Cathepsin L: Den Stress im Tumor überwinden

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Cathepsin L: Den Stress im Tumor überwinden
Cathepsine sind Proteasen, eiweißspaltende Enzyme , die dem Abbau von Proteinen dienen,
aber ebenso an der Neubildung von Blutgefäßen im Rahmen der Wundheilung mitwirken.
Außerdem kommt es auch vor, dass Cathepsine einen Tumor dabei unterstützen, sich
auszubreiten und Metastasen zu bilden. Wie dies geschieht, untersuchen Prof. Dr. Thomas
Reinheckel und sein Team vom Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der
Universität Freiburg. Durch die Aufklärung der Rolle des Cathepsin L in Tumorprozessen
lassen sich zukünftig vielleicht Progression und Metastasenbildung solider Tumoren in
Krebstherapien besser beeinflussen.
Der Forscher und Mediziner Prof. Dr. Thomas Reinheckel analysiert die Wirkungsweise des Cathepsin L und hat dabei
den Brustkrebs im Blick. © privat
Sollen alte Zellorganellen eliminiert oder Proteine in der Zellumgebung beseitigt werden, sind
sie zur Stelle: Cathepsine. Sie sind Endoproteasen und sind vorzugsweise in den Lysosomen der
Zelle zu finden. Beim Menschen gibt es etwa 17 solcher Proteasen. Ihre Funktion ist, Proteine ,
die ins Lysosom gelangen, hydrolytisch zu spalten und die frei werdenden Aminosäuren als
Bausteine für weitere Synthesen zur Verfügung zu stellen. Früher verwendete man das in der
Papaya enthaltene Papain, ein Cathepsin, als Zartmacher für Fleisch, da es Kollagen und
Elastin zu spalten vermag. Insgesamt sind mit Cathepsinen sechs menschliche Erbkrankheiten
assoziiert, die in ihrer Symptomatik vor allem Nervensystem und Knochen betreffen – zum
Beispiel das Goldberg-Syndrom (fehlerhaftes Cathepsin A), das Papillon-Lefevre-Syndrom (
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defektes Cathepsin C), die Pyknodysostose (Unterfunktion des Cathepsin K) und die neuronale
Ceroid-Lipofuszinose (defektes Cathepsin D).
Herrscht ein Defizit bestimmter Cathepsine, kann dies ein Auslöser für eine lysosomale
Speicherkrankheit sein, die häufig durch Neurodegeneration gekennzeichnet ist. Die Patienten
sterben oft schon in jungen Jahren. Bei einer Überexpression hingegen schütten Immunzellen
zu viele Cathepsine aus. Zerstörter Knochen und Knorpel als Konsequenz resultiert in ArthritisSchmerzen. Doch diese potenten Enzyme zerstören nicht nur, sie schaffen auch Neues, wenn
auch indirekt. „Cathepsine werden von Makrophagen oder Immunzellen nach außen sezerniert
, wo sie die vorhandene extrazelluläre Matrix spalten und so Platz für neue Blutgefäße
schaffen", weiß Thomas Reinheckel. Mit seinem Team erforscht er am Institut für Molekulare
Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg die Rolle der Cathepsine insbesondere in
der Progression von Brustkrebs, aber auch anderer Krebsarten. Da Cathepsine das
Krebswachstum fördern, ist eine hohe Expression von Cathepsinen bei vielen Karzinomen ein
Zeichen für eine ungünstige Prognose.
Stress im Tumor
Bei hoher Sauerstoffkonzentration bilden Sphäroide aus Brustkrebszellen wenige Ausläufer (links). Bei
Sauerstoffmangel dringen Ausläufer der Krebssphäroide in die umgebende Extrazellulärmatrix ein (rechts).
Proteasen wie Cathepsin L fördern diesen aggressiven Invasionsprozess. © Arbeitsgruppe Prof. Dr. Reinheckel,
Universität Freiburg
Durch verstärktes Wachstum herrscht in manchen Krebszellen eine Art Zellstress. Zellen im
Tumorinneren bekommen weniger Sauerstoff und Nährstoffe, da die Versorgung über
Blutgefäße dort nicht gewährleistet ist. Reinheckel fand in Brustkrebszellen einen erhöhten
Spiegel des Cathepsin L (CTSL), auch wenn diese in einem offensichtlich gestressten Zustand
waren. Er fragte sich: „Wie schafft es die Zelle, so viel von dem Protein herzustellen, wo doch im
Tumor Stress herrscht?" Normalerweise startet die Zelle ein Programm, das die
Proteinsynthese herunterfährt, wenn Nährstoff oder Sauerstoff fehlen, um Material und
Energie zu sparen. Bei Stress haften beispielsweise keine neuen Ribosomen mehr an die mRNA
des Zytoskeletts und es wird kein neues Aktin mehr hergestellt. Überdies zeigen strapazierte
Zellen unter dem Mikroskop kleine körnchenartige Aggregate, in denen die mRNA
vorübergehend verpackt wird, wenn sie nicht abgelesen werden soll. Diese Stress-Granulae aus
Proteinen, Translationsfaktoren und mRNA sorgen dafür, dass freie Kapazitäten für die Bildung
von dringender benötigten Proteinen entstehen, und lösen sich wieder auf, wenn die Krise
vorbei ist.
Cathepsin L war in den Krebszellen sogar vermehrt exprimiert. Der Mediziner zeigte, dass die
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Translation von CTSL während der Tumorformation trotz Stress aufrechterhalten wird. Dies
fördert die Metastasierung in Brustkrebs und korreliert mit einer schlechten Prognose. Die
klassische Erklärung: Mehr Cathepsine schaffen Platz, indem sie mehr Extrazellulärmatrix
abbauen, machen also den Weg frei für Tumorzellen, die sich ausbreiten und wandern. „Hier
wird der Stresszustand überwunden", erläutert Reinheckel, „die Zelle hat einen
Überlebensvorteil, wenn sie genug Cathepsin L hat." Dabei betont er, dass es sich um eine
indirekte Art handelt, die Wanderung der Krebszellen zu veranlassen. Die Protease wird von der
Zelle als akzessorischer Faktor genutzt, um sich in unvorteilhaften Umgebungen
zurechtzufinden. „Cathepsin L ist kein klassisches Onkogen oder ein Tumorpromotor – das sind
andere", sagt er.
Geheimnis der Stressresistenz des Cathepsin L
In Extrazellulärmatrix eingebettete Brustkrebszellen (blau) lagern sich zu dreidimensionalen Tumorzellsphäroiden
zusammen. Im Inneren und darum herum lassen sich Bereiche mit starker Proteolyse (grün) nachweisen. ©
Arbeitsgruppe Prof. Dr. Reinheckel, Universität Freiburg
Durch die Analyse von Polyribosomenkomplexen gelangten die Wissenschaftler zur Erklärung,
warum CTSL auch unter Stressbedingungen gut hergestellt wird. Derartige Komplexe sind
mRNA-Ketten, die während der Translation gleichzeitig mit mehreren Ribosomen besetzt sind
– je mehr, desto besser. Sie gewährleisten normalerweise die effiziente Proteinproduktion aus
einem mRNA-Molekül. Die mRNA von Cathepsin L ist jedoch in Brustkrebszellen durchgehend
mit solchen Polyribosomenkomplexen verbunden, während andere mRNAs derselben Zelle
unter Stress stillgelegt werden. Warum ist CTSL resistent gegenüber der stressinduzierten
Hemmung der Translation und andere Proteine sind dies nicht?
Laut Reinheckel gibt es Hinweise, dass Cathepsin L in seiner mRNA ein genetisches Motiv
aufweist, das die Proteinsynthese erlaubt, auch wenn die normale Initiationsmaschine blockiert
ist. Dieses Motiv nennt sich IRES (interne ribosomale Eintrittsstelle) und ist
höchstwahrscheinlich viralen Ursprungs. „Das IRES-Element ist natürlicherweise in der
Cathepsin-L-mRNA vorhanden und ermöglicht eine Expression unabhängig von normalen
Prozessen", erklärt Reinheckel. Viren besitzen häufig IRES-Elemente, da sie nach Befall einer
Wirtszelle die Bildung von eigenen Viruspartikeln sicherstellen wollen. „Aus Zellsicht ist es ein
sinnvolles Programm", findet Reinheckel, „unter Stress die Cathepsin-L-Produktion
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hochzuregulieren." Denn für die Zellen, die im Inneren eines Tumors sind, gibt es nur zwei
Möglichkeiten: Entweder sie sterben oder sie finden Wege, den Stress zu umgehen und etwa die
Neubildung von Blutgefäßen zu induzieren, sodass sie an Nährstoffe kommen.
Inhibition mit Einschränkung
Interessanterweise sind die Forscher um Reinheckel auf einen weiteren Weg gestoßen, wie
CTSL die eigene Translation sichert. Das Enzym entzieht sich auch dem anderen Mechanismus,
der bei Stress von der Zelle eingeleitet wird: „Wir wissen noch nicht, wie sie es schafft, aber wir
haben gesehen, dass die mRNA von Cathepsin auch nicht in diese Stress-Granulae sortiert
wird", verrät der Molekularforscher. Vermutlich spielen microRNAs dabei eine wichtige Rolle.
Die Wissenschaftler arbeiten mit transgenen Mäusen, die das humane Cathepsin-L-Gen tragen.
Bei der Kreuzung mit Tumormäusen konnte das Team zeigen, dass das Transgen tatsächlich
Tumorwachstum fördert.
Eine Anwendung in der Tumorbehandlung birgt zwar Hoffnung, aber auch Nachteile, da man
das therapeutische Fenster nicht genau kennt. Cathepsine komplett zu inhibieren, könnte im
Sinne einer Cathespin-Defizienz auch tödlich enden. Ein Ausweg mit weniger Nebenwirkungen
wäre, Inhibitoren zu entwickeln, die Cathepsine extrazellulär zu hemmen, um
Tumorprogression zu verhindern, aber die Enzyme in der Zelle in Ruhe zu lassen. „Aber es ist
klar, dass die Inhibition den Krebs nicht an der Wurzel heilt, sie bewirkt nur, dass sich die Zellen
schwerer an unvorteilhafte Umgebung anpassen", sagt Reinheckel und plädiert für eine
Kombination mit Chemotherapie und Kinase-Hemmern.
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Fachbeitrag
14.12.2015
Stephanie Heyl
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Thomas Reinheckel
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Stefan-Meier-Str. 17
79104 Freiburg
Tel.: +49 (0) 761 203 - 9606
Fax: +49 (0) 761 203 - 9634
E-Mail: thomas.reinheckel(at)uniklinik-freiburg.de
Universität Freiburg: Institut für Molekulare Medizin und
Zellforschung
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Krebserkrankungen – Grundlagenforschung, Erfolge und Trends
Metastasierung von Tumoren
Stress
Krebs
Metastasen
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