Inhaltsverzeichnis 1 Oszillierende Reaktionen 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion . . 1.3 Zeitliche Oszillationen . . . . . . . . . 1.4 Räumliche Oszillationen . . . . . . . . 1.5 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . 1.5.1 Überprüfung Stammlösungen . 1.5.2 Messung des Ferroin-Spektrums 1.5.3 Verdünnungsreihe des Ferroins . 1.5.4 Zeitliche Oszillationen . . . . . 1.5.5 Räumliche Oszillationen . . . . 1.6 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Zeitliche Oszillationen . . . . . 1.6.2 Räumliche Oszillationen . . . . 1.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Entsorgung . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Verbesserungsvorschläge . . . . . . . . 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3 4 6 8 9 9 10 10 10 11 12 12 13 13 13 14 1 Oszillierende Reaktionen Stichwörter: Räumlich und zeitlich oszillierende chemische Reaktionen Nichtlinearität Reaktionskinetik Fragen zum Eingangskolloquium: 1. Was ist eine oszillierende Reaktion? 2. Wie kann es zu einer oszillierenden Reaktion kommen? 3. Wieso widerspricht eine oszillierende Reaktion nicht der Aussage, dass die freie Enthalpie bei Reaktionen abnehmen muss? 4. Was ist ein Brüsselator und wie wird bei ihm die Gleichgewichtsbedingung erfühlt? 5. Erklären Sie den Begriff Rückkopplung . 6. Was für Oszillationen kann man beobachten und erklären Sie diese? 7. Welche ist die erste beschriebene oszillierende Reaktion und welche sind die Unterschiede im Vergleich zu der von Ihnen durchzufürenden Reaktion? 8. Schreiben Sie die wichtigsten Reaktionsschritte auf und erklären Sie diese. 9. Welcher von den Edukten ist besonders wichtig für den Ablauf der Reaktion und warum? 10. Erläutern Sie die Grundbegriffe: (1) Reaktionsordnung, (2) Geschwindigkeitskontante, (3) Geschwindigkeitsgesetz. 11. Wie funktioniert ein Spektrometer? 12. Skizzieren Sie die einzelne Schritte des Versuchs. Wie würden Sie vorgehen? 13. Warum brauchen wir die Verdünnungsreihe des Ferroins? 14. Warum benötigt man für die räumliche und die zeitliche Oszillation unterschiedliche Konzentration der Edukte? 2 15. Ordnen Sie die Geschwindigkeitskonstanten k1 und k2 den richtigen Reaktionen zu. Wie würden Sie die beiden Konstanten bestimmen? 16. Warum geben Sie die Ferroin-Lösung als letzte dazu? 17. Worauf sollten Sie bei der Durchführung dieses Versuchs besonders achten? 1.1 Einleitung Wenn man normale, nicht völlig gehemmte chemische Reaktionssysteme unter konstanten Außenbedingungen sich selbst überlässt, stellt sich ein thermodynamisch definiertes Gleichgewicht ein. Sind die Systeme thermodynamisch offen, dann streben sie einen ebenfalls definierten stationären Zustand an. Es gibt aber viele Beispiele dafür, dass chemische Systeme im zeitlichen Verhalten von dieser Norm wesentlich abweichen können. Eine der interessantesten Abweichungen ist die Fähigkeit einiger chemischer und physiko-chemischer Systeme, spontan oszillerend zu reagieren. Nach den Gesetzen der Thermodynamik sind alle spontanen chemischen Veränderungen in einem homogenen, abschlossenen System von einer Abnahme der freien Enthalpie dieses Systems begleitet. Eine Folge dieser Beziehung ist, dass pendelartige Schwankungen um eine Gleichgewichtslage in solchen chemischen Systemen nicht beobachtet werden. Wenn jedoch bei der Annäherung einer chemischen Reaktion an das Gleichgewicht kurzlebige Zwischenprodukte auftreten, kann die Situation komplizierter werden. Im Allgemeinen beobachtet man, dass die Konzentrationen dieser Zwischenprodukte entweder schnell einen stationären Wert erreichen, oder dass sie ein Maximum oder ein Minimum durchlaufen. Doch wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, können die Konzentrationen der Zwischenprodukte um die erwarteten Werte im stationären Zustand oszillieren. Diese Schwankungen können als rhythmische, zeitliche oder räumliche Konzentrationsänderungen auftreten. I. Progogine und Mitarbeiter in Brüssel haben das folgende (hypothetische) Reaktionsschema - den sogenannten Brüsselator - sorgfältig auf oszillierendes Verhalten untersucht: A B+X 2X + Y X − → ← − → ← − → ← − → ← X Y+D 3X C. (1a) (1b) (1c) (1d) → C + D. A+B − ← (2) Die Gesamtreaktion für dieses Schema ist: Die kinetische Analyse des Systems zeigt, dass die Konzentrationen von X und Y im stationären Zustand empfindlich auf kleine Störungen reagieren und schnell 3 einen stabilen, oszillierenden Zustand erreichen, wenn Reaktion (2) weit genug vom Gleichgewicht entfernt ist, so dass die Rückreaktion vernachlässigt werden kann. Die Konzentrationen dieser Zwischenprodukte erreichen unabhängig von den Anfangsbedingungen immer denselben oszillierenden Zustand um die stationären Werte. Der ‘Brüsselator’ ist also ein hypothetisches Beispiel für ein Reaktionsschema, das zu Oszillationen führt. Die Gruppe aus Brüssel hat auch gezeigt, dass eine räumliche Strukturierung der Konzentrationen von X und Y auftritt, wenn man die Diffusionen in einem System mit einer anfänglichen Konzentrationensinhomogenität mit in Betracht zieht. Bestimmte Voraussetzungen sind für das Auftreten von Oszillationen in einem chemischen System notwendig, aber nicht hinreichend. Die erste von ihnen ist, dass das System weit vom Gleichgewicht entfernt sein muss. Bei der kinetischen Analyse des Brüsselators wird diese Bedingung dadurch erfüllt, dass die Geschwindigkeitskonstanten für die Rückreaktionen gleich Null gesetzt werden. Die zweite Voraussetzung ist, dass das System für den Stoff- und Energieaustausch mit seiner Umgebung offen sein muss, wenn die Oszillationen ungedämpft bleiben sollen. Die dritte Voraussetzung ist, dass das System mindestens einen Reaktionsschritt mit ‘Rückkopplung’ enthalten muss. Mit Rückkopplung ist gemeint, dass eines der Produkte einer Reaktionen die Geschwindigkeit dieses Reaktionsschritts in anderer Weise beeinflusst, als auf dem Wege über die Produktkonzentration bei einer reversiblen Reaktion. Bei dem Brüsselator ist Reaktion (1c) eine Autokatalyse; sie stellt den notwendigen Rückkopplungsschritt dar. Diese Rückkopplung ist notwendig, um in die Differentialgleichungen, welche die Zeitabhängigkeit des Systems beschreiben, nicht-lineare Beziehungen einzuführen. Auf dieser Nichtlinearität beruht das komplexe Verhalten. Die oben erwähnten räumlichen und zeitlichen Strukturen entwickeln sich, während Reaktion (2) jenseits eines kritischen Abstands vom Gleichgewicht in einem offenen System abläuft. Zur Aufrechterhaltung dieser Strukturen ist es erforderlich, dass bei Reaktion (2) Energie frei wird. Die Oszillationen werden im Grunde von der in Reaktion (2) erzeugten freien Energie angetrieben. 1.2 Die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion Der Brüsselator ist zwar ein eindrucksvolles Beispiel für eine solche theoretisch denkbare Verhaltensweise eines chemischen Systems, doch liegt ihm keine reale chemische Reaktion zugrunde. Die Wahl des Reaktionssystems wurde hauptsächlich dadurch bestimmt, dass sich das Problem mathematisch gut behandeln lässt. In Wirklichkeit sind nur sehr wenige Reaktionen bekannt, bei denen räumliche oder zeitliche Oszillationen auftreten. Das Interesse an chemischen Oszillationen wurde vor allem durch die Entdeckung einer außerordentlich eindrucksvoll verlaufenden und gut reproduzierbaren periodischen Reaktion durch B. Belousov (1958) geweckt. Beim Versuch, Citronensäure mit Bromat in Gegenwart von Ce4+ zu oxidieren, beobachtete er, 4 dass die gelbe Farbe des Ce4+ -Ions in dem homogenen Reaktionsgemisch in gleichbleibendem Rhytmus verschwand und wieder auftrat. Besonders A. M. Zhabotinsky erkannte die Bedeutung dieser Reaktion für das Verständnis chemischer und biologischer periodischer Vorgänge. Er zeigte u.a., dass die Reaktanden modifiziert und dadurch die Oszillationsfähigkeit der Reaktionen wesentlich verbessert werden konnte. So kann die Citronensäure vorteilhaft durch andere bromierbare organische Verbindungen, insbesondere durch Malonsäure, ersetzt werden. Zhabotinsky erkannte auch, dass das Ce4+ -Ion als Elektronenüberträger fungiert und durch Redoxsysteme mit entsprechend hohem positiven Redoxpotential (z.B. Ferriin) ersetzbar ist. Die Farboszillationen beruhen auf Oszillationen des Ce4+ :Ce3+ -Verhältnisses, bzw. des Ferriin:FerroinVerhältnisses und sind gelb:farblos im ersten Fall und blau:rot im zweiten Fall. In dem hier vorliegenden Versuch wird die chemische Oszillation anhand des Ferriin:Ferroin-Verhältnisses beobachtet. R. J. Field, E. Körös und R. M. Noyes haben einen detallierten chemischen Mechanismus vorgeschlagen, mit dem sich sowohl die zeitlichen als auch die räumlichen Oszillationen bei der Belousov-Reaktion erklären lassen. Der Mechanismus lässt sich am besten verstehen, wenn man beachtet, dass in dem System zwei verschiedene Gesamtreaktionen ablaufen können. Sie beeinflussen sich gegenseitig wenig, da an der einen nur Singulett-Spezies beteiligt sind (also ausschließlich Ionen und Moleküle mit gepaarten Elektronenspins), während die andere im wesentlichen eine radikalische Reaktion ist. Welcher der Prozesse zu einer bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort dominiert, hängt von der BromidKonzentration ab: Oberhalb einer bestimmten kritischen Bromid-Konzentration läuft Prozess A ab, unterhalb dieser Konzentration Prozess B. Die Oszillationen treten auf, da Prozess A Bromid-Ionen verbraucht und damit unausweichlich zur Auslösung von Prozess B führt, bei dem indirekt Bromid-Ionen entstehen, womit die Kontrolle des Systems wieder zu Prozess A zurückkehrt. Für die Reaktionen der Prozesse A und B lassen sich folgende Gleichungen schreiben: Prozess A: + Br− + BrO− 3 + 2H Br− + HBrO2 + H+ 3Br− + 3HOBr + 3H+ 3Br2 + 3CH2 (COOH)2 → HBrO2 + HOBr → 2HOBr → 3Br2 + 3H2 O → 3BrCH(COOH)2 + 3Br− + 3H+ , (3a) (3b) (3c) (3d) d.h. im ganzen: + 2Br− + BrO− 3 + 3H + 3CH2 (COOH)2 → 3BrCH(COOH)2 + H2 O. 5 (4) Prozess B: + BrO− 3 + HBrO2 + H → 2BrO2 + H2 O (5a) 2Fe2+ + 2BrO2 + 2H+ → 2Fe3+ + 2HBrO2 , (5b) 3+ + 2Fe2+ + BrO− + H2 O + 2HBrO2 . 3 + HBrO2 + 3H → 2Fe (5c) + 2HBrO2 → HOBr + BrO− 3 +H . (5d) d.h. im ganzen: Ferner: Wenn auf die Schritte 2(5c) + (5d) die Summe der Schritte (3c) + (3d) aus Prozess A folgt, ist die Gesamtreaktion des Prozesses B: + 3+ 4Fe2+ + BrO− + BrCH(COOH)2 + 3H2 O. (6) 3 + CH2 (COOH)2 + 5H → 4Fe Die Funktion dieses Mechanismus hängt von zwei kritischen Faktoren ab. Der erste ist die Konkurrenz des Bromid- und des Bromat-Ions um die bromige Säure. Der zweite ist der autokatalytische Reaktionsschritt (5c) in Prozess B. Das nichtlineare Verhalten der Reaktion (5c) liefert die Rückkopplung, die zur Ausbildung der Oszillationen notwendig ist. Auch auf einem zweiten Wege kann Fe3+ - zu Fe2+ -Ionen reduziert werden: BrCH(COOH)2 + 2Fe3+ + H2 O → Br− + 2Fe2+ + HCOCOOH + CO2 + 3H+ . (7) Noch andere Reaktionen können hinzugezogen werden, auf diese soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. 1.3 Zeitliche Oszillationen Wir betrachten zunächst eine Lösung, die kontinuierlich durchmischt wird, so dass sie als räumlich homogen betrachtet werden kann. Wir erwarten, dass die Reaktionen (6) und (7) so lange ablaufen, bis die Bildungsgeschwindigkeit von Fe2+ (Ferroin) gemäß (7) genau so groß geworden ist wie die Geschwindigkeit, mit der Fe2+ gemäß (6) verschwindet (d.h., Einstellung eines stationären Zustandes). Nun wird die Reaktion (6) jedoch blockiert, sobald die in (7) enstehenden − Br -Ionen eine kritische Konzentration ck überschreiten. Dann läuft nur noch Reaktion (7) ab, die Fe3+ -Konzentration (Ferriin-Konzentration) sinkt also weiter ab. Das Blockieren von (6) hängt damit zusammen, dass bei der Reaktion (5b) als Zwischenprodukt HBrO2 auftritt: dieses Zwischenprodukt wird durch Br− -Ionen weggefangen [Reaktion (3b), die eine schnelle Reaktion ist]. Wir können also zwei Reaktionsphasen unterscheiden: 6 cBr− < ck : Die Reaktionen (6) und (7) laufen ab. cBr− > ck : Nur Reaktion (7) läuft ab. Der zeitliche Verlauf der Br− -Konzentration ist dementsprechend wie folgt. Zunächst steigt cBr− an, bis ck überschritten wird. Da jetzt über (6) kein HBrO2 mehr gebildet wird, kann das nach (7) weiterhin entstehende Br− nicht mehr mit HBrO2 reagieren, cBr− steigt also noch steiler an. Gemäß (7) sinkt aber die Fe3+ -Konzentration (Ferriin-Konzentration) allmählich ab, so dass die Bildungsgeschwindigkeit von Br− immer kleiner wird. Da Br− langsam mit HBrO3 , das in großem Überschuss vorliegt, reagiert [Reaktion (3a)], nimmt cBr− nach Überscheiten eines Maximums schließlich wieder ab. Sobald ck dabei unterschritten wird, setzt die Reaktion (6) wieder ein. Von hier an wiederholen sich die Vorgänge [Ein- und Ausschalten von (6)] jetzt periodisch. Um die Verhältnisse besser zu überblicken, betrachten wir die Reaktionen (7) bzw. (6) als Reaktionen erster Ordnung bezüglich Fe3+ (Feriin) bzw. Fe2+ (Ferroin). Ebenso nehmen wir an, dass die Abnahme der Br− -Konzentration nach (3b), bzw. (3a) nach erster Ordnung verläuft: cBr− < ck : dcFerriin = −k1 cFerriin + k2 cFerroin dt 1 dcBr− = k1 cFerriin − (k3 + k4 )cBr− dt 2 (8) (9) cBr− > ck : dcFerriin = −k1 cFerriin dt dcBr− 1 = k1 cFerriin − k4 cBr− . dt 2 (10) (11) Diese Differentialgleichungen lassen sich z.B. auf numerischem Weg lösen, wenn die Anfangskonzentrationen bekannt sind. Ob die Reaktion periodisch oder nicht periodisch abläuft, hängt empfindlich von den Konzentrationsverhältnissen ab. Ist beispielsweise die Brommalonsäurekonzentration genügend klein (das bedeutet, dass im Modell k1 klein ist), dann kann es vorkommen, dass der kritische Wert der Bromidkonzentration im Bereich 1 nicht erreicht wird und sich ein stationärer Zustand einstellt: dcFerriin =0 (12a) dt dcBr− = 0. (12b) dt 7 Damit folgt aus (8) und (9) −k1 cFerriin + k2 cFerroin = 0 1 k c − (k3 + k4 )cBr− = 0. 2 1 Ferriin (13) cFerroin + cFerriin = c0 (14) Da außerdem ist (c0 ist die Anfangskonzentration an Fe3+ (Ferriin)), ergibt sich für die Br− Konzentration im stationären Zustand cBr− ,stationär = 1 k1 k2 · c0 . 2 k3 + k4 k1 + k2 (15) Wenn ck kleiner als cBr− ,stationär ist, setzen Oszillationen ein. Würden wir k1 verkleineren (z.B. durch Reduktion der Brommalonsäurekonzentration) würde die Reaktion nicht periodisch ablaufen. 1.4 Räumliche Oszillationen Die räumlichen Oszillationen bei der Belousov-Zhabotinsky-Reaktion lassen sich deutlich erkennen, wenn man eine dünne Schicht des Reaktionsgemischs auf dem Boden einer Kristallisierschale beobachtet. Man bezeichnet das als zweidimensionale Reaktionsführung. Die Konzentrationen der einzelnen Reaktanden in dem Reaktionsgemisch sind deutlich verschieden von denjenigen, die zur Untersuchung der zeitlichen Oszillationen dienen. Wichtig ist, dass Prozess A unter diesen Konzentrationsverhältnissen ziemlich stabil gegen zeitliche Oszillationen ist, d.h., spontane Verschiebungen zu Prozess B sind sehr selten. Das Vorhandensein von sogenannten Schrittmachern (Staubpartikel oder andere heterogene Stellen) ist sehr wichtig, da sie die Ursache dafür sein können, dass ein kleiner Bereich des Reaktionsgemisches von Prozess B kontrolliert wird. Das beruht wahrscheinlich auf der Bildung von bromiger Säure durch einen unbekannten heterogenen Prozess (oder mehrere Prozesse). Wenn jedoch ein kleiner Bereich einmal von Prozess B kontrolliert wird, wächst er wegen der autokatalytischen Eigenschaft von Reaktion (5c) rasch an. Diffundiert dann ein Molekül bromiger Säure aus einem Gebiet, in dem Prozess B abläuft, heraus, kann es entweder ein Bromid-Ion zerstören (3b) oder zwei neue Moleküle bromiger Säure erzeugen (5c). Beide Vorgänge tragen dazu bei, dass sich in diesem Bereich die Kontrolle des Systems durch Prozess A auf Prozess B übergeht. Auf diese Weise wächst das Gebiet, das vom metalloxidierenden Prozess B beherrscht wird, vom Schrittmacher aus rasch an. Die Kettenverzweigung im Prozess (5c) erhöht die Geschwindigkeit mit der bromige Säure diffundieren und benachbarte Gebiete 8 unter die Kontrolle durch Prozess B bringen kann sehr stark. Wenn Prozess B über einen Bereich die Herrschaft gewinnt, wird Fe2+ (Ferroin) sehr rasch zu Fe3+ (Ferriin) oxidiert (6). Das Gebiet, das von Prozess B beherrscht wird, wächst, weil die hohe Konzentration an bromige Säure in einem von Prozess B beherrschten Bereich zur Zerstörung der Bromid-Ionen in den von Prozess A beherrschten Nachbarbereichen führt. Prozess B führt auch zur Bildung von Fe3+ (Ferriin). Dieses Fe3+ (Ferriin) reagiert nach (7) mit Brommalonsäure zu Bromid-Ionen, kurz nachdem ein bestimmter Punkt im Reaktionsgemisch unter die Herrschaft von Prozess B geraten ist. Auf diese Weise kehrt dieser Punkt wieder zu Prozess A zurück. Bei dem hier betrachteten zweidimensionalen Fall breitet sich das Gebiet, in dem Prozess B dominiert, vom Schrittmacher als Zentrum aus, so dass eine scheibenförmige Oxidationszone entsteht. Nach einem bestimmten Zeitraum führt jedoch das entstehende Fe3+ (Ferriin) dazu, dass Prozess A am Schrittmacher wieder die Oberhand gewinnt. So entsteht ein Oxidationsring um den Schrittmacher. Die Welle breitet sich aus und verbraucht Bromid-Ionen. Doch wegen Reaktion (7) ist die Bromidkonzentration auf ihrer Rückseite viel höher als vor ihr. Die hohe Bromidkonzentration, die nach dem Durchlaufen einer Welle zurückbleibt, setzt dem allzu dichten Aufeinderfolgen einer zweiten Welle eine definierte Grenze. Wenn zwei Bromidwellen kollidieren, wird das von Prozess B beherrschte Gebiet zwischen zwei dieser nachlaufenden Bromidwellen eingeklemmt und zerstört. Auch wenn eine Welle die Wand des Behälters erreicht, wird sie durch ihre nachfolgende Bromidwelle ausgelöscht. 1.5 Versuchsdurchführung In dem Versuch sollen zeitliche Oszillationen in dem auf Ferroin bassierenden System qualitativ und quantitativ untersucht werden. Ferner sollen räumliche Oszillationen in dem auf Ferroin bassierenden System hauptsächlich qualitativ untersucht werden. In der Untersuchung der zeitlichen Oszillationen wird die Ferroin/Ferriin-Konzentration mit Hilfe eines Spektrometers zeitlich verfolgt. Es ist sehr wichtig, sehr sauber und sorgfältig zu arbeiten. Bringen Sie nach Möglichkeit eine Diskette mit um die gemessenen Daten zur Auswertung zu kopieren. 1.5.1 Überprüfung Stammlösungen Folgende wässrigen Stammlösungen stehen zur Verfuegung: • 0,3 M KBrO3 ; • 1,5 M Malonsäure; • 5,0 M Schwefelsäure; 9 • 0,3 M KBr; • 0,025 M Ferroin. Falls nicht mehr ausreichende Mengen einer Stammlösung vorhanden sind, so wenden sie sich bitte an den Betreuer, bzw. den Techniker des Praktikums. Beim hantieren mit den Chemikalien tragen sie am besten Latexhandschuhe. Vermeiden sie direkten Kontakt mit den Chemikalien und hantieren sie insbesondere mit der 5 M Schwefelsäure sehr vorsichtig. 1.5.2 Messung des Ferroin-Spektrums Die zeitlichen Variationen der Ferroin-Konzentration werden mit Hilfe eines Spektrometers verfolgt. Dabei wird ausgenützt, dass Ferroin rot ist, während Ferriin blau ist. Zuerst wird ein Absorptionsspektrum einer 5 · 10−4 M Ferroin-Lösung ermittelt. Die Wellenlänge (im sichtbaren Bereich) der maximalen Absorption wird bestimmt, und diese Wellenlänge wird in allen nachfolgenden Messungen verwendet. (Die Wellenlänge des Maximums sollte ungefähr zwischen 500nm und 520nm liegen.) 1.5.3 Verdünnungsreihe des Ferroins Bei einer Verdünnungsreihe wird die Absorption als Funktion von der FerroinKonzentration ermittelt. Dabei soll die Ferroin-Konzentration zwischen 5 · 10−4 M und 1 · 10−5 M variiert werden. Dies wird bei der Auswertung benoetigt um von der gemessen Absorptioin auf die Ferroin/Ferriin-Konzentration zu schließen. (Achtung: In der Auswertung gehört dieser Abschnitt vor die Behandlung der zeitlichen Oszillation.) 1.5.4 Zeitliche Oszillationen In einem Erlenmeyerkolben werden ca. 40ml einer wässrige Lösung mit folgenden Reaktanden und Konzentrationen in der Lösung angesetzt: (Berechnen sie dazu wieviel vom jeweiligen Stoff benoetigen wird und zeigen Sie das Ergebnis dem Betreuer bevor sie mit dem Versuchsteil beginnen) • 0,05 – 0,1 M (z.B. 0,07 M) KBrO3 ; • 0,15 – 0,30 M (z.B. 0,25 M) Malonsäure; • 0,5 – 1,0 M (z.B. 0,7 M) Schwefelsäure; • 0,02 – 0,04 M (z.B. 0,03 M) KBr; • 2 – 5·10−4 M (z.B. 3,3·10−4 M) Ferroin. 10 Mischen sie zunächst alle Stoffe außer dem Ferroin zusammen. Nachdem sie das KBr dazugegeben haben, verschliessen sie schnell den Kolben, da Brom entsteht. Schuetteln sie den Kolben bis die typische braune Farbe des Brom verschwunden ist. Nachdem die Lösung gut durchgemischt ist, wird wässrige Ferroin dazugegeben. Das Reaktionsgemisch muss mit einem Magnetrührer fortlaufend vorsichtig gemischt werden, um die Ausbildung räumlicher Strukturen zu vermeiden, wenn verschiedene Teile der Lösung gegenseitig außer Phase geraten. Wenn die Osziallation beginnt, benutzen sie die Sonde um mit Hilfe des Spektrometers den zeitlichen Verlauf der Reaktion zu beobachten. Das ganze Verfahren wird für verschiedene Ausgangskonzentrationen wiederholt. Sie sollten in etwa 3 zeitliche Oszillationen, bei denen man die Oszillation gut und sauber erkennen kann, messen. Dabei soll einmal auch die Br− -Konzentration so erhöht werden, dass es keine Oszillationen gibt. 1.5.5 Räumliche Oszillationen Die räumlichen Oszillationen lassen sich deutlich erkennen, wenn man eine dünne Schicht des folgenden Reaktionsgemischs auf dem Boden einer Kristallisierschale beobachtet: • 0,2 M KBrO3 ; • 0,1 M Malonsäure; • 0,333333 M Schwefelsäure; • 0,04 KBr; • 0,00167 M Ferroin. Das Gemisch soll den Boden der Kristallisierschale bedecken (setzen sie ca. 30ml an), aber die Höhe der Schicht darf 2 mm nicht überschreiten. Die Kristallisierschale soll vorher absolut sauber und staubfrei sein. Die Kristallisierschale soll vor dem Gebrauch in eine exakt waagerechte Stellung gebracht werden. Um die Reaktion in Gang zu setzen, werden die oben erwähnten Lösungen außer Ferroin in einem Kolben gemischt. Solbald das letzte Reagenz zugegeben ist, erscheint die Farbe des Broms und bleibt etwa eine Minute sichtbar. Während dieser Zeit hält man den Kolben fest verschlossen. Nachdem die Bromfarbe verblaßt ist, gibt man ein paar Tropfen einer oberflächenaktiven Verbindung (2-proz. Lösung von Triton X-100) hinzu und gießt die Mischung in die Kristallisierschale. Das Tensid erleichtert die Ausbreitung der Lösung auf dem Boden der Kristallisierschale. 11 Nun wird das Ferroin zur Reaktionsmischung gegeben und die Lösung durch Kippen der Kristallisierschale gemischt. Wenn die gesamte Lösung die rote Farbe des reduzierende Zustands angenommen hat, stellt man die Schale hin und lässt die Lösung zur Ruhe kommen. Nach wenigen Minuten beginnen sich kreisförmige Oxidationswellen von bestimmten Zentren (den Schrittmachern) auszubreiten. Diese Schrittmacher scheinen Staubpartikel oder andere heterogene Stellen zu sein. Das System lässt sich durch einfaches Durchmischen der Lösung, bis sie wieder ganz rot ist, von neuem starten. Bei der Reaktion entsteht Kohlendioxid, und die Gasblasen stören schließlich die Demonstration. Beobachten Sie was passiert, wenn zwei Wellen zusammenstoßen, und wenn eine Welle den Rand der Schale trifft. 1.6 Auswertung Es ist wichtig, dass die beobachteten Ergebnisse auch qualitativ beschrieben werden. Ferner muss man bedenken, dass die Gleichungen (8) − (11) nur als Approximation aufgefaßt werden können, und dass die Konstanten k1 , k2 , k3 und k4 indirekt von den Konzentrationen der anderen Komponenten des Reaktionsgemisches abhängen (können). 1.6.1 Zeitliche Oszillationen Mit Hilfe von Gl. (14), (8) − (11) sollen die Konstanten k1 und k2 für jeden Reaktionsablauf bestimmt werden. Dabei soll auch diskutiert werden, ob die Konstanten k1 , k2 , k3 und k4 von den Konzentrationen der anderen Komponenten des Reaktionsgemisches abhängen. Die Gleichungen (8) − (11) lassen sich analytisch lösen: Für cBr− < ck : k2 c0 k1 + k2 1 k1 k2 −(k3 +k4 )t = y< e + c0 2 k3 + k4 k1 + k2 k1 1 e−(k1 +k2 )t + x< 2 k3 + k4 − k1 − k2 cFerriin = x< e−(k1 +k2 )t + cBr− (16a) (16b) Für cBr− > ck : cFerriin = x> e−k1 t (17a) 1 k1 e−k1 t cBr− = y> e−k4 t + x> 2 k4 − k1 12 (17b) x> , x< , y> und y< sind Konstanten, die von den Randbedingungen der Differentialgleichungen (8) − (11) abhängen. Die Konstanten k1 und k2 können durch fit an die Gleichung (16a) bzw. (17a) bestimmt werden. 1.6.2 Räumliche Oszillationen Hier sollen vor allem die in Paragraph 1.5.5 erwähnten Beobachtungen gemacht und Fragen beantwortet werden. Beschreiben und skizzieren sie wie sich die Oszillationen in der Kristallisierschale ausbreiten, was passiert wenn 2 sich ausbreitende Wellen aufeinander treffen, bzw. was passiert wenn eine Wellenfront den Rand der Kristallisierschale erreicht. 1.7 Literatur • 1.H.-D. Försterling und H. Kuhn: Praxis der Physikalischen Chemie. VCH, Weinheim, (1985). • 2.R. J. Field, E. Körös und R. M. Noyes: Oscillations in chemical systems. II. Thorough analysis of temporal oscillation in the bromate-cerium-malonic system. J. Am. Chem. Soc. 94, 8649-8664 (1972). • 3.R. J. Field: Das Experiment: eine oszillierende Reaktion. Chem. in uns. Zeit 7, 171-176 (1973). • 4.U. F. Franck: Chemische Oszillationen. Ang. Chem. 90, 1-16 (1978). • 5.R. J. Field: A reaction periodic in time and space. J. Chem. Ed. 49, 308-311 (1972). • 6.J. Walker: Oszillierende chemische Reaktionen. Spektrum der Wissensch. Mai 1980, 131-137. • 7.I. R. Epstein, K. Kustin, P. De Kepper und M. Orbán: Oszillierende chemische Reaktionen. Spektrum der Wissensch. Mai 1983, 98-107. • 8.W. Geiseler: Oszillierende Reaktionen. Nachr. Chem. 33, 15-21 (1985). 1.8 Entsorgung Es gibt folgende wässrige Lösungen: • 0,3 M BrO− 3 : Wird aufbewahrt für die nachfolgende Gruppe. • 0,3 M Br− : Wird aufbewahrt für die nachfolgende Gruppe. 13 • 5 M Schwefelsäure: Wird aufbewahrt für die nachfolgende Gruppe. • 1,5 M Malonsäure: Wird aufbewahrt für die nachfolgende Gruppe. • Mischungen aus diesen, die auch verschiedene Reaktionsprodukte enthalten: Kommt in den beim Versuch stehenden Abfallbehälter. 1.9 Verbesserungsvorschläge Sollten sie Vorschläge zur Verbesserung des Versuchs oder der Versuchsanleitung haben, oder Fehler (auch Rechtschreibfehler) in der Versuchsanleitung finden, wenden Sie sich bitte an ihren Betreuer. Vielen Dank und viel Spaß und Erfolg bei der Durchführung des Versuchs. 14