Prof. C. Greiner, Dr. H. van Hees Wintersemester 2013/2014 Übungen zur Theoretischen Physik 1 – Lösungen zu Blatt 9 Präsenzübungen (P22) Gravitationspotential radialsymmetrischer Masseverteilungen (a) Um zu zeigen, daß das Gravitationspotential symmetrisch unter Drehungen ist, betrachten wir eine Rotation x~ = R̂~r der Ortskoordinaten im Potential. Dabei ist R̂ eine Rotationsmatrix, d.h. eine orthogonale Transformation mit det R̂ = 1. Dann gilt Z ρ(~r 0 ) −1 Φ(~r ) = Φ(R̂ x~) = −γ d3 ~r 0 . (1) R3 |~r 0 − R̂−1 x~| Substituieren wir ~r 0 = R̂−1 x~ 0 , finden wir wegen 0 ∂ (~ r ) d3 ~r 0 = d3 x~ 0 det = d3 x~ 0 det(R̂−1 ) = d3 x~ 0 , ∂ (~ x 0) (2) und weil wegen der Rotationssymmetrie der Massenverteilung ρ(~r 0 ) = ρ(~ x 0 ) gilt, Z Z ρ(~ x 0) ρ(~ x 0) 3 0 Φ(~r ) = −γ d x~ = −γ d3 x~ 0 = Φ(~ x ). |~ x 0 − x~| R3 R3 |R̂−1 (~ x 0 − x~)| (3) Dies bedeutet, daß auch Φ(~r ) = Φ(r ) nur von r = |~r | abhängt. (b) Wir können bei der Berechnung von Φ(~r ) also ~r = r ~e z setzen und Kugelkoordinaten zur Integration über ~r 0 einführen: ~r 0 = r 0 (cos ϕ 0 sin ϑ 0 ~e x + sin ϕ 0 sin ϑ 0 ~ey + cos ϑ 0 ~e z ). (4) Für das Volumenelement gilt d3 ~r 0 = dr 0 dϑ 0 dϕ 0 r 02 sin ϑ 0 . (5) Dabei ist r 0 > 0, ϑ 0 ∈ (0, π) und ϕ 0 ∈ [0, 2π). Weiter folgt p |~r 0 − ~r | = r 02 + r 2 − 2r r 0 cos ϑ 0 . (6) Damit ist Φ(~r ) = Φ(r ) = −γ Z ∞ 0 dr Z 0 π dϑ 0 Z 0 2π dϕ 0 p 0 r 02 sin ϑ 0 ρ(r 0 ) r 02 + r 2 − 2r r 0 cos ϑ 0 . (7) Da der Integrand nicht von ϕ 0 abhängt, ergibt die entsprechende Integration lediglich einen Faktor 2π. Für die Integration über ϑ 0 substituieren wir u = cos ϑ 0 , du = −dϑ 0 sin ϑ 0 . Dies liefert Φ(r ) = −2πγ = −2πγ Z ∞ dr 0 ∞ Z 0 0 Z 1 du p r 02 ρ(r 0 ) r 02 + r 2 − 2r r 0 u r + r 0 − |r − r 0 | dr 0 r 02 ρ(r 0 ) . r r0 −1 (8) Um das Radialintegral weiter auszuwerten, müssen wir die Integrationsbereiche r 0 ∈ [0, r ] und r 0 > r unterscheiden, denn offenbar gilt ¨ 2r 0 falls r 0 ≤ r, 0 0 r + r − |r − r | = (9) 2r falls r 0 > r. Setzen wir dies in (9) ein, finden wir schließlich Zr Z∞ 1 0 02 0 0 0 0 Φ(r ) = −4πγ dr r ρ(r ) + dr r ρ(r ) . r 0 r (10) (c) Für die Gravitationskraft auf eine Punktmasse am Ort ~r im Gravitationsfeld der Massenverteilung gilt dann ~r d ~ F~(~r ) = −m ∇Φ(r ) = −m Φ(r ). (11) r dr Nun gilt wegen (10) Z γ mM (r ) ~r ~r 1 r 0 02 0 ~ F (~r ) = −4πγ m dr r ρ(r ) + r ρ(r ) − r ρ(r ) = − , (12) 2 r r 0 r2 r wobei M (r ) = Z 3 0 0 d ~r ρ(r ) = Kr Z r dr 0 Z π dϑ 0 0 Z 0 2π 0 02 0 0 dϕ r sin ϑ ρ(r ) = 4π 0 Z r dr 0 r 02 ρ(r 0 ), (13) 0 die in der Kugel K r mit Radius r um den Ursprung enthaltene Masse ist, wie auf dem Blatt behauptet. (d) Für eine homogene Kugel um den Ursprung mit Radius R ist ¨ ρ0 = const für r 0 ≤ R, M 3M 0 ρ(r ) = mit ρ0 = 4π = , 0 3 4πR3 0 für r > R R 3 und es folgt aus (10) ¨ γM Φ(r ) = (r 2 − 3R2 ) für für 2R3 γM − r r ≤ R, r > R. (14) (15) (e) Im Inneren der Kugel (r < R) gilt wegen (12) γ mM ~r , F~(~r ) = − R3 denn es ist M (r ) = 4π Z 0 r dr 0 r 02 ρ0 = 4π 3 M r3 r ρ0 = . 3 R3 (16) (17) Wir können das kleine Loch durch die Kugel vernachlässigen, und annehmen, däs auf den Massenpunkt in dem Loch die Kraft (16) wirkt. Mit ~r = z~e z folgt durch Einsetzen ins Newtonsche Kraftgesetz m ~¨r = F~(~r ) die Bewegungsgleichung s γM 2 z̈ = −ω z mit ω = . (18) R3 Das ist die Gleichung für einen harmonischen Oszillator mit der angegebenen Kreisfrequenz ω. Velocity B A Distance Abbildung 1: Gemessene Rotationskurve v(r ) für eine Spiralgalaxie (B) im Vergleich mit der aus der Luminositäts-Massenverteilung der sichtbaren Materie mittels (20) vorhergesagten Rotationskurve (A). Dies bedeutet, daß es für große Abstände vom Zentrum der Galaxie eine viel größere Menge dunkler Materie als sichtbare Materie geben muß. Bild von Wikipedia http://en.wikipedia.org/wiki/Rotation_curve (under Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license) (f) Die Lösung mit den Anfangsbedingungen z(0) = R und ż(0) = 0 ist demnach z(t ) = R cos(ωt ). (19) Bemerkung: Die Beziehung (12) spielt auch eine wichtige Rolle in der Astronomie der Spiralgalaxien. Man kann nämlich aus (12) aus der Geschwindigkeit der im Abstand r um das Zentrum einer Galaxie laufenden Sterne auf die gravitativ wirksame Massenverteilung schließen. Dazu denken wir uns einfachheitshalber den Stern auf einer Kreisbahn bewegt. Dazu muß die Gravitationskraft (12) genau der Zentripetalkraft entsprechen, die den Stern auf dem konstanten Abstand r vom Zentrum hält, d.h. es gilt v u t γ M (r ) mv 2 (r ) γ mM (r ) = ⇒ v(r ) = . (20) r r2 r Nun kann man die Geschwindigkeit der Sterne messen. Dazu verwendet man den Doppler-Effekt für die aus einem Wasserstoff-Hyperfeinübergang stammende 21 cm-Spektrallinie. Ein Stern, der sich auf uns zu- bzw. wegbewegt zeigt eine spektrallinie mit etwas kleineren bzw. größeren Wellenlängen (Dopplereffekt für elektromagnetische Wellen), und daraus kann man auf die Geschwindigkeit des Sterns und damit aus (20) auf M (r ) schließen. Andererseits kann man die Leuchtkraft einer Galaxie in Abhängigkeit vom Abstand vom Zentrum messen und daraus auf die Massenverteilung der leuchtenden Materie schließen. Der Vergleich zwischen der aus (20) bestimmten gravitativ wirksamen Massenfunktion M (r ) mit der entsprechenden aus der Luminositätsverteilung bestimmten Massenfunktion Mlum (r ) der sichtbaren Materie vergleicht, ergibt sich eine große Differenz (vgl. die Abbildung), d.h. es muß viel mehr gravitativ wirksame Materie als sichtbare Materie in der Galaxie vorhanden sein. Daraus schließt man, daß es neben der sichtbaren Materie auch noch sog. dunkle Materie geben muß, die aus noch bislang unbekannten Teilchen besteht. Eine alternative Erklärung wäre, daß das Newtonsche Gravitationsgesetz (bzw. die Allgemeine Relativitätstheorie (ART), also die entsprechende relativistische Theorie der Gravitation) nicht exakt gültig sein könnte. Entsprechende Alternativtheorien wie MOND (=MOdified Newtonian Dynamics) sind allerdings nicht kompatibel mit anderen astronomischen Beobachtungen (wie z.B. beobachteten Gravitationslinseneffekten der ART).