Kapitel 4 (Folgen und Reihen)

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4
Folgen und Reihen
Eine zentrale Aufgabe der Analysis ist die Untersuchung von „Konvergenz“. Zur
Motivation betrachten wir die „Folge“ von rationalen Zahlen
1, 1/2, 1/3, 1/4, 1/5, . . . .
Man sieht, dass sich die Zahlen immer mehr der 0 „annähern“. Was aber „annähern“
heißt, müssen wir erst noch definieren.
Wir formalisieren jetzt den Begriff der Folge:
Definition 4.1 (Folge) Eine Folge in einer Menge X ist eine Funktion f : N ! X.
Gilt f (n) = xn , so bezeichnen wir die Folge auch mit dem Symbol (xn )n oder mit
x 0 , x 1 , x2 , . . . .
Oft ist es bequem, Folgen nicht beim Index 0 sondern erst bei einem anderen Startindex n0 > 0 beginnen zu lassen. In diesem Fall schreibt man auch oft zur Verdeutlichung
(xn )n n0 bzw. xn0 , xn0 +1 , xn0 +2 , . . . .
In diesem Kapitel betrachten wir Folgen über dem Körper K = R und K = C. Im
Folgenden steht K daher stets für einen der Körper R oder C.
4.1
Konvergenz
Definition 4.2 (Konvergenz, Divergenz, Grenzwert) Eine Folge (xn )n im
Körper K konvergiert, wenn es ein x⇤ 2 K gibt mit folgender Eigenschaft: Für
jedes " > 0 gibt es ein N = N" 2 N, so dass für alle n N gilt:
|xn
x⇤ | < ".
Wir sagen dann auch, die Folge (xn )n konvergiert gegen x⇤ und schreiben
xn ! x⇤
oder
lim xn = x⇤ .
n!1
Falls (xn )n gegen x⇤ konvergiert, so heißt x⇤ Grenzwert der Folge (xn )n . Konvergiert
die Folge (xn )n nicht, so sagen wir, sie divergiert bzw. sie ist divergent.
48
Folgen und Reihen
U" (x⇤ )
x⇤
U" (x⇤ )
x⇤
x⇤
"
x⇤ + "
"
(a) "-Umgebung in R
(b) "-Umgebung in C
Abbildung 4.1: "-Umgebung eines Punktes x⇤ in R und C.
U" (x⇤ )
x⇤
⇤
U" (x )
aN
x⇤
x⇤
"
a0
"
a0
aN
x⇤ + "
(a) Konvergente Folge in R
(b) Konvergente Folge in C
Abbildung 4.2: Grenzwert einer Folge: Ab einem Index N 2 N liegen alle Folgenglieder in der "-Umgebung um dem Grenzwert x⇤ .
Um den Begriff des Grenzwerts und der Konvergenz zu veranschaulichen, führen
wir für x⇤ 2 K und " > 0 die Menge
U" (x⇤ ) := {x 2 K : |x
x⇤ | < "}
(4.1)
ein, die wir als "-Umgebung von x⇤ bezeichnen. Manchmal schreiben wir auch kürzer
Umgebung, wenn der spezifische Wert von " > 0 nicht wichtig ist. Im Fall K = R
ist diese Umgebung nichts anderes als das offene Intervall (x⇤ ", x⇤ + ") (siehe
Abbildung 4.1(a)). Falls K = C, so erhalten wir die offene Kreisscheibe um x⇤ mit
Radius " in der komplexen Zahlenebene (Abbildung 4.1(b)).
Definition 4.2 besagt dann Folgendes: Für jedes " > 0 gibt es einen Folgenindex
N = N" 2 N, so dass ab diesem Index N alle Folgenglieder in der Umgebung
U" (x⇤ ) des Grenzwertes x⇤ liegen.
Satz 4.3 Sei (xn )n eine Folge im Körper K. Die Folge (xn )n konvergiert genau
dann gegen x⇤ 2 K, wenn jede Umgebung von x⇤ bis auf höchstens endlich viele alle
Glieder der Folge (xn )n enthält.
Beweis: Es gelte xn ! x⇤ und U" (x⇤ ) sei eine Umgebung von x⇤ . Es gibt dann
wegen xn ! x⇤ ein N = N" , so dass |xn x⇤ | < ", also xn 2 U" (x⇤ ) für alle n N
gilt. Somit liegen höchstens die Folgenglieder x0 , . . . , xN 1 nicht in U" (x⇤ ).
Nehmen wir umgekehrt an, dass jede Umgebung von x⇤ alle bis auf endlich viele
Folgenglieder enthält. Sei " > 0 vorgegeben. Wir müssen zeigen, dass es ein N 2 N
gibt, so dass für alle n N gilt: xn 2 U" (x⇤ ).
Nach Voraussetzung enthält U" (x⇤ ) alle Folgenglieder bis auf endlich viele. Falls alle
xn in der Umgebung U" (x⇤ ) liegen, so setzen wir N := 0. Ansonsten existiert
k := max {n 2 N : xn 2
/ U" (x⇤ )} ,
4.1 Konvergenz
49
da die Menge auf der rechten Seite nichtleer und endlich ist. Für alle n
haben wir dann xn 2 U" (x⇤ ), d.h. |xn x⇤ | < ".
N := k +1
2
Beispiel 4.4
(i) Jede konstante Folge an = a für alle n 2 N konvergiert und zwar gegen a.
Man kann hier unabhängig von " > 0 immer N = 0 wählen.
(ii) Die Folge (an )n mit an = 1/n (n
sieht man wie folgt.
1)konvergiert gegen den Grenzwert 0. Dies
Ist " > 0 vorgegeben, so finden wir wegen der archimedischen Eigenschaft
von R ein N 2 N mit N " > 1, also 1/N < ". Für alle n N gilt dann:
|an
1
1 n N 1
0| = |an | = | | =

< ".
n
n
N
(iii) Wir behaupten, dass die Folge (in )n = (1, i, 1, i, 1, i, 1, . . . ) divergent ist.
Um die Divergenz nachzuweisen, müssen wir für alle potentiellen Grenzwerte
x⇤ 2 C zeigen, dass es ein " > 0 gibt, so dass zu jedem N 2 N immer noch
ein Folgeglied xn mit n N die Ungleichung |xn x⇤ | " erfüllt.
Wir wählen " = 1. Dann gilt 1 2
/ U1 (x⇤ ) oder
nämlich nach der Dreiecksungleichung
2 = |1
( 1)|  |1
x⇤ | + |x⇤
12
/ U1 (x⇤ ). Andernfalls wäre
( 1)| < 1 + 1 = 2,
was unmöglich ist. Da aber für alle k 2 N gilt i4k = 1 und i4k+2 = 1
(dies zeigt man leicht durch Induktion), finden wir zu jedem noch so großen
N 2 N ein k 2 N mit 4k
N und 4k + 2
N und damit gilt entweder
x4k = 1 2
/ U1 (x⇤ ) oder x4k+2 = 1 2
/ U1 (x⇤ ).
(iv) Wir können die gleiche Argumentation wie im letzten Beispiel benutzen, um
zu zeigen, dass die reelle Folge (an )n mit an = ( 1)n divergiert. Wir zeigen
wieder, dass für alle potentiellen Grenzwerte x⇤ 2 R und " := 1 zu jedem
N 2 N immer noch ein Folgeglied xn existiert, so dass n N und |xn x⇤ | ".
Wie oben gilt 1 2
/ U1 (x⇤ ) oder 1 2
/ U1 (x⇤ ). Da aber für alle k 2 N gilt a2k = 1
und a2k+1 = 1 (Induktion!), finden wir zu jedem noch so großen N 2 N ein
k 2 N mit 2k N und 2k + 1 N und damit gilt entweder x2k = 1 2
/ U1 (x)
oder x2k+1 = 1 2
/ U1 (x).
(v) Die Folge xn := n für n 2 N konvergiert ebenfalls nicht (zumindest nicht im
eigentlichen Sinne, d.h. nicht im Sinne unserer Definition 4.2).
Falls xn ! x⇤ , dann wäre |x⇤
N 2 N. Wir hätten dann
n = |xn | = |xn
0|  |(xn
xn | < 1 für alle n
x⇤ ) + (x⇤
0)|  |xn
N für ein geeignetes
x⇤ | + |x⇤ | < 1 + |x⇤ |
für alle n
N . Setzen wir R := max {1 + |x⇤ |, |x0 |, |x1 |, . . . , |xN |}, so folgt
dann n = |xn |  R für alle n 2 N, im Widerspruch zur Unbeschränktheit
von N.
(vi) Sei q 2 C fest. Wir betrachten die Folge (an )n mit an = q n . Diese Folge
wird auch die geometrische Folge genannt. Wir behaupten, dass die Folge für
|q| < 1 gegen 0 konvergiert.
50
Folgen und Reihen
Sei " > 0 vorgegeben. Wir wählen x :=
1
mit N > "x
. Für n N gilt dann:
|q n
0| = |q n | = |q|n
1
=
(1 + x)n
1

1 + nx
1
<
nx
1

Nx
<"
1 > 0 (wegen |q| < 1) und N 2 N
1
|q|
1
|q|
(wegen x =
1)
(nach der Bernoulli-Ungleichung, Satz 3.31)
(wegen n
N)
(wegen N >
1
).
"x
Also haben wir q n ! 0 wie gewünscht.
C
Satz 4.5
Falls (xn )n gegen x⇤ konvergiert und (xn )n ebenfalls gegen x0 konvergiert, dann gilt
x⇤ = x0 .
Beweis: Sei " > 0 vorgegeben. Da xn ! x⇤ und xn ! x0 existieren N1 , N2 , so dass
"
|xn x⇤ | <
für alle n N1
2
"
|xn x0 | <
für alle n N2 .
2
Für alle n
N := max {N1 , N2 } folgt daher nach der Dreiecksungleichung:
" "
|x⇤ x0 |  |x⇤ xn | + |xn x0 | < + = ".
2 2
Da " > 0 beliebig gewählt war, folgt |x⇤
x0 | = 0, also x⇤ = x0 .
2
Definition 4.6 (Nullfolge) Eine Folge (xn )n in K heißt Nullfolge, wenn sie gegen 0 konvergiert.
Beobachtung 4.7 Offenbar konvergiert eine Folge (xn )n in K genau dann gegen
x⇤ 2 X, wenn die Folge (dn )n mit dn := xn x⇤ eine Nullfolge ist.
Ein wichtiger weiterer Begriff ist die Beschränktheit einer Folge:
Definition 4.8 (Beschränkte Folge) Eine Folge (xn )n in K heisst beschränkt,
wenn es ein R > 0 gibt, so dass |xn |  R für alle n 2 N ist.
Eine Folge (xn )n in R heißt nach oben beschränkt (bzw. nach unten beschränkt)
wenn es ein R 2 R gibt, so dass xn  R (bzw. xn R) für alle n 2 N gilt.
Lemma 4.9 Jede konvergente Folge ist beschränkt.
Beweis: Es gelte xn ! x⇤ . Dann finden wir zu " := 1 eine Zahl N , so dass |xn x⇤ | <
1 für alle n N . Mit der Dreiecksungleichung ergibt sich dann wie in Beispiel 4.4(v)
|xn | = |xn
x⇤ + x⇤ |  |xn
x⇤ | + |x⇤ |  1 + |x⇤ |
für alle n
N . Setzen wir R := max {1 + |x⇤ |, |x0 |, |x1 |, . . . , |xN |}, so folgt dann
|xn |  R für alle n 2 N.
2
4.2 Rechnen mit konvergenten Folgen
51
Bemerkung 4.10 Nach Lemma 4.9 ist jede konvergente Folge beschränkt. Die
Umkehrung gilt jedoch nicht. Die Folgen an = in und an = ( 1)n aus Beispiel 4.4
sind nämlich beide beschränkt, aber, wie wir gesehen haben, divergent.
Beispiel 4.11
Die Folge xn = n für n 2 N ist unbeschränkt, also kann sie nach Lemma 4.9 nicht
konvergent sein.
C
Beispiel 4.12
Wir betrachten wieder die geometrische Folge (an )n mit an = q n für festes q 2 C.
Nach Beispiel 4.4 wissen wir bereits, dass q n ! 0 für |q| < 1 gilt.
Falls |q| > 1 haben wir |q| = 1 + x für ein x > 0. Nach der Bernoulli-Ungleichung
(Satz 3.31) gilt dann |q n | = |q|n = (1 + x)n > 1 + nx für alle n
2 und wir
sehen, dass die Folge (q n )n nicht beschränkt ist. Also kann sie nach Lemma 4.9
nicht konvergent sein.
C
4.2
Rechnen mit konvergenten Folgen
Lemma 4.13 (Vergleichs-Lemma) Sind (an )n und (bn )n Folgen reeller Zahlen
mit an ! a und bn ! b und an  bn für alle bis auf endlich viele n, dann gilt a  b.
Beweis: Wir nehmen an, dass a > b gilt. Dann ist " := (a b)/2 > 0. Wir finden
N1 mit |an a| < " für alle n N1 und N2 mit |bn b| < " für alle n N2 . Für
n N = max {N1 , N2 } gilt dann aber
an > a
a
"=a
b
2
=b+
a
b
2
= b + " > bn
im Widerspruch zur Voraussetzung an  bn für alle bis auf endlich viele n.
2
Lemma 4.14 (Carabinieri-Lemma) Seien (an )n , (bn )n und (cn )n Folgen reeller
Zahlen mit an  bn  cn für alle bis auf endlich viele n. Falls an ! x und cn ! x,
dann gilt auch bn ! x.
Beweis: Zu " > 0 finden wir N1 mit |an
|cn x| < "/3 für alle n N2 . Für alle n
|bn
x| = |bn
an + an
x| < "/3 für alle n N1 und N2 mit
N = max {N1 , N2 } gilt dann:
x|
(nach der Dreiecksungleichung)
= bn
an | + |an x|
| {z }
an + "/3
 cn
an + "/3
(wegen an  bn  cn )
 |cn
x| + |x
 |bn
<"/3
= |cn
an | + "/3
an | + "/3
(wegen an  bn  cn )
(wegen an  bn  cn )
< "/3 + "/3 + "/3 = ".
2
Korollar 4.15 Sei (xn )n eine Folge in K und xn ! x⇤ . Gilt für eine Folge (yn )n
in K, dann für alle bis auf (höchstens) endlich viele n die Ungleichung |yn x⇤ | 
|xn x⇤ |, dann gilt auch yn ! x⇤ .
Vorlesung vom:
12.05.2017
52
Folgen und Reihen
Beweis: Nach Beobachtung 4.7 ist die Folge |xn x⇤ | eine Nullfolge. Nach Voraussetzung ist 0  |yn x⇤ |  |xn x⇤ | für alle großen n (d.h. für alle n N für ein
N 2 N) und somit nach Lemma 4.14 auch eine Nullfolge. Beobachtung 4.7 liefert
jetzt, dass yn ! x⇤ .
2
Mit dem vorherigen Korollar können wir auch jetzt komfortabel zeigen, dass die
Konvergenz von komplexen Folgen der Konvergenz der Folgen der Real- und Imaginärteile entspricht.
Lemma 4.16 Sei (xn )n eine Folge in C und x⇤ 2 C, wobei
x n = a n + bn i
x⇤ = a + bi.
Es gilt xn ! x⇤ (in C) genau dann, wenn an ! a und bn ! b (in R) gilt.
Beweis: Für beliebiges z 2 C gelten die Abschätzungen
| Re z|  |z|
| Im z|  |z|
|z| = ((Re z)2 + (Im z)2 )1/2  (2 max{(Re z)2 , (Im z)2 })1/2 
p
2 max{| Re z|, | Im z|}.
Somit haben wir mit z = xn
max{|an
a|, |bn
x⇤ und Re z = an a sowie Im z = bn b:
p
b|}  |xn x⇤ |  2 · max{|an a|, |bn b|}.
(4.2)
Aus (4.2) folgt die Behauptung mit Hilfe von Korollar 4.15.
2
Satz 4.17 (Grenzwertsätze) Seien (an )n und (bn )n Folgen in K mit an ! a und
bn ! b. Dann gilt:
(i) an + bn ! a + b und an
bn ! a
b.
(ii) an bn ! ab.
(iii) Falls b 6= 0, so ist bn 6= 0 für alle bis auf endlich viele n 2 N und
1
bn
! 1b .
(iv) Falls b 6= 0, so ist bn 6= 0 für alle bis auf endlich viele n 2 N und
an
bn
! ab .
Beweis:
(i) Sei " > 0 beliebig. Wir finden N1 2 N und N2 2 N mit
|an
|bn
"
2
"
b| <
2
a| <
Für N = max {N1 , N2 } und n
|(an + bn )
(a + b)| = |(an
für alle n
N1
für alle n
N2 .
N folgt dann mit der Dreiecksungleichung
a) + (bn
b)|  |an
a| + |bn
b| <
" "
+ = ".
2 2
a) + (b
bn )|  |an
a| + |b
bn | <
" "
+ = ".
2 2
Analog folgt:
|(an
bn )
(a
b)| = |(an
4.3 Monotonie und Konvergenz
53
(ii) Es gilt für alle n 2 N:
|an bn
ab| = |an bn
= |an (bn
an b + an b
ab|
b) + b(an
a)|
 |an | · |bn
b| + |b| · |an
a|
(nach der Dreiecksungleichng)
Die Folge (an )n ist nach Lemma 4.9 beschränkt, etwa |an |  R für alle n 2 N.
Für M := max {R, |b|} haben wir dann:
|an bn
ab|  M (|an
a| + |bn
(4.3)
b|).
"
Sei " > 0 vorgegeben. Wenn wir N 2 N so groß wählen, dass |an a| < 2M
"
und |bn b| < 2M für alle n N gilt, dann ist nach (4.3) auch |an bn ab| < ".
(iii) Wir finden zu " = |b|/2 eine Zahl N 2 N mit |bn
der Dreiecksungleichung für alle n N :
|b| = |b
0| = |(b
bn ) + (bn
0)|  |bn
b| < ". Es gilt dann nach
b| + |bn | <
|b|
+ |bn |.
2
Also haben wir die Ungleichung
|bn |
Es folgt bn 6= 0 für alle n
mit
|bn
Demnach gilt für n
1
bn
|b|/2 > 0 für alle n
(4.4)
N.
N . Ist " > 0 vorgegeben, so finden wir ein N 0
b| <
1 2
|b| " für alle n
2
N 0.
N
(4.5)
N:
0
1
bn b
=
b
bn b
(4.4)
<
2
|bn
|b|2
(4.5)
b| < ".
(iv) Folgt wegen an /bn = an · 1/bn aus (iii) und (ii).
2
4.3
Monotonie und Konvergenz
Definition 4.18 (Monotone Folge) Eine Folge (xn )n in R heißt monoton steigend oder monoton wachsend, falls
x0  x1  x2  . . . .
Analog heißt die Folge monoton fallend, falls
x0
x1
x2
....
Falls oben in den Ungleichungen jeweils immer strikte Ungleichung gilt, so nennen
wir die Folge streng monoton steigend bzw. streng monoton fallend.
Satz 4.19 (Monotoniekriterium) Jede monoton steigende von oben beschränkte
Folge in R ist konvergent und es gilt
lim xn = sup {xn : n 2 N} .
n!1
Jede monoton fallende von unten beschränkte Folge in R ist konvergent mit
lim xn = inf {xn : n 2 N} .
n!1
54
Folgen und Reihen
a0
a1 a2 a3 · · · aN
s
Abbildung 4.3: Eine monoton wachsende Folge ist konvergent.
Beweis: Sei (xn )n monoton steigend und von oben beschränkt. Dann ist die Menge
M = {x0 , x1 , . . . } von oben beschränkt und es existiert nach der Supremumseigenschaft von R (siehe Satz 3.35) dann s := sup M .
Sei " > 0 beliebig. Da s eine obere Schranke für M ist, gilt xn  s für alle n. Da s
nach Definition des Supremums die kleinste obere Schranke ist, ist s " < s keine
obere Schranke für M mehr. Also gibt es ein N 2 N mit s "  xN  s. Wegen
der Monotonie der Folge (xn )n gilt:
s
d.h. |xn
s| < " für n
"  xN  xn  s für alle n
N,
N und damit xn ! s.
Für eine monoton fallende Folge (xn )n ergibt sich die Behauptung durch Betrachtung der Folge ( xn )n , die dann monoton wachsend und nach oben beschränkt ist.
2
4.4
Teilfolgen
Definition 4.20 Sei (xn )n eine Folge in K. Ist (nk )k dann eine monoton wachsende
Folge von natürlichen Zahlen, also n0 < n1 < n2 < . . . , so heißt die Folge (xnk )k
Teilfolge von (xn )n .
Offenbar ist auch jede Teilfolge (xnk )k einer konvergenten Folge (xn )n konvergent
und zwar gegen den gleichen Grenzwert wie (xn )n .
Lemma 4.21 Jede Folge in R besitzt eine monotone (also monoton wachsende oder
monoton fallende) Teilfolge.
Beweis: Sei (xn )n eine Folge in R. Wir nennen n 2 N eine Gipfelstelle, wenn
xn xm für alle m n gilt, d.h. wenn nach der nten Stelle keine größeren Elemente
mehr folgen.
Falls (xn )n unendlich viele Gipfelstellen hat, dann seien n0 < n1 < n2 < . . . diese
unendlich vielen Gipfelstellen. Die Folge (xn0 , xn1 , xn2 , . . . ) ist dann nach Konstruktion monoton fallend und wir haben eine monoton fallende Teilfolge gefunden.
Falls (xn )n nur endlich viele Gipfelstellen besitzt (dies schließt insbesondere den Fall
ein, dass es überhaupt keine Gipfelstellen gibt), dann definieren wir eine monoton
wachsende Folge n0 < n1 < n2 < . . . von natürlichen Zahlen wie folgt. Da es nur
endlich viele Gipfelstellen gibt, können wir n0 2 N finden, so dass n0 größer als alle
Gipfelstellen ist. Seien n0 < n1 < · · · < ni bereits gefunden. Da ni keine Gipfelstelle
ist, gibt es ein n > ni mit xn > xni . Wir setzen ni+1 := n und fahren fort. Somit
erhalten wir eine monoton steigende Teilfolge (xn0 , xn1 , xn2 , . . . ).
2
Satz 4.22 (Satz von Bolzano-Weierstraß für Folgen) Jede beschränkte Folge (xn )n in K besitzt eine konvergente Teilfolge.
4.5 Cauchy-Folgen
55
Beweis: Wir unterscheiden hier die Fälle K = R und K = C.
Falls K = R, so besitzt (xn )n nach Lemma 4.21 eine monotone Teilfolge (xnk )k .
Wegen der Beschränktheit von (xn )n ist auch (xnk )k beschränkt und somit nach
dem Monotoniekriterium aus Satz 4.19 konvergent.
Im Fall K = C sind wegen | Re z|  |z| und | Im z|  |z| für alle z 2 C auch
die Folge der Realteile (Re xn )n und der Imaginärteile (Im xn )n beschränkt. Nach
unserem Beweis für den Fall K = R besitzt daher die Folge der Realteile eine
konvergente Teilfolge mit Re xnk ! x für ein x 2 R. Die Teilfolge (ynk )k = (Im xnk )k
der entsprechenden Imaginärteile ist natürlich immer noch beschränkt, besitzt also
ebenfalls nach dem Ergebnis für R eine konvergente Teilfolge mit ynkl ! y 2 R. Wir
haben dann auch xnkl ! x 2 R, da wir eine konvergente Teilfolge der konvergenten
Folge (xnk )k auswählen. Damit haben wir eine Teilfolge von (xn )n gefunden, bei
der sowohl die Folge der Realteile als auch die Folge der Imaginärteile konvergieren.
Nach Lemma 4.16 gilt dann auch xnki ! x + iy 2 C.
2
4.5
Cauchy-Folgen
Definition 4.23 (Cauchy-Folge) Eine Folge (xn )n in K heißt Cauchy-Folge,
wenn es zu jedem " > 0 ein N 2 N gibt, so dass für alle m, n N gilt: |xm xn | < ".
Lemma 4.24 Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.
Beweis: Sei (xn )n eine Cauchy-Folge. Für " := 1 gibt es dann ein N 2 N, so dass
|xm xm | < 1 für alle m, n N gilt. Also gilt für alle n N insbesondere:
|xn | = |xn
xN + xN |  |xn
xN | + |xN | < 1 + |xN |.
Daraus folgt jetzt, dass mit R := 1 + max{|x0 |, . . . , |xN |} gilt |xn |  R für alle
n 2 N. Also ist x⇤ beschränkt.
2
Lemma 4.25 Jede konvergente Folge ist auch eine Cauchy-Folge.
Beweis: Es gelte xn ! x⇤ . Dann finden wir zu " > 0 ein N 2 N mit |xn
für alle n N . Für m, n N gilt dann:
|xm
xn |  |xn
x⇤ | + |x⇤
x⇤ | < "/2
xm | < "/2 + "/2 = ".
Also ist (xn )n auch Cauchy-Folge.
2
Satz 4.26 (Cauchy-Kriterium für Folgen) Eine Folge in K ist genau dann
Cauchy-Folge, wenn sie konvergiert.
Beweis: Die eine Implikation haben wir bereits in Lemma 4.25 gezeigt. Wir müssen
also nur noch zeigen, dass jede Cauchy-Folge in K konvergiert.
Sei also (xn )n eine Cauchy-Folge in K. Nach Lemma 4.24 ist (xn )n beschränkt und
besitzt daher nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß (Satz 4.22) eine konvergente
Teilfolge (xnk )k . Sei x⇤ = limk!1 xnk der Grenzwert dieser Teilfolge. Wir zeigen
nun, dass tatsächlich sogar schon xn ! x⇤ gilt.
Sei " > 0 beliebig. Da x⇤ Cauchy-Folge ist, gibt es N 2 N, so dass
|xn
xm | < "/2 für alle n, m
N
(4.6)
Vorlesung vom:
16.05.2017
Video zur
Vorlesung:
56
Folgen und Reihen
gilt. Da die Teilfolge (xnk )k gegen x⇤ konvergiert, finden wir N 0 2 N, so dass
|xnk
x⇤ | < "/2 für alle nk
gilt. Wir wählen ein nk max{N 0 , N }. Für n
fenahme der Dreiecksungleichung:
|xn
x⇤ | = |xn
x n k + x nk
x⇤ | 
N0
N erhalten wir dann unter Zuhil|xn xnk |
| {z }
< "/2 nach (4.6) mit m := nk
< "/2 + "/2 = ".
(4.7)
+ |xnk x⇤ |
| {z }
< "/2 nach (4.7)
Somit folgt xn ! x⇤ wie gewünscht.
2
Beispiel 4.27
Wir betrachten noch einmal die geometrische Folge (an )n mit an = q n für festes
q 2 C, die wir in Beispiel 4.4 und 4.12 bereits untersucht hatten.
Falls |q| = 1, so gilt für n 2 N dann |q n+1 q n | = |q|n · |q 1| = |q 1|. Falls q 6= 1,
so ist für alle n 2 N daher |an+1 an | = |q 1| =: t > 0 und (q n )n kann keine
Cauchy-Folge sein, da für überhaupt kein n 2 N gelten kann, dass |an+1 an | < t/2.
Nach Satz 4.26 konvergiert sie daher nicht.
Ist q = 1, so ist q n = 1 für alle n 2 N und die Folge konvergiert gegen 1, da sie
konstant ist.
C
4.6
Obere, untere und uneigentliche Grenzwerte
Definition 4.28 (Bestimmte Divergenz) Sei (xn )n eine Folge in R. Wir schreiben
xn ! +1 oder
lim xn = +1
n!1
und sagen, dass (xn )n bestimmt gegen +1 divergiert, falls es zu jedem ! > 0 ein
N 2 N gibt, so dass xn ! für alle n N gilt.
Analog schreiben wir
xn !
1 oder
lim xn =
n!1
1
und sagen, dass (xn )n bestimmt gegen 1 divergiert, falls es zu jedem ! > 0 ein
N 2 N gibt, so dass xn  ! für alle n N gilt.
Beispiel 4.29
p
Für die Folge (xn )n mit xn = n gilt xn ! 1. Zu vorgegebenem ! > 0 wählen wir
p
p
N > ! 2 . Dann gilt für n N die Abschätzung: xn = n
N !.
C
Definition 4.30 Ein Punkt x̄ 2 K heißt Häufungspunkt der Folge (xn )n , wenn es
eine Teilfolge (xnk )k von (xn )n gibt mit xnk ! x̄.
Für den Fall K = R erweitern wir den Begriff des Häufungspunkts auf die erweiterte
Zahlengerade, indem wir den Begriff der bestimmten Divergenz aus Definition 4.28
nutzen.
Der Satz von Bolzano-Weierstraß (Satz 4.22) besagt, dass jede beschränkte Folge
in K eine konvergente Teilfolge besitzt. Mit Definition 4.30 können wir ihn daher
auch wie folgt definieren:
4.6 Obere, untere und uneigentliche Grenzwerte
57
Satz 4.31 (Satz von Bolzano-Weierstraß für Folgen) Jede beschränkte Folge
in K besitzt einen Häufungspunkt in K.
2
Lemma 4.32 Für eine beschränkte Folge (xn )n in K gilt xn ! x⇤ genau dann,
wenn x⇤ der einzige Häufungspunkt von (xn )n ist.
Beweis: Falls xn ! x⇤ , dann gibt es wegen der Eindeutigkeit des Grenzwertes
(siehe Satz 4.5) zu jedem x 6= x⇤ ein r > 0, so dass in der Umgebung Ur (x) nur
endlich viele Folgenglieder liegen. Daher kann x kein Häufungspunkt sein.
Ist umgekehrt x⇤ der einzige Häufungspunkt von (xn )n , dann gibt es eine Teilfolge
(xnk )k mit xnk ! x⇤ . Wir zeigen jetzt, dass in der Tat sogar xn ! x⇤ gilt. Sei
dazu " > 0 vorgegeben. Es gilt dann |xnk x⇤ | < " für alle nk N , wobei N > 0
geeignet ist.
Gilt sogar |xn x⇤ | < " für alle bis auf endlich viele n
N , so folgt xn ! x⇤
wie gewünscht. Ansonsten betrachten wir die Folge derjenigen xn mit n N und
|xn x⇤ | ". Wir bezeichnen diese Folge der einfacheren Notation mit (yk )k . Sie
ist dann eine Teilfolge von (xn )n .
Die Folge (yk )k ist dann beschränkt, da bereits (xn )n beschränkt ist. Nach dem
Satz von Bolzano-Weierstraß (in der Version von Satz 4.31) hat diese Folge einen
Häufungspunkt x0 , der dann natürlich auch Häufungspunkt von (xn )n ist (die gegen
x0 konvergente Teilfolge von (yk )k ist auch eine Teilfolge von (xn )n ). Nach Voraussetzung ist x⇤ der einzige Häufungspunkt von (xn )n , also muss x0 = x⇤ gelten. Für
alle yk gilt aber nach Konstruktion |yk x⇤ | ", also kann (yk )k gar nicht gegen
x⇤ konvergieren. Dies ist ein Widerspruch.
2
Definition 4.33 (Oberer und unterer Grenzwert) Sei (xn )n eine Folge in R
und H die Menge aller Häufungspunkte (in der erweiterten Zahlengeraden) von (xn )n .
Dann nennt man
lim sup xn := sup H
den limes superior
lim inf xn := inf H
den limes inferior
n!1
n!1
der Folge (xn )n .
Beispiel 4.34
Für die Folge (xn )n mit xn = ( 1)n (vgl. Beispiel 4.4) besteht die Menge der Häufungspunkte aus 1 und 1. Es gilt daher lim supn!1 xn = 1 und lim inf n!1 xn =
1.
C
Eine nützliche Charakterisierung des limes superior und limes inferior liefert das
folgende Lemma:
Lemma 4.35 Für eine Folge (xn )n reeller Zahlen gilt:
lim sup xn = lim sup {xn : n > N } und lim inf xn = lim inf {xn : n > N } .
n!1
N !1
n!1
N !1
Hierbei setzen wir limN !1 sup {xn : n > N } := +1 ,falls sup {xn : n > N } = +1
für alle N 2 N und analog limN !1 inf {xn : n > N } := 1, falls inf {xn : n > N } =
1 für alle N 2 N gilt.
Beweis: Wir zeigen zunächst, dass die Folge (un )n mit un = sup{xm : m > n}
monoton fällt für jede reelle Folge (xn )n .
58
Folgen und Reihen
Sei dazu n 2 N beliebig. Es gilt
un = sup{xm : m > n} = sup ({xn+1 } [ {xm : m > n + 1}) .
Wenn xn+1  sup{xm : m > n + 1} = un+1 , dann gilt un = un+1 , da die obere
Schranke der kleineren auch für die größere Menge gilt. Für xn+1 > sup{xm : m >
n + 1} = un+1 , folgt aber, dass un = xn+1 > un+1 und damit die Monotonie.
Wir können jetzt folgern, dass limN !1 sup{xm : m > N } in der erweiterten Zahlengeraden existiert und eindeutig bestimmt ist: entweder ist die Folge beschränkt und
damit dann auch konvergent nach Satz 4.19 oder sie ist unbeschränkt und divergiert
dann offenbar bestimmt.
Um die behauptete Gleichheit zu zeigen, unterscheiden wir drei Fälle:
Fall 1: limN !1 sup{xm : m > N } = +1
Dann gilt, dass die Menge {xm : m > N } unbeschränkt nach oben ist für
alle N 2 N, d.h. für jedes i 2 N gibt es ein ni > N sodass xni > i. Diese
Teilfolge (xni )i von (xn )n divergiert bestimmt nach +1. Damit ist +1 ein
Häufungspunkt von (xn )n und daher lim supn!1 xn = +1.
Fall 2: limN !1 sup{xm : m > N } = x für ein x 2 R
Wir zeigen im ersten Schritt, dass x ein Häufungspunkt von (xn )n ist, indem
wir eine Teilfolge (xni )i finden, die gegen x konvergiert.
Da die Folge der Suprema (sup{xm : m > N })N gegen x konvergiert, gibt es
1
für jedes i 2 N ein mi 2 N mit | sup{xm : m > N } x| < 2i
für alle N > mi .
Da sup{xm : m > mi + 1} die kleinste obere Schranke von {xm : m > mi + 1}
1
ist, gibt es ein xni 2 {xm : m > mi +1} mit |xni sup{xm : m > mi +1}| < 2i
.
Damit gilt
|xni
x|  |xni
sup{xm : m > mi + 1}| + | sup{xm : m > mi + 1}
x| <
1
.
i
Damit konvergiert die Teilfolge (xni )i gegen x.
Im zweiten Schritt stellen wir sicher, dass es keinen größeren Häufungspunkt
von (xn )n gibt. Zu jedem b > x („potentieller größerer Häufungspunkt“) gibt
es ein " = b 2 x > 0 und aufgrund der Konvergenz der Folge der Suprema ein
N0 2 N, sodass | sup{xm : m > N } x| < " für alle N > N0 . Inbesondere
gilt also sup{xm : m > N } < x + " und nach der Definition des Supremums
weiterhin xn  sup{xm : m > N } < x + " für alle n > N > N0 . Damit
kann b kein Häufungspunkt sein, da es kein xn mit n > N > N0 gibt, sodass
|xn b| < ".
Fall 3: limN !1 sup{xm : m > N } =
1
Die Folge der Suprema (uN )N mit uN = sup{xm : m > N } divergiert bestimmt nach 1, d.h. für jedes r 2 R, r > 0 gibt es ein N0 2 N, sodass für
alle M > N0 gilt SM  r. Aus der Definition des Supremums folgt direkt
für alle m > M + 1 > N0 + 1 dass xm  SM  r und damit divergiert
die Folge (xn )n (nicht nur eine Teilfolge!) bestimmt gegen 1 und damit ist
auch lim supn!1 xn = 1.
Alle drei Fälle zusammen implizieren die Behauptung für den lim sup. Der Beweis
für lim inf ist analog.
2
Korollar 4.36 Sei (xn )n eine Folge reeller Zahlen. Dann gilt:
4.6 Obere, untere und uneigentliche Grenzwerte
59
(i) lim inf n!1 xn = +1 genau dann, wenn xn ! +1.
(ii) lim supn!1 xn =
1 genau dann, wenn xn !
1.
(iii) (xn )n ist genau dann nach oben unbeschränkt, wenn lim supn!1 xn = +1
gilt.
(iv) (xn )n ist genau dann nach unten unbeschränkt, wenn lim inf n!1 xn =
gilt.
1
Beweis:
(i) Falls lim inf n!1 xn = +1, so gibt es nach Lemma 4.35 zu jedem ! > 0 ein
N 2 N mit inf{xn : n > N } > !. Also gilt xn > ! für alle n > N und damit
xn ! +1.
Haben wir umgekehrt xn ! +1, so finden wir zu jedem ! > 0 ein N 0 2 N
mit xn ! für n N 0 . Dann ist inf{xn : n > N } ! für alle N
N 0 und
damit limN !1 inf{xn : n > N } = +1.
(ii) Analog zu (i).
(iii) Wir finden wir zu jedem ! = k 2 N ein xnk mit xnk
konvergiert dann offenbar gegen +1.
k. Die Teilfolge (xnk )k
Gilt umgekehrt lim supn!1 xn = +1, so finden wir nach Lemma 4.35 zu
jedem ! > 0 ein N > 0 mit sup {xn : n > N } > !. Nach Definition des Supremums existiert zu beliebigem " > 0 ein n > N mit xn sup {xn : n > N }
" > ! ". Es folgt die Unbeschränktheit der Folge (xn )n .
(iv) Analog zu (iii).
2
Vorlesung vom:
18.05.2017
Lemma 4.37 Eine Folge (xn )n in R konvergiert genau dann, wenn
lim inf xn = lim sup xn .
n!1
n!1
Beweis: Es gelte xn ! ↵. Falls ↵ 2 R, so ist (xn )n nach Lemma 4.9 beschränkt.
Nach Lemma 4.32 hat (xn )n nur einen Häufungspunkt, also gilt lim inf n!1 xn =
lim supn!1 xn . Falls ↵ = +1, so haben wir xn
! für alle großen n für jedes
vorgegebene ! > 0. Insbesondere kann kein
< +1 Häufungspunkt von (xn )n
sein, d.h. die Menge der Häufungspunkte besteht nur aus +1. Analoges gilt für
↵ = 1.
Sei nun umgekehrt ↵ = lim inf n!1 xn = lim supn!1 xn . Dann besteht die Menge
der Häufungspunkte der Folge (xn )n aus einem Element. Falls (xn )n beschränkt ist,
dann ist (xn )n nach Lemma 4.32 auch konvergent. Falls ↵ = lim supn!1 xn = 1,
dann ist (xn )n nach Korollar 4.36 nach oben unbeschränkt. lim inf n!1 xn = 1
bedeutet aber, dass xn ! 1. Der Fall ↵ = 1 verläuft analog.
2
Video zur
Vorlesung:
60
Folgen und Reihen
4.7
Reihen
In diesem Abschnitt betrachten wir weiterhin Folgen über K = R oder K = C.
Definition 4.38 (Reihe) Ist (an )n eine Folge in K, so ordnen wir ihr mittels
sn :=
n
X
ak
k=0
eine Folge (sn )n zu. Das Symbol
1
X
an
n=0
nennen wir eine (unendliche) Reihe. Die Zahlen an heißen die Glieder der Reihe und
die Zahlen sn Teilsummen der Reihe. Konvergiert (sn )n gegen s, so nennen wir die
Reihe konvergent und schreiben
1
X
an = s,
n=0
andernfalls sagen wir, dass die Reihe
P1
n=0
an divergiert.
Beispiel 4.39 (Geometrische Reihe)
Sei q 2 C gegeben und an = q n . Wir betrachten die geometrische Reihe
1
X
qn .
n=0
Es gilt für q 6= 1 die Summenformel
sn =
n
X
qk =
k=0
1
q n+1
,
1 q
wie man leicht durch Induktion zeigt.
Falls |q| < 1, so gilt q n+1 ! 0 (siehe Beispiel 4.4) und nach den Rechenregeln für
Grenzwerte (Satz 4.17) haben wir sn ! 1 1 q .
Falls |q|
1 und q 6= 1, so divergiert die geometrische Folge (q n )n (siehe Beispiel 4.12) und es folgt, dass auch (sn )n divergiert.
Es verbleibt der Fall q = 1. Dann ist sn = n und somit die Folge (sn )n unbeschränkt,
insbesondere also divergent (siehe Lemma 4.9).
C
Nach Satz 4.26 ist eine Reihe genau dann konvergent, wenn die Teilsummen eine
Cauchy-Folge bilden. Wir erhalten damit:
P1
Satz 4.40 (Cauchy-Kriterium für Reihen) Die Reihe
n=0 an konvergiert
genau dann, wenn für jedes " > 0 eine Zahl N 2 N existiert, so dass
m
X
ak < "
(4.8)
k=n
für alle n, m
N gilt.
2
4.8 Reihen mit nichtnegativen Gliedern
61
Für n = m reduziert sich (4.8) auf
|an | < " für alle n
N.
Mit anderen Worten:
Korollar 4.41 Falls die Reihe
P1
n=0
an konvergiert, so folgt limn!1 an = 0.
2
Aus dem Satz 4.19, dass monotone beschränkte Folgen konvergieren, ergibt sich
weiterhin:
Satz 4.42 Gilt für die reelle Folge (a
)n , dass an
0 für alle bis auf endlich
Pn1
viele n 2 N, so konvergiert die Reihe n=0 an genau dann, wenn die Teilsummen
(sn )n eine beschränkte Folge bilden.
Beweis: Falls an 0 für alle großen n gilt, so ist die Folge (sn )n monoton wachsend.
Falls sie dann beschränkt ist, so ist sie nach Satz 4.19 konvergent. Ist umgekehrt die
Folge (sn )n nicht beschränkt, so kann sie nach Lemma 4.9 nicht konvergent sein.
2
Satz 4.43 (Vergleichskriterium)
(i) Ist |an |P
 bn für alle n
N0 und die
P1
1
Reihe
b
konvergent,
so
konvergiert
a
.
Man
sagt
dann, dass
n=0 n
n=0 n
P1
b
eine
konvergente
Majorante
ist.
n=0 n
P1
(ii) Gilt
N und divergiert n=0 cn , dann divergiert auch
P1 an cn 0 für alle n P
1
n=0 an . Wir nennen dann
n=0 cn eine divergente Minorante.
Beweis:
(i) Wir haben für m
n
N0 :
m
X
k=n
ak 
m
X
k=n
|ak | 
m
X
(4.9)
bk .
k=n
P1
Da
N0 , so dass
Pmdie Reihe n=0 bn konvergiert, finden wir zu " > 0 ein N Pm
| k=n bk | < " für alle n, m N . Wegen (4.9) wird dann auch | k=n ak | < ".
P1
(ii) Folgt
P1 aus (i): Falls nämlich n=0 an konvergiert, dann muss nach (i) auch
n=0 cn konvergieren.
2
4.8
Reihen mit nichtnegativen Gliedern
Ein hilfreicher Satz zum Beweis der Konvergenz bzw. Divergenz von Reihen ist der
sogenannte Verdünnungssatz:
Satz 4.44PSei (an )n eine reelle Folge mit a0 a1 a2 · · ·
1
die Reihe n=0 an genau dann, wenn die „verdünnte Reihe“
1
X
k=0
konvergiert.
2k a2k = a1 + 2a2 + 4a4 + 8a8 + . . .
0. Dann konvergiert
62
Folgen und Reihen
Beweis: Nach Satz 4.42 genügt es zu zeigen, dass die Teilsummen der beiden Reihen
nach oben beschränkt sind. Wir setzen
sn :=
tn :=
n
X
i=0
n
X
ai
2i a2i .
i=0
Für n < 2k haben wir n  2k
sn  s2k+1
1  2k+1
1 und damit
1
= a1 + (a2 + a3 ) + (a4 + · · · + a7 ) + · · · + (a2k + · · · + a2k+1
1)
k
 a1 + 2a2 + 4a4 + · · · + 2 a2k
= tk .
Andererseits gilt für n > 2k :
sn
s 2k
= a1 + a2 + (a3 + a4 ) + · · · + (a2k
1
a1 + a2 + 2a4 + · · · + 2k 1 a2k
2
1
= tk .
2
1 +1
+ · · · + a 2k )
Also sind die Folgen (sn )n und (tk )k entweder beide nach oben beschränkt oder
unbeschränkt.
2
Beispiel 4.45
P1
Wir zeigen, dass die Reihe n=1 1/np für p  1 divergiert und für p > 1 konvergiert.
Für p  0 folgt die Aussage aus der Tatsache, dass np nicht gegen 0 konvergiert
und Lemma 4.9. Für p > 0 können wir den Verdünnungssatz (Satz 4.44) anwenden.
Wir müssen dann die Reihe
1
X
k=0
2k
1
1
k=0
k=0
X
X
1
1
=
2k kp =
21
k
p
(2 )
2
p k
auf Konvergenz untersuchen. Diese Reihe ist eine geometrische Reihe mit q = 21 p .
In Beispiel 4.39 haben wir gesehen, dass diese Reihe genau dann konvergiert, wenn
|q| < 1 gilt. Es gilt nun 21 p < 1 genau dann, wenn p > 1 ist.
C
Beispiel 4.46
Die harmonische Reihe ist die Reihe
1
X
1
1 1
= 1 + + + ...
n
2 3
n=1
P1
Wie wir in Beispiel 4.45 gesehen haben, divergiert
n=1 1/n. Dies hat folgende
nette praktische Anwendung: Wir wollen einen Turm aus Ziegelsteinen der Länge 1
so bauen, dass er möglichst weit „quersteht“. Wir bauen dazu den Turm „von oben
nach unten“, indem wir den bereits gebauten Turm so auf den nächsten Stein setzen,
dass sein Schwerpunkt gerade über der Kante des neuen untersten Steins liegt, der
Turm also gerade nicht umfällt (vgl. Abbildung 4.4). Der oberste Stein (mit der
Nummer 1) hat seinen linken Rand bei 0.
4.9 Die Zahl e
63
6
5
1
2
3
4
5
6
4
3
2
1
n
n+1
1
2
3
4
5
6
Abbildung 4.4: Turm aus Ziegelsteinen
Sei sn die x-Koordinate des Schwerpunkts der ersten n Steine (von oben), so beginnt
Stein n + 1 bei Koordinate sn . Sein Schwerpunkt liegt daher bei sn + 12 . Insgesamt
liegt der Schwerpunkt des Turms aus n + 1 Steinen dann bei
✓
◆
1
1
1
sn+1 =
nsn + (sn + ) = sn +
.
(4.10)
n+1
2
2(n + 1)
Pn
Wir beweisen durch Induktion, dass sn = 12 k=1 k1 für n 1 gilt. Für n = 1 ist
die Aussage offenbar richtig. Im Induktionsschritt haben wir wegen (4.10)
sn+1
(4.10)
=
sn +
n
n+1
1
1 1
1X1
(IV) 1 X 1
=
+
=
.
2(n + 1)
2
k 2n+1
2
k
k=1
k=1
Wegen der Divergenz der harmonischen
P4 Reihe kann man den Überhang beliebig groß
werden lassen. Zum Beispiel ist 12 n=1 n1 = 1.04 und man kann mit fünf Steinen
einen Überhang von mehr als einem Stein erreichen.
C
4.9
Die Zahl e
Satz 4.47 Die Reihe
P1
1
n=0 n!
konvergiert. Die Zahl
e :=
1
X
1
n!
n=0
heißt Eulersche Zahl und ist irrational, d.h. e 2 R \ Q.
1
Beweis: Es gilt 0  n!
 2n1 1 = 2( 12 )n für alle n
2. Da die geometrische
1
Reihe mit q = 2 nach Beispiel 4.39 konvergiert, folgt die Konvergenz aus dem
Vergleichskriterium (Satz 4.43).
Wir nehmen an, dass e = p/q 2 Q, wobei wir o.B.d.A. p 2 Z und q 2 N \ {0}
annehmen können, und führen dies zum Widerspruch. Für die Partialsummen sn =
64
Folgen und Reihen
Pn
1
k=0 k!
gilt:
0<e
1
1
1
+
+
+ ...
(n + 1)! (n + 2)! (n + 3)!
✓
◆
1
1
1
=
1+
+
+ ...
(n + 1)!
n + 2 (n + 2)(n + 3)
0
1
sn =
<
B
C
1
1
B1 + 1 +
+ ...C
@
A
2
(n + 1)!
n + 1 (n + 1)
| {z }
=:q<1
=
1
1
1
·
=
.
1
(n + 1)! 1 n+1
n!n
Falls e = p/q, dann gilt daher
0<e
sq <
,0 < (e
1
q!q
sq )q! <
1
 1.
q
(4.11)
Andererseits ist eq! = p/q · q! = p(q 1)! 2 Z und sq q! = (1 + 1 + 1/2! + 1/3! + · · · +
1/q!)q! 2 Z. Also ist (e sq )q! 2 Z und nach (4.11) müsste damit eine ganze Zahl
strikt zwischen 0 und 1 existieren, was unmöglich ist.
2
Vorlesung vom:
20.05.2017
Video zur
Vorlesung:
4.10
Absolute Konvergenz
Definition 4.48 Wir sagen, die Reihe
konvergiert.
Satz 4.49 Konvergiert
P1
n=0
P1
n=0
an konvergiert absolut, wenn
P1
n=0
|an |
an absolut, so konvergiert die Reihe ebenfalls.
Beweis: Dies folgt unmittelbar aus der Ungleichung
m
X
k=n
ak 
m
X
k=n
|ak |
für alle m, n 2 N mit m
n
und Satz 4.40.
2
Die Bedeutung der absoluten Konvergenz wird (leider erst) im Abschnitt 4.14 klar
werden.
4.11
Das Wurzel- und das Quotientenkriterium
Satz 4.50 (Wurzelkriterium
von Cauchy) Sei (an )n eine Folge komplexer Zahp
len und ↵ = lim supn!1 n |an |.
P1
(i) Falls ↵ < 1, so konvergiert die Reihe n=0 an absolut.
P1
(ii) Falls ↵ > 1, so divergiert die Reihe n=0 an .
Beweis:
4.11 Das Wurzel- und das Quotientenkriterium
(i) Wir wählen
2 R mit 0 < ↵ <
65
< 1. Dann gilt
p
n
|an | <
< 1 für alle n N
(4.12)
p
mit einem N 2 N geeignet (ansonsten wäre n |an |
> ↵ für unendlich viele n und es gäbe nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß (Satz 4.31)
einen Häufungspunkt in [ , 1] im Widerspruch zur Wahl von ↵ als größtem
Häufungspunkt). Wegen (4.12) haben wir |anP
| < n für alle n
N . Da
1
0 < P< 1 konvergiert die geometrische Reihe n=0 n und die Konvergenz
1
von n=0 |an | folgt aus dem Vergleichskriterium (Satz 4.43). Wie wir bereits
in
Satz 4.49 gesehen haben, impliziert dies wiederum die Konvergenz der Reihe
P1
n=0 an .
p
(ii) Falls ↵ > 1, so existiert eine Folge (nk )k mit nk |ank | ! ↵ > 1 und es gilt
|an | 1 für unendlich viele n. P
Daher konvergiert (an )n nicht gegen 0 und nach
1
Korollar 4.41 divergiert dann n=0 an .
2
p
n
Bemerkung 4.51 Um zu zeigen dass
↵
=
lim
sup
|an | < 1 gilt, genügt es
n!1
p
n
ein 0  < 1 zu finden, so dass
|an |  < 1 für alle n > N für ein N 2 N
(genau dies haben wir im Beweis in (4.12) benutzt).
p
Darüberhinaus
folgt aus n |an |
1 für unendlich viele n 2 N die Divergenz der
P1
Reihe n=0 an , da dann |an |
1 für unendlich viele n gilt und wir wie in unserem Beweis von Satz 4.50 schließen können, dass die für die Konvergenz der Reihe
notwendige Bedingung an ! 0 verletzt ist.
Satz 4.52 (Quotientenkriterium von D’Alembert) Sei (an )n eine Folge komplexer Zahlen mit an 6= 0 für alle bis auf endlich viele n 2 N.
(i) Falls lim supn!1
|an+1 |
|an |
< 1, dann konvergiert die Reihe
(ii) Falls es ein N 2 N gibt, so dass
P1
die Reihe n=0 an .
|an+1 |
|an |
> 1 für alle n
P1
n=0
an absolut.
N ist, so divergiert
Beweis:
(i) Wir finden 0 <
< 1, so dass
|an+1 |
<
|an |
< 1 für alle n
N
(4.13)
gilt, wobei N 2 N geeignet ist. Es folgt dann
|aN +1 | <
· |aN |
|aN +2 | < · |aN +1 | <
.. ..
. .
|aN +k | <
k
· |aN |.
2
|aN |
P1
Da n=0 n wegen 0 < < 1 konvergiert, folgt die behauptete Konvergenz
mit dem Vergleichskriterium (Satz 4.43).
66
Folgen und Reihen
(ii) Es gilt |an+1 |
|an | für alle n
N . Daraus folgt, dass (an )n nicht gegen 0
konvergiert.
Dies
ist
aber
nach
Korollar
4.41 notwendig für die Konvergenz
P1
der Reihe n=0 an .
2
Bemerkung 4.53 Ähnlich wie beim Wurzelkriterium genügt es ein 0  < 1 zu
|
finden, so dass |a|an+1
 < 1 für alle n > N für ein N 2 N, um zu zeigen dass
n|
lim supn!1
|an+1 |
|an |
< 1.
Bemerkung 4.54 Falls lim supn!1 |an+1 /an | = 1, dann liefert das Quotientenkriterium
keinePKonvergenzinformation. Als Beispiel betrachten wir die Reihen
P1
1
2
a
und
n
n=1
n=1 bn mit an = 1/n und bn = 1/n . Wie wir in Beispiel 4.45
gesehen haben, divergiert die erste Reihe (harmonische Reihe), während die zweite
Reihe konvergiert. Es gilt:
an+1
n
= lim
=1
n!1
an
n+1
bn+1
n2
n
n
lim
= lim
= lim
· lim
= 1.
2
n!1
n!1
n!1
n!1
bn
(n + 1)
(n + 1)
(n + 1)
lim
n!1
Die harmonisch Reihe ist übrigens auch ein Beispiel dafür, dass man im Quotientenkriterium wirklich ein < 1 braucht, so dass |an+1 /an |  < 1 für alle großen n
ist und es nicht ausreicht, dass |an+1 /an | < 1 für alle großen n gilt.
4.12
Potenzreihen
Wir haben in Satz 4.47 gesehen, dass die Reihe
wir einmal für festes z 2 C die Reihe
P1
1
n=0 n!
konvergiert. Betrachten
1
X
zn
.
n!
n=0
(4.14)
Wir haben
lim
n!1
z n+1
(n+1)!
zn
n!
= lim
n!1
z
|z|
= lim
= 0.
n!1
n+1
n+1
Nach dem Quotientenkriterium (Satz 4.52) konvergiert die Reihe (4.14) daher für
jedes z 2 C absolut und wir können eine Funktion exp : C ! C definieren, die
jedem z 2 C den Wert der entsprechenden Reihe (4.14) zuweist. Diese Funktion, die
sogenannte Exponentialfunktion, werden wir später in Abschnitt 4.15 noch genauer
kennenlernen.
Definition
(Potenzreihe) Ist (an )n eine komplexe Folge, dann nennen wir
P4.55
1
n
die Reihe n=0 aP
n z eine Potenzreihe in z. Ist D ✓ C die Menge aller z 2 C, für
1
welche die Reihe n=0 an z nPkonvergiert, so definiert die Potenzreihe eine Funktion
1
von D nach C mittels z 7! n=0 an z n .
Lemma 4.56 Konvergiert eine Potenzreihe
giert sie für alle z 2 C mit |z| < |z0 | absolut.
P1
n=0
an z n für ein z0 2 C, so konver-
4.12 Potenzreihen
67
Divergenz
?
?
?
absolute Konvergenz
?
?
0
R
?
?
?
?
?
absolute Konvergenz
Divergenz
0
R
(a) Konvergenzradius in C
Divergenz
+R
(b) Konvergenzradius in R
Abbildung 4.5: Konvergenz einer Potenzreihe
Beweis: Für z 2 C mit |z| < |z0 |und n 2 N gilt:
|an z n | =
z
z0
n
|an z0n | =: q n |an z0n |
(4.15)
P1
Da die Reihe n=0 an z0n konvergiert, gilt an z0n ! 0, also insbesondere |an z0n |  R
für ein R > 0 und alle n 2 N. Aus (4.15) folgt damit |anP
z n |  Rq n mit 0 < q < 1
1
n
(wegen |z| < |zP
|).
Somit
ist
die
geometrische
Reihe
R
0
n=0 q eine konvergente
1
Majorante von n=0 |an z n | und die Behauptung folgt mit dem Vergleichskriterium
(Satz 4.43).
2
Satz 4.57 Sei
P1
n=0
an z n eine Potenzreihe und
↵ = lim sup
n!1
p
n
|an |
sowie
R :=
1
,
↵
wobei wir hier 1/0 := 1 und 1/1 := 0 setzen.
(i) Die Reihe
P1
n=0
an z n konvergiert absolut für alle |z| < R und
(ii) divergiert für alle |z| > R.
Den Wert R nennt man den Konvergenzradius der Potenzreihe
P1
n=0
an z n .
Beweis:
Wir setzen cn := an z n und wenden das Wurzelkriterium auf die Reihe
P1
n=0 cn an. Es gilt:
lim sup
n!1
p
p
|z|
n
|cn | = |z| · lim sup n |an | =
.
R
n!1
Damit folgt die Aussage nach dem Wurzelkriterium (Satz 4.50).
2
P1
n
Nach Satz 4.57 konvergiert eine Potenzreihe
absolut innerhalb ihres
n=0 an z
Konvergenzradius, also für alle z in der offenen Kreisscheibe:
UR (0) = {z 2 C : |z| < R} .
68
Folgen und Reihen
Außerhalb der Kreissscheibe divergiert die Reihe (vgl. Bild 4.5). Auf dem Rand
{z 2 C : |z| = R}
ist das Konvergenzverhalten mitunter nicht ganz so einfach. Die Reihe kann dort
für alle z konvergieren, für alle z divergieren oder für einige z konvergieren und für
andere divergieren.
Bemerkung 4.58 Eine Potenzreihe konvergiert immer für z = 0. Dort hat sie den
Wert a0 .
Beispiel 4.59
P1
(i) Für die Reihe n=0 nn z n gilt ↵ = lim supn!1 n = 1. Also gilt R = 0.
P1
(ii) Für die Potenzreihe n=0 z n (die wir bereits als geometrische Reihe
p kennengelernt haben, siehe Beispiel 4.39) haben wir ↵ = lim supn!1 n 1 = 1 und
R = 1. Nach Beispiel 4.39 divergiert die Reihe für |z| = 1.
p
P1
(iii) Die Reihe n=0 z n /n2 hat ↵ = lim supn!1 n 1/n2 = 1 (dass der Grenzwert
tatsächlich gleich 1 ist, kann man elementar zeigen, siehe Seite 118) und damit
R = 1. Sie konvergiert nach dem Vergleichskriterium
P1 4.432für alle z mit |z| = 1,
da dann |z n /n2 | = 1/n2 ist und die Reihe
n=1 1/n nach Beispiel 4.45
konvergiert.
P1
(iv) Die Reihe n=0 z n /n! konvergiert nach unseren Rechnungen am Anfang des
Abschnitts für jedes z 2 C absolut. Es folgt somit R = 1 in diesem Fall.
C
4.13
Das Leibnizkriterium
Satz 4.60 (Leibniz-Kriterium) Sei (an )n eine P
Nullfolge mit a0
1
· · · 0. Dann konvergiert die alternierende Reihe n=0 ( 1)n an .
Beweis: Für die Teilsummen sn =
k=0 (
s2n+2 = s2n
0
a2n+1 + a2n+2 = s2n
a2
1)k ak gilt:
s2n = (a0 a1 ) + (a2 a3 ) + · · · + (a2n
| {z } | {z }
|
0
und
Pn
a1
2
{z
a2n
0
1) +
}
a2n
|{z}
(4.16)
0.
0
(4.17)
(a2n+1 a2n+2 )  s2n .
|
{z
}
0
Nach (4.17) ist (s2n )n monoton fallend. Da (s2n )n nach (4.16) nach unten beschränkt ist, existiert s = limn!1 s2n (Satz 4.19). Nach Korollar 4.41 haben wir
auch a2n+1 ! 0, so dass nach den Grenzwertregeln aus Satz 4.17 gilt:
lim s2n+1 = lim (s2n
n!1
n!1
a2n+1 ) = lim s2n
n!1
lim a2n+1 = s
n!1
0 = s.
Aus s2n ! s und s2n+1 ! s folgt sn ! s: zu " > 0 finden wir N1 mit |s2n s| < "
für alle n
N1 und analog N2 mit |s2n+1 s| < " für alle n
N2 ; für alle
n max{2N1 , 2N2 + 1} gilt dann |sn s| < ".
2
Beispiel 4.61
P1
Die alternierende harmonische Reihe n=1 ( 1)n n1 konvergiert. Dies folgt unmittelbar aus dem Leibniz-Kriterium.
C
4.14 Rechnen mit konvergenten Reihen
4.14
69
Rechnen mit konvergenten Reihen
Aus den Rechenregeln für konvergente Folgen (Satz 4.17) ergibt sich unmittelbar
der folgende Satz:
Satz 4.62 (Rechenregeln für konvergente Reihen) Konvergente Reihen darf
man P
gliedweise addieren,
P1 subtrahieren und mit einer Konstanten multiplizieren, d.h.
1
sind n=0 an und n=0 bn beide konvergent, so gilt:
1
X
n=0
(an ± bn ) =
1
X
( an ) =
n=0
für alle
1
X
an ±
n=0
1
X
1
X
bn
n=0
an
n=0
2 C.
2
P1
Definition 4.63 Sei n=0 P
an eine Reihe und : N ! N eine P
bijektive Abbildung.
1
1
Dann nennen wir die Reihe n=0 a (n) eine Umordnung von n=0 an .
Beispiel 4.64
Wir betrachten die nach dem Leibnizkriterium Beispiel 4.61 konvergente alternierende harmonische Reihe
1 1
+
2 3
1
1 1
+
4 5
1
+ ...
6
(4.18)
Eine Umordnung der Reihe ist dann
1+
1
3
1 1 1
+ +
2 5 7
1 1
1
+ +
4 9 11
1
+ ...
6
(4.19)
(es folgt auf zwei positive Glieder jeweils ein negatives Glied). Sei s der Grenzwert
der Reihe (4.18). Dann gilt
s=1
1 1 1 1 1 1
+
+
+
2 3 | 4{z 5} | 6{z 7}
<0
+ ··· < 1
1 1
5
+ = .
2 3
6
<0
Sei andererseits s0n die nte Teilsumme der Reihe (4.19). Wir haben
1+
1
3
1 1 1
+ +
2 |5 {z
7
1 1
1
+ +
4} |9 11
{z
>0
und, da für alle k
>0
1 die Ungleichung
1
4k
3
+
1
4k
1
1
+...
6}
1
>0
2k
gilt, folgt s03 < s06 < s09 < . . . . Dies bedeutet aber
lim sup s0n > s03 =
n!1
5
.
6
(4.20)
Wegen (4.20) kann die Reihe (4.19) also auf keinen Fall gegen den Grenzwert s der
Reihe (4.18) konvergieren.
C
Vorlesung vom:
22.05.2015
Video zur
Vorlesung:
70
Folgen und Reihen
Satz
P1 4.65 (Absolute Konvergenz impliziert unbedingte Konvergenz) Ist
Zahlen, die absolut konvergiert, so konvergiert auch
n=0 an eine Reihe komplexer
P1
jede Umordnung von n=0 an , und alle Umordnungen konvergieren gegen den gleichen Grenzwert.
P1
P1
P1
Beweis: Sei n=0 an absolut konvergent gegen s, also s = n=0 an . Sei n=0 a
eine beliebige Umordnung. Wir setzen
m
X
sm =
ak
s0m :=
und
k=0
m
X
a
(n)
(k) .
k=0
Sei
P1" > 0 beliebig. Wir finden aufgrund der absoluten Konvergenz der Reihe
n=0 an ein N 2 N, so dass
m
X
k=n
gilt. Da
|ak | < " für alle m
: N ! N surjektiv ist, finden wir N 0
n
(4.21)
N
N , so dass:
{0, 1, 2, . . . , N } ✓ { (0), (1), (2), . . . , (N 0 )} .
Für M
(4.22)
N 0 betrachten wir die Differenz der Teilsummen:
s0M
sM =
M
X
a
k=0
= (a
(0)
(k)
M
X
ak =
k=0
M
X
(a
ak )
(k)
k=0
a0 ) + (a
a1 ) + · · · + (a
(1)
(M )
aM ).
Wegen (4.22) (und M N 0 ) treten die Zahlen a0 , . . . , aN sowohl in der Summe s0M
als auch in der Summe sM auf und heben sich damit auf. Daher gilt
s0M
sM =
N +1 aN +1
+
N +2 aN +2
+ ... +
mit
M aM
j
2 { 1, 0, 1}.
(4.23)
Damit folgt:
|s0M
sM | 
M
X
|ak |
k=N +1
(4.21)
<
".
P1
P1
Daraus ergibt sich n=0 (a (n) an ) = 0. Wegen n=0 an = s und den Rechenregeln für konvergente Reihen (Satz 4.62) folgt daher
1
X
n=0
a
(n)
=
1
X
(a
(n)
an ) + an =
n=0
1
X
(a
(n)
an ) +
n=0
1
X
an = 0 + s = s.
n=0
Dies wollten wir zeigen.
2
Es gilt darüberhinaus der große Umordnungssatz, dessen Beweis wir hier uns aber
sparen:
P1
Satz 4.66 (Großer Umordnungssatz (Riemann)) Sei n=0 an eine Reihe reeller Zahlen, die konvergiert, aber nicht absolut
P1 konvergiert. Sei ferner 1  ↵ 
 +1. Dann existiert eine Umordnung n=0 a (n) mit Teilsummen s0n , so dass
lim inf s0n = ↵
n!1
und
lim sup s0n = .
n!1
4.14 Rechnen mit konvergenten Reihen
71
Beweis: Siehe etwa [Rud76].
2
P1
P1
Satz 4.67 (Cauchy-Produkt von Reihen) Seien
n=0 an und
n=0 bn zwei
Reihen komplexer Zahlen mit folgenden Eigenschaften:
P1
P1
(i)
n=0 an = A 2 C und
n=0 an konvergiert absolut.
P1
(ii)
n=0 bn = B 2 C.
P1
Definieren wir dann die Reihe n=0 cn mittels
cn =
n
X
a k bn
n
X
bk ,
k, n
(4.24)
= 0, 1, 2, . . .
k=0
P1
so gilt
n=0 cn = AB. Mit anderen Worten: Das Cauchy-Produkt (4.24) zweier
konvergenter Reihen konvergiert gegen den „richtigen Wert“, wenn mindestens eine
der beiden Reihen absolut konvergiert.
Beweis: Wir setzen:
n
X
An :=
ak ,
Bn :=
k=0
n
X
Cn :=
k=0
Es gilt dann:
ck ,
n
Cn = c0 + c1 + · · · + cn
= a0 b0 + (a0 b1 + a1 b0 ) + · · · + (a0 bn + a1 bn
= a0 (b0 + b1 + · · · + bn ) + a1 (b0 + · · · + bn
= a 0 Bn + a 1 Bn
= a0 (B +
1
= (a0 + · · · + an )B + a0
= An B +
n
1
1)
+ · · · + an B0
n ) + a1 (B +
= An B + a 0
|
+ a1
n 1
{z
=:
n.
:= Bn
B.
k=0
n 1)
n
+ · · · + a n b0 )
+ · · · + a n b0
+ · · · + an (B +
+ a1
n 1
+ . . . an
n
+ . . . an
0)
0
(4.25)
0
}
(4.26)
Wir wollen zeigen, dass Cn ! AB gilt. Da An B ! AB, genügt es zu beweisen, dass
n ! 0 gilt.
P1
P1
Sei dazu " > 0 vorgegeben. Da n=0 an absolut konvergiert, existiert ↵ = n=0 |an |.
Da n ! 0 finden wir ein N 2 N, so dass | n | < " für alle n N ist. Für n N
haben wir daher:
|
n|
= |a0
n
+ · · · + an
N N
 |a0 | · | n | + · · · + |an
|{z}
<"
 ↵" + |an
1) N
(N
1
+ an
(N
1) N
N | · | N | +|an
|{z}
1
(N
+ · · · + an
1) N
0|
<"
+ · · · + an
(4.27)
0|
Da n ! 0, gibt es insbesondere ein R > 0, so dass |
Aus (4.27) ergibt sich daher:
|
0|
1 + · · · + an
n |  ↵" + R
n
X
k=n (N
1)
|ak |.
n|
 R für alle n 2 N.
(4.28)
P1
Da
Pn die Teilsummen von n=0 |an | nach Satz 4.40 eine Cauchy-Folge bilden, gilt
k=n (N 1) |ak | < " falls nur n groß genug ist. Die rechte Seite von (4.28) wird
also beliebig klein, und wir erhalten damit n ! 0 wie gewünscht.
2
72
Folgen und Reihen
4.15
Die Exponentialfunktion
Definition 4.68 (Exponentialfunktion) Die Exponentialfunktion exp : C ! C
ist definiert durch
exp z :=
1
X
zn
.
n!
n=0
(4.29)
Die Exponentialfunktion ist ein Beispiel für eine Potenzreihe. Als erstes beweisen
wir das bekannte „Additionstheorem“ für die Expoentialfunktion, indem wir unsere
Kennnisse über Potenzreihen, insbesondere über das Cauchy-Produkt, anwenden.
Lemma 4.69 Für die in Definition 4.68 definierte Exponentialfunktion exp : C !
C gilt:
exp(z + w) = exp z · exp w
für alle z, w 2 C.
P1
Beweis: Wir wissen bereits, dass die Potenzreihe n=0 z n /n! für alle
P1z 2 C abn
solut konvergiert (siehe Abschnitt
4.12).
Mit
a
=
z
/n!
konvergiert
n
n=0 an also
P1
absolut. Da auch die Reihe n=0 bn mit bn = wn /n! konvergiert haben wir nach
Satz 4.67:
!
!
1
1
X
X
zn
wn
exp z · exp w =
·
n!
n!
n=0
n=0
=
=
1 X
n
X
zk
k!
n=0 k=0
1
n
X
X
1
n!
n=0
k=0
·
wn k
(n k)!
n!
z k wn
k!(n k)!
(nach Satz 4.67)
k
1
X
1
=
(z + w)n
n!
n=0
=
(nach Satz 3.17)
1
X
(z + w)n
n!
n=0
= exp(z + w).
2
Wir leiten jetzt einige weitere wichtige Eigenschaften der Funktion her:
Satz 4.70 Die Exponentialfunktion exp : C ! C besitzt folgende Eigenschaften:
(i) exp(z + w) = exp(z) · exp(w) für alle z, w 2 C.
(ii) exp z 6= 0 für alle z 2 C und exp x > 0 für alle x 2 R.
(iii) exp ist streng monoton steigend auf R.
xn
exp
x
x!1
(iv) Für jedes n 2 N gilt: lim
= 0 („exp wächst schneller als jede Potenz
von x“). Da wir einen Grenzwert der Form „ lim “ noch nicht erklärt hatten:
x!1
Für jedes " > 0 gibt es ein ! > 0, so dass |xn / exp x| < " für alle x > !.
4.15 Die Exponentialfunktion
73
Beweis:
(i) Siehe Lemma 4.69.
(ii) Für jedes z 2 C gilt nach (i) exp(z)·exp( z) = exp(z z) = exp(0) = 1. Da C
ein Körper ist, folgt daraus bereits exp z 6= 0 für alle z 2 C (siehe Satz 3.12).
Für x 2 R mit x > 0 ist xn /n! > 0 für alle n 2 N, so dass in der Reihe (4.29)
nur positive Summanden stehen. Daher folgt exp x > 0. Für x < 0 haben wir
exp x = exp(1 x) > 0.
(iii) Falls 0 < x1 < x2 folgt exp x1 < exp x2 direkt aus der Definition der Exponentialfunktion (wegen xn1 < xn2 für alle n 2 N). Für x1 < x2 < 0 ist
x1 > x2 > 0, also exp( x2 ) < exp( x1 ) und damit exp1 x2 < exp1 x1 , was
exp x1 < exp x2 impliziert. Letztendlich haben wir für x1 < 0 < x2 noch
exp x1 < exp 0 = 1 < exp x2 . Dies zeigt die behauptete Monotonie.
(iv) Nach Definition der Exponentialfunktion ist exp x
xn
(n + 1)!

exp x
x
xn+1
(n+1)!
für x > 0, also
x!1
! 0.
2
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