konzentrieren, den Tieren steht Auslauf, mehr Vielfalt und Wahlfreiheiten zur Verfügung. Wir nehmen diese Informationen mit den Lebensmitteln auf, wir riechen und schmecken und sehen etwas anderes vor uns. Was bewirkt das in unserem Körper – stofflich, bewusstseinsmäßig? Oder ist das alles gleich? Menschliche Freiheit heißt frei sein von Bevormundung, sich frei bewegen und äußern können. Bedeutet das etwas für unser Dasein, wenn wir diese humanen Werte auch unserer Mitwelt zugestehen – sie in die Freiheit entlassen, und uns aus dieser Welt ernähren? Oder bevorzugen wir ein gehetztes Hendl, ein gejagtes Yoghurt oder eine durch das Leben getriebene Minestrone? Wie fühlt sich das an? Worin besteht unsere Esskultur? Im Sinne von Slow Food in der Ernährungskultur, kommt der Ökologischen Landwirtschaft eine ähnliche Aufgabe in der Bewusstseinsbildung bei der Erzeugung von Lebensmitteln zu. 3 KANN EINE ETHISCHE PERSPEKTIVE LÖSUNGEN ANBIETEN? Die Ausführungen zur Landwirtschaft im allgemeinen und der Ökologischen Landwirtschaft im besonderen haben aufgezeigt, dass zum einen ökonomischer Druck den Handlungsspielraum für ökologisches und soziales Handeln einengt und zum anderen Sozialkapital, wie z. B. Vertrauen, soziale Gerechtigkeit oder Sicherheit entlang der Lebensmittelkette verloren geht oder überhaupt nicht existent ist. Deshalb soll nun die Frage gestellt werden, inwieweit auf ethische Leitideen in den Richtlinien zur Ökologischen Landwirtschaft zurückgegriffen werden kann. Diesen Überlegungen wird eine allgemeine Definition von Ethik vorangestellt. 3.1 Was meint Ethik im allgemeinen Seit Aristoteles wird die Ethik als eigenständige philosophische Disziplin behandelt. Die Ethik ist neben der Ökonomie und der Politik Teil der praktischen Philosophie. Sie versteht sich als Wissenschaft vom moralischen Handeln, also einer sittlich guten Handlung im Sinne von gut leben, gerecht handeln, vernünftig entscheiden und urteilen. Sie fragt nach dem, was aus einer Handlung eine moralisch gute Handlung macht. Ihre Aufgabe ist es nicht zu moralisieren, ideologisieren oder weltanschauliche Überzeugungen zu verbreiten (Pieper 1994). Grundvoraussetzungen für eine Ethik ist ein „guter Wille“, ein Verantwortungsbewusstsein, ein moralisches Engagement. Ethik vom griechischen Wort „ethos“ abgeleitet, meint zum einen Gewohnheit, Sitte, Brauch, zum anderen deren Aneignung. Die Aneignung sollte „aus Einsicht und Überlegung das jeweils erforderliche Gute zu tun“, erfolgen (Pieper 1994: 26). Unter Moral werden moralische Normen, Werturteile und Institutionen verstanden, während die Aufgabe der Ethik in der philosophischen Untersuchung der Moral besteht (Pieper 1994: 27). Die Ethik versteht sich somit als Theorie der moralischen Praxis (Pieper 1994: 29). Ethik ver- 6 sucht die Frage zu beantworten, an welchen Werten und Normen, Zielen und Zwecken die Menschen ihr Handeln orientieren sollen.3 3.2 Ethik in den Richtlinien zur Ökologischen Landwirtschaft Ethik wird in den IFOAM-Richtlinien4 sowie den Demeter-Richtlinien angesprochen. In den Richtlinien von BIOAUSTRIA sind derzeit keine Hinweise zu sozialen Leistungen oder einer ethischen Grundlegung, einmal abgesehen von der Tierhaltung, ausgewiesen. In den Richtlinien sind die Erzeugung und die Verarbeitung von Lebensmitteln und der Umgang mit der Natur beschrieben. Ein ethischer Zugang kommt vor allem in Hinweisen über soziales Handeln zum Ausdruck. In den 17 Zielen der IFOAM zur Ökologischen Landwirtschaft und Produktverarbeitung wird der soziale Anspruch vor allem in zwei Zielen hervorgehoben (Thomas 2004):5, 6 • „Jedem, der in der ökologischen Erzeugung und Verarbeitung tätig ist, eine Lebensqualität ermöglichen, die der UN-Menschenrechts-Charta entspricht, sowie Grundbedürfnisse deckt und ein angemessenes Entgelt sowie Befriedigung aus der Arbeit ermöglicht, einschließlich einer sicheren Arbeitsumgebung.“ • „Auf eine vollständige ökologische Erzeugungs-, Verarbeitungs- und Verteilungskette hinarbeiten, die sowohl sozial gerecht als auch ökologisch verantwortlich ist.“ Im Vorwort zu den DEMETER - Richtlinien (2006) sind folgende über das Stoffliche hinaus reichenden Überlegungen enthalten, welche als ethische Grundlegungen für moralisches Handeln dienen:7 • „...dass Leben nicht nur aus Stoffgeschehen besteht, sondern dass es eine über die Materie hinausgehende Wirklichkeit ist und die Stoffe Träger des Lebens werden müssen“ • „die einzelnen Glieder einer Landwirtschaft werden einander zugeordnet, wie Organe in einem Organismus“ • „die Gesundheit des Ganzen und im Einzelnen ist ein wesentliches Ziel aller Maßnahmen. Sie ist kein selbstverständlicher Zustand, sondern eine vom Leben ständig erzeugte Leistung“ • „..., dass jeder Verarbeiter in der Lage ist, auf der Grundlage der nachstehenden Richtlinien aus eigener Erkenntnis verantwortlich zu handeln“ • „...entsteht Qualität ausschließlich durch verantwortungsvolles Handeln der Tätigen“ Die Ausführungen verstehen sich nicht als explizite Vorgaben, deren Nichteinhaltung sanktioniert würde, wie etwa ein limitierter Futterzukauf. Vielmehr dienen sie als Orientierung. Insofern kommt moralisches Handeln in äußerst unterschiedlichen Tätigkeiten im Betrieb zum Ausdruck. 3 Gegenstand der Ethik ist das Bemühen, 1. den Geltungsanspruch der jeweiligen Moral auf Wohlbegründetheit zu überprüfen, 2. ein oberstes, vernünftiges Prinzip zu finden, womit die Werte, Normen und Ziele in ihrer Rangordnung beurteilt und gegebenenfalls neue einsehbar begründet werden können, 3. dadurch zur Verbesserung menschlichen Zusammenlebens (...und mit der Umwelt..., Ergänzung durch den Autor) beizutragen (Meyers Lexikon). Ethik zielt also auf eine Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens, dem Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft ab. 4 International Federation of Organic Agriculture Movements: der internationale Zusammenschluss der Organisationen des ökologischen Landbaus; www.ifoam.org 5 www.ifoam.org 6 siehe dazu auch der in der Ifoam diskutierte Verhaltenscodex (www.ifoam.org/social_justice/code_of_conduct) 7 In der Anleitung von wirtschaftlichen Beziehungen entlang ethischer Grundsätze ist insbesondere die DEMETER-Vereinigung sowie sie begleitende anthroposophische Ansätze innovativ (siehe dazu das Konzept der Sozialen Dreigliederung). 7 4 4.1 ÜBERLEGUNGEN ZU EINER ERWEITEREN ETHIK ENTLANG DER ÖKOLOGISCHEN LEBENSMITTELKETTE Positionierung ethischer Grundlegungen Um dem ethisch geleiteten Handeln einen höheren Bekanntheitswert sowie einen ihm angemessenen Stellenwert resp. eine Wirkkraft in der Praxis zu verschaffen, ist eine systematische ethische Grundlegung für moralisches Handeln entlang der ökologischen Lebensmittelkette voraussetzungsvoll. Sie können als Bestandteil von Richtlinien eingeführt werden. Vorschreibungen über Richtlinien erreichen jedoch nur partiell und unter spezifischen Bedingungen ihr angestrebtes Ziel. Ethik auf die Landwirtschaft angewandt, führt zu der Unterscheidung, ob sich ein/e Landwirt / Landwirtin fremdbestimmt (heteronom) im Sinne eines Pflichtbewusstseins, einer Pflichtmoral, den Richtlinien der Ökologischen Landwirtschaft unterstellt, da er / sie z. B. an den Direktzahlungen interessiert ist (siehe zur Ethik: Pieper 1994: 18, 19) oder sich autonom für die Einhaltung der Richtlinien entscheidet, weil erkannt wurde, dass diese für den Umgang mit der Natur, für die Gewährleistung des Nachweises der biologischen Qualität sinnstiftend sind. Den entwicklungsgeschichtlichen Überlegungen des Pädagogen Piaget folgend, kann von moralischer Einsicht resp. Verhalten erst dann gesprochen werden, wenn die Richtlinien der Ökologischen Landwirtschaft... „nicht als ein von außen aufoktroyierter Zwang aufgefasst werden, sondern als Garanten der größtmöglichen Freiheit aller Mitglieder der Handlungsgemeinschaft. Nur eine Regel, die dies gewährleistet, ist eine moralische Regel“ (siehe Pieper 1994: 20). Die Aufgabe einer ethischen Grundlegung ist es, Orientierung zu geben, jedoch keine Festschreibungen zu treffen. Denn es muss in erster Linie von den AkteurInnen selbst eine Innovation in Richtung moralischen Handelns ausgehen, da eine ausschließlich gesetzlich resp. über Richtlinien eingeforderte ethische Dimension, ohne die Motivation einer individuellen Verantwortungsbereitschaft, auf Dauer kaum funktionieren wird. 4.2 Eckpunkte ethischer Grundlegungen zur Erzeugung und dem Umgang mit LEBENSmitteln Die Aussagen mit ethischem Bezug in den Richtlinien lassen sich damit zusammenfassen, dass alle Tätigkeiten sowohl der Gesundheit des Ganzen als auch des Einzelnen zu dienen haben, und jeder Einzelne sozial und ökologisch selbst verantwortlich zu entscheiden hat. Mit dem Ganzen ist die gesamte Lebensmittelkette einschließlich der Natur angesprochen. Impulse zur Ergänzung dieser Aussagen kommen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. Eine weit über die ökologische Lebensmittelkette hinausgehende Perspektive, aber Rahmen gebend, ist die „Gesamtvernetzung und Rückbindung der Zivilisationsentwicklung an die Entfaltungsbedingungen der Natur“ (Vogt 2000: 10). Die technischen Hinweise in den Richtlinien der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft setzen genau dort an. Sie sind in den zurückliegenden Jahren immer detaillierter geworden, in manchen Fällen kann bereits von einer Überreglementierung gesprochen werden. Die katholische Soziallehre, welche auf den drei Sozialprinzipien „Personalität, Solidarität und Subsidiarität“ (Vogt 2000: 3) beruht, sowie der Schöpfungsglaube und die Trias des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, liefern weitere Grundlagen für moralisches Handeln.8 8 Personalität meint die „unbedingte Würde des Menschen als Person, die sich in den Menschenrechten konkretisiert. Solidarität kommt in der Zuwendung zum Schwachen und Benachteiligten zum Ausdruck. Subsidiarität kommt in der Zuweisung von Eigenverantwortung zu untergeordneten Ebenen zum Ausdruck. Auch der Schöpfungsglaube leistet einen christlichen Beitrag zu einem ethischen Umgang. „Wer bewusst von Schöpfung spricht, erkennt die Erde als Raum des geschenkten Lebens an, den die Menschen in Ehrfurcht und Verantwortung bebauen und bewahren (Genesis 2, 15), also gestalten und schützen sollen“ (Vogt 1998). Eine weitere überlegenswerte Perspektive ist die, „sich als Teil der Schöpfung zu begreifen und personale Freiheit sowie gesellschaftlichen Fortschritt nicht als Emanzipation von den naturwüchsigen Fesseln zu deuten, 8 Eine andere Landwirtschaft bedarf ethisch-spiritueller Impulse, die an alle – Produzenten, Handel, Konsumenten – gerichtet sind. Darin ist sich die Clearingstelle Kirche und Umwelt, Träger des Projektes “Kirchliche Beiträge zu einer Neuorientierung der Landwirtschaft“ und deren Kooperationspartner, zu denen auch der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen zählt, einig (Vogt 2000: 2). Bereits in Bezug auf das Leitbild der Nachhaltigkeit hält Vogt (2000: 1) fest, dass es „ohne eine ethisch-religiöse Rückbindung und Vertiefung in seinem visionären und umfassenden Anspruch scheitern wird“.9 Diese Schlussfolgerung gilt nicht nur für die Ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft, sondern auch für die Einlösung einer nachhaltigen Entwicklung oder die Umsetzung der in den Millennium Goals dargelegten Inhalte (wie z. B. Armutsreduktion, Bildung für alle etc.). 4.3 Den Dialog einleiten Voraussetzung für eine stärkere Einbindung ethischer Leitideen in die Gestaltung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft ist ein interaktiver, gesellschaftlicher Dialog im Hinblick auf die zu schaffenden/integrierenden Werte innerhalb und zwischen den einzelnen Subsystemen. Dieser Dialog ist als ein langfristig angelegter Lernprozess zu verstehen (siehe dazu Vogt 2000: 1). Der Dialog muss offen und vorurteilsfrei geführt werden, und die unterschiedlichsten Impulse integrieren, sei es aus christlicher, buddhistischer, einer schamanistischen, einer betriebs- wie volkswirtschaftlichen, einer philosophischen oder wissenschaftlichen Perspektive. D. h. nicht, dass man sich deshalb einer “Religion“ zu verschreiben hat.10 Vielmehr ist ein pluralistischer Zugang am ehesten eine Gewähr für Differenziertheit in der Argumentation und Verständigung. Ebenso ist der Dialog über Tradition und Moderne intensiv zu betreiben, da gerade dort Werte verborgen sind, welche das Handeln anleiten. Schlüsselbegriffe innerhalb der Dialoge zu ethischen Leitideen sind zum einen die Selbstreflexion, das Überprüfen des eigenen Handelns und zum anderen, Empathie, d.h. das Sich hinein Versetzen in die Situation anderer. Dialog herstellen ist immer auch mit Bildung verbunden. KonsumentInnen, VerarbeiterInnen, der Handel und die MedizinerInnen haben erheblichen Nachholbedarf an Informationen und Wissen über die Entstehung von Produkten in den unterschiedlichen Landwirtschaftssystemen. In allen Subssystemen kann man ein Defizit in der Auseinandersetzung mit ethischen Leitideen vermuten. Auch an den technischen Universitäten besteht Handlungsbedarf, da dort ein Mangel im Umgang und in der Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen vorherrscht. Die Forderung nach einer Einrichtung von Ethikkommissionen kann nicht außen vor bleiben, auch wenn man diesen Einrichtungen skeptisch gegenüber stehen sollte. Nichts desto trotz, es braucht eine Form des organisierten Dialoges, eine permanente Einrichtung, welche sich der Aufgabe der Weiterentwicklung ethischer Perspektiven innerhalb der ökologischen Landund Lebensmittelwirtschaft widmet. 4.4 Eine Unternehmensethik entwickeln Generell stellt sich die Frage nach dem Ziel, welches ein Unternehmen anstrebt: Geht es um eine Gewinnmaximierung oder eine Wertmaximierung? Verträgt sich eine Gewinnmaximierung überhaupt mit ethischen Grundsätzen? Gesellschaftliche und für die Unternehmungen relevante Orientierungen sind (Fink 2002: 42, verändert): • Die Wirtschaftspraxis ist mit einem ideellen Inhalt zu unterlegen. sondern in einer dauerhaften Orientierung an dem in der Natur geschaffenen Daseinsraum“ (Vogt 2000: 9). Der Mensch versteht sich demnach als Teil der Natur, als in der Natur eingebettet, die Natur als Mitwelt verstehend. 9 Auch aus buddhistischer Perspektive wird eine derartige Kurskorrektur eingefordert (Kornfield 2005: 351); „Einstein nannte uns nukleare Riesen und ethische Kleinkinder (ebda). 10 Dalai Lama XIV spricht von einer „säkularen Ethik“, welche Grundprinzipien wie Mitgefühl, Toleranz, Rücksicht ansprechen. Er bezeichnet diese Prinzipien als über den Barrieren stehend, welche Gläubige und Nichtgläubige voneinander trennen (Dalai Lama XIV (2005)). 9 • Grundgedanke ist der Erhalt und die Weiterentwicklung von Vielfalt in den Ökosystemen und kulturell-sozialen Systemen, ohne in flachen Pluralismus oder Aktionismus oder in Fundamentalismus zu verfallen. In der Wirtschaftsethik wird demgegenüber von einem alternativen, sogenannten zufrieden stellenden Gewinn gesprochen (nach Herbert Simon in Löning, in Brink 2003: 237). Als Ergänzung zur Ökologischen Landwirtschaft wird seitens der Schweisfurth-Stiftung die Einführung einer Ökologischen Lebensmittelwirtschaft gefordert (siehe Schweisfurth et al. 2002). Dieser Überlegung folgend, sind Hinweise zu geben, inwieweit in den Unternehmen die menschliche „Arbeit im Einklang mit der Natur“ steht (siehe dazu Brater et al. 1996: 11) und deren Handeln ethischen Leitideen entspricht. Wie diese ethischen Leitideen aussehen könnten, wäre basierend auf den oben getroffenen Aussagen zu konkretisieren. Ob Ratingsysteme zur Bewertung von Unternehmungen die ethisches Verhalten fördern, hilfreich sind, wird kontrovers diskutiert, denn die rein quantitativen Messzahlen verdrängen die individuellen, qualitativen Beweggründe ethischen Handelns derjeniger, deren ethisches Verhalten sich nicht in Zahlen messen lässt (Fink 2002: 44). Fink spricht sich daher gegen Maßzahlen, Ratingsysteme oder einen Ethikrat aus, und fordert stattdessen die Schaffung von gesellschaftlichen Bedingungen, welche ethisches und verantwortungsvolles Handeln ermöglichen. 4.5 Umorientierung der Politik einfordern „Agrarpolitik muss wieder Teil der Gesellschaftspolitik werden“, so der Tenor des Zentralkommitees der Katholiken (Vogt 2000: 2). Diese Aussage verweist auf einen gesellschaftlichen Dialog, der sich jedoch nicht in der Forderung nach höheren Preisen und Direktzahlungen erschöpfen darf. Die politischen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass eine Ökologische Landwirtschaft und eine Ernährung mit biologischen Lebensmitteln mit dem herkömmlichen System konkurrieren können. Konkurrenzfähig bedeutet unter anderem, dass der Einkauf von biologischen Lebensmitteln und Rohstoffen (wie z. B. Baumwolle oder Holz) für alle gesellschaftliche Schichten ökonomisch möglich wird. Dieser Wahlfreiheit unter ökonomischen Gesichtspunkten kommt eine zentrale Bedeutung zu, wenn das Ziel besteht, Angebote für ökologisches Verhalten einer breiten Bevölkerungsschicht nutzbar zu machen. Die Debatte um den sogenannten gerechten Preis für die ProduzentInnen / KonsumentInnen resp. Direktzahlungen kann nur geführt werden, wenn alle an der ökologischen Lebensmittelkette Beteiligten sich mit der Natur auseinandersetzen, ihr begegnen, diese wahrnehmen und die Entstehung und den Umgang mit Lebensmitteln neu mitgestalten. Dieser Prozess sollte mit einer Informations- und Bildungsinitiative unterstützt werden. Welche Steuerungsinstrumente und Anreize zum Einsatz kommen, um sozialen und ethischen Qualitäten mehr Spielraum zu eröffnen, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, ohne sie wird es aber nicht gehen. Offen bleibt, ob dies auch protektionistische Instrumente sein können, wobei diesen ausschließlich die Funktion vorbehalten ist, soziale und ökologische Qualitäten zu schützen, während auf sonstige Vorschreibungen zu verzichten ist. Nach Vogt (1999, in Vogt 2000: 2) ... „ ist nach institutionellen Regeln, einem Verhaltenskodex (Ergänzung) zu suchen, welche das individuelle Vorteilsstreben mit gesellschaftlich, im Sinne der ethischen Leitideen gewollten Folgen verknüpfen.“ 4.6 Die KonsumentInnen zum Handeln auffordern Im Gegensatz zu allen anderen Subsystemen der Lebensmittelkette agieren die KonsumentInnen als weitgehend nicht organisierte Individuen. Um ihre Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen, ist eine KonsumentInnenorganisation mit entsprechenden Informationen für die KonsumentInnen, wie sie z. B. von BIOAUSTRIA zur Verfügung gestellt werden, unabdingbar. Wenn nach neueren Untersuchungen in der BRD mehr als 50% der Umweltbelastung durch die KonsumentInnen verursacht werden, so kommt in diesem Zusammenhang einer Informations- und Bildungsoffensive, nicht nur zu den ökologischen Folgen des Konsums, sondern zu einer Konsumethik eine hohe Bedeutung zu. 10 4.7 Ein erweitertes Verständnis vom LandwirtIn sein entwickeln Was bedeutet es, heute einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen? Lebensmittel zu produzieren, Energie zu gewinnen und Ausgangsstoffe für industrielle Fertigungen bereitzustellen ist das eine, das andere ist eine Kulturlandschaft zu gestalten. Der kulturelle Beitrag besteht nicht nur darin, das Land zu bewirtschaften, Kulturen anzubauen – wie es heute oft verkürzt verstanden wird. Die kulturelle Leistung ist im Sinne eines Kulturauftrages zu verstehen (Gottwald 2003: 21), wie dieser auch in kulturellen Einrichtungen im städtischen Bereich übernommen wird. Hier geht es um eine bewusste Kultivierung von Natur, um Ästhetik, das Gestalten von Landschaft und nicht nur das Anlegen von möglichst rechteckigen Feldern. Dieses Gestalten ist begründet auf eine inneren Haltung, einer Empathie für die Mitwelt. Die Umstellung auf die Ökologische Landwirtschaft ist damit mehr als nur ein ökologisieren und auf ein vermutetes höheres Einkommen abgestimmter Entscheidungsprozess. Dieses Kulturschaffen ist vertrauensbildend, dient der Neugestaltung der Beziehung zwischen Land und Stadt. Die Frage des Preises für Lebensmittel, die Akzeptanz, Steuergelder für die Landwirtschaft bereitzustellen, kann so auf einer neuen Grundlage diskutiert werden. (Agrar-) Kultur verstanden als Vererbbares im Sozialen (Heinrichs 1998, in Gottwald 2003: 20) wird allerdings nicht über die Lebensmittelketten für die KonsumentInnen erfahrbar. Hier bedarf es einer neuen Form des Dialoges zwischen Stadt und Land. 4.8 Ein angemessenes Einkommen und Fairen Handel gewährleisten Als Zielgröße wird ein Einkommen angestrebt, welches der Existenzsicherung dient und den Spielraum für ökologisches Wirtschaften eröffnet und gewährleistet. Gerechte Einkommensverteilungen sind das Ergebnis privater Innovationen als auch staatlicher Eingriffe. Zwischen flächenstarken und - schwachen Betrieben, oder mit besonderen Arbeitsaufwendungen belasteten Betrieben ist ein entsprechender Finanzausgleich zu schaffen. Die Präferenz für regional und saisonal angebaute Produkte im Handel ist selbstredend zu fördern. Dieser Grundansatz wurde nun auch von einem der größten österreichischen Bioproduktanbieter umgesetzt. Der FAIR Trade Gedanke ist nicht nur mit einkommensschwachen Ländern zu organisieren, sondern auch im Inland. Der Bezug von Billigimporten durch den Lebensmittelhandel steht im Widerspruch zu einem fairen Handel, da er in der Regel umweltbelastend und als sozial unverträglich zu bezeichnen ist. Regionale Handelsbeziehungen sind für fairen Handel besonders geeignet, da diese räumlich eng begrenzten Lebensmittelketten die für die Vereinbarung fairer Preise notwendige Kommunikation, Transparenz und Vertrauen ermöglichen (Thomas 2004). Thomas (2004) verweist darauf, dass es jedoch noch um mehr geht: „Es geht um Handelsbeziehungen, bei denen man sich „noch in die Augen schauen kann“11 oder „auf gleicher Augenhöhe verhandelt“12. 5 CONCLUSIO Streng ökologisch und sozial orientierte Prinzipien sind mit vielen Bereichen der heutigen Wirtschaft schwer vereinbar. Dies unterstreicht, wie schwierig eine weitere Ausbreitung der ökologischen Wirtschaftsweise ist, ohne dass verschiedenste Formen der Konventionalisierung in die Ökologische Lebensmittelkette einsickern und damit wesentliche Qualitäten (z. B. Lebensqualität, Produktqualität, ethisch-moralischer Mehrwert) der Ökologischen Wirtschaftsweise verloren gehen. Dabei muss man erkennen, dass die Ökologische Landwirtschaft längst in einer globalen Vernetzung eingebunden ist und generellen Gesetzmäßigkeiten des internationalen Handels unterliegt und von so gravierenden technischen Innovationen wie der Gentechnik maßgeblich gefährdet wird. Es bestehen demnach erhebliche Hindernisse, welche eine massive Ausbreitung der ökologischen Wirtschaftsweise erschweren. Gelänge dies dennoch, so würde dies einem gesellschaftlichen Paradigmenwechsel gleichen. Diesen zu beschreiben ist einem separaten Diskurs vorenthalten. Das Umsetzen öko- 11 Schaer, Burkhard: „Feed back für Arbeitsgruppe 2“ auf der Tagung „Biomarkt und soziale Lage“, 4. und 5. Oktober 2004 in Fulda. 12 Krause, Volker: „Faire Preise für Erzeuger durch Qualitätsmarken“ Referat auf der Tagung „Biomarkt und soziale Lage“, 4. und 5. Oktober 2004 in Fulda. 11 logischer Ziele neben wirtschaftlichen Überlegungen ist also eine der größten Herausforderungen für die Ökologische Landwirtschaft im engeren Sinn und der Gesellschaft und Politik im Kontext zur Nachhaltigkeit im weiteren. Diese ökologische Orientierung allein reicht heute jedoch nicht mehr aus. Es geht auch um das Sinnstiftende im sozialen Tätigsein, in den alltäglichen Handlungen, um die Qualität der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu erhalten, sie attraktiv zu machen und auszubauen. Vernünftige Reflexionen führen uns deshalb dazu, in die Wertediskussion in der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu investieren. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass die negativen Entwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft in der ökologischen Fuß fassen. Wie ethische Werthaltungen Bestandteil unserer Entscheidungen werden können, ist keine einfach zu beantwortende Frage. Ungeachtet der heftigen Gegenströmungen, wird die Dringlichkeit sich diesen Themen zu stellen, allerdings nicht geschmälert. 6 LITERATUR Brater, M., Hemmer-Schanze, Ch., Maurus, A., Munz, C. (1996): Wird Arbeit Kunst, kann die Natur leben. Edition tertium, 150 S. Brink, A. (2003): Unternehmensethik und Neue Institutionenökonomie. Zfwu 4/2, 236-237. http//: www.zfwu.de/pdf/Rezensionen/4_2_Brink_Rezension.pdf. Dalai Lama XIV (2005): Unser Glaube an die Wissenschaft. http: //www.falter.at/heureka/archiv/05_6/01.php. Fink, A. (2002): Kapital für eine Werte bildende Landwirtschaft. Ökologie und Landbau, 121, 1/2002, 41-44. Gottwald, F.-T. (2003): Der Bauer als nachhaltiger Unternehmer? Perspektiven agrarkulturellen Wirtschaftens auf und mit dem Lande, 15-21. Der kritische Agrarbericht. http//: www.stadt-land-impulse.at/index.php?download=1429.pdf. Heinrichs, J. (1998): Entwurf systemischer Kulturtheorie – Handlung als Prinzip der Moderne. Krems, 6 S. Heubach, F. W. 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