Universitätsklinikum Ulm Institut für Pathologie Direktor Prof. Dr. med. P. Möller Expression und prognostische Bedeutung von Caspase-8 in Kolonkarzinomen des UICC-Stadiums II und III Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm vorgelegt von Ines Barbara Maria Herter aus Stuttgart Ulm 2011 Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: Prof. Dr. Jörn Sträter 2. Berichterstatter: Prof. Dr. W. Kratzer Tag der Promotion: 19.10.2012 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis ABKÜRZUNGEN III 1 EINLEITUNG 1 1.1 Das kolorektale Karzinom 1 1.2 Caspase 8 5 1.3 Zielsetzung 8 2 MATERIAL UND METHODIK 9 2.1 Material 9 2.1.1 Geräte und Hilfsmittel 9 2.1.2 Chemikalien und Medien 10 2.1.3 Lösungen 11 2.1.4 Antikörper 12 2.1.4.1 Primärantikörper 12 2.1.4.2 Sekundärantikörper 12 2.1.5 Verwendetes Untersuchungsmaterial 13 2.1.5.1 Patienten und Gewebe 13 2.2 Methodik 16 2.2.1 Gewebeaufarbeitung 16 2.2.2 Immunhistochemische Färbung 16 2.2.3 Auswertung 17 2.2.4 Statistische Auswertung 18 3 ERGEBNISSE 19 3.1 Expression von Caspase 19 3.1.1 Expression von Caspase 8 in der normalen Kolonschleimhaut 19 3.1.2 Expression von Caspase 8 in Adenokarzinomen des Kolons 19 II 3.2 Einfluss der Caspase-8-Expression auf das rezidivfreie 22 Überleben der Karzinom Patienten 4 DISKUSSION 28 5 ZUSAMMENFASSUNG 32 6 LITERATURVERZEICHNISS 34 III ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis: AEC 3 Amino-9 Ethyl-Carbazol a.d. aqua dest. CASP8 Caspase 8 cDNA complementary DNA CEA Carcino-embryonales Antigen Ced-3 Caenorhabditis elegans cell death protein DD Death domain DMF Dimethylformamid EGF Epidermal growth factor EGF-R Epidermal growth factor receptor EPC Endotheliale Progenitorzelle FADD Fas-associating death domain FLIP Flice inhibitory protein HBV Hepatitis B Virus HCC hepatozelluläres Karzinom H2O2 Wasserstoffperoxid HRP horseradish peroxidase ICE Interleukin-1ß-converting enzyme, Caspase 1 kb Kilobasen kDa Kilodalton KRK kolorektales Karzinom PAP Peroxidase Antiperoxidase Komplex PARP Poly-(ADP-Ribose)-Polymerase PBS Phosphate Buffered Saline TNF Tumornekrosefaktor TRAIL Tumor Necrosis Factor-related Apoptosis-inducing Ligand UICC Union Internationale contre le Cancer 1 EINLEITUNG 1. Einleitung 1.1 Das kolorektale Karzinom Mit ca. 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr gehört das kolorektale Karzinom in Deutschland zu den häufigsten Malignomen. Als Krebstodesursache steht der Darmkrebs mit ca. 30 000 Todesfällen pro Jahr an zweiter Stelle sowohl bei den Männern (nach dem Bronchialkarzinom) als auch bei den Frauen (nach dem Mammakarzinom) (61). Als nachgewiesene Risikofaktoren gelten das kolorektale Adenom, eine positive Familienanamnese, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Nikotin und Alkohol sowie ein fortgeschrittenes Alter (22). Die Bedeutung des Anteils von Ballaststoffen in der Nahrung ist umstritten, eine Assoziation jedoch eher unwahrscheinlich (48). Histologisch werden die kolorektalen Karzinome nach der derzeitigen WHOKlassifikation eingeteilt in Adenokarzinome (85-90%), muzinöse Adenokarzinome (5-10%) und seltene Karzinome wie Siegelringzellkarzinom, kleinzelliges Karzinom, Plattenepithelkarzinom, adenosquamöses Karzinom, medulläres Karzinom sowie das undifferenzierte Karzinom (30). Die anatomische Ausbreitung des Tumors ist der wichtigste gesicherte unabhängige tumorassoziierte Prognosefaktor für das kolorektale Karzinom. Diese geht in die TNM-Klassifikation ein und bestimmt das Tumorstadium (Tabelle 1). 2 Tabelle 1: Stadieneinteilung nach der TNM-Klassifikation kolorektaler Karzinome, 5. Auflage UICC-Stadium T N M 0 Tis N0 M0 I T1-2 N0 M0 II T3-4 N0 M0 III jedes T N1-3* M0 IV jedes T N1-3* M1 Anmerkung: UICC: Union Internationale Contre le Cancer. T: Infiltrationstiefe, N: regionäre Lymphknoten, M: Fernmetastasen. (10,30). *bis zur 5. Auflage der TNM-Klassifikation der kolorektalen Karzinome wurde der regionäre Lymphknotenbefall von N0 bis N3 definiert und eingeteilt. Diese Einteilung fand bei unserem Kollektiv Verwendung. N3 entsprach dem Befall von Lymphknoten an einem bezeichneten Stammgefäß. Mit zunehmendem Tumorstadium verschlechtert sich die Prognose signifikant. Ab UICC-Stadium III (regionärer Lymphknotenbefall) beträgt die 5-Jahresüberlebensrate zwischen 83 und 44% (47). Nach Empfehlung der Leitlinien (37) schließt sich ab diesem Stadium eine adjuvante Chemotherapie an, von der jedoch nur ein kleiner Teil der Patienten profitiert (17,55). Ein Großteil der Patienten im Stadium III würde entweder auch ohne Therapie rezidivfrei bleiben, oder erleidet trotz Therapie ein Rezidiv. Unabhängig von ihrer Wirksamkeit leiden aber alle Patienten, die dieser Therapie unterzogen werden, unter der Toxizität der Behandlung. Andererseits erhalten Kolonkarzinompatienten im UICC-Stadium I/II leitliniengemäß zumeist keine adjuvante Therapie. Dennoch erleidet ein kleiner Patientenanteil ein Rezidiv und wenige versterben daran. Demnach wird die stadienadaptierte Behandlung des kolorektalen Karzinoms anhand der TNM-Klassifikation den Therapiezielen nicht immer gerecht; dies begründet sich v. a. mit der Inhomogenität der Stadien-Gruppen (18). Um das individuelle Risiko der Patienten, ein Rezidiv zu bekommen bzw. an ihrem Leiden zu versterben, besser abschätzen zu können sowie um Aussagen über den 3 Nutzen einer adjuvanten Therapie zu gewinnen, erscheint es erforderlich, weitere prognostische und prädiktive Faktoren herauszuarbeiten. In einzelnen Studien konnte für CEA, Tumormarker des kolorektalen Karzinoms, eine prognostische Bedeutung bezüglich der Überlebensdauer dargestellt werden. Ein präoperativer normaler CEA-Wert geht demnach mit einem längeren Langzeitüberleben einher, während ein präoperativer CEA-Wert von ≥5,0 ng/ml für eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit unabhängig vom Tumorstadium spricht (69). Eine prognostische Aussage über den klinischen Verlauf lässt sich jedoch anhand der Höhe des Tumormarkers nicht machen. In den letzten Jahren wurden mit zunehmendem Interesse molekulargenetische Marker ermittelt, deren prognostische Relevanz zwar noch nicht eindeutig belegt werden konnte, die aber in Anbetracht der Akkumulation molekulargenetischer Ereignisse von Bedeutung zu sein scheinen. In Bezug auf das kolorektale Karzinom haben aktuelle Studien die in der Tabelle 2 aufgeführten molekularen und biologischen Parameter als potentiell prognostisch relevant erkannt (1). Tabelle 2: Potentiell prognostische molekulare und biologische Marker des kolorektalen Karzinoms (2) Onkogene K-ras Her-2/neu EGFR c-myc IGF-I/IGF-II „K homology domain contatining protein overexpressed in cancer“ (KOC) Tumorsuppressorgene Adenomatous polyposis coli (APC) Deleted in colorectal cancer (DCC) Zellzyklusregulatoren Zyklin D1 Zyklin E Zyklinabhängige Kinasen (CDKs) p16 4 p21 (WAF1/CIP1) p27 p53 Retinoblastom-Protein (RB) Proliferation/Apoptose Proliferations- und Apoptose-Indizes bcl-2 BAX Zelladhäsion/Invasion Urokinase-Typ Plasminogenaktivator Cathepsin D Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) CD44 E-Cadherin ß-Catenin Muzin-Core-Proteine Angiogenese Vascular endothelial growth factor (VEGF) Platelet-derived endothelial growth factor (PDGF) Von dieser Gruppe an Onkogenen, Tumorsuppressorgenen, Regulatoren von Zellzyklus und Apoptose, Zellproliferation und Angiogenese erhofft man sich, dass anhand dieser Marker evtl. eine genauere Untergliederung der Tumorstadien ermöglicht wird, anhand derer der klinische (Spontan-) Verlauf des Patienten oder das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie individuell mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagbar wäre. Ziel ist es Patientengruppen identifizieren zu können, die von einer spezifischen Therapie profitieren würden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde getan, als in verschiedenen Studien aufgezeigt werden konnte, dass Patienten von einer Therapie mit EGF-R-Antagonisten nicht profitieren, wenn ihre Tumorzellen eine Mutation im K-ras-Gen aufweisen (4,33). 5 1.2 Caspase 8 Caspasen (=cysteinyl aspartate specific proteases) sind intrazelluläre CysteinProteasen, die die zentrale Komponente in der Apoptose-Signalkaskade der Zelle darstellen. Die Caspase-induzierte Apoptose verläuft entweder extrinsisch über die TNFvermittelte Aktivierung von Caspase 8 oder intrinsisch bzw. Mitochondriumvermittelt (1). Dementsprechend wurde bewiesen, dass Caspase-8-defiziente Zellen für Todesrezeptorliganden-induzierte Apoptose nicht sensitiv sind (5,6,8,14,31,32,45,46,54,57,70). 1996 erfolgte die Erstbeschreibung von Caspase 8 (5,45). Synonym werden die Begriffe MACH (6), MCH5 (14), Flice (45), Mch5 isoform alpha, MACH alpha-1/2/3 protein, MACH beta-1/2/3/4 protein und FADD homologous ICE/CED-3-like protease verwendet. Das Protein Caspase 8, bestehend aus 479 Aminosäuren und mit einem Molekulargewicht von 55 kDa, ist ein Dimer mit Einheiten von je 18 kDa (p18) und 10 kDa (p10) molekularem Gewicht. Der Genlocus findet sich auf 2q33-q34 (6,19,35,45). Durch genomische Sequenzanalyse detektierte Varfolomeev (1998) ein aus acht Exonen bestehendes Caspase-8-Gen, demgegenüber veröffentlichte Grenet (1999) ein 11 Exone umfassendes und 30 kb beinhaltendes Caspase-8Gen, gefolgt von Hadano (2000), der 13 Exone und 52,2 kb detektierte. Das inaktive Vorläuferprotein Procaspase 8 befindet sich überwiegend im Mitochondrium, von wo aus es bei induzierter Apoptose in das Zytoplasma freigegeben wird (53). Das aktive Enzym besteht aus zwei Caspase-8-Untereinheiten, die miteinander verbunden sind und so ein alpha-2-beta-2-Tetramer bilden. Caspase-8-Aktivierung ist in den meisten Zellen ausreichend, um weitere Caspasen, darunter auch die Apoptoseeffektoren, zu aktivieren (71). Caspase 8 ist außerdem beteiligt an der p16-vermittelten Anoikis. Bei der Anoikis handelt sich um eine Apoptose, die eine Zelle erfährt, sobald sie sich von benachbarten Zellen bzw. von der extrazellulären Matrix ablöst. Tumorzellen unterliegen der Anoikis nicht mehr (20,38,52,56). Durch Caspase-8-Inhibitoren kam es jedoch zu einer unvollständigen Inhibition der Anoikis, was eine Beteiligung weiterer Signalwege der Apoptosekaskade vermuten lässt. 6 Eine Analyse von Boldin et al. (1996) ergab, dass Caspase 8 in allen Geweben exprimiert wird, wobei die exprimierte Menge, die durch Northern Blot detektiert wurde, in ruhenden monozytären Leukozyten des periperen Blutes besonders hoch und in Hoden und Skelettmuskel auffallend niedrig war (6). Ein humanes Caspase-8-Defizit führt neben einer defekten Apoptose auch zu einem kombinierten Immundefekt (9,58,65). Darüber hinaus spielt Capase-8 ebenfalls eine Rolle in der Embryonalentwicklung (57,70) (Abbildung 1). Aufgrund der vielfältigen Aufgaben von Caspase 8 ist es als multifunktionales Enzym zu begreifen, das Apoptose-bezogene, aber auch Apoptose-unabhängige Reaktionen zu verantworten hat (32) (Abbildung 1). DED DED D Apoptose Endotheliale Zellhomöostase Large Subunit: p18 Hämatopoese und Immunantwort Small Subunit: p10 Herzentwicklung Abb. 1: Caspase 8 und seine Apoptose-assoziierten und Apoptoseunabhängigen Funktionen DED: Death effector domain Dass Caspase 8 als bedeutender Apoptoseeffektor in der Pathogenese von Malignomen eine Rolle spielt, konnte bereits in mehreren Studien gezeigt werden (7,10,11,12). Dementsprechend wurde in einer Reihe verschiedener Tumoren ein Verlust der Heterozygotie (loss of heterozygosity) des Genlocus von Caspase 8 2q33-34 nachgewiesen (19). Eine folglich defiziente Caspase-8 Expression führte schließlich zu einer Resistenz gegenüber Todesrezeptor-vermittelter Apoptose (34,40,41,51,63). 7 Boldin (1996) und Muzio (1996) konnten im Rahmen ihrer Untersuchungen durch Inokulation von Caspase-8-Isoformen (MACH-alpha-1 oder MACH-alpha-2) in humanen Tumorzellen massiven Zelltod auslösen. Dies führte zu weiteren Untersuchungen, um die Bedeutung von Caspase-8 im Hinblick auf seine Rolle bei der Therapie maligner Erkrankungen zu erforschen. So spielt die Aktivierung von Caspase-8 bei vielen Chemotherapeutika heutzutage eine entscheidende Rolle (13,72,73). Im Hinblick auf Chemotherapie-resistente Tumore, fand sich bei einem Teil eine verminderte Expression von Caspase-8 als ursächlich (27,36). Darüber hinaus konnte in Studien nachgewiesen werden, dass es während der Metastasenbildung in vivo zu einer Suppression der Caspase-8-Expression kommt. Nach der Wiederherstellung der Caspase-8-Expression in defizienten Zellen kam es sogar zu einer Unterdrückung der Metastasenbildung. Caspase 8, in diesem Zusammenhang als Metastasensuppressorgen definiert, reguliert zusammen mit Integrinen (Integrinvermittelter Zelltod) das Überleben und die invasive Kapazität von Tumorzellen. Somit könnte Caspase-8 nicht nur für die Therapie von Tumoren eine Rolle spielen. Sensitivität oder Resistenz von Tumorzellen könnte vielmehr bereits für das Auftreten von Metastasen im spontanen Krankheitsverlauf von Bedeutung sein (64,66). Andere initiale Studien demonstrieren, dass ein Verlust von Caspase-8 tatsächlich mit einer geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit bei einigen Tumoren einhergeht; nachgewiesen ist dies z.B. beim kindlichen Medulloblastom (49). Auf der Basis dieser Erkenntnisse liegt es nahe, Caspase-8 als bedeutenden Regulator der Apoptose im Hinblick auf seine Expression bei Kolonkarzinomen zu untersuchen. Es ist zu erwarten, dass eine schwache Expression von Caspase-8 mit geringer Apoptoseneigung und folglich starker Tumorinvasivität assoziiert ist. Theoretisch sollte somit eine schwache Enzymexpression mit einer schlechten Prognose einhergehen. 8 1.3 Zielsetzung Ziel der vorliegenden Studie war es, die Caspase-8-Expression in Kolonkarzinomen im Vergleich mit normaler Kolonschleimhaut immunhistochemisch zu untersuchen und das Expressionsmuster in den Karzinomen mit dem klinischen Verlauf der Tumorerkrankung zu korrelieren, um so Aufschluss über eine evtl. prognostische Relevanz der Caspase-8-Expression zu erhalten. 9 MATERIAL UND METHODIK 2. Material und Methodik 2.1 Material 2.1.1 Geräte und Hilfsmittel Die in alphabetischer Reihenfolge aufgelisteten Geräte kamen bei dieser Arbeit zum Einsatz: Analysenwaage (Scaltec, Heiligenstadt) Bechergläser 20ml (Schott Zwiesel, Zwiesel) Brutschrank 70°C (WTB Binder, Tuttlingen) Cryostat (Gefrierschnitt Mikrotom; Leica, Bensheim) Deckgläschen 24x32, 24x50, 24x60mm (Menzel, Braunschweig) Einmalspritze 10ml (Braun, Melsungen) Einwegfiltereinheiten 0.45µm (Sartorius, Hannover) Gefriertruhe -80°C (Liebherr, Biberach) Kühlschrank +4°C (Liebherr, Biberach) Lichtmikroskop (Zeiss, Jena) Objektträger Superfrost Color 25x75x1.0, 26x76x1.0mm (Menzel, Braunschweig/Surgipath, Richmond, USA) Pinzetten (Bochem, Weilburg) Pipetten (einmal, Pasteur) 3/0,5ml (Brand, Wertheim) Pipetten (fixed) 50, 100 (Gilson, Villiers-Le-Bel, Frankreich) Pipetten (verstellbar) 10, 20, 100, 200, 1000, (Eppendorf, Hamburg/Gilson, Villiers-Le-Bel, Frankreich) Pipettenspitzen (Brand, Wertheim/Gilson, Villiers-Le-Bel, Frankreich) Reagenzglas-Schüttelgerät (Vortex, Heidolph, Kehlheim) Reaktionsgefäße 1.5, 2, 15ml (Brand, Wertheim/Nunc, Rochester, USA) 10 2.1.2 Chemikalien und Medien Die folgenden, aufgelisteten Chemikalien und Medien wurden bei dieser Arbeit verwendet: Aceton (Fluka, Buchs, Schweiz), AEC (Sigma Aldrich, Deisenhofen) Chloralhydrat (Fluka, Buchs, Schweiz) Citronensäure (Fluka, Buchs, Schweiz) DMF (Fluka, Buchs, Schweiz) EnVision TM (Dako, Hamburg) Essigsäure (Riedel-de Haën/Sigma Aldrich, Deisenhofen) Glyceringelatine (Kaisers; Merck, Darmstadt) Hämatoxilin (Merck, Darmstadt) Kaliumaluminiumsulfat (Fluka, Buchs, Schweiz) Kaliumchlorid (Merck, Darmstadt) Kaliumhydrogenphosphat (Fluka, Buchs, Schweiz), Natriumacetat (Merck, Darmstadt) Natriumchlorid (AppliChem, Darmstadt) Natriumhydrogenphosphat (Riedel-de Haën/Sigma Aldrich, Deisenhofen) Natriumjodat (Fluka, Buchs, Schweiz) Wasserstoffperoxid (J.T. Baker, Deventer, Niederlande) 11 2.1.3 Lösungen PBS: 136,89mM Natriumchlorid 6,48mM Di-Natriumhydrogenphosphatdihydrat 2,68mM Kaliumchlorid 1,47mM Kaliumhydrogenphosphat AEC: 4mg AEC 500µl DMF 2,1ml 0,1 M Essigsäure 7,9ml 0,1 M Natriumacetat 5µl 30%ige Wasserstoffperoxidlösung Hämalaun-Färbelösung: 0,1% Hämatoxylin in 2l a.d. 0,02% Natriumjodat 5% Kaliumaluminiumsulfat 4% Chloralhydrat 0,1% Zitronensäure (crist.) 12 2.1.4 Antikörper 2.1.4.1 Primärantikörper Als Primärantikörper diente RP 097 der Firma Diagnostic BioSystems (Pleasanton, CA), ein polyklonaler Kaninchen-Antikörper gerichtet gegen humane Caspase 8 (Tabelle 3). Tabelle 3: Primärantikörper Immunhistochemie ANTIGEN CASPASE 8 Antikörper RP 097 Antikörper-Typ Polyklonal Wirt Kaninchen Reaktivität (Spezies) Human Verdünnung in PBS 1:50 2.1.4.2 Sekundärantikörper EnVision®-System der Firma Dako (Hamburg) 13 2.1.5 Verwendetes Untersuchungsmaterial 2.1.5.1 Patienten und Gewebe Insgesamt 128 Patienten der Uniklinik Heidelberg, die zwischen 1990 und 1996 an einem primären sporadischen Adenokarzinom des Kolons im UICC-Stadium II oder III kurativ (R0) operiert und nachbeobachtet worden waren, dienten dieser Studie zur Ermittlung der Expression und Aussagefähigkeit von Caspase 8 im Hinblick auf die Prognose. Patienten mit der Diagnose Rektumkarzinom wurden von der Studie ausgeschlossen, um den Faktor „Operateur“ mit seinem Einfluss auf die Prognose zu eliminieren. Unmittelbar im Anschluss an die Operation wurden repräsentative Tumoranteile in flüssigem Stickstoff schockgefroren und bei -80°C gelagert. Die klinisch-pathologischen Daten der Heidelberger Tumorpatienten wurden zum Zeitpunkt der Operation und auch bei jedem Nachsorgetermin gesammelt und im lokalen Tumorregister dokumentiert (Tabelle 4). Die Nachuntersuchung verlief nach einem Standardprotokoll. Dieses Protokoll beinhaltete einen abdominellen Ultraschall, eine Thorax-Röntgenaufnahme, eine Koloskopie, sowie eine Tumormarkerbestimmung in der entsprechenden Klinik oder beim Hausarzt des Patienten. Die mediane Nachbeobachtungszeit der beim letzten Nachsorgetermin noch lebenden Patienten betrug 96 Monate (Interquartilabstand: 75-113 Monate). 21 Patienten des UICC Stadium III und drei Patienten des UICC Stadium II unterliefen eine adjuvante Chemotherapie außerhalb klinischer Studien. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit des Tumorgewebes waren von den 128 Patienten des Kollektivs 124 zur Auswertung verwertbar. 14 Tabelle 4: Klinisch-pathologische Charakteristika der 124 Kolonkarzinomfälle im UICC-Stadium II oder III der Uniklinik Heidelberg, die zwischen 1990 und 1996 kurativ (R0) operiert und nachbeobachtet worden waren Merkmal n % Männlich 81 65,3 Weiblich 43 34,7 Nur Operation 101 81,4 Operation und Chemotherapie 23 18,6 Coecum 20 16,1 C. ascendens 19 15,3 Rechte Flexur 10 8,1 C. transversum 9 7,3 Linke Flexur 12 9,7 C. descendens 4 3,2 C. sigmoideum 50 40,3 Adenocarcinom 84 67,7 Muzinöses Carcinom 40 32,3 Low grade 95 76,6 High grade 29 23,4 UICC II 66 53,2 UICC III 58 46,8 T2 4 3,2 T3 97 78,2 T4 23 18,6 Geschlecht Behandlung Tumorlokalisation Tumorhistologie Differenzierungsgrad UICC-Stadium pT-Stadium n: Fallzahl; %: prozentualer Anteil; 15 Das mittlere Alter der 124 Patienten betrug 64 Jahre mit einem Interquartilsabstand zwischen 59 und 70 Jahren. Im gesamten Nachbeobachtungszeitraum kam es zu 50 Todesfällen, wobei ein unmittelbar postoperativ verstorbener Patient nicht berücksichtigt worden war. Somit ergab sich eine Fünf-Jahres Überlebensrate des gesamten 128 Patienten umfassenden Kollektivs von 72%. Im Rahmen der Kontrolluntersuchungen wurde bei 51 Patienten ein Rezidiv diagnostiziert. Die rezidivfreie Fünf-Jahres-Überlebensrate betrug somit 70%. Bei sieben Patienten handelte es sich um ein Lokalrezidiv, bei weiteren 44 Patienten wurden Fernmetastasen nachgewiesen. Zum Vergleich der Caspase-8-Expression der Karzinome wurden des weiteren zehn Proben von Kolonschleimhaut ohne pathologischen Befund herangezogen, die von frischen kolorektalen Resektaten Ulmer Patienten stammten und nach Entnahme durch eine Schockgefrierung asserviert worden waren. Die Studie wurde von der Ethik-Komission der Universität Ulm genehmigt (Antrag Nr. 148/2004). 16 2.2. Methodik 2.2.1 Gewebeaufarbeitung Das schockgefrorene Gewebe der normalen Kolonschleimhaut und der Karzinome wurde im Kryostaten mit einer Dicke von etwa 4 µm geschnitten. Die auf die Objektträger aufgebrachten Schnitte wurden luftgetrocknet, unfixiert in Alufolie gewickelt und anschließend bei -18°C bis zur Verwendung gelagert. 2.2.2 Immunhistochemische Färbung Als Grundlage der immunhistochemischen Färbung diente ein etabliertes Protokoll, das für den verwendeten Primärantikörper optimiert wurde. Die Fixierung der aufgetauten und trockenen Gewebeschnitte erfolgte für 10 min in Aceton. Nach erneuter Lufttrocknung wurde das Gewebe mit dem 1:50 in PBS verdünnten polyklonalen Primärantikörper für mindestens 60 Minuten in der feuchten Kammer bei Raumtemperatur inkubiert. Während dieser Zeit verblieben die parallel angefertigten Negativkontrollen trocken an der Luft. Sowohl auf die nach der Primärinkubation zweimal in PBS gespülten Schnitte, als auch auf die Negativkontrollen wurde die EnVision®-Lösung aufgetragen und über einen Zeitraum von 30 Minuten in der feuchten Kammer bei Raumtemperatur zum Reagieren belassen. Der primäre, gegen das Zielantigen gerichtete Antikörper wird dabei von dem sekundären Peroxidase-konjugierten Antikörper gebunden. Eine Spülung durch PBS (2x) beendete die Einwirkzeit. Unter mikroskopischer Beobachtung konnte anschließend für maximal 40 Minuten das frisch angesetzte AEC bei Raumtemperatur auf den Schnitten wirken. Durch Zugabe des chromogenen Substrats AEC wird dieses durch die Peroxidase umgesetzt und es kommt zu einer Farbreaktion. Dabei wird die Bindung des Primärantikörpers an das Antigen als rötliche Färbung erkannt. Die Reaktion wurde dann durch Spülen mit Leitungswasser gestoppt. Hämalaun diente der blauen Gegenfärbung der Zellkerne. Nach zehnminütigem „Bläuen“ unter fließendem Leitungswasser wurden die Schnitte mit Hilfe von Kaisers Glyceringelatine eingedeckt. 17 2.2.3 Auswertung Die mikroskopische Auswertung der Farbintensität und der Färbequalität der Schnitte erfolgte ohne Kenntnis der klinisch-pathologischen Daten (verblindet). Für die Auswertung wurden die Schnitte mit dem Tumorgewebe in unterschiedlichen Vergrößerungen durchgemustert und der Prozentsatz der positiv gefärbten Zellen (0 - 100 %) beurteilt. Der geschätzte Anteil positiv gefärbter Zellen war ausschlaggebend für die Klassifizierung der Schnitte in 5 Kategorien (Tabelle 5). Außerdem wurde die Stärke der immunhistochemischen Reaktion (negativ/schwach positiv/positiv) bewertet. Tabelle 5: Score-Einteilung nach immunhistochemischer Färbung der 124 Heidelberger Kolonkarzinomfälle durch die Ulmer Pathologie (PD Dr. Sträter/Herter) im Oktober 2005, anhand des Prozentsatzes positiv gefärbter Zellen. SCORE 0 0% positive Zellen („negativ“) 1 1-40% positiv („negative Zellen überwiegen“) 2 >40-60% positiv („etwa gleiche Zahl von negativen und positiven Zellen“) 3 >60-99% positiv („positive Zellen überwiegen“) 4 100% positive Zellen („positiv“) 18 2.2.4 Statistische Auswertung Die statistische Analyse der zur Verfügung stehenden Daten erfolgte mit dem Statistik-Programm der SAS Institute Incorporation (Version 9.1, SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) und mit der Unterstützung durch Herrn Ulf Hinz, Tumordokumentation der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Die Altersverteilung zum Zeitpunkt der Operation und die Nachuntersuchungszeiträume der überlebenden Patienten wurden jeweils als Median mit Angabe der Interquartilbereiche dargestellt. Die Ermittlung des rezidivfreien sowie des Gesamtüberlebens begann ab dem Zeitpunkt der Resektion und erfolgte als Schätzung der Überlebenswahrscheinlichkeiten anhand des Kaplan-Meier-Verfahrens (Kaplan u. Meier 1958). Bezüglich des rezidivfreien Überleben wurden zusätzlich zu den Patienten, die am letzten Nachsorgetermin kein Lokal- oder Fernrezidiv aufwiesen drei weitere gewertet, von denen zwei nach 101 bzw. 118 Monaten aus nicht tumorbedingten Gründen verstarben. Der dritte Patient schied nach 3 Monaten aus dem Nachsorgeprogramm aus. Ausgeschlossen aus der statistischen Analyse zum rezidivfreien Überleben wurde ein Patient, der unmittelbar postoperativ verstarb. Die Analyse des Einflusses von Caspase-8 auf das tumorfreie Überleben erfolgte mittels Dichotomisierung des Patientenkollektivs entsprechend der Caspase-8Expression in den Karzinomen. Dabei kam der Logrank-Test zur Anwendung um die Verteilung des rezidivfreien Überlebens zu vergleichen. Die univariate und multivariate Analyse des relativen Risikos sowie das entsprechende 95%Konfidenzintervall wurden mit Hilfe der Cox-Regressionsanalyse berechnet (Cox 1972). Als signifikant wurde ein Testergebnis gewertet, wenn der Wahrscheinlichkeitswert p für die Fragestellung 0,05 oder kleiner war. Anhand des Likelihood ratio-Tests erfolgte die abschließende Analyse unter Einbeziehung aller berücksichtigten Covariablen. 19 ERGEBNISSE 3. Ergebnisse 3.1 Expression von Caspase 8 3.1.1 Expression von Caspase 8 in der normalen Kolonschleimhaut Zur Beurteilung der Caspase-8-Expression physiologischer Kolonschleimhaut wurden zehn Gefrierschnitte immunhistochemisch gefärbt, wobei 8 Schnitte ausgewertet werden konnten. Dabei zeigte sich eine schwache bis mäßig positive zytoplasmatische Anfärbung des Kolonepithels mit der stärksten Expression in den oberen Kryptenbereichen und des Oberflächenepithels (Abbildung 2a). 3.1.2 Expression von Caspase 8 in Adenokarzinomen des Kolons Von 128 untersuchten sporadischen Adenokarzinomen des Kolons kamen aus technischen Gründen und bei begrenzter Verfügbarkeit des verwertbaren Materials nur 124 zur Auswertung. In 70 Karzinomfällen (56,5%) war die Expression von Caspase 8 in allen Tumorzellen erhalten (Score 4). Dabei unterschied sich jedoch die Intensität der immunhistochemischen Färbung der positiven Zellen von schwach bis mäßig/stark, wobei letztere als Expression, die über das Niveau des normalen Kolonepithels hinausging, definiert wurde. Von den 70 Score-4 Fällen, zeigten nur 5 Fälle eine mäßige bis starke Expression in allen Tumorzellen, während in 40 Fällen Caspase 8 nur schwach in den Krebszellen exprimiert wurde. Von den verbleibenden 25 Score 4-Fällen waren neun gekennzeichnet durch eine Mehrzahl (>60%) an Zellen mit einer schwachen Caspase 8-Expression, während in 16 Fällen mindestens 40% der Zellen eine zumindest mäßige oder sogar starke Expression von Caspase 8 aufwiesen. Ein Verlust der Caspase 8-Expression in zumindest einer Subpopulation von Tumorzellen fand sich in 54 Fällen (43,5%): 20 Wie Tabelle 6 zeigt, waren nur zwei Fälle (1,6%) komplett Caspase-8-negativ (Score 0). Zwölf Tumore (9,7%) zeigten eine fokal schwache Färbung, also eine Expression in nur einer kleinen Subpopulation von maximal 40% der Krebszellen (Score 1). Achtzehn Tumore (14,5%) hatten ungefähr eine gleiche Anzahl an Caspase 8positiven und -negativen Zellen (Score 2). Bei 22 Fällen (17,7%) überwogen Caspase 8-exprimierende Zellen die negativen (Score 3). Tabelle 6: Immunhistochemische Expression von Caspase 8 bei den 124 Heidelberger Kolonkarzinomfällen, die zwischen 1990 und 1996 kurativ (R0) operiert worden waren. Ausgewertet durch die Abteilung Pathologie der Universität Ulm (PD Dr. Sträter/Herter) im Oktober 2005. SCORE 4 EXPRESSION positiv HÄUFIGKEIT PROZENT N=124 [%] 70 56,5 4hi 100% mäßig/stark 5 4,0 4hi >40%-99% mäßig/stark 16 12,9 4lo 1-40% mäßig/stark 9 7,3 4lo 100% schwach 40 32,3 3 positiv>negativ 22 17,7 2 positiv=negativ 18 14,5 1 negativ>positiv 12 9,7 0 negativ 2 1,6 21 a c b d Abb. 2: Immunhistochemische Beispiele der Expression von Caspase 8 in Kolonkarzinomen und normaler Kolonschleimhaut. Entnommen aus dem 124 Patienten umfassenden Kollektiv der Heidelberger Kolonkarzinome (1990-1996) sowie aus einem 10 Patienten umfassenden Kollektiv physiologischer Kolonschleimhaut von Ulmer Patienten (2001-2002). a) Normale Kolonschleimhaut b) Negativkontrolle; beachte die partielle Positivität von Stroma- und Entzündungszellen (Pfeile). c) Kolonkarzinom mit Überexpression von Caspase 8 (Score 4hi) d) Kolonkarzinom mit schwacher bis mäßig starker Expression 22 3.2 Einfluss der Caspase-8-Expression auf das rezidivfreie Überleben der Karzinom Patienten Per Kaplan-Meier-Analyse konnte kein signifikanter Einfluss der Caspase-8Expression beim Vergleich der Fälle mit einem Score 0-3 gegenüber den Score 4Fällen auf das tumorfreie Überleben nachgewiesen werden (p=0,778, Abb. 3). Wurde jedoch bei den Score-4-Fällen auch die Expressionsstärke berücksichtigt, so dass die 21 Score-4-Fälle mit mindestens 40% mäßig/stark positiven Zellen („Score 4hi“) gegen alle anderen („Score 4lo“ und Score 0-3) untersucht wurden, zeigte sich überraschend ein signifikanter, negativer Einfluss der Caspase-8Expression auf das tumorfreie Überleben (p=0,0292, Abb. 4). In gleicher Weise wurden nun die UICC-Stadien II und III getrennt voneinander betrachtet (Score 4hi vs. Score 0-4lo). Der Einfluss der Caspase-8-Expression auf das Überleben war weiterhin signifikant bei Beschränkung der Analyse auf das UICC-Stadium III (p=0,0113, Abb. 6). Bei Tumoren des Stadiums II konnte kein Einfluss der Caspase-Expression auf das tumorfreie Überleben nachgewiesen werden (p=0,7978, Abb. 5). Folglich wurde eine uni- und eine multivariate Cox-Analyse durchgeführt, die etablierte Prognosefaktoren, wie pT-Klassifikation, UICC-Stadium, Alter, Behandlung und Geschlecht mit einbezog (Tabelle 7). Die univariate Analyse ergab, dass die pT-Klassifikation der einzige Faktor war, der zusätzlich zur Caspase 8-Expression mit einem krankheitsfreien Überleben korreliert (p=0,007). In der darauf folgenden multivariaten Analyse wurden Alter, UICC-Stadium, pTKlassifikation und Caspase-8 in die Analyse einbezogen (likelihood ratio test: p=0,0011) (Tabelle 7). Die signifikante Korrelation der pT-Klassifikation wurde zum einen bestätigt (p=0,024), andererseits war zusätzlich das Alter signifikant mit dem krankheitsfreiem Überleben assoziiert (p=0,039). Die Expression von Caspase-8 erwies sich in diesem Modell jedoch nicht als unabhängiger Prognosefaktor (p=0,15). 23 Abb. 3: Kaplan-Meier-Diagramm für das rezidivfreie Überleben aller 124 Heidelberger Kolonkarzinompatienten im UICC-Stadien II/III nach R0Resektion (1990-1996) in Abhängigkeit von der Caspase-8-Expression: Score 4 Kolonkarzinome zeigen keine signifikant höhere Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber Score 0-3 Kolonkarzinomen. 24 100 __ caspase-8 score 0-4low (n = 103) Rezidivfreies Überleben [%] 80 60 P=0.029 2 40 - - caspase-8 score 4high (n = 21) 20 0 0 1 2 24 36 48 60 72 84 96 108 120 Zeit nach der Operation [Monate] _________________________________________________________________ Abb. 4: Kaplan-Meier-Diagramm für das rezidivfreie Überleben aller 124 Heidelberger Kolonkarzinompatienten im UICC-Stadien II/III nach R0Resektion (1990-1996) in Abhängigkeit von der Caspase-8-Expression: Mäßig bis stark exprimierende Score 4hi Kolonkarzinome zeigen eine signifikant geringere Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber Score 0-4lo. 25 100 caspase-8 score 0-4low (n = 57) Rezidivfreies Überleben [%] caspase-8 score 4high (n = 9) 80 60 P=0.7978 40 20 0 0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 120 Zeit nach der Operation [Monate] Abb. 5: Kaplan-Meier-Diagramm für das rezidivfreie Überleben der 66 Heidelberger Kolonkarzinompatienten nach R0-Resektion des UICCStadiums II (1990-1996) in Abhängigkeit von der Caspase-8-Expression: Mäßig bis stark exprimierende Score 4hi Kolonkarzinome zeigen im Vergleich zu Score 0-4lo keinen signifikanten Unterschied bzgl. der Überlebenswahrscheinlichkeit im UICC-Stadium II. 26 100 Rezidivfreies Überleben [%] __caspase-8 score 0-4low (n = 42) 80 60 40 P=0.0113 20 - - caspase-8 score 4high (n = 12) 0 0 12 24 36 48 60 72 84 96 10 8 120 Zeit nach der Operation [Monate] _________________________________________________________________________ Abb. 6: Kaplan-Meier-Diagramm für das rezidivfreie Überleben der 54 Heidelberger Kolonkarzinompatienten nach R0-Resektion für das UICCStadium III (1990-1996) in Abhängigkeit von der Caspase-8-Expression: Mäßig bis stark exprimierende Score 4hi -Kolonkarzinome das UICCStadiums III haben eine signifikant geringere Überlebenswahrscheinlichkeit als Karzinome des Score 0-4lo. 27 Tabelle 7: Ergebnisse der univariaten und multivariaten Analyse des krankheitsfreien Überlebens (likelihood ratio test: p = 0.0011) der 124 Heidelberger Kolonkarzinomfälle des UICC-Stadiums II/III (1990-1996) Univariate analysis Multivariate analysis Variablen HR 95% KI p-Wert HR 95% KI p-Wert ≥70 vs. <70 years 1.60 0.88 - 2.94 0.12 1.94 1.04 - 3.61 0.039 2.29 1.23 - 4.25 0.007 2.11 1.11 - 4.04 0.024 1.35 0.78 - 2.33 0.29 1.41 0.80 - 2.48 0.23 1.13 0.57 - 2.27 0.72 nv nv 0.85 1.05 0.59 - 1.87 0.87 nv nv 0.34 1.08 0.62 - 1.89 0.78 nv nv 0.24 1.99 1.06 - 3.74 0.029 1.60 0.84 - 3.04 0.15 Alter pT Kategorie pT4 vs. pT2-3 UICC-Stadium Stadium III vs. Stadium II Behandlung Operation+Chemotherapie vs. Operation allein Geschlecht Weiblich vs. Männlich Caspase-8 Score 4 vs. Score 1-3 Caspase-8 Score 4high vs. Score 1-4low nv: nicht verfügbar, weil die Variable nicht in die endgültige Berechnungen miteinbezogen wurde HR: hazard ratio = Relatives Risiko; KI: Konfidenzintervall; 28 DISKUSSION 4. Diskussion Diese Arbeit dient dem Vergleich normaler Kolonschleimhaut und Karzinomen in Bezug auf die Expression von Caspase 8 und der Untersuchung einer möglichen prognostischen Bedeutung der Caspase 8-Expression bei kolorektalen Karzinomen. Da bei den Rektumkarzinomen der Operateur entscheidend für das Ergebnis und damit für die Prognose verantwortlich ist, wurden diese zur Vermeidung eines systematischen Fehlers von der Studie ausgeschlossen (25,50). Caspase 8 kann in Tumorzellen selektiv Apoptose induzieren (6,40,45,51). Der Verlust der Caspase-Expression in Tumorzellen sollte somit zu einer Resistenz gegenüber Apoptose-induzierenden Signalen (z.B. von angreifenden Immunzellen) führen, das Tumorzellüberleben fördern und die Aggressivität des Tumors steigern. Tatsächlich wurde gezeigt, dass eine niedrige Caspase 8Expression verursacht durch eine Hypermethylierung des Promoters des Caspase-8-Gens in Tumorzellen mit einem geringeren Überleben bei Patienten mit Neuroblastomen (75) und Medulloblastomen (49) assoziiert ist und mit einer höheren Rezidivrate bei Patienten mit Glioblastoma multiforme einher geht (43). In klarzelligen Nierenzellkarzinomen korreliert die Caspase-8-Expression mit dem Fuhrman-Grading und dem Überleben (59). Umgekehrt wurde kürzlich gezeigt, dass ein Polymorphismus des Caspase-8Promoters, der mit einer verminderten Expression von Caspase-8 einher geht, mit einem erniedrigten Risiko assoziiert ist, bestimmte Tumoren (einschließlich kolorektaler Karzinome) zu entwickeln. Es wurde spekuliert, dass dies in einer höheren Resistenz von T-Zellen gegenüber Aktivierungs-induzierter Apoptose (AICD) durch Tumorzellen begründet sein könnte (67,42). Ob die unter diesen Bedingungen trotzdem entstehenden Tumore eine schlechtere Prognose aufweisen als in der „Wildtyp-Situation“ ist bislang nicht untersucht. Ausgehend von diesen veröffentlichten Daten mag unser gegenwärtiges Ergebnis, dass Caspase-8 Expression bei Kolonkarzinomen mit einem kürzeren Überlebenszeitraum assoziiert ist, überraschen. Jedoch gab es zuletzt Berichte 29 darüber, dass inaktivierende Mutationen von Caspase-8 Genen bei Kolonkarzinomen sehr selten sind (34,63). Dies könnte darauf hinweisen, dass das Vorhandensein funktionell aktiver Caspase-8 für die Entstehung dieser Tumore essentiell ist. Darüber hinaus konnte bereits gezeigt werden, dass Caspase-8 stärker in kolorektalen Adenomen (74) und Adenokarzinomen (23) exprimiert wird als in normaler Schleimhaut, so dass dies in der Pathogenese des kolorektalen Karzinoms auf einen Wachstumsvorteil von Tumorzellen hinweist, die eine starke Caspase-8-Expression aufweisen. Es gibt nun tatsächlich zunehmend Hinweise, dass Caspase-8 nicht bloß als ein Induktor der Apoptose fungiert, sondern eine wesentlich komplexere Funktion hat. So fördert Caspase-8 die Zelladhäsion an extrazelluläre Matrix, die adhäsionsabhängige Aktivierung der Erk-Kinase-Kaskade (15) und die Mobilität von Zellen (24,39,68). Entsprechend konnte durch den Caspase-8-Inhibitor zIETD die Adhäsion und Migration von endothelialen Progenitorzellen (EPCs) gehemmt werden (60). Dabei scheint diese Funktion unabhängig von der katalytischen Aktivität von Caspase-8 zu sein (63). Vielmehr interagiert Caspase-8 mit einem Multiproteinkomplex unter Einschluss von Fokaler Adhäsionskinase (focal adhesion kinase, FAK) und Calpain-2, der Proteinbindungen in den fokalen Adhäsionen spaltet und so die Zellmobilität erhöht (3). Pharmakologische Hemmung und genetische Depletion der Caspase-8 reduziert außerdem die Expression der Fibronektinrezeptor-Untereinheiten alpha5 und beta1 und den SDF-1 Rezeptor CXCR4 (60). Darüber hinaus konnte die ubiquitäre E3 Ligase Cbl-b, die Integrine und rezeptorvermittelte Signale negativ reguliert, als ein potentielles Caspase-8 Substrat identifiziert werden. Adhäsion und Zellmobilität sind wesentliche Voraussetzungen für die Invasivität und das Metastasierungspotential maligner Tumore. Tatsächlich führt in vivo das Ausschalten von Caspase-8 zu einer Reduktion des metastastischen Potentials Apoptose-resistenter Tumore (3). Finlay et al. (2009) bewies, dass Caspase-8 eine kritische Rolle bei der Signaltransduktion Epidermal growth factor (EGF)-vermittelter Signale spielt, wie auch bei der Herunterregulation der Tyrosinkinase Src (16). Der EGF Signalweg 30 ist jedoch bei der Wachstumsförderung vieler kolorektaler Karzinome involviert und wurde in letzter Zeit zu einem Hauptziel in seiner Therapie (29). Die verschiedenen Funktionen der Caspase-8 könnten durch deren verschiedene Isoformen erklärt werden, die durch alternatives Splicing des humanen Caspase-8 Gens entstehen. Manchen dieser Isoformen fehlt die entscheidende apoptoseinduzierende Domäne, allerdings konnten regulatorische Rollen im Rahmen der Apoptose bewiesen werden (28,44). Die von Horiuchi et al. (2000) entdeckte achte Isoform Caspase-8L wurde von Himeji et al. (2002) auf ihre Funktion hin genauer untersucht und es wurde festgestellt, dass diese Form als Inhibitor der intakten Caspase-8 fungiert (26,28). Caspase-8-L behindert die Bindung von Caspase-8 an FADD (Fas-associating protein with death domain) und inhibiert Fas vermittelte Apoptose. Zusammenfassend unterstützen unsere Daten ein aufkommendes Konzept, bei dem eine hohe Expression von Caspase-8 in Tumorzellen, die durch verschiedene Mechanismen resistent gegenüber Apoptosestimuli geworden sind, über eine Förderung des Zellwachstums, der Migration, Invasivität und Metastasierung zu einer gesteigerten Tumoraggressivität beiträgt. Die Ergebnisse dieser Studie erweitern aber nicht nur unser Verständnis für die molekulare Pathogenese kolorektaler Karzinome, sie könnten langfristig auch Auswirkungen auf die Therapie des Kolonkarzinoms haben. Da die Patienten unseres „historischen“ Kollektivs nicht routinemäßig eine adjuvante Chemotherapie erhielten, lässt unsere Studie Rückschlüsse auf den prognostischen Einfluss der Caspase-8- Expression im natürlichen Verlauf der Erkrankung zu. Die vorliegende Arbeit zeigt einen signifikanten Einfluss der Caspase-8-Expression auf die Prognose kolorektaler Karzinome, der sich besonders im Stadium III bemerkbar macht. Damit könnte sich Caspase-8 als weiterer Parameter zur Risikostratefizierung von Patienten mit kolorektalem Karzinom anbieten, wenn zu entscheiden ist, wer eine adjuvante Therapie erhalten soll. In der multivariaten Analyse konnte Caspase-8 zwar nicht als unabhängiger Prognostikator bestätigt werden, dies mag jedoch an einer zu geringen statistischen Power in unserem relativ kleinen Patientenkollektiv liegen. 31 Hier sind weitere klinische Studien erforderlich, um die Rolle von Caspase-8 beim kolorektalen Karzinom zu untermauern. 32 ZUSAMMENFASSUNG 5. Zusammenfassung: Als Folge von Veränderungen zellulärer Mechanismen, die zu Dysregulation von Zellproliferation und Zelltod führen, kommt es über einen multifaktoriellen Prozess zur Entstehung maligner Tumoren. Dabei spielt der programmierte Zelltod, die Apoptose, sowohl in der Entstehung, wie auch in der Therapie eine zentrale Rolle. Zytotoxische Chemotherapien und Bestrahlung werden hauptsächlich über Apoptosesignalwege vermittelt. Apoptose kann über verschieden Wege initiiert werden. Eine Möglichkeit stellt der Todesrezeptor-vermittelte Pfad dar, wobei Caspase 8 als entscheidender Faktor involviert ist. Ziel dieser Studie war es, die Expression von Caspase-8 und ihren prognostischen Einfluss in Kolonkarzinomen des Stadiums II und III zu untersuchen. Normale Kolonschleimhaut (n=8) und Gewebsproben von R0-resezierten Kolonkarzinomen der UICC-Stadien II und III (n=124) wurden immunhistochemisch angefärbt und die Färbungen mittels einem semiquantitativen Score ausgewertet. Der Einfluss auf das krankheitsfreie Überleben wurde durch eine Kaplan-Meier-Analyse ermittelt. In einer multivariaten Cox Analyse wurden weitere, etablierte prognostische Faktoren einbezogen. Die Auswertung der immunhistochemisch gefärbten Schnitte der normalen Schleimhaut zeigte, dass die Caspase 8 konstitutionell im Kolonepithel vorkommt und am stärksten im luminalen Oberflächenepithel exprimiert wird. Bei den Kolonkarzinomen fand sich eine beachtliche Variabilität bei der Expression dieses proapoptotischen Faktors, allerdings ist ein kompletter Verlust der Caspase-8-Expression selten. Eine Gegenüberstellung der Färbeergebnisse und der klinischen Daten erbrachte, dass eine starke Caspase-8-Expression in einer Vielzahl der Tumorzellen entgegen den Erwartungen signifikant mit einer schlechten Prognose assoziiert ist (p=0,029). Der Einfluss der Caspase-8-Expression war v. a. bei Patienten mit Stadium III Karzinomen auffällig (p=0,011). 33 In der multivariaten Analyse erwies sich die Expression von Caspase-8 jedoch nicht als unabhängiger Prognosefaktor bei Kolonkarzinomen. Die Ergebnisse unterstützen neuere Publikationen, die zeigen, dass Caspase-8 neben dem programmierten Zelltod noch andere Funktionen einnimmt, die zu Wachstum und Aggressivität von Tumoren beitragen. 34 LITERATURVERZEICHNIS 6. Literaturverzeichnis 1. 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Sträter für das freundliche Überlassen der Arbeit und die stets hervorragende Unterstützung fachlich sowie organisatorisch. Zudem möchte ich mich bei Herrn Hinz, Tumordokumentation der Universität Heidelberg, für die statistische Auswertung bedanken. Desweiteren verdienen all diejenigen Dank, die mich auch im Hintergrund unterstützt und motiviert haben. Hierzu gehören meine Eltern, mein Freund und meine Geschwister. LEBENSLAUF 8. Lebenslauf Lebenslauf aus Gründen des Datenschutzes entfernt