Uveitis ist behandelbar

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Intraokulare Entzündungen
Uveitis ist behandelbar
Matthias Becker, Heidelberg / Mit circa 400 000 Betroffenen und 8 000 bis
15 000 Neuerkrankungen pro Jahr ist die Uveitis in Deutschland wie in
anderen Industrienationen nach der altersbedingten Makuladegeneration,
dem Glaukom und der diabetischen Retinopathie viert häufigste Ursache für Erblindung.
Im Gegensatz zur Makuladegeneration,
zum Glaukom und zur diabetischen Retinopathie, deren Inzidenzen mit steigendem Lebensalter zunehmen, ist die Uveitis
mit einem Erkrankungsgipfel bei circa 39
Jahren ein Leiden hauptsächlich junger
Menschen. Etwa 13 Prozent aller Patienten
von Uveitissprechstunden sind Kinder und
Jugendliche.
Zahlreiche Systemerkrankungen gehen häufig mit einer Uveitis einher. Bei
Kindern stehen dabei Erkrankungen des
rheumatischen Formenkreises, sprich:
kindliches Rheuma, im Vordergrund. Entscheidend für die erfolgreiche Therapie ist
die interdisziplinäre Zusammenarbeit der
Ophthalmologie mit Disziplinen wie der
Inneren Medizin, der Pädiatrie, der Neurobiologie oder der Mikrobiologie, wie sie in
Uveitis-Zentren erfolgreich praktiziert
wird.
Klassifikation als Hilfsmittel
Die Uvea als mittlere Schicht der Wand, die
das gesamte Auge (Abbildung 1) umfasst,
liegt zwischen der Lederhaut (Sklera), die
mit der Hornhaut die formstabile Außenhülle des Auges bildet, und der Netzhaut
(Retina). Sie besteht im vorderen Augenabschnitt aus der Regenbogenhaut (Iris) und
dem Ziliarkörper (Corpus ciliare), im hinteren Bereich aus der Aderhaut (Choroidea).
Ausgelöst durch Infektionserreger
oder pathologische Reaktionen zum Beispiel im Rahmen von Immunerkrankungen
kann es zur Extravasation von mononukleären Zellen und Proteinen in die Uvea,
die Vorderkammer und den Glaskörper
kommen. Die biomikroskopisch an der
Spaltlampe für den Augenarzt erkennbare
Existenz freier Entzündungszellen in Vorderkammer oder Glaskörper definiert im
Allgemeinen das Vorhandensein einer
Uveitis als intraokulare Entzündung.
Eine Möglichkeit der Klassifikation der
Uveitisformen ist die Differenzierung mit
Hilfe der klinischen Einteilung nach der
anatomischen Lokalisation und dem
Schwerpunkt der Aktivität der Entzündung, also nach dem Ort, an dem die
Dichte der freien Entzündungszellen am
höchsten ist.
So ist die Uveitis anterior (Abbildung 2),
von der 50 Prozent aller Patienten betroffen sind, eine Entzündung des vorderen
Bereiches der Uvea, also vor allem der Iris
und des Ziliarmuskels. Von einer Iritis
spricht man, wenn Entzündungszellen nur
in der Augenvorderkammer gefunden werden. Um eine Iridozyklitis handelt es sich,
wenn wenige Zellen auch hinter der Linse
vor allem im vorderen Glaskörper existieren. Es kann begleitend zu einem Makulaödem oder einem Ödem der Sehnervenpapille kommen.
Die Uveitis intermedia (23 Prozent) betrifft den mittleren Teil der Uvea. Die
höchste Dichte freier Entzündungszellen
findet sich im Glaskörper. Es können jedoch auch wenige Zellen in der Vorderkammer vorhanden sein (Abbildung 3).
Als Sonderform der intermediären
Uveitis gilt die Pars planitis, bei der es zu
entzündlichen Ablagerungen oder auch
Zusammenballungen besonders am unteren Übergangsbereich zwischen Netzhaut
und Ziliarkörper kommt. Auch hier kann es
zu einem Makula- oder Papillenödem sowie zu einer Gefäßentzündung von Netzhautvenen und Vaskulitis kommen.
Die Uveitis posterior (18 Prozent) beschreibt Veränderungen durch Infiltration
von Entzündungszellen an der Netz- und
an der Aderhaut (Abbildung 4). Je nach Befall werden Retinitis, Choroiditis, Chorioretinitis und Retinochoroiditis unterschieden.
Bei der Panuveitis (9 Prozent) sind Entzündungszellen in allen drei beschriebenen Bereichen zu finden, wobei dieses
nichts über die Schwere der Entzündung
aussagt (Abbildung 4).
Sekundäre und primäre Formen
Eine Klassifikation der Uveitis-Formen
lässt sich auch durch die Unterscheidung
in »primär« und »sekundär« vornehmen.
Primäre Formen sind alle Formen einer intraokularen Entzündung, für die kein »Label« gefunden werden kann, sprich: die
nicht »erklärbar« sind, also für die keine
»Ursache« gefunden wird. Früher wurden
die primären Formen auch »endogen«
oder »idiopathisch« genannt.
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Die sekundäre Uveitis, von der circa 60 Prozent aller Patienten betroffen sind, ist assoziiert mit extraokulären Erkrankungen (48
Prozent) wie Sarkoidose, Spondylarthropathien, Morbus Behçet als Erkrankung des
rheumatischen Formenkreises oder Multiple Sklerose, okulären Syndromen (34 Prozent) wie Fuchs'sches Uveitis-Syndrom oder
White-dot-Syndromen sowie infektiösen
Erkrankungen (18 Prozent) wie zum Beispiel
Herpes oder Toxoplasmose.
Die zugrunde liegenden Systemerkrankungen können zur Entzündung von mehr
als einem Kompartiment des Auges führen. Die anatomische Klassifikation kann
jedoch als ein Hilfsmittel zur Findung der
Diagnose dienen. Nicht selten sind die verschiedenen klinischen Bilder am Auge so
charakteristisch, dass sie Hinweise auf spezifische assoziierte Erkrankungen geben
können. Dabei ist die Frequenz des Auftretens, die Ein- oder Beidseitigkeit, der Verlauf und die Art der Komplikationen bei
verschiedenen Erkrankungen unter Umständen typisch und kann richtungsweisend für die Zuordnung sein.
Abzugrenzen sind die MasqueradeSyndrome, also Formen, die im ersten Moment nur so aussehen, wie eine Uveitis, in
Wirklichkeit aber keine entzündliche Genese und freie Entzündungszellen im Glaskörper oder der Vorderkammer haben. Bei
den vermeintlichen Entzündungszellen
kann es sich zum Beispiel um Tumor- oder
auch Pigmentzellen handeln. Zu Masquerade-Syndromen kann es bei intraokularen
Lymphomen, bei Leukämien und bei primären Augenerkrankungen wie der Retinitis pigmentosa oder dem Pigmentdispersionssyndrom kommen.
Die Diagnose zum Beispiel des intraokularen Lymphoms, welches sich außerhalb des Auges noch intrazerebral manifestieren kann (okulozerebrales Lymphom), kann letztendlich nur durch eine
Abbildung 2: Bei der Uveitis anterior finden sich
freie Entzündungszellen vorrangig in der Augenvorderkammer beziehungsweise hinter der Linse
im vorderen Glaskörper.
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Abbildung 1: Als mittlere Augenhaut liegt die Uvea zwischen Leder- und Netzhaut.
diagnostische Glaskörperentfernung (Vitrektomie) mit zytologischer und molekularbiologischer Beurteilung der gewonnenen Zellen gesichert werden.
Zahlreiche sekundäre Formen der
Uveitis sind infektiös bedingt. Eine Vielzahl
von Infektionserregern wie Viren, Bakterien, Pilze und auch seltenen Parasiten
kann zur Endophthalmitis als Entzündung
der Augeninnenräume mit exogener und
endogener Keimbesiedlung führen. Bedeutend sind opportunistische Infektionen
bei immunsupprimierten Patienten beziehungsweise bei Patienten nach Trauma
oder Operation. Infektionen der Augenwand können bei Kontaktlinsenträgern
auch auf exogenem Weg durch Befall mit
Akanthamöben entstehen. Diese können
sehr schmerzhafte Hornhautentzündung
verursachen und gehen nicht selten mit einem erheblichen Sehverlust einher.
Nicht selten kann die Diagnose Uveitis
durch ein typisches ophthalmologisches Bild
und die Anamnese gestellt werden. Jedoch
ist der Arzt zur Identifizierung der Erreger
häufig auf zusätzliche Laboruntersuchungen und gezielte mikrobiologische Testung
nach Materialgewinnung aus der Vorderkammer oder dem Glaskörper angewiesen.
Dabei können herkömmliche mikrobiologische Methoden versagen. Der Wert
der Serodiagnostik ist bei einem hohen
Durchseuchungsgrad durch fehlende Spezifität in der Identifizierung aktiver Infektionen oftmals eingeschränkt. Mithilfe
zum Beispiel der Polymerasekettenreaktion (PCR) jedoch lassen sich auch aus kleinen Materialmengen, welche durch Glaskörperbiopsien oder Vorderkammerpunktionen gewonnen werden, schnell DNA
und RNA spezifischer Infektionserreger
identifizieren. Der PCR kommt bei der Erregersicherung neben dem mikrobiologischen Nachweis insbesondere bei der
Schnelldiagnose der postoperativ, traumatisch oder septisch bedingten Endophthalmitis eine immer größere klinische Bedeutung zu.
Abbildung 3: Die Uveitis intermedia ist durch hohe
Konzentrationen freier Entzündungszellen vor allem im Glaskörper sowie wenige Zellen in der Vorderkammer gekennzeichnet.
Abbildung 4: Bei der Uveitis posterior sind Entzündungszellen an Netz- und Aderhaut zu finden. Bei
der Panuveitis sind vordere, mittlere und hintere
Augen-Kompartimente betroffen.
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Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie auch Patienten mit Psoriasis entwickeln zu circa 1 bis 2 Prozent
eine anteriore Uveitis, welche sich ganz
ähnlich wie bei den Spondylarthropathien
als einseitige, plötzlich auftretende und rekurrierende anteriore Uveitis oder aber
auch als eher chronische, auch die hinteren
Augenabschnitte betreffende Uveitis äußern kann.
Zu den neurologischen Erkrankungen,
welche mit einer Uveitis assoziiert sind, gehört auch die Multiple Sklerose. Am häufigsten manifestiert sich die okuläre Beteiligung neben der typischen Retrobulbärneuritis durch eine intermediäre Uveitis,
oft mit retinaler Vaskulitis oder selten mit
stärkerer anteriorer Komponente.
Abbildung 5: Die Sarkoidose geht oftmals mit typischen granulomatösen Hornhautniederschlägen einher.
Assoziiert mit Systemerkrankungen
Sekundäre Formen der Uveitis können unter anderem durch Systemerkrankungen
wie Spondylarthropathien hervorgerufen
werden. Die Spondylarthropathien inklusive der reaktiven Arthritis (früher: Reiter
Syndrom) und der Spondylitis ankylosans
(früher: Morbus Bechterew) sind die häufigsten Systemerkrankungen in Assoziation mit einer Uveitis in westlichen Ländern
und werden bei bis zu 21 Prozent der Uveitis-Patienten gefunden.
Die Spondylarthropathien, welche zu
zwei Dritteln Männer betreffen, verursachen häufig charakteristische Veränderungen am Auge in Form einer oft fibrinösen
Iritis oder Iridozyklitis bis hin zum Hypopyon, also einer Eiteransammlung in der Vorderkammer. Die Erkrankung tritt akut auf,
geht mit Rötung, Schmerzen und Lichtempfindlichkeit des Auges einher und
neigt dazu, in periodischen Schüben mit
reizfreien Intervallen zu rekurrieren.
In 95 Prozent der Fälle tritt die anteriore Uveitis im Rahmen einer Spondylarthropathie zunächst einseitig auf, kann dann
aber auch am anderen Auge, typischerweise wieder meist einseitig, rezidivieren. Patienten mit einer akuten anterioren und
einseitigen Uveitis tragen zu 70 Prozent
das H(uman)L(eukozyten)A(ntigen)-B27.
HLA-B27 spielt eine wichtige Rolle bei immunologischen Abwehrreaktionen des
Körpers.
Zu 30 bis 90 Prozent haben diese Patienten Spondylarthropathien, welche entweder bereits als periphere Oligoarthritis
oder Sakroileitis beziehungsweise als andere Manifestationen der Erkrankung
symptomatisch sind oder sich in den
nächsten Jahren dahingehend entwickeln
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werden. Die HLA-B27-assoziierte anteriore
Uveitis kann auch isoliert ohne Gelenkbeteiligung vorkommen.
Auch die Sarkoidose, bei der das Auge
fast genauso häufig wie die Lunge betroffen ist, kann ein außerordentlich variables
Bild der Entzündung in allen Abschnitten
des Auges verursachen. Relativ typisch
sind granulomatöse Hornhautpräzipitate
(Abbildung 5), multifokale perivenöse Einscheidungen mit chorioretinitischen Herden und Aderhautgranulomen.
Wegen ihres variablen Bildes und ihrer
Häufigkeit muss die Sarkoidose aber auch
bei allen anderen Manifestationen der
Uveitis differenzialdiagnostisch erwogen
werden. Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme
zum Nachweis der charakteristischen bihilären Lymphadenopathie oder einer interstitiellen Lungenerkrankung gehört zum
Standardprogramm einer jeden Uveitisabklärung.
Bei typischer bihilärer Lymphadenopathie und den entsprechenden Augenbefunden kann die Diagnose einer Sarkoidose mit ausreichender Sicherheit angenommen werden. Bei weniger eindeutigen Fällen sollte aber eine histologische Sicherung der Diagnose gegebenenfalls durch
transbronchiale Biopsie oder mediastinoskopische Lymphknotenentnahme angestrebt werden.
Der systemische Lupus erythematodes
(SLE) kann in circa 1,7 Prozent der Fälle eine
schwere Retinopathie verursachen, welche
sich typischerweise durch zahlreiche »Cotton-wool«-Herde, also Augenhintergrundveränderungen mit weißen unscharf begrenzten Flecken durch Kapillarverschlüsse der Retina, und intraretinale Hämorrhagien manifestiert.
Komplikationen im Kindesalter
Eine Vielzahl anderer Systemerkrankungen kann mit einer Uveitis einhergehen.
Während die Diagnose einer Uveitis im
Kindesalter früher mit einer hohen Erblindungswahrscheinlichkeit
gleichgesetzt
wurde, ist die Zahl der jungen Patienten
mit Visusverlust aufgrund des verbesserten ophthalmologischen Screenings und
früher Therapie unter Einbeziehung von
Immunsuppressiva derzeit sehr klein. Die
Komplikationen durch die typische Iridozyklitis entstehen durch den chronischen intraokularen Reizzustand.
Besonders betroffen sind Kinder mit einer ANA-positiven Oligoarthritis im Rahmen der juvenilen idiopathischen Arthritis.
Diese gefährliche Form verursacht bei circa
24 Prozent der Kinder eine meist beidseitige, schleichend verlaufende anteriore
Uveitis. Antinukleäre Antikörper (ANA)
sind gegen verschiedene Bestandteile des
Zellkerns gerichtet und können zu Störungen von Kern- und Zellfunktionen führen.
Eine Vielzahl von Komplikationen wie
Synechien, also Verwachsungen der Iris
mit der Hornhauthinterfläche, oder Bandkeratopathie, Katarakt und Glaukom können diesen meist beschwerdefreien, kleinen Patienten das Augenlicht nehmen, da
diese typischen Komplikationen oft erst
spät, zum Beispiel durch Pupillenverziehungen als Folge der Verklebungen, entdeckt werden (Abbildung 6). Engmaschige,
das heißt in Abhängigkeit des Befundes
unter Umständen wöchentliche augenärztliche Untersuchungen sind bei betroffenen Kindern daher oftmals unbedingt
notwendig.
Als klassisches Beispiel eines okulären
Syndroms wurde bereits das Fuchs'sche
Uveitis-Syndrom (frühere Bezeichnung:
Fuchs'sche Heterochromiezyklitis) als
ebenfalls sekundäre Uveitisform genannt,
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Abbildung 6: Gerade bei Kindern werden Komplikationen oft zu spät zum Beispiel durch eine Kleeblattpupille entdeckt.
das durch einen fast immer einseitigen Befall mit milder, chronischer Entzündung
von Vorderkammer oder Glaskörper gekennzeichnet ist.
Charakteristisch sind die diffuse Verteilung sternförmiger Hornhautpräzipitate sowie das Fehlen hinterer Synechien.
Das Fuchs´sche Uveitis-Syndrom kann allein aufgrund des ophthalmologischen Bildes diagnostiziert werden.
Breite Differentialdiagnose
Auch wenn bestimmte Krankheitsentitäten durch ihre Häufigkeit dominieren, ist
die Liste der Erkrankungen, die zu einer sekundären Uveitis führen können, außergewöhnlich lang (Kasten). Ein Versuch bei jedem Patienten all diese Erkrankungen
durch entsprechende Untersuchungen
gleichzeitig
auszuschließen,
muss
zwangsläufig zu einer Fülle falsch positiver
Ergebnisse und diagnostischer Irrwege
führen. Eine sinnvolle diagnostische Abklärung ist daher am erfolgreichsten, wenn
sie einer differenzialdiagnostischen Systematik folgt, die den ophthalmologischen
Befund und eine hinreichend standardisierte Anamnese beinhaltet.
Ausgewählte infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen
der sekundären Uveitis
Virale Erkrankungen: Zytomegalie, Infektionen durch Epstein-Barr-Viren, Herpes
simplex, Herpes zoster, HIV, Leukämie
durchHTLV-1-Viren,Mumps,Röteln,Pocken
Fungale Erkrankungen: Aspergillose,
Blastomykose, Candidiasis, Coccidioidomykose, Cryptococcose, Histoplasmose, Sporotrichose
Bakterielle oder spirochetale Erkrankungen: Infektionen durch atypische
Mykobakterien, Brucellose, Barthonellose, Lepra, Leptospirose, Borreliose,
Proprionibakterien, Syphilis, Tuberkulose, Morbus Whipple
Parasitäre Erkrankungen: Infektionen
durch Helminthen, Zystizerkose, Onchozerkose, Toxocariasis, Infektionen durch
Protozoen, Infektionen durch Akanthamöben, Pneumocystis carinii, Toxoplasmose
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Okuläre Syndrome: Akute multifokale
plakoide
Pigmentepitheliopathie
(APMPPE), Birdshot Choroidopathie,
Fuchs’sches Uveitis Syndrom, Glaucomatozyklitische Krisen, Irido-cornealesendotheliales Syndrom (ICE), Linsen-induzierte Uveitis, Serpiginöse Chorioretinitis, Subretinale Fibrose, Sympathische Ophthalmie, Trauma
Systemerkrankungen: Ankylosierende
Spondylitis, Morbus Behçet, Entzündliche Darmerkrankungen, Interstitielle
Nephritis und Uveitis (TINU), Multiple
Sklerose, Psoriasis-Arthritis, Reaktive
Arthritis, Polychondritis, Rheumatisches
Fieber, Rheumatoide Arthritis, Sarkoidose, Systemischer Lupus erythematodes, Vaskulitis, Vogt-Koyanagi-Harada
Syndrom
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Diese Anamnese sollte neben der Erfassung körperlicher Beschwerden (zum Beispiel tiefsitzende, morgendliche Rückenschmerzen bei Spondylarthropathien) unter anderem auch die Frage nach Tropenaufenthalten als mögliche Ursache seltener Infektionen beziehungsweise nach
dem ethnischen Hintergrund des Patienten umfassen. Die geographische Herkunft
eines Patienten kann ganz entscheidend
zur Diagnosefindung beitragen. So tritt
zum Beispiel Morbus Behcet gehäuft bei
asiatischen Patienten aus der Gegend der
ehemaligen »Seidenstraße« auf.
Sinnvoll können gegebenenfalls laborchemische Untersuchungen beziehungsweise Röntgenuntersuchungen des Thorax zum Ausschluss beziehungsweise zur
Diagnose von Grunderkrankungen oder
pathologischer Befunde an inneren Organen wie interstitiellen Lungenerkrankungen bei Sarkoidose oder spezifischen Lungen-Veränderungen bei Tuberkulose sein.
Corticosteroide in der Primär-Therapie
Die Therapie der Uveitis erfolgt in Abhängigkeit von ihrer Schwere und ihrem Verlauf. Bei bakteriellen Infektionen ist eine gezielte antibiotische Therapie notwendig, bei
fungalen Erkrankungen auch eine gezielte
antimykotische Therapie. Die Applikation
von Corticosteroiden in Form von Tropfen,
Gelen oder Salben in den vorderen Augenabschnitt, ihre regional-periokuläre, aber
auch intraokulare Injektion beziehungsweise ihre systemische, also orale beziehungsweise intravenöse Gabe sind, nicht zuletzt
aufgrund des umgehenden Wirkungseintritts der Corticosteriode, Hauptpfeiler in
der Behandlung der Uveitis.
Mehr oder weniger sind in der Behandlung intraokularer Entzündungen die Ergebnisse und Erfahrungen der Therapie
der Rheumatoiden Arthritis mit »disease
modifying anti-rheumatic drugs« –
DMARDs übernommen worden. Prospektiv randomisierte Studien zur Behandlung
der Uveitis mit DMARDs wurden bislang
nicht durchgeführt.
Moderne Therapieoptionen
Die initiale systemische Applikation von
Corticosteroiden wird auch dazu genutzt,
die sogenannte »Prednison-Schwelle« herauszufinden, die Hinweise auf die Entzündungsaktivität und somit weitere Therapieoptionen geben kann.
Corticosteroid-einsparende Medikamente, also die Antimetabolite Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat mofetil,
Alkylanzien wie Cyclophosphamid oder der
T-Zell-Inhibitor Cyclosporin A als systemische Immunsuppressiva bei nicht infektiö-
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Abbildung 7: Spezifische Augen-Implantate geben
Glukokortikoide über einen Zeitraum von bis zu
30 Monaten in definierter Dosis ab.
Foto: Bausch & Romb
ser Uveitis sollten gemäß »Heidelberger
Standard«, also gemäß der Empfehlungen
des Uveitiszentrums Heidelberg zur systemischen Immunsuppression bei nicht infektiöser Uveitis, nicht zuletzt aber auch
wegen ihres in der Regel längeren Wirkungseintritts von circa sechs bis acht Wochen nicht als Primärtherapie zum Einsatz
kommen.
In Deutschland ist lediglich Ciclosporin
A zur Uveitis-Therapie zugelassen. Alle anderen Therapieoptionen kommen »off-label« zum Einsatz. Die Applikation von Ciclosporin ist mit einer Reihe von Nachteilen verbunden: Zum einen ist sie teurer als
der Einsatz alternativer Standardpräparate. Zum anderen ist sie in der Langzeittherapie renal toxisch. Regelmäßig muss bei
Ciclosporin-Gabe daher insbesondere der
Kreatinin/Harnstoff-Blutspiegel bestimmt
sowie der Blutdruck zum Ausschluss eines
renalen Hypertonus überprüft werden.
Von der US-amerikanischen Food and
Drug-Administration wurde 2005 das Implantat Retisert® mit dem Status »Orphan
Drugs« für die Indikation »Behandlung der
chronischen, nicht infektiösen Uveitis posterior« in den USA zugelassen. Retisert®
wird chirurgisch in den hinteren Augenab-
Abbildung 8: Durch die schraubenartige Form moderner Applikationssysteme wird ihre Abgabefläche maximiert.
Foto: Sur Modics
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schnitt implantiert und gibt über einen
Zeitraum von bis zu 30 Monaten in gleichmäßiger Dosis das Steroid Fluocinolonacetonid ab (Abbildung 7).
Alternativ zur intraokularen Einspritzung
von Corticosteroiden kommen darüber hinaus heute auch so genannte »PlattformTechnologien« wie I-vation®, also verpflanzbare schraubenartige Spulen zum
Einsatz, die über spezielle Polymer-PlastikSchichten die kontrollierte Freigabe spezifischer Wirkstoffe über Monate bis Jahre
ermöglichen. Das schraubenartige Design
maximiert die Fläche der neuartigen Applikationssysteme (Abbildung 8), die entfernt
werden, sobald der Wirkstoff vollständig
freigegeben worden ist.
Uveitis ist behandelbar, auch wenn
ihre «adäquate« Therapie ein langfristiger
Prozess ist, der Monate bis Jahre dauern
kann und Geduld sowohl auf der Seite der
Patienten als auch auf der Seite der Therapeuten erforderlich macht. Diese Geduld
wird jedoch gestärkt durch das Wissen,
dass sich Komplikationen durch die rechtzeitige und für jeden Patienten »maßgeschneiderte« Immunsuppression verhindern lassen.
Bei therapiefraktärer Uveitis, Rezidiven
unter Immunsuppression oder schwerwiegenden Nebenwirkungen der beschriebenen Medikamente kommen heute immer
häufiger auch Biologicals zum Einsatz.
TNF-alpha nimmt einen zentralen Stellenwert in der Pathogenese der Uveitis ein.
TNF-alpha-Inhibitoren wie Etanercept, Infliximab und Adalimumab, so erste Beobachtungen, können erfolgreich auch zur
Behandlung der chronischen Uveitis eingesetzt werden.
Die Effektivität von Infliximab und Etanercept bei der Therapie der Uveitis ist bereits in mehreren Studien belegt worden.
Derzeit läuft am Uveitiszentrum in Heidelberg voraussichtlich bis 2008 eine prospektive, kontrollierte, randomisierte Studie zur Behandlung der therapierefraktären Uveitis mit Adalimumab.
Anhand einer weiteren Pilotstudie
konnte auch die Wirksamkeit von Interferon-beta bei der Behandlung der MS-assoziierten Uveitis und hier insbesondere des
begleitenden Makulaödems gezeigt werden. Die Wirksamkeit von Interferon-beta
wird derzeit am Uveitiszentrum Heidelberg ebenfalls in einer auch bis 2008 laufenden prospektiven, kontrollierten, randomisierten Studie unter anderem im Vergleich zu Methotrexat überprüft. Die Ergebnisse einer in 2005 durchgeführten
multizentrischen Pilotstudie, an der auch
das Uveitiszentrum Heidelberg beteiligt
war, zeigten, dass Interferon-beta einen
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sehr positiven Einfluss auf die intraokulare
Entzündung und hier insbesondere auf
den Rückgang eines inflammatorischen
Makulaödems hat.
Chirurgische Intervention
Die Auswertung der Datenbank des Interdisziplinären Uveitiszentrums in Heidelberg zeigt, dass ungefähr bei 20 Prozent
der Patienten ein operativer Eingriff unumgänglich ist.
Mit der Fortentwicklung der vitreoretinalen Chirurgie hat sich der Einsatz der
Glaskörperentfernung bei Uveitiden deutlich erweitert. Dies gilt nicht nur für die Beseitigung optisch relevanter Glaskörperblutungen, sondern auch für die Beeinflussung des sekundären Makulaödems.
Die Entstehung einer Cataracta complicata im Rahmen einer Uveitis ist sicherlich die häufigste Komplikation und kann
zum einen durch die Entzündung selbst,
I
Der Autor
Matthias Dieter Becker,
Augenärztlicher Leiter des
Interdisziplinären Uveitiszentrums Heidelberg, studierte von 1987 bis 1993
Medizin an der Universität
Heidelberg. Nach einem praktischen Jahr
und seiner Zeit als Arzt im Praktikum war
er von 1996 bis 1997 Asisstenzarzt an der
Universitäts-Augenklinik Heidelberg, bevor er von 1998 bis 2000 für zwei Jahre an
das Casey Eye Institute der Heath Sciences
University in Portland, Oregon, USA, ging.
2001 erhielt Becker seine Anerkennung als
Facharzt für Augenheilkunde und wurde
gleichermaßen zum Oberarzt der Universitäts-Augenklinik Heidelberg ernannt. 2003
erhielt er seine Habilitation zum Privatdozenten. 2005 wurde Becker zum außerplanmäßigen Professor der Universität
Heidelberg ernannt. Becker ist unter anderem beratender ärztlicher Mitarbeiter der
Deutschen Uveitis Arbeitsgemeinschaft DUAG, die sich nicht zuletzt die Beratung
und Unterstützung von Patienten beim
Aufbau von Selbsthilfegruppen zur Aufgabe gemacht hat beziehungsweise interessierten Patienten auch und gerade bei
Uveitis im Kindesalter den Kontakt zu bereits existierenden Selbsthilfegruppen ermöglicht (http://www.uveitis-kinder.de).
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. Matthias Becker, Universitäts-Augenklinik, Interdisziplinäres Uveitiszentrum, Im Neuenheimer Feld 400, 69 120
Heidelberg [email protected]; http://www.uveitiszentrum.de
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aber auch durch ihre Behandlung mit Corticosteroiden auftreten.
Von allen möglichen Komplikationen
ist die Steroid-induzierte Cataract jedoch
chirurgisch noch am einfachsten zu behandeln. Daher sollte bei einer mit Corticosteroiden gut therapierbaren Uveitis anterior eher das Risiko der Steroid-induzierten Cataract als das einer Cataracta complicata mit weiteren schwierig therapierbaren Komplikationen wie Makulaödem
oder Sekundärglaukom in Kauf genommen werden.
Während Patienten mit Fuchs'schem
Uveitis-Syndrom meistens eine langfristig
gute und nachhaltige visuelle Rehabilitation erfahren, sind die Ergebnisse der Cataract-Operationen bei Kindern mit juveniler
idiopathischer Arthritis häufig frustrierend. Das gleiche gilt für die Linsenimplantation. Gerade bei Kindern mit Uveitis zum
Beispiel infolge einer ANA-positiven Oligoarthritis sollte man daher mit der Entscheidung für die Implantation einer Intraokularlinse sehr zurückhaltend sein.
Grundsätzlich besteht ein breiter Konsens zur Notwendigkeit eines entzündungsfreien Intervalls von mindestens
sechs bis zwölf Wochen im Vorfeld einer
Operation mit möglichst wenigen Entzündungszellen in der Vorderkammer.
Durch gravierende Verbesserungen
der mikrochirurgischen Techniken und die
Entwicklung von Instrumenten mit
kornealen Kleinschittzugängen, durch verkürzte Operationszeiten und moderne Linsenmaterialien konnte das Risiko einer chirurgisch-induzierten postoperativen Entzündung in den letzten 10 Jahren drastisch
reduziert werden. /
Literatur beim Verfasser
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