709_761_BIOsp_0709.qxd 30.10.2009 9:58 Uhr Seite 743 743 Lebensmittelsicherheit Molekularbiologische Methoden in der Lebensmittelüberwachung ULRICH BUSCH, UTE MESSELHÄUßER BAYERISCHES LANDESAMT FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSMITTELSICHERHEIT, OBERSCHLEIßHEIM In der amtlichen Lebensmittelüberwachung sind molekulare Nachweise häufig fester Bestandteil der mikrobiologischen Diagnostik. So nutzt man sie für schnelle Screenings auf An- oder Abwesenheit von Erregern oder für die Differenzierung von Isolaten. Molecular diagnostics are frequently applied in microbiological food surveys for official food safety control. The diagnostic tools are used for a fast screening for pathogens or to differentiate isolates. ó Die zentrale Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Rahmen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist es, Lebensmittel zu kontrollieren und nicht sichere Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu werden zuverlässige und validierte Methoden benötigt, die vergleichbare Untersuchungsergebnisse generieren. Da die Lebensmittelüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland den Bundesländern obliegt, ist eine Standardisierung essenziell, um somit zu einer korrekten und bundesweit einheitlichen Beurteilung der Proben beizutragen. Die Amtliche Sammlung von Probenahme- und Untersuchungsverfahren nach § 64 Lebensmittel und Futtermittelgesetz (LFGB) beinhaltet standardisierte Untersuchungsverfahren unter anderem für die chemisch-analytische, molekularbiologische oder mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln. Die Verfahren werden von ausgewiesenen Experten aus der Lebensmittelüberwachung, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam unter Leitung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erarbeitet und validiert. Die amtliche Sammlung wird ständig auf dem neuesten Stand gehalten und berücksichtigt den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt bei der Methodenstandardisierung. Daneben werden Methoden nach DIN/ISO˘ Abb. 1: Nachweis von STEC/VTEC in Lebens- mitteln (2007-2008) in Südbayern. BIOspektrum | 07.09 | 15. Jahrgang Standards bzw. selbst entwickelte, an den entsprechenden Referenzverfahren validierte Untersuchungsmethoden eingesetzt, um zeitnah ein Ergebnis liefern zu können. Am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), der Fachbehörde des Freistaates Bayern für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, wird zum Nachweis von pathogenen Mikroorganismen in Lebensmitteln häufig eine Kombination aus mikro- und molekularbiologischen Verfahren eingesetzt. Die Real-Time-PCR hat sich zur Identifizierung von Pathogenen in Lebensmitteln, zur Differenzierung und Subtypisierung als zentrale molekularbiologische Nachweismethode etabliert. Die molekularbiologische Methodik dient in diesem Zusammenhang als Screeningverfahren für die schnelle Detektion von pathogenen Erregern. Eine Bestätigung des molekularbiologischen Befunds mittels klassisch-kulturellen Verfahrensweisen ist für eine lebensmittelrechtliche Beurteilung immer zwingend erforderlich. Die Differenzierung und Subtypisierung von pathogenen Erregern durch die RealTime-PCR erlaubt eine gezielte und differenzierte Risikobewertung für einzelne Lebensmittelprodukte bzw. Produktgruppen. 709_761_BIOsp_0709.qxd 744 30.10.2009 9:58 Uhr W I S S E N SCH AFT · S P E C I A L : P C R ˚ Abb. 2: Anzucht von Clostridium perfringens auf selektivem Nährmedium. C. perfringens wächst auf Eigelb-Lactose-Agar (gelbe Kolonien) im Gegensatz zu C. botulinum (lila Kolonien). Shigatoxin-bildende Escherichia coli (STEC) Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), auch als Shigatoxin-bildende bzw. Verotoxin-bildende Escherichia coli (VTEC/ STEC) bezeichnet, sind darmpathogene Bakterien, die weltweit intestinale Erkrankungen mit unterschiedlichem Schweregrad verursachen können. Hauptvirulenzfaktoren der Bakterien sind die namensgebenden Shigatoxine (Stx), die sich in zwei Genotypen, stx1 und stx2, einteilen lassen. Innerhalb beider Gruppen sind mehrere Subtypen bekannt, die sich in ihrer Virulenz unterscheiden. Schwere Erkrankungen beim Menschen sind meist mit den Varianten Stx2/2c assoziiert. Weitere Virulenzfaktoren sind Intimin (eae) und Enterohämolysin (E-hly). Aufgrund des oftmals schweren Verlaufs der Erkrankung, einer sehr geringen Infektionsdosis (ca. zehn bis 100 Kolonie-bildende Einheiten, KbE) sowie der Gefahr postinfektiöser Syndrome wird bei STEC/VTEC eine Nulltoleranz im Lebensmittel gefordert. A Seite 744 Aus lebensmittelrechtlicher Sicht wird jeder kulturelle Nachweis von STEC in einem verzehrfertigen Lebensmittel als „gesundheitsschädlich“ und das Lebensmittel damit als „nicht sicher“ im Sinne der Basisverordnung (VO (EG) Nr. 178/2002) eingestuft. Zum Nachweis von STEC/EHEC hat sich die Real-Time-PCR [1] durchgesetzt, mit deren Hilfe nach kultureller Anreicherung des Lebensmittels [2] die Shigatoxin-Gene stx1 und stx2 sowie weitere Pathogenitätsfaktoren (eae, hly) detektiert und mit anschließender Schmelzkurvenanalyse subtypisiert werden. Die Keimisolierung erfolgt über DNA-Kolonieblothybridisierungsverfahren [3, 4]. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung untersucht das LGL jährlich 200 bis 300 Verdachts-, Beschwerde- sowie Planproben auf das Vorkommen von STEC. Lebensmittelbedingte Erkrankungsfälle wurden in den vergangenen Jahren, sofern in derartigen Fällen Probenmaterial sichergestellt werden konnte, z. B. auf den Verzehr von rohem Rind-Schaf-Hackfleisch oder Zwiebelmettwurst zurückgeführt. Im ersten Fall erkrankte eine Familie nach dem Verzehr von rohem Rind-Schaf-Hackfleisch an Durchfall. In dem sichergestellten Lebensmittel, das verzehrt wurde, sowie an Arbeitsgeräten der betroffenen Metzgerei konnte der Erreger nachgewiesen werden. Im zweiten Fall wurde bei einem Kleinkind nach dem Verzehr von Zwiebelmettwurst EHEC nachgewiesen. Reste des Lebensmittels waren zwar nicht mehr vorhanden, aber in einer Vergleichsprobe Zwiebelmettwurst konnte ebenfalls der Erreger (gleicher Sero- und Genotyp wie im Patientenmaterial) detektiert werden. Probenanforderungen im Rahmen des amtlichen Probenplans erfolgen risikoorientiert, sodass über einen größeren Zeitraum die unterschiedlichen Lebensmittelgruppen sowohl pflanzlichen als auch tierischen Ursprungs abgedeckt werden und anhand der Ergebnisse aussagekräftige Risikobewertungen für die einzelnen Matrizes vorgenommen werden können. Die aktuellen Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2007 und 2008 zeigen, dass sich zwar Lebensmittel tierischen Ursprungs weit häufiger als STECpositiv erweisen, aber auch in pflanzlichen Lebensmitteln mit dem Vorkommen des Erregers zu rechnen ist (Abb. 1). Clostridium perfringens Im Gegensatz zur STEC-Diagnostik wird beim Nachweis von Clostridium perfringens die RealTime-PCR vorwiegend zur Differenzierung von Isolaten und eher selten zum Nachweis von C. perfringens direkt aus dem Lebensmittel oder aus der Anreicherungskultur verwendet, da C. perfringens als Toxi-Infektionserreger in einer bestimmten Keimzahl im Lebensmittel vorhanden sein muss, damit eine Erkrankung mit den Leitsymptomen Bauchkrämpfe und Durchfall ausgelöst wird. Normalerweise geht man davon aus, dass ca. 108 KbE für eine humane Erkrankung ausreichend sind, manchmal werden aber auch niedrigere Keimzahlen in Ausbruchssituationen nachgewiesen. Des Weiteren sind nur bestimmte Subtypen von C. perfringens für den Menschen pathogen. Gastrointestinale Erkrankungen des Menschen sind B ˚ Abb. 3: Nachweis von Clostridium perfringens mittels Real-Time-PCR. A, Amplification Plots, B, PCR-Setup mit unterschiedlichen Sonden. BIOspektrum | 07.09 | 15. Jahrgang 709_761_BIOsp_0709.qxd 746 30.10.2009 9:58 Uhr Seite 746 W I S S E N SCH AFT · S P E C I A L : P C R Multiplex-PCR cpa-, cpe-Gen u. Interne Amlifikationskontrolle (cpa: spezies-spezifisch für C. perfringens, cpe: Fähigkeit zur Enterotoxinbildung) cpa/cpenegativ cpa +, cpe + cpa +, cpe – C. perfringens mit Fähigkeit zur Enterotoxinbildung (potenziell humanopathogen) C. perfringens ohne Enterotoxinbildungsvermögen (nicht humanpathogen) Multiplex-PCR cpb1/cpb2 sowie etx/lap (Einteilung in C. perfringens Typ A bis E) weitere Differenzierung von C. perfringens Typ A-Stämme mit der Fähigkeit zur Enterotoxinbildung C. perfringens Typ A cpe-Gen chromosomal lokalisiert Literatur C. perfringens Typ A cpe-Gen Plasmid-codiert ˚ Abb. 4: Untersuchungsgang zum Nachweis humanpathogener Clostridium perfringensStämme. bisher nur von C. perfringens-Typ A und in seltenen Fällen durch C. perfringens-Typ D beschrieben. Hinzu kommt, dass nur ca. 5 % der C. perfringens-Typ-A-Stämme die Fähigkeit zur Enterotoxinbildung (CpE) und damit eine Humanpathogenität besitzen. Deshalb ist es wichtig, dass im Rahmen der Diagnostik eine Differenzierung der einzelnen Toxintypen sowie ein Nachweis des Enterotoxingens (cpeGen) erfolgt. Am LGL werden deshalb derzeit in Ergänzung zu den kulturell-mikrobiologischen Nachweisverfahren mit Anzucht des Erregers auf selektiven Nährmedien (Abb. 2) ein Sonden-basiertes Triplex- und zwei ebenfalls Sonden-basierte Duplex-Real-Time-PCRSysteme zum Nachweis der unterschiedlichen Gensequenzen, die eine Unterteilung in die Toxintypen sowie des cpe-Gens ermöglichen, eingesetzt (Abb. 3). Das Triplexsystem enthält eine interne heterologe Amplifikationskontrolle auf Basis des pUC-19-Plasmids, die falschnegative Ergebnisse anzeigt, die durch Inhibition z. B. aufgrund von Matrixeffekten auftre- proben als auch in Resten des verzehrten Lebensmittels (geschnetzeltes Rindfleisch) C. perfringens-Typ A mit der Fähigkeit zur Enterotoxinbildung (cpe-Gen, chromosomal codiert) nachgewiesen werden. Ohne eine weiter gehende Typisierung der Isolate wäre es nicht möglich gewesen, einen Zusammenhang zwischen beiden Befunden herzustellen, da zum einen die im Lebensmittel detektierte C. perfringens-Keimzahl für einen alleinigen Beweis nicht ausgereicht hätte und zum anderen C. perfringens in humanen Stuhlproben auch bei gesunden Menschen keine Seltenheit darstellt. ó ten. Bei humanpathogenen Stämmen, die das cpe-Gen tragen, besteht des Weiteren die Möglichkeit, eine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob das Gen chromosomal oder Plasmid-codiert ist (Abb. 4). Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft geht man davon aus, dass C. perfringens-Typ-A-Stämme, die ein chromosomal codiertes cpe-Gen tragen, in Europa und Nordamerika häufiger mit lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen in Zusammenhang gebracht werden können [5], während C. perfringens-Typ-A-Stämme mit Plasmidcodiertem cpe-Gen dagegen häufiger bei sporadischen gastrointestinalen Erkrankungen isoliert wurden [6, 7]. Auch diese Differenzierung wird am LGL routinemäßig mittels eines in-house entwickelten Multiplex-Real-TimePCR-Systems durchgeführt [8]. Die Ergebnisse sind insbesondere bei der Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche von Bedeutung. Bei einem lebensmittelbedingten Ausbruch in einer Kindertagesstätte konnte beispielsweise sowohl in den Stuhl- [1] Reischl U, Youssef MT, Kilwinski J et al. (2002) Real-time fluorescence PCR assays for detection and characterization of Shiga toxin, intimin, and enterohemolysin genes from Shiga toxin-producing Escherichia coli. J Clin Microbiol 40:2555– 2565 [2] Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren nach § 64 LMBG, L 07-18-1 (2002) Nachweis, Isolierung und Charakterisierung Verotoxin-bindender Escherichia coli (VTEC) in Hackfleisch mittels PCR und DNA-Hybridisierungstechnik. Beuth Verlag, Berlin [3] Heißenhuber A, Hautmann W, Ludwig MS et al. (2005) Leitfaden Labordiagnostik von Shigatoxinbildenden und anderen darmpathogenen Escherichia coli-Stämmen. www.lgl.bayern.de/publikationen/index.htm [4] Busch U, Huber I, Messelhäußer U et al. (2007) Nachweis Shigatoxinbildender/Enterohämorrhagischer Escherichia coli mittels Real-Time-PCR. J Verbr Lebensm 2:144–148 [5] Miyamoto K, Wen Q, McClane BA (2004) Multiplex PCR genotyping assay that distinguishes between isolates of Clostridium perfringens type A carrying a chromosomal enterotoxin gene (cpe) locus, a plasmid cpe locus with an IS1470like sequence or a plasmid cpe locus with an IS1151 Sequence. J Clin Microbiol 42:1552–1558 [6] Wen Q, Miyamoto K, McClane BA (2003) Development of a duplex PCR genotyping assay for distinguishing Clostridium perfringes type A isolates carrying chromosomal enterotoxin (cpe) genes from those carrying plasmid-borne enterotoxin (cpe) genes. J Clin Microbiol 41:1494–1498 [7] Sparks SG, Carman RJ, Sarker MR et al. (2001) Genotyping of enterotoxigenic Clostridium perfringens isolates associated with gastrointestinal disease in North America. J Clin Microbiol 39:883–888 [8] Messelhäußer U, Ziegler H, Elmer-Englhard D et al. (2006) Etablierung von real-time-PCR-Verfahren für den Nachweis und die Charakterisierung von Clostridium perfringens in Lebensmitteln. Arch Lebensmittel 57:102–105 Korrespondenzadresse: Dr. Ulrich Busch Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Veterinärstraße 2 D-85764 Oberschleißheim Tel.: 089-31560-234 Fax: 089-31560-110 [email protected] AUTOREN Ulrich Busch Ute Messelhäußer Biologiestudium in Marburg und München. Promotion am Max von Pettenkofer-Institut für Medizinische Mikrobiologie in München. Seit 1997 am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zuständig u. a. für das Labor molekulare Bakteriologie. Regierungsdirektor und Sachbereichsleiter Molekularbiologie am LGL. Seit 2005 am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zuständig für die mikro- und molekularbiologische Untersuchung von Lebensmitteln, insbesondere auf pathogene Mikroorganismen. Methodenentwicklung von molekularbiologischen Nachweisverfahren. Seit 2006 Expertin in CEN- und DIN-Arbeitsgruppen. Amtstierärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sachbereich Lebensmittelmikrobiologie, Fachtierärztin für Lebensmittel. BIOspektrum | 07.09 | 15. Jahrgang