Zulassungsprüfung Stochastik, 01.10.10

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Zulassungsprüfung Stochastik, 01.10.10
Wir gehen stets von einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P) aus. Die Borel
σ-Algebra auf Rn wird mit B n bezeichnet, das Lebesgue Maß auf Rn wird mit
λn bezeichnet.
Aufgabe 1 (18 Punkte)
Sei N = {1, 2, . . . } die Menge der natürlichen Zahlen. Für A ⊂ N sei µ(A) :=
∞
X
1
1
1A (n), also die Summe über alle
mit n ∈ A.
n
n
n=1
(a) S
Zeigen Sie, dass für paarweise disjunkte Mengen A1 , A2 , . . . und A :=
n∈N An gilt
∞
X
1An .
1A =
n=1
(b) Zeigen Sie mit Hilfe von (a), dass µ ein Maß auf P(N) ist.
Hinweis: Sie können ohne Beweis verwenden, dass für doppelt indizier∞
∞ X
X
aij =
te Folgen (aij )i,j∈N ⊂ (0, 1) nicht negativer reeller Zahlen
i=1 j=1
∞
∞ X
X
aij gilt.
j=1 i=1
(c) Bestimmen Sie alle Nullmengen bezüglich µ.
(d) Sei f : N −→ [0, ∞).
(i) Zeigen Sie, dass für alle k ∈ N gilt: f (k) =
(ii) Beweisen Sie:
Z
∞
X
f (n)
f dµ =
.
n
n=1
∞
X
n=1
f (n) · 1{n} (k) gilt.
Lösung
Zu (a)
1A (ω) = 1 ⇐⇒ ω ∈ A ⇐⇒ ∃1 i0 ∈ N : ω ∈ Ai0 ⇐⇒ 1Ai0 (ω) = 1, 1Ai (ω) = 0 für
∞
X
1An (ω) = 1Ai0 (ω) = 1.
alle i 6= i0 ⇐⇒
n=1
Zu (b)
S
µ(∅) = 0 ist klar. Seien A1 , A2 , · · · ⊂ N paarweise disjunkt und A := n∈N An .
Dann gilt
µ(A)
=
=
∞
∞
∞ X
∞
∞
X
X
1
1
(a) X 1 X
1A (n) =
1Ai (n)
1Ai (n) =
n
n
n
n=1
n=1 i=1
n=1
i=1
∞
∞
∞ X
X
X
1
1Ai (n) =
µ(Ai ).
n
i=1
i=1 n=1
|
{z
}
=µ(Ai )
1
Zu (c)
Sei A ⊂ N. Es gilt:
P
/ A für alle
µ(A) = 0 ⇐⇒
1A (n) n1 = 0 ⇐⇒ 1A (n) = 0 für alle n ∈ N ⇐⇒ n ∈
n∈N
n ∈ N ⇐⇒ A = ∅. Damit ist ∅ die einzige Nullmenge.
Zu (d)
∞
X
f (n)1{n} (k) = 1{k} f (k) = f (k).
(i) Für k ∈ N gilt
n=1
(ii) Sei fk :=
k
X
f (n)1{n} . Dann ist die Folge (fk )k∈N eine monoton steigende
n=1
Folge messbarer, nicht negativer Funktionen mit lim fk = f . Mit dem Satz von
k→∞
Z
Z
der monotonen Konvergenz folgt lim
fk dµ = f dµ und somit wegen
k→∞
∀k ∈ N :
Z
fk dµ =
k
X
n=1
f (n)µ({n}) =
k
X
n=1
f (n)
1
n
das Gewünschte.
Aufgabe 2 (18 Punkte)
Ein Produzent von PC-Festplatten hat durch umfangreiche Test festgestellt,
dass die Lebensdauer X einer Festplatte in Jahren exponential-verteilt ist mit
Erwartungswert vier Jahre.
(a) Bestimmen Sie die Standardabweichung σ und die Verteilungsfunktion von
X.
(b) Mit welcher Wahrscheinlichkeit funktioniert eine Festplatte länger als vier
Jahre?
(c) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass eine Festplatte mindestens
sechs Jahre lang funktioniert, vorausgesetzt sie funktioniert bereits fünf
Jahre lang.
(d) Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist die Lebensdauer X im Intervall [E(X)−
σ, E(X) + σ] enthalten?
(e) Während welcher Zeitdauer funktionieren 50 % der Festplatten?
(f) Geht während der Garantiezeit eine Festplatte kaputt, dann muss sie ersetzt werden. Welches wäre die optimale Garantiezeit um maximal 20 %
der Festplatten ersetzen zu müssen?
Lösung
Zu (a)
1
1
Aus den Angaben folgt X ∼ Exp(λ) wegen E(X) = sofort λ = , σ =
λ
4
4. Außerdem gilt für die Verteilungsfunktion F von X
(
1 − e−x/4 x ≥ 0
F (x) =
0
sonst .
2
r
1
=
λ2
Zu (b)
P(X ≥ 4) = 1 − F (4) = e−1 = 0, 37.
Zu (c)
P(X ≥ 6|X ≥ 5) =
e−1,5
= 0, 79.
e−1,25
Zu (d)
P(4 − 4 ≤ X ≤ 4 + 4) = F (8) − F (0) = 1 − e−2 = 0, 86
Zu (e)
P(X ≥ t) = 0, 5 ⇐⇒ e−t/4 = 0, 5 ⇐⇒ t = −4 ln 0, 5 = 2, 77.
Während 2,77 Jahren funktionieren 50 % der Geräte einwandfrei.
Zu (f)
P(X ≤ t) = 0, 20 ⇐⇒ 1 − e−t/4 = 0, 20 ⇐⇒ t = −4 ln 0, 8 = 0, 89.
Die Garantiezeit sollte 0,89 Jahre betragen.
Aufgabe 3 (18 Punkte)
Für einen Versicherungsnehmer mit Vertragsdauer t > 0 wird seine Schadenzahl
Nt in Abhängigkeit von t modelliert. Es wird angenommen, dass Nt ∼ Poi(λ(t))
gilt, mit λ(t) := ae−t , a > 0. In einem großen Versicherungsbestand wird angenommen, dass die Vertragsdauer T ∼ Exp(1) verteilt ist.
Sei N die Schadenzahl eines beliebigen Versicherungsnehmers des Bestands (also
ohne Kenntnis der Vertragsdauer).
(a) Bestimmen Sie E e−kT für k ∈ N.
(b) Bestimmen Sie E(N |T ) und Var(N |T ).
(c) Bestimmen Sie E(N ) und Var(N ).
(d) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Versicherungsnehmer mindestens einen Schaden meldet.
Hinweis: exp(−ae−t )′ = exp(−ae−t )ae−t .
Lösung
Zu (a)
Für k ∈ N gilt
E e
−kT
=
Z∞
e−(k+1)t dt =
1
.
k+1
0
Zu (b)
Es gilt E(N |T = t) = λ(t) = ae−t und Var(N |T = t) = λ(t) = ae−t und somit
E(N |T ) = ae−T ,
Var(N |T ) = ae−T .
Zu (c)
3
Mit dem Satz vom iterierten Erwartungswert gilt
E(N ) = E(E(N |T )),
Var(N ) = Var(E(N |T )) + E(Var(N |T )).
Somit folgt mit (a) und (b)
E(N )
=
Var(N )
=
=
=
=
a
2
Var(ae−T ) + E(ae−T )
a2 E(e−2T ) − a2 E(e−T )2 + aE(e−T )
1
1
1
a2 · − a2 · + a ·
3
4
2
a2
a
+
12 2
E(ae−T ) =
Zu (d)
Laut Annahme gilt P(N = 0|T = t) = exp(−λ(t)) = exp(−ae−t ). Somit folgt
P(N = 0)
=
Z∞
P(N = 0|T = t)e
−t
dt =
0
0
=
Z∞
1
(1 − e−a ).
a
exp(−ae−t )e−t dt
|
{z
}
1
exp(−ae−t )′
=a
1
Damit erhält man P(N ≥ 1) = 1 − P(N = 0) = 1 − (1 − e−a ).
a
Aufgabe 4 (18 Punkte)
Während der Fußball WM 2010 errang Krake Paul den Ruf eines Fußballorakels. Es sagte unter Anderem den Ausgang aller sieben Spiele der deutschen
Nationalmannschaft (Sieg oder Niederlage) richtig voraus.
(a) Angenommen der Krake Paul tippt zufällig.
(i) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er alle sieben Spiele richtig
tippt?
1
(ii) Wie beurteilen Sie die Hypothese p = , wobei p die Wahrscheinlich2
keit sei, dass Paul richtig tippt?
(b) Weltweit gab es einige „tierische Fußballexperten“ (z. B. Papagei Mani in
Singapur, pulpo Pepe in Spanien usw.).
(i) Angenommen n tierische Fußballexperten geben jeweils ihren Tipp
für sieben Fußballspiele zufällig ab (nur Sieg oder Niederlage). Wie
groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eines der n Tiere
alle sieben Spiele richtig tippt?
(ii) Wieviele Experten muss man am Anfang tippen lassen, damit mit
einer Wahrscheinlichkeit von wenigstens 90 % mindestens einer alle
sieben Spiele richtig tippt.
4
(c) Wie interpretieren Sie die Ergebnisse des Kraken Paul?
Lösung
Zu (a)
(i) Sei N die Anzahl der richtigen Antworten. Dann ist N ∼ B(n, p)-verteilt mit
n = 7 und p = 0, 5.
Somit gilt P(N = 7) = 0, 57 = 0, 78%.
(ii) Die Hypothese wird abgelehnt bis zum Niveau 0, 78%.
Zu (b)
(i) Sei M die Anzahl der Experten, die alle sieben Spiele richtig tippen. Dann
gilt M ∼ B(n, p) mit p = 0, 57 . Dann gilt
P(M ≥ 1) = 1 − P(M = 0) = 1 − (1 − 0, 57 )n .
(ii) Somit folgt P(M ≥ 1) ≥ 0, 9 ⇐⇒ 1 − (1 − 0, 57 )n ≥ 0, 9 ⇐⇒ n ≥
ln 0, 1
= 293, 6. Man muss mindestens 294 Experten befragen.
ln(1 − 0, 57 )
Zu (c)
Auch wenn Pauls Ergebnisse beeindrucken, können sie darauf zurückzuführen
sein, dass über die anderen Tiere mit weniger beeindruckenden Ergebnissen nicht
mehr berichtet wurde, also nur über erwünschte Ergebnisse berichtet wird.
1
mit θ > 0
Aufgabe 5 (18 Punkte) Seien X ∼ N (1, θ) und Y ∼ N 1,
θ
unabhängig. Es seien jeweils Stichproben vom Umfang n durch unabhängige
Realisierungen x1 , . . . , xn bzw. y1 , . . . , yn von X bzw. Y gegeben. Bestimmen
Sie einen Maximum-Likelihood-Schätzer für θ mit Hilfe beider Stichproben.
Lösung Wegen der Unabhängigkeit ist die Likelihood gegeben durch
" n
# " Y
#
n √
Y 1
θ
1
1 (xi − 1)2
2
√
√ exp − (yi − 1) θ
L(θ) =
·
exp −
2
θ
2
2π
2πθ
i=1
i=1
!
n
n
n
1 X (xi − 1)2
1X
1
exp −
−
(yi − 1)2 θ .
=
2π
2 i=1
θ
2 i=1
Somit folgt für ℓ := ln L
n
(xi − 1)2
+ (yi − 1)2 θ
θ
n 1 X (xi − 1)2
2
−
(y
−
1)
i
2 i=1
θ2
ℓ(θ)
= n ln(2π) −
ℓ′ (θ)
=
ℓ′′ (θ)
= −
1X
2 i=1
n
1 X (xi − 1)2
.
2 i=1
θ3
5
Aus der zweiten Gleichung ergibt sich durch Nullsetzen und Auflösen
v
uP
u n (x − 1)2
u
i
u
θ̂ = u i=1
n
tP
(yi − 1)2
i=1
und mit ℓ′′ folgt, dass in θ̂ ein Maximum vorliegt. Dies ist der gesuchte Schätzer.
6
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