Boden - Eine Lehrerhandreichung Teil IV: Tiere im Boden Von Katalin Roch Projektleitung und Redaktion: Prof. Dr. Willi Xylander Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz 2010 In diesem Kapitel werden wichtigste Bodentiergruppen vorgestellt. Bei den dargestellten Arten und Gruppen sind häufige erwähnt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Sie dienen der Orientierung in der einheimischen Fauna. Für die Bestimmungen nutzt man weiterführende Literatur. Informationen zu wichtigen Bodentiergruppen .................. Fehler! Textmarke nicht definiert. Schnecken ............................................................................................................................... 2 Regenwürmer ......................................................................................................................... 8 Asseln .................................................................................................................................... 12 Spinnen ................................................................................................................................. 16 Tausendfüßer, ....................................................................................................................... 22 Springschwänze, ................................................................................................................... 25 Ohrwürmer, .......................................................................................................................... 27 Käfer ...................................................................................................................................... 30 Marienkäfer .......................................................................................................................... 33 Ameisen ................................................................................................................................ 36 Hummeln .............................................................................................................................. 40 Wirbeltiere des Bodens ........................................................................................................ 42 SCHNECKEN Schnecken sind Weichtiere. Sie gehören gemeinsam mit Muscheln und Tintenfischen in die Gruppe der Mollusca. Betrachten Kinder Schnecken, dann fallen drei Formen auf: Schnecken mit Gehäuse, Schnecken ohne Gehäuse, Gehäuse ohne Schnecken. Wir behandeln hier vor allem die Landlungenschnecken, zu denen die Nackt- und Schnirkelschnecken gehören. Die bekannteste Schnecke ist die Weinbergschnecke Helix pomatia (Linnaeus 1758). Sie ist die größte einheimische Gehäuseschnecke (siehe Abb. 1). Ihr Gehäuse windet sich nach rechts. Das Schneckengehäuseloch befindet sich bei hochgehaltener Spitze rechts, nur bei weniger als 0,1% links (Schneckenkönig)1. Körperbau von Helix pomatia Der Schneckenkörper besteht aus dem Kopf, aus einem Fuß und einem Eingeweidesack, der im Gehäuse steckt. Der Fuß besitzt auf der Oberfläche viele Rinnen. Die Haut ist schleimig. Der Schleim wirkt als Verdunstungsschutz. Landschnecken besitzen Lungen unter der Mantelhöhle, über deren Haut sie atmosphärischen Sauerstoff aufnehmen können. Die Schnecke kriecht auf einem Schleimband. So ist sie mit der Fußsohle fest mit dem 1 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 (5), S.422ff. 2 Untergrund verbunden und kann durch Kontraktion und kann Erschlaffen der Längs- und Ringmuskeln des Fußes kriechen. Gut zu beobachten ist dies, wenn man die Schnecke auf einer Glasplatte kriechen lässt und ein paar Tintenpünktchen auf die Sohle ausbringt. Das Tier presst seinen Fuß aus dem Gehäuse, indem es das schwammartige Gewebe des Fußes mit Hämolymphe vollpumpt. Eine Schnecke zieht sich mit Hilfe ihrer Spindelmuskeln, die im Zentrum des Gehäuses ansetzen, in ihr Schneckenhaus zurück. Das Blut wird in die geräumige Leibeshöhle zurückgepumpt, der Fuß verliert seine Verbindung zum Boden, die Schnecke löst sich, der Spindelmuskel zieht den schlaffen Fuß in das Gehäuse. Im Fuß befinden sich zahlreiche Sinneszellen zur Aufnahme von Tastreizen. Vor dem Fuß befindet sich der Kopf mit Mundöffnung und der Radula. Die Radula, die „Schneckenzunge“, besteht aus dem knorpeligen Vorsprung des Mundvorraumes mit bis zu 800.000 Zähnchen, die wie auf einer Feile angeordnet sind und bei Abnutzung ständig erneuert werden können. Damit raspelt sie Schnecke Nahrungspartikel ab. Der Tastsinn ist besonders in der Mundzone gut ausgebildet. Schnecken verfügen über Geruchs- und Geschmackssinn. Mit ihren Tentakeln betasten sie ihre Umgebung. Die gestielten Augen auf dem zweiten Tentakelpaar der Weinbergschnecke sind einfach gebaute Linsenaugen, die nur zu Hell-Dunkelsehen befähigen. Einen akustischen Sinn hat eine Schnecke nicht. Landlungenschnecken atmen mit einem stark durchbluteten Gefäßnetz im Mantel, der „Lunge“ Abb. 1: Weinbergschnecke Helix pomatia Fortpflanzung: Landschnecken sind überwiegend Zwitter. In ihren Geschlechtsdrüsen entwickeln sich Eier und Spermien. Es gibt ein langes Vorspiel mit Befühlen und Betasten. Während der Kopulation fungieren meist beide Tiere als Weibchen und Männchen. Die Weinbergschnecken richten sich dabei auf und pressen ihre Fußsohlen sind aneinander. Der Samen des einen Tieres wird über einen ausstülpbaren, schwellbaren Penis mit Hilfe einer Spermatophore2 über eine Vagina in die Samentasche des Partners übertragen. Die Eier 2 Spermatophore= röhrenförmige, vielfach kompliziert gebaute Samenübertäger, die von den männlichen Geschlechtsanhangsdrüsen gebildet werden 3 werden später befruchtet. Nach etwa 6-8 Wochen werden die befruchteten Eier der Weinbergschnecke in selbst angelegte Gruben im Boden abgelegt. Das Gelege besteht aus 20-60 bis zu 6 mm großen, erbsenförmigen Eiern. Darin entwickeln sich die kleinen Schnecken. Nach etwa 3 Jahren sind sie ausgewachsen. Ihr Gehäuse, das vom Mantel in mehreren Schichten gebildet wird, schützt sie gut. Sie nehmen Kalk3mit der Nahrung und über den Untergrund auf, der für den Bau des bis zu 50 mm großen Gehäuses verwendet wird. Die Schalenöffnung kann bei Trockenheit oder im Winter verschlossen werden. Dazu bildet sich ein Häutchen und Schleim, die die Tiere vor Trockenheit bewahrt, bzw. ein Kalkdeckel zur Überwinterung, der je nach zu erwartender Kälte4 dicker oder dünner angelegt wird. Ein Gehäuse fehlt bei den Nacktschnecken. Sie besitzen nur Reste davon: Ein vom Mantel völlig verdecktes, ovales Kalkblättchen auf der Oberseite. BEDEUTUNG: Schnecken haben unterschiedliche Nahrungsvorlieben und damit eine unterschiedliche ökologische und ökonomische Bedeutung. Einige Arten bevorzugen Pilze und welke Pflanzenteile (z. B. die Dunkle Glanzschnecke Zonitoides nitidus), andere sind Allesfresser und vertilgen auch Aas sowie träge und kranke Tiere (z. B. Glanzschnecke Aegopinella nitidula). Schädlinge sind die Schneckenarten, die mit großer Vorliebe grüne Pflanzen oder eingelagertes Gemüse fressen (Großer Schnegel Limax maximus). Schnecken werden oft von Fliegen parasitiert oder fallen Fressfeinden zum Opfer. Ein Feind ist die Singdrossel, die die Schneckengehäuse in den Schnabel nimmt und gegen einen Stein (als Amboss genutzt) schlägt und die Gehäuse so öffnet. Igel, Spitzmäuse und andere Kleinsäuger ernähren sich ebenfalls von Schnecken. Auch die Larven des Glühwürmchen Lampyris noctiluca haben sich auf Schnecken spezialisiert5. ARTENINFORMATIONEN Nacktschnecken:6 Die Große Wegschnecke Arion ater (Linnaeus 1758) wird bis zu 15 cm lang. Ihr Atemloch befindet sich vor der Mitte des Mantelschildes. Sie hat einen ungekielten Rücken. Man findet sie vor allem nach Regen auf Wegen, an Hecken und Waldrändern. Sie ist ganz dunkel gefärbt, auch der Fußsaum. 3 Die Schnecken lösen den Kalk durch ihre Atmungskohlensäure aus dem Untergrund. 4 Schnecken ahnen die bevorstehende Winterhärte voraus. Wie ist ungeklärt. 5 Kerney, M. P.: Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas ein Bestimmungsbuch für Biologen und Naturfreunde. Verag Paul Parey, hamburg, Brlin 1983,ISBN 3-490-17918-8, S. 29f. 6 Needon, Ch. u.a. Pflanzen und Tiere. Ein Naturführer. Urania Verlag, Leipzig, 1987, 16. Auflage, ISBN 3-332-00111-6 4 Die Rote Wegschnecke Arion rufus (Linnaeus 1758) ähnelt A. ater im Habitus und an gleichen Stellen zu finden. Unterscheidung: Sie kann sehr farbvariabel (von schwarz über kaffeebraun bis „ziegelrot“) aussehen, aber ihr Fußsaum ist stets rötlich gefärbt. Jungtiere sind grünlichweiß mit dunklem Kopf. A. rufus wird in der Literatur7 z.T. als Unterart von A. ater geführt und zählt zu der südlich verbreiteten Form der beiden. Der Baumschnegel Lehmannia marginata (O. F. Müller 1774) wird bis 7,5 cm lang. Bei dieser Nacktschnecke liegt das Atemloch hinter der Mitte des Mantelschildes, der Rücken ist etwas gekielt. Diese Art ist agiler und schlanker als die zuvor Genannten. Sie hat einen dunklen Längsstreifen und einen hellen Körper, ihr Hinterleib ist durchscheinend. Sie lebt in den Laubwäldern, Felsen und Mauern. In Gewächshäusern und Gärtnereien richtet sie beachtlichen Schaden an. Die Ackerschnecke Deroceras agreste (Linnaeus 1758) wird bis zu 6 cm lang. Sie ist gelblichweiß bis hellbraun mit dunklen Flecken oder Linien und kommt in Gärten, Feldern und Wäldern vor. Sie ist ein Pflanzenschädling auch durch Übertragung von Wurmeiern, Viren und Bakterien. Der Großer Schnegel Limax maximus (Linnaeus 1758) wird bis zu 15 cm lang. Er sieht hellgrau aus, hat eine einfarbige Sohle und ist gekielt. Reizt man ihn, zieht er sich (im Gegensatz zu den Wegschnecken) nach vorn zusammen. Limax maximus ein Allesfresser. Abb. 2: Große Wegschnecke Arion ater Landgehäuseschnecken 7 Kerney, M. P. ebenda S. 139 5 Die Weinbergschnecke Helix pomatia (Linnaeus 1758) ist im o.g. Text ausführlich beschrieben. Gehäusebreite- und höhe betragen bis 5 cm (siehe Abb. 3). Die Schüsselschnecke Discus rotundatus (O. F. Müller 1774) wird bis zu 7 mm breit und fast 3 mm hoch. Sie ist hellbraun gefärbt mit rotbraunen Flecken. Der letzte Umgang ist kantig. Sie lebt unter Laub, Holz, Steinen und ernährt sich von moderndem Material. Die Kellerglanzschnecke Oxychilus cellarius (O. F. Müller 1774) wird 10 mm breit und 5 mm hoch. Sie hat ein glänzendes Gehäuse mit weißer Unterseite. Sie lebt unter Laub und abgestorbenen Holz und ernährt sich auch davon. Die Dunkle Glanzschnecke Zonitoides nitidus (O. F. Müller 1774) wird 7 mm breit und 4 mm hoch. B A Abb. 3: Schneckengehäusebreite A, Gehäusehöhe B Die Hainschnirkelschnecke Cepaea nemoralis (Linnaeus 1758) hat ein 23 mm breites und 20 mm hohes Gehäuse. Ihr Gehäuseeingang (Nabelfeld und Mündungssaum) ist braun umrandet im Gegensatz zur folgenden Art. Die Färbung mit Streifung kann allerdings extrem variabel sein. Man findet sie (im Gegensatz zu ihrem Namen) eher in Gärten und Parks und weniger auf Feldern und Hainen. Sie bevorzugt frische Kräuter. Die Gartenschnirkelschnecke Cepaea hortensis (O. F. Müller 1774) wird 20 mm breit und 15 mm groß. Ihr Gehäuserand und Nabelfeld sind weiß. Das Gehäuse hat unterschiedliche Bänderungen. Cepaea hortensis lebt eher in Büschen und Hainen als in Gärten. Krautige Pflanzen sind ihre Nahrungsquelle. 6 Abb. 4: Hainschnirkelschnecke Cepaea nemoralis (verschiedene Farbvarianten) 7 REGENWÜRMER Die bekanntesten Bodenbewohner sind die Regenwürmer. Sie sind von großer ökologischer Bedeutung für den Menschen durch ihre Lebensweise. Systematisch gehören sie zu den Wenigborstern (Oligochaeta). Abb. 5: Folie/Tafelbild aus dem Profilunterricht zu Anpassungen des Regenwurms Körperbau: Der wurmförmige Körper besteht aus vielen gleichförmigen Segmenten (Leibesringe). Jedes Segment trägt 4 Paar kurze, bewegliche Borsten. Durch das Abspreizen der Borsten gelingt ihm eine langsame Fortbewegung. Die Borsten geben ihm Halt in seinen Erdröhren. Nur schwach ist ein Kopfende auszumachen. Mit der Lupe erkennt man den kegelförmigen Kopflappen, der die im Mundsegment (Peristomium) liegende Mundöffnung überdeckt. Im Inneren befinden sich die gleichen Organe in fast jedem Segment. Der gesamte Wurmkörper wird von einem Darm durchzogen, der vorn mit einer muskulösen Mundöffnung beginnt, ein Muskelmagen zerreibt die Nahrung. An der Exkretion sind sogenannte Nephridien beteiligt, deren offene Wimperntrichter in jedem Segment paarweise hineinragen und im folgenden Leibesring nach außen führen. Das Blutgefäßsystem besteht aus dem pulsierenden Rückengefäß und Bauchgefäß, beide sind durch Ringgefäße in jedem Leibesring miteinander verbunden. Der Regenwurm besitzt ein Strickleiter-Nervensystem auf der Bauchseite. Über dem Schlund befindet sich das Gehirn. Mit Sinnesorganen sind die Würmer nicht reichlich 8 ausgestattet. Obwohl ihnen Augen fehlen, besitzen sie einen Lichtsinn. Lichtsinneszellen in der Haut des Hautmuskelschlauches lassen ihn lichtempfindlich reagieren. Längere Sonnenbestrahlung schädigt bzw. tötet die Tiere. Sehr empfindlich reagiert der Regenwurm auf Tastreize. Über den gesamten Körper sind Tastsinneszellen und -haare verteilt. Durch ihren chemischen Sinn sind sie in der Lage, Änderungen des Milieus wahrzunehmen. Ihre Haut darf nicht austrocknen, da sie zur Aufnahme des Sauerstoffs und Abgabe des Kohlenstoffdioxides dient. Der Regenwurm hält sie über Poren feucht, die mit Coloemsäckchen verbunden sind. Fortpflanzung: Regenwürmer sind Zwitter. Ihre Keimdrüsen liegen in wenigen Segmenten. Neben Eierstöcken (13. + 14. Segment) und Hoden (10 – 11. Segment), männliche Geschlechtsöffnung (15. Segment) besitzen sie meist ein Paar Empfängnisorgane, die „Samentaschen“ (bläschenartige Einstülpungen der Haut). Der Gürtel (das Klitellum) zeigt die geschlechtlich aktiven Tiere an. Dies ist eine ringförmige, drüsenreiche Verdickung der Haut am Vorderende der Tiere. Zu Beginn der Begattung legen sich die geschlechtsreifen Tiere in entgegengesetzter Richtung der Vorderenden mit den Bauchseiten aneinander. Jedes Tier scheidet nun Schleim ab, der rasch erhärtet und eine Rinne zwischen den männlichen Geschlechtsöffnungen und den Samentaschen bildet. Die Samen werden nun ausgetauscht. Danach trennen sich die Tiere wieder. Der Samen in der Samentasche verbleibt dort. Der Wurm schiebt sich nun rückwärts aus dem Gürtel heraus und entlässt in den, später (einen Kokon bildenden) Schleim seine Eier und den Samen. Die Eier werden später befruchtet. Der Kokon ist die Hülle der Wurmembryonen. Man findet ihn im Boden bzw. Spreu. Er ist oft von einer dicken Kothülle geschützt. Abb. 6: Regenwurm mit Kokon Hat der kleine Wurm die Nährflüssigkeit des Kokons aufgezehrt, ist er zum Schlüpfen bereit. Die Geschwindigkeit der Entwicklung ist von äußeren Faktoren abhängig, z. B. der Temperatur. Normalerweise dauert es 3-4 Wochen bis der junge Wurm seine Hülle verlässt. Er beginnt zu fressen und vervielfältigt schnell sein Geburtsgewicht. Nach 3 Monaten ist z. B. ein Kompostwurm Eisenia foetida geschlechtsreif. Er kann über 300 Nachkommen pro Jahr 9 erzeugen8. Regenwürmer werden je nach Art unterschiedlich alt. Der Kompostwurm hat eine Lebenserwartung von 3 Jahren, der Tauwurm Lumbricus terrestris kann bis zu 8 Jahre alt werden. Regenwürmer besitzen die Fähigkeit der Regeneration, d. h. sie können Teile ihres Körpers neu bilden. Werden mehr als 16 Segmente abgetrennt, stirbt der Hinterleib ab. Es stimmt also nicht, dass man mit einem Spatenstich den Wurm halbieren kann, um zwei Würmer zu erhalten. Der Regenwurm tritt in den Trockenphasen des Sommers bzw. Frostperiode des Winters in eine Ruhephase, die er in einer Erdhöhle verbringt. Anpassungen des Regenwurms an das Bodenleben (siehe Abb. 5) Strukturen: Verhalten: schlanke Körperform Borsten dünne, säureempfindliche Haut Hautmuskelschlauch Hautatmer lichtempfindliche Sinneszellen nimmt Erschütterungen und Berührungen wahr Kriecht ins Feuchte, Dunkle, Kühle BEDEUTUNG: Schon der englische Naturforscher Charles Darwin hat in seinem Werk „Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer“9 auf die Bedeutung der Regenwürmer aufmerksam gemacht. Er berechnete, dass jährlich auf einem Hektar Land über 12 Millionen Tonnen Erde durch den Darm der Regenwürmer gehen, gelockert, aufgeschlossen und zur Oberfläche transportiert werden. Regenwürmer verbessern die Fruchtbarkeit der Böden und sind wesentlich für die landwirtschaftliche Produktion und der Sicherung der menschlichen Ernährung verantwortlich. Regenwürmer werden gezüchtet und dienen z. B. als Köderwürmer für die Fischerei, als Proteinquelle zur Nahrungsergänzung im Tierfutter und werden in der Heilkunde eingesetzt. Eine weitere Bedeutung erlangen sie als Bioindikatoren bzw. Zeigerarten. Das sind Lebewesen mit besonderen Ansprüchen an ihren Lebensraum oder mit speziellen Verhaltensweisen. Das Vorhandensein an einem bestimmten Standort lässt Rückschlüsse auf den Standort zu. Bisher liegen aber nur wenige spezifische Untersuchungen dazu vor10). (siehe Tab. 1) Tab. 1: Standortansprüche einiger Regenwurmarten (Zusammenstellung nach: RÖMBKE 1997) Standortqualitäten nährstoffarm nährstoffreich feucht Verbreitete Regenwurmarten Einige Allolobophora- bzw. Aporrectodea-Arten wie z.B. A. caliginosa Köcherwurm (Dendrodrilus bzw. Dendrobaena rubida) Rotwurm bzw. Roter Laubfresser (Lumbricus rubellus) Kleiner Ackerwurm (Allolobophora bzw. Aporrectodea 8 DUNGER, W. (1964): Tiere im Boden. Wittenberg: Ziemsen., S. 72/73 9 Darwin, Ch.: Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer. Stuttgart, 1882 10 RÖMBKE, J. (1997): Boden als Lebensraum für Bodenorganismen – 6.4. Lumbricidae. 10 sauer neutral sauer bzw. chlorotica) Großer Ackerwurm (Octolasium lacteum) Eisenellia tetraedra Aporrectodea limnicola Köcherwurm (Dendrodrilus bzw. Dendrobaena rubida) Stubbenwurm (Dendrobaena octaedra) wenig Säureempfindliche Arten: einige Allolobophora- bzw. Aporrectodea-Arten wie z. B. der Schleimwurm (A. rosea) Gefährdung: Ihr Bestand ist weniger durch ihre Fressfeinde gefährdet als durch den Einfluss des Menschen auf ihren Lebensraum. Bei intensiven Bodenbearbeitungsmaßnahmen (Pflügen, Eggen, Bewässerung, Düngung), starker Bodenverdichtung, extremer Beweidung oder Schadstoffeinwirkungen durch Pflanzenschutzmittel bzw. Umweltgifte sind nur wenige Regenwürmer im Boden zu finden. ARTENINFORMATIONEN: Der Tauwurm (oder auch Gemeiner Regenwurm) Lumbricus terrestris (Linnaeus 1758) wird 30 cm lang und ist einer der häufigsten Würmer. Farbe: rot-braunviolett. Der Kompostwurm Eisenia foetida (Savigny 1826) erreicht eine Körperlänge von bis zu 13 cm und lebt vorwiegend im Kompost und Mist. Er wird deswegen auch als Mistwurm bezeichnet. Farbe: kräftig rot gefärbt mit gelben Querstreifen und dunkler pigmentiertem Vorderende. Lumbricus rubellus (Hofmeister 1843) ist ein 15 cm, leuchtend rotbrauner bis violetter Regenwurm, der in besonders lehmigen Böden wohnt. Lumbricus badensis ist der größte in Deutschland lebende Regenwurm. Er wird bis zu 60 cm lang. Seine Gänge führen in eine Tiefe von 2,5 m. Abb. 7: Regenwurm im Gang Abb. 8: Regenwürmer 11 ASSELN 11 Asseln sind Krebse (Crustacea). In Deutschland kommen etwa 50 Arten vor, die unterschiedlich stark an das Landleben angepasst sind. Asseln sind die einzige Ordnung der Krebstiere, die Landformen entwickelt haben, die auch zur Entwicklung nicht ins Wasser müssen. Sie sind auf relativ hohe Luftfeuchtigkeit angewiesen und bevorzugen feucht-dunkle Standorte. Sie erreichen eine Größe von 3-20 mm. Asseln kommen vorwiegend oberflächennah in lockeren, porenreichen und kalkhaltigen Böden vor. Sie meiden landwirtschaftlich genutzte ebenso wie saure Böden. Im Boden erreichen sie eine mittlere Siedlungsdichte von etwa 50-200 Individuen pro m² Bodenausschnitt (30 cm tief) und eine Biomasse von 0,2-4 g. 12 Der Körper besteht aus deutlich erkennbaren Einzelsegmenten, die jeweils einen breiten Rückenschild tragen. Von unten lassen sich ein Kopfbrust-, ein Brustabschnitt sowie ein Hinterleib erkennen. Der Körper ist dorsoventral abgeflacht und langoval. Der Kopf ist mit dem ersten Brustabschnitt verschmolzen und trägt neben den Facettenaugen auch zwei Antennenpaare, von denen das erste Paar sehr klein und das zweite meist groß ist. Auf der Unterseite des Kopfes liegen die Mundwerkzeuge, die aus den Mandibeln sowie zwei Paar Maxillen bestehen. Der Brustabschnitt trägt die sieben Laufbeinpaare, die alle gleichförmig stabartig gebaut sind. Die Brustsegmente sind im Gegensatz zu denen des Kopfabschnittes gegeneinander frei beweglich. Der Hinterleib trägt ebenfalls Extremitäten. Diese sind allerdings nicht als Beinpaare ausgebildet, sondern bilden flache Platten, die an der Unterseite der Tiere anliegen und die Kiemen bzw. bei weiter entwickelten Arten, die Respirationsorgane (weiße Körper) darstellen. Das letzte Segment bildet einen Schwanzfächer und dient als Tastorgan. Anpassungen an das Landleben (siehe Abb. 9) Strukturen: Verhalten: Kiemen Weiße Körper: Tracheenlungen Wasserleitungskanäle Thigmotaktisch: Anpressen an den Untergrund Einrollen (Rollassel) 11 URL: http://hypersoil.uni-muenster.de/0/07/04/08.htm am 20.04.09 12 BRAUNS 1968, DUNGER 1983 12 Abb. 9: Folie/Tafelbild aus dem Profilunterricht zu Anpassungen der Asseln Asseln sind getrennt geschlechtlich. Die Geschlechtsreife erreichen die Tiere artabhängig im ersten bis dritten Lebensjahr. Die Paarung erfolgt ohne Paarungsrituale im Lebensraum der Tiere. Nach der Paarung häuten sich die Weibchen und entwickeln dabei zwischen den Laufbeinhüften einen Brutraum, der als Marsupium bezeichnet wird. Dahinein legen sie die Eier ab (10-70 bei der Kellerassel, 20-160 bei der Rollassel). Die eitragenden Weibchen scheiden eine Flüssigkeit ins Marsupium ab, in der sich die Eier wie in einem „tragbaren Aquarium“ entwickeln. Die Jungtiere schlüpfen nach 40 bis 50 Tagen und werden dann freigesetzt. Der zu diesem Zeitpunkt noch sehr dünne Panzer wird während einer Doppelhäutung ersetzt und härtet dann aus. Wachsen kann die Assel nur, wenn sie sich häutet (siehe Abb. 10). Dabei platzt der Panzer entlang der Rückenlinie des Tieres auf. Durch Pumpbewegungen wird der hintere Teil des Panzers abgesteift. Danach wird der vordere durch weitere Kontraktionen abgestoßen. Das kann einige Stunden bis zu zwei Tagen dauern. Die Hülle wird danach oft aufgefressen, da sie wichtige Nährstoffe enthält. Wie andere Krebse häuten sich Asseln lebenslang. 13 Abb. 10: Assel häutet sich BEDEUTUNG: Sie ernähren sich von Pilzen, Falllaub, verrottenden Pflanzenresten, Spinneneiern, Insektenkadavern und Vogelkot. Zusätzlich fressen sie ihren eigenen Kot mehrmals wieder auf, wodurch dieser besser aufgeschlossen und weiter verdaut wird. Dadurch beteiligen sie sich an der Zersetzung der organischen Substanz im Boden. Durch die Aufnahme von mineralischen Bestandteilen des Bodens bildet der Kot wie bei den Regenwürmern Ton-Humus-Komplexe, die als Bodenbestandteile wichtig sind. ARTENINFORMATIONEN Die Kellerassel Porcellio scaber (Latreille 1804) wird bis 18 mm lang und ist einfarbig dunkelgrau. Ihr Körper besteht aus 13 Segmenten mit 7 Laubeinpaaren. Man unterscheidet sie durch 2 Glieder am Ende ihrer Fühler von der Mauerassel. Der Panzer hat keinen Verdunstungsschutz, weshalb sie sich thigmotaktisch verhält: Der gesamte Panzer wird auf den Boden gepresst und es entsteht darunter ein feuchtes ‚Mikroklima‘. Kellerasseln sind Primärzersetzer. Die Mauerassel Oniscus asellus (Latreille 1804) wird bis 18mm lang. Ihr Rückenschild ist schwärzlich-braun hell marmoriert und besitzt Längsbinden. Ihr Körper besteht aus 13 Segmenten mit 7 Laubeinpaaren, aber an ihren Fühlern befinden sich 3 Endglieder. Ihrem Panzer fehlen die Trachealorgane und der Verdunstungsschutz. Durch thigmotaktisches Verhalten gleicht sie Wasserverluste aus. Mauerasseln sind Primärzersetzer. Der Panzer der Rollassel Armadillidium vulgare (Latreille 1804) ist glänzend schwarz. Er besteht aus 13 beweglichen Segmenten und 7 Laubeinpaaren. Am Fühlerende befinden sich 2 Glieder. Der Panzer hat keinen Verdunstungsschutz. Bei Gefahr und zum Schutz vor Feuchtigkeitsverlusten rollt sie sich zu einer Kugel ein. Rollasseln sind Primärzersetzer. 14 Abb. 11: Kellerassel Porcellio scaber 15 SPINNEN Die Spinnentiere (Arachnida) sind eine Klasse der Gliederfüßer (Arthropoda). Zu den Spinnentieren gehören die Webespinnen, aber auch Weberknechte, Skorpione, Pseudoskorpione und Milben. Körperbau: Der Körper der Spinnen ist in zwei Teile gegliedert: Kopfbrustteil und Hinterleib. Sie können deutlich voneinander getrennt sein wie bei Webespinnen und den Skorpionen oder ineinander übergehen (Weberknechte, Milben). Das markanteste Merkmal der Spinnentiere sind ihre vier Paar Laufbeine. (Allerdings haben die Larven der Milben nur sechs Beine.) Die Extremitäten sind teilweise zu Werkzeugen wie Giftklauen, Scheren, Tastern oder Mundwerkzeugen umgebildet. Skorpione besitzen einen langen Schwanz mit Giftstachel. Die meisten Spinnentiere sind Jäger, die ihre Beute mit Gift töten. Wie alle Gliederfüßer haben Spinnentiere ein Strickleiternervensystem. Landlebende Spinnentiere haben im Unterschied zu den meisten Insekten und Krebsen keine Facettenaugen, sondern mehrere Punktaugen, die bei einigen Arten sehr leistungsstark sein können. Abb. 12: Zebraspinne Argiope bruennichi im typisch senkrechten Netz mit Zickzackband Fortpflanzung: Bei der Fortpflanzung gibt es verschiedene Variationen. Bei landlebenden Arten gibt es häufig eine innere Befruchtung durch penisähnliche Strukturen (z. B. Weberknechte). Andere Gruppen, wie etwa die Skorpione sowie die meisten Milben, legen Spermienpakete (Spermatophoren) ab, die von den Weibchen aufgenommen werden. 16 Abb. 13: Gemeine Baldachinspinne Linyphia triangularis in ihrem typisch horizontalen Netz in Form eines Baldachins Ordnungen bodenbewohnender Spinnentiere mit Relevanz für die Schule sind: Milben (Acari) Webespinnen (Araneae) Pseudoskorpione (Pseudoscorpiones) INFORMATIONEN ZU DEN GRUPPEN DER SPINNENTIERE: MILBEN 13, 14 Milben repräsentieren die artenreichste Ordnung innerhalb der Spinnentiere (Arachnida). Die Literatur-Angaben schwanken zwischen 20.000 und 40.000 bekannten Arten weltweit, wovon etwa die Hälfte bodenbewohnend ist. Sie besiedeln fast alle Lebensräume und haben eine große Formen- und Ernährungsvielfalt entwickelt. In Deutschland kommen etwa 2500 bodenbewohnende Arten vor. Mit durchschnittlich etwa 100.000-400.000 Individuen pro m² Boden (bei einer Tiefe von 30 cm tief) gehören sie neben den Springschwänzen zu den häufigsten Vertretern der Bodenarthropoden. Ihre Biomasse schwankt zwischen 1-10 g pro m2. Bodenökologisch bedeutsam sind vor allem 2 Gruppen: Die räuberisch lebenden Raubmilben und die pflanzenfressenden Hornmilben variieren in Körperfarbe und Gestalt stark. 13 URL: http://hypersoil.uni-muenster.de/0/07/04/07.htm am 20.04.09 14 URL: http://www.insektoid.info/spinnentiere/milben/#bid990 am 20.04.09 17 Abb. 14: Milbe auf Dungkäfer Milben im Boden erreichen Körpergrößen von 0,1 bis 3 mm. Während eine ausgewachsene Milbe 8 Beine besitzt, hat ihre Larve nur 6. BEDEUTUNG: Am häufigsten sind die in den Streu- und obersten Bodenschichten lebenden Hornmilben. Sie besitzen meist einen festen Panzer und ernähren sich überwiegend sapro- oder phytophag von Falllaub, Algen, Bakterien, Pilzen, Aas und/oder Kot. Sie beschleunigen als Primärzersetzer den Abbau organischen Materials. Die häufig stark gepanzerten und größeren Raubmilben leben als vor allem zoophag von Fadenwürmern, Springschwänzen, Zweiflüglerlarven und anderen Milben, einige auch phytophag. Abhängig von den Nahrungsquellen und Feuchtigkeitsverhältnissen ist ihre Verteilung im Boden unterschiedlich. Wie bei den Springschwänzen haben sich auch bei den Milben unterschiedliche Lebensformtypen entwickelt. Abb. 15: Hornmilbe 18 Die räuberische Rote Samtmilbe Thrombidium holosericeum (Linnaeus 1758) ist in der Laubstreu schon mit bloßem Auge zu sehen, andere Milben muss man mit Hilfe des BerleseTrichters austreiben. Zu deren Betrachtung ist ein Binokular bzw. Mikroskop notwendig. Abb. 16: Rote Samtmilbe Thrombidium holosericeum 19 PSEUDOSKORPIONE Die außerordentlich schönen Pseudoskorpione leben räuberisch im Boden. Sie ähneln im äußeren Körperbau den Skorpionen, besitzen aber keinen Giftstachel. Vor allem aufgrund der als große Schere ausgebildeten Pedipalpen, die mit langen Sinneshaaren und Giftdüsen versehen sind, ist der Vergleich zu den echten Skorpionen gestattet. Der Hinterleib setzt ohne einen Hinterleibsstiel direkt an den Vorderkörper an. Die Kieferklaue (Chelicere) ist zweigliedrig und bildet eine kleine Schere. In diese münden häufig Spinndrüsen. Pseudoskorpione findet man vor allem in der Laubauflage sowie in Moospolstern und Pilzmatten sowie unter Baumrinde, aber auch in Häusern. Wie fast alle Spinnentiere leben auch die Pseudoskorpione von anderen Gliederfüßern wie Springschwänzen, die sie mit den Pedipalpenscheren ergreifen. Mit Hilfe der in einem oder beiden Scherenfingern mündenden Giftdrüsen lähmen sie ihre Beute. Arten mit kleinen Scheren beißen ein Loch in die Körperhülle des Opfers, Arten mit großen Scheren zerreißen die Beute und saugen sie aus. Bei einigen Arten wird um den Fortpflanzungspartner geworben. Sie führen einen "Paarungstanz" durch und locken die Weibchen über Duftstoffe (Pheromone) an. Die Spermienübertragung erfolgt durch gestielte Spermienpakete (Spermatophoren), die von den Männchen auf dem Substrat abgesetzt und vom Weibchen aufgenommen werden. Die Eiablage erfolgt in speziell gesponnenen Brutkammern. Die Eier trägt das Weibchen in einem Brutsack an der Genitalöffnung mit sich herum und ernährt die Embryonen über ein Sekret der Eierstöcke. Nach dem Schlüpfen sind die Nymphen freilebend, nach drei Häutungen sind die Tiere geschlechtsreif. Für die Häutung spinnen sich die Tiere Häutungskammern. Die häufigste Form der im Laubstreu lebenden Pseudoskorpione ist die euryöke Art Neobisium carcinoides (Hermann 1804)15. Unter der Rinde findet man zumeist Arten der Gattung Cheliferinea. 15 Heiko Bellmann: Spinnen, Krebse, Tausendfüßer. Europäische Gliederfüßer (ohne Insekten). Steinbachs Naturführer, Mosaik-Verlag, München 1991. ISBN 3-570-06450-6 20 Abb. 17: Pseudoskorpion 21 TAUSENDFÜßER 16, 17 Abb. 18: Tausendfüßer der Laubstreu Eine bodenbiologisch wichtige Gruppe der Gliederfüßer (Arthropoda) sind die Tausendfüßer mit den Unterklassen Hundertfüßer (Chilopoda), Doppelfüßer (Diplopoda), Wenigfüßer (Pauropoda) und Zwergfüßer (Symphyla). Sie haben eine langgestreckte Körperform und meist gleichförmige Körperringe mit je einem Paar Laufbeinen (bei Doppelfüßern an den meisten Körperringen 2 Paar). HUNDERTFÜßER Hundertfüßer leben räuberisch. Sie gehören zur Makrofauna des Bodens und sind in Deutschland mit etwa 50 Arten vertreten. Ihre Individuendichte liegt bei durchschnittlich 50 Individuen, maximal 300 pro m². Sie ernähren sich überwiegend von weichhäutigen Tieren wie z. B. Springschwänzen, Enchyträen und kleineren Regenwürmen. Dazu nutzen sie ihre als Fangklauen umgestalteten ersten Laufbeinpaare, an deren Spitze Giftdrüsen münden. Hundertfüßer sind Feuchtlufttiere, die humusreiche und wenig verdichtete Böden bevorzugen. Bei uns sind zwei Unterordnungen häufig anzutreffen: die Steinkriecher (Lithobiidae) und die Erdläufer (Geophilidae). 16 URL: http://hypersoil.uni-muenster.de/0/07/04/09.htm am 20.04.09 17 URL: http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761569302/Tausendf%C3%BC%C3%9Fer.html am 20.04.09 22 Die Steinkriecher erreichen eine Länge von etwa 30 mm. Sie sind dorsoventral abgeflacht und an das Leben in Hohlräumen angepasst. Erdläufer können etwa 40 mm lang werden, sind dünner und haben eine wurmförmige Gestalt. Sie besiedeln selbst gegrabene Röhren in den oberen Bodenschichten bis 40 cm Tiefe. Einheimische Arten haben 31 bis 191 Beinpaare und kurzen Fühler; Augen fehlen. Bei ihnen sind Spinndrüsen entwickelt, deren Absonderung Eier und Samenzellen zusammenhält. DOPPELFÜßER Abb. 19: Tausendfüßer In Deutschland kommen etwa 150 Doppelfüßer-Arten vor. Sie sind mit durchschnittlich 150 (maximal 500) Individuen pro m² deutlich häufiger als die Hundertfüßer. Die Körperform der Doppelfüßer ist meist wurm- oder bandförmig, z. T. auch asselförmig verkürzt. Die meisten Körpersegmente tragen jeweils 2 Beinpaare (daher der Name). Zu dieser Unterordnung gehören z. B. die Schnurfüßer (Julidae), die Bandfüßer (Polydesmidae) und die ziemlich kompakten Saftkugler (Glomeridae), die sich alle grabend im Boden fortbewegen können. Abb. 20: Bandfüßer 23 BEDEUTUNG: Sie ernähren sich überwiegend von Laubstreu und vermoderndem Holz. Als Primärzersetzer tragen sie maßgeblich zum Aufschluss des Bestandsabfalles (Laub, Pflanzenreste etc.) bei und spielen damit eine wichtige Rolle im Stoffkreislauf. Sie zeigen ähnliche ökologische Strategien wie die Asseln. Anpassungen des Tausendfüßers Strukturen: Verhalten: starker Panzer in „Rammbock“-Form seitliche Wehrdrüsen Fühler mit Feuchtigkeitsrezeptoren Einrollen Abb. 21: Folie/Tafelbild aus dem Profilunterricht zu Anpassungen der Tausendfüßer 24 SPRINGSCHWÄNZE 18, 19 Die Kleinsten sind die Größten - wenn es um die Zerkleinerung von Falllaub geht! Mit nur 0,2 mm-2 mm Körperlänge (Ausnahmen auch 8 mm) sind sie neben den Regenwürmern die wichtigsten Recycler in Land-Ökosystemen. Wir kennen ca. 3500 Arten Springschwänze in Eurasien. Springschwänze sind sehr ursprüngliche Insekten, die weltweit im Boden, aber auch am Wasser vorkommen. Sie haben 3 beintragende Brustsegmente und höchstens 6 Hinterleibsglieder, die eine Sprunggabel tragen (umgebildeten Beine). Durch diese Besonderheit kam der Springschwanz zu seinem Namen und sie ermöglicht ihm eine ungewöhnliche Fluchtbewegung: Sie vollführen einen Salto rückwärts oder vorwärts, und das mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h und bis zu 35 cm weit. Abb. 22: Springschwanz BEDEUTUNG: Collembolen sind, je nach Lebensraum, unterschiedlich pigmentiert. In 1 m 3 mitteleuropäischen Waldboden findet man durchschnittlich über 100.000 Individuen und 150 – 200 Arten. Das erklärt auch ihr Leistungsvermögen als Zersetzer. Je nach Beschaffenheit ihrer Mundwerkzeuge können sie ihre Nahrung durchkauen. Sie sind für den sogenannten „Fensterfraß“ verantwortlich und ermöglichen so Bakterien und Pilzen die Ansiedlungen an der zerfressenen Blattepidermis. Von diesen Bakterienkolonien ernähren sich wiederum andere Bodenbewohner, auch weitere Arten von Springschwänzen. Tausendfüßer und Asseln, die sich ebenfalls von den Blättern ernähren und für den Lochbzw. Skelettfraß verantwortlich sind, scheiden Kotpillen aus, deren Energiegehalt einigen Springschwanzarten zur Ernährung ausreicht. Nun gelingt es wiederum Bakterien und Pilzen gemeinsam mit Moosmilben das nur noch aus dem Blattgerippe bestehende Blatt endgültig verschwinden zu lassen. Letzte krümelige Bestandteile verschwinden im langen Darm des 18 Zahradník, J., Chvála, M.: Insekten. Handbuch und Führer der Insekten Europas. Bechtermünz Verlag, Augsburg, 1997, ISBN 3-86047-738-2, S.52f. 19 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 (5) 25 Regenwurmes, der in seinem Verdauungstrakt humusreichen Boden herstellt und in Form von Regenwurmkot abgibt: Aus einem Laubblatt wurde mit Hilfe der Springschwänze und nachfolgender Bodenbewohner „Erde“, also humusreicher Boden. Durch sie wird ein Laubblatt viel schneller zersetzt als ohne sie. Sie haben aber auch viele Feinde und stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Räuber dar. Doch durch ihre große Zahl ist ihr Bestand gesichert. Abb. 23: Springschwänze im Blumentopf Eine gute Beobachtungsmöglichkeit bieten Blumentöpfe. Gießt man die Erde, springen weiße Tierchen weg: Die Springschwänze! Mit Hilfe von Lupe und Binokular sind sie in der Laubstreu gut auszumachen. Abb. 24: Springschwanz mit ausgeklappter Sprunggabel 26 OHRWÜRMER 20, 21. Der bekannteste einheimische Vertreter der kosmopolitsch verbreiteten Gruppe Dermaptera ist der Gemeine Ohrwurm Forficula auricularia. Er wird 10- 16mm lang und hat eine charakteristische Gestalt. Sein Kopf ist rostrot. Die kauenden Mundwerkzeuge sind nach vorn gerichtet, typisch für einen Allesfresser. Der Ohrwurm verfügt über große Komplexaugen mit bis zu 300 Einzelaugen. Der Öffnungswinkel der Ommatiden ist aber groß und die Sehschärfe daher zu gering. Für seine dämmerungs- und nachtaktive Lebensweise sind vor allem die langen, schnurförmigen Fühler mit vielen Tastsinneszellen wichtig. Die braune Vorderbrust trägt eine quadratische bewegliche Platte und 2 miteinander verwachsene Platten. Die Vorderflügel sind zu Deckflügeln (Elytren) zurückgebildet, die Hinterflügel dreifach zusammengelegt, häutig und relativ groß. Diese kommen aber nur selten zum Einsatz. Der Ohrwurm besitzt einen schlanken beweglichen Hinterleib aus 11 Segmenten. Das 10. Hinterleibsegment ist stark verbreitert und daran sitzen die stark sklerotisierten zangenartig gebogenen Cerci an. Diese werden zum Entfalten der Flügel und vom Männchen bei der Kopulation benötigt, außerdem sind sie wirksame Waffen. Erwachsene Ohrwürmer besitzen seitlich im 3. und 4. Hinterleibsegment Stinkblasen, die mit einer unangenehm nach Karbolsäure riechenden Flüssigkeit gefüllt sind. Bei Bedarf können sie das Sekret durch Muskelkontraktionen bis zu 10 cm weit zu vernebeln. Die Paarung erfolgt im Herbst (September / Oktober) und im Frühjahr (Februar / März) Dabei schiebt das Männchen sein Abdomen unter das weibliche und dreht es um 180°, sodass das Begattungsglied im 9. Bauchschild in die weibliche Geschlechtsöffnung (zwischen 8. und 9. Bauchschild) eingeführt werden kann. Die Cerci helfen dabei, um in diese Position zu gelangen. Die Paarung dauert oft Stunden, bei der die Partner mit den Hinterleibern miteinander verbunden sind. Schon in den nächsten 4 Tagen legt das Weibchen 20-90 große ovale Eier in ihrer selbstgegrabenen Wohnröhre ab. Ohrwürmerweibchen betreiben Brutpflege und schützen ihre Brut vor Eindringlingen, putzen und wenden sie. Damit werden sie vor Verpilzungen und Austrocknung geschützt. Abhängig von der Temperatur entwickeln sich die Embryonen unterschiedliche schnell und nach 2-8 Wochen schlüpfen die jungen Larven mit Hilfe eines Eizahns auf der Stirn aus ihren Eihüllen. Sie sind klein, mattgrau und flügellos, sonst ähneln sie den Images. Wenn die Larven sich ein zweites Mal gehäutet haben, erlischt der Instinkt zur Brutpflege. Die Larvalentwicklung dauert etwa 5-6 Monate. Die Larven häuten sich dabei 5-mal und werden den Imagines immer ähnlicher. Sie gehen auf Nahrungssuche, während die Mutter in der Höhle sterbend zurückbleibt. Das Höchstalter eines erwachsenen Ohrwurms beträgt 1 Jahr. Sie leben lichtscheu im Falllaub, unter Baumrinde und anderem auf der Erde liegenden Material. Sie bevorzugen hohe Luftfeuchtigkeit von 70-90% sowie Temperaturen zwischen 2-18 20 Zahradník, J., Chvála, M.: Insekten. Handbuch und Führer der Insekten Europas. Bechtermünz Verlag, Augsburg, 1997, ISBN 3-86047-738-2, S.52f. 21 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 (5), S. 73ff. 27 °C. Im Winter graben sie mit den Mundwerkzeugen 15 cm tiefe Gänge und tragen dazu die Erde rückwärts laufend aus der Röhre heraus. So überleben sie auch Temperaturen von -12 bis -23°C mehrere Monate. Sobald es dunkel wird, verlassen die Ohrwürmer ihre Verstecke und gehen auf Nahrungssuche, sowohl am Boden, aber auch auf Pflanzen. Ihre Nahrung besteht aus frischen Pflanzenteilen, wie z. B. Blütenteilen, Moosen, Algen, weichem Obst und Pilzen, aber auch aus tierischer Kost wie Blattläusen, kranken Insekten und Larven. Der Ohrwurm hat diverse Fressfeinde. Dazu zählen räuberische Insekten, Vögel, insektenfressende Säuger, Amphibien und Spinnen. Den Räubern versucht er durch den Einsatz der Stinkblasen und Zukneifen mit den Cerci zu entkommen. BEDEUTUNG: Seine Bedeutung für den Menschen liegt in der Schädlingsbekämpfung und dem Graben vieler Gänge in den Boden. Bei Massenaufkommen können sie in Gärtnereien durch das Anfressen der Blüten wirtschaftlichen Schaden verursachen. ARTENINFORMATIONEN Der Gemeine Ohrwurm Forficula auricularia (Linnaeus 1758), kommt in Gärten, auf Feldern, Wiesen und im Wald vor (siehe . Den Waldohrwurm Chelidurella acanthopygi (Géné 1832) findet man im Frühjahr in Laubund Mischwäldern unter Falllaub, im Sommer auch auf Sträuchern. Der Zweipunkt-Ohrwurm Anechura bipunctata (Fabricius 1781) tritt in der vertikalen Stufe um 1500-2500 m in den Alpen auf. Er besitzt auf den Flügeldecken je einen gelblichen Fleck, sein Halsschild ist gelb umrandet. Die Art besitzt eine charakteristische Cerci-Form. Das Wehrdrüsensekret riecht nach Schwefelsäure. Diese Art ist gut an die tiefen Temperaturen der Gebirge angepasst. Der Kleine Zangenträger Labia minor (Linnaeus 1758) ist wärmeliebend und lebt bevorzugt an Zersetzungsherden, z.B. im Kompost. Er ist ein guter Flieger. Der Sandohrwurm Labidura riparia Pallas 1773 kann bis zu 30 mm lang werden. Er ist wärmeliebend und bewohnt Sandböden und vegetationslose Tagebaukippen. Dort gräbt er lange Gänge in das Erdreich. 28 Abb. 25: Gemeine Ohrwurm Forficula auricularia 29 KÄFER Die artenreichste und bodenbiologisch bedeutsamste Gruppe geflügelter Insekten (Pterygota) sind die Käfer (Coleoptera)22. Mit über 350.000 bekannten Arten in etwa 20 Überfamilien und 166 Familien stellen sie die weltweit größte und vielfältigste Ordnung der Insekten dar23. Ein großer Teil der Käfer lebt mindestens zeitweilig auf bzw. im Boden (Larvenstadien). Im Folgenden werden die Laufkäfer (Carabidae) und Dungkäfer (Scarabaeidae) sowie die wiesenbewohnenden Marienkäfer (Coccinellidae) vorgestellt. LAUFKÄFER Die Familie der Laufkäfer (Carabidae) umfassen etwa 30.000 Arten, von denen etwa 500 in Mitteleuropa vorkommen24. Bei den Laufkäfern gibt es unterschiedlich große Arten (2-40 mm). Sie haben auf ihren oft metallisch schimmernden Flügeldecken mit Rillen, Vertiefungen oder Höckern. Einige Arten sind flugunfähig (Hinterflügel verkümmert, verwachsene Deckflügel). Durch ihre Laufbeine sind sie sehr gute und schnelle Läufer. Sie tasten, riechen und orientieren sich mit ihren elfgliedrigen Antennen. Laufkäfer haben sehr gut ausgebildete Facettenaugen. BEDEUTUNG: Carabidae leben meist räuberisch. Während kleinere Arten in Bodenhohlräume eindringen, halten sich größere tagsüber unter Laub, Steinen, Moos, Rinden oder Höhlen auf und stellen nachts ihren Beutetieren (Regenwürmer, Schnecken, Insekten) nach, die sie mit ihren kräftigen Kieferzangen fassen. Die meisten Arten verdauen extraintestinal: Sie speien zersetzende Verdauungssäfte in die Beute und saugen die Flüssigkeit auf. „Sie sind wichtige Vertilger von Schädlingen, z. B. Drahtwürmern.“25 So ist nachgewiesen, dass auf Kartoffelfeldern große Carabus-Arten den Kartoffelkäfer wirksam bekämpfen. Einige Laufkäferarten graben als Larven und/oder als voll entwickelte Käfer (Imagines) Gänge in den Boden und lauern auf Beute. Man unterscheidet 2 saisonale Entwicklungstypen: Den Frühjahrstyp (Imagines überwintern und sterben nach der Eiablage im Sommer) und den Herbsttyp (Larven überwintern, Imagines pflanzen sich im Herbst fort). Deshalb sind im Frühjahr und Herbst meistens Imagines zu finden. Ihr Auftreten wird von verschiedenen 22 Dunger, W.: Tiere im Boden. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 1964, S. 164 23 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000, S.241ff., Buch- Nr. 19047 0 (5) 24 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000, S.241ff., Buch- Nr. 19047 0 (5) 25 Dunger, W.: Tiere im Boden. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 1964, S. 168 30 abiotischen (Klima) und biotischen Umweltfaktoren (Nahrung) bedingt. Die genaue Kenntnis der ökologischen Ansprüche und Präferenzen der Laufkäfer-Arten ist für eine natürliche Schädlingsbekämpfung von Bedeutung. DUNGKÄFER 26, 27 Zu den Blatthornkäfern (Scarabaeidae) gehören die Dungkäfer, Mistkäfer, Pillendreher, Maikäfer, Junikäfer, Nashornkäfer, Hirschkäfer und Rosenkäfer. In Mitteleuropa sind 200 Arten aus dieser Käferfamilie bekannt. Sie unterscheiden sich durch die blattartig verbreiterten Fühlerspitzen von anderen Käfergruppen. Außerdem haben alle Blatthornkäfer eine typische Larvenform (Engerling) und eine ähnliche Lebensweise. So ernähren sich alle Larven von Pflanzenteilen in der Erde (von Wurzeln, Laub bis Dung- was der Säugermagen an Pflanzenresten eben noch übrig ließ). Aufgrund der starken Krümmung des Körpers und mit ihren kurzen Beinen können sie sich nur schlecht laufen. Die Entwicklung dauert in der Regel mehrere Jahre. In vielen Fällen kann man von Brutfürsorge oder Brutpflege sprechen. Mistkäfer (Geotrupidae) graben Gänge unter der Erde und schaffen in bis zu 60 cm tief gelegene Brutkammern Kotballen von Kuh- und Pferdemist. In diesen Kot legt das Weibchen je ein Ei. Sobald die Larven schlüpfen, ernähren sie sich davon 28. Abb. 26: Dungkäfer 26 Zahradník, J., Chvála, M.: Insekten. Handbuch und Führer der Insekten Europas. Bechtermünz Verlag, Augsburg, 1997, ISBN 3-86047-738-2 27 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.273ff., Buch- Nr. 19047 0 (5) 28 Hohberg, K., Xylander, W.: Unter unseren Füßen. Ein Begleiter durch die Wanderaustellung des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz, 2004, S. 24 31 Die erwachsenen Tiere sind oft geschlechtsspezifisch groß (Geschlechtsdimorphismus). Alle können fliegen und besitzen auffällig farbige, z.T. metallisch glänzende Deckflügel. Durch Stridulation (Lautäußerung) können sich einige verständigen, denn sie hören mit Hilfe eines sogenannten Tympanalorgans, eines hinter dem Kopf gelegenen luftgefüllten Hohlraum zur Messung des Schallwechseldrucks. Während die Larven blind sind, haben die Imagines der Scarabaeidae leistungsfähige Komplexaugen. Alle riechen zusätzlich ihre Nahrungsquellen und Sexualpartner mit Hilfe von Sensillen (Chemorezeptoren) an den blattartig verbreiterten Fühlern. Abb. 27: Die blattartig verbreiterten Fühlerspitzen kennzeichnen Dungkäfer. BEDEUTUNG: Frischpflanzenfresser und deren Larven (Mai- u. Junikäfer) sind Schädlinge unserer Nutzpflanzen, andere Arten sind Nutzlinge. Sie haben eine große Bedeutung im Stoffkreislauf der Natur: Sie recyclen Laub- und Totholzbestände. Abb. 28: Mistkäfer beim Rollen von Kotkugeln 32 MARIENKÄFER Weltweit gibt es 4500 verschiedene Marienkäfer-Arten29. In Deutschland ist vor allem der Siebenpunkt Coccinella septempunctata (Linnaeus 1758) unter den Trivialnamen Marienkäfer, Glückskäfer, Sonnenkalb30 und (sächsischer Mundart: Motschekiebchen) bekannt. Obwohl er kein typischer Boden- sondern ein Wiesenbewohner ist, soll er hier vorgestellt werden. Körperbau: Der mit roten, seltener auch gelben Deckflügeln und den sieben schwarzen Punkten jedem Kind bekannte rundliche Marienkäfer Coccinella septempunctata ist 5-8 mm groß. Durch die Anzahl der Punkte auf diesen Flügeln kann man die verschiedenen Arten bestimmen 31: Siebenpunkt, Zweipunkt-, 13-Punkt-, 14-Punkt-, 22-Punkt-, Augenmarienkäfer. Alle Marienkäfer haben eine mehr oder wenige halbkugelige Gestalt. Die meisten sind flugfähig Marienkäfer tragen kurze Fühler mit keulenförmigen Enden. Sie sind in der Lage, ihre Beute optisch wahrzunehmen32. Fortpflanzung: Der Siebenpunkt ist fast überall anzutreffen. Das Weibchen legt im Durchschnitt 800 Eier an die Blattunterseite in der Nähe von Blattlauskolonien. Aus den Eiern schlüpfen nach einer Woche kleine graue Larven, mit rot- orangenen Flecken versehen, die bereits zwischen 4003100 Blattläuse pro Individuum33 vertilgen. Nach 3-6 Wochen verpuppt sich die Larve auf einem Blatt. Nach 1-2 Wochen Puppenruhe schlüpft der Käfer34. Marienkäfer sind durch ihre recht auffällige Färbung eine leichte Beute für alle Insektenfressenden Tiere, wie Vögel, Frösche, Eidechsen35. Der adulte Marienkäfer produziert aber gelbliche Wehrsekrete (sog. 29 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 30 Jakobs, Renner (Hrsg.) Bellmann, Honomichl: Biologie und Ökologie der Insekten. ein Taschenlexikon. Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München, 2007, 4. Auflage, S.149, ISBN 978-3-8274-1769-5 31 Reichenholf, Steiner (Hrsg.): Die große Enzyklopädie der Insekten.Bd.2. Mosaik Verlag München, 1994, S. 71, ISBN 3-576-10460-7 32 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 33 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 34 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 35 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000,S.312, Buch- Nr. 19047 0 33 Hämolymphegifte36 Prococcinellin, Adalin u. a.), die aus den Kniegelenken austreten (Reflexbluten). Bei Störungen lassen sie sich die Tiere einfach fallen und stellen sich tot. ARTENINFORMATIONEN: Zweipunkt Adalia bipunctata (Linnaeus 1758): klein, sehr häufig, starke Farbvariationen (schwarz oder rot), Nahrung: Blattläuse, aber auch zuweilen an Pflanzen fressend 13-Punkt-Marienkäfer Hippodamia tredecimpunctata (Linnaeus 1758): bis 7mm groß, auf nassen und feuchten Wiesen, Überwintern, Nahrung: Blattläuse 14-Punkt-Marienkäfer Propylaea quatuordecimpunctata (Linnaeus 1758): große Formenvielfalt, Gelbanteil stark reduziert, manche fast schwarz, häufiger Wiesenkäfer, Überwintern im Schutz der Bodenstreu, Nahrung: Blattläuse 22-Punkt-Marienkäfer: Psyllobora vigintiduopunctata (Linnaeus 1758): klein, gelbe Deckflügel mit kleinen schwarzen Punkten, auf Wiesen und an Waldrändern, frisst Schimmelund Mehltaupilze Augenmarienkäfer Anatis ocellata (Linnaeus 1758): größter einheimischer Marienkäfer (bis 10 mm), erkennbar an den Punkten am Halsschild, in Nadelwäldern, Überwintert in der Nadelstreu, Nahrung: Blattläuse Bsp. für Biologische Schädlingsbekämpfung: Der australische Marienkäfer Rodolia cardinalis (Mulsant 1851) wurde 1889 erfolgreich zur Bekämpfung des Citrus-Plantagen-Schädlings Icerya purchasi (Maskell 1878) in Kalifornien eingebürgert, fraß diese aus Australien stammende Orangenschildlaus und rettete so viele Ernten37. Abb. 29: Augenmarienkäfer Anatis ocellata 36 Dettner, Peters (Hrsg.): Lehrbuch der Entomologie. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin, 2003, 2. Auflage, S. 580ff. ISBN 3-8274-1102-5 37 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000, S.312, Buch- Nr. 19047 0 34 Abb. 30: Marienkäfer Coccinella septempunctata 35 AMEISEN Ameisen gehören, wie die Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen, zu den staatenbildenden Hautflüglern. Allerdings besitzen nur die schwärmende Königin und die Männchen häutige Flügel. Es gibt weltweit 20.000, in Europa etwa 200 Arten. Körperbau: Ameisen haben einen typischen Körperbau, so dass man sie von anderen Insekten leicht unterscheiden kann. Am Kopf tragen sie gegliederte Fühler, Komplexaugen und kräftige, zangenförmige Mundwerkzeuge. Die Fühler enthalten verschiedene Sinneszellen, mit denen die Ameise hört, Feuchtigkeit und Geruch wahrnehmen kann. An der Brust inserieren die gegliederten 6 Laufbeine und die ersten beiden Segmente (Abschnitte) des unbehaarten Hinterleibes sind zu Knoten umgewandelt. So wird der Brustteil vom Hinterleib durch 2 Knoten getrennt. Der Hinterleib enthält den Kropf, Darm, Wehr-(Gift-) -drüsen und bei den Geschlechtstieren Keimdrüsen. Abb. 31: Ameisen am Ausgang ihres Erdnestes Fortpflanzung: Der typische Ameisenstaat umfasst oft mehrere Millionen Individuen: Die unfruchtbaren Weibchen (Arbeiterinnen bzw. Soldatinnen), Königinnen und Männchen. Die Männchen begatten die Jungköniginnen während des Hochzeitsfluges und sterben danach. Ihre Oberkiefer sind reduziert und sie können keine Nahrung aufnehmen. Die Königin legt befruchtete Eier, während die Arbeiterinnen die Brutpflege übernehmen. BEDEUTUNG: 38 Ameisen haben eine große ökologische Bedeutung. Sie jagen Insekten und andere Wirbellose auf dem Boden, aber auch bis in die Kronen der Bäume und vertilgen dabei viele 38 Bretz, D.: Ameisen, aus Praxis der Naturwissenschaften. Biologie in der Schule. Heft 6/51, Jg.2002, Aulis Verlag Deubner, Köln und Leipzig 36 Schädlinge. Als Futter verwerten Ameisen außerdem Tierkadaver. Viele Arten (z. B. die heimischen Wald-, Weg- und Knotenameisen) halten, pflegen und schützen Pflanzensaft saugende Tiere wie Blatt-, Rinden- und Wurzelläuse, um sich vom „Honigtau“, einer zuckerhaltigen Ausscheidung dieser Tiere, zu ernähren. Die Glänzendschwarze Holzameise (Lasius fuliginosus) hält sich in ihrem kunstvollen Kartonnest den Pilz Cladosporium myrmecophilum. Waldmeisen haben einen großen Anteil an der Verbreitung von Pflanzensamen, die ihnen die Pflanzen durch spezielle nahrhafte „Organe“, die Elaiosome, schmackhaft machen. Die Elaiosome werden gefressen, die Samen bleiben liegen und z. B. Schöllkraut, Waldveilchen oder Lerchensporn können keimen. Im Nestbereich graben Ameisen den Boden stark um und verbessern dadurch die Bodenstruktur. Sie minieren Totholz und schaffen so eine größere Angriffsfläche für die weitere mikrobielle Zersetzung. In ihrem Nest beherbergen Ameisen viele andere Gliederfüßer wie Spinnen, Tausendfüßer, Urinsekten, Käfer, Schmetterlinge und Fliegen. Einige wohnen im Nest ohne Kontakt, zu den Ameisen zu haben (z. B. Rosenkäferlarven), andere stehen in enger Beziehung zu ihren Wirten (z. B. Kurzflügelkäfer) oder sind Räuber (z. B. Vierpunktkäferlarve). Einigen Tieren dienen Ameisen als Nahrung (z. B. Ameisenlöwen). Abb. 32: Die ökologische Bedeutung von Ameisen Die Beobachtung und Haltung von Ameisen in so genannten Formicarien ist auch in der Schule möglich. Formicarien sind spezielle Terrarien zur Haltung von Ameisen. Zahlreiche Internetseiten erläutern die Haltung in bezugsfertigen Formicarien, aber auch die Herstellung aus sehr unterschiedlichen Materialien. 37 ARTENINFORMATIONEN: Ameisen auf Wiesen:39 Die Ameisenart Tetramorium caespitum (Linnaeus 1758) besiedelt offene, warm-trockene Habitate, auch in Siedlungsbereichen. Ihre Nester können sehr individuenreich sein (bis zu 31.000 Arbeiterinnen) und sind oft an einem großen Erdhaufen zu erkennen. Auffallend ist der erhebliche Größenunterschied zwischen Königin und Arbeiterinnen. Tetramorium caespitum verhält sich gegenüber anderen Ameisen sehr aggressiv, vor allem gegenüber Angehörigen der gleichen Art aus fremden Kolonien. Die Färbung von Tetramorium caespitum variiert von hellem rotbraun bis schwarz. Myrmica rubra (Linnaeus 1758) Die Rote Gartenameise ist weit verbreitet, besonders in Gärten. Ihr Körper ist rötlich, der Kopf meist dunkler. Myrmica rubra mag es feucht. Die Königinnen befinden sich im Freiland meist an der Nestoberfläche. Sie ernähren sich von Honigtau und kleine Insekten. Ihre Erdnester befinden sich z. B. unter Steinen, Blumentöpfen oder in morschem Holz. Sie halten von Ende September - März Winterruhe. Sie schwärmen ab Ende August. Tab. 2: (Körper-)Größen von Myrmica rubra Arbeiterinnen: 4-6 mm Königinnen: 6,5-7,5 mm Männchen: 4-6 mm Lasius niger (Linnaeus 1758) lebt vorwiegend in Erdnestern mit bis zu 30 cm hohen Erdhügeln, oft auch unter Steinen und zwischen Gräsern. Die Art ist sehr weit verbreitet, vorwiegend an nicht zu trockenen Orten, z. B. an Waldrändern, auf Wiesen und in Gärten. Ihr Körper ist dunkelbraun bis schwarzbraun gefärbt mit dichter, silbriger Behaarung. Lasius niger betreibt Blattlauszucht, z.B. auf Rosen, kleinen Obstbäumen, Holunder oder Johannisbeeren. Ameisen im Wald: Formica rufa (Linnaeus 1761) Die Rote Waldameise errichtet ihre auffallenden Hügelbauten am liebsten in lichten Wäldern, besonders in Nadelwäldern. Am Kopf und am Abdomen sind sie schwarz, Thorax rötlich. Männchen und Königin erreichen eine Größe bis zu 11 mm, Arbeiterinnen 4-9 mm. Wegen ihrer Nützlichkeit genießen sie einen guten Ruf. Tatsächlich erbeuten die Arbeiterinnen vor allem Insekten und überwältigen in Gruppen dabei auch recht große Beutetiere. Dadurch sind sie bei der Regulation von Forstschädlingen außerordentlich hilfreich. Sie sind sehr wehrhaft. Formica rufa kann Ameisensäure versprühen 39 URL: http://www.ameisenhaltung.de/artenverzeichnis 30.04.09 38 Formica rufa gilt nach der Roten Liste als gefährdet und ist gem. § 42 BNatSchG unter besonderen Schutz gestellt. Formica sanguinea (Latraille 1798) Die Blutrote Raubameise organisiert in den Sommermonaten Raubzüge zu Nestern ihrer Hilfsameisen (Serviformica-Arten). Ein Teil der dabei geraubten Puppen schlüpfen im Nest der Raubameise und dienen als Sklaven, welche überwiegend im Inneren des Nestes tätig sind. Je nach der Art der Hilfsameisen, welche im Umfeld der Räuber nisten, können auch Soldaten der Sklaven der Raubameise "dienen". Auch das Nest der Sklavenräuber wird je nach Sklavenart unterschiedlich gestaltet. Formica sanguinea kann auch ohne Sklaven leben. Ihr Kopf ist dunkelrot bis schwarz, der Thorax und Beine rot gefärbt. Das Kopfschild hat am unteren Rand eingebuchtet. Formica pratensis (Retzius 1783) liebt Licht, Wärme und Trockenheit und baut Hügelnester aus grobem pflanzlichem Material, z. B. Tannennadeln. Diese sind aber meist flacher als die Nester anderer Waldameisen (z. B. Formica rufa) und kommen oft auf Wiesen vor. Die Koloniegründung erfolgt sozialparasitisch, meist bei Formica cunicularia. Die Färbung von Formica pratensis ähnelt der von Formica rufa, ist jedoch dunkler. Formica pratensis ist gem. § 42 BNatSchG unter besonderen Schutz gestellt. Camponotus herculeanus (Linnaeus 1758)40 Diese riesigen, zu den größten Ameisen Europas gehörenden Tiere sind sehr wehrhaft und können mit einem Biss Waldameisen "köpfen", greifen den Menschen aber nur bei Störung des Nestes an. Sie sind tag- und nachtaktiv und nisten vorzugsweise unter Holz oder unter Steinen. Sie sind bis auf den Brustabschnitt (braun) schwarz gefärbt. Tab. 3: (Körper-)Größen von Camponotus herculeanus Arbeiterinnen: 14-16 mm Königinnen: 6-13 mm Männchen: 8-12 mm Abb. 33: Ameisenhügel 40 Seifert, B.: Ameisen beobachten, bestimmen. Naturbuch Verlag, Augsburg, 1996, ISBN 389440-170-2 39 HUMMELN Die Hummeln (Gattung Bombus) gehören zu den Hautflüglern. Ihr deutscher Name leitet sich vom brummenden Fluggeräusch ab. Weltweit sind 400-500, in Mitteleuropa 36 Arten bekannt. Abb. 34: Hummeln saugen an Blüten Körperbau: Ihr rundlicher, dicht behaarter Körper in Gelb-Schwarz-Tönen dient als Erkennungsmerkmal. Die Unterscheidung der Arten ist für den Laien ein Problem, da Farbvariationen auftreten können, jedoch spielt das für ein Schulkind eine untergeordnete Rolle. Sie sollten jedoch wissen, dass der ursprüngliche Legeapparat an der Spitze ihres Hinterleibes zu einem Stechapparat umgebildet ist und hochwirksame Gifte erzeugt werden, die beim Stich starke Schmerzen hervorrufen. Hummeln stechen allerdings nur, wenn sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden41. Hummeln besitzen leckend-saugende Mundwerkzeuge, mit denen sie Nektar aus Blüten aufsaugen. Hummeln können ihre Körpertemperatur durch Muskelzittern regulieren. Bei einer Außentemperatur von 6°C erhöhen sie ihre Körpertemperatur innerhalb von 17 Min. auf 24°C und erreichen in einer (!) weiteren Minute 37°C. Dann haben sie ihre optimale Flugtemperatur 42. Fortpflanzung: Eine Hummelkönigin verlässt im Frühjahr (März/ April) ihr Überwinterungsquartier im Boden. In Erdhöhlen, z. B. einem verlassenen Kleinsäugerbau, legt sie einen Honigtopf aus Wachs als Futterreserve an. In ein Pollen-Wachs-Gemisch legt sie die ersten Eier und 41 Dettner, Peters (Hrsg.): Lehrbuch der Entomologie. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin, 2003, 2. Auflage, S. 639. ISBN 3-8274-1102-5 42 Reichenholf, Steiner (Hrsg.): Die große Enzyklopädie der Insekten.Bd.2. Mosaik Verlag München, 1994, S.110f., ISBN 3-576-10460-7 40 bebrütet sie. Die Königin füttert die Larven mit Pollen und Honig und verlässt das Nest. Wenn die ersten Larven sich verpuppen, wird bereits ein neues Eipaket abgelegt. Die ersten Arbeiterinnen sind etwas kleiner als die Königin. Sie schlüpfen und übernehmen die Brutpflege, das Sammeln und den Nestbau. Dazu scheiden die Königin und die Arbeiterinnen aus Wachsdrüsen an der Ober- und Unterseite ihres Hinterleibes dünne Wachsblättchen ab. Leere Puppenkokons werden mit Honig gefüllt. Im Sommer umfasst ein Hummelnest je nach Art mehrere hundert Arbeiterinnen. Bevor die Königin stirbt, werden Geschlechtstiere (neue Königin und die männlichen Drohnen aus unbefruchteten Eiern) aufgezogen. Die Jungkönigin verlässt mit den Drohnen das Nest und wird von einer Drohne auf dem Erdboden oder auf einem Blatt begattet (nicht wie Bienen im Flug). Im August / September, wenn sich die Jungkönigin ein schützendes Winterquartier in Moospolstern, unter Wurzeln oder im Erdreich sucht, sind die Drohnen und später auch die Arbeiterinnen gestorben 43. Hummeln haben eine große Bedeutung bei der Befruchtung von Pflanzen mit langen Blütenkelchen (Schmetterlings-, Lippenblütengewächsen). Sie fliegen auch bereits bei Temperaturen, bei der andere Hautflügler noch nicht bzw. nicht mehr unterwegs sind. ARTENINFORMATIONEN 44: Die Wiesenhummel Bombus pratorum (Linnaeus 1761) ist überwiegend schwarz gefärbt, trägt an der Brust und am zweiten Ring des eigentlichen Hinterleibes eine gelbe Binde. Die Spitze des Hinterleibes ist rot behaart. Die Dunkle Erdhummel Bombus terrestris (Linnaeus 1758) hat eine schwarze Behaarung mit je einer gelben Binde auf dem Brustteil und dem Hinterleib. Die Spitze des Hinterleibes ist weiß behaart. Die Steinhummel Pyrobombus lapidarius (Linnaeus 1758) ist schwarz gefärbt bis auf ein karminrotes Hinterende. Die Ackerhummel Bombus pascuorum (Scopoli 1763) ist kleiner als die vorherigen (bis 15 mm). Sie hat einen gelbroten Brustteil (Thoraxrücken) und der Hinterleib ist dunkelgrau mit gelbroter Hinterleibsspitze. Die Waldhummel Bombus sylvarum (Linnaeus 1761) hat eine hellbraune Brust, bis auf einen schwarzen Streifen in der Mitte. Der Hinterleib ist schwarz, läuft aber an den Rändern seitlich hellgelb aus, die Spitze des Hinterleibes ist rot. 43 Günther, K. u.a.: Urania Tierreich Insekten. Die große farbige Enzyklopädie. Urania Verlag Berlin, 2000, S.462ff., Buch- Nr. 19047 0 44 Bellmann, H.: Bienen, Wespen, Ameisen. Hautflügler Mitteleuropas. Kosmos Verlag Stuttgart, 2005, 2. Auflage, S. 305ff. und URL: http://www.wildbienen.de/info-wb.htm am 09.04.2010 41 WIRBELTIERE DES BODENS Der Anteil der im Boden lebenden Wirbeltiere, gemessen an der Individuenzahl der Wirbellosen, ist verschwindend gering. Mit der Artenkenntnis der meisten Schüler verhält es sich umgekehrt. Im Boden sind Lurche, Reptilien, Vögel und Säugetiere zu finden. Der Boden wird zur Überwinterung, zum Brüten und als Lebensraum genutzt. LURCHE In der BRD kommen insgesamt 21 Amphibienarten vor, die zu den Schwanzlurchen (sieben Arten, Molche und Salamander) und Froschlurchen (14 Arten, Frösche, Kröten, Unken) gehören45. Charakteristisch für Amphibien ist ihre Lebensweise zwischen Wasser und Land. Die Amphibien (Lurche) sind Wirbeltiere mit drüsenreicher, nackter, glatter bis warzenreicher Haut. Hautdrüsen sorgen stets für eine feuchte Körperoberfläche und sondern Giftstoffe ab. Erwachsene Schwanzlurche haben einen langgestreckten Körper und 4 gleichgroße, kurze Gliedmaßen. Im Gegensatz dazu haben Froschlurche lange Hinterbeine (Froschschenkel!) und kürzere Vordergliedmaßen. Bis zu drei Mal pro Jahr sind viele Amphibienarten auf Wanderschaft: zu den Laichgewässern, ins Sommer- und ins Winterquartier. Der Aktionsradius der verschiedenen Arten kann lediglich 20 Meter, aber auch mehrere Kilometer groß sein. Die Landlebensräume der meisten Amphibien müssen eine gewisse Feuchtigkeit aufweisen. Im Frühling und Frühsommer wandern die erwachsenen Tiere zu ihren Heimatgewässern, verpaaren sich und legen ihren Laich ab. Als Laichgewässer dienen Weiher, Teiche und Tümpel, Pfützen, Gräben oder langsam fließende Bachabschnitte. Amphibien produzieren große Mengen an Eiern, die einen ausreichenden Fortpflanzungserfolg garantieren, denn sowohl Eier als auch Larven haben viele Fraßfeinde. Der Laich wird von Fischen, Enten und erwachsenen Molchen, die Kaulquappen von Libellenlarven, Gelbrandkäfern, Molchen, Reptilien, Fischen und Vögeln gefressen. Jungtiere und erwachsene Amphibien werden Opfer von Vögeln (z. B. Störche, Graureiher, Bussard, Weihen), Säugetieren (z. B. Igel, Iltis, Wasserspitzmaus) und Reptilien (Kreuzotter, Ringelnatter). Typisch für die Entwicklung der Amphibien ist ihre Metamorphose vom befruchteten Ei über die kiemenatmende, wasserlebende Kaulquappe, zum lungenatmenden, landbewohnenden erwachsenen Tier. Einige Amphibien betreiben Brutpflege. Amphibien sind wechselwarme Tiere, deren Körpertemperatur weitgehend von der Außentemperatur abhängig ist. Ihre Aktivitäten sind an Zeiten und Standorte mit ausreichender Feuchtigkeit gebunden. Im Winter, wenn eine gewisse Temperatur unterschritten wird, fallen die Tiere in Kältestarre. Lurche leiden ganz besonders unter Lebensraumverlusten, da sie reich strukturierte, vernetzte Lebensräume benötigen. Bei ihren Wanderungen zwischen 45 Bundesamt für Naturschutz, Cornelia Schütz (2009) URL: http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/infosanzeigen.php?z=Tierart&code=d110 &lang=de am 20.01.2010 42 Landlebensraum und Laichgewässer sind sie vom Straßenverkehr besonders bedroht. Bevorzugte Landlebensräume der Amphibien sind Baumbestände, Laubmischwälder, Hecken, Gehölzgruppen und Gebüsche (Springfrosch, Feuersalamander, Fadenmolch, Erdkröte, z. T. Grasfrosch, Bergmolch), Gebiete mit hohem Grundwasserstand, z. B. sumpfiges Grünland, Niedermoore, Bruch- und Auwälder (Moorfrosch, Rotbauchunke, Laubfrosch, z.T. Grasfrosch), Gebiete mit lockerem Boden, der sich zum Graben eignet (Knoblauchkröte, Kreuzkröte) oder vegetationsarme Flächen sowie Ruderalflächen (Kreuzkröte, Wechselkröte, Geburtshelferkröte, Gelbbauchunke). Einige überwintern im Laichgewässer (z. B. Grasfrösche), die meisten suchen sich jedoch ein Überwinterungsversteck, beispielsweise unter Steinen, Holzhaufen, Laub, Erdlöchern etc. Sinkt die Temperatur unter eine gewisse Grenze, fallen die Tiere in Kältestarre. Einige Arten leben fast das ganze Jahr am Laichgewässer (Laubfrosch, Geburtshelferkröte, Unken)46. Rote Listen zeigen die Gefährdung der Amphibien in der BRD: 16 von 21 Lurcharten sind gefährdet, zwei davon sind "Vom Aussterben bedroht" (Rotbauchunke und Alpenkammmolch), 5 sind "stark gefährdet". Die Individuenzahlen der Populationen gehen stark zurück. Wandernde Lurche werden auf ihrem Weg zwischen Laichgewässer und Sommer- oder Winterquartier auf vielbefahrene Straßen überfahren. Die unterschiedlichsten Maßnahmen wie Gewässerverschmutzung und verbauung, Entwässerung von Feuchtgebieten, Zuschütten von Laichgewässern und Belastungen durch Düngung, Pestizid-Einsatz und sauren Regen können Einfluss auf Amphibienlebensräume haben. Eine Gefahr stellt auch der Angelsport dar. Sobald Laichgewässer durch den Einsatz von Fischen zu Fischteichen werden, erbeuten die Fische Laich und Kaulquappen. Geschützt werden können die Amphibien durch die Sicherung und Neuanlage von Laichgewässern, dem Erhalt naher Sommer- und Winterquartiere mit artenreichen Wald- und Gehölzbeständen, eine extensive Landwirtschaft im Bereich der wandernden Amphibien und Amphibienschutzzäune an Straßen. Flachwasserzonen müssen erhalten bleiben, die Ufer- und Wasservegetation sollte nicht überall entfernt werden und über den Winter muss ein gewisser Wasserstand garantiert sein. 46 Bundesamt für Naturschutz, Cornelia Schütz (2009) URL: http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/infosanzeigen.php?z=Tierart&code=d110 &lang=de am 20.01.2010 43 Abb. 35: Grasfroschpaar Rana temporaria 44 REPTILIEN 47 Reptilien findet man entsprechend ihrer Lebensraumansprüche in offenen bis halboffenen Trockenstandorten (Aspisviper, Smaragd-, Mauer- und Zauneidechse, Schlingnatter, Äskulapnatter), in relativ kühlen und feuchten Lebensräume wie Wälder, Moore und Gebirge (Waldeidechse, Blindschleiche, Kreuzotter, Ringelnatter) oder auch an Gewässern (Würfelnatter, Sumpfschildkröte, Ringelnatter, Zauneidechse) mit windgeschützten Sonnenplätzen, Versteckmöglichkeiten, Paarungs- und Eiablageplätzen, Jagdrevieren und Überwinterungsquartieren. Die Haut der Reptilien ist drüsenlos und von Hornschuppen oder einem Panzer bedeckt. Schuppen und Panzer dienen dem Verdunstungsschutz und ermöglichen ein vom Wasser unabhängiges Leben. Da die starre Reptilienhaut nicht mitwächst, müssen sich die Tiere von Zeit zu Zeit häuten. Reptilien sind lungenatmende Landwirbeltiere. Sie sind tagaktiv und wechselwarm, ihre Körpertemperatur ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Schlangen und Blindschleichen bewegen sich kriechend fort, viele sind gute Kletterer. Die meisten Reptilien beanspruchen eigene Reviere. Reptilien pflanzen sich durch Eier fort. Diese legen sie meist in selbstgegrabene Erdlöcher oder verrottendes Substrat ab und verlassen das Gelege. Durch Sonnenschein oder die Verrottungswärme werden die Eier dann " ausgebrütet". Im Winter, bei Kälte und knapper Nahrung, suchen die Tiere ein Versteck auf und halten Winterruhe. Zum Sonnen suchen Reptilien sich schnell erwärmende Orte, z. B. trockenes Holz, vegetationsfreie Stellen, Gesteinshaufen und Felsen, Haufen aus trockenem Gras oder Laub. Zum Überwintern verstecken sie sich im Wurzelbereich von Bäumen, Erdlöcher, Felsspalten, Hohlräume unter Steinplatten und totem Holz oder Kleinsäugerbauten. Einige Arten graben auch Höhlen. Die Europäische Sumpfschildkröte überwintert am Gewässergrund oder gräbt sich an Land ein. Reptilien werden von Vögeln (z. B. Falke, Krähe, Würger, Reiher) und Säugetieren (z. B. Ratte, Igel, Wiesel, Fuchs, Dachs, Katzen) gefressen. Die Reptilienbestände sind in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Seit 1980 sind alle Reptilienarten in der Bundesartenschutzverordnung § 1 enthalten und stehen unter besonderem Schutz (Bundesnaturschutzgesetz § 42). Ursachen sind in der Intensivierung der Landwirtschaft, dem Zuwachsen ehemals extensiv genutzter Biotope, der Zerstörung von Strukturen in der Landschaft und die Aufforstung von brachliegenden Flächen ebenso wie die Nutzung der Lebensräume durch Freizeitaktivitäten, z. B. Klettersport. 47 Bundesamt für Naturschutz, Cornelia Schütz (2009) http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/infosanzeigen.php?tierart=Reptilien&z=Ti erart&code=d100&lang=de am 20.01.2010 45 Man kann im Garten Lebensräume und Winterquartiere für Reptilien schaffen, indem man Komposthaufen, Trockenmauern, Lesesteinhaufen, sonnige Holzstapel und ‚verwilderte‘ Bereiche anlegt. Der Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel erhöht die Chancen, dass die Reptilien sich ansiedeln. Abb. 36: Zauneidechse Lacerta agilis, Weibchen 46 VÖGEL 48 Vögel nutzen den Boden zur Nahrungssuche, Jagdrevier und zur Fortpflanzung. Im Wald (z. B. Auerhuhn, Haselhuhn, Waldlaubsänger, Waldschnepfe), auf Wiesen und Feldern (z. B. Feldlerche, Rebhuhn, Wachtelkönig, Braunkehlchen), an Flussufern (z. B. Flussseeschwalbe, Lachmöwe, Enten), in Dünen (Möwen, Enten, Gänse), in Röhrichten (z. B. Korn-, Rohr- und Wiesenweihe), in Gehölzstrukturen wie Hecken oder Windwurfflächen (z.B. Goldammer, Neuntöter), und in menschlichen Siedlungen, z. B. in Gärten (z. B. Amseln, Goldammer) brüten Vögel auf dem Boden. Bei Bodenbrütern ist eine perfekte Gefiederfärbung zur Tarnung sowohl bei den Jungtieren als auch bei den Erwachsenen notwendig. Untersuchungen haben ergeben, dass die größten Verluste den Bodenbrütern nicht tagaktive Raubvögel zufügen, sondern nachtaktive Säuger wie Fuchs und Wildschwein. Im Laufe der Jahrhunderte andauernden Anpassung an ihre Feinde („Koevolution“) haben Bodenbrüter erfolgreiche Strategien entwickelt, um die Brutverluste auszugleichen, die ihnen ihre Feinde zufügen. Bestände kommen nur aus dem Gleichgewicht, wenn weitere Faktoren die Populationen beeinträchtigen. Beispiele hierfür sind der Nährstoffhaushalt (Landschaft), das Klima, die Höhe des Grundwasserstandes, die Landnutzung und das daraus resultierende Nahrungsgefüge und vor allem die Häufigkeit von Kleinsäugern (Mäuse). In guten Mäusejahren fressen Füchse vornehmlich diese und nicht Bodenbrüter. Die Fortpflanzungsrate vieler Bodenbrüter jedoch zu gering, um die Populationen bei größeren Verlusten zu erhalten. Damit das Kulturland artenreich erhalten werden kann, existieren Hilfsprogramme, welche charakteristische und ökologisch wichtige Ziel- und Leitarten schützen. Brutgebiete sollten durch Wege und Straßen kaum zergliedert, moderat bewirtschaftet und menschlichen Freizeitaktivitäten nicht beeinträchtigt werden. Abb. 37: Weibliche und 48 männliche Amsel Bundesamt für Naturschutz, Joachim Jenrich (2009) http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/infosanzeigen.php?lang=de&datei=boden brueter&gruppecode=d12 am 20.01.2010 47 Säuger: MAULWURF 49, 50 Der Maulwurf gehört zu der Ordnung der Insektenfresser (Eulipotyphla, früher Insectivora). 40 Arten der Maulwürfe sind auf der Nordhalbkugel heimisch. Der europäische Maulwurf ist in ganz Europa (bis auf Irland, Island und in Gebirgen ab 2000 m Höhe) anzutreffen. Seine typischen Lebensräume sind Äcker, Wiesen und Wälder. Er meidet steinige, übersäuerte oder zu feuchte Böden. Der Name Maulwurf (Talpa europaea) Sein geht auf den Begriff „Molte = Erde“ zurück und bedeutet „Erdwerfer“. Der Maulwurf steht unter Naturschutz und darf nicht verfolgt werden. Maulwürfe leben vollständig unterirdisch, an diese Umgebung sind sie perfekt angepasst. Maulwürfe sind von 12-19 cm lang, wobei der Schwanz selten mehr als 3 cm misst. Er wiegt nur 50-140 g. Sein kleiner, walzenartiger Körper ist von einem grauschwarz-samtigen Fell umgeben. Alle Haare des Fells stehen senkrecht nach oben. Im dichten Fell sind die Augen und Ohren fast völlig verborgen. Die Ohren besitzen keine Ohrmuscheln und können mit einer Haut verschlossen werden. Der Maulwurf hört ausgezeichnet. Die Augen sind nur wenige Millimeter groß und von der Lidspalte fast ganz verschlossen. Sie besitzen eine geringe Sehkraft. Maulwürfe können nur hell und dunkel unterscheiden, optische Details nehmen sie nicht wahr. Sein Hauptsinnesorgan ist der empfindliche, kleine Rüssel mit welchem er sehr gut riechen und durch feine Tasthaare tasten kann. Tasthaare besitzt er auch am Schwanz. Bodenerschütterungen nehmen Maulwürfe sehr sensibel wahr. Der Kopf scheint durch den sehr kurzen Hals direkt mit dem Rumpf verbunden zu sein. Er besitzt 44 scharfe Zähne. Die Vordergliedmaßen sind zu kleinen Grabschaufeln umgestaltet, deren Innenflächen nach außen gedreht sind. Das Sichelbein ist dabei zum „sechsten Finger“ umgestaltet. Die Vordergliedmaßen werden durch sehr kräftige Muskeln unterstützt. Der Maulwurf bewegt Erdmassen vom 20-fachen seines Körpergewichtes. Er kann gut vorwärts wie rückwärts laufen, ist sehr beweglich und kann sich in den gegrabenen Gängen nach allen Seiten umdrehen. Einer „Sauerstoffschuld“ durch die Anreicherung von sehr viel Kohlendioxid in der Erde entgehen sie durch einen sehr hohen Hämoglobinanteil im Blut, so dass die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff stets gesichert ist. Der Maulwurf ernährt sich ausschließlich räuberisch, vor allem von Regenwürmern, kleinen Insekten, Larven, Lurchen aber auch von Mäusen und Spinnen. Sein Vorkommen lässt also auch Rückschlüsse auf eine reiche Bodenfauna zu. Sein täglicher Nahrungsbedarf entspricht in etwa seinem eigenen Körpergewicht. Längere Zeiten ohne Nahrung (>1 Tag) überlebt er nicht. Pro Jahr frisst er etwa 30 Kilogramm 49 URL: Maulwurf.html http://www.natur-lexikon.com/Texte/MZ/001/00065-Maulwurf/MZ00065- 50 Macdonald, David: Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Tandem Verlag, Königswinter, 2004, S. 750f., ISBN 3-8331-1006-6 48 (!) Nahrung, die zumeist aus Schädlingen besteht. Der tag- und nachtaktive Maulwurf patrouilliert in 3 bis 5 Stunden durch alle seine Gänge und jagt dort seine Beute. Als Wintervorrat werden vor allem Regenwürmer gefangen und deren Vorderende abgebissen, damit sie überleben, aber nicht fortkriechen können. Diese werden in einer kleinen „Vorratskammer“ gesammelt, wobei tote Regenwürmer keine Beachtung mehr finden. In einem Bau können bis zu 10 Speisekammern enthalten sein. Insgesamt wird dort oft mehr als 2 kg Nahrung gelagert. Das Winternest hat oft einen Durchmesser von fast einem Meter und wird mit Gras, Blättern und feinen Wurzeln weich gepolstert. Die unterirdischen Gänge können bis zu 200 m Länge aufweisen und schließen ein ringförmiges Belüftungssystem, Nestkammern und Ausweichnester ein. Die Nester liegen meist zwischen 50 cm und 80 cm unter der Erdoberfläche. Ihre Gänge werden mit Drüsensekreten markiert, um Eindringlinge abzuschrecken. Der Maulwurf kann bis zu 30 cm Gang je Minute graben. Maulwürfe sind sesshafte Einzelgänger, die ihre Gänge viele Jahre nutzen. Die Weibchen werfen ein- bis (selten) zweimal jährlich. Die typische Paarungszeit ist das Frühjahr. Nach einer Tragzeit von ca. 4 Wochen wirft das Muttertier bis zu 5 junge, nackte Maulwürfe. Junge Maulwürfe sind Nesthocker, öffnen nach 3 Wochen die Augen und werden die ersten 2 Lebensmonate gesäugt. Noch im selben Jahr erlangen die Jungen ihre Geschlechtsreife. Die Lebensdauer von Maulwürfen liegt bei 3 bis 5 Jahren. Unterirdisch haben sie nur wenige natürliche Feinde; über der Erde sind es vor allem Greifvögel, Füchse, Marder, Dachse etc. die ihnen nachstellen. Maulwürfe können gut schwimmen und sind dennoch wasserscheu; Hochwässer können Maulwurfbestände großflächig vernichten. Abb. 38: Maulwurf im Nest, NKM Frankfurt/Main Abb. 39: Maulwurf Talpa europaea Abb. 40: Skelett von Talpa europaea, Vordergliedmaße Abb. 41: Skelett von Talpa europaea, Aufsicht 49 FELDHAMSTER 51, 52 Hamster gehören zur Ordnung der Nagetiere (Rodentia). 24 Arten bewohnen große Teile Mittel-, Südost- und Osteuropas bis nach Asien. Die östlichste Verbreitungsgrenze ist der Fluss Jenissej in Sibirien. Der Feldhamster (Cricetus cricetus) ist ein typischer Bewohner der Feldlandschaft. Er benötigt Löß- und Lehmböden mit einer Schichtdicke von mindestens einem Meter und einem Grundwasserspiegel von höchstens 1,20 Meter. Abb. 42: Feldhamster Cricetus cricetus, NKM Frankfurt/Main Abb. 43: Schädel Feldhamster Cricetus cricetus, NWS Museum Wiesbaden Der in Deutschland einheimische Feldhamster hat eine Körperlänge von 20 bis 35 cm und einem Körpergewicht von 200-500 g. Er hat ein charakteristisches, buntes Fell. Der Rücken ist braun-gelblich. Die Schnauzenoberseite, die Augenpartien und das Halsband sind rotbraun. Weiß ist er an der Wange, Kehle, an den Pfoten und hinter dem Ohr. Am Bauch hat er schwarzes Fell. Zwischen den langen, gebogenen Schneidezähne und den Prämolaren befinden sich Hautfalten, die Backentaschen. In diesen „Hamsterbacken“ können große Nahrungsmengen in die unterirdischen Vorratskammern gebracht werden. Den Feldhamster kann man als Allesfresser bezeichnen. Er frisst u. a. Halme, Samen, Triebe, Knollen und Wurzelgemüse wie Möhren, Kartoffeln, Zuckerrüben, aber auch Wildkräuter wie Löwenzahn, Klee und Spitzwegerich sowie Kulturpflanzen 51 Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz (AGFHA), Olaf Godmann (2009), URL: http://www.feldhamster.de/biologie.html am 22.01.2010 52 Macdonald, David: Die große Enzyklopädie der Säugetiere. Tandem Verlag, Königswinter, 2004, S. 650f., ISBN 3-8331-1006-6 50 wie Kohlpflanzen und Getreide. Zu seiner Nahrung gehören auch Tiere: Regenwürmer, Engerlinge, Käfer, sogar Eidechsen und Kleinsäuger. Auf Jagd legt er Distanzen von 500-700 Metern zurück. Bis zum Winterschlaf, der im Oktober beginnt, sammelt er sich 2 bis 4 kg Wintervorrat an. Die Tiere, die nicht genügend Nahrung sammeln konnten, überleben den Winter nicht. Feldhamster schlafen nicht den gesamten Winter, sondern erwachen zwischendurch, um von ihren Vorräten zu fressen. Im Laufe des Winters werden die Schlafpausen immer länger. Während des Winterschlafes verlieren die Tiere trotz ihrer Vorräte etwa ein Drittel ihres Körpergewichtes. Ende März werden die Winterbaue wieder geöffnet und bald darauf beginnt die Paarungszeit. Nach einer Tragzeit von etwa 20 Tagen erfolgt die Geburt der 4 bis 12 nackten Jungen im Bau in einem weich ausgepolsterten Nest. Nach zwei Wochen öffnen sie ihre Augen und nach 17 Tagen unternehmen sie gemeinsam mit der Mutter erste Ausflüge außerhalb des Baues. Spätestens nach 30 Tagen verlassen sei das mütterliche Nest. Mit 2 ½ Monaten sind die Weibchen geschlechtsreif. Der zweite Wurf im Jahr überlebt durch die beginnende Erntesaison selten. In freier Natur wird ein Feldhamster in der Regel kaum älter als ein Jahr. Der Feldhamster flüchtet bei Gefahr durch die Fallröhre in seinen Bau. Er droht Angreifern mit Zischen und Knurren, das Aufrichten und Backenblasen lässt ihn größer erscheinen. Er warnt, indem er sich auf den Rücken legt und seinen schwarzen Bauch und seine weißen Pfoten zeigt. ‚So suggeriert er potentiellen Angreifern einen Raubtierrachen mit spitzen Zähnen. Seine natürlichen Feinde sind Greifvögel, Füchse und Marder. Die Bestände des Feldhamsters sind durch die zunehmende Flächeninanspruchnahme durch Straßen- und Siedlungsbau und die Intensivierung der Landwirtschaft (Flurbereinigung, Technisierung, Verarmung des Fruchtartenspektrums) gefährdet. Schutzmaßnahmen wären der Anbau von Luzerne- und Kleeflächen, breite Ackerrandstreifen von 5-6 m sowie späteres Umpflügen der Stoppelfelder. 51 52