Inhalt: Allgemeine I – Vorbereitung: Allgemeine I - Zusammenfassung Methoden: Bortz – Methodenlehre, Teile: Methoden: Stelzl: Methoden: Methodenskript: Methoden: Methodenlehre-Tutorium: Methoden: Wottawa-Methodenlehre: Methoden: UweC-Experiment: Methoden: Statistik I Script Allgemeine II – Vorbereitung: Allgemeine II – Zusammenfassung: Persönlichkeitspsychologie - Vorbereitung: Persönlichkeitspsychologie – Zusammenfassung Entwicklungspsychologie: Entwicklungspsychologie - Zusammenfassung Biopsychologie: Biopsychologie – Zusammenfassung: Sozialpsychologie – Vorbereitung: Sozialpsychologie – Zusammenfassung: 1 – 164 332 – 363 363 – 392 393 – 407 407 – 477 477 – 515 515 – 556 556 – 616 164 – 331 616 – 818 Ausarbeitung Allgemeine Psychologie I Was kennzeichnet die moderne Psychologie? Sie ist ein sehr heterogenes Feld, in dem sich unterschiedlichste Ansätze versammeln. Sie ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Theorien, Gegenständen und Befunden. Was ist das Ziel des Buches von Schönpflug? Die konstruktiven Bemühungen des Faches Psychologie zur Lösung der vielfältigen Probleme als Prozeß darzustellen. Außerdem durch die historische Analyse zur Beschreibung der Psychologie als Wissenschafts- und Praxissystem zu gelangen. Welche zentralen Themen sind im Buch von Schönpflug wichtig? -die thematischen Schwerpunkte in der Psychologie. -theoretische und methodische Richtungen in der Psychologie. -die Praxis der Psychologie als Beruf. -die Dichotomie zwischen wissenschaftlich und außerwissenschaftlich betriebener Psychologie. -Psychologie im Kontext anderer Berufe. -Psychologie im Rahmen des politischen, wirtschaftlichen und religiösen Umfeldes. Was nennt man eine Systematik? Eine ordnende Darstellung eines Gegenstandsbereiches. Hier z.B. die Gliederung der Psychologie und ihre gesellschaftliche Stellung. Was macht Lehrbücher evtl. zu Mitteln der Beherrschung? Es wird eine dreifache Auswahl nach Richtigkeit, Wichtigkeit und Relevanz des Stoffes durchgeführt. Dabei können sich die Autoren täuschen, da es keine verbindlichen Maßstäbe dieser Punkte gibt. Dadurch wird die Auswahl subjektiv. Im schlimmsten Fall findet die Selektion durch eine schlechte Absicht statt, dann werden die Lehrbücher zu Mitteln der Unterdrückung. Wichtig ist, die Selektion verantwortlich durchzuführen. Was ist momentan die schlüssigste Ordnung der Psychologie? Die historische. Der momentane Stand ist zu begreifen, indem man die Entwicklung der Psychologie nachvollzieht. Außerdem beleuchtet dies die Hintergründe aktueller Diskussionen und erlaubt eine kritische Diskussion. Kapitel 1: Psychologie an der Schwelle zum Jahr 2000 Was ist das Ziel des Kapitels 1? Einen Überblick über den momentanen Status der Psychologie zu geben, bevor dieser historisch hergeleitet wird. Hierbei wird vor allem auf Programme, Einrichtungen, Stellung und Rolle der Psychologie als Wissenschaft eingegangen werden. Was ist die momentane Psychologie? Eine Sammlung von Theorien die sich mit dem Bewußtsein und Handeln von Individuen beschäftigt. Sie will sich auch praktisch bewähren. Die Psychologie erwächst aus der Allgemeinbildung und erweitert deren Methoden und Verfahren. Wie deutete Freud die Pferdephobie des kleinen Hans? Die Pferde repräsentieren den Vater, vor dem das Kind Angst hat, was man daran sieht, daß sich Vater und Pferd ähnlich sind. In den Träumen des Kindes kommt symbolisch dessen Kastrationsangst zum Ausdruck, da der Vater ein Rivale des Kindes um die Liebe der Mutter ist. Andererseits empfinde das Kind auch Zuneigung, aus dem Konflikt erwächst Angst. Diese Komplexe würden ins Unbewußte verdrängt. Wie deuten Watson und Rayner eine andere Tierphobie? Behavioristisch. Diese stellten bei einem kleinen Kind, Albert eine Phobie vor einem Kaninchen durch Konditionierung her. Das bedeutet, daß das Kind eine Verbindung zwischen Reiz und Reaktion hergestellt hat. Der Reiz „Hammerschlag“ führt zur Reaktion „Erschrecken“. Da das Kind gleichzeitig auch dem Reiz „Hase“ ausgesetzt war, habe sich eine neue Verbindung zwischen Hase und Erschrecken gebildet. Was wird an den Erklärungen der Tierphobie deutlich? Für dieselbe Erscheinung gibt es völlig verschiedene Deutungen innerhalb der Psychologie. Zum einen gibt es hier psychoanalytische, zum anderen behavioristische Ansätze. Wieviele Indexwörter muß die Zeitschrift Psychological Abstracts nutzen um die Gebiete übersichtlich zu ordnen? Über 8000. Und das ist nur eine recht grobe Einteilung. Was ist eine Domäne (domain)? Nach Shapere (1977) ein eng umschriebener Gegenstand der Erfahrung, welche zur weiteren Untersuchung anregen und mit Erklärungen bedacht werden. Problemfelder. Wie können Domänen von Wissenschaftlern bearbeitet werden? Mit ganz unterschiedlichen Ansätzen. Manchmal wechseln sich diese Ansätze ab, manchmal bleiben sie nebeneinander bestehen, manchmal treten sie zueinander in Konkurrenz. Was versteht Thomas Kuhn (1962/1967) unter einem Paradigma? Ein Paradigma ist ein wissenschaftlicher Ansatz und zwar als Kombination von • Grundüberzeugungen • Forschungsmethoden • Darstellungsformen Diese werden zu Vorbildern für die scientific community. Diese nannte er Paradigmen, d.h. Muster. Die Vertreter eines Paradigmas bilden innerhalb der scientific community eine eigene Gemeinschaft. Welche Paradigmen kennt die Psychologie? Die Psychoanalyse. Diese hat eigene Grundauffassungen, z.B. die Trennung des Bewußtseins vom Unbewußten, oder die Verdrängung ins Unbewußte eine eigene Methodik, z.B. Traumdeutung und Analyse von Versprechern, sowie eigene Darstellungsformen, wie eine Fachsprache „Ödipuskomplex“, „phallische Phase“. Die Psychoanalyse beruft sich auf Freud. Den Behaviorismus. Auch dieser besitzt eigene Grundauffassungen (z.B. die Annahme von Reiz-Reaktionsverbindungen als Ursache von Verhalten), eigene Methoden, z.B. An- und Abtrainieren von Reiz-Reaktionsverbindungen, sowie Fachausdrücke wie Konditionieren. Die Behavioristen berufen sich auf Watson. Was kennzeichnet Paradigmen? Sie sind eine Gemeinschaft mit Konsens nach innen, Dissens nach außen. Oft gibt es einen starken Paradigmengründer (der nicht zu tolerant sein darf), sie gründen Vereinigungen und geben Fachzeitschriften heraus. Paradigmen berufen sich auf einen Gründer, so z.B. die Psychoanalyse auf Freud. Wer seine Lehre zum Vorbild nimmt, bezeichnet sich als Freudianer. Wie kann man Psychologisches Wissen darstellen? Im Sinne einer Kombination von Domänen und Paradigmen, d.h. durch eine Tafel, auf der auf einer Achse die Paradigmen und auf der anderen die Domänen aufgetragen sind. Jede Zeile wird mit jeder Spalte kombiniert. Nicht alle Domänen werden von allen Paradigmen beforscht, Paradigmen konzentrieren sich oft auf eine Auswahl an Domänen - manchmal jedoch werden Domänen von allen Paradigmen untersucht. Ist das Vorhandensein mehrerer Paradigmen zu einer Domäne ein Nachteil momentaner Psychologie? Das zu einem Phänomen mehrere Erklärungen geboten werden, führt nicht selten zu Streit. Andererseits kann dies durch die vielschichtige Natur des Falles gerechtfertigt sein. Es ist denkbar, daß verschiedene Paradigmen durchaus nebeneinander gelten: Immerhin kann es ja sein, daß die Gründe für den Erwerb einer Angst unterschiedlich waren. Oft werden aber die Erklärungen des anderen Paradigmas wechselseitig abgelehnt. Was sind die Folgen dieses Pluralismus in der Psychologie? Karl Bühler (1927) sprach über die Meinungsvielfalt innerhalb der Psychologie als einer Krise der Psychologie. Mittlerweile sinkt bei vielen Psychologen jedoch die Bereitschaft, über die richtige Methode zu streiten. Die Folgen sind Pluralismus, Eklektizismus und Integration. Was bedeutet Pluralismus? Pluralismus (Mehrzahl) bedeutet die Duldung eines Nebeneinander verschiedener Paradigmen – jedem Beurteiler wird die Freiheit der Entscheidung überlassen. Was bedeutet Eklektizismus? Eklektizismus (Auswählen) ist das Verfahren, eine Auswahl aus unterschiedlichen Paradigmen zu treffen. Je nach jeweiliger Angemessenheit. Was bedeutet Integration? Das Bemühen um Integration sucht nach Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen Paradigmen und befürwortet die Verbindung zwischen den zunächst unvereinbaren Ansätzen. Wie ist der Status der Psychologie als Einzelwissenschaft? Die Psychologie ist mittlerweile weltweit als Einzelwissenschaft anerkannt. Dies ist belegt durch die Einrichtung psychologischer Lehr- und Forschungsinstitute, sowie die Verbreitung psychologischer Fachliteratur. Was sind Forschungsprogramme? Sie sind ein Begriff von Lakatos (1970/1974). Diese beruhen auf Regeln, nach welchen Probleme, Lösungen und Lösungswege zu bestimmen sind. Hierin sind wissenschaftliche Regeln den Regeln für Gesellschaftsspiele vergleichbar. Es müssen bestimmte Regeln vereinbart werden. Aus unterschiedlichen Regeln entstehen unterschiedliche Programme. Wobei sich bei der Psychologie das Problem ergibt, daß die Regeln schwerer rekonstruierbar sind als die von Gesellschaftsspielen. Welche Arten von Forschungsprogrammen unterscheidet Herrmann (1979)? Herrmann unterscheidet Forschungsprogramme die sich auf Domänen beziehen und solche, die sich auf Paradigmen beziehen. Domänenbezogene Forschungsprogramme trachten danach, Problemfelder wie z.B. Angst oder Arbeitslosigkeit aufzuklären und lassen dabei unterschiedliche paradigmatische Ansätze zu. Hier spricht man z.B. von psychologischer Angstforschung. Paradigmenbezogene Forschungsprogramme erkunden die Berechtigung und Reichweite von Erklärungsansätzen. Diese versuchen die Leistungsfähigkeit der Paradigmen zu verbessern. Hier spricht man z.B. von Forschungen zu Psychoanalyse, etc. Hier sind oft mehrere Domänen zugelassen. Wodurch besticht Erfolgreiche Methodik? Durch die Sorgfalt und das Geschick, mit welcher Regelsysteme entworfen und gegen Widerstände durchgehalten werden. Wie bewährt sich die Psychologie als Einzelwissenschaft? Einzelwissenschaften bewähren sich durch den Erfolg ihrer Forschungsprogramme, Methodik und Dokumentation. Wodurch begründet sich der Eindruck wissenschaftlichen Fortschritts? Gute Forschungsprogramme werfen neue Fragen auf und lassen alte in neuem Licht erscheinen und bringen neue Antworten hervor. Durch die neue Sicht von Problemen und neue Lösungsvorschläge entsteht dieser Eindruck. Wodurch wird der wissenschaftliche Fortschritt in der Psychologie dokumentiert? Durch die Berichte in den Zeitschriften und Büchern über die Forschungsprogramme. Momentan erscheinen pro Jahr ca. 40000 Bücher und Zeitschriftenartikel. Zudem nimmt die Bedeutung der Publikation im Internet weiter zu. Weshalb werden oft auch domänenbezogene Forschungsprogramme den Schulen zugeordnet? Weil der Wissenschaftler auch ein Schriftsteller ist und ein erfolgreicher Forscher untersucht viele Dinge. Weshalb gibt es eine Transdisziplinäre Psychologie? Was bedeutet dies? Viele Domänen der Psychologie beschäftigen mehrere Disziplinen, wie z.B. auch noch die Medizin oder die Wirtschaftswissenschaften. So ist z.B. Angst auch ein Thema der Medizin und der Wirtschaftswissenschaften. Ein aktuelles Beispiel ist auch die Hirnforschung, bei welcher neben Psychologie auch noch Wissen in Anatomie, Chemie, Physik, etc. verlangt ist. Diese Forschung überschreitet die Grenzen der Psychologie. Als Transdisziplinäre Psychologie bezeichnet man Psychologie, die sich über die Grenzen einschlägiger Disziplinen hinweg darstellt. Oft wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit gesucht, um die Expertise verschiedener Fachgebiete zusammenzuführen. Es gibt sogar Fächer, die psychologische Forschen, deren Themen aber in der Psychologie selbst fehlen. Worin spiegelt sich die Unterschiedliche Wertschätzung von Domänen und Forschungsprogrammen? Unterschiedliche Begriffe scheinen der Disziplin unterschiedlich wichtig zu sein. Dies ergibt sich jedenfalls durch Umfragen an Experten. Hier fällt auf, daß Begriffe, die auch in der Umgangssprache existieren, für die Psychologie immer noch wichtig zu sein scheinen. Was geschieht im Überschneidungsgebiet von Disziplinen? Hier siedeln sich eigene Forschungsprogramme an, es entwickeln sich Spezialdisziplinen, sogenannte Bindestrichfächer, z.B. die Rechtspsychologie, die sich z.B. mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen vor Gericht beschäftigt (welche von Gedächtnis und Ehrlichkeit abhängt). Ist Psychologie auch ein Teil der Allgemeinbildung? In der Tat ist die Psychologie auch in erheblichem Maße ein Teil der Allgemeinbildung. Man muß nicht Psychologie studiert haben, um Angst empfinden zu können. Es gibt viel psychologisches Wissen als Teil der Allgemeinbildung. Dieses Wissen nennt man häufig „naive Psychologie“, „Volkspsychologie“ oder „Laienpsychologie“. Was unterscheidet die psychologische Allgemeinbildung von der wissenschaftlichen Psychologie? Der Erwerb der psychologischen Allgemeinbildung wird nicht systematisch betrieben, meist handelt es sich um stillschweigende, implizite Prozesse dessen Regeln den einzelnen selbst nicht oder nur ungenau bewußt sind. Leistungsträger und zentrale Figuren der psychologischen Allgemeinbildung sind nur schwer auszumachen, der Prozeß folgt Konventionen und Moden. Oft sind auch Sprichwörter die Quelle des psychologischen Wissens. Jedenfalls mangelt es oft an ausdrücklichen Forschungsprogrammen und konkurrierenden Paradigmen. Wie ist die Beziehung zwischen psychologischer Allgemeinbildung und wissenschaftlicher Psychologie? Manche Fachvertreter wie George Kelly (1955) oder Fritz Heider (1958) betonen die Fähigkeit des Laien, Eigenschaften zur Beschreibung von Personen zu bilden. Tatsächlich stammen viele Begriffe der wissenschaftlichen Psychologie aus der Umgangssprache und wurden in der Psychologie nur präzisiert. Laien haben insbesondere oft ein großes psychologisches Handlungswissen. Außerdem diffundieren auch psychologische Fachbegriffe in die Umgangssprache, so z.B. Verdrängung, Ödipuskomplex. Es findet also ein beträchtlicher Austausch statt. Das Bindeglied zwischen psychologischer Allgemeinbildung und wissenschaftlicher Psychologie wird Popularpsychologie genannt. Wie versteht sich die Popularpsychologie? Als wissenschaftliches Unternehmen, welches ihren Bestand zu dokumentieren und durch Veröffentlichung zu verbreiten sucht. Oft sind es Wissenschaftler, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Andererseits sind es auch Experten für bestimmte Bereiche, manche sind durch ihre eigene Betroffenheit zu Experten geworden, wieder andere sind Wissenschaftspublizisten, welche sich die Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Aufgabe gemacht haben. Deshalb wird Popularpsychologie im Gegensatz zur Wissenschaftlichen Psychologie auch in Rundfunk und Fernsehen betrieben. Woher stammt der Begriff der Popularpsychologie? Vom Philosophen und Psychologen Max Dessoir (1902). Dieser sieht in ihr eine auf die Allgemeinbildung ausgerichtete Psychologie innerhalb einer auf Allgemeinbildung ausgerichteten Philosophie. Vor allem kam es ihm auf die Verbreitung der Forschungsergebnisse im Geiste des Rationalismus und auf die Verbreitung von Selbsterfahrung im Geiste des Sentimentalismus an. Wie verhalten sich Einzelwissenschaftliche, Transdisziplinäre und populäre Psychologie zueinander? Ein solches Nebeneinander ist nicht ungewöhnlich und auch in anderen Disziplinen zu beobachten. Allerdings hat sich die Psychologie noch nicht so stark vom Allgemeinwissen abgesetzt, wie die Physik. Erst in der Entwicklung von Paradigmen überschreitet die wissenschaftliche Psychologie die Grenzen der Allgemeinerfahrung. Wenn man von der Domäne des Unbewußten absieht. Dadurch ist das Interesse der Allgemeinheit am Unbewußten auch so groß – dieses kann man nicht durch Lebenserfahrung wissen. Welche Gefahren erwachsen, wenn man sich auf Popularpsychologie beschränkt? Ohne weiterführende Forschung ist es schwer, Einsichten zu überprüfen und zu erweitern. Außerdem verliert man dann die Wissenschaft als kritische Instanz. Vor allem die Psychologie leidet unter vielen falschen Experten. Was ergibt sich aus der großen Überschneidung der Domänen mit anderen Fächern? Einerseits die Chance zu einer fruchtbaren Kooperation, andererseits eine harte Konkurrenz, aber auch Unverständnis und Enttäuschung, wenn die verwendeten Methoden zu unterschiedlich sind. Konkurrenz ist schädlich, wenn sie von der Auseinandersetzung um knappe Mittel beherrscht wird. Der Rückzug in die eigene Disziplin ist oft Folge von einer überaus großen Konkurrenz und Enttäuschung. Wurden die Psychologien von der Psychologie als Einzelwissenschaft abgelöst? Wie ist dies zu bewerten? Nein, die Popularpsychologie und die transdisziplinäre Psychologie haben ihre Eigendynamik weitgehend behalten. Dies ist jedoch nicht die Sicht der meisten Psychologen. Manche trennen stark zwischen Wissenschaftlern (Subjekten) und den Objekten der Wissenschaft Psychologie – andere Menschen, z.B. Skinner (1971/1973). Nur Diplompsychologen besäßen die Kompetenz zur Behandlung und Beurteilung psychologischer Probleme. Auch die modernen Psychologenverbände fordern den Schutz und die Anerkennung der Einzelwissenschaft Psychologie durch den Gesetzgeber. Besonders auch Klaus Foppa (1989) beklagt den Umstand, daß jeder auch den Psychologen über die Psychologie belehren wolle. Wozu benötigt man Institute? Um Wissen zu pflegen und nutzbar zu machen. Konkret vor allem zur Forschung, Lehre und Praxis psychologischen Wissens. Was versteht man unter Institutionalisierung? Das Schaffen, Erhalten und Gestalten von Einrichtungen. Auf welche Art von Instituten verteilt sich die moderne Psychologie? Anhand der Aufgabenverteilung auf Forschungsinstitute, Praxisinstitute und Universitätsinstitute, die sowohl Forschungs- als auch Lehraufgaben innehaben. Was kennzeichnet Institute? • Durch ihre Organisation (z.B. national oder international) • materielle und personelle Ausstattung (z.B. Raumausstattung, Personalhaushalt) • administrative oder politische Vorgaben (z.B. Studienordnungen) Was sind häufig angewandte methodische Ansätze innerhalb der Psychologie, welche Bedeutung hat dies für die Institute? • freie Befragung und Beobachtung • statistische Erhebungen durch Fragebögen • experimentelle Variation von psychisch wirksamen Bedingungen Von der jeweiligen methodischen Orientierung hängt ab, ob für die Forschungen z.B. ein Labor benötigt wird. Wie ist in Deutschland die Forschung organisiert? Den Löwenanteil tragen die staatlich finanzierten Unis, allerdings nehmen außeruniversitäre Institutionen, wie die Deutsche Forschungsgesellschaft oder die Max-Plank-Gesellschaft an Bedeutung zu. Wie sind die in wissenschaftlicher Forschung und Lehre tätigen Psychologen in Deutschland organisiert? In der deutschen Gesellschaft für Psychologie. Diese vertritt die wissenschaftliche Psychologie gegenüber dem Staat, anderen Verbänden und der Öffentlichkeit. Sie organisiert Kongresse, welche dem Austausch von Forschungsergebnissen dienen. Die nationalen Verbände sind organisiert in der International Union of Psychological Associations – diese veranstaltet alle vier Jahre einen Weltkongreß. Wie erfolgt die Ausbildung zum Psychologen? Die Ausbildung ist bisher ein Privileg der Universitäten. Als Abschluß macht man ein Diplom oder einen Magister (Master) als Beleg für ein erfolgreiches Studium. Mit der Promotion zum Doktor schafft man die Möglichkeit zur fortgeschrittenen wissenschaftlichen Qualifikation. Im Studium sind folgende Fächer verbindlich: • Allgemeine Psychologie: Psychologische Funktionen und Theorien sowie Geschichte • Methodenlehre: Datenerhebung und Auswertung sowie Wissenschaftstheorie • Persönlichkeitspsychologie, Differentielle Psychologie • Entwicklungspsychologie • Sozialpsychologie • Biopsychologie • Psychologische Diagnostik und Intervention • Pädagogische Psychologie • Arbeits- und Organisationspsychologie • Klinische Psychologie Wie erfolgt die Ausbildung nach dem Studium? Der Weiterbildung nach dem Studium kommt in der Psychologie eine große Bedeutung bei. Den größten Beitrag leistet hier die vom Berufsverband deutscher Psychologen getragene Psychologenakademie. Was sind deutliche Indikatoren des Erfolges der Psychologie? Mittlerweile gibt es rund 1200 periodisch erscheinende Fachzeitschriften, davon 200 die sich nur mit aktueller Forschung in der Psychologie befassen. Die Zahl der wissenschaftlich ausgebildeten Psychologen ist mittlerweile sicher über 200000 gestiegen. In Deutschland selbst sind ca. 30000 Psychologen tätig. Welche Aufgaben stellen sich für praktisch tätige Psychologen? Für diese gibt es eine Reihe häufig übernommener Aufgaben: • • • • Begutachtung und Beratung von Schülern und Arbeitern Diagnose und Behandlung psychischer Störungen Organisation und Bewertung von Arbeit Entwurf und Bewertung von Werbung Mittlerweile gibt es jedoch eine Fülle weiterer Aufgaben für Psychologen. Diese sind kaum noch darstellbar, es gibt auch eine Fülle von Einrichtungen, die Psychologen beschäftigen. Der Psychologe kann sowohl freiberuflich, als auch als Angestellter oder Beamter tätig sein. Die Krankenkassen sind jedoch als Geldgeber der Psychotherapie jedoch noch zu wenig eingespannt. Hier wollen die Mediziner ihre Pfründe sichern. In welchen Gebieten sind die meisten Psychologen tätig? In klinischer, A+O und Pädagogischer Psychologie arbeiten 95% aller Psychologen. Diese sind im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen zusammengeschlossen. Der größte Erfolg war bisher die Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes. Dieses stellt klinische Fachpsychologen den ärztlichen Psychotherapeuten gleich. Dieser Verband fördert auch die Weiterbildung der Mitglieder und betreibt die Öffentlichkeitsarbeit. In welchen Einrichtungen sind die meisten Psychologen tätig? In der freien Praxis, dicht gefolgt von Kliniken und Beratungsstellen. Wie organisiert sich die Selbstkontrolle der Psychologen? Durch die Verabschiedung von Berufsethischen Verpflichtungen für Psychologen und die Einsetzung eines Ehrengerichtes. Dieses ahndet schwere Verstöße gegen diese Richtlinien, was den Ausschluß aus dem Berufsverband zur Folge haben kann. Welche ethischen Verpflichtungen haben Psychologen? • Sie dürfen Beziehungen zu Klienten nicht für persönliche Interessen ausnutzen. • Sie müssen die Beziehung zu Klienten beenden, wenn sie diesen nicht nützt. • Sie müssen die Auftraggeber vorher über die Grenzen der Psychologie informieren. • Sie dürfen bei der Auswertung von Daten diese nicht manipulieren. • Sie dürfen nur geprüfte Testverfahren anwenden. • Sie dürfen nicht für ihre Dienste werben, sondern müssen sachlich bleiben. Andere Verbände haben ähnliche Richtlinien. Welchen Status hat die Psychologie im Kontext der anderen Fächer? Die Psychologie ist im Vergleich zu anderen Wissenschaften ein mittelgroßes Fach. Auch im Gesellschaftlichen Ansehen nimmt der Psychologe einen Mittelplatz ein. Die Bestimmung des Standortes des Psychologie ist deshalb nicht leicht, weil sie sehr heterogene Forschungsprogramme aufweist. Teile der Psychologie sind den Geisteswissenschaften zuzurechnen, andere Teile eher den Naturwissenschaften. Weite Teile der Psychologie gehören jedoch sicherlich am ehesten zu den Sozialwissenschaften. Dadurch ist die Psychologie dreifach gekennzeichnet. Manche Vertreter der Psychologie würden eine eindeutige Zuordnung fruchtbarer finden, allerdings gab es bisher keine Einigung, in welchen Bereich man sich zuordnen sollte. Wodurch kennzeichnet sich die Psychologische Arbeit noch? Durch die enge Kooperation und Arbeitsteilung mit Vertretern anderer Berufe und Disziplinen, z.B. Ärzten, Sozialarbeitern, Pädagogen, Lehrer, etc. Die Berufsfelder werden meist mit anderen Ausbildungsrichtungen geteilt. Dadurch kommt es jedoch auch zu einem Verdrängungswettbewerb. Hier spielt der Leistungsvergleich eine wichtige Rolle. In diesem schneiden die Psychologen im allgemeinen nicht schlecht ab. Jedoch spielt in diesen Bereichen die Berufserfahrung oft die entscheidende Rolle. Wesentlich ist auch, daß die Psychologen anderen Berufen Arbeit und Verantwortung abnehmen können, z.B. durch Gutachten für Richter. Außerdem stehen die Psychologen auch immer in Konkurrenz zur Selbstbeobachtung der jeweiligen Laien. Dies ist besonders gravierend, wenn Interventionen gegen den Willen der Betroffenen beschlossen werden. In jedem Falle gebührt sowohl der verantwortungsvoll betriebenen Popularpsychologie Respekt, als auch den Interessen der wissenschaftlich betriebenen Psychologie. Gibt es auch Stimmen, welche die Professionalisierung der Psychologie für schädlich halten? Der Psychologieprofessor Alfred Lang (1979) warnt die liberale Gesellschaft davor, einen zentralen Lebensbereich zu monopolisieren. Viele Klienten der Psychologen seien nicht krank, sondern nur leidend. Diese bedürften der Ermutigung, nicht durch externe Beeinflußung durch eine Therapie. Kapitel 2: Anfänge der Wissenschaft, Ursprünge der Psychologie Was sind die zentralen Themen im Kapitel 2? In diesem Kapitel soll die Zeit vor 3000 Jahren in Griechenland dargestellt werden. In dieser Zeit liegen die Wurzeln von Wissenschaftlichkeit und Psychologie. Welcher Kultur werden die Anfänge der Wissenschaftlichkeit zugeschrieben? Den Ioniern im östlichen Mittelmeer (1000-700 v. Chr.) Diese Kultur hatte zwar wohl keine öffentlichen Forschungseinrichtungen, war aber dennoch hoch entwickelt. Die Ionier waren in blühenden Stadtstaaten organisiert, welche Kolonien unterhielten und Handel trieben, sowie Krieg führten. Technisch und wirtschaftlich hatten die Ionier einen hohen Stand erreicht, und unterhielten Kontakt zu anderen Kulturen. Wodurch kam die Wissenschaft zustande? Macht und Erfolg befriedigten nicht alle. Manche machten sich Gedanken über die Ursprünge der Welt und den Dingen jenseits der direkten, praktischen Erfahrung. Welche Funktion hatten Mythen? Was waren ihre Themen? Diese gaben Antwort auf die Fragen nach einer Zeit vor dem Jetzt und einem Ort jenseits des Hier. Wichtige Themen waren die Götter, die Natur und der Mensch. Zentral ist die Frage des Ursprungs. Der berühmteste Mythos ist die biblische Schöpfungsgeschichte. Ähnliche Mythen hatten auch die Griechen – siehe Athenagoras über die Entstehung der Welt oder Plutarch über die Entstehung des Menschen. Die Mythen beinhalteten Vorstellungen über das Entstehen • der Götter (Theogenese) • des Weltalls (Kosmogenese) • des Menschen (Anthropogenese) und die Beschaffenheit dieser Gegenstände und bildeten damit frühe Formen der • Theologie, der Lehre von den Göttern • • Physik, der Naturkunde Anthropologie, der Menschenkunde Was ist das besondere an den Mythen? Ihr Inhalt hebt sich ab von dem Wissen über die eigene Lebenswirklichkeit. Sie heben sich vom Wissen über Land, Staat, Ackerbau und Familie ab und sind oft sprachlich kunstvoll geformte Erfindungen, Dichtungen. Oft ist ihre Wahrheit eine Frage des Glaubens. Das ist auch die Bedeutung des Wortes Mythos = Erzählung. Worauf stützt sich der Glaube an die Wahrheit von Mythen? Vor allem auf Autoritäten, denen die Mythen offenbart wurden. Deshalb sind Mythen oft auch Teile von Religionen, die Autoritäten sind die Propheten. Wo wird die Verbindung zwischen Bericht, Dichtung und Religion besonders deutlich? In der orphischen Bewegung, die sich im 6. Jh. vor Christus in Griechenland ausbreitete. Sie beriefen sich auf Orpheus, dem Sohn von Apoll, dessen Gesang Macht über Menschen, Tiere und göttliche Wesen hat. Orpheus diente seinen Anhängern als Kultfigur, ein Lehrer der mythische Wahrheiten offenbart. Orpheus wurde als Halbgott verehrt, seine Lehre von Athenagoras verbreitet. Mythen vereinen Glauben und Wissenschaft in der Kunst. Was war die Lehre der Orphiker? Sie entwarfen eine Lehre von der Seele (Psyche). Jedes Lebewesen bestehe aus zwei völlig verschiedenen Teilen: Körper und Seele. Auf der Prämisse eines eigenständigen, körperlosen Seelenwesens bauten weitere annahmen über das Schicksal der Seele auf: • Jeder Körper besitzt genau eine Seele. • Eine Seele kann nacheinander in verschiedenen Körpern wohnen (Seelenwanderung). • Die Seele besteht nach dem Tod des Körpers weiter (Unsterblichkeit der Seele). • Seelen können auch ohne Körper leben (z.B. auf der Insel der Seeligen). Was bedeutet der Begriff der Seele? Der Begriff der Seele rührt wohl von dem Vergleich der Toten und der Lebenden her. Tote sehen aus wie Lebende, aber es fehlt ihnen Bewegung und Empfindung. Dies läßt zwei Deutungen zu: Diese gingen verloren, oder sie haben sich vom Körper getrennt. Als körperlose Seele. Allerdings hat man sich die Seele trotzdem oft körperlich vorgestellt. Beinhaltet der Begriff der Seele bei den Orphikern eine Wertzuweisung? Oh ja, in der Tat. Die Seele wird als das hochwertige am Menschen eingeschätzt, der Körper sei minderwertig. Insofern ist bei den Orphikern der Körper das Gefängnis der Seele, der Körper wird der Seele zur Last. Diese Last habe die Seele zu tragen, weil sie nicht makellos ist, Schuld auf sich geladen hat. Sie muß sich von dieser Schuld durch Sühne befreien. Allerdings hat die Seele diesen Weg, der Körper verharrt in hoffnungsloser Unvollkommenheit. Welche Motive wissenschaftlicher Tradition treten bereits bei den Orphikern auf? • Die kritische Einstellung gegenüber der Lebenswert und ihren Aufgaben • Das Bedürfnis nach Transzendenz, d.h. nach Überschreiten der aktuellen Erfahrung • der Drang nach Erweiterung des Bewußtseins. Welchen Nutzen haben Theorien? Die Ablehnung der gegenwärtigen Lebenswelt geht mit einem Denken über andere Zeiten einher. Das Drängen nach vertiefter Einsicht in die zeitliche Welt, auch einer anderen, jenseitigen ist selbstgenügsam. Es verfolgt keinen unmittelbaren Nutzen in dieser Welt. Es erschöpft sich in der Betrachtung, der Theorie (griech. = Betrachtung). Von der Theoriebildung geht kein praktisch bedeutsamer Vorteil aus, außer dem der Bewußtseinserweiterung. Und diese verschafft die Wonne der Erkenntnis. Dies wird oft als reines Glück, als intensives Glücksgefühl frei von äußeren Zwecken geschildert. Wie vermag die Theorie das Bewußtsein zu erweitern? Wenn die Seele ein Teil einer besseren Welt ist und die gegebene, schlechte Welt die Seele von der angemessenen Welt ablenkt, so versetzt die Beschäftigung mit der Theorie die Seele in die ihr angemessene Welt. Durch die Theorie gelangt die Seele zu mehr Vollkommenheit und zu vollkommenem Glück. Dies läßt sich als Erweiterung des Bewußtseins deuten. Beschäftigung mit der Theorie soll anders als bei Stolz über Erfolg und Macht glücklich machen, ohne dabei an die eigene Person und materielle Gewinne denken zu müssen. Was waren die Ziele der Orphiker? Bewußtseinserweiterung und das damit einhergehende Glücksgefühl. Dieses erreichten sie wohl im Dionysos-Kult. Welcher Schriftsteller propagiert besonders den hohen Wert von Gedanken? Der Athener Politiker und Schriftsteller Sophokles (496-406 v.Chr.) in seiner Tragödie „Ödipus“. Was ist die Ekstase, welche Bedeutung hat sie für die Orphiker? Den Zustand, den die Orphiker im Dionysos-Kult erreichten, den Zustand des Aus-sichheraustretens. In der Ekstase meinten die Orphiker, löse sich die Seele zeitweilig vom Körper und begebe sich in eine bessere Welt. Dort erhalte sie Zugang zur Wahrheit, welche auf der irdischen Welt nicht zu finden ist. Wie wurde der Schlaf von den Orphikern gedeutet? Auch der Schlaf wird als Zustand gedeutet, in welchem die Seele dem Körper entflieht um sich ins Jenseits zu begeben. Träume wurden als Erlebnisse in der jenseitigen Welt gedeutet. Dies offenbaren somit Erkenntnisse, die verborgene Wahrheiten offenbaren. Kann man sagen, die moderne Wissenschaft sei aus einer Verbindung von Kunst und Religion hervorgegangen, wobei die Wissenschaft die Ablösung von diesen noch nicht erreicht hat, bzw. sind die Motive der Orphiker, das Streben nach Bewußtseinserweiterung immer noch relevant? Dies wird von Schönpflug bejaht. Streben nach Bewußtseinserweiterung als andauerndes Motiv. Welches Beispiel von Ekstase ist besonders berühmt? Das Beispiel von Kassandra, welche in der Entrückung in die Zukunft gesehen hat und in diesem Zustand den Untergang Trojas voraussagte. Diese Gabe wurde ihr von Appoll verliehen, Kassandra erwiderte jedoch seine Liebe nicht. Zur Strafe glaube ihr niemand. Welchen Zugang zu den Ursprüngen der Wissenschaft gibt es noch? Es gab auch von vorne herein bereits Naturforscher im alten Griechenland. Diese wollten die Beschaffenheit und Wirkweise des Seienden aufklären. Sie wollten wie die Orphiker das Wissen vermehren, jedoch eher im Hier und Jetzt. Wer ist ein bedeutender Vertreter dieser Naturforscher? Empedokles aus Akragas (geb. 495 v. Chr.). Welche Lehre vertrat Empedokles aus Akragas? Er gilt als Urheber der Lehre von den vier Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser. Diese werden als Grundstoffe aufgefaßt, aus denen belebtes und unbelebtes gemischt sei. Was war das Ziel der Elementenlehren? Zu den kleinsten Bestandteilen der Natur vorzudringen. Man kann jede Materie teilen. Irgendwo müsse diese Teilung jedoch an eine Grenze stoßen. Dann habe man das unteilbare, daß Atom (=unteilbar) erreicht. Was war noch ein wichtiger Gegenstand der antiken Naturforscher? Neben der Beschäftigung mit dem kleinsten, stellten auch Himmel und Erde als Vertreter des größten einen Gegenstand für diese dar. Ein Vertreter dieser Richtung ist z.B. Anaximander. Dieser stellte Lehren über Mond, Sonne und Erde auf. Welche Gemeinsamkeiten haben diese Lehren mit den Jenseitslehren der Orphiker? Auch diese übersteigen die unmittelbare sinnliche Erfahrung und sind kaum von praktischem Nutzen. Diese Ansätze mögen durchaus verwandt sein. Vor allem entsprachen die ersten Naturtheoretiker nicht dem Bild des nüchternen Forschers. Welche Auswirkungen hatten diese Naturlehren auf die Menschenkunde? Auch die Menschen wurden daraufhin oft als ein aus Elementen gemischtes Naturwesen gesehen. So sah es z.B. Empedokles. Ein weiterer Vertreter dieser Richtung ist Theophrast. Welche Konzepte vertrat Theophrast? Er überlieferte eine Lehre über die Unterschiede zwischen den Menschen. Die Art, Mischung und Größe der jeweiligen Atome und Elemente im Menschen bestimme dessen Charakter. Die jeweilige Begabung resultiere aus einer mittleren Mischung im jeweiligen Körperteil. Außerdem überlieferte er eine Theorie des Sehens. Und zwar auch durch eine Atomtheorie. Im Auge wären Feuer und Wasseratome, die Feueratome lassen die weißen, die Wasseratome die schwarzen Gegenstände erkennen. Er verortete das Denkvermögen weder in Kopf noch Brust, sondern im Blut, da in diesem am meisten Elemente gemischt sind. Was ist das bemerkenswerte an diesen Konzepten? Wahrnehmen und Denken wird hier als irdischer Vorgang, durch die Verlagerung von irdischen Stoffen konzipiert, es wird nicht auf überirdische Mächte rekurriert. Damit sind Theophrast und Empedokles Theoretiker des Diesseits. Diese Haltung schlossen jedoch eine Jenseitsgläubigkeit nicht aus, so glaubte z.B. Empedokles durchaus an Seelenwanderung und Panpsychismus. Jedoch vermieden sie die Abwertung des Irdischen. Dadurch wurde das Irdische selbst zum Gegenstand der Theorien. Gibt es neben diesen beiden noch einen weiteren Zugang zur Wissenschaftlichkeit? In der Tat gibt es noch einen weiteren Zugang zur Wissenschaftlichkeit, die Frage nach dem guten Leben, bzw. wie man dieses erreicht. Auch zu dieser Fragestellung gibt es Lehrmeinungen aus der griechischen Antike. Nenne Vertreter dieser Richtung. Ein Vertreter einer solchen Richtung ist z.B. Solon (640-561 v.Chr.) aus Athen, der als Rechtsreformer, Politiker und Dichter tätig war. Dieser trug wesentlich zur Bildung des Stadtstaates Athen bei. Er führte neues Schuldrecht ein und gliederte die Bürgerschaft nach Einkommensklassen. Auch andere griechische Städte hatten gute Berater, die besten nannte man die sieben Weisen. Was ist bemerkenswert an diesen praktischen Lehren? Obwohl sie in einer hoch technisierten Zivilisation entstanden, galten ihre Ratschläge nicht der Verbesserung der Technik – dieses Wissen wurde wohl mündlich oder durch das Vorbild von Meistern weitergegeben, sondern sie zielten auf die Gestaltung des privaten und öffentlichen Lebens, die Ordnung der Haushalte der Bürger und Gemeinden. Welche interne Struktur kann man diesen praktischen Lehren geben? • Ökonomie, die Hauswirtschaftslehre (von griech. Haus) • Politik, die Lehre von der Stadtgemeinde (von griech. Stadt) Im ursprünglichen Sinne versteht man unter einer Hauswirtschaft einen Gutshof mit einer Großfamilie, Arbeitskräften und Sklaven. Produkte waren vor allem agrarischer Natur. Dem Haushalt stand ein Hausherr vor. Die Haushalte schlossen sich zu Stadtgemeinden zusammen. Diese wurden von der Demokratie der Hausherren gemeinschaftlich verwaltet. Für Entscheidungen wurden Versammlungen einberufen. Es wurden Gesetze als dauerhaft gültige Entscheidungsregeln erlassen – zur Einhaltung der Gesetze tagten Gerichte. Wer waren die sieben Weisen? Wie wirkten sie? • Kleubulos aus Lindos • Solon aus Athen • Chilon aus Sparta • Periander aus Korinth • Thales aus Milet • Pittakos aus Lesbos • Bias aus Priene Diese hinterließen Spruchweisheiten, die bis heute überliefert sind. Weshalb entstanden diese praktischen Ratgeber? Weil der Bürger in der griechischen Polis sowohl den privaten Familienbetrieb leiten mußte, als auch am öffentlichen Verwaltungswesen teilnehmen, was zwei anspruchsvolle Aufgaben sind, zu deren Bewältigung man durchaus Rat benötigen kann. Beide Aufgaben sind wichtig. Wer hat eine umfangreiche Schrift über die Ökonomie verfaßt? Der Schriftsteller Xenophon (ca. 430-354 v.Chr.), der auch als Geschichtsschreiber bekannt ist. In dessen Schriften werden die verschiedenen Bereiche des Haushaltes abgehandelt. In diesen Schriften befinden sich z.B. bereits Tipps zur Motivation von Arbeitern. Was ist die Rhetorik, was beinhaltet diese? Die Rhetorik ist die Kunst der Rede in der Versammlung und vor dem Gericht. Diese wurde durch das politische Leben wichtig. Die Rhetorik umfaßt z.B. Regeln zur Wahl der Argumente, zur Gestik und zur Stimmführung. Wie kennzeichnete sich die Demokratie in der Antike? Sie unterschied sich wesentlich vom modernen Demokratieverständnis. So hatten z.B. nicht alle Erwachsenen Bürgerrechte, vor allem die Sklaven nicht. Außerdem mußten sich die Demokraten oft neben Tyrannen und Fürsten behaupten. Was beinhalteten die frühen Lehren über das häusliche städtische Leben? • Programme zur erfolgreichen Bewältigung praktischer Probleme • Regeln für angemessenes Benehmen in kritischen sozialen Situationen -> Leistung. -> Anstand. Was ist der Sinn von Leistung und Anstand? Anstand verhilft zu sozialem Frieden und vermeidet die Leiden des Streits. Leistung erbringt Dienste und Werke welche körperliche und soziale Bedürfnisse befriedigen. In welcher Beziehung steht dieses äußere Wohlergehen zum inneren Wohlergehen? Zunächst wurden sie einander gegenübergestellt. Denn wer die Seele als wichtiger hält als den Körper, muß ein Leben führen, daß zunächst der Seele zugute kommt. Andererseits sollte eine gute Lebensführung (griech. hygieia) der Seele zugute kommen. Daraus erwuchs die Frage, was eine gute Lebensführung ist. Welche Antwort geben die Pythagoreer auf die Frage nach dem guten Leben? Diese verstanden darunter ein der höheren Ordnung verpflichtetes Leben. Sie waren ein Männerbund, dessen gläubige Mitglieder Klostergemeinschaften bildeten. Er wurde um 530 v. Chr. in Kroton von Pythagoras gegründet. Dieser war Universalgelehrter und stamme von Samos, wo er zwischen 570 und 600 v. Chr. geboren wurde. Was beinhaltet das Konzept der Pythagoreer? Sie machten sich die Lehre der Orphiker von der Trennung von höherer und niederer Welt zu eigen. Als höchste Prinzipien erachteten sie Ordnung und Harmonie. Diese würden einer höheren, überirdischen Welt entstammen. Teilweise sei diese auch in der irdischen Welt erkennbar, z.B. am Lauf der Sterne. Die Seele vervollkommne sich, indem sie selbst zu Ordnung und Harmonie gelangt. Dies gelingt ihr durch Bildung in • Theorie: Studium der Astronomie und Mathematik zur Erkennung der Gesetzmäßigkeiten • Kunst: Vor allem die Schönheit der Musik durch Zahlenverhältnisse im Tonraum. • Askese: Zurückhaltung bei der Körperpflege. Der Körper soll nicht gestärkt werden. • Freundschaft: Das Leben in einer Solidargemeinschaft entspricht dem Harmonieprinzip. Deshalb gab es im Bund der Pythagoreer auch kein Privateigentum. Was bedeutete bei den Griechen Philosophie? Freude an gutem Wissen, Nachdenken und Reden über Wissenswertes. Wörtlich: Wissen lieben, Vorliebe für gutes Wissen. Demnach ist ein Freund guten Wissens ein Philosoph. Welche Zweige der Philosophie gab es? Schön in ihrem Entstehen trennte sich die Philosophie in Kenntnis (episteme), welche sich mit der Anschauung von Sachverhalten befaßt und Können (techne), welche praktisch verwertbares Wissen meint, welches zur Gestaltung eines besseren Lebens dient. Welche Namen gibt es für die praktische Philosophie noch? Pragmatik (die Kunst der Handlung). Damit ist das vorbildliche Beispiel und der allzeit gültige Rat gemeint. In welcher Form sind pragmatische Aussagen im Vergleich zu theoretischen gehalten? Pragmatische Aussagen enthalten auf Situationen zugeschnittene Regeln in der wenn-dannForm. Theorie widmet sich Fragen in der Ist-Form. Welche Beziehung hatten Wissen und Glauben damals? Sie bildeten eine Verbindung. Das Wissen der Philosophen war durch die Quellen (Götter oder Weise) verbürgt. Daraus erwuchs eine Gemeinschaft von Wissenden und Gläubigen. Welche Maßstäbe haben die verschiedenen Arten der Aussagen? Für die Ist-Aussagen der theoretischen Philosophie ergibt sich der Maßstab der Wahrheit, d.h. der Übereinstimmung zwischen Aussage und Gegenstand. Für die wenn-dann Aussagen der praktischen Philosophie ist das eintreten des intendierten Erfolgs maßgeblich. Wie wirkte sich diese Trennung aus? Diese Trennung wirkt bis in die heutige Zeit weiter. Bis heute trennt man zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsforschung. Schon in der damaligen Philosophie sind Psychologische Themen erkennbar. Diese werden sich vermehren, die gesetzten Grenzen zwischen Theorie und Praxis aber einhalten. Auch die theoretische Psychologie versucht eher, psychische Phänomene zu beschreiben und zu erklären, während die praktische Psychologie Maßnahmen zur Behebung psychischer Probleme entwickelt. Deshalb stehen diese beiden Zweige nicht unbedingt in einem förderlichen Verhältnis, vielmehr kommt es oft zu heftigen Konflikten. Was ist der Anspruch der Erkenntnistheorie? Wenn die theoretische Philosophie nach dem wahren und die praktische nach dem guten strebt, so stellt sich die Frage, wie man dies objektiv erkennen kann, da der subjektive Konsens sich als unbeständig erweisen kann. Evidenz (=einleuchtend, Überzeugungskraft) reicht also nicht aus. Die Erkenntnistheorie will diese objektiven Grundlagen schaffen. Was war ein fruchtbarer Weg zur Verbesserung theoretischer Erkenntnis? Die Beobachtung. Diesen Weg schlug die Naturkunde ein. Wahr sind Erkenntnisse demnach, wenn sie sich auf Beobachtungen stützen. Auch die praktische Erkenntnis kann diesen Weg fruchtbarer Weise wählen. Was versteht man unter empirischer Methodik? Die Methode, Erkenntnis auf Beobachtung zu gründen (=Erfahrung). Wodurch erhärtet sich empirische Erkenntnis? Durch die bestätigende Wiederholung. Eine empirische Erkenntnis ist um so glaubwürdiger und nützlicher, je öfters sie bestätigt wurde. Wo sind die Grenzen der empirischen Methode im Verständnis der Griechen? Empirische Methodik hat ihre Grenzen. Erfahrung die durch die Sinne vermittelt ist, zeigt nur die Oberfläche der Dinge in einer Vielfalt der Erscheinungen. Was verlangen die Griechen von fortgeschrittener Erkenntnis? Einsicht in • die Ordnung der Dinge: Urteil über Gleichartigkeit/Ungleichartigkeit von Dingen. Dies dient primär der Kategorisierung. • die Ursachen der Dinge: Das Erfassen der zureichenden Ursache ist enorm wichtig. • das Wesen der Dinge: Die sinnliche Erfahrung ist unbeständig, die Suche nach dem unwandelbaren Kern der Dinge, den Invarianten in allen Erscheinungsformen. Was wurde zum vorrangigen Ziel der Philosophie? Das Seiende und das Wesen der Dinge zu erkennen. Dem Wesen, Ordnung und Ursprung der Dinge widmet sich die philosophische Teildisziplin der Ontologie, d.h. Seins- und Wesenslehre. Diese will die gründlichste Philosophie sein, da sie die Dinge im Kern erfaßt. So schreibt z.B. Parmenides, daß das höchste Denken darin besteht, das Sein der Dinge zu erfassen. Das Sein eines Dinges heißt: Das Ding ist. Ganz exakt. In welchem Gebiet gelang das Begreifen der Ordnung und des wesentlichen am besten? In der Mathematik und Geometrie. Dort gelang es, die Lehrsätze Allgemeingültig und mit bester Ordnung aufzustellen. Durch Parallelen zur Musik wiesen die Pythagoreer die Gemeinsamkeit von Wahrheit und Schönheit nach. Wonach sucht die Ontologie? Nach Gesetzen und Begriffen, die als ewig und allgemeingültig anzuerkennen sind. Welche weiteren Bedenken gegenüber dem Wert der Erfahrung gibt es? Es ist zweifelhaft, ob sich aus der Erfahrung ermessen läßt, was Glück, Frieden und Erfolg sind. Lassen sich die Gesetze des guten Lebens auch in allgemeingültigen Lehrsätzen bestimmen? Fortschreitende Erkenntnis geht über die Erfahrung hinaus. Sie erschließt sich nur im Denken, in dem sich ein erkennendes Subjekt und ein zu erkennender Gegenstand unmittelbar begegnen. Was ist die Aufgabe der Philosophie nach Pythagoras? Sie solle sich dem wahren, schönen und guten zugleich widmen, da nur dies der Erkenntnis und der Seele würdig ist. Diese Einsicht in die Gesetze das Wesen des Guten, und der guten Lebensführung und die Gesetze der Schönheit wurden als Inhalte überirdischer Weisheit gedeutet. Der menschliche Geist, der sie erfassen will, muß in die metaphysische Welt eindringen. Welche Bezeichnung wird dieser Ansatz später tragen? Der Ansatz, der das Fortschreiten zur Ontologie fordert, wobei das überschreiten der natürlichen Erfahrung und das Eindringen des Denkens in eine überirdische Welt der Weisheit notwendig ist, wird die Bezeichnung Idealismus erhalten (=Vorstellung). Im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte wird er stark mit dem Empirismus konkurrieren. Was waren die Folgen der idealistischen Sichtweise? Die Aufwertung der Theorie gegenüber der Pragmatik und der Metaphysik gegenüber der Physik. Die Pragmatik verbessere nur das Leben im hier und jetzt. Deshalb wandten sich viele Intellektuelle lieber idealistischen ontologischen Spekulationen zu. Naturkunde war von den Idealisten so lange geschätzt, wie sie die Phänomene ordnete. Eine reine Vermehrung des Wissens über die Vielfalt der Erscheinungen war nicht geschätzt. Die Kontroverse zwischen Idealismus und Empirismus begleitete die Wissenschaft weiter. Auch die Entwicklung der Psychologie ist davon betroffen. Erst im 19. Jahrhundert kann die Vorherrschaft der ontologischen Theorien gebrochen werden. Worauf beruht die Suche nach Wesentlichkeit und Wahrheit? Auf der Überzeugung der Einzigartigkeit der Wahrheit durch die Verankerung in einem Geist jenseits der irdischen Wirklichkeit und Erfahrung. Platon unterstreicht diesen Anspruch mit der These, daß im Reich der Ideen das Gute wohnt, welches der Wahrheit ihren Wert verleiht. Philosophische Einsicht verschafft Zugang zum guten und zum Nachweis der Wahrheit. Was der Wahrheit widerspricht, ist falsch. Welche Gegenpositionen gibt es hierzu? Die Sophisten wiesen darauf hin, daß Wahrheit von der Subjektivität des menschlichen Urteils abhängig ist. Was als wahr und falsch gelte, hänge von den Umständen und Interessen der Menschen ab. Eine einzige Wahrheit als höheres Gut gebe es nicht. Sie lehnten den Glauben an Götter als menschliche Phantasie ab und betonten die Schwierigkeit, widersprüchliche Meinungen zu widerlegen. Was wahr und gut sei, wäre eine Sache des Subjekts. Ein Vertreter ist Protagoras aus Abdera (481-411 v. Chr.). Diese kamen unter Kritik durch Sextus Empiricus. Diese Ansichten schlugen sich in der Rhetorik nieder. Wenn Wahrheit relativ ist, darf man die Argumente nach dem eigenen Vorteil wählen. Die Sophisten machen den Subjektivismus sogar zum Erkenntnisprinzip, indem z.B. Protagoras den Menschen zum Maß aller Dinge macht. Mystik wird abgelehnt. Relativistisch. Welchen wesentlichen Standpunkt vertritt Protagoras aus Abdera? Er war Lehrer der Rhetorik und behauptete, man können jeden Sachverhalt aus zwei gleich berechtigten Standpunkten begründen. Er selbst ist eine umstrittene Figur, manche halten ihn für einen Lügner, andere für einen Menschen mit einer moralischen Botschaft. Ist die Psychologie überhaupt durch ihre Herkunft aus frühen Kulturen zu begründen? Schönpflug deutet die Psychologie als geschichtlichen Prozeß. Die Gegenwart ist in diesem historischen Sinne nur das vorläufige Endglied eines zeitlichen Prozesses. Dem Historismus tritt vor allem der Strukturalismus entgegen, welcher behauptet, die Wissenschaft wäre nur aus der Aktualität zu deuten, da sich Systembindungen zu jeder Zeit neu ergeben (vgl. Foucault 1966/1971). Schönpflug sieht jedenfalls ein nebeneinander von synchronen (zeitgleichen) und diachronen (aufeinanderfolgenden) Prozessen am Werk. War Wissenschaft in der Antike ein Beruf? Kaum. Wissenschaft war Teil einer Rede- und Diskussionskultur. Sie war auch eine Freizeitbeschäftigung und Teil der Erziehung. Deshalb waren vor allem auch junge Männer mit wissenschaftlichen Themen beschäftigt. Die meisten waren Amateure. Jedoch blieben die guten Amateure keine Amateure, sie wechselten ins Lager der Halbprofessionellen, welche zwar kein Geld verlangen können, aber reicht beschenkt werden. Ab dem 5. Jahrhundert vor Christus sind Professionalisierungstendenzen der Philosophie erkennbar. Hierbei war die Rolle des professionellen Wissenschaftlers vor allem die des Lehrers. Jedenfalls war die ontologische Wissenschaft nie ein bürgerlicher Beruf wie das Handwerk. Zwar investiert die Gesellschaft um so mehr in die Wissenschaft, je mehr diese nützt, allerdings ist die Wissenschaft seit der Antike auf Förderer angewiesen. Ist die Wissenschaft eine brotlose Kunst? Bereits Sokrates wurde durch seine Frau Xanthippe der Vorwurf gemacht, er vernachlässige seinen Beruf. Die Wahrheitssucher waren durch ihre asketische Haltung oft bereit, auf irdische Güter und Genüsse zu verzichten. Jedoch nicht alle, z.B. die Sophisten nicht. Kapitel 3: Lehren vom Wesen der Seele und vom sittlichen Leben des Menschen Was gilt als Glanzzeit Athens, wodurch zeichnete sie sich aus? Als Glanzzeit gilt das Perikleische Zeitalter, nach dem Bürgermeister Perikles (ca. 500-429 v. Chr.) In dieser Zeit siegten die Griechen über ihre Feinde wie Perser oder Karthager. Als Manifest dieser Erfolge wurde die Akropolis (=Oberstadt) gebaut. Außerdem kam es im Anschluß an das goldene Zeitalter zur Einrichtung der ersten bedeutenden Philosophenschulen. Griechische Jugendliche besuchten schon früh Gymnasien (=Ort für Sport- und Kampfübungen), in denen aber auch geistige Dinge gelehrt wurden. Was war der entscheidende Schritt von Platon? Platon ging im Jahre 385 v. Chr. einen entscheidenden Schritt weiter: Er gründete in Athen eine höhere Lehranstalt für Philosophie. Er nannte sie Akademie, da sie in der Nähe eines Haines des Halbgottes Akademos lag. Was war mit Aristoteles? Dieser war zunächst Lehrer in der Schule von Platon, gründete dann 335 v. Chr. eine eigene Philosophenschule, das Lykeion, nach dem Hain des vor Wölfen schützenden Apoll. Oft wird Aristoteles auch Peripatetiker genannt, da er zwischen Säulen wandelte. Welchen Status hatten die Antiken Philosophenschulen? Sie waren Privatschulen. Sie bestanden außerhalb der Haushalte. In ihnen wurde das Wissen der Zeit gesammelt und geordnet. Vor allem Aristoteles zeichnete sich durch eine große Kompilationsleistung aus. In den Schulen wurde Wert darauf gelegt, daß die Philosophen Wissen aus allen Gebieten vereinen. In welche Einheiten gliederte Aristoteles die Wissenschaft? • Logik und Erkenntnistheorie (Schlußfolgern, Hermeneutik) • Physik, d.h. Naturkunde (Elementenlehre, Astronomie, etc.) • Metaphysik, d.h. die Lehre vom Übernatürlichen (Wesen der Dinge, Gott, etc.) • Ethik (zielgerichtetes Handeln, Tugend) • Politik und Haushaltlehre, Rhetorik • Poetik, d.h. Dichtkunst Was folgte aus der Gliederung des Aristoteles? Damit bahnte sich die Gliederung der Wissenschaft in Fachgebiete an. Diese werden sich verselbständigen und Wissenschaftler werden sich auf einzelne Gebiete spezialisieren. Andererseits wird die Idealvorstellung nach der Einheit der Wissenschaft Bestand haben. Je mehr sich Fachgebiete absondern, desto wichtiger wird interdisziplinäre Zusammenarbeit und Integration der verschiedenen Ansätze. Welchen Status hat die Psychologie im Kanon des Aristoteles? Diese kommt nicht explizit vor, allerdings sind psychologische Themen auf mehrere andere Fächer verteilt. So z.B. Wahrnehmungspsychologie in der Erkenntnistheorie, Persönlichkeitspsychologie in der Metaphysik und sozialpsychologisches in der Rhetorik. Außerdem hat Aristoteles eine eigene Schrift über die Seele verfaßt. Es wird jedoch noch über zwei Jahrtausende dauern, bis diese Themen zur Psychologie zusammengefaßt werden. Was wird durch die Zusammenfassung dieser Themen in der Psychologie geschehen? Eine Verdopplung. Die Probleme, die der Psychologie zufallen werden den alten Fächern dadurch nicht genommen. Die gleichen Domänen werden somit Teil verschiedener Wissenschaften. Warum werden die ältesten Gelehrten nicht selbst zitiert, sondern Überlieferungen? Weil sie selbst ihre Lehren bis zum fünften vorchristlichen Jahrhundert oft nicht aufgeschrieben haben und wenn, dann ging dies verloren. Was war damit eine weitere Funktion der Philosophenschulen? Deshalb war eine weitere Funktion der Philosophenschulen von Platon und Aristoteles, daß sie das Wissen ihrer Zeit niederschrieben. Ihre Autorität begründete die Selektion einer bestimmten Meinung. Dadurch entwickelten sich Lehrtraditionen, sogenannte Schulen. Insofern bildeten sich in der Schulen im erweiterten Sinne auch die ersten Paradigmen. Was bedeutet die Gründung der Philosophenschulen für das Fach? Damit hat die Wissenschaft einen bedeutenden Schritt zur Institutionalisierung und Professionalisierung vollzogen. Daraus ergeben sich bis heute die Formen wissenschaftlicher Einrichtungen. Welche damals gefundenen Formen wissenschaftlicher Einrichtungen gibt es bis heute? • Die Hochschule als Bildungseinrichtung zur Vermittlung des neuesten Standes • einen Fächerkanon, welcher das verfügbare Wissen gliedert und den Lehrplan prägt • der Hochschullehrer als Berufsbild des Wissenschaftlers der sein Wissen weitergibt • die Hochschule als Ort der Forschung um das Wissen zu mehren • Verbindung von Forschung und Lehre • das wissenschaftliche Schreiben wird eingeführt, welches Lehren dokumentiert Kann Schriftlichkeit auch als Bedrohung angesehen werden? In der Tat gibt es auch diese Haltung. Sie ist Teil der Institutionalisierung und hat auch Bedenken ausgelöst. Denn die schriftliche Darstellung ist starr, gestattet keinen Dialog. Das schriftliche Wissen werde ohne Verständnis eingeprägt. Selbst Platon äußert diese Bedenken bereits. Außerdem drängt sie die Redekultur zurück. Diese Kritik flammt in letzter Zeit wieder auf (Olson, Torrance & Hildyard, 1985). Wodurch war Platon beeinflußt? Er war durch die dualistische Konzeption der Orphiker beeinflußt. Die Trennung zwischen Diesseits und Jenseits, sowie von Körper und Seele machte dieser mit. Aristoteles widersprach dieser Auffassung und entwickelte eine monistische Theorie die davon ausgeht, daß Leib und Seele nicht zu trennen sind. Platon ist gleichzeitig Idealist. Welche Inhalte umfaßt Platons idealistische Konzeption? Das Wesen der Dinge ist nach Platon eine Idee. Diese Ideen sind in einem außerirdischen Reich versammelt. Die körperliche, diesseitige Existenz sei nur eine unklare Nachbildung dieser Vorbilder. Deshalb kann auch sinnliche Erfahrung keinen Aufschluß über das wesentliche geben. Denn die Empirie erschließt nur die Körperwelt. Ins Reich der Ideen könne der Mensch nur durch Denken vordringen, d.h. im Anschauen der Ideen. In welchem berühmten Gleichnis veranschaulicht dies Platon? Im Höhlengleichnis in „der Staat“. In diesem sind Menschen mit der Vorderseite gegen die Wand in einer Höhle angekettet. Es dringt der Schein des Lichts von außerhalb herein. Der Schatten der Gegenstände, die draußen vorbeigetragen werden, zeichnet sich im Lichtschein ab. Durch die Schatten erfahren die Menschen von den Dingen die sich außerhalb der Höhle befinden. Die Höhle ist die Metapher für die Körperwelt, ihre Dunkelheit spiegelt den Mangel an klarer Erkenntnis. Der Philosoph soll nun nach den eigentlichen Dingen, den Gegenständen der Lichtwelt, den Ideen streben. Das wäre das einzig wahre. Welche Schlüsse zieht Platon daraus für die Seele des Menschen? Auch diese sei getrennt vom menschlichen Körper zu sehen. Beim Tod könne sich die Seele vom Körper lösen. Beide hätten wohldefinierte eigene Eigenschaften. Die Seele des Menschen besitze Luftgestalt. Wie ordnet Platon die seelischen Funktionen des Menschen in Gruppen? Er postuliert im Timaios drei Teilseelen. Diese unterscheiden sich in Funktion, Sitz und Zugehörigkeit zur Körperwelt oder Ideenwelt. • die begehrende und versorgende Seele (=epithymethikon) mit Sitz im Unterleib, welche er als Handwerker charakterisiert und die zur Körperwelt gehört. • die zielstrebig und entschlossene Seele (=thymoeides), welche in der Brust sitzt und die als Krieger beschrieben wird, die ebenfalls zur Körperwelt gehört. • die denkende Seele (=logistikon) mit Sitz im Kopf, wekche als Herrscher gilt und als einzige der Seelen der Ideenwelt angehört und ist unsterblich. Deshalb kann sich die denkende Seele nach dem Tod vom Körper lösen, die anderen sterben mit ihm. In welchem Verhältnis stehen die drei Seelen zueinander? Platon drückt das Verhältnis im Phaidros als Gleichnis vom Wagenlenker aus. Der Mensch gleiche einem Wagen, der von zwei ungleichen Pferde gezogen wird, einem triebhaften und einem entschlossenen, wobei der Wagenlenker die denkende Seele darstellt. Dieser hat eine höhere Stellung als die anderen beiden, lenkt die Geschicke. Anderseits ist die Einheit des Menschen trotz dieser unterschiedlichen und gegensätzlichen Seelen erreicht, wenn es dem Wagenlenker gelingt, die Herrschaft über das Gespann zu erlangen. Der Mensch kann die gegensätzlichen Kräfte durch Ordnung überwinden. Welche Konzeption setzt Aristoteles dem entgegen? Eine monistische Seelenlehre. Er behauptet, Leib und Seele gehörten zusammen und bilden eine Einheit, bestehen nicht unabhängig voneinander. An welchem Beispiel wird der Unterschied deutlich? Am Beispiel des Sehens. Dies schreibt Aristoteles dem Auge zu. Ohne Auge kein Sehen. Körper und Seele stünden hier im Verhältnis wie Mittel und Zweck zueinander. Anders Plato: Dieser bestreitet, daß man ohne Auge nicht sehen kann. Das wahre Sehen komme von der Seele, nicht vom Auge. Dieses liefere nur sinnliche Empfindungen. Zwischen den Empfindungen des Auges und den Wahrnehmungen der Seele sei zu differenzieren. Welchen Status hat die Seele bei Aristoteles? Sie hat bei diesem eher deskriptive Funktion. Sie ist der Sammelbegriff menschlicher Kräfte und Fähigkeiten. Die Kräfte würden zu dem antreiben, wozu Fähigkeiten imstande sind. So wolle der Mensch schauen, weil er eine Auge dazu hat. So wird die Seele als ganze Inbegriff menschlicher Zwecke (=telos). Welche Möglichkeiten und Zwecke schreibt Aristoteles dem Ausdruck des Seelischen zu? • Ernährung und Zeugung • Sinneswahrnehmung und Vorstellung • Streben • Ortsbewegung • Überlegen Welche psychische Funktion hat Aristoteles besonders betont? Er unterschied zwischen den fünf Sinnen, durch diese Einteilung schuf er ein System psychischer Funktionen. Welche Komponenten weist eine Fähigkeit nach Aristoteles auf? Ein Kraft auf der einen Seite, sowie eine Fähigkeit, ein Vermögen auf der anderen Seite. Somit habe jede Funktion Anteil an der Teleologie der Seele als ganzer. In welche drei Gruppen teilte Aristoteles die menschlichen Fähigkeiten und Kräfte ein? In die • vegetative Seele (=threptikon), welche der Ernährung dient. Diese wird auch als Pflanzenseele bezeichnet, da sie allem Organismischen zukommt. • animalische Seele, mit Begierden und Empfindungen sowie der Fähigkeit zur Ortsbewegung. Diese kommt allen tierischen Wesen zu. • denkende Seele (=dianoetikon) oder Geistseele mit der Fähigkeit zur Logik. Diese Geistseele besitzen nur die Menschen. Was ergibt sich darauf für den Status der Seelen? Obwohl er den Idealismus Platons nicht teilt, kommt der Geistseele eine Sonderstellung zu. Der Geist sei vom Körper unabhängig, da er keinen Sitz habe und somit unsterblich. Wie könnte man die Seelenlehre des Aristoteles beschreiben? Als monistisch und teleologisch. Sie trägt sowohl naturkundliche, als auch metaphysische Züge. Naturkundlich ist die fundierte Beschreibung der ersten beiden Seelen, metaphysisch der Ansatz, Denken sei eine Tätigkeit ohne körperliche Grundlage. Welche Wirkung hatte die Systematik des Aristoteles? Eine enorme. Noch 2000 Jahre später berief man sich bei der Gründung der Psychologie als eigene Disziplin auf seine Konzeption des Psychischen und baute diese weiter aus. Was ist das Ziel der Ethik? In der Glanzphase Athens taugten überlieferte Sitten und Gesetze nicht mehr, diese wurden von den Sophisten in Frage gestellt. Dem stellten Aristoteles und Platon die Sittenlehre (Ethik) entgegen. Dies waren Maßstäbe für richtiges Handeln und Leben. Die Seelenlehren wurden die Grundlage zur Deutung der ethischen Konzepte. Welche Konzepte sind zentral in der Ethik? • • • Glück (Wohlstand): der gute Zustand der Seele. Gut: ein Besitz, der Glück verschafft. Tugend: die Fähigkeit der Seele, Gutes und Glück zu erlangen. Wo setzt die Ethik von Aristoteles und Plato an? Die Ethik dieser Männer hatte das Ziel, die Tugend und damit die seelische Gesundheit zu fördern. Was spiegelt sich in dieser Ethik wider? Platons dualistisches und idealistisches Denken. Das höchste Gut als eine jenseitige Idee. Anderes könne nur an Wert gewinnen, wenn es an der Idee des Guten Anteil erhält. So wären Erkenntnis und Wahrheit gutartig, noch besser wäre aber das gute als solches. Wie unterscheiden sich Glück und Tugenden auf den verschiedenen Seelenebenen bei Plato? Das Glück der begehrenden Seele ist z.B. Nahrung und Kleidung, d.h. rein auf die Körperwelt bezogen. Eine Tugend auf dieser Ebene ist Geschick und Fleiß, welche die Befriedigung von körperlichen Bedürfnissen verschaffen. Das Glück der zielstrebigen Seele ist z.B. Leistung und Überlegenheit, d.h. in materiellen und sozialen Gütern. Eine Tugend auf dieser Ebene ist Wille und Weitsicht bei der Bewältigung von schwierigen und gefährlichen Aufgaben. Das Glück der denkenden Seele ist die Erkenntnis. Die entsprechende Tugend ist die Fähigkeit zur Einsicht in die Theorie. Wie kann den anderen Seelen auch Wert zukommen? Die Tugend der Theoretischen Einsicht soll Willen und Weitsicht, Fleiß und Geschick so lenken, daß sie miteinander harmonieren. Dann strahlt das höchste Gut auf niedere Ebenen aus. Welchen Ansatz vertreten die Kyniker? Diese vertreten einen Ansatz der radikalen Ethik. Diese wollen Tugend und Glück durch Selbständigkeit, d.h. Autarkie erreichen. Diese erreicht man einerseits durch die Steigerung der Fertigkeiten zur Überwindung von Schwierigkeiten, andererseits durch das Absenken der Ansprüche und Bedürfnisse. Hinsichtlich ihrer Selbstgenügsamkeit wurden die Kyniker vorbildhaft. Ein kynischer Lebensstil erfordert Abhärtung, ist aber dabei nicht freudlos, sondern soll die Seele befreien und wahres Glück bringen. Bekannte Kyniker sind Diogenes in der Tonne und Antisthenes und Hypatia. Ihren Namen wählten sich die Kyniker vom Hund, den sie als genügsames aber wachsames Tier sahen. Was ergibt sich aus der idealistischen Ethik für die Körperwelt? Deren Mechanismen werden nicht geringgeschätzt, etwa Handwerk oder Militärdienst. Allerdings stellt die Ethik diese Tätigkeiten unter Rechtfertigungszwang, da sie nach Maßgabe höherer Einsicht zu gestalten sind. Die Einsichten gibt die Philosophie vor, die hier Richterin ist. Welche Gegenposition vertritt Aristoteles in seiner Ethik? Wie konzipiert er Tugend? Das Gute muß aus der Natur der Dinge selbst begründet werden. Dieses leitet er aus dem Begriff der Zweckbestimmung ab. Jedes Wesen sei mit einen innewohnenden Zweck, einem Streben ausgestattet. Gut für das Wesen ist, was den innewohnenden Zweck erfüllt. Tugend ist bei ihm die einem Wesen gemäße Fähigkeit und Kraft zum Erwerb von Gütern. Um die jeweilige Bestimmung zu erfüllen bedürfe es spezifischer Kunstfertigkeiten, Techniken. Welche Rangreihe der Techniken stellt Aristoteles auf? Er unterscheidet zwischen den Gütern, die nur Mittel zum Zweck sind (Instrumentalität) und den Gütern, die man ihrer Selbst willen lieben kann (Selbstzweck). Je höher die Instrumentalität eines Gutes, desto niedriger der Rang. Je höher der Selbstzweck einer Kunstfertigkeit ist, desto höher steht sie im Rang. Kennt Aristoteles auch ein höchstes Gut? Er kennt diesen Begriff auch. Damit ist das Gut an der Spitze der oben erwähnten Rangreihe gemeint. Das höchste Gut gewährt höchstes Glück. Auch Aristoteles erachtet die Weisheit des Philosophen als höchstes Gut. Was ist außerdem die Rolle der Weisheit bei Aristoteles? Sie muß den Menschen bei der Vervollkommnung seiner Fähigkeiten und Kräfte lenken. Dazu sind die ethischen Gesetze zu ergründen. Was ist eines der ethischen Gesetze? Das Maßhalten. In allem was der Mensch tut, solle er nicht übertreiben. Die Vollkommenheit liege in der Mitte des Entwicklungsspielraums. Wie könnte man den Standpunkt des Aristoteles zusammenfassen? Er bestimmt Glück und Tugend im Rahmen einer sozial angepaßten Natur. Alle im Menschen angelegten Fähigkeiten und Neigungen seien förderungswürdig. Verantwortungsbewußt. Was kennzeichnete die Wende in der hellenistischen Philosophie? Die Gründung zweier neuer Schulen um 308 v. Chr. eröffnete Zenon die Stoa und Epikur die Gartenschule. Auch diese waren nach dem Platz in der Stadt benannt. Stoa heißt soviel wie Halle und die Gartenschule war eben in der Nähe eines Gartens. Diese neuen Schulen waren praktischer orientiert als die bisherigen. Was war die Bewegung des Hellenismus? Es sollte ein großes, griechisches Mittelmeerreich geschaffen werden. Dieses sollte den ganzen Mittelmeerraum umfassen. Griechische Kultur und Sprache sollten dieses Reich vereinheitlichen. Wie gliederte sich die Stoa? Sie gliederte sich in • Physik (Naturlehre) • Logik (Lehre vom Sprechen und Denken) • Ethik (Lehre vom rechten Leben) Was war das Ziel von Stoa und Gartenschule? Die Vermittlung nützlicher Kenntnisse und Fertigkeiten, die einem erfolgreichen Leben dienen. Was war die Erkenntnistheorie von Stoa und Gartenschule? Beide schätzten die Erfahrung als Quelle der Erkenntnis. Zur Wahrheit gelange man durch Beobachtung. Nur Körperliches sei wirklich vorhanden. Hier wichen die neuen Schulen von den alten metaphysischen Lehren ab, die der Empirie nur wenig Bedeutung beimaßen. Wie erklärte Epikur den Vorgang der Wahrnehmung? Durch eine Atomistische Bilderlehre. Die Gegenstände würden bestimmte Atome absondern, welche die Sinne erreiche und die Wahrnehmung bewirke. Wenn die Wirklichkeit körperlich sei, lasse sie sich deshalb durch die sinnliche Wahrnehmung erfassen. Erkannten die Stoiker auch physisch nicht existentes an? Ja, als Inhalte von Aussagen. Wie unterschieden die Stoiker zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit? So vermittle die Erfahrung realistisches Wissen, die Sprache könne jedoch auch nicht wirklich vorhandenes darstellen. Was galt diesen Schulen als wichtigste Aufgabe der Ethik? Die Förderung der seelischen Gesundheit. Die Philosophie als Seelenheilkunde in Analogie zur Medizin als Körperheilkunde. Die Philosophie soll die Leiden der Seele beenden. In diesem Sinne war auch die Erforschung der Natur ein Mittel dazu. Ethik solle auch den richtigen Umgang mit Gefühlen und Bedürfnissen lehren. Die Leidenschaften (=Pathologien) der Seele sollen geheilt werden. Welche Lehre vertrat Theophrast über Pflanzen und Menschen? Er war ein Schüler des Aristoteles. Er übertrug diese Lehren auf die Stoa. Er wandte die in der Botanik geübte Kunst der Unterscheidung auch auf Menschen an. So entstand seine Schrift über die 30 verschiedenen Charaktere. Diese waren als unipolare negative Skalen definiert. Die jeweiligen Charaktere waren damit durch eine dominante negative Eigenschaft bestimmt. Dies hatte neben der literarische Funktion auch eine soziale: Personen richtig zu beurteilen. Welche Lehre vertrat Epikur? Er vertrat die Lehre des Hedonismus (=Freude). Glück erwachse aus einem Leben voller Freude und Lust, frei von Schmerz. Allerdings gehöre auch Verzicht dazu. Zu starker Genuß vergrößere die Bedürfnisse und habe unangenehme Folgen. Er differenziert zwischen drei Arten der Bedürfnisse und Begierden: • natürliche und notwendige Bedürfnisse: Allein diese Verdienen die Befriedigung. • natürliche und nicht notwendige Bedürfnisse: Ihre Befriedigung ist schädlich. • lediglich eingebildete Bedürfnisse: Ihre Befriedigung ist ebenfalls schädlich. Welche Lehre vertraten die Stoiker? Sie empfahlen ein Leben im Einklang mit der Natur. Darunter faßten sie das Weltganze auf, welches teleologischen, d.h. zielstrebigen Gesetzmäßigkeiten folgt. Das Glück der Menschen beruhe auf dem Einklang mit dem Kosmos und dem Gehorsam gegenüber den kosmischen Gesetzen. Egoismus widerspräche diesen Gesetzen. Außerdem lehnten sie gegenüber den Epikuräern die Lust nicht für erstrebenswert. Tugendhaft sei vielmehr die Überwindung jeder Erregung, die Unterschütterlichkeit (=ataraxia). Emotionen seien die Leiden(schaften) der Seele. Vertreter sind z.B. Epiktet oder Seneca. Dies war vor allem römische Philosophie. Was ergibt sich aus der Lehre der Stoiker für die Praxis? Man müsse Leidenschaften widerstehen. Innere Ruhe sei das höchste Ziel. Der Erreichung dieser Ziele diente die Selbstinstruktion und die Abhärtung. Situationsangemessene Gefühle waren erlaubt, mußten durch Vernunft gerechtfertigt werden. Welche Bedeutung haben all diese Lehren für die heutige Psychologie? In ihnen liegen die Wurzeln der praktischen Psychologie. Auch der klinischen Psychologie. Was ergab sich durch das Scheitern des Hellenismus? Zwischen dem ersten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert scheiterte die hellenistische Bewegung an den Römern, die ihrerseits ein Mittelmeerreich aufbauten. Darauf folgte das Augusteische Zeitalter, die Glanzzeit Roms, in welcher Gaius Octavius (63 v.Chr – 14n. Chr.) als erster Kaiser mit dem Titel Augustus regierte. Die römische Philosophie war jedoch nur ein Abglanz der Griechischen. In Rom gewannen naturkundlicher Realismus über den Idealismus die Oberhand. Was diente vor allem als Vorbild der römischen Ethik? Die Lehre der Stoa. Als bedeutender Vertreter der römischen Philosophie gilt Seneca. Dieser stellte die Unerschütterlichkeit ins Zentrum seiner Lehre. Ein weiterer Vertreter der praktischen römischen Philosophie war Cicero (106-43 v. Chr.). Dieser beschäftigte sich auch mit ethischen Fragen und war ein großer Rhetoriker. Er hatte jedoch auch Respekt vor der ontologischen Philosophie, so hielt er es für gute Rhetorik, immer die großen Erklärungen hinter den kleinen Begebenheiten anzuführen. Welcher weitere griechische Zweig wurde durch die Römer fruchtbar gemacht? Die Medizin. Die Griechen hinterließen Wissen über Anatomie und Physiologie. Ein Vertreter dieser Gruppe ist Claudius Galenus (129-199 n. Chr.). Er war zunächst Gladiatiorenarzt und stieg bis zum Arzt des Kaisers auf. Er schuf eine Lehre von den Körpersäften, mit der er die Tradition von Hippokrates fortführte. Diese Lehre ist die Basis der modernen Medizinischen Forschung, auch zu Hormonen. Er war auch ein Vertreter der Allopathie, d.h. der Bekämpfung von Krankheiten durch Gegenmittel. Was kennzeichnet seine Lehre von den Temperamenten? Damit hat Galenus eine lange Tradition in der Psychologie eingeleitet. Er entwarf eine Theorie über den Zusammenhang zwischen Körperflüssigkeiten und Persönlichkeit. Er hatte zwei Bipolare Skalen, die den Erregungsablauf beim jeweiligen Menschen kennzeichnen: Schnell und langsam, kräftig und schwach. Diese Typen nannte er Temperamente. Insgesamt unterscheidet er vier Typen, bei denen ein unterschiedliches Mischungsverhältnis der Körpersäfte vorliegt: • Sanguiniker: Diese sind vom Blut bestimmt. Sie sind schnell und stark erregbare aber freundliche Menschen. • Phlegmatiker: Diese sind vom Schleim bestimmt. Sie reagieren langsam und schwach, sind dabei jedoch nicht mißvergnügt. • Choleriker: Diese sind von der gelben Galle bestimmt: Sie sind schnell und stark erregbar wie die Sanguiniker, jedoch auch noch leicht verärgert. • Melancholiker: Diese sind von der schwarzen Galle bestimmt: Sie reagieren langsam und schwach wie die Phlegmatiker und sind mißvergnügt wie die Choleriker. Was war der besondere Nutzen der Lehre von Galenus? Er begründete damit die Endokrinologie und beeinflußte Maßgeblich die Persönlichkeitspsychologie, indem er diese zwei stabilen Skalen schuf. Wie entwickelte sich die griechische Ontologie in der römischen Welt? Man versuchte sie zu erneuern. Diese Schule erhielt den Namen Neoplatonismus. Einer ihrer bedeutendsten Vertreter ist Plotin. Dieser begann 244 in Rom als Philosophielehrer. Seine Lehre hat einen Schwerpunkt in der Metaphysik. Er konzipierte das Weltganze als Gebäude mit fünf Stufen. Die oberste Stufe überschreite die Lebenswelt des Menschen, bilde das Sein. Dieses ist nicht Stoff noch Geist, es umfaßt alles überhaupt mögliche und ist „das Eine“. Es sei der Inbegriff des vollkommen Guten. Weil es das beste sei, strebe es zu sich selbst. Deshalb bedeutet es Freiheit, sich nur nach sich selbst zu richten. Auf der zweiten Stufe des Gebäudes befindet sich der Geist, daß Abbild des einen. Er habe Anteil an Denken und Kraft. Im Unterschied zum Einen bilde er keine Einheit. Sonst ist er dem Einen gleich, aber die Produkte des Geistes könnten in Widerspruch zueinander stehen. Auf der dritten Stufe bringt der Geist die Seele hervor. Diese ist Abbild von Kraft und Ordnung des Geistes und erfüllt das Weltall mit Leben. -> Weltseele. Die oberen drei Stufen sind gut und frei. Ihnen gegenüber steht die Materie. Auf der vierten Stufe liegen die lebenden Körper. In ihnen verbindet sich Seele mit Materie. Aber nur auf Zeit, da die Materie vergänglich ist. Für die Lebenszeit steige die Seele in die Körperwelt hinab. Dort befinde sie sich zwischen gut und böse, Freiheit und Zwang. Auf der fünften Stufe befindet sich die Materie. Sie ist vergänglich, hat damit gar kein Sein. Ihr fehlt die Freiheit da sie dem inneren Trieb und dem äußeren Zwang folge und die Güte, deshalb sei sie schlecht. Außerdem besitze sie keine Einheit, sondern wäre zersplittert. Was folgt aus dieser Konzeption Plotins? Die ethische Verpflichtung der Seele, wieder zum Einen hochzusteigen. Er erörterte auf dieser Grundlage alle Arten psychischer Funktionen. Die Seele sei zugleich Einheit und Vielheit. Es gebe viele Funktionen, dennoch erlebt man im Selbstbewußtsein ein einheitliches Ich. Diese Einheit müsse erst von der Seele hergestellt werden, da die Sinnesorgane nur Splitter liefern. Plotin konzipiert ein seelisches Zentrum, welches die Ganzheitlichkeit von Erfahrung und Bewußtsein sichert. Dieses integriert die seelischen Funktionen. Wie begründet Plotin seine Lehre? Jedenfalls nicht schlüssig. Er verkündet sie als unbezweifelbare Wahrheit. Auf diese Weise wird Philosophie zur Offenbarung, sie wird mystisch (=geheimnisvoll). Dadurch ist seine Seelenlehre der Mystik zuzuordnen. Viele Begriffe wie der des Einen werden nicht näher bestimmt, es ist in Begriffen nicht zu fassen. Deshalb befürwortet Plotin eine Philosophie der inneren Erfahrung, der unmittelbar einleuchtenden Anschauung. Welcher Strömung ist Plotins Lehre damit zugehörig? Den Lehren, die sich auf Intuition (=unmittelbar einleuchtende Erkenntnis) stützen. Allerdings basieren auch die Grundannahmen der anderen Philosophie auf Intuition und sind nicht ableitbar. Damit hat Plotin die Philosophie und Psychologie im Irrationalismus verankert. Intuition geht mit dem Gefühl der Gewißheit einher. Welche Differenzierung von Theorien ergibt sich hieraus? Theorien, die eine Begründung durch den Verstand für unabdingbar halten werden dem Rationalismus zugerechnet. Theorien, die auf unmittelbar einleuchtende Anschauung beruhen als irrational bezeichnet. Diese Dichotomie durchzieht die ganze Wissenschaftsgeschichte. Daraus ergibt sich der Streit, welches die wahrere Methode der Erkenntnis ist und wie man zu dieser kommt. Zu welcher Frage wird sich dieser Streit zuspitzen? Ob die Menschen ein Vermögen zur Bildung von Erkenntnis besitzen, oder ob sie einer Gemeinsamkeit mit einer übermenschlichen Weisheit bedürfen, welche die Wahrheit schenkt. Welche Rolle spielen außereuropäische Grundlagen? Auch die islamische und die indisch-buddhistische Kultur haben alle Arten von Seelentheorien, Sittenlehren und Lebensregeln entwickelt. Auch dort ist Psychologie enthalten. Andererseits ist die europäisch-nordamerikanische Psychologie bisher die erfolgreichste Disziplin ihrer Art. Diese ist jedoch vor allem in der griechischen Antike verwurzelt. Deshalb ist es statthaft, sich auf diese Thematik zu konzentrieren. Kapitel 4: Seelenlehren im Christentum, Universitäten im Mittelalter Wodurch kennzeichnete sich die Spätzeit des römischen Reiches? Durch die Verbreitung des Christentums. Diese griffen einige Ideen aus der Antike auf, wachten aber 1000 Jahre lang streng über die Rechtgläubigkeit. Diese Zeit nannte man die Zeit des Dogmatismus oder Mittelalter. In dieser Zeit gibt es viele, für die Psychologie wichtige Entwicklungen. Wie endete das Mittelalter? Mit dem Beginn der Neuzeit, der Renaissance. Dadurch schaffte sich die Reformbewegung des Humanismus größere Freiheiten und knüpfte an die Antike an. Welche geistige Revolution vollzog sich im römischen Reich? Die Durchsetzung des Christentums – halb Religion, halb Sozialphilosophie im römischen Reich. Diese Lehre wurde zunächst verfolgt, wurde 380 jedoch zur Staatsreligion. Welchen Anspruch hatte das Christentum? Den Anspruch des neuen Denkens. Das Christentum wandte sich gegen die alten Lehren der Antike. Dies richtete sich jedoch nicht gegen die Lehren sondern gegen Atheismus. Worin gipfelt die christliche Heilslehre? In der Behauptung, die jüdische Erwartung des Messias habe sich erfüllt und der Bekräftigung des mosaischen Gebotes der Nächstenliebe. Woran mangelt es in den Schriften der vier Evangelisten? Matthäus, Markus, Lukas und Johannes lassen es an einer reflektierten Sicht der Welt und des jenseits fehlen. Sie berufen sich auf Wunder und sprechen in anschaulichen Gleichnissen sowie ansprechenden Bildern. Gerade zu den Themen der griechischen Metaphysik fehlten oft Details. Diese wurden aus den antiken Lehren ergänzt. Was ist das unverrückbare Ziel des Christentums? Die Erlösung des Menschen. Damit ist die Befreiung von der persönlichen Schuld, der Sünde, als auch der Menschheitsschuld, der Erbsünde gemeint. Was folgte aus dieser Wertsetzung für die Philosophie? Diese mußte sich in den Dienst der Erlösung stellen, sie durfte nicht mehr reiner Selbstzweck sein, welcher nach Bewußtseinserweiterung drängt. Wie ist die Wahrheit im Christentum konzipiert? Die Wahrheit gilt im Christentum nicht mehr als bloße Frucht menschlichen Denkens, sondern sie liege im unwandelbaren und unfehlbaren Wissen Gottes. Daher dürfe nur das göttliche Wissen selbst Quelle menschlicher Erkenntnis werden. Dieses Wissen wurde den Menschen in den heiligen Schriften offenbart. Was folgt daraus für die Unwahrheit? Diese wird in doppelter Hinsicht zur Sünde: Als Verweigerung gegenüber der Erlösung und Mißachtung der göttlichen Offenbarung. Das Denken muß sich an diesen ausrichten. Noch mehr hat es sich dem Glauben unterzuordnen. Die philosophische Freiheit ist unter diesen Umständen nicht zu dulden. Was bedeutet Glauben? Die unmittelbare Übernahme offenbarten Wissens, sowie das Vertrauen in die göttliche Lehre. Wodurch entstanden Uneinigkeiten in Glaubensfragen, wie wurden sie gelöst? Der Streit entbrannte an der Auswahl der Schriften, die als Träger der Offenbarung Anerkennung finden und an der Auslegung dieser Schriften. Eine Lösung war die Einberufung eines ökumenischen Konzils, auf welchem Kirchenvertreter aus der ganzen Welt eingeladen waren. Das erste war 325 in Nicäa. Auf diesen werden unanfechtbare Glaubenssätze ausgehandelt. Wer waren die Kirchenväter? Einzelne Gelehrte, deren Aussagen zu unanfechtbaren Glaubenssätzen und damit zur verbindlichen Lehre wurden. Jedenfalls bis zum 7. Jahrhundert. Welche weitere Forderung stellte das Christentum an die Menschen? Ein Leben in Frömmigkeit zu führen. Dies sei die Voraussetzung für die Erlösung, daß ewige Glück nach dem Tode. Diese Frömmigkeit wurde auch zum Maßstab für die Wissenschaft. Was geschah mit den Lehren, die diesem Ziel nicht dienlich waren? Alle Lehren, die zu diesem Ziel nichts beitragen konnten, fielen in Ungnade. Welche Lehren waren dies vor allem? Vor allem viele Naturlehren und die Pragmatik. Da ihre Einsichten dazu führen sollten, daß Leben in dieser Welt zu verbessern. Zur Erlangung der Seligkeit in der ewigen Welt trugen sie nichts bei. Wie beherrschte die Kirche das Denken? Durch Dogmen (=Meinung). In der Antike bezeichnete dies eine Lehrmeinung die sich auf Argumente oder Beobachtungen stützt. Begründete Abweichungen wurden gestattet. Durch die Kirche verschärfte sich der Begriff des Dogmas. Diese bezeichneten danach eine Lehre, welche die Kirche durch ihre Autorität zum Teil der göttlichen Wahrheit erklärt. Dadurch wurden sie zum Gebot für alle Bürger. Wie wurden Abweichungen von den Dogmen verstanden? Als Abtrünnigkeit von Gott, als Häresie (=willkürliche Wahl). Durch die Dogmen war jeder berechtigte Widerspruch ausgeschlossen. Abweichler galten als Sünder und wurden bestraft. Oft verfolgte der Staat selbst die Häretiker. Welche Rolle spielten die frühen Kirchenväter? Diese betätigten sich in Zeiten der Christenverfolgung als Apologeten, d.h. sie rechtfertigten die neue Lehre. Ein bedeutender Vertreter ist Justin. Dieser wurde 165 vom Staat getötet, weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte. Später erlangten Kirchenväter selbst hohe öffentliche Ämter, z.B. Gregor von Nyssa. Beide wurden später heiliggesprochen, d.h. ihnen wurde die Erlösung zuerkannt. Worauf stützten sich die Kirchenväter? Vor allem auf das alte und neue Testament. Andererseits werteten sie auch antike Quellen aus und suchten nach Übereinstimmungen zwischen diesen und christlichen Texten. Ist das Christentum eine wissenschaftsfeindliche Religion? Durch das Gebot des Glaubens und der Unanfechtbarkeit der göttlichen Offenbarung kann man schon auf diese Idee kommen. Außerdem werden in den Schriften selbst die Intellektuellen angegriffen und die geistig armen gepriesen. Auch auf Meinungsvielfalt wird überhaupt keinen Wert gelegt. Was kennzeichnet das Weltbild der frühen Kirchenlehrer? Sie haben viel vom Idealismus Platons und der Neoplatoniker übernommen: • Das Eine, aus dem alles hervorgeht ist der Vatergott. Er ist Sitz aller Weisheit und Ordnung. • Aus diesem göttlichen Ursprung ergibt sich eine Hierarchie der Lebewesen: Erst Engel, dann Menschen, dann Tiere, Pflanzen und unbelebte Körper. • Der Mensch besitzt eine Gottähnliche Seele, die von Gott individuell geschaffen wurde. Diese ist unsterblich, körperlos und vernünftig. In diesen Sätzen spiegelt sich sowohl Dualismus als auch neoplatonische Lehre. Wozu die Offenbarung der göttlichen Weisheit in seinen Werken? Der Mensch kann die göttliche Weisheit nicht selbsttätig erreichen. Er kann sie auch nicht in vollem Umfange erwerben. Diese Konzeption vertritt Origines, welcher 185 geboren wurde. Dieser schuf die Lichtmetapher. Der Mensch könne nicht in die Sonne schauen, sondern müsse durch abgeschwächte Strahlen auf die Großartigkeit des Feuers schließen. Ähnlich wäre es auch bei Gott. Dessen Weisheit ist nur durch seine Strahlen, d.h. irdische Werke zu erschließen. Wie gelangt man zur Erlösung? Der Mensch befindet sich nach Origines zwischen Gut und Böse. Zum eigenen guten gelangt man durch das Streben nach dem überirdischen Guten. Für die Überwindung der Sünde sei der Mensch selbst verantwortlich. Wie gelangte die Ethik in die christliche Lehre? Durch die Forderung nach einem möglichst fehlerfreien Leben zur Erlangung der Erlösung. Dies mußte irgendwie erreicht werden. Welche Ethik übernahmen die Christen aus der Antike? Die der Stoiker. Diese eignet sich am besten für ein von Lastern freies Leben. Sie übernahmen vor allem zwei Grundsätze: • sittliches Leben ist Leben in Übereinstimmung mit der Weltordnung. • Die Weltordnung spiegelt sich im Bewußtsein jedes Individuums. Diese Weltordnung wird als göttliche Ordnung gedeutet. Diese wird durch das Wissen um die Gebote gestiftet. Dieses Bewußtsein um die Gebote nannte man Gewissen. Verstöße gegen die Gebote wurden als Ungehorsam gegen Gott selbst gewertet und entsprechend bestraft. Welche Lehre vertritt der besonders bedeutende Kirchenvater Augustinus? Dieser in Nordafrika lebende Kirchenvater hat viele theologische Fragen geklärt und auch zu vielen psychologischen Themen Beiträge geleistet, sowie die christliche Lehre gegen Kritiker verteidigt. Er entwarf im Gottesstaat eine christliche Version von Platons Utopie. Platon forderte die Ausrichtung des Staates an zeitlosen Idealen. Augustinus konzipierte ein selbstsüchtiges Erdenreich und ein Gottesreich in der Liebe zu Gott, welches beim Weltgericht triumphieren werde. Er schuf auch in Anlehnung An Origines eine Erkenntnistheorie, die den Glauben als höchste Erkenntnisform sieht, da Gott diesem Glauben durch die Erleuchtung die höchste Wahrheit schenkt. So führe Wissen zu Glauben und Glauben zu Wissen. Was sah Augustinus als Königsweg der Erkenntnis an? Die Introspektion. Die Gewißheit der inneren Erfahrung, die über Skepsis und Zweifel erhaben ist. Was sind nach Augustinus die Inhalte innerer Erfahrung? Das Göttliche, die Beziehung des Menschen zu Gott und das Menschliche. Welche Auffassung von Selbst vertritt Augustinus? Es gibt einen metaphysischen Aspekt der dem Himmelreich zustrebenden Seele und den empirischen Aspekt, in dem sich das Selbst in der eigenen Erfahrung widerspiegelt. Dieses Wissen über sich selbst hindere aber die Erlösung nicht. Auch die Welt und ihre Ordnung seien aus Gottes Geist. Gott lasse den Menschen an seinem Geist teilhaben, indem er ihnen die Kategorien zum Erkennen der Welt schenkt. Damit wurden platonische Ideen auch im christlichen Denken verankert. Nach welchen Aspekten ordnete Augustinus die geistigen Funktionen? Nach der Dimension der Zeit. Die Erlebnisse der Vergangenheit seien durch das Gedächtnis zugänglich. Die der Gegenwart durch die Einsicht und die Zukunft ziele auf den Willen, wobei die Vorstellung ein Zwischenglied zwischen Gedächtnis und Einsicht darstelle. Daneben beschäftigte er sich mit Sinnesempfindungen und Begierden. Welche Aufgabe hat das Selbst bei Augustinus? Das Seelische bildet trotz der Einzelfunktionen eine Einheit. Das Selbst vermittelt dem Bewußtsein den Eindruck von Einheit und Kontinuität. Hier folgt Augustinus Plotin. Was hielt Augustinus für die treibende Kraft auf der Suche nach Gott und der Wahrheit? Die Liebe, nicht den regelgeleiteten Verstand. Die Unruhe des Herzens führe zur Erkenntnis des Wesentlichen. Damit verteidigte er Subjektivismus und Irrationalismus der Kirche. Explizit lehnt es das Ordnungsdenken des Rationalismus ab: Liebe bringe Freiheit vom Gesetz. Welche psychologische Methode begründete Augustinus durch die Anwendung der Erkenntnislehre des Plotin auf die Erscheinungen des eigenen Bewußtseins? Die Introspektion, auch phänomenologische Methode. Introspektion (=Hineinsehen) bedeutet Selbstbeobachtung. Unter Phänomenologie versteht man in der Psychologie die Darstellung von inneren Erscheinungen im Bewußtsein. Diese Erkenntnisse rechtfertigen sich durch ihre Selbstverständlichkeit. Dies ist auch eine Schwäche, die von ihren Kritikern vorgeworfen wird: Dadurch wird sie unkorrigierbar. Dies weist Augustinus jedoch zurück. Dies sei lediglich Zeichen der Herkunft dieser Selbsterfahrung von Gott. Was geschah mit dem römischen Reich? Nach vielen Schwierigkeiten teilte sich das Reich 395 nach dem Tode von Theodosius in eine Westhälfte und eine Osthälfte. Durch die Völkerwanderung ging das Westreich 476 durch Odoaker unter. Das Ostreich unter Byzanz blieb bis 1453 bestehen. Dann wurde es von den Osmanen erobert, wodurch sich der Islam ausbreitete. Aus der Trennung zweier Staaten wurde dadurch die Trennung zwischen zwei Kulturen: Dem Abendland, Okzident und dem Morgenland, Orient. Das Abendland hat schließlich beim Beginn der Neuzeit die alte Tradition in die Wissenschaftskonzeption der Moderne überführt. Welchen Zeitraum umfaßt das Mittelalter? Läßt man es 500 mit dem Zusammenbruch des römischen Reiches beginnen und 1500 mit der Entdeckung Amerikas und der Reformation beginnen, so umfaßt es ganze 1000 Jahre. Wodurch kennzeichnete sich diese Zeit? In dieser Zeit wurden die schwach besiedelten Nordgebiete entwickelt. Dort tummelte sich eine Vielzahl von Volksstämmen und Adelsgeschlechtern, die um die Macht und um die Nachfolge des untergegangenen Westreichs kämpften. Schließlich wurde das römische Reich deutscher Nation installiert, der Bischof von Rom wurde Papst und galt ab da als höchster religiöser Führer. Welche Rolle hatte die Kirche im Mittelalter? Sie bildete eine erhebliche Macht. Sie verband die einzelnen Staaten und Stämme. Außerdem wollte sie gleichwertig neben der staatlichen Macht stehen. Bildung und Wissenschaft wurden dadurch in den Dienst der Frömmigkeit gestellt. Welche Rolle kamen Glaube und Verstand in der Kirche zu? Der Verstand hatte sich dem Glauben unterzuordnen. Das kirchliche Dogma hat Vorrang vor der freien Argumentation. Auch der Begriff der Vernunft wurde anders gesehen. Wichtig war die Lektüre der Bekenntnisse der Frommen, z.B. von Meister Eckhart. Was war die Aufgabe der Mönchsorden? Sie waren die Träger der Mission in Europa. Vor allem die Benediktiner. Diese entwickelten nach ihrem Spruch „ora et labora“ – bete und arbeite – auch neue Techniken für Handwerk und Landwirtschaft hervor. Sie widmeten sich auch der Wissenschaft und der Kunst und unterhielten Bibliotheken in denen Bücher aufbewahrt und vervielfältigt wurden. Außerdem wurden Bücher erneuert oder neu hergestellt. Außerdem wurden aus diesen Büchern Vorlesungen für die Mönche gehalten. Welche Funktion hatten die Klosterschulen? Zunächst dienten sie der Ausbildung von Priestern und Mönchen, später wurden auch Laien aufgenommen. Wie ist die Gründung der Universitäten zu sehen? Diese vollzog sich gegen Ende des Mittelalters. An ihnen wurden alle kirchlich anerkannten Wissenschaften gelehrt, diese wurden ebenfalls auch von Laien besucht. Diese standen unter strengem Einfluß der Kirche, z.B. auf die Gestaltung des Lehrplanes. Zum Lehrstoff bestimmte die Kirche vor allem ausgewählte theologische und philosophische Themen. Was bedeutet der Begriff der Scholastik? Mittelalterliche Theologie und Philosophie hieß schlicht Schulstoff (=scholasticus) Wodurch ist die scholastische Lehre gekennzeichnet? Diese erreichte ihren Höhepunkt im Werk von Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert. Dieser hinterließ einen Kanon höherer Bildung, rezipierte die Dogmatik der Kirchenväter sowie die Lehren der Antike. Er wurde hoch angesehen. Er wertete die Philosophie (gesammeltes Wissen) gegenüber der Theologie (Glaubenssätze) auf. Christliche Weisheit vollende sich erst in der Verbindung von Glauben und Wissen. Er verhalf der Lehre des Aristoteles zu neuer Anerkennung. Er ordnete das Begriffspaar der Möglichkeit und Wirklichkeit dem Begriffspaar „Wesen“ und „Sein“ zu. Jedem Seienden komme nur ein einziges Wesen zu. Die Seele des Menschen sei eine einheitliche Wesensform, die sowohl körperliche als auch geistige Möglichkeiten des Menschen umfaßt. Auch die Dreiteilung der Seele wurde übernommen. Außerdem entwarf er eine Weltordnung, die sich von Gott als voller Wirklichkeit ableitet. Von den geschaffenen Wesen seien die Engel Gott am ähnlichsten, die Tiere am unähnlichsten. Der Mensch stehe dazwischen. Damit gibt es einen Konflikt und eine Entwicklungsdynamik beim Menschen, da der Geist zu Gott, der Körper zum Tier strebe. Was war das vorherrschende Erziehungsziel im Mittelalter? Die Erziehung zu Rechtgläubigkeit. Es sollte nur gelesen werden, was den rechten Glauben fördert. Die Rechtgläubigkeit eines Werkes beurteilten Kirchenbeamte oder Mönche als Vormund der Laien. Auch die antiken Werke, denen die Rechtgläubigkeit fehlt, wurden in den Bibliothek aufgenommen, diese waren jedoch nur wenigen Menschen zugänglich und durften nicht gelehrt werden. Wie konzipiert Thomas Substanz und Akzidenz? Der Seele als wesentliche Substanz kommen als unwesentliche Beigabe seelische Fähigkeiten zu. Außerdem wies er den aristotelischen Satz zurück, Denken lasse sich vom Körper trennen. Das Denkvermögen konzipierte Thomas als wichtigstes Vermögen, welches dem Körper als ganzes zukommt. zurück, daß Wie leitet Thomas Sittlichkeit ab? Diese leitet er aus der Ontologie ab. Das Sein sei durch die Gottähnlichkeit gut und wahr. Aus der Einsicht in das Sein erwachse das Erkennen des Guten. Somit sind Denken und Wollen die seelischen Grundlagen der Sittlichkeit. Was folgte aus dieser ethischen Konzeption? Das Handeln aus rechtgläubiger Einsicht wurde zur Pflicht. Die Strebungen des Körpers wurden bekämpft, da die sinnlich empfundenen körperlichen Begierden die Frömmigkeit behinderten. Aufgabe der Vernunft sei, diese niederen Triebe zu kontrollieren indem ihnen Grenzen gesetzt werden. Daraus resultiert die Forderung nach Selbstbeherrschung. Was verstand Thomas als Gesetz? In Anlehnung an die Stoiker verstand Thomas das Gesetz als Ordnungsmuster im Weltganzen. Der Mensch solle den Gesetzen des Kosmos gehorchen. Dadurch verteidigte er aber auch das Natürliche gegen überstrenge Forderung nach Askese und Keuschheit. Was folgte durch die Konzeption des Thomas für die Psychologische Entwicklung? Durch dessen kirchlich legitimierte Konzeption der Seele als einheitlicher Wesensform des körperlich-geistigen Menschen begründete sich der Anspruch auf einen in sich geschlossenen Erkenntnisgegenstand. Allerdings beinhaltet die Konzeption von Thomas noch viel Metaphysik, auch er wertet wie die antiken Denker den Körper gegenüber dem Geist ab. Außerdem trennte auch er schon kognitive von motivationalen Faktoren – eine Trennung, die bis heute Bestand hat. Niedere Motivation: Trieb, höhere Motivation: Wille. Niedere Kognition: Wahrnehmung. höhere Kognition: Denken. Dieser Konflikt zwischen höheren und niederen Funktionen wurde später als Konflikt zwischen Erfahrung und Vernunft oder zwischen es und ich gedeutet. Welches Verhältnis haben Wissenschaft und Macht? Bereits Plato fordert den Philosophenkönig. Wer die Wahrheit schaue, soll den Staat regieren. Thomas berief sich auf die göttliche Autorität. Und die Kirche wiederum auf Thomas als Verkünder der Offenbarung. Seine Ethik wurde zur Rechtfertigung gegenüber Gläubigen. Welche politische Entwicklung vollzog sich im späten Mittelalter? Die Zentralgewalt der römisch-deutschen Kaiser zerfiel, die Macht der Territorialfürsten wuchs. Die Pest vernichtete große Teile der Bevölkerung. Auch die Zentralgewalt der römischen Kirche wurde durch die Kirchenreformation von Luther erschüttert. Eigene Kirchenorganisationen wurden gegründet. Welche Richtung entstand in dieser Zeit? Der Humanismus. Diese suchte die Jenseitsorientierung und Dogmatik der Scholastik zu überwinden. Der Humanismus knüpfte an die Traditionen der römischen und griechischen Philosophie an und trat für eine Aufwertung des Individuums ein. Durch die Freizügigkeit des Denkens steigerte sich auch die Freizügigkeit des Lebensstils. Welchen Vertreter des Humanismus gewann Luther als Mitstreiter für die Reformation? Philipp Schwarzert (1497-1560). Dieser war Professor an der Universität Wittenberg und nannte sich bald Melanchthon. Dieser löste die weltliche Wissenschaft aus der Theologie. Die Vernunft könne nur weltliche Dinge erfassen und keine Metaphysik. Auch er hatte in Anklang an Aristoteles eine Hierarchie der Seelenleistungen. Als höherer Sinn gilt Verstand und Leistung, als niederer Bewegung, Bedürfnisse, Gefühle. Welches Konzept des inneren Sinnes hat Melanchton? Er sei eine Hirnfunktion, die der Wahrnehmung diene. Dieses leistet die Auffassung von Gegenständen indem es die Empfindungen der äußeren Sinne unterscheidet. Beteiligt wäre auch das Gedächtnis. Welches Konzept von Bedürfnissen hat Melanchthon? Auch die Bedürfnisse würden sich entsprechend der Schichtung der Seele in organische, sinnliche und willentliche gliedern. Die Bedürfnisse sind auf den unterschiedlichen Stufen unterschiedlich zu befriedigen, z.B. die sinnlichen Bedürfnisse durch äußere Reize. Welche weiteren Konzeptionen hat Melanchthon? Die Ordnung der Gefühle sei vom Schöpfer gestört worden, wodurch hilfreiche und zerstörerische entstanden. Der Verstand sei so einzigartig, weil er Gott und die Vielfalt der Natur zu seinem Gegenstand machen kann. Auf diesem beruhe der menschliche Wille. Dieser begründe Bedürfnisse in Übereinstimmung mit Gott und Natur. Der Verstand erfasse das allgemeingültige, die Ordnung. Dadurch gelange der Mensch in Partnerschaft zu Gott. Dieser bedürfe der Verbindung zum Menschen. Welches neue Wissenschaftsideal ergibt sich im Humanismus? Das Ideal der kommunikativen Wissenschaft, die den Menschen im Verständnis der Wahrheit vereint. Hinzu kommt das Ideal der allgemeingültigen Erkenntnis von ewigen Gesetzmäßigkeiten. Diese Ideale verpflichten die Wissenschaft zu Metaphysik, öffnen aber auch den Weg zur Naturkunde. Die Anthropologie war ein zentrales Thema des Humanismus. Welche neue Wissenschaft entstand hier? Die Psychologie. Die Seelenlehre war ein zentrales Thema des Humanismus. Es galt, Grenzen und Möglichkeiten des Menschen aufzuzeigen. Die Psychologie wurde manchmal auch Pneumatik oder Animastik genannt. Der Begriff der Psychologie setzte sich jedoch erst im 19. Jahrhundert völlig durch. Erste Erwähnungen gibt es 1520 von Marko Maurulic oder 1594 von Casmann. Der Begriff der Psychologie sollte eine Theorie der geistigen Natur in Ergänzung zur Theorie der körperlichen Natur darstellen. Insofern gehört die Psychologie zu einem Fortschrittsprogramm, daß die neue Philosophie gegen die alte durchsetzen will. Welche Rolle spielte die Kunst in der Renaissance? Durch Reichtum und Macht konnte man sich in der Renaissance die Selbstdarstellung durch die Kunst leisten. Reiche Familien wie die Medici traten als Mäzen auf. Diese Kunst teilte die Aufgeschlossenheit für antike Ideale des selbstbewußten Individuums mit dem Humanismus. Der Wandel des Menschenbildes wird auch in der Wandlung der Madonnendarstellung sichtbar. Im Mittelalter dominierten schematische Darstellungen. Welche weiteren Folgen hatte der Humanismus? Durch ihn entstand ein Hochschulsystem, welches die Tradition der antiken Philosophenschulen fortsetzte. Dieses emanzipierte sich zunehmend von der kirchlichen Lenkung. Die Universitäten breiteten sich in ganz Europa aus. Was bedeutet der Begriff der Universität? Er hat eine Doppelbedeutung. Zum einen bedeutet er die Genossenschaft von Lernenden und Lehrenden, zum anderen die Gesamtheit der an einem Ort vertretenen Wissenschaften. Welche Fakultäten gab es in den neuen Universitäten? • Theologie, die das höchste Ansehen genoß • Medizin, die einträglich war • Rechtswissenschaft, die auch einträglich war • Philosophie oder freie Künste Eingeführte Berufsgruppen erfuhren hier eine Spezialisierung, andere genossen eine breit gefächerte Ausbildung (z.B. das Trivium Grammatik, Rhetorik, Logik oder das Quadrivium Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie). Diese bildeten oft das Grundstudium. Welchen Status hatte das Studium der freien Künste? Es eröffnete keinen unmittelbaren Zugang zu einem einträglichen Beruf. Diese deckten eine erhebliche Breite an Wissensgebieten ab, von der Naturforschung bis zur Metaphysik. Auch die Psychologie siedelte sich hier an. Welches wichtige Privileg besaßen die Universitäten? Sie durften Titel verleihen, z.B. den des magisters oder den des doctors. Diese Titel gewährten gesellschaftliche Vorteile, insbesondere die Zulassung zu staatlichen und kirchlichen Ämtern oder die Bevorzugung vor Gericht. Welchen Status hatte die Psychologie innerhalb der freien Künste? Sie war zunächst kein eigenständiges Fach. Sie teilte viele Themen mit Nachbarfächern. So kam es zu einer Vervielfachung psychologisch einschlägiger Forschung. Die Psychologie stellt sich also von vorneherein als transdisziplinäre Wissenschaft dar, da die psychologische Thematik viele andere Disziplinen durchzieht. Welche Lehrformen kannte die Universität? Die Vorlesung, in welcher der Lehrer in einem Lehrstuhl ein Manuskript vortrug und das Streitgespräch als Lehr- und Prüfungsform. Die mittelalterlichen Universitäten waren aus heutiger Sicht klein. In welcher Sprache wurde die Wissenschaft gelehrt? In Latein, welches auch die Sprache von Kirche und Verwaltung war. Auch die Bücher waren so geschrieben. Dies wurde von den Humanisten übernommen. Latein gewährleistete als Standardsprache des Abendlandes eine größere Mobilität des Wissens angesichts der vielen europäischen Sprachen und Dialekte. Sind Epochen historische Realitäten? Der Epochenbegriff, d.h. der Übergang von einer in die andere ist problematisch. Erstens ist dieser nicht immer einfach datierbar. Oft sind die Wechsel langwierige Prozesse mit Vorläufen und Rückwendungen. Zweitens erfolgte der Wechsel nicht in allen Bereichen gleichzeitig, wie es der Begriff eigentlich nahelegt. Bei näherer Betrachtung zeigen sich zeitliche Verschiebungen in unterschiedlichen Bereichen. Drittens sind solche Einteilungen oft umstritten, manche finden keinen Konsens und werden wieder aufgegeben, andere erst spät eingeführt. Deshalb sollte man Epochen eher als erklärende denn als beschreibende Begriffe sehen. Interessanter ist das Zustandekommen von Epochenbegriffen, denn deren Inhalt. Ein Lehrbuch benutzt Epocheneinteilungen außerdem gerne als didaktisches Mittel zur Strukturierung des Stoffes. Am Wandel von Epochen erkennt man außerdem den Wandel und den Bruch von Traditionen. Kapitel 5: Welt- und Seelenlehren im Rationalismus und Empirismus Was war das Ziel der Philosophie der Aufklärung? Diese nannte das Mittelalter eine durch Dogmatismus finstere Zeit, die durch den Erkenntnisfortschritt erhellt werden sollte. Diesen sollte der Mensch durch seine eigene Vernunft herbeiführen? Welche Ansätze gab es dazu in der Aufklärung? Den Rationalismus, der die Welt als Ordnung der Vernunft deutete und den Empirismus, welcher die Vernunftordnung bestritt. Was wirklich sei, bestimmte die Erfahrung. Welchen Status hatte die Wissenschaft in dieser Zeit? Sie gestaltete das Leben in der Zeit des Wandels wesentlich mit. Wodurch war das 17. Jahrhundert in Europa vor allem geprägt? Durch Glaubenskriege, vor allem den 30-jährigen Krieg, der von 1618-1648 weite Teile Europas verwüstete. Hier trafen Protestanten auf Katholiken. Wodurch war das 18. Jahrhundert in Europa vor allem geprägt? Durch Machtkämpfe zwischen Frankreich, England, Spanien und Österreich. Auch Preußen drängte auf den Plan. Auch Rußland wurde zur Großmacht. Trotz aller Spannungen entstand in Europa ein ausgedehnter Kulturraum. Was das Prinzip der Staatsräson? Die Wahrung der nationalen Interessen als oberstes Gebot. Was war der Grund der Spannungen zwischen Bürgern und Adel/Klerus? Erstere wurden immer mächtiger und wichtiger, letztere genossen jedoch erhebliche Privilegien bei der Vergabe von Ämtern, vor Gericht und wurden nicht besteuert. Was wurde zu einem Triumph der bürgerlichen Ordnung? Der Triumph der Bürgerbewegung von 1789. Diese gewährte allen Bürgern eines Landes gleiche Rechte. Durch sie wurden Menschenrechte, die Einrichtung einer Nationalversammlung und die Verabschiedung einer Verfassung erwirkt. Diese neue Ordnung bedurfte der Begründung, was der Wissenschaft Auftrieb gab. Wozu führte dies in der Wissenschaft? Zu einer Neubewertung der Erkenntnismethoden. Der Mensch besitze ausreichend Vernunft um das Wesen der Welt und der Menschen zu ergründen. Dies führte zu zwei neuen Methoden um zu vorurteilsfreier, schlüssiger Erkenntnis zu gelangen: • rationales Denken, die von Vernunft geleitete Überlegung (=speculatio) • empirische Untersuchung, die planvolle und sorgfältige Beobachtung (=empeiria) Beide Methoden sollten die Gegenstände in ihrer wirklichen Beschaffenheit darstellen und Täuschungen, sowie Meinungsverschiedenheiten vorbeugen. Wer entwarf eine einflußreiche Denkschule? Der Humanist Petrus Ramus. Er entwarf die Kunst des Denkens und der Argumentation, die er Dialektik nannte. Diese hatte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts einen großen Einfluß an den Denkschulen, allerdings wurde Ramus selbst 1572 wegen seines Glaubens ermordet. Woraus bestand die Dialektik des Ramus im Gegensatz zur scholastischen Dialektik? Seine Dialektik hat zwei Teile: Die Erfindung und das Urteil. Der erste Teil bestimmt die Teile der Rede, der zweite den Aufbau. Er verwarf die scholastische Dialektik, welche sich in ihren Ableitungen lediglich auf formale Denkmuster (Syllogismen) achtete. Die freie Argumentation müsse sich den gegebenen Tatsachen anpassen. Erfindungen sind sachdienliche Argumente und Begriffe, in diesen soll sich die Logik der Dinge wiederspiegeln, z.B. die Taten durch die Motive erklären. Natürliche Ereignisse seien natürlich zu erklären. Hinsichtlich des Urteils unterscheidet Ramus zwischen dem wissenschaftlich begründeten Urteil und der unbegründeten Meinung. Was verlangt das wissenschaftliche Urteil in der Dialektik von Ramus? Die Trennung von Allgemeinem und Besonderem, sowie Ursache und Wirkung, die Definition von Begriffen, den nachvollziehbaren Gang der Beweisführung und die logischen Figuren des Vergleichs, der Unterscheidung und des Gegensatzes. Für jedes Urteil benötigt man hinreichend viele Argumente. Dadurch unterscheidet sich die Wissenschaftliche Gesprächsführung durch ihre Methodik, nicht durch ihr Ergebnis. Wie nannte man die Dialektik, die den von Ramus vorgeschlagenen Vernunftsregeln folgt? Eine Kritik (=Urteilskunst). Diese wurde für viele zum Qualitätsmerkmal von Wissenschaft. Welche Arten von Beobachtung als Methode sind zu unterscheiden? • Beobachtung der eigenen Person (Selbstbeobachtung) im Gegensatz zur Beobachtung von Personen und Dingen in der Umgebung (Fremdbeobachtung). • Beobachtung der Oberfläche (äußere Beobachtung) im Gegensatz zur Beobachtung des Inneren (innere Beobachtung) sowie • Beobachtung natürlicher Gegenstände und Abläufe (natürliche Beobachtung) im Gegensatz zur Beobachtung von eigens zur Untersuchung hergestellter Gegenstände und Abläufe (Experiment). Welche Beobachtung war die unverfänglichste? Die äußere Beobachtung fremder Gegenstände wie in der Astronomie. Die Introspektion war zwar erlaubt, jedoch erregte die Anatomie oft Anstoß. Was war das Programm von Francis Bacon? Die Wissenschaft durch empirische Methoden zu erneuern und nutzbar zu machen. Er wollte die Wissenschaft selbst zum Mittel des Fortschritts machen. Die empirische Methode allein schaffe zutreffendes und praktisch verwertbares Mitteln. Damit wandte er sich gegen die formale Logik. Er war englischer Mathematiker und zeitweise auch Lordkanzler. Welche Kategorien der Beobachtung hatte Bacon? Die Gelegenheitsbeobachtung und die planmäßige Beobachtung, welche sich wiederum in Experiment und systematische Beobachtung gliedert. Systematische Beobachtungen waren langfristige Beobachtungen von Ereignissen, Experimente die Beobachtung hergestellter Bedingungen. Ein Beispiel eines solches Experimentes lieferte Guericke, der zwei Halbkugel luftleer pumpen lies und zeigen konnte, daß sogar Pferde dies nicht auseinanderreißen können Welche Erkenntnistheoretische Richtung befürwortete Bacon? Die Methode der Induktion. Die Verallgemeinerung gesicherter Beobachtung. Damit ist das Schließen von wenigen untersuchten Fällen auf die zugehörige Gesamtgruppe von Fällen gemeint. Wie erklärte Descartes den Zusammenhang zwischen der Welt der körperlichen Erscheinungen und der Welt der geistigen Erscheinungen? Dieser schrieb viel auch zu psychologischen Fragestellungen, so z.B. zum Vorgang des Reflexes. Er entwickelte ein Reflexmodell um die Entstehung von Verhalten zu erklären, welches von Außenreizen ausgelöst wird. Der Mensch sei den Tieren vergleichbar, auch zwischen unbelebten und belebten Körpern gebe es keinen grundsätzlichen Unterschied. Er konzipierte eine reine Körperwelt, die durch ihre räumliche Ausdehnung gekennzeichnet ist. Diese nannte er „räumlich ausgedehnte Sache“. Analog zum Reflex gliedere sich die ganze Welt in Teile, die zueinander in einem Verhältnis von Ursache und Wirkung stehen. Wie sieht das Reflexmodell von Descartes aus? • afferente Erregung der Sinnesnerven • Umschaltung der Erregung im Gehirn • efferente Erregung der Bewegungsnerven • Muskelaktion Wie bezeichnet man warum solche Theorien, zu denen auch die von Descartes gehört? Körper werden als Bewegungsapparate gedeutet. Ist die Bewegung mal angestoßen, nimmt sie den ihr eigenen stets gleichen Verlauf, automatisch. Diese Theorien der regelhaften Bewegung nennt man mechanistische Theorien oder Automatentheorien. Jedoch klammert Descartes geistige Prozesse aus der mechanistischen Deutung aus. Gedankengänge scheinen frei zu fließen, ohne erkennbare Auslöser und notwendige Folgen. Was folgte aus dieser Differenzierung? Descartes meinte, daß nur die Beobachtung von Körpern gesichertes Wissen bringen könne, die Gewißheit geistiger Erkenntnis könne schnell verloren gehen. Er kam sogar zur Gewißheit der Unmöglichkeit wahrer Erkenntnis: Es bleibt nur der Zweifel als Quelle. Der an allem besteht. In diesem liege die Quelle des Ich-Bewußtseins. Deshalb sei es das Denken, welche die Existenz belegt: Cogito ergo sum – ich denke, also bin ich. Aus Zweifel geboren. Neben der Körperwelt gebe es also eine Geisteswelt (denkende Sache) ohne räumliche Ausdehnung und ohne Mechanik, die der Körperwelt qualitativ verschieden ist. Somit entscheidet sich der Autor für einen Dualismus zwischen Körper und Geist. Wie löste Descartes den Konflikt mit der Theologie? Er verglich Gott mit dem Brunnenmeister. Er habe die Anlage gebaut und eingestellt, jetzt könne er sie sich selbst überlassen. Damit folge die Natur auf Dauer den ihr eigenen Gesetzen. Außerdem löst Descartes die Wissenschaft zwar von der Metaphysik, indem er auf die unveränderlichen Gesetze der Natur verweist, allerdings glaubt er an Gott und sieht in als Quelle der Naturgesetze und der Vernunft an. Die Grundlegenden Ideen, Kategorien seien im angeboren, entwickle der Mensch nicht selbst. Diese erlaubten ihm die Reflektion erst. Für was gibt Descartes ein gutes Vorbild? Er ist der Prototyp des neuen, freien Wissenschaftlers, der sich in vielen Gebieten bildet. Er starb am Hofe der Sieger des 30-jährigen Krieges bei Christine an Lungenentzündung. Er bereicherte fast alle damaligen Wissensgebiete. Von der Mathematik zur Theologie. Welche Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist nahm Descartes an? Bei den Gefühlserlebnissen, welche den Körper erregen können. Diese Verbindung vermutete er beim Menschen in der Zirbeldrüse am Hirnstamm. Welche Widerstände gab es gegen das neue wissenschaftliche Denken? Der anhaltende Dogmatismus wehrte sich – das neue Denken verstieß gegen Glaubenssätze. In manchen Regionen wurde die Annahme der Kausalität als Prädestionationslehre verurteilt. Calvin behauptete, das Heil des Menschen sei von Gott vorherbestimmt. Dem stehen katholische und lutherische Lehre entgegen, wonach der Mensch einen freien Willen hat und dadurch für sein Handeln verantwortlich ist. Aus diesem Grund mußte auch Christian Wolff seinen Lehrstuhl aufgeben, er war des Determinismus angeklagt. Außerdem blieb die Mystik einflußreich. Einer ihrer wesentlichen Vertreter war Jacob Böhme, der im 17. Jahrhundert lebte. Was ist die Konzeption Böhmes? Er hat eine neuzeitliche Mystik entwickelt. Diese schwärmt von der geheimnisvollen überirdischen Welt der Vollkommenheit, Güte und Wahrheit. Die menschliche Welt wäre die Finsterwelt. Er forderte die Abkehr von der Finsterwelt und das Streben nach der Vereinigung mit der Jungfrau Sophia und dem Einen. Er lehnte eine scharfe Argumentation ab. Arbeitete viel mit ganzheitlichen Darstellungen und Gegensätzen (gut-böse, Mensch-Tier). Auch er interpretiert das menschliche Wesen als Verbindung des Gegensätzlichen. Dies wird die Tiefenpsychologie noch beschäftigen. Was sind die Grundzüge des Rationalismus? • die Annahme, daß der Welt eine Vernunftordnung zugrunde liegt. • die Annahme, daß sittliches Handeln auf Vernunft gründet Diese Theorien suchen das Wesen der Welt zu ergründen. Dadurch führt der Rationalismus die ontologische Tradition fort. Maßgebliche Methode ist die kritische Argumentation. Was ist ein zentrales Thema des Rationalismus? Der Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt. Subjekt ist das vernunftbegabte erkennende Ich, das Objekt ist der Gegenstand dieses Erkennens. Auch die Objekte sollen durch ihre Ordnung auf Vernunft beruhen. Denn die Ordnung ist einmalig und dauerhaft. Die Ordnung ist älter als das Subjekt und besteht auch ohne das erkennende Subjekt. Diese müssen nicht einmal in der Erfahrungswelt präsent sein. Das klassische Beispiel sind geometrische Sätze. Diese existieren unabhängig von der jeweiligen Realisierung. Diese Vernunftwahrheiten übersteigen die Erfahrung und bilden eine transzendente Welt, eine Metaphysik ohne Theologie. Wie stehen die Rationalisten gegenüber der Empirie? Abwertend. Die Erfahrung habe nur einen begrenzten Wert, da sie nur zu Vernunftwahrheiten hinführen können. Die geometrischen Gesetze ergeben sich nur durch gedankliche Analyse, nicht Empirie. Außerdem bedürfe es a priori Kategorien um überhaupt etwas wie Kausalität durch die Empirie feststellen zu können. Diese Lehre von den Erkenntnisvorgaben nennt man Apriorismus. Welche Positionen des antiken ontologischen Dualismus wurden im Rationalismus behalten? • der Glaube an eine vernunftmäßige Ordnung der Welt • die Vorrangigkeit der Vernunftordnung vor dem menschlichen Denken • die Vorrangigkeit der Vernunftordnung vor aller Wirklichkeit Allerdings waren diese Wahrheiten und dieses Wissen nicht durch Autoritäten gesichert, sondern durch die offene Argumentation. In diesem Sinne trat der Rationalismus an die Stelle der Kirche. Gott bedeutete Vollkommenheit. Als Teil der Aufklärung trat er dem Dogmatismus entgegen. Dennoch handelte es sich um Metaphysische Standpunkte. Welches System von der Ordnung und Beseelung der Welt entwickelte Spinoza? Dieser Entwickelte ein System von globalem und fundamentalem Anspruch. Er will das ganze denkbare Universum mit seinen Voraussetzungen ergründen. Dadurch, daß er die Zusammenhänge in einem großen ganzen deutet, kann man diese Theorie als Systemtheorie bezeichnen. Spinoza sieht die Welt als geschlossene Einheit. Wichtige Elemente sind: • Pantheismus: Gott stellt das gesamte Dasein dar. Die Natur ist ein Teil Gottes. Gott besitze unendlich viele Erscheinungen und habe die Welt nicht geschaffen, sondern sich mit seinem Wesen in der Welt verwirklicht. Insofern sind Körper und Geist des Menschen ebenfalls göttliche Erscheinungen. • Determinismus: Da Gott die Ordnung ist und dieser frei ist, sind die einzelnen Teile der ganzen Ordnung unterworfen. Sie unterliegen dem Zwang der Regeln von Ursache und Wirkung. Dadurch wird alles Geschehen in der Welt kausal vorherbestimmt. • psychophysischer Parallelismus: Körper und Geist bilden eine Einheit. Sie unterliegen den gleichen Ursachen, sind nur verschiedene Betrachtungsweisen des gleichen seins. Insgesamt entwirft Spinoza das Konzept einer Einheitswelt, die nach einem übergreifenden Plan gestaltet ist. Der Plan ist, wie er ist und das ist gut so. Jedes Wesen sie bestimmt durch seinen Platz im ganzen. Der Mensch hat durch seinen Verstand Einsicht in die Ordnung. Welches System von der Ordnung und Beseelung der Welt entwickelte Leibniz? Dieser entwickelte ebenfalls wie Spinoza eine Systemtheorie. Er deutet die Welt als Organisation aus einer Vielfalt von Gliedern, unendlich viele Elemente. Diese nennt er Monaden (=Einheiten). Dieses sind Zentren mit Eigendynamik. Sie interagieren überhaupt nicht mit Außeneinflüssen. Alle körperlichen Lebewesen sind Monaden, es gebe auch Geistmonaden ohne Körper, die vollkommenste Geistmonade sei Gott. Das Universum spiegele sich in jeder Monade, das Verhalten aller Monaden sei aufs beste aufeinander abgestimmt. Die Organisation der Monaden kommt der Vernunft Gottes zu. Er bestimmt im voraus, wie sich die Monaden ihrer Natur nach entscheiden. Diese göttliche Vorherbestimmung gewährleiste die beste erreichbare Organisation, der Mensch lebe in der besten aller Welten, jener der prästabilisierten Harmonie. Durch seine Güte und Weisheit habe Gott die beste der Welten genommen, da er sonst gar keine erschaffen hätte. Die Welt sei durch die Monaden beseelt. Die Harmonie erwächst aus dem Zusammenspiel der Einzelseelen. Die Monadenlehre hat die Psychologie wesentlich beflügelt. Deduktiv. Worin bestehen die Details der Monadenlehre? Monaden sind körperlose Substanzen. Sie umfassen Perzeptionen, d.h. Erkenntnisse und Entelechien, d.h. zielgerichtete Kräfte. Jede Monade wäre einzigartig. Auch das Bewußtsein wird gestuft. All diese Details werden die Psychologie weiter beschäftigen. Was bedeutet der Begriff Perzeption nach Leibniz? Alle inneren Darstellungen äußerer Gegenstände. Sie sind von Begierden begleitet. Es besteht eine Einheit zwischen Erkennen und Begehren. Daraus folgt ein Grundsatz der rationalistischen Ethik, daß gute Erkenntnis mit rechtem Begehren einhergeht. Je größer die Klarheit der Perzeptionen, desto größer ist der Grad der Bewußtheit. Explizit nimmt Leibniz die Existenz zahlreicher Perzeptionen ohne Bewußtsein an. Was bedeutet der Begriff der Apperzeption nach Leibniz? Seelen sind Monaden, deren Perzeptionen von Erinnerungen begleitet werden. Diese haben auch Tiere. Eine vernünftige Seele zeichnet sich durch die Apperzeption aus. Darunter versteht Leibniz die Selbsterkenntnis und Reflexion. Dadurch werden die antiken Schichtenlehren auf neue Weise rekonstruiert. Wie sieht Leibniz „Unklarheiten“ Als kleine Perzeptionen. Diese entgehen wie das Meeresrauschen der Aufmerksamkeit. Diese seien jedoch sehr bedeutend, da sie die zeitliche und räumliche Einheit im Bewußtsein herstellen. Leibniz nennt sie „Ich-weiß-nicht-was“. Was folgt aus dem Begriff der Monade noch? Die Einheit der Person als unteilbares ganzes. Ungeachtet der Vielfalt der Erscheinungen. Die Person eine auch Körper und Seele. Jedoch ohne keinen direkten Einfluß sondern durch unabhängiges, aber passendes Verhalten im Sinne der prästabilisierten Harmonie. So erröte man zeitgleich mit dem Schämen, ohne das das eine Ursache des anderen ist. Wie nennt man eine solche Abstimmung? Synchronizität. Leib und Seele verhalten sich unabhängig voneinander, aber wie zwei gleichlaufende Uhren aufeinander abgestimmt. Welche Konzeption der Seelenwissenschaft hatte Christian Wolff? Er beschäftige sich mit allen möglichen Dingen. Er konzipierte die Psychologie einerseits als Seelengeschichte, d.h. empirische Psychologie und als Seelenwissenschaft, d.h. rationale Psychologie. Die Seelengeschichte war die deskriptive Sammlung psychischer Phänomene. Der deutsche Begriff dafür ist Erfahrungsseelenkunde. Die rationale Psychologie sollte durch vernünftige Spekulation das Wesen der Seele und des Geistes aufschließen. Damit ist die rationale Psychologie die eigentliche Wissenschaft von der Seele. Welche Bedeutung hatte Christian Wolff für die Psychologie im deutschsprachigen Raum? Er hatte einen enormen Einfluß, schuf das erste maßgebliche Lehrbuch und förderte die neue Wissenschaft sehr. Allerdings hat er durch seine Trennung der zwei Psychologien dem Fach auch den Spaltpilz mitgegeben, der es innerlich entzweien und von der Philosophie entfremden sollte. Außerdem warf er neue Fragestellungen auf. Er war für die Herausbildung der Psychologie als Einzelwissenschaft besonders wichtig. Welche Details hatte die Lehre Wolffs? Er übernahm viel von Leibniz, insbesondere die deduktive Methode und die Einheit der Seele. Allerdings wich er von den Monadenlehre ab, indem er den Dualismus von Descartes bevorzugte. Er erklärte natürliche Zusammenhänge lieber kausal. Er verließ sich oft auf Intuition und konzipierte eine Vermögenspsychologie, welche die Erscheinungen des Bewußtseins als Fähigkeiten der menschlichen Seele, als Seelenvermögen beschreibt. Der Erkenntnisgewinn dabei war bescheiden, da jeder selbst weiß, was ein Gedächtnis ist. Wie spiegelt sich der neue Beruf des Wissenschaftlers durch Spinoza, Leibniz, Wolff? Leibniz gründete eine Gesellschaft der Wissenschaften. Im 18. Jahrhundert wird die Wissenschaft zu einem bürgerlichen Beruf. Um zu leben benötigen sie eine Universität. Diese ist in der Regel staatlich finanziert. Durch die staatliche Aufsicht ist staatliche Verfolgung gefährlich. Die Wissenschaft breitet sich in ganz Europa, auch im Osten aus. Unter welchen Bedingungen entstand der Empirismus im Europa der Neuzeit? Dieser wurde in England gepflegt, welches vom europäischen Kontinent durch das Meer getrennt ist. Dort gab es auch schon früh eine eigene Kirche. Auch waren die britannischen Inseln vom Puritanismus geprägt. Und zwar wurde der Empirismus dort mehr als eine methodische Richtung im Sinne Bacons gepflegt, da die Empiristen durchaus sehr spekulativ vorgingen. Es handelt sich vielmehr um eine grundsätzliche Auffassung der Welt als Erfahrungswelt. Der Empirismus nimmt Abschied von der Ontologie. Was sind die Grundsätze des Empirismus? • Die Welt ist eine Körperwelt, die aus einer Ansammlung von Tatsachen besteht. • Der Mensch erkennt die Körperwelt durch seine Sinne. • Der Mensch kann seine sinnliche Erfahrung verallgemeinern und bearbeiten. • Die sinnliche Erfahrung ist stückhaft und zerfällt in Elemente. • Weder die Körperwelt, noch etwas außerhalb der Körperwelt hat eine inhärente Ordnung. Im Empirismus wendet sich die Wissenschaft dem Menschen zu, der Mensch wird zum Maß aller Dinge. Die Welt sei weder vollkommen, noch unwandelbar regelhaft. Andererseits will auch der Empirismus die Dinge erfassen wie sie sind (wie die Ontologie), nur eben aus eigener Erfahrung und nicht durch metaphysische Vorgaben. Was lehnt der Empirismus ab? Alles Streben nach metaphysischer oder transzendenter Erkenntnis sowie metaphysische Vorgaben (z.B. die Idee angeborener Ideen). Auch die Ontologie. Auch die Annahme von Beständigkeit des Seienden. Wie sieht die Konzeption Lockes aus? Er schreibt dem menschlichen Verstand einen hohen Wert zu, dessen Erforschung bedeutsam sei. Die Leistung dieses Verstandes sei begrenzt, aber nach seiner Nützlichkeit zu bewerten. Erkenntnis diene dem Zwecke der erfolgreichen Lebensgestaltung und basiere auf eigener Erfahrung. Angeborene Ideen gebe es nicht, da diese bei allen Kindern und allen Kulturen nachweisbar sein müßten, was nicht der Fall sei. Vielmehr kämen Kinder als tabula rasa auf die Welt, der junge Geist gleiche einem leeren Blatt. Kinder kennen kein Identitätskonzept. Wie baut sich Erkenntnis nach Locke auf? • Sinneserfahrung erzeugt partikulare Ideen. • partikulare Ideen werden durch Abstrakion verallgemeinert. • abstrahierte Ideen werden mit Wörtern benannt. • diese Wörter lassen sich zu Sätzen fügen, was den Diskurs darüber erlaubt Zwischen welchen Arten geistiger Tätigkeit differenziert er? Zwischen Sinneserfahrung und Reflexion. Die Sinneserfahrung richte sich nach außen und sei passiv. Die durch die Sinneserfahrung bereitgestellten Ideen werden Gegenstand der Reflexion. Diese ist die Selbstbeobachtung innerer geistiger Tätigkeiten (innerer Sinn). Die Reflexion ist aktiv und die von ihr hervorgebrachten Ideen sind willkürlich. Wie unterscheidet Locke Ideen? Er unterscheidet vor allem komplexe von einfachen Ideen. Einfache Ideen entspringen der Sinneserfahrung oder der Reflexion. Komplexe Ideen sind von diesen abstrahiert. Diese sind allgemeine Repräsentanten der unmittelbaren Erfahrung. Wie gliedern sich komplexe Ideen? In Modi, Substanzen und Relationen. Modi sind einzelne Begriffe, die wiederkehrende einfache Erfahrungen zusammenfassen (z.B. Rose). In den Ideen der Substanz kommt der Glaube an die tatsächliche Existenz der Modi zum tragen (der Glaube an die Existenz der Rose). In den Relationen stellt sich das Mit- Neben- Vor- und Nacheinander von Substanzen dar. (z.B. Verhältnis von Ursache und Wirkung). Was bedeuten Wörter für Locke? Abstrahierte Ideen lassen sich mit Wörtern bezeichnen. Diese bedeuten aber nach Locke nicht mehr, als die Ideen für die sie stehen. Von der Existenz eines Wortes dürfe man nicht auf die die Idee übersteigende Existenz des Bezeichneten schließen. Begriff und Substanz sind Voraussetzungen für die Bildung und Benutzung des Wortes. Umgekehrt kann das Wort dann nicht als Beweis der Realität gelten. Wie können Gegenstände Ideen hervorbringen? Äußere Gegenstände können Ideen hervorbringen – Locke unterscheidet primäre und sekundäre Qualitäten. Die primären Qualitäten gehören den Gegenständen untrennbar zu (Festigkeit, Ausdehnung, etc.) Die sekundären kommen hinzu und ändern sich mit den Umständen (z.B. Farbe, Geschmack). Durch die Empfindung der primären Qualitäten erhalte der Mensch eine recht Realitätsgetreue Information über die Wirklichkeit. Wie sieht Locke die Realitätstreue komplexer Ideen? Ihre Bildung ist der Menschlichen Willkür unterworfen. Sie spiegeln nicht unbedingt die Realität wider. Andererseits lehnt er es ab, daß die komplexen Ideen nur Hirngespinste seien. Gott habe dem Menschen den Auftrag der Erkenntnis der Welt gegeben. Gott belohnt diese Erkenntnis sogar, indem er dem darauf handelnden Erfolg schenkt. Wer machte auf welche Inkonsequenz in Lockes Konzeption aufmerksam? George Berkeley machte darauf aufmerksam, daß Locke einerseits Subjektivität betont und die objektive Erkenntnis leugnet, andererseits sagt die Ideen könnte nützliche Abbilder der Realität sein. Welche Konzeption hatte Berkeley? Er bestritt die Trennung zwischen Subjektivität und Realität. Die Realität sei selbst ein subjektiver Eindruck. Der Wahrnehmende könne nicht differenzieren, ob etwas wirklich ist oder nur wirklich erscheint. Er sagt: Keine Subsistenz außerhalb des Geistes. Ohne daß sie jemand erkennt existieren die Dinge nicht. Sie existieren nur im Geist. Das Sein ist wahrgenommen sein, es gibt kein Sein außerhalb des Bewußtseins. An welchem Paradigma machte er dies deutlich? Am sehen. Der Wahrnehmungsprozeß bestimme das Ergebnis der Wahrnehmung. Damit bestreitet er Lockes Konzeption von Primäreigenschaften, die untrennbarer Bestandteil der Gegenstände sind. Jeder Mensch habe durch seine eigene Wahrnehmungstätigkeit eigene Wahrnehmungsbilder, sei dadurch ein Individuum. Wie löst Berkeley das Problem, wo dann die Gewißheit der Erfahrung herkommt? Er meint, ein Geist, Gott müsse intervenieren um diese zu gewähren. Aus der Empirie an sich würde diese nicht folgen. Aber Gott unterstütze nur die irdische Erfahrung des Menschen. Wie lösen die Empiristen die Frage der Assoziation? Lehren, die als kleinste Einheiten des Bewußtseins elementare Sinneseindrücke konzipieren, stehen vor der Frage, wie sich diese zur betrachteten Einheit zusammenfügen. Locke behandelte das Phänomen der Verbindung von Ideen eher Peripher. Er nennt sie Assoziation. Eingehender beschäftigt sich David Hume mit der Problematik. Dieser begründet die Assoziation als alleiniges Prinzip der geistigen Ordnung. Er knüpfte an die Entdeckung der Gravitationsgesetze von Newton an. Dieser zeigte, daß alle Arten von verschiedenen Phänomen einfachen und unabänderlichen Gesetzen folgen. Insofern sieht auch Hume komplizierte Ordnungen der Körper vor allem als Auswirkungen einfacher Naturgesetze. Wie arbeitete Hume seine Ideen aus? Auch Ideen könnten sich anziehen. Dadurch würden Ideenverbände entstehen. In diesen können komplizierte Ordnungen in Erscheinung treten. Diese besitzen keine Ursprung und bedürfen keiner gesonderten Erklärung. Wichtiger seien die Einzelverbindungen, auf denen diese Ordnung beruht. Diese Prinzipien würden zu allen Zeiten auf alle Ideen wirken und die Assoziationen würden sich automatisch und mechanisch ergeben. Welche drei Prinzipien nannte Hume, durch die Ideen in Verbindung stehen? • Ähnlichkeit • raum-zeitliche Nähe – das Kontiguitätsprinzip • Verursachung Was leistete Hume dadurch? Er tilgte die metaphysischen Annahmen von Locke über das Durchschlagen der Weltordnung im Bewußtsein oder von Berkeley über das göttliche eingreifen aus dem Empirismus. Damit lenkte er den Empirismus ins Lager der Materialisten. Damit schuf der Empirismus den schroffen Gegensatz zu rationalistischen Erkenntnistheorien. Die einen warfen den anderen Spekulation vor, die anderen Blindheit für Ordnung. Wie kennzeichnet man die Assoziationstheorie seither? • Elementarismus: Die Zerlegung des Bewußtseins in kleinste Teile. • Sensualismus: die Annahme der Herkunft alles Erkenntnis aus der Sinneserfahrung • Mentalismus: vor allem Berkeley: es gibt nur Bewußtseinsinhalte, darüber keine Realität • Assoziationismus: die Ideen stehen in einer mechanischen Verbindung Was waren diese drei Empiristen? Sie waren Gelehrte aus England, die viel in der Welt herumgekommen sind. Wie nennt man die Bewegung, welche die Scholastik überwand? Aufklärung. Diese hatte auch sozialkritische Teile. Ihre Träger waren vor allem Mitglieder des Bürgertums, nicht nur Adel und Klerus. Welchen Zweck hatte die Popularphilosophie? Den interessierten Bürgern das Wissen verfügbar zu machen. Die fortgeschrittenen Theorien der Gelehrten waren zu abstrakt und weltfremd. Die Popularphilosophie wollte diese Lehren an das Publikum anpassen. Ihr Gegenstand waren vor allem Dinge, welche die Bürger in ihrem Leben beschäftigten. Sie mußte hoch verständlich sein. Was kennzeichnete die Popularphilosophie, wer war einer ihrer Vertreter? Sie war • vernunftgeleitet aber auch • empirisch, d.h. an der Lebenswirklichkeit orientiert, außerdem • eklektisch, d.h. sie mischte die verschiedenen theoretischen Ansätze. Einer ihrer Vertreter war der Leibziger Philosoph Christian Garve. Für diesen war Empirie ein Korrektiv gegen Weltfremdheit. Die Ideen würden sonst zu spekulativ und zu abstrakt. Ein weiterer Vertreter war Ernst Platner, Leibziger Physiologieprofessor. Was ist eine Folge des Eklektizismus? Die Geschlossenheit der Theorien geht verloren, allerdings erhöht sich dadurch die Verständlichkeit. Wie ist die Konzeption Platners? Diffus. Er schaltet einen Nervengeist als Mittler zwischen Körper und Seele. Vor allem Gehirn und Nerven. Die Seele definiert er als vom Körper unabhängig, aber beständig. Neben medizinisch und logisch fundierten Kapiteln finden sich auch hoch spekulative Abschnitte zu Trieben und zum glücklichen Leben. Ist die Wissenschaftsgeschichte vor allem das Werk großer Persönlichkeiten? Dieser Punkt ist umstritten. Durch die Herausstellung einiger Personen unterschlägt man andere, welche für die Entwicklung der Wissenschaft evtl. auch wichtig waren. Es gab andere, die man nicht immer erwähnen kann, so hat Giordano Bruno die Monadenlehre konzipiert, Arnold Geulincx hat die Idee der prästabilisierten Harmonie vorweggenommen. Die ausgewählten Autoren sind solche, die alte Ansätze vervollkommnen, in ihrer Zeit neues Schaffen und Einfluß auf spätere Ansätze haben. Diese nennt man große Wissenschaftler. Aus Sicht einer sozialen Historik ist die Herausstellung einzelner eine Mythologisierung. Für ein Lehrbuch reichen didaktische Gesichtspunkte, z.B. wer ein Träger eines Paradigmenwechsels war. Warum war die Popularphilosophie in der Philosophie nicht erfolgreich? Die Vertreter der akademischen Philosophie wurden zunehmend zu Fachleuten, die hoch spezialisierte Begriffe benutzten, welche die gängige Bildung weit überstiegen. War die Popularphilosophie in anderen Bereichen erfolgreich? Die Psychologie vollzog die Popularphilosophische Wende mit. Das Bewußtsein der Bürger ist der zentrale Gegenstand. Außerdem arbeitete sie eng mit betroffenen zusammen. Dadurch wurde schon bald ihre Verständlichkeit ein Merkmal der Psychologie. So meint der Erfurter Professor Christoph Martin Wieland: Die Psychologie ist die Grundwissenschaft, sie verschont vor übler Spekulation und Grübelei. Was wird als Deismus bezeichnet? Die Konzeption eines göttlichen Prinzips, das aber nicht an einen persönlichen Gott gebunden ist. Ein Prinzip, das der Welt Ordnung und Beständigkeit verleiht. Leibniz und Spinoza haben die Welt selbst als göttlich gedeutet. Dieser rückte auch von der Allmacht Gottes ab. Die Natur- und Denkgesetze wären nicht abzuändern. Was wird als Atheismus bezeichnet? Dieser bestreitet nicht nur die Existenz eines persönlichen Gottes, sondern auch die Geltung unveränderlicher Vernufts- und Sittlichkeitsprinzipien. Die Gesetze seien nicht vollkommen, sinnvoll oder gut, sondern einfach gegeben, manchmal nützlich. Dadurch wurde der Weg für eine konsequent materialistische Sicht frei. Deren Hauptthesen lauten: Die gesamte Welt ist eine Körperwelt, die mechanischen Gesetzen folgt. Besonders radikale Vertreter fand diese Strömung in Frankreich. Ein Vertreter war Paul Henry Thiry d´Holbach, der die Welt als seelenlosen Mechanismus beschrieb. Der Mediziner Pierre Jean Georges Cabanis übertrug dies auf den Menschen. Auch die geistige Tätigkeit sei mechanisch gesteuert. Das Gehirn sei kein anderes Organ wie die anderen auch. Diese Konzepte wurden oft vom Staat verfolgt. So mußte Julien Offray de La Mettrie ins Exil gehen. Dieser Konzipierte den Mensch als Maschine. Eine psychologische Schrift. Die Seele sei nicht erhaben, der Wille sei nicht frei. Er konzipiert das Gehirn als symbolverarbeitende Maschine, die eine gewisse Leistung vollbringt. Der Mensch sei nicht mehr als die Organisation der entsprechenden Organe. In welcher Beziehung stehen Materialismus und Feinmechanik? Durch die Uhrenmetapher. Die Bewegung in Makrokosmos und Mikrokosmos war lange ein Beleg für die Existenz Gottes. Der Ursprung aller Bewegung war in der Scholastik Gott. Diese Lehre wurde durch die Erfindung des Uhrwerks erschüttert. Dadurch wurde deutlich, daß Bewegung auch auf einen inneren Anstoß zurückgehen kann. Der Vergleich zwischen Uhr und Organismus wurde schnell gezogen. Diese Uhrenmetapher machte Gott für die Materialisten entbehrlich. Der Mensch sei nur eine kunstvolle Maschine. Weshalb wurden diese radikalen Richtungen angegriffen? Weil sie durch ihren Nihilismus den übergeordneten Sinn und Wert im Erkennen und Handeln vermissen lassen. Andere begrüßten dies als Gestaltungsfreiraum. Was bedeutete die Aufklärung für die Psychologie? Diese wurde durch die Aufklärung gestärkt, da die menschliche Vernunft zentral für diese war. Dies führte zu einem verstärkten Interesse an den geistigen Funktionen des Menschen. Der Materialismus ebnete den Weg zu einer unbefangenen Betrachtung von Mensch und Tier. Die Psychologie zog den Vorteil aus dem Zurückdrängen von Theologie und Religion. Was bekämpfe die Aufklärung noch? Den Glauben an okkulte Erscheinungen aller Art. Zauberei, Hexerei, Prophezeiungen, etc. Vor allem gab es einen großen Streit um die Existenz körperloser Geister. Wer vertrat eine okkulte Theorie im Zeitalter der Aufklärung? Der Genfer Charles Bonnet nahm an, daß die Seelen der Verstorbenen nach dem Tod als körperlose Geister weiterleben. Er nahm an, die Welt gliedere sich in Reiche, diese sind hierarchisch geordnet, wobei der Grad der Beseeltheit zunimmt. Oberhalb des Menschenreiches sei das Reich der Engel. Der menschlichen Seele schrieb er Unsterblichkeit zu, da sie nicht vergehe, lebe sie nach dem Tod des Körpers als Geist fort. Die Seele brauche den Körper um zu Erfahrungen über die Welt durch die Sinne zu gelangen und im Gehirn Gedächtnisspuren abzulegen. Der Astralleib der Seele sei aus feinem Stoff, der nicht sichtbar sei, nach dem Tod aber erhalten bleibe. Manche wollten Geister gesehen haben, andere führten dies auf Täuschung der Beobachter zurück. Was wurde zum Gegenstand der okkulten Forschung, wer waren Vertreter? Diese Forschung behauptet, die Wissenschaft habe noch nicht den Zugang zu allen untersuchenswerten Gebieten gefunden. Diesen müsse man schaffen. Ein Vertreter war der Jenaer Philosoph Christian Hennings, der Kriterien für die Anerkennung von Geisterscheinungen aufstellte. Außerdem untersuchte er Vorahnungen, die er mit Empfindsamkeit erklärte. Dieses Vorgehen erwies sich in den Naturwissenschaften teilweise als erfolgreich, z.B. bei der Elektrizität, jedoch wurde dieses Phänomen mit der Zeit rational aufgeklärt. Mittlerweile sind Geisterlehren und übernatürliche Erscheinungen zentrale Themen des Okkultismus. Diese Phänomene haben die etablierten Wissenschaften aufgegeben ohne den Nachweis der Nichtexistenz dieser Phänomene erbringen zu können. Die Psychologie war jedenfalls ständig von einem okkulten Zweig begleitet, da der Gegenstand, die Seele offenbar so eine große Ähnlichkeit hat. Kapitel 6: Praktische Psychologie für das öffentliche Leben Was ging mit der Aufklärung noch einher? Der Aufstieg des Bürgertums. Immer mehr Aufgaben wurden öffentlich. Die staatliche und wirtschaftliche Verwaltung hatte verantwortungsvoll zu entscheiden. Das braucht Maßstäbe. Was war eine wesentliche Erscheinung der Neuzeit im 17. und 18. Jahrhundert? Ein radikales Bevölkerungswachstum und ein gewaltiger Strukturwandel in der Güterproduktion. Diese erfolgte zunehmend über Unternehmer. Diese Verlage und Fabriken erforderten einen hohen Kapitaleinsatz. Es wurden Produktionsmittel und der Typus des Arbeiters geschaffen. Der Fernhandel gewann ebenso Bedeutung wie die Nachrichtenübermittlung, die Geldwirtschaft begann sich zu verselbständigen. Die Intellektuellen und die Vertreter des Bürgertums waren die Gewinner dieser Entwicklung. Was war die Kehrseite dieser Entwicklungen? Nicht alle hatten von diesen Umwälzungen einen Vorteil. Es bildeten sich Elendsviertel. In diesen waren die Menschen vom Fortschritt ausgeschlossen. Es traten viele Mißstände und Nöte auf. Die Aufklärung diente nicht den Interessen von Adel und Klerus, zunächst auch nicht die Bauern und Lohnarbeiter. Wie sollten die Mißstände verhindert werden? Durch eine Verbesserung der Verwaltung, durch eine vernünftige Festlegung von Ordnung und Regeln. Auch Frieden versprach man sich aus diesen Prinzipien. Der Humanismus wollte einen dauerhaften Frieden. Welche Ziele verfolgte die rationalistische Moralphilosophie? Das Erkennen des Guten und das rechte Handeln. Unter dieser Prämisse wurde eine neue Ethik und Moralphilosophie entwickelt, welche die Tradition der Pragmatik fortsetzte. Der Rationalismus begründete eine Ordnungs- und Pflichtethik. Der Mensch müsse seine seelische Natur erkennen und ihr folgen (Moral von Gott eingegeben). Durch die Pflicht genüge der Mensch der Weisheit Gottes. Außerdem sei er frei, da er durch sie seine Bestimmung erfüllt. Welche Aufgabe erwuchs aus dieser Sicht? Die moralischen Gesetze zu ermitteln, die sich aus der Ordnung der Welt und der Natur ergeben und die zur Erreichung des Guten, Meidung des Bösen führen. Wogegen hat der Mensch nach Christian Wolff eine Verpflichtung? • dem Verstand (nach Wissen und Erinnerung streben) • dem Willen (gutes Wollen, Mäßigung gegen Affekte) • dem Leib (keine Lebensgefahr, kein Selbstmord, Gesundheit erhalten) • dem äußerlichen Zustand (Vermögen erwerben, Fleiß und Sparsamkeit) • Gott (Ehrerbietung, Dankbarkeit, Vertrauen) • Freunden (Hilfe, keine Beleidigung) • Feinden (Angemessenheit von Strafen) • Eigentum (Bezahlung nach Kauf, Bürgschaften, Almosen) • Reden und Verträgen (Aufrichtigkeit, Gewissenhaftigkeit) Worin gipfelt das Bekenntnis zur Pflicht? In Kants Kritik der praktischen Vernunft. Sie ist ein zentraler Bestandteil rationalistischer Ethik. Für Kant ist die Pflicht ein Gebot der Vernunft. Andere sehen sie als Folge der These, daß Moral ein Naturgesetz sei. Jedenfalls begründe sich die Pflicht aus sich selbst heraus. Wie veranschaulichte Kant die Sittlichkeit als Gebot der Vernunft? Er meinte, daß wenn jemand stirbt, die anderen die Verpflichtungen gegen dessen Erben weiter haben und sich nicht dadurch bereichern sollen. Die Sittlichkeit einer Handlung sei rational zu beurteilen durch das Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft, den kategorischen Imperativ: Jeder solle so handeln, daß die Maxime seines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. Was ist eine Maxime? Eine Maxime ist ein übergeordneter Grundsatz. Gegen diese sollte man nicht verstoßen. Wie konzipierte Kant die a priori Kategorien? Diese sind eine erkenntnistheoretische Einschränkung. Diese Begriffe erwüchsen nicht aus der Vernunft selbst, sondern müssen vorgegeben sein. Dazu gehören die Begriffe Gut und Böse, Pflicht und Erlaubnis. Diese setzen ihrerseits die Idee eines höchsten Guts voraus. Dieses leitet sich aus dem Dasein Gottes und göttlicher Weisheit her. Da moralische Urteile von a priori Kategorien abhingen, sei Sittlichkeit rational nicht zu begründen. Wie ergeben sich Wohl und Wehe einer Handlung nach Kant? Aus Rücksicht auf das Begehren. Sie seien subjektive Erfahrungen. Deshalb stehe eine Handlung, die allein subjektives Wohlergehen schaffe nicht in Beziehung zu vorgegebenen Begriffen der Sittlichkeit. Sie entziehe sich der Rechtfertigung durch die Vernunft und tauge nicht als Vorbild für eine allgemeine Gesetzgebung. Die subjektive Befriedigung von Bedürfnissen sei moralisch unzureichend, da sie den Egoismus nicht übersteigt. Diesen fand er in allen Ausprägungen abscheulich, sowohl den Solipsismus (Selbstliebe) und die Arroganz (Anmaßung). Wir war die empiristische Moralphilosophie konzipiert? Diese war hedonistisch (=Freude) und utilitaristisch (=Nutzen) ausgerichtet. Handlungen sollen Lust verschaffen und Schmerz mindern. Locke rechnete Freude und Schmerz zu den einfachen Ideen. Aus diesen entstünden die Begriffe gut und schlecht. Woraus erwächst hier die Nützlichkeit von Handlungen? Aus ihren Folgen. Sie seien nützlich, wenn sie Freude verschaffen und Schmerz mindern. Diese seien Gegenstand der naturwissenschaftlichen Betrachtung. Aus der Untersuchung seien vorteilhafte Erkenntnisse zu gewinnen. Was ist das hedonistische Kalkül? Dieses wurde von dem Londoner Juristen Jeremy Bentham (1748-1832) konzipiert, welcher ein leidenschaftlicher Vertreter des Utilitarismus war, in welchem er die Grundlage von Staats- und Rechtslehre sah. Das hedonistische Kalkül soll eine Maßzahl für Glück und Unglück schaffen. In das hedonistische Kalkül gehen ein: • die Intensität der aus einer Handlung entspringenden Befriedigung oder Enttäuschung • deren Dauer • die Gewißheit ihres Eintretens • die Nähe des Eintreffens • die Folgenträchtigkeit, d.h. Art und Menge der weiteren Wirkungen Diese Einzelmerkmale ergeben den Gesamtnutzen einer Handlung. Wie wurde im Empirismus die Lust konzipiert? Der Empirismus verknüpfte Handlung, Nutzen und Lust. Die Lust wurde zum moralischen Prinzip erklärt. So lehrte Francis Hutcheson (1694-1746), die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse sei gut, ebenso die Befreiung von Sorgen und Angst. Gott und die Natur stünden dem Menschen wohlwollend gegenüber. Das Angebot der Natur zum Genuß anzunehmen, entspreche natürlicher Sittlichkeit. Was entscheidet, ob ein Zweck gut sei nach Hume? Das Gefühl. Das Gefühl habe Vorrang in der Moral. Die Vernunft zeige die Mittel, wie Zwecke zu erreichen seien, aber die Zwecke selbst erwüchsen aus dem Gefühl. Die Vernunft zeigt, wie man Güter erreicht. Welche man erreichen soll, zeigt das Gefühl. Was ist das Ziel der Moral und des Gefühls? Das Glück. Daher entsprechen im 17. und 18. Jahrhundert die Begriffe Moral und sittlich den Begriffen Gefühl und emotional. In diesem Sinne untersuchten z.B. Goethe und Spinoza die Herkunft und das Wesen von Gefühlen. So konzipierte Spinoza die Vielfalt der Gefühle als Resultat der Kombination einzelner Gefühle. So sei z.B. die Scham die Traurigkeit in Verbindung mit der Idee, daß unsere Tat von anderen getadelt wird. Die Bedeutung von Gefühlen zu ergründen war wichtig in der Moralphilosophie. Auch Hume trug hierzu bei. Auch eine psychologische Fragestellung. Abgelehnt werden Ideen sittlicher Ordnung jenseits der Erfahrung. Rechtfertigt die Gefühlstheorie der Moral den Eigennutz? Dies tut sie in der Tat. So verteidigte z.B. Adam Smith (1723-1790) das kluge Nützlichkeitsstreben des Einzelnen. Der individuelle Nutzen sei jedoch nur durch sozialen Austausch zu mehren. Aus dem Eigennutz erwachse gesellschaftlicher Nutzen. Jeder solle auf seine Interessen achten, dann erwachse aus dem selbstbezogenen Gefühl das auf die Gesellschaft bezogene Mitgefühl. Alle Gefühle seien sozial vermittelt. Der Mensch sei empfindsam für die Nöte seiner Mitmenschen. Sogar das Gefühl der Erhabenheit sei Produkt natürlicher Erfahrung, nicht der metaphysischen Einsicht. Wie konzipiert Smith die allgemeine Sittlichkeit? Ein unparteiischer Beobachter müsse das Handeln als sittlich anerkennen. Dies sei durch das Mitgefühl möglich. Mit welcher anderen Strömung stimmen diese Ansichten überein? Mit denen des Materialismus, so sagt z.B. Claude Helvetius, die Menschen würden nicht durch Religion oder Appelle bessere Menschen, sondern nur durch die Erfahrung eigenen Nutzens. Aus der empiristischen Sittenlehre leitet sich also das Prinzip von Lohn und Strafe als Mittel der Politik und Erziehung ab. Für große Taten seien große materielle Belohnungen angebracht, daher sei auch Luxus in einer Gesellschaft angebracht. Welche Auswirkung hatten diese Wandlungen für die europäischen Universitäten? Diese wurden zu einem Nährboden des neuen Denkens. Die Wissenschaft orientierte sich praktisch, es entstanden neue Berufsfelder. Die Forschung solle dem Guten dienen, welches nur durch das Handeln verwirklicht werden könne. Es wurden neue Fächer geschaffen: Die Mechanik. Diese revolutionierte das Handwerk. Was ist nach Ansicht von Johann Heinrich Gottlob von Justi Aufgabe der Herrscher? Die Glückseligkeit der Unterthanen. Die Bürger sollen im Sinne einer Vergnügtheit die Befriedigung ihrer Bedürfnisse abhängig von der sozialen Stellung gesichert bekommen. Wie gliederte Justi die öffentlichen Aufgaben in wissenschaftliche Disziplinen? • Regierungswissenschaft – diese solle den Frieden fördern • Commerzienwissenschaft – diese soll Staatswirtschaft und Handel betreffen • Ökonomie – die Lehre vom Erwerb und Sicherung von Vermögen • Polizeiwissenschaft – zur Sicherung der öffentlichen Ordnung • Kinderzucht – die öffentliche Erziehung Hauptunterscheidungsmerkmale sind privat/öffentlich, Produktion/Handel, Nutzung und Vermehrung. Was war die Rolle der Kameralwissenschaft? Das Rechnungswesen widmete sich der Verrechnung von Einnahmen und Ausgaben. Was war die Rolle der Pädagogik? In dieser Zeit kamen die öffentlichen Schulen auf. Diese bedurften einer Erziehungstheorie. Was war die Konzeption von Adam Ferguson? Dieser wollte die Einheit der sich differenzierenden Praxiswissenschaften erhalten. Diese sollten auf der Grundlage der Moralphilosophie aufbauen. Dieser war Professor für Pneumatik und Philosophie. Er beschäftigte sich mit der Natur des Menschen, der Theorie der Seele, Gott, moralischen Gesetzen, Rechtswissenschaft, Gewissenspflichten, Staatskunst. Die Psychologie sollte der Moralphilosophie als Grundlage dienen. Auf dem Verständnis des Menschen sollte das Verständnis des sozialen Lebens gründen. Was hielt die Popularpsychologie von dieser Moralphilosophie? Sie fand großen Beifall. Aus dieser Zeit stammt die Idee, die Psychologie durchdringe alle Bereiche des menschlichen Lebens. Aus dieser Sicht ist die Psychologie der Kern aller Lehren vom öffentlichen Leben, sie verbindet diese zu einer Einheit. Die Praktische Psychologie wurde zu einem transdisziplinären Unternehmen, die einzelnen Fachgebiete der anderen Wissenschaften trennten sich jedoch. Gab es auch sozialen Wandel? Auf jeden Fall. Es wurden neue Studiengänge, neue Berufsbilder und neue Titel eingeführt. Die Verwaltung ging ganz neue Wege, so gab es z.B. Titel von Sachverständigen, wie Commerzienrat oder Manufakturrat. Es entwickelte sich auch eine ganz eigene Kaste mit erforderlichen Eigenschaften der Treue, Verschwiegenheit, Unbestechlichkeit, Pflichteifer, Gewissenhaftigkeit: Die Beamtenschaft. Es bildete sich eine Bürokratie. Außerdem wurden die Universitäten zunehmend Praxisorientiert. Die Politik verschränkte sich damit. Es gab wechselseitige Einflüsse. Was ergibt sich für die Psychologie? Sie wurde in dieser Zeit immer noch nicht zu einer Einzelwissenschaft, deshalb hatte sie später schwerer um die Anerkennung zu kämpfen, als die früher spezialisierten Berufe. Welche Sichtweise stellte sich in der Politik ein? Durch die Dynamik zwischen den Staaten und Fürstentümern, d.h. deren Streben um Macht, Wohlstand und Überleben stellte sich die Frage nach dem politisch klugen Verhalten und der richtigen staatlichen Ordnung. Das Schicksal der Staaten wurde betrachtet wie das Schicksal der Menschen. Neben Gunst oder Ungunst äußerer Umstände konnten sie ihr Glück auch durch eigenes Verhalten erwirken. So entstanden verschiedene Staatslehren. Was vertrat Niccolo Machiavelli (1469-1527)? Dieser entwickelte eine Staatslehre, deren Ziel Regeln für den Erhalt und die Stärkung von Staaten waren. Dabei war die konventionelle Moral sekundär. Der Autor rät zur Realpolitik. So ist er für den schnellen Entschluß und Bündnissen mit starken Partnern. Ein durchgehender Zug bei Machiavelli ist die Unterordnung des Individuums unter den Staat. Wenn es dem Wohl des Staates diene, dürfe er die Bürger auch täuschen. Höchste Ziele sind Sicherheit und Wohlergehen des Staates. Reale Macht ist eine politische Tugend, wichtig ist Einigkeit und Durchsetzungskraft. Die Interessen von einzelnen müssen sich unterordnen. Dabei vertritt er einen äußerst pragmatischen Ansatz in seinem Ratgeber für Herrscher. Der Herrscher trage persönliche Verantwortung für den Bestand des Staates. Die Herrschaft sei eine Kunst eigener Art. Diese bedürfe der Klugheit und des Machtwillens aber auch der Wildheit und Grausamkeit. Der Herrscher dürfe im Kampf um die Macht nicht mit Liebe rechnen. Es sei verläßlicher, gefürchtet zu sein als geliebt. Alle Mittel seien im Kampf um den Fortbestand des Staates zu sichern angemessen. Warum vertritt Machiavelli eine so harte Konzeption? In ihr spiegeln sich die realen Gegebenheiten im Kampf um die Macht in dieser Zeit wider. Welche anderen Konzeptionen gibt es? Der Engländer Robert Filmer (1588-1653) konzipiert das Bild eines harmonischen Zusammenlebens im Staat nach dem Vorbild der Familie. Er sieht das Königtum als ererbte Macht. Der König sei der Nachkomme des ersten Vaters, die anderen die der Landeskinder, denen nicht zusteht, diesem Vorschriften machen zu können, d.h. das Parlament habe eigentlich nichts zu sagen. Freiheit für die Bürger zerstöre die Ordnung im Staate. Er schreibt dem Herrscher besondere Regierungsfähigkeiten zu. Diese seien durch göttliche Gnade und Abstammung verliehen. Hier wird Herrschaft als Begabung aufgefaßt. Welche Lehre leitet das Primat des Fürsten aus der Vernunft her? Der Herrscher habe seine Macht um diese Prinzipien zu wahren. Durch diesen erhalten sie ihre Autorität. Die Herrschaft sei außerdem Naturprinzip, gelte auch in der Natur. Einer dieser Vertreter war Christoph Martin Wieland. Nicht der König solle durch das Gesetz, sondern das Gesetz durch den König herrschen. Welche Pflichten kommen dem Herrscher durch diese Konzeption zu? Er habe • dem Volk innere Ruhe und Sicherheit vor Feinden zu verschaffen • die tauglichsten Personen in öffentliche Ämter einzusetzen • die Staatseinkünfte zum allgemeinen Nutzen zu verwenden Wodurch erwuchs das Vertrauen in die politische Vernunftordnung? Durch die rationalistische Ethik. Die empiristische Ethik teilte dieses Vertrauen nicht. Insbesondere die Erfahrung von Streit und Eigennutz widersprach der Idee der natürlichen Ordnung. Aus diesem Widerspruch erwuchsen empiristische Konzeptionen der Staatslehre. Welche Staatslehre vertrat Thomas Hobbes (1588-1679)? Es bedürfe einer Einigung, um eine wünschenswerte Ordnung des Zusammenlebens zu erreichen. Der Mensch sei durch Sinnlichkeit und Begierden der Wolf des Menschen. Durch Sprache und Verstand der Gott des Menschen. Daraus resultiert die Idee vom Staatsvertrag: Im Urzustand sei der Mensch von Natur aus unsozial, es herrsche Krieg aller gegen alle. Um Sicherheit und Frieden zu schaffen, müßten Verträge vereinbart werden. Dies ermögliche Verstand und Sprache. Bürger tauschen Freiheit gegen Schutz und Rechte aus Furcht. Was ist nach Hobbes das oberste Ziel der politischen Moral? Die Schaffung von Frieden. Er erörtert mehrere Staatsformen und gibt der Monarchie den Vorzug, weil er meint, daß ein starker Regent die höchste Gewähr für die Achtung der Gesetze bietet. Zu diesem Ziel sei der Regent souverän gegenüber den Bürgern. Dieser müsse Furcht vor den Strafen der Mißachtung der Gesetze wecken und Hoffnung auf die Vorteile des Einhaltens. Der Staat müssen die Rechte und Freiheiten auch gewähren, habe aber das Recht, die Lebensweise und die Religion vorzuschreiben, sowie Dienste zu verlangen. Der Regent dürfe aber nur das tun, was den Staat fördere. Persönliche Willkür ist nicht erlaubt. Wie unterscheiden sich rationalistische und empiristische Lehren dieser Art? Die rationalistischen sind eher optimistische Ordnungslehren, die empiristischen sind eher pessimistisch und auf Zweckmäßigkeit ausgelegt. Erstere nehmen eine soziale Neigung des Menschen an, letztere behaupten, soziales Verhalten folge der Zweckmäßigkeit und sei durch Lohn und Strafe zu modulieren. Welche Ansätze erwachsen daraus für die Sozialpsychologie? Annahmen über die seelischen Grundlagen , Theorien über die Organisation und die praktische Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens. Worauf griffen die Humanisten zurück, um Gerechtigkeit im Zusammenleben zu regeln? Auf antike, meist römische Gesetzestexte. Gleichzeitig versuchten sie, diese zu erneuern. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden umfassende Gesetzeswerke entwickelt. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich durch den Code civil von Napoleon. Welche Teile umfaßte das neue Recht? • Staatsrecht. Regelt Beziehungen zwischen Bürgern und der Regierung • Völkerrecht. Regelt die Beziehungen zwischen Staaten • Bürgerliches Recht. Zivilrecht. Regelt die Beziehung zwischen Bürgern • Strafrecht. Kriminalrecht. Bestimmt sozial schädliche Taten und legt dafür Strafen fest Verstöße gegen dieses Recht wurden vor Gericht verhandelt. Wer trat für eine Rechts- und Bildungsreform ein? Christian Thomasius (1655-1728) lehrte in Leipzig und Halle. Er wollte das bürgerliche Leben reformieren. Er bemängelte die formale Lebensfremdheit der scholastischen Philosophie. Realwissenschaften wie die Physik sollten den Lehrplan füllen, ergänzt durch die Sozialkunde. Er gab auch eine Zeitschrift der vernunftgeleiteten Lebensgestaltung heraus. Diese war auf deutsch geschrieben. Sprachreform war für ihn Teil der Bildungsreform. Er fand deutsch geeigneter als französisch oder Latein. Er wollte die Regeln der Klugheit aus der Vernunft herleiten. Er war reformierter Christ. Er trennte nicht länger zwischen göttlicher Weisheit und menschlicher Klugheit. Er wollte auch Hexenprozesse abschaffen um in einer Justizreform Rechtssicherheit zu schaffen. Als Grundlage konzipierte er eine bürgerliche Klugheit. Diese umfasse Regeln für das rechte Verhalten in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie sei durch den Verstand begründet. Diese setze Bildung, aber keine akademische voraus. Er differenziert zwischen Gelehrten, die nach Gesetzen vorgehen und Klugen. Worauf sollten sich Gesetze berufen? Nicht auf die Willkür der Gesetzgeber, sondern auf Tradition und Konvention, d.h. einvernehmlichen Gebrauch oder gute Gründe. In England war die Auffassung stark, Recht sei das Urteil des Gemeinsinns. Daraus folgt die Konzeption Reids. Was war die Konzeption von Thomas Reid (1764) im Gegensatz zum Rationalismus? Dieser entwarf die Theorie, Menschen falle durch Erfahrung und Sprachkenntnis die praktisch notwendige Erkenntnis zu. Einem gemeinen Mann mit gesundem Verstand sei also ein gerechtes Urteil zuzutrauen. Der Rationalismus meinte, daß Recht spiegele eine eindeutige Ordnung wider, die man durch vernünftige Argumentation ermitteln und belegen kann. Was besagt die Konzeption der Grundrechte? Diese wurde sowohl von Empiristen, als auch von Rationalisten vertreten. Allen Menschen stünden von Geburt an Grundrechte zu, die weder von Macht noch Gewohnheit streitig gemacht werden könnten. Welche Grundrechte kannte Grotius? Der holländische Jurist Hugo Grotius (1583-1645) war ein einflußreicher Vertreter der Naturrechtslehre. Diese Naturrechte ermöglichen ein menschengerechtes Leben und seien von daher so zwingend wie die Naturgesetze. Er kannte das Recht auf Leben und Gesundheit, auf Eigentum und die Benutzung von Straßen und Wasserwegen. Diese Naturrechte seien von Gott mit der gleichen Unabänderlichkeit eingesetzt worden, wie die Gesetze der Natur. Diese seien mit der Schöpfung in Kraft gesetzt worden. Welche Rolle hatte in der Justiz der Aufklärung die Vernunft? Eine bedeutende. Die Zurechenbarkeit und die Strafbarkeit von Handlungen. Die Angemessenheit und Sinn von Strafen konnten von der Vernunft beurteilt werden. War eine Trennung zwischen psychologischen und juristischen Aspekten möglich? Nein, zumindest in der Moralphilosophie nicht. Oft waren beides dieselben Gelehrten, z.B. Christian Wolff oder Adam Ferguson, der seine Moralphilosophie explizit auf der Psychologie gründet. Wodurch kam die Spezialisierung der Juristen zustande? Durch die Gerichtspraxis. Im Mittelalter waren die Richter vor allem Laienrichter ohne juristische Ausbildung. Im Rechtswesen der Aufklärung wuchs die Fülle der gesetzlichen Regelungen, die Anforderung an die Qualität der Prozesse stieg. Das Urteil mußte aktenkundig begründet werden. Erfahrung reichte als Qualifikation der Richter nicht länger aus. Die Rechtssprechung ging auf den gelehrten Richter, das Pandektentum über. Dieser erwarb seine Expertise durch ein spezialisiertes Studium. Diese Expertise konnte im kein Ungelehrter oder ein Vertreter einer anderen Fachrichtung streitig machen. Wozu dienten Ökonomie, Cameral- und Polizeiwissenschaften? Der Staat der Neuzeit hat die Wohlfahrt der Bürger zum Ziel. Die Repräsentanten des Staates müssen Maßnahmen ergreifen, um diese zu gewährleisten. Diese mußten gut überlegt sein, da sonst die Ordnungsmaßnahmen ihr Ziel verfehlen. Außerdem mußten die Maßnahmen der Forderung von Francis Hutcheson (1755) genügen, wonach der Staat das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl anstreben solle. Diese drei Wissenschaften suchten Wege zur Maximierung dieses doppelten Glückes. Die Ökonomie diente der optimalen Güterproduktion und Bevölkerungspolitik, sowie Finanzierung und Organisation der Ämter. Das Rechnungswesen brachte interessante Statistiken über Produktion und Bevölkerung hervor, und stellte zahlreiche Kosten/Nutzen-Rechnungen auf. Die Feststellung präzisen Nutzens und präziser Kosten war die Grundlage für Überlegungen zum gerechten Austausch. In dieser Hinsicht gewinnen diese Wissenschaften sozialpsychologischen Gehalt. Welche Theorie vertrat in dieser Hinsicht Ferdinando Galiani (1750)? Dieser wies die Subjektivität von Werten nach und untersuchte, wie sich diese in den Preisen für Güter und Dienstleistungen niederschlagen. Waren besäßen keinen festen Wert. Dieser sei das Ergebnis eines Urteils. In dieses gingen zwei Schätzungen ein: Die Einschätzung der Nützlichkeit und der Verfügbarkeit. Die Nützlichkeit hängt vom jeweiligen Bedarf ab, die Verfügbarkeit schwankt mit Angebot und Nachfrage. Deshalb sind Waren nur relativ zu anderen Waren zu bewerten. Dadurch wechseln sie zwischen Personen und Zeiten. Die Subjektivität der Werte ist die Grundlage des Tausches. Dieser komme zustande, wenn beide Partner die Ware des anderen höher bewerten als die eigene. Beide suchen ihren Vorteil. Von der Lust des vorteilhaften Tausches lebe die Wirtschaft. Welche Theorie vertritt Francois Quesnay (1759)? Dieser betrachtet im Gegensatz zu Galiani die Wirtschaft als ganzes. Er entwarf in Analogie zum Blutkreislauf das Bild des Wirtschaftskreislaufes als organisches Ganzes. In diesem Kreislauf treten die drei Klassen der Bauern, der Grundbesitzer und der Händler in eine endlose Kette von Geldgeschäften. Da Quesnay Anhänger der Naturrechtstheorie war, zählte er den Grundbesitz zu den natürlichen Rechten, welches durch die Nutzbarmachung des Bodens erworben werde. Die Grundbesitzern stellen den Bauern das Land gegen Pacht zur Verfügung. Der Ertrag der Landwirtschaft übersteigt die Pacht, die Bauern schöpfen neue Werte. Sie erzielen einen Mehrwert gegenüber dem Kapitaleinsatz. Diese Klasse bezeichnete er als produktive Klasse. Die Händler als sterile Klasse. Diese schöpfen keine neuen Werte, sondern erhalten für ihre Waren den Gegenwert zum Kapitaleinsatz. Das Nationaleinkommen verteile sich auf die drei Klassen. Ziel sei die Reproduktion des Kapitaleinsatzes, daß jede Klasse ihre Werte erhalte. In einer natürlichen Ordnung gelingt die vollkommene Reproduktion. Diese Ordnung solle durch Reformen erreicht werden. Diesen Ansatz bezeichnet man als Physiokratie, da er den Wirtschaftskreislauf als Vorgabe der Natur sieht. Welchen sozialpsychologischen Gehalt hat die Polizeiwissenschaft? Einen enormen. Diese überschnitt sich mit der Zeremonialwissenschaft, die Regeln für das gute Betragen aufstellte. Deren Regeln sollten die Bürger aus Überzeugung folgen. Mit der Polizei schrieb der Staat den Bürgern ihr Verhalten vor und verhängte Strafen bei der Verletzung der Vorschriften. Dadurch wurde die sittliche Ordnung zur öffentlichen Aufgabe. Diese Ordnungen sollen Verschwendung und Gewalt verhindern. Andererseits werden diese Regelungen von Justi verworfen. Der Staat solle das Privatleben schützen und den Zeitvertreib zulassen. Die Polizei habe erst bei Ausschreitungen einzugreifen. Das Recht der Polizei sei moralisch geringer, als das der Gerichte. Wodurch war in der Aufklärung das staatliche Eingreifen gerechtfertigt? In erster Linie wurde die Wahrung der öffentlichen Ordnung durch wirtschaftliche Interessen begründet. Wohlfahrt des Staates bedeute eine gesicherte Existenzgrundlage für die Bürger. Die Polizei sollte die staatliche Grundlage der Selbstversorgung der Bürger schaffen. Vor allem Eigentumsdelikte sollten verhindert werden. Dazu gab es viele Regeln und viele Strafen. Gesindeordnungen sollten zur ununterbrochenen Beschäftigung anhalten. Diese drei Wissenschaften sollten somit primär der wirtschaftlichen Wohlfahrt des Staates dienen. Und zwar für alle Bürger, nicht nur die Reichen. Justi empfand Reichtum und Verschwendung als lasterhaft, erwog deren Verbot. Was war ein weiterer großer Einschnitt durch die Aufklärung? Bis ins 18. Jahrhundert war die Bildung und Erziehung der Kinder vorwiegend eine private Aufgabe. Es kamen immer mehr bürgerliche Schulen auf. Diese wurden teilweise von Zünften, teilweise von Unternehmen betrieben. Schon länger gab es Kirchenschulen (15. Jh.) Wann wurde warum die Schulpflicht eingeführt? In Preußen führte Friedrich II. 1763 mit dem General-Landschul-Reglement die allgemeine Schulpflicht ein. Damit sollten auch benachteiligte Stände gebildet werden, die vorher nur die Klipp- und Winkelschulen betrieben, die einen schlechten Ruf hatten. Was war Inhalt der pädagogischen Moralphilosophie? Theorien über die Erziehbarkeit des Menschen. Auch Leibniz, Wolff und Locke äußerten sich zu Fragen der Erziehung. Andererseits arbeiteten an diesem Thema viele praktisch tätigen Erzieher. Erst mit der Aufklärung wurde die Erziehungslehre im 18. Jahrhundert in den Kanon der Wissenschaften aufgenommen und war ab da als eigenes Fach vertreten. Welche Inhalte haben die Zweige der Erziehungslehre? Die Didaktik und die Pädagogik haben unterschiedliche Inhalte. Die Didaktik behandelt die Gestaltung des Unterrichts, z.B. die Verwendung von Lehrmitteln, sowie von Lehrmethoden. Die Pädagogik ist die Begründung von Erziehung, die Bestimmung von Lehrzielen und von der Verantwortung der jeweiligen Erziehungsstile. Pädagogik war um eine umfassende Erörterung von Erziehung und Bildung bemüht. Konkret waren ihre Inhalte • Bildungseinrichtungen, d.h. die Schule und andere Anstalten und Beziehungen. • • Bildungsphasen, vor allem Kindheit und Jugend, aber auch das Alter. Bildungsprozeß, der Ablauf von Wissenserwerb sowie Charakterbildung. Welche Bedeutung hatte die Pädagogik? Damit war ein Fach geschaffen, dessen Praxisfeld eine überragende kulturelle Bedeutung besitzt. Es erhob den Anspruch, Lehrern eine wissenschaftliche Ausbildung anzubieten. Was bedeutet das für die Beziehung zur Psychologie? Die Pädagogik ist der Psychologie von der praktischen Ausrichtung sehr verwandt. Dadurch ergibt sich Potential für eine fruchtbare Kooperation, aber auch heftige Konkurrenz. Die Psychologie kann einen Bestand an Wissen aufweisen, die den Erzieher qualifiziert: Kenntnis des menschlichen Geistes, Fähigkeit zur Beurteilung der Begabung, etc. Jedoch war die Pädagogik vorher da. Bevor die Psychologie noch zur Wissenschaft wurde, hatten die Pädagogen dieses Praxisfeld bereits besetzt. Was ist ein Beleg der Leistungsfähigkeit der Erziehungslehre im Humanismus? Die Erziehungslehre von Johann Amos Comenius (1592-1670). Er war zunächst Pfarrer und schloß sich der Reformbewegung der Böhmischen Brüder an. Er kündigte als Theologe das kommen eines Friedensreiches an, in welchem die Menschheit zur göttlichen Einheit und zum ewigen Licht gelangen werde. Auf dieses Reich solle sich der Mensch durch Bildung und Erziehung vorbereiten. Eine universale Schule solle das Wissen für alle verbreiten. Dieses sei in Enzyklopädien zu sammeln. Damit war seine Lehre eine Mischung aus christlicher Erlösungssehnsucht und rationalistischem Aufklärungsstreben. Er erstellte selbst ein großes Werk über theologische, naturwissenschaftliche und politische Fragen, sowie zur Pädagogik. Er nannte seine Lehre Didaktik. Alle sollten alles lernen. Es gebe aber unterschiedliche Begabungen und damit unterschiedliche Bestimmungen. Nach diesen solle sich die Erziehung richten. So seien Frauen vor allem für Hauswirtschaft und Mutterschaft sowie Heilkunde bestimmt. Er beachtete alle Lebensphasen. Jede habe eigene Lernziele. Alle Gegenstände seien Wert, unterrichtet zu werden. Er äußerte sich auch zu zahlreichen technischen und organisatorischen Fragen, etwa dem Aufbau von Schulbüchern. Er gab ein Lexikon heraus. All dies sollte der Bildung als Vorstufe der Erlösung dienen. Wie deutete Comenius das Lernen? Naturphilosophisch als Erfüllung natürlicher Möglichkeiten. Dieses sollte ungezwungen und natürlich ablaufen. Am besten in Gruppen und der Muttersprache. Er verfocht das spielerische Lernen. Die Einsicht solle durch die Sinneswahrnehmung und Vorbilder unterstützt werden. Welche Philosophie begründete am eindrücklichsten die Notwendigkeit der Erziehung? Der Empirismus. Der Mensch müsse die Erkenntnis selbst erwerben, sie würde ihm nicht geschenkt. Diese Erfahrungsbildung sei zu unterstützen. Deshalb äußerte sich Locke auch zur Erziehung. Auch er betrachtet das Lernen als einen natürlichen Wachstumsprozeß. Körper und Seele sollen sich gleichermaßen entwickeln. Deshalb sei auch körperliche Gesundheit ein Ziel der Erziehung wie Verstand und Wille. Es sollten vor allem Lebensregeln und praktisch wichtige Fertigkeiten vermittelt werden, aber auch das klassische Latein gelehrt werden. Die Erziehung müsse individuell angelegt sein. Auf Ausgangslage und Ziel des Zöglings müsse Rücksicht genommen werden, deshalb wären öffentliche Schulen nicht so gut. Zwang und Prügelstrafe verwarf er. Wichtig seien das Vorbild der Erzieher und Stolz über die eigenen Fortschritte. Die Erzieher sollten ein Klima des Vertrauens schaffen. Erziehung dürfe nicht aufdringlich sein. Vorhandene Neigungen seien zu wecken. Welche Verehrer begeisterte Locke mit der Erziehung als Naturvorgang? Jean-Jacques Rousseau und der deutsche Pädagoge Johann Bernhard Basedow (17241790). Er wirkte als Schulreformator. Dies wollte er in einem neuen Schultyp verwirklichen. Wie nannte Basedow warum seinen neuen Schultyp? Philanthropinum. Dieses gründete er 1774 in Dessau. Dort sollte die neue Schule im Geiste der Menschenliebe wirken. Sie sollte Glück in Harmonie mit der Natur verschaffen. Wie unterscheidet sich Öffentliches vom privaten? • Öffentliches ist aller Welt bekannt und zugänglich, privates nur vertrauten • Über öffentliches kann und soll sich jeder ein Urteil bilden, über privates nur betroffene • Öffentliche Angelegenheiten werden von der Allgemeinheit betrieben. Privates muß jeder selbst verantworten. Wann weitete sich die Öffentlichkeit aus? Das aufkommende Bürgertum übertrug immer mehr Aufgaben an die Öffentlichkeit. Andererseits kämpften die Bürger um ihre privaten Freiheiten. Wo verwischen Öffentlichkeit und Privates? • Öffentliches wirkt auf Privates ein (z.B. Steuern), Privates auf Öffentliches (z.B. Korruption) • Das Private weitet sich in das öffentliche aus (z.B. Clubs) • Oft sind öffentliche und private Zuständigkeiten umstritten Es können also Zuordnungsschwierigkeiten auftreten. Warum ist die Trennung zwischen Öffentlichem und Privaten für die Psychologie wichtig? Die Psychologie als Einzelwissenschaft bewährte sich zunächst als Neuankömmling im privaten Bereich, im öffentlichen Bereich wurde sie von der schon etablierten Konkurrenz in Form von Lehrern und Ärzten ausgegrenzt. Wodurch begründete Claude Helvetius (1773) den Wert der Erziehung? Der Mensch sei von Natur aus ohne Wissen und Begabung. Um das Glück der Nation herzustellen, müsse der Mensch erzogen werden. Wie sah Helvetius die Geburt? Er war pessimistisch gegenüber der natürlichen Begabung und Moral. Bei der Geburt hätten alle Menschen gleiche Begabung und Charakter. Die Unterschiede kämen durch die Erziehung zustande. Als Beleg führt er die Unterschiede zwischen zivilisierten und wilden Kulturen, sowie die Auswirkungen unterschiedlicher Regierungsformen an. Was forderte Helvetius? Geistige und praktische Übungen für alle, auch zum Ausgleich der Benachteiligung der niederen Stände. Die sinnliche Wahrnehmung sei die Quelle des Verstandes. Begierden sollten als Antriebe des Lernens genutzt werden. Die menschliche Maschine lasse sich durch Lohn und Strafe lenken. Die Erziehung solle materielle und soziale Anreize nutzen. Welche Konzepte vertraten rationalistische Erziehungslehren? Diese teilten den Erziehungsoptimismus der Materialisten und das Naturvertrauen der Empiristen genauso wenig, wie die Schwärmerei des Philanthropinismus. Gleichwohl sei Erziehung notwendig. Der Erwerb theoretischen Wissens galt als wichtiges Bildungsziel. Was vertritt Kant, was forderte Wolff? Die Erziehung müsse der Natur abgerungen werden, vor mangelnder Begabung versage sie. Die Pädagogik Kants beschwört unverzichtbare Werte. Erziehung solle Ordnung, Reinlichkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Einsicht in die Pflicht vermitteln. Die Prügelstrafe lehnte Kant ab. Wolff forderte die Einrichtung eines öffentlichen Schulwesens. Wer war Franke? August Herrmann Franke (1663-1727) setzte die Forderungen von Wolff um. Er richtete in Glauchau eine Armenschule und in Halle ein gegliedertes Schulsystem ein. Dort gab es eine Bürgerschule, eine Lateinschule, eine Mädchenschule und ein Pädagogium. Wozu sollte die praktische Erziehung im Rationalismus dienen? Sie sollte die Sittlichkeit gewährleisten und der Verwahrlosung vorbeugen. Für Wolff war die Schule eine Einrichtung um Kindern das Verständnis für Gut und Böse beizubringen. Die Rationalisten sahen die Werte als gegeben und verbindlich an. Diese Haltung rechtfertigt große Strenge bei der Vermittlung dieser Werte. Harte Strafen und anstrengende körperliche Übungen seien in Ordnung, wenn die Würde des Schülers gewahrt bleibe. Der Wille solle geformt, nicht gebrochen werden. Was einte Empirismus und Rationalismus? Die Ansicht, die Erziehung und das Schulwesen diene als Mittel im Kampf der Aufklärung gegen Aberglaube, Unwissenheit und Feudalismus. Welche Beziehung hat die französische Revolution zur Reformpädagogik? Die Nationalversammlung setzte ein Komittee für das öffentliche Unterrichtswesen ein. Der Vorsitzende, Marquis de Condorcet entwarf 1792 ein neues Schulsystem. Dieses war in eine Primär-, Sekundär- und eine Tertiärstufe gegliedert. Neben praktischen Fertigkeiten sollte auch Politik und Moral gelehrt werden. Nach erreichen der revolutionären Ziele sollte das Schulwesen überflüssig werden. Dies wäre der Fall, wenn die Aufklärung gesiegt habe. Welcher Schultyp kam im 17. Jahrhundert noch auf? Die Industrieschule. In dieser wurden die Kinder mit Erwerbsarbeit beschäftigt, während sie eine Grundausbildung in den jeweiligen Fächern und auf dem Arbeitsgebiet erhielten. Was war das Anliegen der Industrieschulen? Es gab Manufakturschulen und landwirtschaftliche Schulen. Die Schulen sollten die Industriosität pflegen: • Die Heranbildung von Fachkräften • die Verbesserung der Produktion • die Hebung und breitere Streuung des Wohlstandes Waren die Industrieschulen ein Fortschritt? Diese haben angesichts der Armut der Arbeiterfamilien sicher zum Fortschritt beigetragen, da die Kinder ohnehin arbeiten mußten. Da die berufliche Bildung das Einkommen steigerte, war sie auch eine Maßnahme zur Verbesserung der Moral. In dieser Hinsicht sind Mündigkeit, Sittlichkeit und Freiheit fest verknüpft. Was war ein weiterer Nutzen der Industrieschulen? Neue Erkenntnisse wurden nach Schlettwein (1763) sofort in die Praxis umgesetzt. Welche Folgen hatten die Industrieschulen? Aus diesen entwickelten sich später die Berufsschulen und Ingenieurschulen. Außerdem entwickelte sich aus den didaktischen Überlegungen zum Wissenstransfer und der Behandlung arbeitender Menschen die Arbeitswissenschaft. Welche Auswirkungen hatte die Aufklärung auf die Behandlung Geisteskranker? Aufgeklärte Ärzte diagnostizierten manifeste psychische Störungen als Krankheiten. Diese Störungen wurden nicht länger bösen Mächten wie Dämonen zugeschrieben. Teufelsaustreibungen und Hexenverbrennungen galten nicht länger als Gegenmittel. Dadurch wurden neue Wege in der Behandlung psychisch kranker Menschen nötig. Da allgemeinmedizinische Methoden nicht halfen, erschienen Geisteskrankheiten als unheilbar. Die Pflege oblag den Familien. Dies gelang jedoch meist nicht. Was folgte daraus? Es wurden öffentliche Einrichtungen eingerichtet, die sich der Geisteskranken annahmen. Beispiele sind das Bedlam in London oder das 1602 eingerichtete Unsinnigenhaus in Lübeck. Oft waren solche Heime Auffangbecken für bürgerlich Randständige und Ausgestoßene wie das Salpetrie in Paris, welches 1656 gegründet wurde. Wie wurden die Kranken in diesen Heimen behandelt? Zunächst sehr schlecht. Sie wurden wie Tiere sediert, isoliert, gezüchtigt und diszipliniert. Die Pflege der Verrückten machte selbst verrückt, was zum Stereotyp des „mad doctor“ führte. Die Bürger besuchten diese Häuser oft als Sehenswürdigkeiten. Wodurch begründete sich die Kritik der Aufklärung an diesen Häusern? Man forderte deren Anerkennung als menschliche Wesen und damit das Anrecht auf eine menschenwürdige Behandlung. Außerdem würde diese Behandlung den Zustand der Kranken festigen bzw. verschlimmern. Was waren die Konsequenzen dieser Kritik in England und Frankreich? Man führte ein moralisches Regime ein. Dieses sollte Verständnis für die Kranken, Freundlichkeit und Geduld als Maximen haben und auf unnötigen Zwang verzichten. Wer war ein einflußreicher Verfechter des moralischen Regimes? Der an der Salpetrie wirkende Arzt Pinel. Welches Konzept entwickelte Pinel für die Psychiatrie? Dieser entwickelte 1798 das Konzept der Philosophischen Nosographie, welche psychische Störungen nach Art und Entstehung unterscheidet und eine gezielte Therapie anwendet. Wer verfocht in Deutschland das moralische Regime? Der Hallenser Medizinprofessor Johann Christian Reil (1803). Er führte Therapiemethoden ein. Welche Geschichte hat das Krankenhaus? Die Krankenpflege begann als private Einrichtung. Zur öffentlichen Aufgabe wurde die Krankenpflege im Europa des 17. Jahrhunderts. Diese wurden vor allem für Arme und Fremde gegründet. Der Name Hospital bedeutet eigentlich auch Gastzimmer. Die frühen Träger waren vor allem Pflegeorden, später die öffentliche Hand. Die Anwesenheit von Ärzten wurde erst im 18. Jahrhundert zur Regel. Damit wird das Krankenhaus zur Spezialeinrichtung für akut Heilungsbedürftige. Vorher war es auch Pflegeanstalt. Wer war ein Ärgernis aus der Sicht der Aufklärung? Der Wunderheiler Johann Josef Gaßner, der riesige Mengen leidender Menschen anzog. 1774 soll er 20000 Kranke behandelt haben. Er wollte ihnen den Teufel durch Beten und Kreuze austreiben, der sie besessen hatte. Die Frommen priesen die Erfolge, die Aufklärer nannten ihn einen Betrüger. Wer war ähnlich erfolgreich wie Gaßner? Der Wiener Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815). Auch er wurde teilweise anerkannt, teilweise verurteilt. Er behauptete, der Mensch sei vom Weltall und den Planeten bestimmt. Auch im Menschen flößen die Säfte nach der Schwerkraft. Bei dieser Bewegung könnten sie aus dem Gleichgewicht geraten. Dieser Verlust führe zu Krankheiten. Mesmer deutete die körperliche Eigenschaft, die auf die Schwerkraft reagiert als tierischen Magnetismus. Damit lehnte er sich an damals aktuelle naturwissenschaftliche Forschungsfragen an. Durch magnetische Gegenstände wollte er die Störungen des Gleichgewichts des tierischen Magnetismus beseitigen. Er führte seine Patienten in Eisengestelle oder verband sie mit Ketten. Schließlich erkannte er, daß Magneten für den Heilerfolg gar nicht nötig waren – es reichte aus, wenn der Therapeut die jeweiligen Gegenstände vorher berührt hatte. Deshalb reiche es aus, gleich durch Handauflegen zu heilen, man könne auf die Gegenstände letztlich verzichten. Er erklärte die Wirkung seiner Therapie dadurch, daß die Flüssigkeit der Nerven der Träger des tierischen Magnetismus wäre. Er stelle den gleichförmigen Fluß, die Harmonie der Nerven wieder her. Welche Zugänge ergeben sich aus diesen Methoden? Die Behandlung eines psychischen Leidens, der Hypochondrie. Die Heilung erfolgt durch Sympathie oder Gottvertrauen. Obwohl die Methoden naturwissenschaftlich abwegig sind, ergeben sich Zugänge zur Entstehung neurotischer oder psychosomatischer Störungen aus innerer Fehlregulation. Was zeigen die Heilerfolge von Gaßner und Mesmer noch? Die Möglichkeit einer sozial fundierten Behandlung eigener Arten psychischer Störungen. Diese Methode wurde später als Suggestion oder Hypnose bezeichnet. Insbesondere in Frankreich wurde diese Methode fortgeführt. Dafür benötigt der Therapeut eine starke, vertrauenserweckende Persönlichkeit. Kapitel 7: Praktische Psychologie für das private Leben Welche Moden und Sitten der Bürger kamen in der Aufklärung neu auf? Die Kunst löste sich von der Kirche, es wurde Kunst für den Genuß geschaffen. Die alten Sitten taugten nicht mehr. Es wurden neue für die Bürger eingeführt, diese zeigte sich oft durch äußeres auftreten. Da das Leben vieler Menschen so schwer war, galt gutes Leben als eine Kunst. Sitten für die Fürsten waren auch zu viel für die Bürger. Wie nennt man schnell wechselnde Vorbilder? Moden. Diese wurden seit dem 17. Jahrhundert aus anderen Ländern abgeschaut, vor allem aus Italien oder Frankreich. Diese wurden nicht von allen geteilt, da sie nicht als Ausdruck der Vernunft erscheinen, sondern als Wankelmütigkeit. Was war kennzeichnend für die Diskussion um die guten Sitten? Das es keine verbindliche Doktrin gab. Zwar gab es auch Beiträge von Moralphilosophen wie Kant, aber andererseits handelte es sich um ein populäres Thema, welches von vielen Kreisen diskutiert wird. Es bildeten sich Gesellschaften innerhalb der Bürgerschaft. Was hatte es diesbezüglich mit der Philanthropie auf sich? Die Menschenfreundlichkeit war bereits ein Thema der Antike. Zentrale Themen sind Gastfreundlichkeit (Fremde), Wohltätigkeit (Arme) und soziale Verträglichkeit (Mitbürger). Christian Wolff erklärte die Menschenliebe sogar zu einem Prinzip des Naturrechts. Diese Bewegung wurde im Deutschland des 18. Jahrhunderts erneuert. Dieser Philantropismus hatte seinen Schwerpunkt in der Pädagogik mit seinem bedeutenden Vertreter Basedow, der einen neuen, Philanthropinum genannten Schultyp durchsetzen wollte. Welcher Richtung standen Basedow und Philanthropie nahe? Der Romantik. Die Selbstliebe und Liebe des Mitmenschen gehörten zur menschlichen Natur. Das Glück anderer mitzuerleben und zu diesem beizutragen, sei das höchste Glück. Damit meinte er die Liebe der ganzen Menschheit. Es seien lediglich unnatürliche Affekte, die der natürlichen Neigung zur Menschenfreundlichkeit entgegenwirken. Außerdem strebte die Philanthropie die Gleichberechtigung der Menschen und die Beseitigung der Adelsprivilegien an. Damit war sie Teil der bürgerlichen Revolution und der aufklärerischen Moralphilosophie. Ihr Ansatz war popularphilosophisch, sie förderte praktische Regeln zur Beurteilung und Behandlung von Menschen. Sie äußerten sich vor allem zum Privatleben. Was nannte Basedow die unnatürlichen Affekte? Die Eitelkeit, die Heuchelei und den Eigennutz. Diese verdürben das öffentliche und private Leben durch seltsame Konventionen. Dagegen setzte er die Tugenden der Aufrichtigkeit, der Gerechtigkeit und der Einfachheit. Wie wandelte sich die antike Kunst der Haushaltsführung in der Aufklärung? Durch die Auslagerung der Produktion in Betriebe beschränkten sich neuere Ratgeber für den Haushalt auf das Zusammenleben der Menschen und den Konsum der erwirtschafteten Güter. Für die Produktion gab es eigene Spezialschriften, die sich dafür nicht mit dem Familienleben befaßten. Die Herkunft aus der alten Haushaltslehre wurde nur daran erkennbar, daß die gleichen Autoren zu beidem publizierten, z.B. Leon Battista Alberti oder Julius Bernhard von Rohr, sowie Georgius Agricola. Wie wandelte sich der Begriff der Familie noch? Er wurde einerseits auf die private Familiengemeinschaft eingeengt, andererseits erweiterte er sich zum Gleichheitsideal der Menschheitsfamilie, deren Glück es zu sichern galt. Jeder sei des anderen Bruder oder Schwester. Das Wohl der Kleinfamilie sei damit im Wohl der Menschheitsfamilie enthalten. Trotz der Nationalökonomie gab es aber auch noch Ratgeber mit Regeln für die Individuen und Familien. Wer war ein Vertreter solcher Ratgeber? Adolf von Knigge. Dieser verteidigte die Achtung der Kleinfamilie und der Privatheit. Was ist die Psychonostik, welche Gebiete umfaßt sie? Sie ist die Menschenkenntnis. Vor allem die Kenntnisse über die menschliche Seele sind hier gemeint. Die Psychognostik strebte nach: • Allgemeinerkenntnis, d.h. gültigem Wissen über seelische Beschaffenheit von Menschen. • Personenkenntnis, d.h. spezifisches Wissen über individuelle Personen. • Selbsterkenntnis, d.h. spezifisches Wissen über die eigene Person. Wie wurde dieses Streben begründet? • Selbstzweck: Kenntnis über Menschen erhöhe den Wert des Menschen und Glück. • Pragmatisches Urteil: Menschenkenntnis ist nützlich für Einschätzungen, Entscheidungen • Philanthropie: Kenntnis über die seelische Verfassung der Mitmenschen zu erlangen ist eine Forderung der Philanthropie um diese besser zu verstehen. Aus diesem Verständnis erwachse weitergehende Zuneigung und Hilfsbereitschaft Wie versuchte man zur Menschenkenntnis zu gelangen? Ein häufiger Ansatz besteht darin, aus körperlichen Zeichen die Beschaffenheit der Seele zu erschließen, z.B. aus den Gesichtszügen oder der Schrift. Dieser Ansatz steht in der antiken Tradition der Zeichendeutung, z.B. der Analyse des Vogelfluges (durch die Auguren) oder der Astrologie. Deshalb ist es naheliegend, neben dem Makrokosmos den Körper der Menschen selbst zu untersuchen. Diese Körpermerkmale nannte man Seelenzeichen. Die Lehre davon ist die Seelenzeichenkunde, z.B. die Kunst des Handlesens, welche als Chiromantie, welche die Zukunft aus der Hand vorhersagen will die Chirologie, welche den Charakter feststellen will in Erscheinung tritt. Was war das Ziel der Charakterkunde? Diese hatte den Zweck, die seelische Beschaffenheit der Gattung Mensch zu bestimmen. Hierfür bestimmte die Charakterologie • psychologische Typen, d.h. Klassen von Menschen, die durch eine maßgebliche seelische Eigenschaft oder mehrere zusammenhängende gekennzeichnet ist. • seelische Eigenschaften, d.h. dauerhafte Neigungen, Einstellungen und Verhalten. Die Charakterlehren entscheiden auch, welche Eigenschaften als maßgeblich zur Bestimmung von Typen anzusehen sind. Die pragmatische Absicht der Charakterkunde liegt in der Warnung vor anstößigen Menschentypen. Wie entwickelte sich die Charakterologie? Im 17. Jahrhundert knüpfte sie unmittelbar an antike Typenlehren an. Dies ist an der Weiterverwendung der Begriffe „Typus“ und „Charakter“ erkennbar. Manche der Charakterbeschreibungen wurden in der Tradition Galens durch die menschliche Natur begründet, andere durch die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Tradition Theophrasts. Wer vertrat eine Charakterlehre im Sinne Theophrasts? Der Pariser Schriftsteller Jean de la Bruyère (1688). Diese zeigten Porträts und Sittenbeschreibungen am französischen Hofe. Die Geschlossenheit der Charakterbilder beruht darauf, daß sie nur eine Eigenschaft, meist eine negative beinhalten. Diese entfaltet sich je nach Situation der Betroffenen zu einem vielfältigen Bild. Der Autor beschränkt sich vor allem auf die Darstellung des schädlichen in Charakterschwächen und Lastern. Er wertet durch Wortwahl und moralische Beurteilung, allerdings gibt er keine Ratschläge zur Besserung, da er Menschen nicht für erziehbar hält. Er meint, dies liege in ihrer Natur. Deshalb solle man sie meiden. Wer vertrat eine sozialkritische Charakterlehre? Michel de Montaigne (1533-1592). Dieser äußerte sich über viele Fragen des privaten und gesellschaftlichen Lebens. Die vorherrschenden sozialen Rahmenbedingungen und Meinungen würden den Charakter und das Verhalten der Menschen prägen. Er achtete die Natur und empfand die sozialen Umstände seiner Zeit als schädlich und verderblich. Tod und Krankheit seien Natürlich und seien gelassen hinzunehmen. Bedrückend würden sie erst durch die damit verbundenen Bräuche. Lebensformen, Normen und Einstellungen wären kulturspezifisch. Es gebe keine Einheitsnorm für Sitte und Charakter. Weshalb bedient man sich der Seelenzeichenkunde? Weil die Beobachtung von Verhalten (auch eine Möglichkeit, um auf Eigenschaften zu schließen) langwierig und beschwerlich ist, sowie nicht immer rechtzeitig verfügbar sind. Trotzdem hätte man gerne schnelle und zuverlässige Einschätzungen von menschlichen Charaktereigenschaften. Diese Beurteilung sollte möglichst universell und evtl. in Abwesenheit der Person möglich sein. Welche Aufgabe hatte die Physiognomik? Diese widmete sich der Aufgabe, aus den Formen der Körperoberfläche, vor allem des Kopfes auf Charaktereigenschaften zu schließen. Solche Lehren sind bereits seit dem Altertum überliefert. Diese erneuerte sich im 17. und 18. Jahrhundert zu einem beliebten Zweig der Seelenzeichenkunde. Wer war ein bedeutender Vertreter der Physiognomik? Der neapolitanische Naturforscher Joannis Baptista della Porta (1593). Für diesen waren Stirn, Augen und Nase besonders bedeutsam. Er erwies sich als Vertreter der Aufklärung, indem er die Bedeutung auf natürliche Ursachen zurückführte. Die körperliche und seelische Verfassung seien das Resultat von Anpassungsprozessen an die Umgebung. Da Menschen und Tiere die gleiche natürliche Umgebung hätten, wären beide den gleichen Anpassungsprozessen unterworfen. Die seelische und körperliche Entwicklung wäre also von einer Drittvariable beeinflußt. Somit bestimmte er Menschentypen anhand von Tierarten: Löwenmenschen, Affenmenschen, Eselmenschen, Ebermenschen, Schafsmenschen. An diesen versucht der Autor, Lebensumstände, Bedürfnisse ausfindig zu machen, die zu der doppelten Ausprägung führen. Er berief sich auf die Lehre Galens, jagende Lebewesen hätten andere Körpersäfte (mehr Blut). Abhängig von Umweltbedingungen. Worin bestand die Physiognomik von Johann Caspar Lavater (1741-1801)? Er war Pfarrer in Zürich, verteidigte das Christentum als Vernunftglauben. Er deutete vor allem Porträts physiognomisch, so z.B. das vom Maler Raffael. Er schrieb das Buch „Physiognomische Fragmente“. Er behauptete, es gebe eine feste Zuordnung von Körpermerkmalen und Charaktereigenschaften. Hohe Stirn: Klugheit, knapper Augenabstand: List. Gerade Nase: Verstand. Der Autor betont die Ganzheitlichkeit, das Merkmalsgefüge. Wovor warnt Lavater? Vor dem Schließen von einem Merkmal auf den Charakter, da auch die Seele Ganzheit ist. Inwiefern grenzt sich Lavater von della Porte ab? Er entwickelt keine Tierphysiognomie. Er erklärt die physiognomischen Zusammenhänge auch nicht natürlich, sondern hält sie für unmittelbar einsichtig. Physiognomik wäre eine Kunst der Betrachtung, die wie die Zeichnung Selbstgewiß ist. Sie wäre die Wissenschaft aller Wissenschaften und damit keine, sondern intuitiv zugänglich. Damit verankerte Lavater die Physiognomik in Deismus und Irrationalismus, sie sei Teil der göttlichen Offenbarung. Ebenso wie Gott in der Natur offenbare sich der Mensch als Ebenbild Gottes in der äußeren Erscheinung. Was war der Nutzen der Physiognomik? Sie fand viel Beachtung als nützliche Kunst. Lavater wollte damit auch die Philantrophie fördern. Zwischen welchen Formen der Ausdruckslehre differenzierte Lavater? Er unterschied zwischen der Physiognomik als Deutung des ruhenden Körpers und der Pathognomik als Deutung der Körperbewegung. So sei auch die Handschrift als Spur der Handbewegung charakterologisch auszuwerten. Die Schriftstärke drücke die Willensstärke aus. Daraus begründete der Franzose Jean-Hippolyte Michon (1875) die Graphologie. Welchen aufklärerischen Status hat die Physiognomik? Einen umstrittenen. So kann man sagen, daß die Erklärung des Charakters durch Naturbeobachtung durchaus aufklärerische Züge trägt, andererseits erfährt sie Kritik von Georg Christoph Lichtenberg (1778). Er bestritt ihre Stellung als Naturlehre. Der Körper sei so gebaut, daß er den Anforderungen der Natur entspreche, nicht um von der Beschaffenheit des Geistes Kunde zu geben. Oft hätten Gelehrte und Narren ähnliche Gesichter. Außerdem müßte eine Verformung des Körpers auch die Seele in Mitleidenschaft ziehen, was unplausibel sei. Auch sei die Lehre nicht zutreffend. Zutreffende Urteile resultierten aus der Beobachtung der Lebenslage, sowie sozialer Merkmale. So würde mehr aus den Rahmenbedingungen wie Kleidung geschlossen, als aus dem Gesicht selbst. Was ist die Psychagogik? Die Psychagogik ist die Kunst der Menschenführung, der Anleitung zum richtigen Verhalten in sozialen Situationen – sowohl zur Selbstkontrolle, als auch zur Behandlung anderer. Worauf gründen sich die Lehren der Psychagogik? • auf Konvention, d.h. dem jeweilig gültigen Sittenkodex. • auf Vernunft, d.h. durch ihre Begründbarkeit durch Erfahrung und Argumentation. • auf Philanthropie, d.h. in der Verankerung nach Liebe und Verständnis für Menschen. Wie werden die Handlungen im jeweiligen Paradigma bewertet? Die Philanthropie bewertet Handlungen nach dem resultierenden inneren Glück. Die Vernunft erkennt den äußeren Erfolg an, z.B. den Gewinn von Reichtum. Die Konvention stützt sich auf die Behauptung der Bewährung und der Furcht vor Nachteilen. Wer formulierte einen konventionellen Ansatz? Der Beamte Julius Bernhard von Rohr (1728). Dieser setzte die Aufklärungsethik von Wolff fort und verfaßte eine Serie von Schriften in der Nachfolge der klassischen Haushaltslehre. Er gab Ratschläge für angemessenes Verhalten bei formellen Veranstaltungen, als auch für Kleidung und Wohnung. Wer formulierte einen vernünftigen Ansatz? Der spanische Jesuit Balthasar Gracian. Dieser vertrat die Philosophie der Selbstdisziplin nach dem Vorbild der Stoa. Andererseits war er den Werten der Welt zugewandt und gab Ratschläge, wie Bildung und Ansehen zu erringen sei. Diese Haltung war jedoch eher pessimistisch. Später kamen philanthropische Regeln zum Leben in Harmonie auf. Im großen und ganzen, hatte er ganz gute Ideen. Wer formulierte einen skeptischen Ansatz der Psychagogik? Der Schriftsteller August von Knigge (1788). Diese Schrift beschreibt eine Fülle menschlicher Charaktere und gibt Anleitung zu deren freundlicher Behandlung. Diese sollte allen beteiligten zugute kommen. Jeder habe Anspruch auf eigenes Glück. Er empfahl Regeln für das Verhältnis zwischen sozialen Schichten aller Art und unterschiedlicher Bildung. Welche Themen haben Ratgeber für ein gutes Familienleben? • Wahl von Ehepartnern und Verhalten in der Ehe • Verpflichtungen von Kindern, Erziehung von Kindern • Verhalten gegenüber Verwandten und Freunden • Pflichten der Bediensteten und Behandlung der Bediensteten • Verhalten gegenüber Kranken • Besitz und Wohltätigkeit Diese Schriften sind vor allem für die Familienväter in deren Eigenschaft als Haushaltsvorstände verfaßt. Nur gelegentlich wird auf Bildungsfragen eingegangen. Was reflektierte sich in Stil und Zielsetzung der Haushaltslehren? Die jeweils dominierende Weltanschauung der Entstehungszeit. Welche Haushaltslehre entwarf Leon Battista Alberti (1437)? Er formulierte eine Anschauung der Renaissance, knüpfte direkt an Xenophon an. Er benutzte für seine Darstellung die klassische Form des Dialoges und berief sich auf die Moralphilosophen der Antike. Das übergreifende Thema war das Verhältnis von Freiheit und Ordnung. Er suchte, Kompromisse zwischen widersteitenden Interessen zu finden. Er ließ sich von humanistischen Werten der Liebe und Treue, Vernunft und Weisheit leiten. Er riet zur Ansammlung von Vermögen, welches unabhängig macht. Welche Haushaltslehre entwarf Justus Menius (1529)? Er formulierte eine christliche Ökonomie in der Zeit der Aufklärung im Dienst der Reformation. Die Familie solle die erneuerten christlichen Tugenden verbreiten. Die Ehe sei zentral für das Glück der Menschen. Der Hausvater habe das christliche Ziel zu verfolgen, fromme Kinder zu erziehen, nicht das heidnische besonders reich zu werden. Er soll auch die nötige Strenge walten lassen. Die Kinder und das Gesinde sollen regelmäßig arbeiten. Er beanspruchte für diese Lehren die Wahrheit und ließ keine Alternativen gelten, wie etwa noch Alberti. Er verstand seine praktische Lehre als Ableitung des rechten Glaubens. Er hat keine Verweise auf antike Moralphilosophie in seiner Ökonomie mehr. Wie begründet Knigge seine Lehre? Dieser beruft sich auch nicht auf Autoritäten und macht auch keine Beweisführung, sondern stützt sich auf Lebenserfahrung und menschliches Empfinden. Der Haushalt sei ein Garant der bürgerlichen Ordnung. Zuneigung und Dankbarkeit sollen das Leben verschönen. Der Autor verschweigt Konflikte in der Familie auch nicht. Diese sollen durch gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme vermieden werden. Auch die Kinder seien zu respektieren. Was sind nach Knigge die Voraussetzungen einer harmonischen Ehe? Die Eheleute müßten durchaus nicht gleich sein. Immerhin hätten sie im Haushalt verschiedene Aufgaben. Die Klugheit von Frauen und Männern sei verschieden, es sei gut, wenn beide Vermögen mit in die Ehe einbrächten. Wichtig sei die gute Hauswirtschaft angesichts knapper Güter. Wichtig sei Etat und Planung. Bildete die zwischenmenschliche Kommunikation einen Gegenstand praktischer Lehre? Auch die Verständigung sollte neben Leben und Denken am besten nach vernünftigen Prinzipien gestaltet sein. Zunächst gab es wieder humanistische Ansätze, danach kamen die der Aufklärung hinzu. Es gab neue Ansätze zur Kunst des Schreibens, der Rhetorik, Gestik und Mimik. Was war das Ziel dieser neuen Kommunikationslehren? Im Rationalistischen Sinn: Um die einsichtige Ordnung. Im empiristischen Sinn: Um die Übereinstimmung zwischen Darstellung und Inhalt. Im utilitaristischen Sinn: Um Verständlichkeit und Überzeugungskraft. Diese waren jedoch oft auch für Berufe bestimmt, nicht nur für Privatmenschen. Diese gewannen jedoch auch immer mehr Bedeutung für den privaten Umgang. Ein bestimmter öffentlicher Rahmen wurde von den Theorien oft nicht vorausgesetzt. Die Beredsamkeit, die Eloquenz wurde zu einem allgemeinen Ideal für Intellektuelle und Edelleute. Ist die praktische Psychologie vor allem eine Spezialisierung auf das Private? Dies ist ein Streitpunkt. Allerdings kann man ihn begründen. Die antiken Haushaltlehren differenzierten nicht zwischen privat und öffentlich. Die neuzeitlichen schon. Öffentliche Tätigkeiten wurden zu Berufen, deren Ausübung ein Einkommen verschafft, welches einen häuslichen Erwerb ersetzte. Dazu bedurfte es der spezialisierten Expertise. Sogar die Erziehung wurde zu einem Praxisfeld. Diese Disziplinen haben ihr psychologisches Wissen mitgenommen und weiter gepflegt. Dadurch besitzen sie Anteile an der transdisziplinären Psychologie. Für die praktische Psychologie als Einzelwissenschaft verbleibt Ende des 19. Jahrhunderts die Beschäftigung mit dem Privaten und persönlichen. Dies weckt jedoch auch die Scham vor der Aufdeckung des Intimen. Dennoch ist das Intime der Gegenstand der Psychologie. Aus Scham werden Fragen der Sexualität nicht öffentlich erörtert. Dies wird das Feld der Psychoanalyse werden. Was hat es mit der Stoff-Stillehre aus dem 17. Jahrhundert auf sich? Ramus forderte die Angemessenheit der Argumentation für den jeweiligen Gegenstand. Dies führte zum Prinzip der Harmonie zwischen Stoff und Stil. Es entwickelte sich eine Hierarchie: • Feinsinniges und gewichtiges sollte würdevoll dargestellt werden. • mittelmäßige Themen sollten mittelmäßig dargestellt werden. • niedere Themen sollten einfach und schmucklos dargestellt werden. Der Stil sollte die Wortwahl und die benutzten Bilder umfassen. So sollte man Fürsten mit Gestalten aus der Mythologie vergleichen dürfen, Bürger nicht. Was ergab sich aus der Dialektik nach Christian Schröter (1704) noch? Eine Fülle an Regeln für schriftliche und mündliche Argumentation. Der Inhalt der Darstellung müsse folgerichtig geordnet sein. Welches Werk war für die Rhetorik der Neuzeit bahnbrechend? Das Werk von Michel de la Faucheur (1590-1657). Dieser gab Ratschläge für das Verhalten des Redners. Das Buch stützt sich auf Natur und gesunde Vernunft. Was dies sei, solle sich dem Leser selbst erschließen. Er erörterte die Möglichkeiten • des Satzbaus: Informierende Reden bedürfen anderer Sätze als appelierender. Erstere gewinnen durch fortlaufende Sätze und Folgerichtigkeit an Qualität, letztere durch Antithesen (der Feind will unser Land vernichten, wir werden ihm entgegentreten) und Wiederholungen, sowie Fragen. • der Stimmführung, diese solle sich dem Satzbau anpassen. So solle am Ende von Erzählungen die Stimme gesenkt werden. • der Mimik, auch diese solle den Satzbau unterstützen, Mitleid oder Haß, Lob oder Klage wiederspiegeln • und der Gestik welche gleiches tun sollte. de la Faucheur hielt Mimik und Gestik für eine Universalsprache. Diese drücke vorzugsweise Gefühle aus und sei Gemeingut der Menschheit. Welcher Autor beschäftigte sich eingehender mit der menschlichen Körpersprache? Johann Jakob Engel (1785). Dieser trennte • Bewegungen, die ihre Bedeutung unmittelbar in sich tragen, • Bewegungen, welche innere Gedanken in sichtbarer Form ausdrücken, z.B. wenn man im Falle des Abscheus eine abweisende Handbewegung macht. • Bewegungen mit symbolischer Bedeutung. Diese sei ebenfalls ersichtlich, z.B. Kuß oder Handschlag oder das Händewaschen. Andererseits eigne sich die Körpersprache auch zu mehrdeutigen und widersprüchlichen Mitteilungen. So entstehe Ironie, z.B. wenn man sich tief aber höhnisch lächelnd verneigt. Engel bekannte sich zur Popularphilosophie. Er wandte sich zwar vor allem an Schauspieler, wollte jedoch die Natur des körperlichen Ausdrucks ergründen. Die ästethische Wirkung entstehe vor allem durch die gelungene Nachahmung der Natur. Durch Wahrheit entstehe die beste Täuschung. Er konzipierte auch eine Theorie der Rollenerwartungen. Mit einer Sprecherrolle wären bestimmte Erwartungen verknüpft. So solle z.B. der Erzähler auch Rückblenden machen um das Verständnis zu erhöhen. Der Erzähler sei kein Dialogpartner. Dieser befinde sich im fortwährenden Gespräch, wende sich nicht an Zuhörer und erst durch das sprechen entwickelt sich die Handlung. Er hält nicht in der Erzählung inne, um Rückschau zu halten. Dies ist eine quasi sozialpsychologische Betrachtung der Kommunikation. Diese Lehre ging auch nicht in die Berufsexpertise anderer Disziplinen ein, sondern wurde von der Psychologie vereinnahmt. Was war das erste Magazin zur Erfahrungsseelenkunde? Gnothi Sauton von Carl Philipp Moritz. Dieses erschien Ende des 18. Jahrhunderts für eine Dauer von 10 Jahren. Der Titel bedeutet „Erkenne Dich selbst“. Ziel war die Verbreitung der Erfahrungsseelenkunde durch eine Bestandsaufnahme psychologischer Erscheinungen. Er wollte vor allem Fakten darstellen. Es gab eine Vielzahl von Autoren verschiedenster Berufe, die teilweise anonym publizierten. Es waren auch Philosophen und psychologisch interessierte Intellektuelle dabei aber auch ungelehrte die praktische Erfahrung beisteuern können. Insgesamt war das Magazin ein Organ der popularphilosophischen und popularpsychologischen Bewegung. Welche Bedeutung hatte dieses Magazin noch? Es war die erste regelmäßig erscheinende Fachzeitschrift, die für eine Vielfalt psychologischer Fragestellungen offen war. Dies ist wichtig für die Disziplingenese eines Faches. Diese sind Voraussetzung für die Verselbständigung von Einzeldisziplinen. In gewisser Hinsicht ist dieses Magazin die Wiege der modernen Psychologie. Welche Inhalte (regelmäßige Rubriken) hatte das Magazin? • Seelennaturkunde: Hier sollten seelische Erscheinungen wiedergegeben werden, z.B. Träume, Sehen, Kindheitserinnerungen. • Seelenzeichenkunde: Charakterbeschreibungen und Typeneinteilungen wurden diskutiert, sowie die Bedeutung bestimmter Merkmale erörtert. • Seelenkrankheitskunde: Hier wurden Fälle von normwidrigem Verhalten geschildert. • Seelenheilkunde: Mögliche Heilverfahren für Seelenkrankheiten (z.B. Kaltwassergüsse). Kapitel 8: Vergleichende Psychologie Wodurch waren 18. und 19. Jahrhundert geprägt? Europäische Eroberer kolonisierten weite Teile der bis dahin unbekannten Welt. Es kamen immer mehr Einwanderer aus Europa. Die zurückgebliebenen hatten von den neuen Welten nur eine vage Vorstellung. Es wechselten sich positive und erschreckende Schilderungen ab. Einerseits sollen in den wilden Ländern paradiesische, andererseits erschreckende Zustände herrschen. Die neuen Kolonien versprachen jedenfalls mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Außerdem entstanden die Vereinigten Staaten von Amerika, die durch das pursuit of happiness geprägt waren. Die Grundlagen der amerikanischen Verfassung waren die Ideale der französischen Revolution. Dadurch schwand die Vormachtstellung der alten Welt. Zweifel an der Überlegenheit der europäischen Kultur wurden laut. Damit wurde der Neubeginn und die Rückentwicklung zu bedenkenswerten Alternativen. Was war das Programm der Romantik? Das Gegenprogramm zum Rationalismus. Dieser deutete die Welt als unvollkommene Erscheinungsform einer vollkommenen Ordnung. Diese offenbare sich in der Vernunft. Der Rationalismus folgte dem Primat des Geistes. Damit war auch die Moral durch Vernunft festgelegt. Dieses Primat war jedoch nicht unumstritten. Gefühle seien manchmal bessere Ratgeber für das richtige Leben. In diesen Eingebungen liege die tiefere Wahrheit. Ihr Urteil wäre besser als das der formalen Regeln. Worin äußerte sich die Romantik zunächst? In der Kunst. In der Dichtung des „Sturm und Drang“ – nach dem Drama von Franz Maximillian von Klinger (1776) wehrte man sich gegen Konventionen und widmete sich innerlichen Gefühlsausbrüchen. Der Innerlichkeit widmete sich auch die Lyrik. In dieser kamen primär private oder natürliche Themen zum Ausdruck. Die Kunst öffnete sich Mystik und Esoterik. Diese Themen kamen auch in den Märchen vor, wie sie von den Gebrüdern Grimm (1812) gesammelt wurden. Musik und Malerei folgten der Literatur. Wie kann der Stil der Romantik charakterisiert werden? Novalis (1772): Die Welt muß romantisiert werden, indem man dem Gemeinen einen hohen Sinn gibt, dem bekannten die Würde des unbekannten und dem endlichen den Schein des unendlichen. Wer leitete die Romantik ein? Die Naturphilosophie Rousseaus (1750). Dieser verneinte die Frage, ob die Wissenschaft etwas zur Verbesserung der Sitten beigetragen habe. Er stammte aus Genf. Wissen habe der Tugend geschadet. Die rationale Ordnung habe die Freiheit erstickt. Rousseau ruft zur Umkehr auf. Die Natur würde den Menschen vor den Übeln der Wissenschaft bewahren. Damit vertritt Rousseau einen Kulturpessimismus und einen Naturoptimismus. Dieser hat vor allem in der Erziehungslehre eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Welche romantische Konzeption vertrat Johann Gottfried Herder? Ihm unterstand die Kirchenverwaltung in Weimar. Für ihn ist die Welt ein zusammenhängender Organismus. In diesem lebt der Mensch eingebettet. Das große Ganze sei zugleich beständig und dynamisch. Deshalb ist auch der Mensch beständig (durch Erbanlagen und Tradition), jedoch auch in steter Entwicklung begriffen. Aus der Natur schöpfe der Mensch auch geistiges (nicht nur Nahrung und Sinneserfahrung). Das Weltganze sei neben der Materie eine geistig/moralische Einheit, dieses sei beseelt und göttlich. Damit deutete er die Welt im Sinne Spinozas nach dem Prinzip der Ordnung und des Guten. Das Festhalten an diesem Prinzip und das Fortschreiten in der Entfaltung gewähre dem Menschen seine Kultur. Der Autor betont, daß der Mensch überall gleich ist, jedoch regionale Unterschiede durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt bedingt sind. Die größten Unterschiede ergäben sich in der Sprache. Damit war das Programm einer Kulturphilosophie vorgegeben. Hier wird kein Gegensatz zwischen Kultur und Natur aufgeworfen. Beide ergänzten sich auf ihre Weise. In welchen Punkten widerspricht Herder dem Rationalismus? Die Natur schaffe selbsttätig ihre eigene Ordnung. Diese entfalte sich in einem Prozeß des organischen Wachstums. Die Natur bringe je nach lokalen Bedingungen unterschiedliche Ordnungen hervor. Es mache keinen Sinn, ideale Ordnungen vorzugeben, oder die Natur in diese Formen zu zwingen. Der Mensch solle sich dem Gefühl anvertrauen. In diesem lebe er in Einklang mit der Natur. Dieses sei einer der größten menschlichen Vorzüge. Welche Bedeutung hatten diese Sichtweisen für die Psychologie? Die Anerkennung von Gefühl und Empfinden als Erkenntnisquelle eröffnet der Psychologie den Weg aus Rationalismus und Ontologie. Damit braucht die Seelenkunde nicht mehr nach dem Allgemeinen, allgemein gültigen Streben, sondern kann auch andere Gegenstände neben dem Wesen des Menschen erkunden. Diese Empfindungen sind subjektiv, dies widerstrebt dem ontologisch/rationalistischen Einheits- und Vollkommenheitsstreben. Gefühle verwirklichen sich im einzelnen. Vor dem Gefühl versagen allgemeine Maßstäbe der Vollkommenheit. Das Erleben des einzelnen verdient jedoch ungeachtet seines Standes gleiche Achtung. Dadurch ergaben sich für die Psychologie folgende Änderungen: • Der Mensch bleibt nicht alleiniger Gegenstand, man kann sich auch Tieren zuwenden. Der Mensch wird ebenfalls als Naturwesen betrachtet. • Die Eigenart von Individuen rückt in den Mittelpunkt des Interesses. Einheitliche Theorien verlieren an Bedeutung. • Es zählt nicht nur die klare Erscheinung, auch das Verschwommene und Flüchtige sei der Betrachtung wert. Welche neuen Zweige erwuchsen aus der Variation des Psychischen als Gegenstand? Tierpsychologie: Betrachtung der Unterschiede zwischen Gattungen von Lebewesen. Entwicklungspsychologie: Betrachtung der Unterschiede zwischen Altersstufen. Völker- und Sozialpsychologie: Betrachtung von Kulturen und Gruppen. Differentielle Psychologie: Betrachtung von Eigenarten der Individuen. Welche allgemeine Begriff prägt sich für diese neuen Richtungen? Spezielle Psychologie. Diese hebt sich von der bisherigen, generellen Psychologie ab. Carl Christian Schmid: In der allgemeinen Psychologie werden Merkmale und Gesetzen betrachtet, die allen Individuen immer und ohne Ausnahme zukommen. Die spezielle Psychologie untersucht die Verschiedenheit, wodurch sich die einzelnen Menschenklassen unterscheiden. Die generelle Psychologie behandelt den Menschen als Gattung, die Spezielle als Individuum. Ein weiterer Begriff für diese Richtungen: Vergleichende Psychologie. Dieser wurde aber mittlerweile auf die Tierpsychologie eingeengt. Auch der Begriff der Differentiellen Psychologie hat sich nicht durchgesetzt, er bezieht sich lediglich auf die Behandlung individueller Unterschiede. In der modernen Fachsprache gibt es keinen Sammelbegriff für diese Richtungen mehr. Um so wichtiger ist die historische Analyse. Welche Konzeption vertritt Carl Gustav Carus (1789-1869)? Er brachte ein Buch über die vergleichende Psychologie heraus. Er wollte das seelische Leben in der Natur im Sinne der Geschichtsphilosophie Herders deuten. Er bekannte sich zu den Prinzipien der beseelten Natur und dem Drang jedes Lebewesens zur Entfaltung. Die Natur entfalte sich aus Urzuständen in doppelter Weise: Über die Stammesgeschichte, d.h. über die tierischen Gattungen und die Lebensgeschichte, d.h. über die Altersstufen der Individuen. Welche Gattungen und Entwicklungsstadien ordnete Carus zu durchgehenden Reihen? • Urzelle: Beim werdenden Menschen der unbewußte Seelenkeim, bei Protoorganismen der Lebensmittelpunkt. • Ideelle Lebensmitte: beim menschlichen Embryo die unbewußte Seele, bei tierischen Eizellen die seelische Mitte. • Gefühls- und Reaktionsmitte: das dämmernde Bewußtsein des Neugeborenen, die unbewußte Seele von Mollusken. • Dunkle Gefühle wie Hunger oder Erregbarkeit durch äußere Reize: die unbewußte Seele des Säuglings, die dunkle, unbewußte Seele höherer Weich- und Gliedertiere. • Innere deutliche Gefühle, Erinnerungen, Handlungen: Weltbewußtsein des kleinen Kindes und der höheren Wirbeltiere. • Selbstbewußtsein, Anlage zum Gottesbewußtsein: Die geflügelte Seele, nur beim Menschen verwirklicht. Wie wird diese Entwicklungsreihe möglich? Nur durch den Verzicht auf die Annahme der Eigenständigkeit des Geistes. Dieser sei in das Unbewußte eingebettet, aus welchem er hervorgeht. Unter dem Geist verstand er mehr als Logik: Eher eine Art Gemeingefühl. Höchste menschliche Errungenschaften wären nicht die Beweise der Mathematik, sondern das Bewußtsein des Göttlichen und des eigenen Selbst, d.h. vor allem die Selbstreflexion. Was meint Carus mit Gottbewußtsein und Selbstbewußtsein? Nicht im Sinne der Kirche die Frömmigkeit, sondern im Sinne Herders das Verständnis für das Naturganze und seine Gesetzlichkeit. Mit Selbstbewußtsein das Gefühl der eigenen Einbezogenheit in die Gesamtheit der Natur. Womit belegt Carus seine Reihung? Durch Befunde aus der Zoologie. Diese Reihung führt er auf die Entwicklung des Nervensystems zurück. Wohingegen den Urformen das Nervensystem weitgehend fehlt, entwickelt sich dieses immer mehr. Die psychischen Funktionen seien die Funktionen eines sich immer weiter entwickelnden Gehirns. Dadurch entwickelt sich ein breites Spektrum an Lebensformen. Welche Tiere stellt Carus am stärksten dar? • Weichtiere, Würmer und Insekten ohne ZNS • Fische, Amphibien und Vögel mit entwickelter Hirnbildung • Säugetiere mit hoch entwickeltem Gehirn, welches besondere Leistungen ermöglicht Wer war Carl Gustav Carus? Arzt und Naturforscher und Künstler. Er wurde in Leipzig geboren. Wurde Medizin-Prof. Er beschäftigte sich auch mit Psychologie. Er betonte im Geiste der Romantik die Natürlichkeit des Seelischen, die Innenwelt und das natürliche Prinzip, komplexe Organisationsformen aus einfachen Anfängen zu entfalten. Er war überzeugt von der Vorrangstellung des Unbewußten vor dem Bewußten, da diesem tausend Vorgänge entgingen. In diesem Unbewußten liege die Schnittstelle des Menschen zur Natur. In dieser finde der Mensch zurück zur Natur. Deshalb wären die Themen des Traumes Bilder von Naturerfahrungen. Diese Konzeption fand Anklang in der Bevölkerung und wurde von den Tiefenpsychologen aufgegriffen. Sieht Carus den Menschen als den Tieren überlegen an? Nicht zwangsläufig. Zwar besitze der Mensch eine höhere Analysefähigkeit und einen stärker der Vernunft unterworfenen Willen, viele Tiere seien dem Menschen an Sinnesleistung und Instinktstärke jedoch überlegen. Dies wird von dem Anatomieprofessor Friedrich Burdach bestätigt. Dieser gab der neuen Disziplin (comparative Psychologie) auch ihren Namen. Womit befaßte sich Burdach? Er konzipierte eine naturkundlich-empirische Psychologie. Durch Darstellung der Gefühle und Instinkte von Menschen und Tieren zeigte er die Verankerung der psychischen Erscheinungen in der Natur und das Hinauswachsen des Menschen aus dieser. Vor allem beschäftigte er sich mit der Intelligenz von Tieren. Was verstand man im 19. Jahrhundert unter Geschichte? Nicht wie heute eine zeitliche Folge von Ereignissen oder Zuständen, sondern eine Beschreibung von Sachverhalten. Insofern betrachtete Carus die Reihenfolge der Tierwelt nicht als Abstammungslehre. Er bestritt, daß der Mensch vom Tiere abstamme. Jede Gattung müsse den Weg von der Urform zur Endform jeweils für dich zurücklegen. Was kam seit dem 18. Jahrhundert neu auf? Die Idee von Stammesgeschichten, von Evolution. Diese sahen die höheren Gattungen als Abkömmlinge der niederen an. Diese stießen auf heftigen Widerstand: Zum einen widersprach dies der biblischen Schöpfungsgeschichte, nach der die Arten getrennt erschaffen wurden. Vor allem die Christen waren durch die Annahme des Menschen als Art Affe verletzt, da sie den Menschen als höchste göttliche Schöpfung ansahen. Außerdem schien diese Theorie der Erfahrung zu widersprechen: Aus Beobachtung ergibt sich, daß aus einer Art Eier immer wieder die gleiche Art Hühner hervorkommt, und zwar konstant. Auch Noah hätte sich den Platz sparen können, wenn die Evolution Recht hätte. Welche Erklärungen der Evolution gab es? Lamarck (1809) vertrat die Theorie der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften. Die Giraffe hätten deshalb einen so langen Hals, weil sie auf der Suche nach Nahrung ihren Hals strecken. Diese Eigenschaft geben sie an ihre Nachkommen weiter. So konnten durch Lernen neue Gattungen entstehen. Diese Theorie ließ sich nicht recht belegen. Die Theorie von Charles Darwin (1859) überzeugte die Öffentlichkeit stärker: Die Theorie die Selektion durch natürliche Zuchtwahl. Was besagt die Theorie der Evolution nach Darwin? Das Erbgut von Individuen bilde keinen festen Vorrat. Diese seien vielmehr spontanen Veränderungen, Mutationen unterworfen. Aus Paarungen würden sich neue Kombinationen ergeben. Dadurch variiert die Erscheinung und Fähigkeit von Lebewesen. Diese sind je nach Beschaffenheit der Lebewesen unterschiedlich gut an die Anforderungen ihrer Umwelt angepaßt. Dies verschaffe mehr Nahrung und Schutz und damit bessere Chancen, Nachwuchs zu erzeugen. Unzureichend angepaßte würden aussterben. Auch neue Gattungen könnten entstehen. Dies geschieht, wenn sich die Umgebung ändert, oder wenn in eine neue Umgebung gewandert werde. Er stützte sich auf die Beobachtung von Vögeln. Welcher Status kam Darwins Theorie bald zu? Als Naturwissenschaftliche Erklärung der Entstehung des Lebens schlechthin. Als er versuchte, die Theorie auch auf den Menschen anzuwenden, schlug im heftige Kritik entgegen. Seine Theorie „Darwinismus“ wurde Gegenstand heftiger Kontroversen um den Kampf ums Dasein und das survival of the fittest – das Überleben der Angepaßtesten. Welche Bedeutung hatte diese Theorie für die Psychologie? Eine erhebliche. Wenn sie stimmt, müssen sich zwischen Mensch und Tier bedeutende Unterschiede nachweisen lassen. Selbst Darwin wandte sich gegen Charles Bell (1806) und behauptete, auch Tiere hätten Muskeln um ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. So konzipierte Darwin die Emotion als Ausdruck der Erkenntnis, z.B. der erkannten Gefahr. Die Emotionen hätten zunächst anderen Zwecken gedient, bevor sie zur Kommunikation genutzt wurden. Darwin untersuchte auch Kinder und kulturpsychologische Fragen um seine Theorie zu beweisen. Was für ein Mensch war Darwin? Er wurde 1809 in England geboren und starb 1887. Er war Naturforscher und Schriftsteller. Sein Vetter war Galton. Seine Familie war reich. Er machte eine Forschungsreise mit der Beagle um die Welt, auf welcher er seine Theorie auf den Galapagosinseln aufstellte. Was eröffnete Darwin der Tierpsychologie? Die Annahme durchgängiger Übergänge in der Stammesgeschichte eröffnete die Möglichkeit, die Besonderheiten einzelner und die Gemeinsamkeiten verschiedener Gattungen planmäßig zu Untersuchen. Besonderheiten wurden als Folge der regionalen Anpassung, Gemeinsamkeiten als Reste eines gemeinsamen Ursprungs angesehen. Was versuchte George Romanes (1848-1894)? Dieser versuchte die Evolution des Geistes nachzuweisen. Darwin hatte seine Theorie durch die Beobachtung von Schnäbeln und Flügeln belegt. Dieser Romanes war Tierschriftsteller. Er unterschied primäre und sekundäre Instinkte. Primäre Instinkte nannte er stereotype Verhaltensweisen mit geringem Bewußtsein und wenig Beeinflußbarkeit durch Lernen. Diese sind Beiß, Freß, und Fluchtreflexe. Der Autor kennt auch sekundäre Instinkte. Diese sind erlernte Gewohnheiten, z.B. Nestbau oder Gesang der Vögel. Diese entstünden durch Übung und Nachahmung und besäßen einen höheren Anteil am Bewußtsein. Deshalb wären sekundäre Instinkte im Gegensatz zu den primären intelligent. Wo bricht Romanes mit der Darwinschen Lehre? Er nahm an, daß auch die sekundären Instinkte vererbt werden. Die ganze Instinktausstattung sei auch eine Anpassung an die Anforderungen und Angebote der jeweiligen Umwelt. Das Darwinsche Prinzip der Zuchtauswahl läßt sich jedoch nur auf die primären Instinkte anwenden. Damit lehnte er sich eher an die Lehre von Lamarck an. Was besagt das Prinzip von Lamarck konkret im Gegensatz zu dem von Darwin? Auch individuell erworbene Gewohnheiten könnten weitergegeben werden. Das Prinzip der Zuchtwahl läßt nur eine feste Ausstattung zu, die sich allenfalls durch Mutation verändert. Was war das Anliegen Romanes? Die geistige Evolution (mental evolution) darzustellen, eben so wie frühere Autoren wie Haeckel die Evolution der Organe beschrieben (organic evolution). Ihn interessiert besonders die Stelle des Stammbaums, an der sich tierisches und menschliches Verhalten getrennt hat. Dazu suchte er nach Gemeinsamkeiten aller Art im Fähigkeitsrepertoire von Mensch und Tier. Teilen beide (Mensch und Tier) einen Grundvorrat an gemeinsamen Handlungsweisen? Wie kam Romanes zu seiner Erkenntnis über Fühlen und Denken der Tiere? Er sah das Verständnis der Tiere als Teil der praktischen Lebenskunde. Eben so, wie Menschen Menschenkenntnis erwerben könne, die es erlaube die Gefühle und Absichten der Mitmenschen intuitiv zu erfassen, könne der Tierkenner aufgrund der gemeinsamen Herkunft und des Zusammenlebens von Mensch und Tier Verständnis für die Motive der vertrauten Tiere entwickeln. Was ist ein prinzipielles Problem an solcher Erkenntnis? Romanes unterstellt anthropomorph, daß äußerlich ähnliche Erscheinungen beim Menschen gleich wie beim Tier begründet sind. Dies muß jedoch nicht so sein. Diese Ähnlichkeit könnte auch rein oberflächlicher Natur sein. Wer baute diese Kritik aus? Der englische Naturforscher C. Lloyd Morgan (1903). Dieser trat für das Prinzip ein, bei jeder Gattung beruhe das Verhalten auf anderen Grundlagen. Je einfacher die Gattung, desto einfacher die Grundlagen des Verhaltens. Tieren komplexe menschliche Ideen zuzuschreiben sei deshalb falsch. Es gelte: Man dürfe eine Handlung nicht als das Ergebnis einer höheren geistigen Tätigkeit erklären, wenn diese auch durch eine niedrigere geistige Fähigkeit entstanden sein könnte. Mit dieser strengen Methodik trug er maßgeblich dazu bei, die Tierpsychologie zu einer objektiven Wissenschaft zu machen. Ihm genügte das Intuitive Verständnis des Tierfreundes nicht. Dies führte zur Intelligenzbeobachtung -> Teneriffa. Welche bemerkenswerten Konzeptionen vertrat Morgan noch? Er war einer der ersten, der mit Tieren experimentierte. Er demonstrierte die Assoziation bei Hunden und Enten. Gewöhnt man Enten daran, in einem Behälter zu baden, tun sie dies auch, wenn kein Wasser darin enthalten ist. Dies deutete Morgan als Beleg für eine erlernte Verbindung zwischen den Bewegungen und dem Behälter als Auslösereiz. Er trat ohnehin dafür ein, die Erbanlagen nicht überzubewerten. Dies fand vor allem Anklang in den USA. Welche vier Begriffe standen am Ende des 19. Jh. im Zentrum objektiver Tierpsychologie? Instinkt und Gewohnheit, Vererbung und Lernen. Welchen weiteren Weg nahmen die Lehren Morgans und der Tierpsychologie? Sie wurden in den USA zu einer universellen Lernpsychologie verallgemeinert, die menschliches und tierisches Verhalten gleichermaßen erklären sollte: Der Behaviorismus. Weshalb macht es Sinn, den Begriff der Vergleichenden Psychologie breit zu verwenden? Die einzelnen Fächer entstammten dieser Konzeption. Durch sie wird die Systematik erkennbar. Außerdem ist gerade im Moment die Komparatistik in allen Bereichen der Wissenschaften hoch im Kurs. Gerade dies betont die Interdisziplinatität dieser Psychologien. Welche Wurzeln hatte das im 18. Jh. neu erwachende Interesse am Seelenleben der Kinder? • Die romantische Philosophie sieht im Kind den unverbildeten, natürlichen Menschen. • Die Philanthropische Pädagogik sucht die Neigungen der Kinder zu ermitteln, um der freien Erziehung gerecht werden zu können. • Mediziner, Biologen und Ethnologen wollen die genetische Ausstattung der Kinder ermitteln um normale von Kranken (benachteiligten) zu scheiden und um die Leistungen von Kindern mit denen von Naturvölkern und Tieren zu vergleichen. • Es war leicht zu beobachten: Es wehrte sich nicht gegen die Beobachtung oder Publikation der Ergebnisse. Wie begann die Kinderpsychologie? Durch die Notizen von literarisch oder wissenschaftlich orientierten Vätern. So z.B. Bühler, Heinrich Pestalozzi, Jean Paul oder Charles Darwin. Vor allem die Entwicklungsfortschritte wurden verzeichnet, dadurch entstanden Elterntagebücher. Von wem stammte das erste publizierte Elterntagebuch? Von dem Marburger Philosophieprofessor Dietrich Tiedemann (1787). Dieser zeichnete über drei Jahre hinweg die Entwicklung seines Sohnes Friedrich auf. Andere berühmte waren das von William Preyer (1882) über seinen Sohn oder von Clara und William Stern (1907) über ihre drei Kinder. Diese waren Wissenschaftler. Alle Autoren unterwarfen sich bei der Beobachtung großer Disziplin. Was war das Ziel des Lehrerpaares Scupin? Die Scupins wollten den Wissenschaftlern ohne jede Theorie nüchternes Beobachtungsmaterial zur Verfügung stellen, da die oben genannten Tagebücher durch das Forschungsinteresse der Autoren verzerrt sein können. Diese untersuchten vor allem die Sprache, waren informierte Beobachter (gebildet) und waren teilnehmende Beobachter (erschlossen Motive und Gefühle aus dem Mitempfinden). In welchen Bereichen notieren die Eltern die meisten Entwicklungsfortschritte? • Sinnesleistungen und Erkennen. • Spiel und Phantasie. • Bewegung. • Imitation. • Sprache • Gefühle und Gefühlsausdruck Diese Beobachtungen waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die wichtigste Quelle für die Kinderpsychologie. Gab es einen Konsens um die richtige Beobachtungsmethode? Nein. Preyer war für regelmäßige Tageszeiten, an denen beobachtet wird, die Sterns notierten einfach alles bemerkenswerte. Diese Debatte erledigte sich aber ohnehin, da William Stern 1914 experimentelle Methoden in die Kinderpsychologie einbringt. Diese warten nicht mehr auf das spontane Auftreten von Verhaltensweisen, sondern verwenden eigene Prüfmethoden, um das Vorhandensein bestimmter Fähigkeiten festzustellen. Wie entwickelten sich die Beobachtungsmethoden weiter? Es wurden standardisierte Aufgaben entworfen, die Reihenuntersuchungen ermöglichten. So So nahmen standardisierte Tests ihren Einzug in die Psychologie. Zu den ersten Tests gehörte der Intelligenztest von Binet & Simon (1905) für Kinder zwischen 4 und 14 und der Kleinkindertest von Bühler & Hetzer (1932), der bereits für Säuglinge taugte. Welche Methoden wurden daraus in der Entwicklungspsychologie abgeleitet? Querschnittliche Verfahren, die Entwicklungsunterschiede in der gleichen Altersstufe feststellen und längsschnittliche Verfahren, welche die Veränderung von Leistung und Verhalten über Altersstufen hinweg zeigt. Welche Fragen warf die Beobachtung regelmäßiger Entwicklungsfolgen bei Kindern auf? Nach der Chronologie der Entwicklung und der Entwicklungslogik. Nach der Eigendynamik und der inneren Uhr, die diese Entwicklungen terminiert. So wollte Tiedemann eine Entwicklungsstatistik aufstellen, um den wahrscheinlichsten Zeitpunkt einer Entwicklung festzustellen. Die Frage nach der Entwicklungslogik setzt ein Aufbauprinzip voraus. So entwickeln sich die Leistungen sowohl parallel und in Interaktion zueinander (z.B. Raumanschauung und Körperbewegung), andererseits in seriellen Stufen (so baut das Rechnen auf das Zählen mit Fingern auf). Wie deuteten die Romantiker, vor allem Carus den Entwicklungsprozeß? Er verglich die Entwicklung der menschlichen Seele mit dem Entfalten einer Pflanze. Dies legt die Suche nach organischen Verbindungen und Abfolgen nahe. Eine feste Chronologie komme nicht in Frage (hier stimmt Preyer überein). Zwar gebe es Entwicklungsreihen, aber keine festen Auftretenstermine. Was ist ein wesentlicher Gesichtspunkt standardisierter Entwicklungsdiagnostik? Das erste Auftreten einer Fähigkeit, gemessen in Lebensmonaten. Dies berichten auch Preyer und Stern. So liefern Längsschnittstudien mit großen Stichproben Normwerte für Entwicklungsverläufe, z.B. der Zeitpunkt, zu dem 50% oder 75% der Bevölkerung einen bestimmten Stand erreichen. Je umfangreicher die Studie, desto verbindlicher wirkte das Ergebnis. Wer konzipierte eine besonders aufwendige Untersuchung? Der US-Mediziner und Psychologe Arnold Gesell (1880-1961) in Yale. Dieser wertete Protokolle und Fotos von 12000 Kindern aus. Einen Teil der Kinder verfolgte man von der Geburt bis ins Jugendalter. Als Ergebnisse wurden Altersquerschnitte und Funktionslängsschnitte erstellt. Altersquerschnitte beschreiben den für eine Altersstufe zu erwartenden Entwicklungsstand. Funktionslängsschnitte verfolgen die Entwicklung einzelner Funktionen über Altersstufen hinweg. Wie wurden Entwicklungsphasen bestimmt? Nach ihrem ganzheitlichen Erscheinungsbild, der beobachtbaren Leistung oder psychodynamischen Kriterien. Zwar wurde die individuelle Variabilität der Entwicklung betont, allerdings war es das Bestreben, eine Mittelzahl für den natürlichen Verlauf zu finden. Auf welcher Vorstellung basieren Phasenlehren? Auf der Vorstellung eines natürlichen Wachstums von Neigung und Fähigkeiten. Die Entwicklung wurde als Prozeß der Reifung natürlicher Anlagen betrachtet. Dies blieb nicht unumstritten. So betonte die Evolutionstheorie die Rolle der Anpassung bei der Entwicklung, d.h. die Abhängigkeit der Entwicklung von der Umwelt. Daher wurde das Abwägen zwischen den Wirkungen von Anlage und Umwelt zu einem zentralen Thema der Psychologie. Was war ein wesentliches Motiv der Studien von William Preyer? Die Anteile von Ererbtem und Erworbenem in der Entwicklung der Sinnesleistungen, des Willens und des Verstandes beim Menschen zu differenzieren. Welche Bedeutung maß Preyer den Anlagen bei? Er schätzte ihre Bedeutung als hoch ein. Diese wäre eben so wichtig wie eigene Tätigkeit. Der Mensch sei kein Emporkömmling. Dies erwies sich schon bei den Studien über Embryos. So wachsen z.B. die Lungenflügel nach einem arteigenen genetischen Plan. Dies übertrug Preyer auf das Verhalten, z.B. das Lachen. Dieses komme schon zustande, bevor es nachgeahmt werden könne. Welche Bedeutung maßen spätere Autoren der Umwelt zu? Eine größere. Umweltfaktoren wie Familie und Schule wurden stärker zentriert, z.B. durch die Hamburger Psychologin Martha Muchow (1935), eine Mitarbeiterin von William Stern. Diese untersuchte den Lebensraum des Großstadtkindes, bzw. dessen Aneignung und dessen Bedeutung für die Entwicklung. Welche Bedeutung hatten solche Studien für die Entwicklungspsychologie? Durch Studien über ökologische und soziale Faktoren entfernte sich die Entwicklungspsychologie von ihren biologischen Ursprüngen. Die Fragestellungen der Evolutionstheorie verloren den Vorrang. Neue Themen, wie Leistungsfähigkeit und Schicksal der Kinder kamen auf. Damit verlor sie ihren Bezug zur Tierpsychologie. Sie rückte näher zur Pädagogik und nahm Anteil an der Schulpolitik. So standen Bühler & Hetzer in Beziehung zur Schulreformbewegung. Wie entwickelte sich die Kinderpsychologie zur Entwicklungspsychologie weiter? In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam ein neues Thema auf: Die Jugend. Diese wurde zum Ideal der Moderne in einer Zeit des Aufbruchs und des Fortschritts. Die Nöte der Jugendlichen schmerzten die Gesellschaft. Dem nahmen sich die Bücher von Stanley Hall (1904), Eduard Spranger (1924) und Charlotte Bühler (1922) an. Welche Ausrichtung hatte die Jugendpsychologie? Diese war von vorne herein nicht biologisch ausgerichtet. Sie hatte keine Beziehung zur Evolutionstheorie und ging eher hermeneutisch vor. Diese stützte sich Methodisch nicht so sehr auf systematische Beobachtung von Eltern und Erziehern, sondern auf die Selbstdarstellung der Jugendlichen selbst. Wer dehnte die Entwicklungspsychologie auf die gesamte Lebensspanne aus? Charlotte Bühler. Diese begann mit der Analyse von Biographien bekannter Persönlichkeiten. Sie untersuchte den normalen Lebenslauf bestimmter Berufsgruppen und fragte ältere Leute nach ihrem Leben. In welchen Dimensionen bewertete Charlotte Bühler ihre Dokumente? • Vitalität, d.h. biologischer Verfassung, körperliche Leistungen (Gesundheit, Sport). • Zielsetzung und bevorzugte Werte (Familie, Beruf). • Produktivität (technische Erfindungen, wissenschaftliche und künstlerische Werke). • soziale Stellung (Ämter, Ehrungen, Einkommen). Was lehrt die Biographie von Preyer? Die Wurzeln der Kinderpsychologie in der Physiologie des 19. Jahrhunderts und das zunächst geringe Interesse der deutschen Universitäten an der Kinderpsychologie. Preyer war Professor für Physiologie in Jena. Er war Anhänger der Evolutionstheorie und stand mit Haeckel in Kontakt. Er war ein für Neuerungen aufgeschlossener Naturwissenschaftler. Er machte sich einen Namen, fühlte sich aber nicht unterstützt und gab seinen Lehrstuhl auf. Er begab sich zur Forschung nach Berlin und wurde Privatdozent ohne festes Gehalt. Er lehrte an der Urania Was lehrt die Biographie von Charlotte Bühler (1893-1974)? Sie war eine der hervorragenden Persönlichkeiten der neueren Psychologie. Sie schuf viele Beiträge zur Entwicklungspsychologie und zur Humanistischen Psychologie. Sie hatte eine eigene Familie und war jüdischer Herkunft. Eine Generation früher hätte sie als jüdische Frau keine Karriere machen können. Sie berichtete von viel Unterstützung und wenig Anfeindungen. Sie wurde außerordentliche Professorin in Wien. Die Kinderübernahmestelle der Stadt Wien lieferte Material für ihre Untersuchungen. Ihr Leben war geprägt von zuwenig Zeit, da sie ihre Kinder liebte. Durch die Nazis zog sie nach Kalifornien um. Dort wandte sie sich Psychoanalyse und Psychotherapie zu. Vorher stand sie mit Freud in Kontakt, danach mit Karen Horney. Sie wurde eine bedeutende Vertreterin der Humanistischen Psychologie und versuchte die Würde des Menschen zu verwirklichen. Sie wurde 1945 Professorin für Klinische Psychologie in Los Angeles. Wie entwickeln sich die Bühlerschen Dimensionen im Lebenslauf? Die Vitalität erreicht im 3. Lebensjahrzehnt den Gipfel und fällt dann ab. Auch die Produktivität erreicht in der ersten Lebenshälfte den Gipfel. Die soziale Stellung verbesserte sich über die gesamte Lebensspanne hinweg. In der Mitte des Lebens kam es oft zu einer Umschichtung der Werte, so gewann Praxis und Familie an persönlicher Bedeutung. Die Leistung verteilt sich also durchaus berufsspezifisch unterschiedlich über die Lebensspanne. Wodurch kam die Völkerpsychologie zustande? Die Evolutionstheorie legte nahe, daß der Mensch dem Tierreich entstamme. Allerdings fehlten die Beweise der Zwischenglieder dieser Entwicklung. Die Entdeckung von primitiven, wilden und unterentwickelten Völkern legte nahe, daß es sich bei diesen um die Zwischenglieder zwischen dem Tier und der Hochkultur handelt. Das Wissensgebiet, das sich mit diesem Gegenstand beschäftigte war die menschliche Kulturgeschichte. Aus welchen Perspektiven kann man Kulturgeschichte betreiben? Aus einer individuellen und einer sozialen. Die individuelle Betrachtungsweise beschäftigt sich mit sinnlichen und geistigen Fähigkeiten, die nur einer Person zukommen, z.B. Hörvermögen, Witz, Schmerz, Triebe, Charakter. Die soziale Betrachtungsweise betrachtet Dinge, die nur für alle Mitglieder einer Kultur zusammen zu betrachten sind: Tugend und Sitte, Recht, Sprache, Kunst, Religion, Familie. Diese Begriffe entstammen der „Geschichte der Menschheit“ von Isaak Iselin (1768). Welche Konzeption vertrat Iselin? Die Menschheitsgeschichte wäre vor allem eine psychologische, d.h. diese wäre vor allem eine Entwicklungsgeschichte der menschlichen Seele. Er vertrat einen kulturoptimistischen Standpunkt, der Naturmensch wäre ein leichtsinniger, abergläubischer und fauler Barbar. Dieser Zustand wäre so schnell wie möglich zu überwinden. In der häuslichen Gesellschaft erlange der Mensch den höchsten gesitteten Stand. Dazu verhelfen ihm vor allem Ehe und Familie. Dies seien die wichtigsten Kultureinrichtungen. Er stand der philantropischen Bewegung unter Basedow nahe. Er gründete eine gemeinnützige Gesellschaft und wollte mit seinen Schriften moralisch-politische Ziele verfolgen. Welche nüchterne Position vertrat Adolf Bastian (1826-1905)? Dieser war reichhaltiger in den Belegen seiner Aussagen. Er war als Schiffsarzt durch die ganze Welt gereist und nahm fremde Kulturen selbst in Augenschein. Seine Sammlung von Gegenständen wurden der Grundstock des Berliner Museums für Völkerkunde. Auch er bezeichnete seine Geschichtsdarstellung als Psychologie. Er schrieb drei Werke zu getrennten Phänomenen: individuelles Denken und Sozialisation, kollektives Denken und kollektiver Institutionen. Er nutzt antike Quellen und vergleicht unbefangen Menschen mit verschiedenen Gattungen. Er stellte Heim und Familie nicht als besonderen Kulturträger heraus, diese könne sich auch in anderen Institutionen entwickeln. Entscheidend sei der Austausch von Gedanken, so sei die z.B. die Moral das Ergebnis eines Diskurses. Welche Annahme vertraten Idealismus und Romantik? Die Annahme eines kollektiven Geistes und kollektiven Willens, der z.B. von Herder Nationen, Völkern oder Epochen zugesprochen wird. Diesem National/Volks/Zeitgeist entspringe Sprache, Kunst und Religion. Fichte (1810) nahm ein über-individuelles ich an, Hegel (1830) einen objektiven und einen absoluten Geist jenseits des subjektiven Geistes. Wer schuf die Völkerpsychologie? Moritz Lazarus und Hajim Steinthal (1860), diese beanspruchten die Begriffe Volksgeist und Zeitgeist für einen eigenen, Völkerpsychologie genannten Zweig der Psychologie. Lazarus war Philosoph und Psychologe, Steinthal Literaturwissenschaftler. Dieser faßte die Sprache als Ausdruck der Seele auf. Sie gaben zusammen eine Zeitschrift heraus. Welches Programm vertrat die Völkerpsychologie? Das Interesse an der Seele der Völker. Der kollektive Geist der Kultur soll anhand von sprachlichen Dokumenten und Artefakten (Kunstprodukten). ermittelt werden. Die Anlage ihres Programmes war breit, popularpsychologisch. Es sollten auch andere Wissenschaftler beitragen. Damit war es eine ähnliche Konzeption wie das Magazin für Erfahrungsseelenkunde. Diese Zielsetzung verlangt nicht zwingend den Kulturvergleich. Das kollektive Denken in einer Kultur kann man auch erschließen, wenn man nur eine betrachtet. Wer schuf ein monumentales Werk der Völkerpsychologie? Wilhelm Wundt (1900). Die zehnbändige Völkerpsychologie sollte als Alterswerk dieses Gebiet der Vulgärpsychologie entziehen. Sein Primärziel war nicht der Kulturvergleich sondern die Überwindung der subjektiven Erfahrung in der Völkerpsychologie. Was sei der Völkerpsychologie nach Wundt vorbehalten? Zur Analyse der höheren psychischen Leistungen vorzustoßen und die subjektive Erfahrung zu überwinden, die Volksseele als soziales Wesen zu erfassen. Erklärungen dieser Phänomene durch subjektive Erfahrung sei damit unzureichend. Worin erschöpft sich nach Wundt die Vulgärpsychologie? In der Übertragung des subjektiven Denkens über Dinge in die Dinge selbst. Wie wollte Wundt methodisch vorgehen? Er befürwortete die kategoriale und funktionale Analyse im Sinne des Rationalismus. Soziale Erscheinungen sollten in ihrem objektiven Zusammenhang gedeutet werden. So klassifizierte Wundt z.B. Kuntswerke nach ihrem Entstehungszusammenhang. Er unterschied AugenblicksErinnerungs-, Zier-, Nachahmungs- und Idealkunst. Die funktionale Analyse verlangt, daß unter gleichen Verhätnissen immer die gleichen Erscheinungen folgen. Dies verdeutlichte er an der Herausbildung von Herrschaftsformen. So verglich er die Demokratie von Römern und Indianern aufgrund der gleichen Bedingungen. Was bedeutet der Begriff der Ethologie? Im 19. Jahrhundert eine Bezeichnung für Sittengeschichte, wundt setzte die Ethologie mit seinem Verständnis von Völkerpsychologie gleich. John Stewart Mill dachte den Begriff (1843) der Milieutheorie zu, heute versteht man darunter biologische Verhaltensforschung. Was bedeutet der Begriff der Geschichte? Der Begriff ist doppeldeutig. Er kann die Erzählung über Vergangenes (Erfahrung) beinhalten, aber auch den zeitlichen und strukturellen Zusammenhang von Ereignissen beschreiben. Erstere Deutung ermöglicht den Schluß auf ähnliche Fälle. Historisch bedeutet hier empirisch. Die zweite Deutung ist die romantische als natürliches Wachstum. Die vergleichende Psychologie verwendet den Begriff durch ihre Verankerung in der Romantik als Wachstumsvorgang. Was war die Forderung von Auguste Comte (1830-1842)? Auch soziale Gebilde wie (Verbände, Nationen, Völker) seien Naturerscheinungen. Sie seien daher Gegenstände der Naturlehre und mit entsprechenden Methoden zu untersuchen. Die Krönung der Biologie sei das Studium von Sozialkörpern. Er nannte dies soziale Physik. Was waren die Grundprobleme der neuen Sozialwissenschaften? Der Begriff des Sozialkörpers ruht auf dem Systemgedanken: Das Geflecht der Beziehungen zwischen Individuen ergibt die untergliederte Gesellschaft, wobei sie ein höher entwickeltes System ist als das Individuum. Dadurch folgen sie neuen Gesetzen. Es stellt sich 1. die Frage, ob man die Gesellschaft und ihre Einrichtungen als selbständige Wesen betrachten kann und 2., in welchem Verhältnis das Individuum zur Gesellschaft steht. Der ersten Frage widmet sich die Soziologie. Die zweite gehörte zum psychologischen Programm. Diese Sparte der Psychologie bezeichnet man als Massenpsychologie. Welchen Stellenwert schrieb Gustave Tarde (1882) der Imitation zu? Sie war schon ein wichtiger Lernmechanismus in der Tierpsychologie. Er stelle sie als Sozialisationsmechanismus schlechthin dar. Die beständige Kontinuität von sozialen Systemen beruhe auf Vererbung und Nachahmung, welche oft von Außendruck wie Gesetzen oder Sitten erzwungen wird. Andererseits gebe es ein inneres Bedürfnis, den Mitmenschen und Vorgängern ähnlich zu sein. Er beschäftigte sich mit Anpassung in Gruppen. Daraus resultiert die Frage der Verantwortlichkeit von Straftaten in Gruppen. Aus einer dauerhaften Nachahmung entstehe Tradition, es komme aber auch zu Traditionswechseln. Was untersuchte Gustave Le Bon (1895) in seiner Massenpsychologie? Das Verhalten des einzelnen als Mitglied großer Gruppen. Dieser bekannte sich zu einer kulturpessimistischen Moralphilosophie. In der Gruppe dominiere das unbewußte, der Mensch werde zum Automat, er werde zu spontan, verliere Gewalt über den Willen. Ist der Mensch Glied einer Masse, steige er in der kulturellen Leiter mehrere Stufen ab. In der Masse ist er Triebwesen und Barbar, auch in seiner Begeisterungsfähigkeit. Le Bon nimmt die Selbstentfremdung an, die durch einen Verlust an Rationalität zu einem Zuwachs an Spontanität und Emotionalität führt. Seine pessimistische Perspektive begründete er dadurch, daß das neue Zeitalter der Massen angebrochen sei. Damit ist er ein Kritiker der Moderne, d.h. der Massenproduktion, Massenorganisation und Bevölkerungswachstum. Er kritisiert vor allem Demokratie, öffentliche Meinung und Gerichtsbarkeit. Welchen Beitrag leistete Quetelet (1796-1874) zur (vergleichenden) Sozialstatistik? Er lehrte als Mathematiker in Brüssel. Er befaßte sich mit Daten zur Kennzeichnung der Bevölkerung. Sein Beitrag zur sozialen Physik war die Sozialstatistik. Er wollte den Durchschnittsmenschen bestimmen. Dieser sollte menschliche Gattung und Gesellschaft darstellen. Er will bei den Massen das bestimmen, was man bei den Körpern den Schwerpunkt nennen würde, indem er von einzelnen abstrahiert. Diese Statistik konnte in allen möglichen Bereichen und für eine Vielzahl an Gegenständen der Psychologie eingesetzt werden. Er führte die Wahrscheinlichkeitsrechnung in die Sozialstatistik ein (v.a. Varianz). Wer vertrat eine optimistischere Sicht von Sozialsystemen? Der englische Philosoph Herbert Spencer (1872). Auch er vertrat die Annahme, soziale Gebilde wären höhere Organisationsformen der Natur. Er glaubte an den Darwinschen Fortschritt durch Selektion. Damit unterliegen nach ihm auch Sozialsysteme einer Evolution. Diese schafft Fortschritt und Bestand der angepaßten. Somit rechtfertigt sich Staat, Wirtschaft, Gesetz und Religion durch Zweckdienlichkeit. Diese Moralphilosophie nennt man Sozialdarwinismus. Was ist der Gegenstand der Sozialpsychologie, was zeigt sich darin? Die Psychologie ist eben die Lehre von der Individualseele und des Privatlebens. Die großen gesellschaftlichen Gebilde (z.B. Parteien) überläßt sie Soziologie und Wirtschaftswissenschaft. Damit gab man das Programm der Völkerpsychologie auf, den kollektiven Geist der Kultur zu erfassen. Die Aufmerksamkeit richtete sich auf das Leben in kleinen Gruppen (z.B. Freundeskreise). Hier vor allem auf soziale Kognition und Interaktion. Wer entwickelte eine Theorie sozialer Kognitionen? Diese sind das durch andere geformte Bewußtsein des Einzelnen. Damit befaßte sich der Prager Philosophieprofessor Gustav Lindner (1871). Er verband in seiner Lehre zwei Traditionen: Die des Idealismus (die Lehre vom individuellen Bewußtsein) und der Romantik, welche der natürlichen und kulturellen Umwelt eine prägende Rolle des individuellen Bewußtseins zuspricht. Lindner führte Herbarts Lehre von den Vorstellungen als dynamische Einheiten des Bewußtseins fort. Er berücksichtigte die Wirkungen des sozialen Umfeldes auf das individuelle Bewußtsein. Er unterschied zwischen sozialem und individuellem Bewußtsein. Was war ein entscheidendes Jahr für die Sozialpsychologie? 1908. In diesem erschienen zwei Lehrbücher der Sozialpsychologie, zum einen das von Albert Ross, zum anderen das von William McDougall. Welche Konzeption vertrat Ross? Er lehnte sich an Tarde an, mied jedoch biologische Begriffe wie „Rasse“ oder soziologische wie „Staat“. Er beschränkte die Rolle der Psychologie auf die unmittelbaren zwischenmenschlichen Beziehungen in Organisationen und Kulturen, Wechselwirkungen und geistigen Austausch. Innerhalb dieser Grenzen untersuchte er viele Phänomene, z.B. den Hang zur Konvention oder zur Neuerung oder zur sozialen Verrohung. Er schuf eine Reihe von praktisch bedeutsamen Thesen (z.B.: „Arme pflegen Reiche zu imitieren“) Welche Konzeption vertrat McDougall? Eine fundamentalere. Er war biologisch orientiert und vertrat eine Hormische Psychologie. Er betonte die andauernde Wirksamkeit angeborener Instinkte. Er warf den Soziologen (Comte) vor, die Verselbständigung der Sozialsysteme zu schnell von den sie tragenden Individuen gelöst zu haben. Das soziale Leben beruhe auf der biologischen Verfassung von Individuen. Die Analyse müsse bei der biologischen Ausstattung von Menschen und Tieren anfangen. Von diesem Startpunkt könne man dann den Prozeß der Vergesellschaftung verfolgen. Der Mensch trete mit einer Instinktausstattung in das Sozialleben ein. Welche sieben Instinkte sind für McDougall zentral? Flucht, Abwehr, Kampf, Neugier, Brutpflege, Selbsterhaltung, Selbsterniedrigung. Wie konzipiert McDougall einen Instinkt? Jeder Instinkt umfasse drei Komponenten: ein Motiv, einen Affekt und eine Aktion. Was ist das Ziel nach McDougall? Die soziale Gesinnung, d.h. den Altruismus zu entwickeln. Dazu muß die egoistische Komponente der Instinkte mitunter überwunden werden. Das Leben in der Gesellschaft unterstütze dieses Ziel durch die sozialisierende Wirkung von Nachahmung, Spiel, Humor. Welche Methodik vertraten Ross und McDougall? Ross zitierte vor allem historische Beispiele, McDougall stützte sich auf Tierbeobachtung und Allgemeinwissen im Umgang mit Menschen. Welche Methoden wurden danach entwickelt und genutzt? Vor allem die theoriegeleitete Sammlung von Beobachtungen, wie z.B. der Feldforschung oder des Experiments. Was war ein frühes sozialpsychologisches Feldforschungsprojekt? Feldforschung ist die wissenschaftliche Datenerhebung im realen Lebensraum. Puffers (1912) untersuchte Kinder und Jugendliche in der Großstadt. Ziel war die Untersuchung der Interaktion zwischen den Gleichaltrigen (peers) die sich zu Gruppen (gangs) zusammentun. Was prägte die frühe Sozialpsychologie stark? Das Experiment. Zum Zweck der Beobachtung wurden eigene Untersuchungsanordnungen geschaffen, welche die systematische Variation von Bedingungen gestattete. Es galt zunächst, die Behauptungen der Massenpsychologie naturwissenschaftlich zu prüfen. Hierfür erscheint die experimentelle Psychologie als geeignete Grundlage. Was gilt als erstes sozialpsychologisches Experiment? Die Studie von Norman Triplett (1898), in welcher er die Situation aus dem Radsport simuliert, daß man gegen die Zeit oder andere fahren kann. Durch treten von Pedalen konnte man einen Zeiger in Bewegung setzen, diese wurde aufgezeichnet. Das Untersuchungsgerät war die competition machine. Das Resultat: Im unmittelbaren Wettbewerb war die Leistung am höchsten, ohne Partner am niedrigsten. Der Autor deutete dieses Ergebnis als ideomotorischen Effekt, d.h. Bewegung aufgrund eigener Vorstellung. Wer machte längere sozialpsychologische Versuchsreihen? Floyd Henry Allport (1920) und Walther Moede (1920). Diese überprüften, inwieweit die Anwesenheit anderer Personen die psychischen Funktionen wir Urteile oder Leistungen verändert. So untersuchte Allport, welchen Einfluß auf die Argumentation Gruppen haben. In Gegenwart anderer wurden mehr Argumente hervorgebracht, die Qualität war allein besser. Was waren die Hauptbefunde Moedes als Einfluß der sozialen Situation auf die Psyche? • bessere Sinnesleistungen (tiefere Schwellen) • stärkeren Willen (höhere Ausdauer und Schmerztoleranz) • schnelleres Lernen und langsameres Vergessen Wie entwickelte sich die Sozialpsychologie weiter? Diese Ansätze waren die soziale Variante zeitgenössischer Experimente, später fand die Sozialpsychologie zu eigenen Fragestellungen wie z.B. Gruppenverhalten, Rollenverhalten, Kommunikationsstrukturen, Verteilregeln, Harmonie und Konflikt. Ist die Sozialpsychologie ein Spezialgebiet? Teils, teils. Mit ihrem Verständnis von Kognition und Verhalten in Gruppen ist sie es, andererseits lebt in ihr evtl. die Moralphilosophie im Gutstreben weiter (z.B. Allport 1924). Was war ein gewichtiges Thema im 18. Jahrhundert in Kunst und Wissenschaft? Die Unterschiede in Verhalten und Denken der Menschen, die Charaktere. Sowohl für die praktische Menschenkenntnis, als auch für die Charakterographie, d.h. die Charakterdarstellung im Theater war dies wichtig. Was verstand man unter der Charakterologie? Die wissenschaftliche Beschreibung und Deutung von Charakteren. Dieser Begriff wurde von dem Gymnasiallehrer Julius Bahnsen (1867) eingebracht. Was kennzeichnete die wissenschaftliche Charakterologie in Abgrenzung zur künstlerischen? • die Definition von Charaktereigenschaften, die wichtig genug sind, um zur Kennzeichnung von Personen zu dienen. • die Definition von Charaktertypen, denen verschiedene Personen zugeordnet werden. • die Bestimmung der Einzigartigkeit (Individualität) von Personen. • die Bestimmung der Einheit der Person (Integration von Eigenschaften zu Selbst/Ich) Welche Schwerpunkte bildeten diese Charakterlehren? Auch sie wollten zwischen „guten“ und „schlechten“ Charakteren trennen. So gibt es eine Persönlichkeitspsychologie und eine differentielle (der individuellen Unterschiede). Welche Konzeption vertrat Charles Fourier (1829)? Es nahm eine sehr ausgefeilte Klassifizierung menschlicher Charaktere vor. Ihm schwebte eine Sozialutopie vor, in der jeder Mensch seinen Platz findet, da man alle Charaktere braucht. Die Gesellschaft brauche Bauern, Industriearbeiter, Künstler und Dandys. Es komme auf den Aufbau und die Zusammensetzung der Gesellschaft an. Er regte die Bildung von vorbildlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften an, die Menschen aller charakterlichen Ausprägungen vereint. In der richtigen Zusammensetzung käme diese Gruppe zu höchstem Glück und Wohlstand kommen. Welcher Begriff war für Fourier zentral? Der Begriff der Leidenschaften. Unter Berufung auf Rousseau forderte er, der Mensch solle die Leidenschaften aus der gesellschaftlichen Unterdrückung befreien. Er meinte, man könne die Menschen anhand ihrer Leidenschaften differenzieren. So gebe es die sinnlichen Leidenschaften und die affektiv-sozialen Leidenschaften, sowie Stile der Auseinandersetzung. Er verwendete in seiner Konzeption auch Zahlenmystik. Er unterschied 810 Charaktertypen, wobei jedes Motiv dominant werden könne. Die Menschen unterscheiden sich nach der Zahl ihrer dominanten Motive. Die wertvolleren hätten mehrere davon. Welchen Ansatz vertritt Alexander Bain (1861)? Für Bain ist der Charakter die Ausprägung der im Menschen angelegten Möglichkeiten. Ausgangspunkt waren die seelischen Funktionen, die er in drei Gruppen teilte: Den Verstand, das Gefühl und den Willen. Jeder Mensch habe eine begrenzte Menge seelischer Energie, die sich auf die Funktionen verteilt. Eine ungleiche Verteilung führt zu Unterschieden zwischen Personen. So hat der Verstandesmensch, der Tatmensch und der Gefühlsmensch eben eine hervorragende Eigenschaft, die anderen beiden fehlen ihm. Dieser Ansatz, den Charakter als psychische Ausstattung zu sehen, fand in der Psychologie mehr Anhänger als Fourier, welcher den Charakter als soziale Rolle deutete. Worin ist die Trennung der vergleichenden Fächer innerhalb der Psychologie begründet? Zunächst bestand eine Gemeinsamkeit in methodischer Hinsicht. Innerhalb einer generischen Wissenschaft (Philosophie) war Einheit. Mit Ablösung von Philosophie: Zweige trennen sich. Wie konzipierte man diese seelischen Ausstattungen als Grundlage des Charakters? Als seelische Vermögen. (faculty). Es gab heftige Auseinandersetzung, welches die wichtigsten dieser Vermögen seien. Hiermit befaßte sich Thomas Reid (1785). Dieser nahm z.B. Dankbarkeit, Mitleid, Urteil, Religion als Vermögen an. Er trennte die psychischen Vermögen in aktive und geistige Kräfte. Die geistigen Vermögen befähigen zu besonderen Leistungen (Gedächtnis, Wahrnehmung -> Erinnern), die aktiven Kräfte (Nachahmung) sind Neigungen und Motive. Er hielt unter Berufung auf Schopenhauer die Motive für wichtiger. Vor allem vier Motive würden den Charakter prägen (auf den Dimensionen selbst und fremd, wohl und weh): Egoismus (eigenes Wohl), Bosheit (fremdes Weh), Mitleid (fremdes Wohl) und Askese (eigenes Weh). Die geistigen Fähigkeiten seien die untergeordneten Werkzeuge der Motive. Die Bosheit des Klugen sei z.B. Betrug, die Bosheit des Dummen Brutalität. Charakterlich wären der Betrüger und der Gewalttätige aber gleich, da sie das gleiche Motiv haben. Welche typologischen Konzeptionen gibt es? Wenn mehrere Menschen die gleichen Vermögen und Motive aufweisen, kann man von einem Charaktertypus sprechen. Auch auf die Temperamentenlehre wird hier zurückgegriffen. Erschöpft sich die Charakterologie in der Zuordnung zu einem Typ bei Bahnsen? Nein. So strebt z.B. Bahnsen zur Bestimmung der unverwechselbaren Individualität. So erklärt Bahnsen die Individualität dreifach: Als Abweichung von der Vollform der Grundmotive, als Mischung der Grundmotive sowie als Modifikation des Charakters durch intellektuelle Fähigkeiten. In Bahnsens Werk finden sich viele individuelle Charakterfälle. Bahnsen gilt damit vielen als Vorbild der idiographischen Methode, allerdings benutzt er oft unscharfe, fragwürdige oder unverständliche Begriffe, teilweise aus der Umgangssprache. Auch wenn er das Schwärmen Lavaters nicht teilt, hat er mit diesem die ganzheitliche Sicht und die Neigung zum Subjektivismus gemein. Worin bestand das Programm der Phrenologie Franz Joseph Galls (1758-1828)? • Menschen hätten von Natur aus einen festen Bestand an Vermögen • jedes Vermögen habe einen festen Sitz im Gehirn • diese seien individuell unterschiedlich stark ausgeprägt • die Stärke des individuellen Vermögens beruhe auf der Ausdehnung des zugehörigen Gehirnteils • da sich die Größe der Hirnteile am Schädel abzeichnen, kann man an der Schädelform die individuellen Vermögen ablesen Weitere Bezeichnungen für diese Lehre waren auch Organologie oder Kraniologie. Diese versprach eine biologische Erklärung des individuellen Charakters und des arteigenen Verhaltens. Deshalb beeinflußte die Phrenologie auch die Psychiatrie und die Psychiatrie. Die Phrenologie florierte bald. Die Schädellehre wurde vom Arzt Gall entwickelt und zusammen mit Johann Caspar Spurzheim verbreitet. Er hatte ein hohes Einkommen. Was ist das Programm der Persönlichkeit? Diese faßt den Charakter nicht nur als Zusammensetzung von Vermögen auf, und die Individualität nicht als einmalige Mischung. Vielmehr setzt sie das Prinzip der ganzheitlichen Ordnung psychischer Fähigkeiten und Motive in den Mittelpunkt. Charakter gilt als ganzes, Individualität kann auch durch das Selbstbild resultieren. Was gilt als maßgebliches Kriterium zur Trennung zwischen Mensch und Tier? Die Entwicklung einer Seele, d.h. die Ausbildung eines Selbstbewußtseins. Dieses umfaßt den Begriff „ich“ und schließt die Erkenntnis der räumlichen und zeitlichen Selbstidentität ein. Welches Verständnis hatte die frühe Persönlichkeitspsychologie? Durch die Verankerung in der Romantik berief man sich auf das „wahre Wesen“ der Seele, Burdach beschreibt das Selbstbewußtsein als Gemeingefühl. Im Sinne der romantischen Entwicklungsphilosophie entfalte sich die menschliche Seele als organisches Ganzes nach einem Plan, der schon in ersten Anfängen vorhanden ist. Dieses „zu-sich-selbst-kommen“ gibt dem Begriff der Persönlichkeit eine besondere Weihe. Auch werden Emotionen und Motive höher gewertet als kognitive Fähigkeiten. Woher stammt der Begriff der Persönlichkeit? Aus der Theologie. Die Frage, wer der wahre Gott sei, wurde durch den Kompromiß geschlichtet, sie bildeten alle die Dreifaltigkeit eines gemeinsamen Wesens. Dieses Wesen wurde Persönlichkeit genannt. In die Psychologie kam er über Locke oder Leibniz. Er meint das Bewußtsein der Identität, welche dem Menschen den Eindruck der Einheit und Beständigkeit vermittelt, obwohl es eine Vielzahl unterschiedlicher psychischer Funktionen gibt, und sich psychische Zustände abwechseln. Was war schwierig am Programm der Persönlichkeitspsychologie? Obwohl viele von den edlen Begriffen beeindruckt waren, ergaben sich Beobachtungen von Widersprüchen und Brüchen. So weist Bahnsen auf Schwankungen von Charakterzügen hin, manche Züge stehen in Gegensatz zueinander. Ganz schwierig waren die Berichte von Azam (1887) bezüglich des Falles einer gespaltenen Persönlichkeit. Wodurch wurde deutlich, daß die Persönlichkeitspsychologie Platz in der Psychologie hat? Durch die Schrift des bedeutenden Psychologen William Stern (1918). Er bestimmte die Persönlichkeit als • Vieleinheit, welche die Mannigfaltigkeit psychischer Funktionen integriert. • Zweckwirken, welches ganzheitliche Absichten und übergeordnete Zielsetzungen umfaßt. • Besonderheit, d.h. eine Verselbständigung gegenüber der restlichen Umgebung. Aus dieser Bestimmung leiten sich weitere Fragestellungen ab. So z.B. die Frage nach der inneren Harmonisierung der Persönlichkeit. Diese werde durch die Konvergenz zwischen Richtungs- und Rüstungsdispositionen erreicht. Richtungsdispositionen sind Motive und Interessen, Rüstungsdispositionen sind Fähigkeiten. Konvergenz zwischen Richtung und Rüstung bedeutet dann: Die reife Persönlichkeit soll können, was sie will und wollen was sie kann. Womit befaßt sich die differentielle Psychologie? Mit den beobachtbaren Unterschieden in den beobachtbaren Eigenschaften des Menschen, seien es Fähigkeiten, Gewohnheiten oder Neigungen. Ihre Fragestellung ist die „normale“ Ausprägung einer Eigenschaft und deren Streuung in der Bevölkerung. Hier kam die Sozialstatistik von Quetelet massiv zum Einsatz. Die differentielle Psychologie bediente sich vor allem positivistischer und naturwissenschaftlicher Methodik. Welche Konzeption hatte Francis Galton (1822-1911)? Dieser befaßte sich mit Erbfoschung. Er fragte sich, ob sich geistige Fähigkeiten ebenso vererben können, wie körperliche. Dazu studierte er Angehörige von 300 Familien. Er fand, daß sich die geistigen Fähigkeiten sogar ohne körperliche vererben. Er hielt die Vielfalt für ein Ergebnis der Evolution und befand sie für nützlich (wie Fourier). Er behauptete, mit seiner Statistik der Lebenserwartung die Unwirksamkeit von Gebeten nachgewiesen zu haben. Der Begriff der Eugenik(=wohlgeboren) wurde von Galton geprägt. Die geistige und körperliche Gesundheit der Bevölkerung sei zu verbessern, indem sich die besseren stärker vermehren. Die Lehre folgt aus dem Darwinismus. Ist nicht direkt mit Faschismus verknüpft. Wie stellten die Erbforscher ihre Daten dar? Galton benutzte die Form der Häufigkeitsverteilung. Er nahm eine glockenförmige Normalverteilung an. Diese heißt auch Gaußsche Fehlerkurve nach Carl Friedrich Gauß (1777-1855). Bei Sterndurchgängen gaben manche Beobachter fehlerhafte Werte an. Soldaten und Jäger berichten beim schießen auf bewegliche Ziele ähnliches. Diese Fehler ließen sich so beschreiben. Galton nahm aber an, die Merkmalsvariation wäre kein Fehler. Allerdings bringe der gleiche Variationsmechanismus diese Häufigkeitsverteilung hervor. In der Erbforschung kann man folgendes sagen: In jeder Generation stellt die Natur von jedem Merkmal eine Verteilung her. Stehen die aufeinanderfolgenden Verteilungen zueinander in Beziehung? Für die Stärke dieses Zusammenhangs fand man Maße für Kontingenz- und Korrelation. Besonders häufig wurde der von Pearson in der eugenischen Bewegung genutzt. Welche Frage interessierte Galton besonders? Die Variation der Vorstellungskraft. Dazu verteilte er auch Fragebögen. Die Personen sollten sich eine realistische Szene vorstellen und sich zur Helligkeit, Farbigkeit, Deutlichkeit und Ausgedehntheit des Vorstellungsbildes äußern. Da viele mitmachten, erlaubte dies die Skalierung des Vorstellungsvermögens. Er interessierte sich auch für die Frage der willentlichen Beeinflußbarkeit des Vorstellungsbildes, sowie der Frage nach der Geschwindigkeit des Gedankenflußes, wozu er Selbstversuche mit Assoziationen machte. Damit war ein Beginn für die Psychometrie, d.h. die Messung psychischer Eigenschaften geschaffen. Wie kam die Aufnahme der differentiellen Psychologie in die Psychologie zustande? William Stern (1900) erklärte das Studium der individuellen Unterschiede zu einem Gebiet der Psychologie und den Namen differentielle Psychologie vorgeschlagen. Er betonte die strenge Methodik des neuen Forschungsgebietes. Von der Persönlichkeitspsychologie erwähnt er in dieser Schrift nichts. Somit wird deutlich, daß es sich hierbei zunächst um zwei getrennte Gebiete handelte. Er beschäftigte sich auch mit den neuen Verfahren (Tests). Weshalb beschäftigte sich die Psychologie mit Psychopathologien? Weil zu diesem Thema so ziemlich jeder was sagen konnte, wollte und durfte, nicht nur die Ärzte. Geistige und seelische Leiden waren gängige Themen der Psychologie des 19. Jh. Welcher Psychologe befaßte sich vor allem mit dieser Thematik? Friedrich Eduard Beneke (1845). Er wandte sich gegen die rein materialistische Auffassung, die Leiden der Seele allein im Körper zu suchen. Welcher Mediziner nimmt eine vermittelnde Stellung ein? Johann Christian Reil (1808). Dieser erkannte die körperlichen Grundlagen psychischer Leiden an, verwies jedoch auf die Bedeutung seelischer Ursachen für Krankheiten, vor allem psychischer Krankheiten. Diese Ursachen müßten vom Arzt durch Einfluß auf die Umgebung und durch sprachliche Instruktion verändern. Er trennte drei medizinische Richtungen: Die Chirurgie, die Arzneikunde und die Psychiatrie. Dieser ordnete er die Heilung psychischer Störungen zu. Er nannte diese Heilung psychische Therapeutik. Diese Reilsche Verhaltenstherapie wurde durch pharmakologische und chirurgische Maßnahmen ergänzt, da zugleich eine organische Verursachung angenommen werden kann. In der psychischen Kurmethode setzte er auf die Einsicht der Kranken. Diese sollten durch den Therapeuten zur Vernunft gebracht werden. Auch sei die angemessene Gestaltung der Umgebung und Gymnastik wichtig. Ein moralisches Regime, die humane Behandlung von Geistes- und Nervenkranken wäre wichtig. Die Irrenanstalten selbst sollten in anmutigen Gegenden liegen, die Kranken sollten bewahrt werden, sich oder andere zu schädigen. Wie wurde die Lehre Reils aufgenommen? Der Begriff der Psychiatrie als Lehre von Nerven- und Geisteskrankheiten hat sich auf der ganzen Welt durchgesetzt. Welche Arten psychischer Leiden werden unterschieden? Psychosen und Neurosen. Was versteht man unter einer Psychose? Die Störung oder der Verlust einer psychischen Funktion. Zunächst nahm man hirnorganische Schäden als Grundlage der Psychose an. Welche Forscher trugen maßgeblich zum Verständnis von Psychosen bei? Emil Kraepelin (1883) unterschied zwischen zwei Formenkreisen der Psychose. Er nannte sie dementia praecox (Jugendirrsinn) und manisch-depressives Irresein. Eugen Bleuler (1911) ersetzte den Begriff der Dementia praecox durch den der Schizophrenie. Damit korrigierte er das Bild, diese träten vorwiegend in der Jugend auf. Die Schizophrenien umfassen viele Beschwerden wie Halluzinationen, Beziehungsstörungen oder Katatonie. Was versteht man unter einer Neurose? Die Fehleinstellung (ansonsten intakter) psychischer Funktionen. Hirnorganische Schäden nahm man zunächst nicht als Grundlage der Neurose an. Mit dem Begriff der Neurose wollte William Cullen (1784) der Überzeugung entgegentreten, bei Hysterien und Hypochondrien handle es sich um das Werk böser geister oder eine Auswirkung von Körpersäften. Vielmehr handle es sich um das Nervensystem selbst. Welche Wege ging man an der Salpetrie? Jean-Marie Charcot (1825-1893) wollte die Hysterie mit Hypnose behandeln. Diese Behandlung sollte über ein Stadium der Lethargie(=Schlafsucht) über ein Stadium der Katalepsie(=Starrkrampf) zum Somnambulismus(=Schlafwandeln) führen. Im letzten Stadium wären die Menschen wieder ansprechbar. Hier kann der Arzt Anweisungen geben. So kann er den Menschen sagen, der Arm solle steif werden, was er dann auch tut, und als Nachweise des nervösen Ursprungs gewisser körperlicher Störungen gewertet wird. Es schien manchmal, als würde in der Hypnose ein anderes Wesen aus den Patienten hervorbrechen. Pierre Janet (1859-1947) arbeitete als Assistent bei Charcot und beschrieb Neurotiker als gespaltene Persönlichkeiten. In ihnen trenne sich ein kohärentes Bewußtsein vom dissoziierten Unbewußtsein. Das Bewußtsein sei eine Schicht reflektrierbarer, schlüssiger Vorstellungen und willentlicher Tätigkeiten. Das unbewußte sei eine Schicht unzusammenhängender Vorstellungen und automatischer Tätigkeit ohne Selbsterfahrung. Unter den dissoziierten Vorstellungen könne eine übermächtig werden – eine fixe Idee. Würden die Menschen geschwächt, konzentrierten sie sich auf das dissoziierte Unbewußte. Dies begünstige die Herrschaft fixer Ideen. Da Charcot einen hervorragenden Ruf als Neurologe hatte, adelte er die Hypnose damit als wissenschaftliche Methode und zog viele Interessenten an, z.B. Sigmund Freud. Wie sah dies Hippolyte Bernheim (1840-1914)? Dieser stand dem kritisch gegenüber. Er meinte, die Hypnose sei einfach eine normale Entspannung, was man therapeutisch nutzen könne, da die Patienten in diesem Stadium weniger Widerstand gegen Anweisungen leisten. Dadurch könne man sie durch Suggestion (=Einreden) von falschen Vorstellungen befreien. Kapitel 9: Allgemeine Psychologie Was ereignete sich gleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts? Die Ideale der frz. Revolution hatten in Terror geendet, Napoleon hat daraufhin die Macht übernommen und das deutsche Reich zerstört. Napoleon wurde auch selbst besiegt. Daraufhin setzte die Restauration ein. Was wurde auf dem Wiener Kongreß beschlossen? Die Restauration. Fünf Großmächte wurden bestätigt: England, Frankreich, Rußland, Österreich und Preußen. Alle Länder kehrten zur Monarchie als Staatsform zurück. Welche Folgen hatte dies? Es entstand ein Nationalbewußtsein, die Sehnsucht nach einem Nationalstaat. Die politische Unterdrückung im Rahmen der Restauration führte 1848 zu Revolutionen in allen Ländern. Diese wurde von Studenten mit der Forderung nach einer Nationalversammlung und Arbeitern mit der Forderung nach Besserung der Lage. So kam es 1848 zu einer Tagung der Nationalversammlung in der Paulskirche unter starker Beteiligung von Intellektuellen. Es wurden Verfassungen verabschiedet, in anderen Ländern setzten sich die Revolutionäre durch. In Deutschland jedoch nicht. Wodurch kennzeichnete sich das 19. Jahrhundert? Durch einen großen Bedarf an Reformen. Die Leibeigenschaft der Bauern wurde aufgehoben. Die Gewerbefreiheit entstand. Auch die Juden emanzipierten sich. Außerdem entstand eine soziale Frage: Es bildete sich der vierte Stand, das Proletariat (die Bürger, die als Besitz nur ihre Nachkommen haben). Andererseits durch eine Welle des technischen Fortschritts, z.B. der Eisenbahn, was zu einer industriellen Revolution führte. Das Verkehrswesen wandelte sich von Grund auf. Zölle zwischen den Ländern wurden abgebaut, der Handel blühte auf. Es kam zur Gründung von Aktiengesellschaften. Außerdem kam es zu blutigen Kriegen zwischen den Großmächten. Schließlich wurde die soziale Frage in Deutschland durch die Einführung von Sozialversicherungen gemildert. Wodurch kam die Proletarisierung zustande? Durch die Überbevölkerung bei gleichzeitiger Unterbeschäftigung. Die Arbeit wurde zunehmend mechanisiert. Welche Folgen hatte die Unterdrückung durch die Restauration auf das geistige Leben? Es entwickelte sich die Kultur des Biedermeier. Die Menschen zogen sich ins Privat- und Vereinsleben zurück. Die Zeit ist benannt nach der spießbürglerichen Witzfigur Gottlieb Biedermeier. Die Menschen betätigten sich künstlerisch und wissenschaftlich. Alle hielten Distanz zur staatlichen Macht. Was entstand in Weimar? Ein Zentrum der europäischen Kultur trotz der politischen Bedeutungslosigkeit. Welchen Unterschied bemerkt de Stael? Die Deutschen wären die besseren Denker. Sie knüpften an die Tradition des Idealismus an. Die Wissenschaftler würden sich durch Liberalität und Gründlichkeit auszeichnen. Welche Bedeutung hatte der deutsche Idealismus für die Psychologie? Er war die Grundlage der Psychologie als Einzelwissenschaft, die auf deutschem Boden gelang. Wodurch kennzeichnet sich der deutsche Idealismus? Er blickte mit Respekt auf die Antike, ohne an irgendwelche (auch nicht christliche) Götter zu glauben. An der Ontologie wurde festgehalten, die Grundpositionen des Rationalismus wurden verteidigt. Sie erkannte den Dingen ein unveränderliches Wesen und eine immerwährende Ordnung zu. Ziel war es, das Wesen der Dinge (z.B. Kreise oder Menschen) in logisch-mathematischen bzw. in Naturgesetzen zu ergründen. Allerdings müsse man dazu die rein sinnliche Erfahrung überwinden. Dadurch eröffnete sich wiederum eine Ideenwelt (Metaphysik). Welche Fragestellung ist zentral für die idealistische Philosophie? Das Erkennen von Wesenheiten und Gesetzen unter dem Begriff der Apperzeption. Diese ist ein aufmerksames, deutlich unterscheidendes und reflektierendes Erkennen. Wodurch unterscheidet sich Apperzeption von der Perzeption? Die Perzeption stützt sich nur auf die unmittelbare Sinneserfahrung. So ist z.B. die Beobachtung eines fallenden Körpers eine Perzeption. Der Vielfalt der beobachtbaren Dinge liegen aber Gesetze zugrunde, z.B. das Fallgesetz s = ½ g x t². Die Abstraktion dieser Größen aus der sinnlichen Erfahrung und die Aufstellung dieser Beziehung ist ein Vorgang der Apperzeption. Was wird von Wolff als Grundfunktion des höheren Erkennens angesehen? Die Apperzeption. Diesen Begriff übernimmt er von Leibniz. Was geschieht durch diesen Begriff? Eine Wende im rationalistischen Denken. Das Erkennen von Wesenheiten oder Gesetzen ist keine einfache Teilhabe an der jenseitigen Weisheit, sondern ein Erkenntnisprozeß, der durch den menschlichen Geist geschaffen wird. Wer trieb diese Dinge auf die Spitze? Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant. Er bekennt sich zu den Prinzipien des Idealismus. Er verachtet jedoch die Natur keineswegs. Er wollte Erkenntnis jedoch nur aus der Vernunft selbst schöpfen. Welches Verhältnis hatte Kant zur Erfahrung? Er achtete sie nicht gering. Allerdings bedürfe sie der Deutung und Ordnung. So kannte er die transzendentale Ästhetik, die transzendentale Analytik und transzendentale Dialektik. Was sind die Hauptthesen zur Ästhetik? Ästhetik bedeutet hier sinnliche Wahrnehmung. Diese Erfahrung liefere eine Fülle von Sinnesempfindungen, die nebeneinander und hintereinander eintreffen. Jedoch kann man dies nur erkennen, wenn man vorher die Erkenntnis von Raum und Zeit hat. Das Nebeneinander ergebe den Eindruck des Raum, das hintereinander den Eindruck der Zeit. Da Raum und Zeit Voraussetzungen der Anschauung räumlicher und zeitlicher Ordnung seien, können diese nicht aus der Erfahrung selbst stammen. Diese seien durch die Vernunft bereitgestellte Grundlagen der Erkenntnis, Prinzipien. Was folgte daraus für die Konzeption von Erfahrung und Vernunft? Die sinnliche Erfahrung nach Begegnung mit einem Gegenstand nennt der Autor Erkenntnis a posteriori (im nachhinein). Die dazu vorauszusetzenden Kenntnisse der Prinzipien von Raum und Zeit nannte er eine Erkenntnis a priori. Der Verstand gibt der Menge der einströmenden Sinnesempfindungen (Stoff) eine Form. Wie konzipierte Kant die Begriffsbildung in der Analytik? Die Anschauung der Gegenstände sei sinnlich (a posteriori). Die fortschreitende Erkenntnis müsse jedoch Urteile fällen. Um diese Urteile zu fällen, müssen die Gegenstände begrifflich gefaßt werden. Dies sei ebenfalls ein Vorgang der Formung. Deshalb müsse die Vernunft die Mannigfaltigkeit der Gegenstände nach vorgegebenen (a priori) Kategorien ordnen. Welche Kategorien zur Urteilsbildung kennt Kant? 12 Kategorien. Vier davon seien besonders wesentlich: Quantität (ob das Urteil für alle, einige oder einzelne Gegenstände gilt) Qualität (ob das Urteil bejahend oder verneinend ist) Relation (ob das Urteil kategorisch (unbedingt), hypothetisch (unter einer Bedingung) oder disjunktiv (unter einer von mehreren Bedingungen) gilt Modalität (ob das Urteil problematisch (betreffe eine Möglichkeit), assertorisch (betreffe eine Wirklichkeit) oder apodiktisch (gelte aus logischer Notwendigkeit) sei. Wie konzipiert er die Dialektik? Hier befaßt sich Kant mit der Begründung von Vernunftbegriffen. Hier handele es sich nicht um Regeln für zwingende Schlüsse, sondern um Prinzipien für plausible Ergebnisse. Diese diene dem Auflösen von Widersprüchen. So sieht er den Begriff der Seele als gerechtfertigt an, um die Synthese der vielfachen seelischen Erscheinungen als Einheit zu erfassen. Es sei aber nicht gerechtfertigt, dieser gedachten Synthese eine substantielle Bedeutung beizumessen, d.h. die Seele sei kein reales Ding wie etwa ein Luftgeist. Eine Auflösung von Widersprüchen ergibt sich aus der Trennung zwischen Erfahrungs- und Vernunftswahrheiten. So sei der Mensch gleichzeitig frei und doch äußeren Zwängen unterworfen. Welche Stellung nahm Kant ein? Er wandte sich gegen einseitigen Empirismus oder Rationalismus. Allerdings ging es ihm vor allem um die klassische Ontologie, um das Wesen und die Ordnung der Dinge. Für diese gebe es keinen anderen Maßstab als den Verstand selbst, deshalb lehnt er andere Welten und höhere Intelligenzen ab. Wie formuliert Kant die Metaphysik um? Sie ist nicht mehr das Jenseits der natürlichen Welt. Sie befindet sich nur jenseits der unmittelbaren Erfahrung. Das Überschreiten des Diesseits ist nach Kant transzendent, das Überschreiten der Erfahrung transzendental. Die Apperzeption wird transzendental, indem sie das nach der Begegnung mit dem Gegenstand erfahrene überschreitet und nach schon vorhandenen Prinzipien umarbeitet. Woher die apriorischen Prinzipien stammen, weiß Kant selbst nicht. Für diese hat er keinen Beweis außer der Vernunft. Jeder Mensch besitze als Quelle der Erkenntnis sein Denken. Dieses müsse er als wahr anerkennen, weil es ihm als vernünftig erscheint. Wer baute die Ideen des Idealismus aus? Insbesondere Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Georg Friedrich Hegel (1770-1831). Diese benutzten als Sammelbegriff für das Ideale den Begriff des Geistes. Dieser umfaßte neben den Idealen des Wahren und Guten das Ideal des Schönen. Fichte dehnte den Begriff des Geistes auf Gemeinschaften, sogar auf die ganze vernunftbegabte Menschheit aus. Er sprach vom Geist einer Nation. Wie konzipierte Fichte den Geist weiter? Der Geist sei nicht nur eine erkennende Instanz, er schaffe auch Neues und handle. Es sei ein handelnder Geist, der die Menschheit durch die Geschichte führt. Was machte Hegel daraus? Der Geist sei ein Prinzip, welches nicht nur das innere, sondern auch das äußere des Menschen umfaßt. Es bestehe durch ihn ein Zusammenhang zwischen Innenwelt und Umwelt. Der Geist besitze Selbsterkenntnis, Tatkraft und Freiheit, d.h. er könne sich selbst bestimmen. Durch die Selbstbestimmung komme der Geist zunehmend zu sich selbst (d.h. er verwirklicht das in ihm angelegte). Dadurch sei die Geschichte ein fortschrittlicher Vorgang, da sie über mehrere Stufen zu Freiheit und Selbstverwirklichung führt. Welche Stufen des Fortschreitens des Geistes aus der Natur kennt Hegel? Er sieht es als einen Vorgang auf drei Entwicklungsstufen. Die höchste Ebene bilde der absolute Geist. Dieser trete in Kunst, Religion uns Philosophie in Erscheinung. Darunter befindet sich der objektive Geist. Er zeigt sich in den sittlichen Formen der Familie, des Rechts und des Staates. Unter diesem befindet sich der subjektive Geist, welcher sich im individuellen Bewußtsein, der individuellen Lebensart und regionalen Sitten zeigt. Welche Bedeutung haben diese Konzeptionen für die Psychologie? In diesen kann man die Anfänge für eine rationale Psychologie sehen. Allerdings wiesen die Autoren der Psychologie selbst einen ganz niederen Platz im Wissenschaftssystem zu. Der Gegenstand der Psychologie sei das subjektive Bewußtsein. Dieses ist ganz nieder und verfehlt nach idealistischen Maßstäben die Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Von Wissenschaftlichkeit könne bei der Psychologie keine Rede sein. Nur wenn Beobachtungen nach mathematischen / a priori-Prinzipien behandelt würden, entsteht eigentliche Wissenschaft. Dies wurde von Hegel nicht geteilt. Seine Vorbehalte beruhen darauf, daß die Psychologie sich mit dem Geist der untersten Stufe befaßt. Der deutsche Idealismus trennte zwischen individuellem Wissen und Handeln und der reinen Vernunft (Kant), bzw. absolutem Geist (Hegel). Diese übersteigen individuelles Denken und Wollen. Sie sind transsubjektiv und der ganzen Menschheit eigen, daß ist die Botschaft der neuen Metaphysik. Wodurch kennzeichnet sich aus idealistischer Sicht die Wissenschaft? Durch das Befassen mit Gesetzmäßigkeiten. Diese müsse mathematisch formuliert sein. Dadurch erneuerte sich die Wertschätzung der Pythagoreer für Zahlenverhältnisse im Rationalismus. So stellte der Mathematiker und Physiker Johann Heinrich Lambert die Methoden der Beobachtung und Beschreibung als Erzählungen über die Natur der wissenschaftlichen Erkenntnis gegenüber. Diese seien unstet und individuell. Die Wissenschaft müsse zu ewigen und unveränderlichen Wahrheiten kommen. Diese seien nur mathematisch erfaßbar. Dies wurde von Kant aufgegriffen. Worin bestand die Hegelsche Geschichtsbetrachtung? Er wollte in ihr das Wirken des Weltgeistes nachweisen. Alle Vorgänge der Geschichte stünden im Dienste des Weltgeistes oder seien zum Scheitern verurteilt. Die jeweiligen Personen seien (unbewußt) Werkzeuge des Weltgeistes. Die philosophische Geschichtsschreibung müsse von den individuell vorgegebenen Motiven abstrahieren. Da sich die Psychologie ausschließlich mit diesen Motiven befaßt, wird sie geringgeschätzt. Worin besteht die Leistung des Idealismus für die Psychologie? Es ergibt sich ein differenziertes Bild. Einerseits gab er Erkenntnisparadigmen vor, andererseits setzte er das Fach zurück. Deren Gegenstände wurden als nachrangig angesehen. Was folgte daraus für die Psychologie? Sie wurde in die Philosophie eingebettet, allerdings als ihr minderer Teil. Was ist für das Verständnis der Wissenschaften im 19. Jahrhundert besonders wichtig? • Die Zeit des Universalgelehrtentums geht zu Ende. Hegel war einer der letzten. Die Zahl der Einzelwissenschaften mit speziellem Gegenstand und Methodik wächst. • Aus dem Bereich der Philosophie gehen zwei große Gruppen von Einzeldisziplinen hervor: Die Geistes- und Naturwissenschaften. • Auch die Philosophie durchläuft eine Spezialisierung, sie bleibt aber Einzelwissenschaft mit ziemlich umfassenden Anspruch. Wie entwickelte sich die Philosophie im Laufe der Zeit? Sie war zunächst die Wissenschaft schlechthin, dann freie Kunst außerhalb von Theologie, Medizin und Recht, dann trat sie im Idealismus mit dem Anspruch auf universelle und ultimative Grundlage auf. Obwohl sie prinzipielle Geltung beanspruchte und hohes Ansehen genoß, wurde sie dadurch zu einer Spezialwissenschaft für Experten. Welche große Gruppe erwuchs noch aus den freien Künsten? Die Naturforschenden Fächer wie Physik, Chemie und Biologie. Diese genügten oft dem idealistischen Kriterium der mathematischen Bestimmung von Gesetzmäßigkeiten. Sie waren erfolgreich durch die Neuigkeit ihrer Befunde und die Nutzanwendung der Theorien. Diese waren zwar im Lambertschen Sinn reine Naturerzählungen, allerdings steht sie im Sinne der Bewußtseinserweiterung den Vernunftanalysen in nichts nach. Außerdem entwickelten die Naturforscher eine ausgefeilte und systematische Methode der Naturbeobachtung. Welches große Beispiel gibt es für die Nutzanwendung und Neuigkeit? Die Entwicklung der Spektralanalyse von Robert Bunsen & Gustav Kirchhoff (1859). Durch die Messung der elekromagnetischen Strahlung verdampfter Stoffe ermittelten sie deren Zusammensetzung. Dadurch wurden neue Elemente entdeckt. Außerdem konnten die Befunde von der Industrie genutzt werden. Wie konzipiert der Physiker Ernst Mach (1905) die Trennung von Philosoph und Forscher? Der Philosoph solle Systematisierung und Schematisieren, ansonsten ist es aber der Naturforscher, welcher die natürliche und instinktive Methode der Erkenntnisgewinnung verfeinert und schärft. Was folgte daraus für den Psychologen? Diesem konnte die empirische Beschäftigung mit dem Bewußtsein nur Recht sein. Er versprach sich Fortschritte von verfeinerten Methoden der Verhaltens- und Selbstbeobachtung sowie die Einbeziehung von physikalischen und physiologischen Methoden. Dadurch erwuchs eine an den Naturwissenschaften orientierte Richtung der experimentellen Psychologie. Dadurch erhoffte man, zum sozialen und technischen Fortschritt beizutragen. Welche Wissenschaften nannte Wilhelm Dilthey (1883) Geisteswissenschaften? Jene, die sich auf Wissensgebiete der geistigen Welt spezialisierten, vor allem Sprach- und Literaturwissenschaften, Geschichts- und Wirtschafts, sowie Sozialwissenschaften. Welchem Zweck sollten die Geisteswissenschaften dienen? Erfahrungen über geistige Schöpfungen, Werke, Gedankengebäude und soziale Systeme sammeln und die Reflexion ihrer Bedeutung pflegen. Wodurch unterschieden sich Geistes- und Naturwissenschaften? Die Geisteswissenschaften konnte durch neues Material und scharfsinnige Deutungen hervortreten. Allerdings ist der Konsens zwischen Experten der Geisteswissenschaften im Gegensatz zu den Naturwissenschaften oft gering. Ein weiterer Unterschied war auch, daß die Naturwissenschaften aufgrund von Einzelfällen zeitlose, generalisierbare Theorien erschlossen, während die Geisteswissenschaften auf ihren Gegenstand beschränkt waren. So sind z.B. Kunstwerke nur im Kontext von Region und Epoche zu deuten, die Frequenzbänder sind jedoch für jedes Element konstant. Welche Bedeutung haben damit die Geisteswissenschaften? Viele sehen sie als uneigentliche, minderwertige Wissenschaften. Sie beschäftigen sich mit dem Singulären, dem Einzelfall der Wirklichkeit. Sie benutzen logisch weniger strenge, aber einfühlsamere Methoden wie die Hermeneutik (=Deutekunst). Wer trat dafür ein, daß auch die Geisteswissenschaften anerkannt werden? Der Neukantianer Wilhelm Windelband (1894). Auch das einzelne wäre vollwertiger Gegenstand der Wissenschaft. Er betonte den sozialen Wert von Zeitlichkeit und Individualität neben dem rationalen Wert von Ewigkeit und Allgemeinheit. Gerade dem Individuellen komme besonderer Wert zu, die Gestalt des Doppelgängers wäre grausam. Der Wert des Geschichtlichen würde gerade in der Einzigartigkeit bestehen. Welche Arten von Wissenschaft trennte Windelband? • Gesetzwissenschaften mit nomothetischem (=gesetzgebendem) Denken zur Bestimmung allgemeiner und zeitloser Gesetze. Diese werden durch Abstraktion und logische Beweise gefunden. • Ereigniswissenschaften mit idiographischem (=Eigenheiten zuschreibendem) Denken für die Charakterisierung zeitgebundender, besonderer Gestalten. Hier gilt die Anschauung. Diese Ansätze seien aber nicht eindeutig Wissensgebieten zuzuordnen. So könne man z.B. eine Sprache auf beiderlei Weise untersuchen. Diese doppelte Zugänglichkeit gilt auch für die Seele, d.h. die Psychologie bedient sich ebenfalls beider Methoden. Gegen welche Psychologie wandte sich Kant? Vor allem gegen die Lehren von Alexander Gottlieb Baumgarten (1779) und Johannes Nikolaus Tetens (1777). Diese setzten die Tradition Wolffs (der empirischen und rationalen Analyse) fort. Worin bestand die Psychologie? In der Lehre vom menschlichen Bewußtsein durch Introspektion, Fremdbeobachtung und Vernunftanalyse. Thematische Schwerpunkte sind das Seelenwesen (Wesen der Seele), d.h. die Seele als ganzes, d.h. Freiheit, Beschaffenheit, Vernünftigkeit und das Seelenleben (Seelentätigkeit, Seelenvermögen), mit den einzelnen seelischen Funktionen. Wie konzipierten Baumgarten und Tetens das Seelenleben? Baumgarten kannte Motivation (z.B. Triebe) und Kognition (z.B. Gedächtnis), Tetens fügte das Gefühl (z.B. Wirkung von Freude) hinzu. Wie erging es der Psychologie am Anfang? Ganz schlecht. Sie war eingefangen in der Philosophie. Dort verkümmerte sie. Es gab Lehrbücher, die sehr pedantisch geschrieben sind, aber keinerlei Erkenntnisgewinn gefunden haben. Diese explizieren nur allgemeine Begriffe des Sprachverständnisses. Welchen Beitrag leistete Johann Friedrich Herbart (1776-1841)? Dieser wollte Kants Kritik der Psychologie, diese beschränke sich auf Selbsterfahrung entkräften, indem er die Gesetzmäßigkeiten des Psychischen mit mathematischen Methoden bestimmen wollte. Auch er begann mit dem „Ich als Selbsterfahrung“. Das Ich sei Subjekt, welches eine Mannigfaltigkeit wechselnder Vorstellungen betrachte. Das Subjekt könne sich nicht unmittelbar selbst betrachten und brauche Vorstellungen als seine Objekte. Wie faßte Herbart Vorstellungen auf und wie untersuchte er sie? Wie Leibniz nicht nur als Inhalte sondern auch als Kräfte. Diese seien aktiv und beweglich, könnten an Kraft verlieren und verfallen, sowie vereinigen und verschmelzen. Diese Hemmungen der Vorstellung modellierte er mathematisch. Die Vorstellungen würden um die begrenzte Aufmerksamkeit kämpfen. Je stärker die eine sei, desto stärker verdränge sie eine andere. Er berechnete mit Formeln nach dem Vorbild der Mechanik, wie sich mehrere Vorstellungen gegenseitig schwächen, eine Stärke könne auch 0 werden. Welche Konzeption vertrat Auguste Comte (1798-1857)? Dieser entwickelte den Positivismus, einen Gegenpol zur idealistischen Erkenntnistheorie. Der Idealismus wertete die Empirie ab. Gegen diese Position wehrte sich vor allem Friedrich Eduard Beneke. Dieser betonte, daß die spekulativen Theorien durch Beobachtungen zu überprüfen sind. Die Wahrnehmung sei die Grundlage der Wissenschaft. Er wandte sich strikt gegen eine Metaphysik ohne Empirie. Er beklagt, daß sich die Deutschen durch Begriffsspiele mit dem absoluten nichts beschäftigen, anstatt sich der Empirie zu widmen. Auguste Comte entwickelte eine materialistisch-empiristische Konzeption, die er positive Philosophie nannte. Die Leitsätze faßte er unter positivem Geist zusammen. Positiv sah er echte Tatsachen, auf die sich Wissenschaft stützen kann und negativ Dinge wie Meinungen, Einbildungen und Stimmungen. Welche drei Stadien der Entwicklung vom negativen zum positiven sah Comte? Theologie (Glaube an überirdische Mächte und Wahrheiten) Metaphysik (Vertrauen in eigenes Denkvermögen) empirische Naturforschung (inklusive soziale Physik) Worin gipfelte der Positivismus? • Wissenschaftliche Analyse hat sich auf Tatsachen und deren beobachtbare Beziehungen zu stützen. • Metaphysische Zuschreibungen wie Deutung von Wesen und Ursache sind wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. • Maßstab der Wahrheit ist die Gewißheit, die durch intersubjektive Übereinstimmung entsteht. • Wissenschaft ist unvollendet. Es bleibt stets unerfaßte Wirklichkeit übrig. • Wissenschaft erschöpft sich nicht in Beobachtung. Aus dieser sind Theorien abzuleiten. • Die positive Wissenschaft dient dem technischen und sozialen Fortschritt der Menschheit. Welche Konzeption vertrat Richard Averanius (1843-1896)? Dieser vertrat die Kritik der reinen Erfahrung. Er lehnte die Metaphysik ab und wollte Erkenntnis nur auf reiner Sinneserfahrung aufbauen. Seine Lehre ist unter der Bezeichnung Empiriokritizismus bekannt geworden. Wie deutete Herbart den Wert 0 einer Vorstellung? Als größtes der psychologischen Wunder. Als Bewußtseinsschwelle. Den Menschen beschäftigten mehr Dinge als er in der Aufmerksamkeit hat. Als „kleine Wahrnehmungen“. Wie beschäftigte er sich noch mit der Hemmung? Er stellte Berechnungen zur Geschwindigkeit der Hemmung an. Den Verlauf der Hemmung konzipierte er nach der Formel σ = S ( 1 – e-t). Durch diesen logarithmischen Verlauf verläuft die Hemmung verlangsamt. Wie erklärte er, wie Vorstellungen ins Bewußtsein kommen? Durch einen Vorgang der Apperzeption. Diese ergibt sich aus den Vorstellungen, die sich zu Complexionen zusammenschließen. Es dominiere immer ein Vorstellungskomplex, d.h. eine Apperzeptionsmasse. Neu gebildete Vorstellungen können sich der Apperzeptionsmasse anschließen und anpassen (zueignen). Manche dieser neuen Vorstellungen sind passende Fortsetzungen der herrschenden Apperzeptionsmasse, andere werden von dieser gehemmt und verdrängt, bzw. sie verdrängen die herrschende selbst, wenn sie stärker sind. Die herrschende Apperzeptionsmasse bildet den Inhalt des Bewußtseins. Alte und geschwächte Vorstellungen können aufgefrischt werden, wenn sie Anschluß an die Apperzeptionsmasse finden. Was bedeutet der Begriff der Apperzeption noch? Aufmerksamkeit. Auch diese und deren Lenkung charakterisiert er mathematisch. Wie wurden seine Ansätze bewertet? Sie wurden erst durch die experimentelle Psychologie geprüft. Ihm wurde oft Geistlosigkeit vorgeworfen. Die Teile der Bewußtseinsschwelle und der Komplexe nehmen Bezug auf die Romantik und werden von der Tiefenpsychologie wieder aufgegriffen. Welche Psychologie entstand innerhalb der Geisteswissenschaften? Es gab eine Forderung nach mehr Inhalt innerhalb der Psychologie. Immerhin waren die abstrakten Begriffe der akademischen Psychologie von immenser emotionaler Bedeutung. Diese kamen jedoch in der rationalen Psychologie kaum zum Zuge. Die Fragestellungen wurden immer einfacher, die Definition exakt und die Beispiele einfach. Die Erfahrungsgrundlage wurde zunehmend minimiert, bald untersuchte man nur noch einzelne Töne, etc. Gegen diese Psychologie wandte sich Dilthey. Er setzte die Hermeneutik als methodische Alternative zum induktiven, die Ursachen erklärenden Verfahren der Naturforschung. Innerhalb seiner wissenschaftstheoretischen Konzeption wies er der Psychologie einen bedeutenden Platz innerhalb der Geisteswissenschaften zu. Welche Betrachtungsweisen trennt Dilthey? • Die Betrachtung von Einzelpersönlichkeiten in ihren zeitlichen und sozialen Einbindung. • Die Betrachtung des Allgemein-Menschlichen vor der Einbindung in Kontexte. Die zweite (ontologische) weist er der Psychologie zu. Wie nennt Dilthey die geisteswissenschaftliche Psychologie? Die Psychologie, die sich hermeneutisch der Sinnstiftung und Sinnfindung unterzieht, nennt er beschreibende und zergliedernde, d.h. verstehende Psychologie. Wodurch sei der Vorgang im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Erklären bestimmt? • Objekte des Verstehens sind ganzheitliche Gebilde (z.B. Biographien) • Das verstehende Subjekt ist selbst eine Ganzheit mit ihren Fähigkeiten und Gemüt • Grundlage des Verstehens ist unmittelbares Erleben bei der Begegnung mit Objekt • Zergliederung, Analyse des Erlebten gibt Aufschluß über Strukturzusammenhänge und Invarianten (allgemeine Gleichförmigkeiten) • Die höchste Stufe des Verstehens besteht in der Verbindung des Allgemeinen mit dem Individuellen: Das Allgemeine im Individuellen erkennen und umgekehrt. Welche Wirkungen hatte dies auf die Psychologie? Dieser Ansatz wurde vor allem in der Diagnostik aufgenommen. Da auch Denk- und Normsysteme Gegenstand sind, schloß sich die Verstehende der Völkerpsychologie an. Diese Psychologie als Gegenpol zum Positivismus erfuhr viel Zustimmung und Kritik. Die Betonung von Ganzheitlichkeit und Subjekt, die Einbeziehung von Gefühlen und Empathie in den Erkenntnisprozeß entspricht dem Entwurf der introspektiven Psychologie nach Tetens und dem Programm des Irrationalismus. Unter welchem Namen war die Naturwissenschaftliche Psychologie zunächst bekannt? Unter der Bezeichnung „Physiologische Psychologie“. Diese Lehren brachten psychische Funktionen in Zusammenhang mit körperlichen Vorgängen. Man sucht nach körperlichen Grundlagen der beobachteten psychischen Phänomene. Was bedeutet Physiologie? Die Lehre von der Natur des Menschen bzw. anderer Lebewesen. Wodurch kam die physiologische Ausrichtung zustande? Sie war von vorne herein in der Erfahrungsseelenkunde angelegt. So hat z.B. Platner dem „Nervengeist“ viel Aufmerksamkeit geschenkt. Tetens diskutierte das „Hirn“ als Ort des Seelenwesens. Welche Schwierigkeiten ergaben sich bei dieser Ausrichtung? Rudolf Herrmann Lotze (1852) konzipierte die Seele als immaterielle Substanz. Die seelischen Vorgänge seien Erregungen der materiellen Nervenmoleküle. Dich wichtigsten Vorgänge entsprängen den Einheiten des Gehirns. Jedoch scheint die Seele eine Einheit zu sein, was das Erlebnis des Ich andeutet, das Gehirn ist jedoch in zwei Hälften geteilt. Für dieses Problem wurden mehrere Lösungen diskutiert. So diskutierte auch H. Charlton Bastian die Lokalisation psychischer Fähigkeiten im Gehirn, konnte sie aber nicht exakt lokalisieren, auch das Bewußtsein nicht. Welche Beiträge der physiologischen Psychologie waren am Anfang am gewichtigsten? Die meisten Kenntnisse hatte man auf dem Gebiet der Sinnes- und Wahrnehmungspsychologie. Einer ihrer Vertreter war Hermann von Helmholtz. Dieser legte die anatomischen, physiologischen und physikalischen Grundlagen des Sehens dar: • den Aufbau des Auges als komplexes Sinnesorgan (Glaskörper, Iris, etc.) • die lichtempfindlichen Aufnehmer der Netzhaut (Stäbchen und Zapfen) • die Sehnerven, welche die Erregung zur Sehrinde des Großhirns leiten • das Verhalten des optischen Systems (Akkomodation der Linse) • das Verhalten von Lichtstrahlen (Brechung, Farbmischung) Diese Beschreibung des Sehapparates geht weit über die Selbsterfahrung hinaus. Auch Bemerkenswert ist die Differenziertheit des herangehens, selbst innerhalb gleicher Sinnesgebiete wirken unterschiedliche Systeme. So besteht das Farbsystem aus drei Untersystemen. Diese Dreifarbentheorie hat einen hohen Erklärungswert für Anomalien (z.B. Nachbilder), auch wenn es der subjektiven Empfindung widerspricht. Welche Leistung gelang Helmholtz 1850? Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Was konnte Helmholtz auch nicht erklären? Die Synthese und Integration der Sinnesempfindungen zu Bildern und Abfolgen im Gehirn. Jedenfalls bestreitet er die idealistische Konzeption der Erkenntniskategorien. Welchen erkenntnistheoretischen Standpunkt nimmt Helmholtz ein? Einen empiristischen. Objekt-, Raum-, und Zeitwahrnehmungen werden ausschließlich aufgrund eigener Erfahrung gebildet. Dieses Lernen basiere auf induktiven Schlüssen. In dieser Hinsicht führte Helmholtz den Begriff des induktiven Schließens ein, um zum Ausdruck zu bringen, was beim Wahrnehmungslernen geschieht. Diesen Begriff gab er später wegen dessen Mehrdeutigkeit auf. Die Theorie nicht: Unsere Anschauungsformen seien durch die Wirklichkeit geprägt, sie sind nicht notwendig. Es gibt Alternativen – man brauche den Raum nicht euklidisch zu denken, es seien auch gekrümmt, Riemannsche Räume denkbar. Da die euklidsche Geometrie dem natürlichen Lebensraum angepaßt ist, deutete man sie als logische Vorgabe der Raumanschauung. Diese sei aber nicht zwingend. Wäre der Raum nicht-euklidisch, hätten die Menschen andere Anschauungen entwickelt. Welche Folgen hatte das Programm der physiologischen Psychologie? Nach und nach nahm man sich auch anderer Psychologischer Funktionen an. Aus ihr Erwuchs das Programm der Psychophysik und der experimentellen Psychologie. Welche Konzeption wurden in der Psychometrie vertreten? Die Konzeption der Naturwissenschaften vom Messen und Zählen. Die Anteile der Seele, die Teile der Natur sind, sollte man auch Messen und zählen können. Einer der ersten Psychometriker war Gustav Theodor Fechner (1801-1887). Er befaßte sich mit der Repräsentation psychischer Merkmale im Bewußtsein und der ästhetischen Wirkung wahrgenommer Objekte. Er fragte sich sogar, warum die Wurst schief durchgeschnitten wird. Er fand heraus, daß eine bestimmte Ellipsenform bevorzugt wird. Er machte eine öffentliche Befragung, um eine Kunstkontroverse zu schlichten. Er war der erste, der eine Publikumsbefragung durchgeführt hatte. Wie begründete Fechner die Psychophysik? Geist und Körper seien eins, damit bekennt sich Fechner zum Monismus. Die Psychophysik solle die funktionelle Abhängigkeit zwischen psychischer und physischer Welt aufdecken. Der Begriff Geist ist eindeutig: Er ist die subjektive Innenwelt, das Erleben. Der Begriff des Körpers ist zweideutig: Einerseits die objektive Innenwelt, andererseits die ihn umgebende Außenwelt, der Raum. In welcher Beziehung stehen damit Geist und Seele zum Körperlichen? In einer doppelten: • Die Beziehung der subjektiven Innenwelt zur objektiven Innenwelt. Das Bewußtsein in Beziehung zum eigenen Körper. Fechner nennt diese Beziehung „innere Psychophysik“. • Die Beziehung der subjektiven Innenwelt zur objektiven Außenwelt. Bewußtsein in seiner Beziehung zum umgebenden Raum. Diese Beziehung nannte der Autor „äußere Psychophysik“. Was sind die Probleme der inneren Psychophysik? Der Zusammenhang von Vorstellungen und Hirnaktivitäten, von Sinnesempfindungen und den Erregungen der Sinnesorgane. Hierzu fehlten überzeugende physiologische Befunde. Was sind die Probleme der äußeren Psychophysik? Der Zusammenhang von subjektivem Empfinden und physikalischen Reizen, d.h. allen Reizen der Außenwelt. Welche quantitativen Eigenschaften haben physikalische Reize? • Intensität, d.h. Stärke (z.B. Lichtstärke) • Extensität, d.h. Ausdehnung (z.B. Länge, Fläche, Dauer) Was erfassen die Methoden der Physik? Sie erfassen diese Eigenschaften der Reize. Was spiegeln subjektive Empfindungen wider? Die physikalischen Reize im Bewußtsein. Dies ist der Gegenstand der äußeren Psychophysik. Sprachliche Urteile bringen die Empfindungen, d.h. die Repräsentation der physikalischen Reize im Bewußtsein wider. Die äußere Psychophysik setzt physikalische Maße von Intensitäten und Extensitäten mit sprachlichen Urteilen über diese in Beziehung. So untersuchte Fechner die Empfindungen von Lichtstärke, Lautstärke, Gewicht und Temperatur, die Entfernung von Punkten und die Dauer von Zeiten. Er untersuchte auch das Urteil über Wassertemperaturen. Welche Ergebnisse fand Fechner? Je höher die Temperatur selbst ist, desto größer muß ein Temperaturunterschied sein, um bemerkt zu werden. Die kleinste bemerkbare Differenz steht zum Ausgangsreiz in einem festen Verhältnis. Die Temperatur muß um 4% gesteigert werden, um bemerkt zu werden. Solche Quotienten fand bereits Ernst Heinrich Weber (1795-1878). Dieser stellte fest, daß in unterschiedlichen Sinnesgebieten unterschiedlich starke Veränderungen von Reizen notwendig ist, um das Erlebnis einer Veränderung zu erzeugen. Innerhalb eines Gebietes stehen die eben merklichen Differenzen jedoch in einer festen Beziehung zum Betrag des Ausgangswertes. Welche Ergebnisse fand Weber? Er gab folgende Konstanten an: 2-5% für Helligkeiten, 3-10% für Druck auf Haut, 2-3% für Gewichte, 1% für Länge von Linien. Diese Beziehungen bestünden allerdings nur im Mittelbereich der Reizvariation. Welche Schlüsse zog Fechner aus der Tatsache, daß diese nur im Mittelbereich gelten? Das psychophysische Urteil beruhe auf geistiger und körperlicher Tätigkeit. Der Prozeß müsse im Minimalbereich eine Anfangsträgheit überwinden, dabei würden die Weberschen Konstanten unterschritten. Im Maximalbereich beschleunige sich der Prozeß mit zunehmender Reizung, weshalb die Weberschen Konstanten überschritten werden. Diese Funktionen kann man graphisch darstellen. In Form einer logarithmischen Funktion mit der Empfindungsstärke auf der y, der Reizstärke auf der x-Achse: ---Was schlug Fechner für den äußeren Psychophysischen Prozeß vor? • Die Definition einer Absolutschwelle, d.h. der Mindeststärke oder –größe eines Reizes, der überhaupt bemerkt wird. • Die Definition einer Unterschiedsschwelle, d.h. der Mindestdifferenz von Stärken oder Größen, die zu unterscheiden sind. • Die Darstellung der Empfindungsstärke oder –größe auf einer Skala mit der Absolutschwelle als Nullpunkt und den Unterschiedsschwellen als Maßeinheiten. • Die Modellierung der psychophysischen Beziehung zwischen Reiz und Empfindung als logarithmische Funktion. Damit waren Empfindungen in einer relativen Beziehung zu den Reizen, nicht in einer absoluten. Damit ist der fundamentale Reizwert (y): y = k (log ß/b) k ist eine für jede Reizart verschiedene Konstante. Was nannte man das Fechnersche Gesetz? Diese logarithmische Beziehung zwischen Reiz und Empfindung. Die Gültigkeit des Gesetzes für verschiedene Reizarten nachzuweisen wurde ein großes Forschungsprogramm. Dies war ein wesentlicher Beitrag zur neuen Psychologie. Dabei war es gar nicht Fechners Absicht, die Selbstständigkeit der Psychologie zu fördern. Eher wollte er eine Verständigung zwischen Philosophie und Physik erreichen. Welche drei Bedeutungen hat der Begriff des Experiments? • • • Erfahrung, d.h. Beobachtung sich bietender Gegenstände und Ereignisse Versuch, d.h. Schaffung einer Situation zum Sammeln von Beobachtungen Versuch mit Bedingungsvariation, d.h. Schaffung einer Situation, die eine planmäßige Veränderung theoretisch bedeutsamer Ursachenfaktoren gestattet Welche Folgen hat dies für den Begriff der Experimentellen Psychologie? Auch dieser Begriff wird in mehreren Deutungen gebraucht. Im allgemeinsten ist eine Psychologie gemeint, die sich auf gesammelte Erfahrung stützt, wie die Erfahrungsseelenlehren des 18. und 19. Jahrhundert. Allerdings versteht man darunter meist die Herstellung der Bedingungen, wie die Psychophysik. Im strengen Sinne ist die Experimentelle Psychologie eine Forschungsrichtung, die den Zusammenhang zwischen psychischen Erscheinungen und ihren Entstehungsbedingungen untersucht, indem sie letztere variiert und die Auswirkungen auf erstere beobachtet. Wie vollzog sich der Übergang zur experimentellen Psychologie im strengen Sinne? Stetig, aber langsam. Vor allem die Versuchsplanung litt. Wichtiger war die Genauigkeit der Messung. Diese wurden zu dieser Zeit von der leistungsfähigen Feinmechanik bereitgestellt. Die psychologischen Labore arbeiteten oft mit Werkstätten zusammen. Die frühen Experimente waren oft Selbstversuche oder Versuche mit Assistenten. Dadurch blieb die Zahl der Versuchspersonen klein. Größere Gruppen von Versuchspersonen wurden erst durch die Zufallskritische Bewertung der Ergebnisse zur Forderung erhoben. Was sind die Gegenstände der allgemeinen Psychologie? Die allgemeine Psychologie war die Psychologie, die im 19. Jahrhundert vorwiegend an den Instituten gelehrt wurde. Ihre Erkenntnisgegenstände waren: • der Mensch als geschlossener Organismus oder als einheitliches Ich • die universellen Strukturen (Sinnesorgane, Gedankenverbindungen) • die universellen Funktionen (Sinnesleistungen, Vorstellungsabläufe) Dies war Erbe der Ontologie, das Aufdecken der Abläufe des inneren Bewußtseins, egal ob introspektiv oder physiologisch erhoben. Auch die Völkerpsychologie Wundts verstand sich als Allgemeine, als Krönung der Psychologie. Damit führte die experimentelle Psychologie sowohl die Ansätze der rationalistischen Psychologie als auch der physiologischen Psychologie fort. Welche frühen Vertreter experimentalpsychologischer Forschung gibt es? • Wilhelm Wundt in Leipzig, • Hermann Ebbinghaus in Berlin, • Georg Elias Müller in Göttingen. Wer richtete wann wo das erste Experimentalpsychologische Labor ein? Wilhelm Wundt 1879 in Leipzig. Dort untersuchte er Psychophysik und Sinnesempfindungen, Apperzeption, Reaktion und Emotion. Die Untersuchungen zu Psychophysik und Sinnespsychologie folgte dem Vorbild von Fechner und Helmholtz. Was war ein weiteres Anliegen der Forschung zur Bewegungsreaktion? Die experimentelle Trennung der unterschiedlichen Komponenten der Reaktion. So wurde der Zeitbedarf einfacher Bewegungen in Reaktion auf Reize untersucht. Die einzelnen Komponenten der Bewegung benötigen eine unterschiedliche Zeit. Das Erkennen von Reizen benötigt Zeit, ebenso wenn man zwischen verschiedenen differenzieren und entscheiden muß. Weiterhin verlangsamte sich die Bewegung, wenn man erst auf eine Assoziation reagieren sollte. Wie wurde die Apperzeptionsforschung betrieben? Diese knüpfte an die Herbartsche Ideenmechanik an. Die Apperzeption wurde als aktives Verbinden von Ideen konzipiert. Unterschieden wurden die Verschmelzung und die Komplikation von Vorstellungen. Verschmelzung wurde das Herstellen einer Verbindung zwischen Vorstellungen genannt, in welcher nicht mehr alle eingehenden Vorstellungen einzeln erkannt werden können. Analog zur Legierung. Bei Verschmelzungen gibt es oft eine Dominante und Untergeordnete, analog zum tiefen Grundton, welcher die Tonhöhe bestimmt und den höheren Obertönen, welche die Klangfarbe bestimmen. Komplikation ist nach Wundt die Verbindung von Vorstellungen aus disparaten, d.h. getrennten Sinnesgebieten (z.B. Verbindung Nadel-Schmerz). Hier hatte Wundt die Idee, daß disparate Vorstellungen nacheinander ins Bewußtsein treten. Was kennzeichnet die Apperzeption nach Wundt? Diese kann sich gleichzeitig nur auf eine Vorstellung richten. Wenn mehrere eintreffen, rücken diese entweder in eine Warteschlange und werden nacheinander abgearbeitet oder sie verschmelzen. Wodurch belegte Wundt seine Theorie? Er wies nach, daß je mehr und je unterschiedliche Reize gleichzeitig dargeboten wurden, desto später schätzten die Beurteiler den Zeitpunkt der Darbietung ein. Diese Frage wurde auch von Woldemar von Tchisch (1885) gründlich untersucht. Er benutzte ein Gerät, welches gleichzeitig Glockentöne, Summgeräusche, Druck und Stromstöße an vier verschiedenen Stellen hervorbringen konnte. Dieses Gerät wurde von einer Pendeluhr ausgelöst, deren Zeiger sich auf einer Sekundenskala bewegten. Man sollte die Zeigerstellung beim Erscheinen der Reize ablesen. Da sich die Apperzeption nur einem Reiz zuwenden könne, würde diese immer weiter verzögert, je mehr Reize eintreffen. Die Zeitverschiebung zeigt die Länge der Warteschlange an. Zusatzhypothese: Da ähnliche Reize verschmelzen ist die Schlange für ähnliche Reize kürzer. Die Ergebnisse bestätigten die Hypothesen. Allerdings konnten mehr als 5 Reize nicht verarbeitet werden. Die Geräte zu den Komplikationsversuchen nannte Wundt „Gedankenmesser“. Wie wurden die Vorstellungen und Emotionen untersucht? Wundt zählte die Emotionen wie Wundt zu den Vorstellungen. Er trennte bei Emotionen Inhalt und Form. Er unterschied drei formale Eigenschaften: Lust/Unlust, Erregung/Beruhigung, Spannung/Lösung. Zur Emotionsforschung verwandte er physiologische Methoden. So wurden Atmung, Herzschlag und Blutdruck gemessen. Paul Menz (1895) untersuchte den Einfluß von Tönen, Gerüchen, Geschmäckern und Bildern auf Herzschlag und Atmung. Ziel war, die Zusammenhänge zu ermitteln. Welche Zusammenhänge zwischen formalen Dimensionen und Physiologie fand man? Wundt fand drei Verläufe typisch. Je schneller der Herzschlag, desto größer die Lust und Spannung, je niedriger desto gelöster, bzw. Unlustiger, je nach Gefühlskomponente. Wer vollzog die Wiedergeburt der Psychologie aus der organischen Physik? Gustav Theodor Fechner und Wilhelm Wundt. Diese waren sich sehr ähnlich, stammten aus Pfarrhäusern, studierten Medizin, Natur- und Geisteswissenschaft. Fechner wandte sich zunächst der Physik zu. Wundt arbeitete mit Bunsen zusammen. Wundt wollte eine Psychologie, die ihre Bindungen zur Philosophie behält. Timothy Lenoir (1992) bezeichnete die Ausrichtung von Fechner und Wundt als organische Physik. Diese war als Lebenswissenschaft mit den Methoden der Physik konzipiert. Ihre Vertreter waren Bürger hoher Bildung. Sie wollte philosophische Fragen wie die nach dem Wesen der Erkenntnis mit naturwissenschaftlichen Methoden neu bearbeiten. Die neuen Wissenschaftler waren auch politisch, so waren sie kaisertreu aber liberal. Der Staat förderte die Wissenschaft kräftig. Jedoch hatte die Psychologie nur einen kleinen Etat. Die organische Physik hatte jedenfalls eine enorme Rolle bei der Emanzipation der Psychologie als Disziplin. Wodurch tat sich Ebbinghaus hervor? Dieser führte in Berlin Versuche über die Gedächtnisleistung durch. Diese machte er im Alleingang. Damals gab es kein psychologisches Laboratorium in Berlin. Er führte die Selbstversuche in seiner Studierstube durch. Ursprünglich wollte er die Fechnersche Psychophysik auf dauerhafte Eindrücke ausweiten und den Nachweis der Komplexbildung im Sinne der Herbartschen Vorstellungsmechanik führen. Später begründete er die Untersuchung mit der exakten empirischen Ermittlung psychischer Phänomene im Geist des Positivismus und eine neue Sicht alter Phänomene. Vor allem durch die mathematische Formulierung. Welche neuen, alten Ergebnisse brachten die Untersuchungen von Ebbinghaus? • Je mehr Stoff zu lernen ist, desto länger dauert das Lernen. • Je mehr Zeit nach dem Lernen vergangen ist, desto mehr wird vergessen. • Das wiederlernen vollzieht sich schneller als das erste Lernen. Wie und wann wurde das erste psychologische Laboratorium eingerichtet? Im Jahre 1879 in Leipzig. Dieses Jahr wird von manchen als Geburtsjahr der modernen Psychologie angesehen. Andere Autoren verlegen das Eröffnungsdatum jedoch auf 1875. Zuvor gab es an den Unis nur Bibliotheken, Hörsäle und Seminarräume. Für die Naturwissenschaftler war dieser Zustand unbefriedigend. Nach und nach wurden ihnen Labors als Untersuchungsräume eingerichtet. Bei Wundt war das zunächst nur ein Raum zum Unterstellen der Apparate. Diese Vorreiterrolle von Leibzig zog Wissenschaftler aus der ganzen Welt an, die bei ihm in die Lehre gingen. Diese gründeten selbst Institute. Was war das besondere an den Ebbinghausschen Ergebnissen? Die methodische Präzision und die Exaktheit der Funktionsbestimmung. Die Grundlegendsten Funktionen waren die Lernkurve in Abhängigkeit der gelernten Zeit: --- und die Vergessenskurve: \ bzw. ---- in Abhängigkeit der Zeit. Wiederum handelte es sich um logarithmische Funktionen. Mit der Zeit sinkt die Geschwindigkeit von Lernen und Vergessen selbst, d.h. für das Gedächtnis gilt das gleiche, wie für die Psychophysik. Der Lernfortschritt wurde durch die Ersparnismethode ermittelt. Welches Material benutzte Ebbinghaus? Zunächst normales Material, wie Prosatexte. Dieses Lernen von sinnvollen Inhalten war jedoch mehr als nur das mechanische Einprägen von Material. Lernen und Behalten mischten sich mit Verstehen und Erinnern früherer Erlebnisse. Daher konstruierte er möglichst reines Material: Buchstabenkombinationen wie RAK oder ROP, die in der gebräuchlichen Sprache nicht vorkommen. Er fand es vorteilhaft, daß dieses einfach und homogen ist. Bei den anderen Texten gebe es zu viele Störfaktoren (wie ästhetische Gesichtspunkte oder Assoziationen). Wie wurde diese Methode bewertet? Von den Vertretern der experimentellen Psychologie als genial. Dies wäre eine strenge Gedächtnisforschung. Die Vertreter der Verstehenden Psychologie werteten diese sinnarmen Silben jedoch als Beleg für die Sinnarmut der experimentellen Psychologie an sich. Von wem wurde die Forschung von Ebbinghaus aufgegriffen? In Göttingen von Georg Elias Müller (1850-1934) und seinen Mitarbeitern. Die Methodik wurde verfeinert. Wiederum waren sinnarme Lautkombinationen der Lernstoff. Sie projizierten die Silben mit einem elektrischen Darbietungsgerät. Ein Stimmschlüssel war mit einem Chronoskop, d.h. einem Zeitmesser verbunden. Sobald die Probanden sprachen, wurde die Zeit angehalten. Damit ließ sich die Zeit für mündliche Reproduktionen genau messen. Mit dieser Anordnung ließen Müller und Pilzecker (1900) Reihen von Silben lernen. Den Fortschritt bestimmten sie nach der sogenannten Treffermethode. Es wurden Silben vorgegeben, die Probanden sollten die nachfolgende nennen. Die Zeit zwischen Vorgabe und Reproduktion wurde gemessen. Der Lernfortschritt zeigte sich in der Zunahme der Treffer und eine Abnahme der benötigten Zeit für richtige Antworten. Die benötigte Zeit für falsche Antworten stieg mit den Wiederholungen an. Von was hing der Lernerfolg noch ab? Von einer Rückkopplung. Es bestand eine Rückwirkende Hemmung. Wurde nach einer Reihe A noch eine weitere B gelernt, so war die Reproduktion von A schlechter. Damit hing der Lernerfolg nicht nur von der Zahl der Wiederholungen, sondern auch von deren Verteilung über die Zeit ab. Jost (1897) wies nach, daß der Erfolg des Lernens von der Verteilung abhängt: Verteiltes Lernen ist viel effektiver. Welchen Verdienst hatte Georg Elias Müller (1850-1934) um die Psychologie? Er kam mit medizinischer Strenge in die Psychologie. Er baute das Institut in Göttingen zu einem Zentrum der Gedächtnisforschung aus, trieb jedoch auch Studien zu Psychophysik und Wahrnehmung. Darüber hinaus war er von 1903-1924 Vorsitzender der Gesellschaft für experimentelle Psychologie, die er auch mit gründete. Welche Grenzen hatte die experimentelle Psychologie? Ihre Erkenntnisse waren auf Wahrnehmung, Gedächtnis und Körperbewegung beschränkt, also auf jene Funktionen, welche die rationale Psychologie nieder nennt. Die Analyse der höheren geistigen Tätigkeit wie Urteil und Kunst blieben Gegenstand der Völkerpsychologie. Zunächst untersuchte niemand das Urteilen experimentell. Wer änderte dies? Oswald Külpe (1862-1915), ein Mitarbeiter Wundts. Dieser Übernahm 1894 einen Lehrstuhl an der Universität Würzburg. Seine Mitarbeiter wählten das Denken zum Gegenstand. Karl Marbe (1901) untersuchte Kopfrechnen und Übersetzen, Karl Bühler (1907) fragte nach dem Sinn von Aphorismen und stellte schwierige Fragen, dieser untersuchte nur Professoren und Doktoren als Versuchspersonen. Es sollten die Inhalte des Denkens ermittelt werden. Die Probanden sollten einfach ihre Erlebnisse verkünden, ohne Vorannahmen. Dies sollte die Effekte der Selbstbeobachtung vermeiden. Welche Ergebnisse fanden die Autoren als Denkinhalte? anschauliche Vorstellungen, Wissen aus dem Gedächtnis, über Sachverhalte, über Regeln, Beziehungen und Intentionen. Allerdings wurden die Experimente der Würzburger Schule zum Denken von Wundt nicht gebilligt. Er nannte sie Scheinexperimente. Es fehlten die Apparativen Mittel, der subjektive Eindruck der Versuchspersonen genüge. Was fürchtete Wundt durch diese Experimente? Die Ausfragemethode würde das klassische Experiment verfallen lassen. Die Ergebnisse der neuen Methode wären durch ihre Subjektivität nicht planmäßig replizierbar. Außerdem wäre die Methode zu einfach, man brauche nur irgend jemanden zu fragen, schon würden sich die Rätsel der Seele lösen. Auch lehnte er Fragebögen ab. Er warnte vor Pädagogen. Was waren erstaunliche Ergebnisse dieser neuen Experimente? • Nicht alle Denkinhalte sind anschaulich, es gibt unsinnliches, unanschauliches Denken. • • Nicht alle Urteile und Schlüsse sind regelhaft hergeleitet. Vieles im Denken geschieht unreflektiert und automatisch. Es gibt Einschätzungen des eigenen Denkens. In Würzburg prägte man dafür den Begriff der Bewußtseinslagen: Zweifel und Sicherheit, Eindruck und Originalität. Heute nennt man diese Begriffe Metakognitionen. Ist die Psychologie eine deutsche Wissenschaft? Die Erneuerung vollzog sich im Dreieck der Städte Berlin, Leipzig und Göttingen, also zwischen Sachsen und Preußen. Oder wurden hier nur die Ergebnisse in anderen Ländern unterschlagen? Schönpflug meint nein, es gab besondere Voraussetzungen. Welche besonderen Voraussetzungen für die Entwicklung der Psychologie gab es in Dtld.? • Die idealistische Tradition (spezifisch deutsch) • das Aufkommen von Naturwissenschaft und Technik (Meßinstrumente) • die Stellung der Universitätsprofessoren (unabhängig und selbstbewußt) • das wirtschaftliche Wachstum (in dieser Zeit beträchtlich) Durch die Anlehnung an die idealistische Tradition übernahm man ontologische Fragen. Allerdings war die international vorbildliche deutsche Psychologie vor allem allgemeine Psychologie. Der Einführung der Vergleichenden und praktischen war dies abträglich. Außerdem war es ein sorgenvolles Elternhaus (Deutschland als Kinderstube der Psychologie). Die Stellung innerhalb der Philosophischen Institute ließ oft zu Wünschen übrig. Es gab für die Psychologie keine Privilegien, vielmehr war sie umstritten. Wer verteidigte die Würzburger Schule? Bühler (1908). Durch die Trennung von Selbstbeobachtung und Protokollierung könnten sich die Versuchspersonen unbefangen auf ihre Ergebnisse konzentrieren. Die Denkaufgaben seien zwar nicht exakt replizierbar, allerdings könne man auf gleichartige Aufgaben gleichartige Reaktionen erwarten. Die gestellte Aufgabe sei wesentlich. Damit sorgte er dafür, daß das Denken ein Gegenstand der experimentellen Forschung blieb. Dennoch zeigte die experimentelle Psychologie am Ende eines glänzenden Aufstiegs gewisse Grenzen und Schwächen sowie Gefahren. Dennoch war der Ansatz fruchtbar. Hat sich die Psychologie in einem Freiheitskampf aus den Fängen der Philosophie befreit? Nicht unbedingt. Man kann die Psychologie auch im Kontext anderer Fächer sehen. Auch die anderen Fächer der philosophischen Fakultät haben sich im 19. Jahrhundert von der Mutterwissenschaft gelöst, da diese bis dahin ein Sammelbecken für wissenschaftliche Unternehmungen aller Art war und nicht Medizin, Theologie und Recht angehörten. Der Erkenntnisgewinn legte eine Spezialisierung eben nahe. Die Zunahme der Zahl der Gelehrten erlaubte die Unterteilung in kleinere Organisationseinheiten. Aus dieser Sicht ist die Psychologie keine Siegerin im Freiheitskampf, sondern eines von mehreren Spaltprodukten. Die Psychologie rechtfertigte sich als Einzelwissenschaft durch die Geschlossenheit und Eigenart ihres Gegenstandes, des Bewußtseins. Sie übernahm auch einen Restbestand, welchen andere Wissenschaften auf dem Weg zur Selbständigkeit zurückließen. Wie erreichten die Geistes- und Sozialwissenschaften ihre Erneuerung? Um sich als Einzelwissenschaft an einer Universität einzurichten, bedarf es eines Institutes. Dieses wird durch wissenschaftliche Innovation eingerichtet. Diese Wissenschaften gingen von beschreibenden und vergleichenden Ansätzen zu strukturellen Analysen über, suchten nach Ordnungsmustern und deren Entstehungsbedingungen. Welche Geistes- und Sozialwissenschaften etablierten sich? • • • • die Sprachwissenschaft, welche eng mit der Literaturwissenschaft verbunden war. Sie erarbeitete sich jedoch einen eigenen Themenkanon, wie z.B. Phonologie, Syntax und Morphologie oder Kommunikationsbeziehungen. Sie ermittelte nach Ferdinand de Saussure Ordnungsmuster des Sprachsystems. die Geschichtswissenschaft entwickelte ebenfalls Deutungsmuster und ging über die einfache Geschichtsschreibung hinaus. Leopold von Ranke (1795-1886) forderte eine kritische Quellenerschließung und eine Bestimmung von Epochen. die Soziologie entsprang dem Denken von Emile Durkheim (1858-1917) und Max Weber (1864-1920) und wollte Moral- und Wertvorstellungen analysieren, sowie Gesellschafts- Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen. Sie bediente sich der Methode der Sozialstatistik von Lambert Adolphe Quetelet. Ethnologie. Diese wurde von Franz Boas (1858-1942) und Bronislaw Malinowski (1884-1942) entwickelt. Diese sammelten authentisches Material durch eigene Expeditionen und waren Vorbilder der kulturanthropologischen Interpretation. Was bedeutete die Etablierung dieser Gebiete für die Psychologie? Einen Verlust. In der frühen Phase war die Psychologie als Lehre vom individuellen und kollektiven Geist konzipiert worden. Auch die Spezialisierten Gebiete bedauerten die Trennung von der Psychologie, da diese ja Grundlage und einigendes Band war. Trotz Anstrengungen zu Integration und Kooperation vergrößerte sich der Abstand der Fächer durch wachsende Expertise. Die neuen Disziplinen als Spezialpsychologien einer globalen Psychologie anzusiedeln, scheiterte wohl an der begrenzten Auffassungs- und Kommunikationsfähigkeit der beteiligten Wissenschaftler. Woran läßt sich die Institutionalisierung der Psychologie erkennen? An der Einrichtung von Gemeinschaften und Institutionen. Diese trafen sich zu regelmäßigen Kongressen. Die Forschungen wurden genauestens dokumentiert. Welche der Psychologie nahestehenden Naturwissenschaften emanzipierten sich noch? Die Physik und die Physiologie. Die Physik bezeichnete sich nicht länger als Naturlehre im allgemeinen. Er verengte sich auf die Beobachtung des meßbaren Verhaltens lebloser Körper. Ihr gelangen Aufsehen erregende Entdeckungen auf den Gebieten der Optik, Akustik, Mechanik und Thermodynamik, der Elektrizität und des Magnetismus. Diese methodischen Fortschritte kamen der Physiologie enorm zugute, welche sich als Physik der lebenden Körper begriff. Sie konnten z.B. das Fließen elektrischer Ströme als Grundlage der Nervenfunktionen nachweisen. Die Physiologie wurde von Johannes Müller (1801-1858) und Brücke, Helmholtz, Du Bois-Reymond entwickelt. Die Erfolgsgeschichte der Physik durch ihre Institutionalisierung begann bescheiden. Selbst Ernst Chladni (1756-1826) forschte und lehrte er privat. Besser erging es den Physiologen. Später halfen Uni und Wirtschaft (z.B. gründete Siemens in Charlottenburg die Physikalisch-technische Reichsanstalt) bei der Einrichtung von Instituten, da diese Forschungen extrem teuer waren. Außerdem entfaltete sich eine medizinische Physiologie, die mit neuen diagnostischen Methoden, welche die Organe als Entstehungsorte der Krankheiten auffaßte und entsprechend behandelte (z.B. Röntgenstrahlung). Welche Stellung hatte die Psychologie für diese Wissenschaften? War sie für die Geistes- und Sozialwissenschaft eine Grundlagenwissenschaft, so stellt die Physiologie für die Psychologie selbst eine Grundlagenwissenschaft dar. Diesem Ansatz folgt die physiologische Psychologie. Jedenfalls wechselten zu Beginn viele Vertreter der Fächer hin und her. Gemeinsame philosophische Grundlagen sorgten für den langen Zusammenhalt, nicht zuletzt die romantische Philosophie. Das Verhältnis bestand also aus Kooperation und Austausch. Johann Christian Reil betrachtete die Psychotherapie als Teil der medizinischen Behandlung. Jedoch endete die Gleichstellung von Arzt und Psychologe bei der Behandlung von Kranken, die dem Arzt vorbehalten ist. In welchem Verhältnis stehen Materialismus und Monismus? Die Fortschritte der Naturwissenschaften gab dem Materialismus Auftrieb. Dadurch wurde eine objektive Psychologie gefordert, die nur meßbare körperliche Vorgänge als Grundlage psychischer Erscheinungen zuläßt. Einer ihrer erfolgreichsten Verfechter war der russische Physiologe Iwan Sechenow (1829-1905), dem der Nachweis von zentralnervösen Bahnungen und Hemmungen von Reflexen gelang. Auch Haeckel vertrat eine materialistische Ideologie, die er Monismus nannte. Die Monisten behaupteten die Einheit von Körper und Geist. Alles Leben sei nach Darwins evolutionärem Prinzip aus der biologischen Ursubstanz hervorgegangen. Friedrich Albert Lange (1875) meinte, eine Psychologie ohne Seele, d.h. auf das rein körperliche beschränkte Psychologie ohne geistige Substanz sei möglich. Diese sei jedoch sehr eng und werde dem kulturellen und ethischen, sowie dem ästhetischen Verständnis des Menschen nicht gerecht. Was wurde nach der Disziplinentrennung aus der Philosophie? Die Philosophie blieb nicht Rahmen- und Leitwissenschaft der anderen Fächer, keine Klammer, die den interdisziplinären Verbund vereinigt, sondern wurde selbst zur Einzelwissenschaft. Sie bildete eigene Gemeinschaften und pflegte eine eigene Sprache. Sie stößt als Einzelwissenschaft in die Grenzbereiche menschlichen Denkens vor. Sie verhielt sich kritisch und radikal, entfremdete sich der anderen Disziplinen. Welche Themen waren in der späteren Philosophie von wissenschaftlichem Interesse? • Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie (z.B. Blumenberg, 1987) • Existenz- und Situationsanalyse (z.B. Bloch, 1968) • Ethik (z.B. Jonas, 1993) Wie entwickelte sich das Verhältnis der Psychologie zur Philosophie? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Verflechtungen noch eng. Zur Jahrhundertmitte hatte jedoch die Entfremdung überhand genommen. In der Psychologie entstand der Eindruck, man habe die Philosophie mit der empirischen Fundierung hinter sich gelassen. Die Philosophen meinen, sie wären den Psychologen mit kühnen Denkansätzen enteilt. Die Psychologie verpflichtete sich dem abgesicherten Wissen. Im Dialog der Theorien, im Wettbewerb der kühnen Ideen und ungewöhnlichen Argumente fällt sie zurück. So unternahm der Philosoph Edmund Husserl (1913) eine Bewußtseinsanalyse, die sich nicht auf subjektive Erfahrung, sondern auf erfahrungsüberschreitende Quellen der Erkenntnis stützt. Wer war ein Vertreter der medizinischen Psychologie? Rudolf Hermann Lotze, der die körperliche Grundlage psychischer Erscheinungen bestimmen wollte. Vor allem suchte er die Seele im Balken. Kapitel 10: Theorien für eine moderne Psychologie Welche Bedeutung hat die Moderne? Sie ist eine Zeit, in der die Menschen des Alten überdrüssig werden und ihre Hoffnung auf den Fortschritt setzen. Diese bahnt sich im 19. Jahrhundert an und kommt im beginnenden 20. Jahrhundert. Sie ist aus der Sicht von Robert Musil die Überwindung des toten 19. Jhs, welches außer der Forschung und Wirtschaft nichts wesentliches hervorgebracht habe. Vor allem die Künste hätten brach gelegen. Dann wurde gegen das Alte gekämpft. In welcher Region wurde über die Moderne am heftigsten gestritten? In Europa, in diesem hatte das Alte die stärkste Verankerung. Deshalb stellte sich der als modern gefeierte Fortschritt schneller in den USA ein. Dort hatten sich die Überlieferungen nicht verfestigt. Deshalb sahen die Verfechter der Moderne in den USA das Vorbild, die Verächter der Moderne sprachen von „Amerikanismen“, welche für die alte Welte unangemessen wären. Welche zentralen Bereiche der Kultur veränderten sich durch die Moderne? • Wissenschaft: Die Naturwissenschaften gewannen durch neue Entdeckungen, Theorien und Verfahren enorm an Ansehen (Atomphysik, Evolutionstheorie, Ammoniaksynthese). • Medizin: Neue Diagnose-, Therapie- und Präventionstechniken sichern die Gesundheit und Leben (Röntgen, Chirurgie, Schutzimpfungen). • Technik: Neue Produkte, Energien und Dienste (Eisenbahn, Flugzeug, Strom, Telefon) erleichtern das Leben und ermöglichen eine höhere Produktion (Maschineneinsatz). • Gesellschaft: Es entsteht eine neue Solidarität mit Alten und Kranken. • Politik: Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in den Demokratien ist neu. Welchen Zielen war der moderne Fortschritt in diesen Bereichen verpflichtet? • Einheitlichkeit. Diese reduzierte die Kosten von Gütern enorm, erlaubten Versorgung. • Massenhaftigkeit. Waren und Dienstleistungen wurden in großer Zahl produziert. • Zweckmäßigkeit • Wirtschaftlichkeit All diese Ziele sind verknüpft. Wie wirkte sich die Moderne auf die Kunst aus? Es gab eine Massenkunst im Sinne der Moderne, die sich dem Geschmack, der Mehrheit und der Konventionalität anpaßte. Andererseits eine Gegenbewegung, die sich auch ausdrücklich als modern bezeichnet und damit bricht. Sie war gesellschaftlich so provokativ und innovativ, daß sie nur von einer Minderheit getragen wurde und sich die Mehrheit abwendete. Herausragende Erscheinungsformen der modernen Kunst im zweiten Sinne ist die abstrakte Malerei, welche Ausdruck ohne eine Bindung an einen Gegenstand darzustellen versucht und die Zwölftonmusik, welche die zwölf gleichabständigen Töne der Oktave zu freien Reihen zusammenfügt. Damit entfalten sich zwei gegensätzliche Richtungen: Die ökonomische und die ästhetische Moderne. Welchen Anteil hatten die Wissenschaften an der Durchsetzung der ökonomischen Moderne? Einen erheblichen. Andererseits waren es auch Stimmen aus der Wissenschaft, die vor den Auswirkungen der ökonomischen Moderne warnte. Was war ein Zentrum der wissenschaftlichen Warnung vor der ökonomischen Moderne? Ein Zentrum dieser Kritik war das Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Was hat es mit diesem Institut auf sich? Dieses wurde 1930 gegründet und vom Direktor Max Horkheimer während des Faschismus zuerst nach Frankreich und dann in die USA verlegt. Es wurde 1950 von Horkheimer und Theodor W. Adorno (1903-1969) neu gegründet. Die Analysen dieser Gruppe faßte man unter der Bezeichnung „Kritische Theorie“ zusammen. Wie verstand sich die Kritische Theorie selbst? Sie verstand sich als Unternehmen der Aufklärung. Ihre kritische Haltung bezog sich aber nicht auf eine Argumentationskritik im Sinne von Petrus Ramus, sondern auf eine Kritik der Gesellschaft im Sinne der Historischen Materialismus nach Karl Marx. Grundgedanke war die Entfremdung des Individuums in einer von Wirtschaft, Technik und Verwaltung beherrschten Welt. Das Individuum würde durch die moderne Welt an Selbstbestimmung verlieren. Jeder, auch die mächtigsten würden zum Objekt. Die Humanität sei am Ende. Die Autonomie sei verloren gegangen. Welche Symptome der Selbstentfremdung des modernen Menschen nannte Adorno? • Die Standardisierung der Güter schließe individuelle Entwürfe und Wahlen aus. • Die Dinge bekämen zunehmend Warencharakter, so würde man Geschenke tauschen. • Das Zweckmäßige verdränge das Private (leise schließende Türen verschwinden). • Die Hast der Arbeit greife auf die Freizeit über. • Die Kunst als Teil der Massenkultur zerstöre die Innerlichkeit, die Gestaltungsfähigkeit. • Die Kunst diene nur als Unterhaltung der Industriegesellschaft, verliere den Charakter. Was forderte Adorno von der Ästhetik? Diese solle radikal ihre Kräfte entfesseln. Dadurch könne sie die Funktionen der Dinge selbst entwickeln und zustande bringen, was Produktionsverhältnisse sonst verhindern. Welche Auswirkungen hat die Moderne auf die Psychologie? Die Psychologe ist im doppelten Sinne eine moderne Wissenschaft: Zum einen sind ihre Theorien modern, zum anderen leistet sie der modernen Welt praktische Dienste. In der Tat wuchs die Psychologie seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts an den Unis enorm. Auch wurden psychologische Weltkongresse abgehalten (der erste 1889 in Paris). Auch die Internationalität als Kennzeichen der Moderne erfüllt die Psychologie. Weltweit wurden psychologische Institute nach dem Vorbild der deutschen gegründet. Was ist das kräftigste Argument und Indiz einer Modernität der Psychologie? Die Hinwendung zu den Naturwissenschaften. Dies begründet der Professor Theodor Ziehen (1862-1950) damit, daß die alte spekulative Psychologie verlassen sei und die neue auf induktiver Empirie basiere. Alle Metaphysik sei verbannt, nur Erfahrung und Beobachtung sei maßgebend. Damit prägt die Erfahrungsseelenkunde in Verbindung mit der experimentellen Methodik das Bild der modernen Psychologie. Es wurden zahlreiche neue Lehrstühle für das junge Fach eingerichtet, weltweit stieg die Zahl der Institute am 1879 (40 in 20 Jahren). Hinzu kam, daß die praktische Psychologie der Welt nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit ihre Dienste anbot, um die Bereiche des sozialen Lebens zu verbessern. Worin bestand der Wert eines weiteren modernen Prinzips für die Psychologie? Den Wert der Einheitlichkeit von Gegenstand, Theorie und Einheit von Theorie und Praxis. Damit grenzte sie sich in Aufgaben und Kompetenzen von allen anderen Disziplinen ab. Da sie auch die Kriterien der Zweckmäßigkeit und Breitenwirkung erfüllte, beanspruchte sie einen eigenen Platz im Verbund der Wissenschaften, die Fachexpertise ihrer Vertreter sowie einen eigenen Studiengang. Von wem stammt der Entwurf einer einheitlichen, klar abgegrenzten Psychologie? Von dem Berliner Carl Stumpf (1906). Dieser bestimmte die Menge des Wissenswerten und teilte allen wissenschaftlichen Disziplinen einen Anteil an dieser Menge zu. Die Psychologie weit er den Geisteswissenschaften zu, da ihr Gegenstand die einfachen geistigen Funktionen sei. Der Gegenstand der anderen Geisteswissenschaften wären komplexe geistige Funktionen, deren Träger die sozialen Gebilde seien. Insofern teilte Stumpf die Wissenschaften nach ihrem Gegenstand ein, nicht nach ihrer Methodik. Dadurch legt er sie nicht auf die Geisteswissenschaftliche Methodik fest, da die geistigen Erscheinungen körperliche Grundlagen besäßen. Er fordert, daß jede Wissenschaft einen einheitlichen Komplex zu bilden habe, egal welcher Methodik man sich bediene. Wer widersprach Stumpf in Berlin? Eduard Spranger (1926). Dieser meinte, die Psychologie könne keine Einheit bilden, da der Unterschied zwischen Geistes- und Naturwissenschaft unüberbrückbar sei. Die Spaltung zwischen physiologischer und verstehender Psychologie bleibe bestehen. Die physiologische untersuche objektive Gegenstände mit Bezug auf physikalische Objekte, die verstehende gründe in Werten, Absichten und Theorien. Der objektive Sinn sei kausal aus der physikalischen Bedingungen und Prozessen ableitbar, der subjektive nicht. Es bestünden also Wesensmäßige Unterschiede. Was fiel Karl Bühler (1927) auf? Das sich die obigen Fachvertreter nur auf die Bewußtseinspsychologie bezogen. Erweitert man auf die Tiefenpsychologie mit dem Unterbewußten und dem Behaviorismus mit dem Verhalten als neuem Gegenstand, so weitet sich das Angebot an Theorien und Methoden erheblich aus. Dadurch entwickle sich aber nicht eine Vielfalt, welche die Einheit der Psychologie sprengt, sondern diese konstituierten eine höhere Einheit. Die Krise der Psychologie bezeichnet er als Übergangsstadium, welches überwunden werden wird. Die Gegensätze bestünden nur scheinbar. Am Ende sei eine einheitliche Wissenschaft zu erwarten, da sich der Zusammenhang der scheinbaren Gegensätze erweisen werde. Als Gegensätze kannte er Geist/Körper, Subjekt/Objekt, Bewußtes/Unbewußtes, Erleben/Verhalten, Individuum/Gesellschaft. Wer vertrat zu Beginn der Moderne einen Einzelansatz, wer nicht? Die praktischen Psychologen drängten auf die Psychologie als Einzelwissenschaft mit einer eigenen, einheitlichen und abgegrenzten Expertise. Die experimentelle Psychologie verstand sich zunächst als interdisziplinär. Mitglied in der Gesellschaft für experimentelle Psychologie waren die Vertreter vieler Bereiche und Berufe. Dies änderte sich 1929, in welchem Jahr die Gesellschaft für Psychologie zunehmend berufspolitische Ziele verfolgte, vor allem eine verstärkte Psychologieausbildung und Anerkennung der psychologischen Praxis. Daraufhin verließen die Pädagogen, Philosophen und Mediziner die Gesellschaft. In den USA vollzog sich eine ähnliche Entwicklung. Was kennzeichnete die Professionalisierung der modernen Psychologie? Die Einrichtung eines Diplomstudienganges. Die Diplomstudienordnung wurde in Deutschland 1941 erlassen. Diese sollte mit hohen und breiten Anforderungen die Sonderkompetenz der Berufspsychologen sicherstellen. Ziel war die Scheidung zwischen akademisch gebildeten Psychologen und puren Scharlatanen in der Psychologie. Welche drei Theoriegruppen waren in der Psychologie des 20. Jahrhunderts modern? Der Kognitivismus, auch Bewußtseinstheorie. Die Tiefenpsychologie, auch Theorie des Unbewußten. Der Behaviorismus, die Theorie des Verhaltens. Warum wurde dieser Studiengang eingerichtet? Er beginnt mit einer Einführung in die Grundlagenforschung und endet mit der Qualifikation für die Praxis. Er diene der Pflege und Stärkung der Volkskraft. Die Psychologie wurde in der Moderne Einzelwissenschaft, weil sie eine der Moderne angemessene Praxis versprach. Worin besteht der Wert dieser drei Theorien für die Psychologie? Die jeweiligen Theorien schufen eigene Paradigmen. Die Psychologie bestätigte sich auch dadurch als Einzelwissenschaft, daß sie diese Paradigmen allein für sich vereinnahmte. Karl Bühler (1927) erkannte sie als erster als gleichwertige Bestandteile der Psychologie an. Er unterscheidet diese anhand ihres bevorzugten Gegenstandes: Bewußtsein, Unbewußtes und Verhalten. Worin bestehe die Krise der Psychologie nach Bühler (1927)? Durch die getrennte Sicht der Gegenstände innerhalb der jeweiligen Paradigmen. Die Krise werde überwunden, indem man lernt, die Gegenstände in ihrem Zusammenhang zu sehen. Wolle man großes von der Zukunft erwarten, müsse man Konkordanz zwischen den Theorien herstellen. Die Krise wurde dadurch verschärft, daß sich die Vertreter der Paradigmen Bühler nicht anschlossen, sondern sich als Konkurrenten sahen. Sind die Theorien der Moderne selbst modern, inwieweit trugen sie zur Moderne bei? Am entschiedensten bot sich der Behaviorismus als neue Lehre für eine neue Zeit an. Dieser wurde von John B. Watson (1913) als völlige Umwälzung der Psychologie angekündigt. Er rechnete mit Mentalisten und Metaphysikern innerhalb der Psychologie ab, es zähle allein die strenge Verhaltensbeobachtung, Begriffe wie Bewußtsein, Seele und Introspektion seien ab sofort in der Psychologie tabu. Die Psychologie könne sich auf Reiz und Reaktion beschränken. Watson beruft sich auf die Fortschritte in den Naturwissenschaften durch diese Methoden. Er argumentiert ähnlich wie die physiologischen Psychologen, hat jedoch einen radikaleren Ansatz. Die Psychologie solle eine Lerntheorie sein. Diese solle die Anpassung an neue Gegebenheiten fördern. Auch die Bewußtseinspsychologie wird durch die Unschärfe von Begriffen und Methoden verworfen. Behaviorismus sei praktisch anwendbar. Inwiefern begründet die Tiefenpsychologie ihren modernen und fortschrittlichen Anspruch? Sie sieht sich als Glied der Aufklärung. Es geht darum, das Unbewußte des Menschen aufzudecken und zu seiner Selbstbefreiung und Selbsterkenntnis beizutragen. Der Begründer der Schule, Sigmund Freud hatte Mündigkeit und Handlungsfähigkeit des Menschen als Ziel Als Motto: „Wo es war, soll ich werden“. Es waren die ungezügelten Triebe, Ich die Fähigkeit zur realitätsnahen Wahrnehmung und angemessenen Handlung. Fortschritt war für Freud, die menschlichen Bedürfnisse ohne Angst vor Strafe zu verwirklichen (als Kulturarbeit). Allerdings stand Freud der Massengesellschaft ablehnend gegenüber. Diese schwächten das Ich in Anlehnung an Barbaren. Das Ich werde geschwächt und mächtig, ein Prothesengott. Die Moderne befriedige die Bedürfnisse der Menschen nicht wirklich. Er war Kulturpessimist Dadurch war die Tiefenpsychologie als Gegenkraft zur Moderne eine moderne Theorie. Im Sinne der Frankfurter Schule stärkt sie das Ich gegen die Entfremdung durch die Technik. Wie modern ist der Kognitivismus? Die Verfechter der idealistischen Philosophie im frühen kognitiven Lager sahen ihre Theorien als zeitlos an. Die kognitivistische Psychologie konnte man abgewandt von der Aktualität ohne Nutzanwendung in den neuen Instituten betreiben. Allerdings findet der Kognitivismus in den 60ern den Anschluß an die moderne Technik. Man entwirft Modelle der Informationsverarbeitung in Analogie zur Computermetapher. Als Pionier gilt Donald E. Broadbent (1958) aus England. Er beschäftigt sich mit alten Problemen modern(Infotechnik). Welche psychologischen Theorien schafften den Übergang in die Moderne nicht? Der Okkultismus hat es nicht geschafft. Er kämpft seither außerhalb der akademischen Wissenschaft um sein Überleben. Die Vertreter aller großen drei Richtungen lehnten ihn ab. Ihm wurde die Wissenschaftliche Berechtigung als Metaphysik der dummen Kerle abgesprochen. Diese Abwendung dokumentierte sich in den Programmen der großen Kongresse. Carl Stumpf lehnte ihn 1896 explizit ab. Andererseits erkannte Max Dessoir die Bezüge des Okkultismus zur Psychologie an. Dieser schlug den Namen Parapsychologie vor. Dazu rechnete er auch die Psychologie des Unbewußten. Deshalb steht auch die Esoterik der Tiefenpsychologie so nahe. Dies war ein weiterer Grund der Akademiker, auch die Tiefenpsychologie abzulehnen. Andere Themen der Parapsychologie waren Spiritismus, Magie und Telepathie, mystische Philosophien. Jedoch sind diese Phänomene meist durch Betrüger bestimmt und die Hoffnung auf einen aufgeklärten Okkultismus nach Dessoir und Stumpf gering. Die Zuwendung zur modernen Naturwissenschaft waren ein Hauptgrund für die Abwendung vom Okkultismus. Was war das Programm des Behaviorismus? Psychologie als Lehre vom Verhalten zu betreiben. Deren Entwürfe entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts. Die zwei Grundlegenden Schriften speisten sich aus verschiedenen Quellen und wurden von William McDougall(1871-1938) und John B. Watson (1878-1958) programmatisch vorgelegt. Beide warben 1912/1913 für eine biologische Ausrichtung der Psychologie. Diese Konzeptionen unterschieden sich selbst voneinander. Wie konzipiert McDougall die Psychologie? Ziel der Psychologie sei es, das Verhalten von Mensch und Tier zu verstehen und die Macht diese zu beherrschen stärken. Er begründete dies mit drei Prinzipien: • Alle Lebewesen besitzen eigene Triebe = konative Dispositionen = triebhafte Instinkte. • Zur Befriedigung dieser Triebe verfügen alle Arten über eigene Verhaltensweisen, das artspezifische Instinktverhalten. • Neues Verhalten lernen die Lebewesen insbesondere in neuen Umgebungen. Diese belegt er aus der Beobachtung von Tieren, vor allem von Vögeln beim Nestbau. Die Instinkte seien angeboren, nach einer Reifezeit bedürfe es nur angemessener Auslöser und die Triebe bringen das Verhalten hervor. Möwen die Schiffen hinterherfliegen haben das gelernt. Welche Fragen greift die behavioristische Psychologie unter diesen Prämissen auf? • Welches sind die den Menschen und Tieren arteigenen Verhaltensweisen? • Wie entsteht neues, erlerntes Verhalten? • Welches sind die äußeren Reize, die das angeborene und erlernte Verhalten auslösen? • Welches sind die inneren Reize, die Triebreize, die ang. u. erlerntes Verhalten auslösen? • Wie wirken Erfolg und Mißerfolg, Lohn und Strafe auf die Ausführung von Verhalten? • Wie wirken Erfolg und Mißerfolg, Lohn und Strafe auf den Erwerb von Verhalten? Die unterschiedlichen Forschungsprogramme innerhalb des Behaviorismus gewichten die Bedeutung der jeweiligen Fragen unterschiedlich. Welchen Weg nahm die von McDougall konzipierte Verhaltensforschung? Einen anderen als die von Watson vorgeschlagene. McDougall konzentrierte sich auf Instinktverhalten, vor allem arteigene, angeborene und innere Triebe. Watson betonte das Lernen neuer Gewohnheiten und den Einfluß von Lohn und Strafe auf das Lernen. Was folgte aus diesen unterschiedlichen Konzeptionen? Unterschiedliche methodische Orientierungen. Beide bekannten sich zu Evolutionstheorie, Positivismus und Utilitarismus als Grundlage, jedoch waren die Behavioristen pragmatischer. Welches Verständnis prägte den Behaviorismus? Er wollte als Methode nur noch die strenge, als objektiv anzuerkennende Beobachtung des Verhaltens als wissenschaftlich gelten lassen. Demgegenüber schloß McDougall das Bewußtsein nicht aus der Untersuchung aus. Allerdings setzte sich Watson bei dieser Auseinandersetzung durch. McDougall bezeichnet heute kaum noch jemand als Behavioristen Watson wertete auch die Naturgeschichte ab, angeborene Triebe seien im Sinne einer Milieutheorie oder einer Erziehungstheorie durch neu gelernte Gewohnheiten ersetzbar. McDougall konzipiert den Menschen als viel stärker von Instinkten geprägt. In diesem Paradigma dauern Veränderungen länger. Er setzte der Milieutheorie den Animismus entgegen, in diesem sei menschliches Verhalten von innen, aufgrund eigener Triebenergien geprägt. In der Tat dominierte aber das Watsonsche Verständnis den Behaviorismus. Kann man den Behaviorismus als Inbegriff der amerikanischen Psychologie sehen? Manche tun dies, indem sie ihm übertriebenen Utilitarismus, Positivismus und Materialismus vorwerfen. Dies sei typisch amerikanisch. Dabei wird jedoch verkannt, daß sich diese Philosophien zunächst in England und Frankreich entwickelt wurden und dort eine lange Tradition haben. Diese Lehren gelangten durch die Kolonien an die amerikanische Ostküste. In diesem Sinne ist der Streit um den „amerikanischen“ Behaviorismus nur eine Neuauflage alter Kontroversen in neuem Gewande. Wie legte McDougall seine Verhaltenstheorie dar? 1908 in seiner Sozialpsychologie. In dieser deutete er menschliches Handeln in allen Lebensbereichen. Dieses Handeln beruhe auf angeborenen Neigungen, Instinkten. Diese drängen den Menschen zu ihren Handlungen. Der stärkste Instinkt setzt sich durch. Der Mensch habe jedoch einen Willen um im Sinne der Moral einen stärkeren Instinkt zu unterdrücken. Diese Theorie nannte er später hormische Psychologie (=drängen). Instinkte seien dem Menschen innewohnende Energien. Entscheidend sei der Drang zur Tätigkeit, nicht das Ergebnis selbst, so bauten Vögel ihre Nester auch ohne Eier. Der Mensch folge eben so seinen Trieben, auch wenn er dadurch schaden nimmt. Er unterschied sich damit von den Theorien sensu Watson, die er hedonistische Theorien nannte, da diese Lust und Unlust zu maßgebenden Bedingungen des Verhaltens erklären. Innerhalb der hormischen Psychologie sind die Menschen jedoch im inneren Drang vielen Tieren ähnlich, da sie mit diesen die gleiche Naturgeschichte teilten. Welche Instinkte kennt McDougall? 1. Fortpflanzungs- und Pflegeinstinkt. 2. Kampf- und Herdeninstinkt. 3. Abwehr- und Fluchtinstinkt. 4. Erwerbs- und Schaffensinstinkt. Welche Karriere machte McDougall? Er fing in Oxford an. Wechselte dann in die USA. Machte selbst keine Tierbeobachtungen in der Natur. Er stützte sich auf Beobachtung von Tieren in Labors und im Haushalt. Welche Menschen führten die Theorien von McDougall weiter? Die Naturforscher, die sich dem systematischen Beobachten des Verhaltens der Tiere in ihrer natürlichen Lebenswelt verschrieben haben. Sie erweiterten das Wissen über Tiere sehr. Karl von Frisch (1886-1982) entdeckte die Kommunikation zwischen Bienen, Nikolaas Tinbergen (1907-1988) ermittelte das Sozialverhalten von Vögeln und Konrad Lorenz (1903-1989) die Prägung von Jungtieren auf Mutterwesen, die nicht mit der biologischen Mutter identisch sein müssen. Durch diese Forschung wurde die Instinktlehre zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin. Man nennt diese Verhaltensphysiologie oder Ethologie. Dieser Begriff wurde von John Stewart Mill (1843) eingeführt. Die Ethologie ist eine Teildisziplin der Biologie. Auf welche Annahmen stützen sich diese systematischen Tierbeobachtungen? • Jede Gattung besitzt ein eigenes Repertoire an Verhaltensweisen (Aktionskatalog). Dieses gattungsspezifische Verhalten vollzieht sich stets in gleicher Weise. • Verhalten kann spontan, d.h. aufgrund innerer Reize oder Triebe auftreten. • Meist wird Verhalten durch besondere Reize aus der Umwelt ausgelöst (Signalreize, key). • Die Regelmäßigkeit mit der ein Schlüsselreiz Verhalten auslöst, läßt auf einen sensorischnervösen Auslösemechanismus schließen. • Je stärker der Schlüsselreiz, desto besser reagiert der angeborene Auslösemechanismus. Innere Reize, Stimmungen erhöhen die Reaktionsbereitschaft. Daher wirken meist innere und äußere Reize bei der Auslösung von Verhalten zusammen (Reizsummenregel). Wie weit diese Begriffe und Regeln auf Menschen übertragbar ist, ist umstritten. Was zeigen die Anfänge des Behaviorismus? Welcher Stellenwert der Ethologie in der Psychologie eigentlich zukommt, auch wenn sich diese mittlerweile weit vom eigentlichen Fach Psychologie entfernt hat. Was ist ein zentraler Bestandteil der behavioristischen Lerntheorie? Die Lehre von den Verbindungen zwischen Reizen und Reaktionen. Diese wurde von Edward L. Thorndike weit als Assoziationstheorie gefaßt, von Iwan P. Pawlow speziell als Theorie vom bedingten Reflex. Beide führten eine neurophysiologische Erklärung an. Welche Konzeption vertritt Thorndike (1913)? Dieser unterscheidet zwischen den Situationen (S) denen ein Individuum ausgesetzt sein kann und den Aktionen (R), mit denen es auf die Situationen antwortet. Diese können motorischer oder mentaler Natur sein. Nervöse Mechanismen verknüpfen Aktionen und Situationen. Diese können verschieden stark sein. Grundsätzlich lasse sich für jede Kombination von Situation und Aktion die Stärke angeben. Dies führt zu einer Matrix. Die Werte in der Matrix geben die Stärke von Verknüpfungen an. Je stärker eine Verknüpfung, desto höher die Bereitschaft (readiness) zu einer Aktion in dieser Situation. Gewohnheiten (habits) nennt der Autor mit Situationen verknüpfte Aktionen. Diese Konzepte untersuchte er bei Tieren, vor allem Katzen Zu welchen Ergebnissen kam Thorndike (1898)? Er sperrte dreizehn hungrige Katzen in einen Käfig. Diesem konnten sie entkommen, indem sie den Riegel öffneten. Dies gelang, aber zuvor machten sie viele unnütze Bewegungen. Je öfters man den Versuchs wiederholte, desto mehr nahm die Anzahl der unnützen Bewegungen ab. Nach einigen Tagen öffnen die Katzen gezielt den Riegel. Dies nennt man Lernen nach Versuch und Irrtum mit irrtümlichem Erfolg. Thorndike selbst bezeichnete dies als „Lernen durch Analyse und Selektion“. Wie konzipierte Thorndike Lernen? Als Prozeß der Evolution. In frühen Stadien sind viele Einzelheiten der Situation mit vielen Tätigkeiten verknüpft. Durch Analyse werden die für die Situation bedeutsamen Merkmale erkannt, daraus die in der Situation sinnvollen Regeln abgeleitet. Der Selektionsvorgang besteht darin, daß bedeutsame Situationsmerkmale und nützliche Aktionen verknüpft werden. Vorteilhafte Gewohnheiten setzen sich deshalb ebenso durch wie angepaßte Lebewesen. Welche Gesetze kannte Thorndike für die Gewohnheitsbildung? Das Gesetz der Übung (Law of exercise). Je häufiger die Aktion in der Situation ausgeführt wird, desto stärker die Verbindung. Und das Gesetz der Wirkung (Law of effect). Die Stärke von Gewohnheiten wächst, wenn während oder nach der Aktion Befriedigung erfolgt. Die Stärke der Gewohnheit sinkt, wenn ein lästiger Zustand während der Aktion eintritt. Wie entwickelte Pawlow seine Lehre? Dieser entwickelte die Lehre vom bedingten Reflex (1904) ungefähr zur gleichen Zeit wie Thorndike. Er beschäftigte sich mit Hunden und bemerkte, daß diese bereits vor der Fütterung mit dem Speicheln beginnen. Wie bezeichnet man in der Neurophysiologie einen Reflex? Als Reaktion (z.B. Schreck) auf einen Reiz (z.B. Knall). Reize werden auf afferenten Bahnen im Gehirn gemeldet, dort umgeschaltet und lösen über efferente Nervenbahnen Reaktionen von Muskeln oder Drüsen aus. Was sah Pawlow als Einheit des Verhaltens? Den Reflex. Das ganze Leben lasse sich als Reflex betrachten, den Lebensreflex. Dieser gliedere sich in unzählige Teilreflexe. Diese seien sowohl angeboren, als auch erworben. Die angeborenen sah er als unbedingt an, die erworbenen als bedingt. Was wird unter dieser Bedingung verstanden? Ein Lernprinzip. Der Ersatz eines Auslösers durch einen anderen. Den ursprünglichen Auslöser eines Reizes nennt man unbedingten Reiz. Bedingt sind Reize, die durch einen neuen Auslöserreiz hervorgerufen werden. Die neuen Auslöser nennt man bedingten Reiz. Dieses Bedingen erklärte Pawlow als Umschaltung eines Reflexes auf einen neuen Auslöser. Diese Umschaltung ereigne sich, wenn ein neuer Reiz während eines unbedingten Reflexes wirksam wird. Der neue Reiz kommt gleichzeitig an der Synapse an und wird als Auslöser hinzugeschaltet. Die Synapse kann dies nicht mehr differenzieren und reagiert auf beides. Wie gingen die Behavioristen mit dieser Lehre um? Sie erkannten sie als Bereicherung ihrer eigenen Auffassungen über die Bildung neuer Gewohnheiten. Sie nannten den Begriff des Bedingens englisch „Conditioning“. Dieser ist in die deutsche Sprache übernommen worden. Man spricht vom Konditionieren. Pawlow würdigte im Rückblick die amerikanische Forschung. Welchen Begriff differenzierten Hilgard und Marquis (1940) warum? Den Begriff des Konditionierens, weil er ihrer Meinung nach undifferenziert gebraucht wurde. Sie unterschieden das klassische Konditionieren vom instrumentellen Konditionieren. Lernprozesse, bei dem neue Auslöserreize sensu Pawlow gelernt wurden, wurden klassisches Konditionieren genannt. Als instrumentelles Konditionieren nannte man die Optimierung bereits bestehenden Verhaltens sensu Thorndike. Welchen Einfluß hatten diese konnektionistischen Theorien auf die moderne Psychologie? Sie verankern die assoziationistische Position in der modernen Psychologie. Sie verlagerten den Schwerpunkt der Forschung von Gedankenverbindungen zu ReizReaktionsverbindungen, d.h. den Verknüpfungen von Sinneseindrücken und Bewegungen. Es bestand die Erwartung, jede psychische Funktion letztendlich durch Konditionierung zu erfassen. In diesem Sinne schien in dieser Lerntheorie der Schlüssel zu allen anderen psychologischen Gebieten, auch den angewandten, zu liegen. Alles Verhalten sei Ergebnis von Lernprozessen. Wenn man diese Fülle anhand einiger weniger Prinzipien verstehen könnte, wäre das überragend. Wie ging die behavioristische Forschung vor sich? Um Kritik abzuwehren, führte man eine Vielzahl von Experimenten mit Tieren durch. Der grundlegende Charakter der theoretischen Aussagen rechtfertigte dies. Man nutzte vor allem Ratten, Hühner und Tauben. Wie erklärten die fortgeschrittenen Behavioristen, daß Individuen unterschiedlich reagieren? Menschen und Tiere reagieren auf den gleichen Reiz nicht immer gleich. Diesem Einwand suchte Esras A. Asratjan (1971) durch die Bestimmung komplexer Auslöser zu entkräften. Diese entstünden durch das Zusammenschalten mehrerer bedingter Reize. So kombinierte er in einem Raum einen Summton mit einem Elektroschock, in einem anderen Raum den gleichen Ton mit einer Futtergabe. Die selben Tiere wurden in beiden Räumen konditioniert. Sie reagierten auf den gleichen Ton tatsächlich unterschiedlich, abhängig davon, in welchem Raum sie sich befanden. Da dies auch mit mehreren Reizen funktionierte (z.B. Licht) schloß Asratjan, daß die Konditionierung von Verhalten plastisch sei und die Konditionierung das Verhalten den verschiedensten Situationen differenziert anpasse. Deshalb werde die Konditionierung auch der Vielseitigkeit menschlichen Verhaltens gerecht. Wer interpretierte die Fülle der behavioristischen Befunde in einer allgemeinen Theorie? Clark L. Hull (1952) versuchte eine allgemeine Verhaltenstheorie zu entwickeln. Diese arbeitete er mit präzisen Begriffen und anspruchsvollen mathematischen Formulierungen aus. Er formulierte die Theorie in logischen Begriffen, auf der Grundlage von Experimenten entwickelte er ein System von Gesetzen, Postulaten und Annahmen. Dies wurde von manchen als Durchbruch der exakten Wissenschaft in der Psychologie gedeutet. Wie konzipierte Hull seine Theorie? Auch er nahm angeborene Reiz-Reaktionsverbindungen an, befaßte sich aber vor allem mit erworbenen Gewohnheiten. Die Entstehung der Gewohnheiten beschreibt sein 4. Gesetz, daß der habit formation: Wenn Bekräftigungen einander folgen, wächst die Gewohnheit H als beschleunigte Funktion der Zahl von Wiederholungen nach der Gleichung H=1-10-.0305N wobei N die Zahl der Bekräftigungen ist. Wie rekonzeptualisierte Hull die Erkenntnisse von Thorndike? Er bekennt sich im Gesetz der Gewohnheitsbildung auch zum Prinzip von Wiederholung und Bekräftigung. Das Bekräftigungsprinzip formulierte er als zweites Postulat. Ein Trieb (drive) sei die unentbehrliche Voraussetzung für das Lernen von Gewohnheiten. Die Stärke von ReizReaktionsverbindungen nehme zu, wenn mit der Paarung von Reiz und Reaktion eine Triebminderung einhergehe. Unter Trieb verstand er einen Erregungszustand (D), zum anderen einen inneren Treibreiz (drive stimulus, SD). Je nach Triebbedingung wechsle der Triebreiz seine Qualität. Der Erregungszustand spiegelt nur die Höhe, nicht die Qualität der Triebbedingungen wider. Was bestimmt nach Hull also das Verhalten? Äußere Umgebungsreize und innere Triebreize. Auch er nimmt wie Asratjan als besondere Auslöser die Reizkombinationen an. Die Welt der Auslöser ist in der Konzeption von Hull höchst differenziert und variabel. Dies entspreche der Kopplung mit den Aktionen, die auch differenziert und variabel erfolge. Mit jedem Reiz können mehrere Reaktionen verbunden sein. Diese haben abhängig von den vorangegangenen Verstärkungen eine unterschiedliche Stärke. Dies nennt er Gewohnheitshierarchie (habit family hierarchy). (Ratte, Wasser). Wie sieht Hull die Striktheit solcher Gesetze? Nicht absolut. In allen biologischen Strukturen würden spontane Schwankungen, Oszillationen auftreten. Daraus ergeben sich Unregelmäßigkeiten, die wiederum Lernchancen eröffnen. Kommt durch eine solche Schwankung eine Gewohnheit aus dem unteren Bereich der Hierarchie zum Zug, so wird diese evtl. verstärkt und steigt in der Hierarchie auf. Sieht Hull den Menschen als Marionette? Nein, das Auftreten von Verhalten hänge nicht nur von den Gewohnheiten, sondern auch vom spezifischen Reaktionspotential ab (reaction potential E). Dieses hängt von der Gewohnheitsstärke H, der Intensität (I) des Auslöserreizes, dem Triebniveau (D) und dem Anreiz (K, d.h. der tatsächlich erhaltenen Futtermenge) ab. Er nimmt eine sich verstärkende, d.h. multiplikative Beziehung zwischen diesen Größen an. Daraus resultiert die Beziehung: H = E = H • D • I • K. Diese Grundformel ergänzt er durch weitere Annahmen ergänzt um sie einer wachsenden Zahl von Befunden anzupassen, z.B. Reizgeneralisierung oder Hemmung. Welchen Status erhielt Pawlow in Rußland? Pawlow war der Sohn eines Geistlichen. Er studierte an der Uni St. Petersburg. Dort wurde er Dozent für Physiologie. Er beschäftigte sich zunächst mit Verdauung. Eigentlich wollte er sich mit der höheren Nerventätigkeit befassen. Der amerikanische Utilitarismus war ihm fremd. Er bekannte sich aber zum Materialismus. Pawlow wurde zum bedeutendsten Vertreter der Reflexologie, einem Begriff von Wladimir Bechterew (1913). Dieser bezeichnete die Reflexologie als objektive Psychologie geistiger Vorgänge und Inhalte. Bechterew berief sich wiederum auf Setschenow, der zu den Reflexen des Gehirns forschte. Pawlow wurde als liberaler und fortschrittlicher Patriot von der Bolschewisten gelobt, auch wenn er sie nicht mochte. Immerhin vertrat er auch die These von Marx und Lenin innerhalb des dialektischen Materialismus, das Bewußtsein spiegele nur die objektive Realität wider. So genoß Pawlow auf Geheiß Lenins erhebliche Privilegien. Wodurch ist die Reflexologie bestimmt? Einerseits führt sie geistige Vorgänge und Inhalte auf physiologische Grundlagen zurück, andererseits betrachtet sie psychische Erscheinungen als Folge der äußeren Wirklichkeit, des Milieus. Bewußtsein wurde nur als Nebenerscheinung der Nerventätigkeit angesehen. Wer vertrat das Lernen durch Belohnung, das instrumentelle Konditionieren? Burrhus F. Skinner. Dieser bestritt die Generalisierbarkeit des Pawlowschen Prinzips, daß Verhalten auf vorangehende Reize zurückgehe. Das meiste Verhalten trete ohne erkennbare vorangehende Reizung auf. Die Lebewesen würden Verhalten von sich aus emitieren, d.h. aussenden. Das geäußerte Verhalten kann man in der Verteilung über die Zeit erfassen. Es tritt häufig oder selten auf. Diese Verteilung stehe unter dem Einfluß nachfolgener Reize. Dieses Wirkverhalten nannte Skinner operant. Den Einfluß nachfolgender Reize nannte er operantes Konditionieren. (operant = wirksam). Welche Verbindung untersucht Skinner somit? Nicht die Verbindung von vorangehendem Reiz und Reaktion, sondern die Beziehung zwischen Aktion und nachfolgenden Reizen. Diese nachfolgenden Reize nannte Skinner bekräftigend (=reinforcing). Die Stärke dieser Verbindung ergebe sich aus zwei Grundsätzen: Dem Konditionierungsgesetz, d.h. wenn dem Auftreten von operantem Verhalten ein bekräftigender Reiz folgt, wächst die Stärke. Dem Löschungsgesetz, d.h. wenn dem Auftreten bereits konditionierten operanten Verhaltens kein bekräftigender Reiz folgt, sinkt die Stärke. Worauf konzentriert sich das Skinnersche Programm damit? Auf das Thorndikesche Wirkungsgesetz. Es führte auch dessen Tierversuche in großem Umfang weiter. Er untersuchte vor allem Tauben und Ratten in der sogenannten Skinnerbox. Darin konnten sich die Tiere Futter verschaffen, indem sie auf bestimmte Hebel drücken. Ihr Verhalten war die Arbeit, welche die Belohnung erwirkt. Wovon hängt nach Skinner die Steigerung des Verhaltens unter Bekräftigung ab? Von den Bekräftigungsschemata (engl. schedules of reinforcement). Von diesen gibt es mehrere. Diese variieren nach: • Bekräftigungsquote, d.h. dem Verhältnis ausgeführter und bekräftigter Aktionen • den Zeitintervallen, zwischen Bekräftigungen, d.h. der Länge der Pausen. • der Regelmäßigkeit von Quoten oder Intervallen, beide können konstant sein oder nicht. Welche Auswirkungen haben die Bekräftigungsschemata? • Je geringer die Quote der Bekräftigung, desto größer ist die Aktivität • Je kürzer die Zeiten zwischen Bekräftigungen, desto höher ist die Aktivität • Je unregelmäßiger die Bekräftigung beim Lernen ist, desto länger wird Verhalten beim Ausbleiben der Bekräftigung fortgeführt. (Löschungsresistenter) Wie brachte Skinner den Tieren neues Verhalten bei? Durch die Techniken der Näherung (approximation) und Formung (shaping). Unter Näherung versteht man die Heranführung des tatsächlichen Verhaltens an das zu lernende. Man verstärkt die einzelnen Schritte, die zur gewünschten Handlung hinführen. Man verstärkt immer selektiver. Daraus ergeben sich fruchtbare Techniken für die Dressur. Durch diese Methoden konnte den Tieren komplexe Kunststücke beigebracht werden, welche nicht zum ursprünglichen arteigenen Verhaltensrepertoire der Tiere gehören. Wie ergänzte Skinner seine Theorie (1938)? Durch Zusatzannahmen, und zwar: • Diskriminationslernen. Unterscheiden von Reizen, die mit unterschiedlichen Bekräftigungen einhergehen. (z.B. ein go-nogo-Paradigma mit Zusatzreizen). • Beziehung von Bekräftigung und Antrieb (Abnahme der Futterwirkung bei Sättigung). • Verhältnis von Tätigkeitsaufwand und Bekräftigung (Futterwirkung abhängig von Aufwand der Arbeit). Wie nutzen die Behavioristen ihre Erkennntisse? Sehr geschäftstüchtig. Diese wurden verkauft. Die Bekräftigungen Skinners gleichen der Marktwirtschaft. Jedoch gab es auch in Rußland Experimente zum instrumentellen Konditionieren. Diese wurden am Hertzen-Institut unter Anatol G. Iwanow-Smolensky durchgeführt. Dieser konditionierte Kinder und Geisteskranke mit Schokolade, d.h. führte Menschenversuche durch. Wo stand der Behaviorismus erkenntnistheoretisch? Die Vertreter des Behaviorismus machten sich die positivistische Forderung nach der empirischen Begründung theoretischer Sätze zu eigen. Hull trug zur Fortentwicklung dieser Erkenntnistheorie bei. Diese strebte nach logisch verbindlichen Regeln zur Gewinnung theoretischer Sätze. Zunächst entwickelte sich diese Richtung in der strengen Naturwissenschaften, wurde dann aber auch auf die Sozialwissenschaften übertragen. Ziel war eine rationale Einheitswissenschaft. Diese Richtung nannte man logischen Empirismus, bzw. Neopositivismus. Wo befand sich ein bedeutendes Zentrum des Neopositivismus? In Wien. Dem Wiener Kreis gehörten Otto Neurath (1882-1945), Moritz Schlick (18821936), Rudolf Carnap (1891-1970) und Herbert Feigl (1902-1988) an. Diese Gruppe war sozial, demokratisch, und rationalistisch gesonnen und war ein Ärgernis für klerikale und faschistische Gruppen. Ihre Mitglieder wurden zur Emigration genötigt, dadurch verbreitete sich der Neopositivismus schneller in England und Amerika. Wie stand der Behaviorismus zum Neopositivismus? Der Experimentelle Ansatz kommt der Forderung nach der operationalen Definition der Begriffe entgegen, jeder theoretische Begriff sollte durch einen Meßvorgang belegt sein. Außerdem wollte der Behaviorismus die Grundlage aller sozialen Wissenschaften sein. Vor allem die Konzeption Hulls besticht durch die konsequente Zurückführung von Begriffen auf Beobachtungsvariablen. Allerdings bedeutete diese Forderung nach einer operationalen Definition einen Konflikt mit der materialistischen Ausrichtung des Behaviorismus. Watson und Thorndike versuchten die biologischen Grundlagen der Lerntheorie anhand der Darstellung des Nervenapparates zu erläutern. Nach Skinner dürften Psychologische Theorien keine physiologischen Begriffe wie Synapse oder Reflexbahn zur Erklärung benutzen. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungsgrundlage müsse man zwischen der Verhaltensforschung und der Neurophysiologie trennen. Welchen praktischen Ansatz verfolgten die Behavioristen? Einen sehr praktischen. Die Ansichten von Thorndike waren wohl zur Anwendung für Lehrer bestimmt. Die Theorie von Hull war so allgemein formuliert, daß sie praktisch überall zum Einsatz kommen konnte. Watson und Skinner versprachen sich viel für die Pädagogik und die Psychiatrie. Skinner versprach sich von seinen Geräten zum programmierten Lernen enorme Fortschritte in Bildung und Gesellschaft. Er forderte eine Neue Sozialutopie. Durch die Anwendung der behavioristischen Lehre sollte das Wohl der Welt gewährleistet werden. Welche ethische Kritik erfuhren Skinner und Watson? Durch die Befürwortung der Verhaltenskontrolle wurde ihm Menschenverachtung vorgeworfen. Diese forderten eine Verhaltenstechnologie in Anlehnung an die Naturwissenschaften. Der Mensch würde dadurch auch nicht Freiheit und Menschenwürde beraubt. Autonomie, aus der sich Würde und Freiheit ableiten, wäre ohnehin nur eine Fiktion. Skinner bekennt sich zum Sozialdarwinismus, er teilt dessen Fortschrittsglauben als evolutionären Anpassungsprozeß. Das Gute ist das bekräftigend Wirkende, die Besserung des Menschen vollzieht sich durch allseitige Bekräftigung und wechselseitige Verhaltenskontrolle Welche Grundannahmen zeichnen tiefenpsychologische Theorien aus? • Menschen besitzen Gedanken, Erinnerungen oder Gefühle, die nicht ins Bewußtsein gelangen. Das psychische spaltet sich dadurch in einen bewußten und einen unbewußten Bereich. • Das Unbewußte greift, vom betroffenen unerkannt in das bewußte Erleben und das beobachtbare Verhalten ein. Daraus resultieren Fehleinstellungen, Fehlhandlungen und Bewußtseinstäuschungen, sowie Persönlichkeitsstörungen. Das Unbewußte kann Quelle von Leiden sein. • Dem Wirken des Unbewußten verdankt die Kultur einige ihrer größten Leistungen, dies gilt vor allem für die Kunst. Ungewöhnliche Taten der Weltgeschichte haben ihren Ursprung in unbewußten Motiven von Individuen, Gruppen und Völkern. Dies führt zur Frage, ob die kulturellen oder historischen Fortschritte eher individuellen oder sozialen Psychopathien entspringen. • Der tiefenpsychologisch geschulte Wissenschaftler kann die unbewußten Gedanken, Gefühle und Einstellungen, sowie ihr Entstehen aufdecken. Dies geschieht durch Bewußtmachung. Dadurch können Fehleinstellungen korrigiert werden. Aus dieser Sicht ist Wissen über das Unbewußte der Schlüssel zu Glück und Gesundheit, die Unkenntnis ist die Quelle von Krankheit und Unglück. Welche tiefenpsychologischen Ansätze sind besonders bedeutsam? Psychoanalyse, Analytische Psychologie, Individualpsychologie, Neupsychoanalyse. Durch welche kontroversen Fragen innerhalb der Tiefenpsychologie trennten diese sich? • Die Frage nach der Entstehung des Unbewußten. • Die Frage nach dem Inhalt des Unbewußten. • Die Frage nach den Mechanismen des Unbewußten. Welche Widersprüche ergeben sich für Studienanfänger der Psychologie? Viele wissenschaftlich Interessierte, sogar Studienanfänger der Psychologie halten die Tiefenpsychologie für den Kern, wenn nicht ausschließlichen Inhalt der Psychologie. Diese führt jedoch innerhalb der akademischen Psychologie ein Schattendasein. Viele preisen die Tiefenpsychologie als revolutionäre Kraft, Experten kritisieren jedoch Unwissenschaftlichkeit und Unwirksamkeit. Wodurch kommt das Interesse der Öffentlichkeit an der Tiefenpsychologie zustande? Dieses hat wohl mehrere Gründe. Zunächst faszinieren den Laien die Darstellung psychopathischer Fälle. Hier findet die popularwissenschaftliche Erfahrungsseelenlehre ihre Fortsetzung. Die Falldarstellungen erregen mehr Anteilnahme beim Publikum als die nüchterne Darstellung der experimentellen Psychologie. Die Tiefenpsychologie befaßt sich auch mit einem breiten Gegenstandsbereich, egal wie irrational oder esoterisch dieser sein mag. Außerdem trennte sich die akademische Psychologie von der Lebenskunst des gebildeten Bürgertums, nicht jedoch die Tiefenpsychologie. Diese ist weiterhin fest mit den Künsten verbunden. Auch die Romantik trug zu solch mystischen Beseeltheitskonzepten bei. In der Literatur spielte die Tiefenpsychologie bei der Sinndeutung eine zentrale Rolle. Auch der Begriff des Unbewußten mußte nicht durchgesetzt werden. Dieser war weithin gebräuchlich. Er läßt sich mindestens bis zu Leibniz zurückverfolgen und kam im Zuge der Romantik durch das Werk von Eduard von Hartmann (1869) wieder in Mode. Weshalb faßte die Tiefenpsychologie nicht in der akademischen Psychologie Fuß? Der experimentellen Psychologie fehlten die Methoden zur Untersuchung des Unbewußten. Die Verstehende Psychologie erregte sich an den oft urtümlichen und unsittlichen Inhalten, welche die Tiefenpsychologen aus dem Unterbewußten zutage zu fördern behaupteten. Sie verwiesen darauf, daß sich die Tiefenpsychologie vor allem mit Psychopathologien beschäftigt. Und sie glaubten auch nicht, daß diese auf die ganze Menschheit generalisierbar seien. Die Maxime, Psychologie solle vorwiegend vom gesunden und normalen handeln drängte die Tiefenpsychologie an den Rand der akademischen Existenz. Was hat es mit der Psychoanalyse auf sich? Diese ist eng mit dem Begründer, Sigmund Freud(1856-1939) verbunden. Dieser war eigentlich Nervenarzt und wurde Dozent für Neuropathologie. Er verschrieb sich zunächst der streng naturwissenschaftlichen Forschung mit dem Vorbild des Physiologen Ernst Wilhelm von Brücke (1819-1892). Er arbeitete in dessen Laboratorium unter Bewunderung dessen positivistischer Haltung und der präzisen Methodik. Ein Aufenthalt im Institut von Charcot 1885 änderte seine Haltung. Dort untersuchte er die Gehirne von Kindern unter dem Mikroskop und wurde Zeuge von Hypnoseexperimenten und mit der Theorie der Neurosen vertraut gemacht. Dort fand er also beeindruckt von Charcot den Schlüssel zu seiner Psychoanalyse. Er wurde außerordentlicher Professor und Nervenarzt in Wien, sowie ein Opfer des Faschismus. Er mußte emigirieren. Die Psychoanalyse galt als zersetzendes jüdisches Gedankengut. In Frankreich lernte er also die unter dem Bewußtsein verborgene Irrationalität des Menschen kennen, sowie eine geeignete Untersuchungsmethode: Die Technik der Hypnose. Diese suchte er bei der Behandlung von Hysterien anzuwenden. Oft war für diese Tics keine körperliche Ursache festzustellen, weshalb eine psychische angenommen werden konnte. Bei Bewußtsein war die Selbsterkenntnis der Patienten gering. Was war die Grundlegende Idee von Freud? Zusammen mit seinem Freund Breuer vermutete er die Auslöser der Hysterien unterhalb der Bewußtseinsschwelle. Deshalb seien die Ursachen unter der Hypnose erinnerlich. So konnten die Kranken unter Hypnose von traumatischen Zuständen berichten, nach dem diese traumatischen Reminiszenzen bewußt wiedergewonnen waren, verschwanden die hysterischen Symptome. Darin sahen Breuer und Freud den Erfolg der Redekur. Den eingeklemmten Affekten werde der Ablauf durch die Rede ermöglicht. Was waren die Grundprinzipien der Psychoanalyse? • Das Prinzip der Verdrängung: Traumatische Erfahrungen werden aus dem Bewußtsein entfernt, jedoch im Unbewußten gespeichert. • Die Dynamik des Unbewußten: Die unbewußte Erfahrung ist weiterhin mit Affekten verbunden und dringt daher weiterhin zur Wirksamkeit. • Die Sprache hat eine aufklärende Wirkung: Der unbewußt gehaltene Affekt wird frei, indem man die Verdrängung zur Rede bringt und somit rückgängig macht. Warum verdrängt der Mensch die Inhalte ins Unbewußte? Eine Antwort auf diese Frage ist nicht leicht. Freud selbst konzipiert eine Lehre von • drei Instanzen der Persönlichkeit (Ich, Es, Über-Ich) • Grundtriebe (Lebens- und Todestrieb) • Abwehrmechanismen • Symbolik des Unbewußten (Traumtheorien, Witze, Fehlhandlungen) Welches Welt- und Menschenbild entwirft Freud? Der Mensch lebe nach dem Lustprinzip. Er strebe nach einer Befriedigung, d.h. einer Abfuhr seiner Triebe. Das nur auf Lust ausgerichtete Leben ist leidvoll, wenn es die Gefahren mißachtet. Deshalb wird enttäuscht, wer stets nur auf Lust wartet ohne selbst zu deren Befriedigung beizutragen. Das Lustprinzip bedarf also der Ergänzung durch das Realitätsprinzip. Durch dieses soll der Mensch zum Erkennen der Wirklichkeit und zum Handeln in der Wirklichkeit fähig werden. Durch Einsicht und Planung wendet er Schaden ab und erzielt Nutzen. Die Beachtung der Realität mehrt so die Lust. In der frühen Kindheit gebe es Situationen, in denen beide Prinzipien verletzt wären, man verliebe sich in den Gegengeschlechtliche Elternteil, woraufhin man vom gleichgeschlechtlichen dafür gehaßt und sanktioniert werde. Besonders das Schicksal männlicher Kinder wäre drastisch. Der Vater drohe dem Sohn die Kastration an. Der Sohn verzichtet in Angst. Durch diesen Konflikt werden die Forderungen des Vaters verinnerlicht. Um Angst zu vermeiden, werden in Zukunft soziale Gebote und Verbote beachtet. Dieses Schicksal deutete Freud als allgemeines Menschheitsschicksal. Dies würde bereits in der Sage vom Ödipus beschrieben. Als weibliches Gegenstück konzipiert der Autor den Elektrakomplex. Deren Komplex beruhe nicht auf Kastrationsangst, sondern auf Penisneid und Groll auf die Mutter ob der mangelhaften Ausstattung. Welche Gewaltenteilung innerhalb der Psyche konzipierte Freud? Das Es sei für das Lustprinzip zuständig. Das Ich ist für das Realitätsprinzip zuständig. Für soziale Ge- und Verbote ist das Über-ich zuständig. Eine wichtige Eigenschaft des Ich ist seine Bewußtheit. Die Inhalte des Ich seien bewußtseinsfähig. Wären sie nicht im Bewußtsein, so wären sie im Vorbewußtsein und könnten jederzeit ins Bewußtsein wechseln. Das Unbewußte ist der Bereich des Es, in diesem blieben wichtige Trieberregungen unbewußt. Oft werden sogar Inhalte aus dem Bewußtsein ins Unbewußte abgeschoben. Welche Beziehungen zwischen den Instanzen der Persönlichkeit nimmt Freud an? Sowohl Es- als auch Über-ich stellten rücksichtslose Ansprüche. Es- und Über-ich stünden im Gegensatz zueinander, oft ist das Streben nach sinnlicher Lust gegenläufig zur Forderung nach sozialer Ordnung. Beide verhalten sich häufig wirklichkeitsfremd. Beide Tendenzen schaffen Probleme. Dem Ich kommt die Rolle der Vermittlung und Kontrolle zu. Es müsse zwischen den Ansprüchen von Es und Über-ich einen Ausgleich schaffen und beide Ansprüche der Realität anpassen. Hierzu gehört der Belohnungsaufschub. Andererseits muß das Ich auch seinen Einfluß ausüben, um innere Wünsche gegen äußeren Widerstand zu erfüllen. Man spricht hier von dynamischen Beziehungen zwischen den Instanzen der Persönlichkeit. Da die Aufgaben so schwierig sind, bedarf es eines starken Ich um sie zu bewältigen. Oft fehlt es dem Ich an Stärke oder Sicherheit dieser Stärke. Dann entwickelt das Ich Angst. Welche drei Ängste des Ich erwachsen aus dieser Konzeption? Die Realangst vor der Außenwelt, die Gewissensangst vor dem Über-ich und die neurotische Angst vor den Ansprüchen des Es. Was ist der Lebenstrieb? Er ist die erste Grundlage des Lebens, die Libido. Diese Libido sei der Grundbestand des Es. Libido sei Energie und Spannung. Diese suche sich Objekte, besetze diese und komme durch den Genuß der Objekte zu Entladung und Entspannung. Beim Übergang der Libido auf die neuen Instanzen, komme es zu einer Differenzierung. Neue Objekte werden libidinös besetzt. Das Thema der Sexualität durchziehe als maßgebliches Thema die Entwicklung der Libido. Das psychische Leben widme sich vor allem der Befriedigung sexueller Wünsche und leide unter deren Unterdrückung oder Verformung. Was ist der Todestrieb? Durch die Erfahrung des 1. Weltkrieges führte Freud 1920 ein weiteres Prinzip ein: Den Todestrieb. Dieser dränge zum Anfangszustand, dem Nichts und Chaos zurück, aus dem das Leben hervorgegangen sei. Die Erweiterung der Theorie nannte Freud selbst spekulativ, jedoch notwendig um die vehemente Aggression und Wiederholung des gleichen zu erklären. Welche Abwehrstrategien benutzt das ich wozu? Das Ich gerät durch die vielen Aufgaben leicht in Bedrängnis und Angst. Um sich vor dieser Angst zu befreien, benutzt das Ich eigene Abwehrmechanismen. Zentral für die Psychoanalyse ist der Begriff der Verdrängung: Die angstauslösenden Wünsche und Vorstellungen ihrer Objekte werden aus dem Bewußtsein ins Unbewußte verschoben. Weitere Mechanismen sind Projektion und Reaktionsbildung. Projektion ist die Zuschreibung der angstauslösenden eigenen Wünsche und Gefühle an andere. Reaktionsbildung ist die Umkehr angstauslösender Wünsche und Gefühle. Diese Mechanismen spiegeln dem Bewußtsein Verhältnisse vor, welche keine Angst hervorrufen. Jedoch wird die Kenntnis der ängstigenden Inhalte nur ins Unterbewußtsein verlagert. Welche Konzeption der Fiktion vertritt Hans Vaihinger (1852-1933)? Dieser trat mit einer Philosophie des Als Ob (1887) hervor. Er unterscheidet die objektive Gültigkeit von Erkenntnis und deren Wert für die Lebenspraxis. Der Mensch könne lediglich Fiktionen und Vorstellungen bilden. Diese Lehre ist dem amerikanischen Pragmatismus mit den Nützlichkeitskriterien ähnlich, unterscheidet sich aber darin, daß er meint, erfolgreiches Handeln setze nicht die Erfassung der Wirklichkeit durch sinnliche Erfahrung voraus. Nach Henrik Ibsen (1828-1906) können diese Fiktionen jedoch nur eine begrenzte Zeit zur Bewältigung des Lebens helfen. Irgendwann werden die Lebenslügen aufgedeckt. Welche Beziehung hat die Psychoanalyse zur Lebenslüge? Auch die Psychoanalyse deutet das Bewußtsein als Fiktion, die Erinnerung an Angst, Schuld und Gewalt wird verdrängt und dadurch wird neues Leiden geschaffen. Welche Beziehung besteht zwischen Sexualität und Aufklärung? Liebe war im 18. und 19. Jahrhundert das bevorzugte Thema der Literatur. Dabei wurden Schilderungen von Einzelheiten des körperliche Geschehens zunächst gemieden. Die Schriftsteller Giacomo Casanova (1725-1798), Donatien de Sade (1740-1814) und Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) taten dies und erregten größtes Aufsehen. Unter dem Normaspekt war das Liebesleben ein Teil der Moralphilosophien, es gab eheliche Pflichten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bürgerte sich ein neuer Begriff für Liebe ein, die Sexualität. Parallel dazu begann die wissenschaftliche Untersuchung derselben. So legte 1886 Richard von Krafft-Ebing die Psychopathia sexualis vor. Dieses Werk bereitet die Grundlage für Freuds Sexualtheorie. Dieses Buch schilderte alle Arten sexueller Abarten. Neben der Kunst kam das Bürgertum also über die Wissenschaft auf Sexualität zu sprechen. So setzt die wissenschaftliche Sexualtheorie die Aufklärung fort, die rationale Erörterung voranzutreiben und Vorurteile zurückzudrängen. Freud klinkte sich in diesen Prozeß ein, auch wenn KrafftEbing die Theorie Freuds ablehnte. Wie und an welchem Beispiel erklärt Freud die Kulturleistung? Die Libido ist zunächst nur auf das Individuum ausgerichtet. Erst der Verzicht auf individuelle Triebansprüche durch die Sublimination bringt die Kulturleistung hervor. Als bevorzugtes Fallbeispiel nimmt er Leonardo da Vinci. Da er homosexuell gewesen sei, dies nicht ausüben habe können, habe er seine Libido in Wissenschaft und Kunst entladen. So werde die Libido sublimiert (=verfeinert, erhaben). Wie kommen all die mannigfachen Wünsche und Bedürfnisse zustande? Dadurch, daß das Ich nach Anwendung der Abwehrmechanismen den Grundtrieben Objekte zur Besetzung zuweist. Welchen Zugang gibt es zu den ins unbewußte verdrängten Triebregungen? Diese Affekte ruhen nicht. Sie drängen mit libidinöser Kraft zurück ins Bewußtsein und suchen nach einer Verwirklichung im Verhalten. Das Zurückdrängen ins Bewußtsein kommt in den Träumen zum Ausdruck, ins Verhalten durch Fehlhandlungen im Alltag. Das Ich leiste gegen das Zurückdrängen Widerstand. Im Schlaf sei es jedoch nicht stark genug. Im Traum gelinge es zumindest, die Zensur teilweise zu umgehen und die Inhalte symbolisch mitzuteilen. Unanständige Worte treten als Symbole des Unbewußten ins Bewußtsein. Es gibt auch Symbolhandlungen. Diese umfassen scheinbar zufällige Handlungen, wie etwa ein unabsichtliches Fallenlassen einer Vase. Welche Methode erneuerte die Psychoanalyse in einer hochtechnischen Zeit? Sie wies darauf hin, daß im Menschen selbst ungeheure Dynamiken wirken, die der naturwissenschaftlichen Betrachtung verborgen bleiben, aber von größter Relevanz sind. So wurde von der Psychoanalyse die Kunst der Hermeneutik, der Interpretationskunst erneuert. Weshalb wurde die Analytische Psychologie von wem konzipiert? Selbst bei tiefenpsychologischen Autoren war die Deutung Freuds umstritten. Der Schweizer C.G. Jung entwickelte eine einflußreiche Alternative. Für ihn sind Gegensätzlichkeiten besonders wichtig, z.B. Feuer/Wasser, Himmel/Erde. Diese findet er auch in der Seele des Menschen: Gut/Böse, Männlich/weiblich, etc. Jung meint, die Welt und die Seele zerbrächen nicht in ihren Gegensätzen sondern fügen sie zu einem geordneten Ganzen zusammen. Was ist der Garant der Einheit der Seele? Das Selbst. Was ist eine Zweiheit der Seele? Die Dichotomie zwischen Bewußtem und Unbewußtem. Wie konzipiert Jung das unbewußte? Das unbewußte sei nicht, wie Freud das beschreibt in Angst und Konflikt durch Verdrängung aus dem Bewußtsein abgespalten worden, sondern es sei die ursprüngliche Seelenschicht. Das Bewußtsein habe sich in der Stammesgeschichte erst später entwickelt, und zwar so schnell, daß es sich teilweise vom Unbewußten entkoppelt habe. Daraus ergeben sich Kommunikationsprobleme. Die Anschauung im Unbewußten ist bildlich. Das Bewußtsein bevorzugt aber die Begriffe der Sprache. Es bestünde ein reger Austausch zwischen dem Unbewußten und dem Bewußten, dies erkenne man an intuitiven Urteilen und Entscheidungen. Jeder Mensch bilde im Laufe der Zeit einen eigenen Bestand an unbewußten Erfahrungen. Dies sei das persönliche Unbewußte. Was ist das besondere und zentrale an der Analytischen Psychologie? Es wird ein kollektives Unbewußtes angenommen. Dieses wäre allem Menschen gemein. In diesem sammeln sich grundlegende Menschheitserfahrungen wie Naturereignisse oder allgemeine Lebenserfahrungen. Diese prägen sich als Bilder ein. Diese nennt Jung Archetypen, Urbilder. Diese hätten sich in der Menschheitsgeschichte angesammelt und würden ständig weitergegeben, auch zwischen verschiedenen Kulturen. Wie verständlich sind die Urbilder aus dem Unbewußten? Gar nicht. Den meisten erscheinen sie sinnlos, sie kommen aber immer wieder in Märchen und Sagen vor. Aufgabe der Wissenschaft wäre es, diese zu entschlüsseln. In diesem Sinne ist die Mythologie eine Projektion des Unbewußten. Deshalb sucht die Analytische Psychologie nach Bildern mit existentieller Bedeutung, z.B. Mond = Frau. Die Bilder sind wie in der Psychoanalyse symbolisch kodiert. Werden sie entdeckt, so können sie gedeutet werden. Wie nennt Jung die Lebenskraft des Menschen? Wie Freud nennt er sie Libido. Diese ist aber nicht nur die sexuelle Energie. Sie nährt sich aus allen Instinkten des Menschen und ist in ihrer Richtung nicht festgelegt. Sie aktiviert seelische Tätigkeiten wie den Willen oder die Phantasie, auch die Archetypen selbst. Indem die Libido dem Ich zufließt, hilft sie der Bewußtwerdung. Ich nennt Jung den bewußten Geist. Die Libido könne jedoch auch unbewußt wirken. Wie baut Jung seine Neurosenlehre auf? Durch die unterschiedliche Verteilung der Libido auf verschieden Schwerpunkte bildet sich Individualität aus. Komplexe bilden sich, wenn einem Thema besonders viel Libido zukommt. Würden jedoch Archetypen mit einem Übermaß an Libido ausgestattet, würden sie Komplexe übergewichtet und die Persönlichkeit in den Wahn treiben. Dadurch würde sozialer Schaden angerichtet. Deshalb würden Neurosen auf Macht, Göttlichkeits, Männlichkeits und anderen Komplexen beruhen und in einem Wahn (Gier) nach diesen Dingen münden. Somit besteht die Therapie Jungs darin, diese leidbringenden Komplexe im Gespräch aufzulösen. In welcher Tradition steht die Analytische Psychologie? Er verwertet viele Ideen aus Mystik (Dichotomien) und Neuplatonismus. Auch hat der Begriff des Archetypus im Idealismus eine lange Tradition (angeborene Ideen, die Anschauung ermöglichen). Jung reiht Archetypen als Naturgegebenheit ein: Evolutionstheorie, vererbt. Welche Konzeption vertrat Adler? Er bestritt die vorherrschende Rolle der Sexualität und konzipierte selbst eine Theorie über die Minderwertigkeit von Organen. Inhalt des Unbewußten wäre vor allem die Erfahrung der eigenen Unzulänglichkeit. Diese würden Neurosen verursachen. Menschen hätten Schwächen, wie z.B. Kleinwüchsigkeit oder Sprachfehler. Diese versuchten sie überzukompensieren, z.B. durch krankhaften Ehrgeiz. Für diese Theorie wurde er aus der Gesellschaft ausgeschlossen und gründete eine eigene Individualpsychologie. Weshalb kam es zum Bruch zwischen Freud und Jung? Sie konnten sich ebenfalls nicht über die Rolle der Sexualität verständigen. Andererseits lehnte Freud das kollektive Unbewußte ab. So war dieser Konflikt absehbar. 1914 kam es zum endgültigen Bruch. Welchen Status hat die tiefenpsychologische Bewegung? Sie wuchs, spaltete sich aber gleichzeitig. Sie fand nie die Anerkennung der Ärzte oder der akademischen Psychologie. Wenn Freud seine Theorie Psychologie nennt, so tut er dies nicht in Anlehnung an die neue Psychologie, sondern an die Psychiatrie Reils, die sich auf Erfahrungsseelenkunde stützt. Deshalb bildeten die Tiefenpsychologen eigene Ausbildungsinstitute, bei denen man sich der Lehranalyse unterziehen muß. Wie entwickelte sich die Tiefenpsychologie weiter? Ein Nachfolger der Gründergeneration ist Wilhelm Reich (1897-1957). Dieser engte den Begriff der Libido auf die biologische Sexualität ein. Die Unterdrückung von Sexualität sei die Ursache der Neurosen, der Orgasmus die einzige Rettung vor dem Stau der Sexualenergie. Er rief deshalb, weil er auch noch Marxist war zur sexuellen Revolution auf und gründete eine Sexpol-Bewegung. Jedoch wurde er deshalb aus der KPD und der psychoanalytischen Gesellschaft ausgeschlossen. Die Studentenbewegung griff diese Theorie 1968 gerne auf. Was waren liberalere Formen der Psychoanalyse? Man behielt die Vorstellung von den Bedürfnissen und sozialen Ursachen psychischen Leidens fort und wirft alle empirisch nicht prüfbaren und idiosynkratischen Teile der Freudschen Lehre über Bord. Ein Vertreter einer solchen Konzeption war Erich Fromm (1900-1980) oder Karen Horney (1885-1952). Welche Konzeption vertritt Karen Horney? Sie übernimmt viele psychoanalytische Begriffe • es existieren unbewußte Motive • die Natur des Unbewußten ist emotionaler Natur • es geschieht eine Verdrängung aus der vordergründigen Rationalität • Neurosen entstehen durch die Fehlverarbeitung von Konflikten • Traum und Phantasie haben eine Symbolfunktion • Die Abwehrmechanismen wie Projektion oder Reaktionsbildung existieren • frühkindliche Konflikte haben eine prägende Kraft • Erziehung und Familie haben eine wesentliche Bedeutung für späteres Glück Was ist der zentrale Punkt der Theorie von Horney? Nicht der Gewinn von Lust sondern der Erhalt von Geborgenheit. Der Mensch werde vom Streben nach Sicherheit und Befriedigung geleitet. Das persönliche Unglück ist nicht so zwangsläufig wie bei Freud, die Frühzeit der Menschheit spiele keine Rolle. Die Aufgabe der Tiefenpsychologie sie, Fehlanpassungen aufzudecken, die durch Angst und Hilflosigkeit herrühren. Eine unfreundliche Lebenswelt sei der Nährboden solcher Ängste. Was meint Horney mit dem Grundvertrauen? Zentral sei die Grundeinstellung, die man in der Familie erfahre. In der Beziehung zu den Eltern lerne man entweder Angst oder Vertrauen. Diese Orientierung sei nur schwer zu verändern. Gibt es nach Horney einen Grundkonflikt in der Familie? Möglicherweise schon. Das Kind ist in seinem Streben nach Befriedigung auf die Eltern angewiesen. Diese haben somit eine ambivalente Rolle. Was sind nach Horney Merkmale einer neorotischen Fehlanpassung durch Verdrängung? Die an sich positiven Motive erhalten krankhafte Züge. • Zwanghaftigkeit: Unfähigkeit, auf Liebe, Macht oder Leistung zeitweilig zu verzichten. • Absolutheit: Die Durchsetzung eigener Ziele ohne Rücksicht auf Folgen und Wirkungen. • Situationsungepaßtheit: Verfolgen von Zielen bei ungünstigen Gelegenheiten. • Fassadenhaftigkeit: Geringe innere Beteiligung an äußerlich intensiv verfolgten Zielen, da diese nicht um ihrer Selbst willen, sondern zur Bekämpfung der Angst, Unsicherheit sind. Das tiefenpsychologisch geführte Gespräch kann die Entstehung von Neurosen aufdecken. Dadurch kann Angst und Unsicherheit abgebaut werden, der Patient ist vom Leiden befreibar. Welche Natur hat der moderne Kognitivismus? Er hat viele Geburtshelfer aber keinen Gründungsvater wie Tiefenpsychologie oder Behaviorismus. Seine Epoche begann nicht durch eine Umwälzung. Er besteht aus einem Kranz von Themen und Methoden aus Rationalismus und Empirismus: • Phänomenologie. Die Inhalte des individuellen Bewußtseins werden beschrieben, z.B. Empfindungen, Gefühle, Werte, Beziehungen. • Die Frage nach dem Erkenntniswert der Bewußtseinsinhalte wird gestellt. Sind diese wahr? Stellen sie eine Wirklichkeit jenseits des Bewußtseins dar? Sind sie nützlich? • Erkenntnisfunktionen, d.h. Leistungen und zugrundeliegende Prozesse. Hier sind z.B. die Prozesse von Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken gemeint. • Aufbau des Erkenntnisapparates. Welche Funktionseinheiten benötigt der Erkenntnisapparat um die Leistungen hervorzubringen? Oft (Sinnes)organe. In welcher Tradition steht die kognitive Psychologie damit? Die kognitive Psychologie versteht sich also als Theorie des menschlichen Geistes in Anlehnung an den Humanismus im 16. Jahrhundert. Sie widmet sich vor allem der Erforschung des Bewußtseins. So war die Psychologie für die Vertreter dieser Richtung im 19. Jahrhundert die Wissenschaft vom menschlichen Geist und Erkenntnisvermögen bis dann durch Behaviorismus und Reflexologie Konkurrenz entstand, welche Geist, Bewußtsein und Erkenntnis als Gegenstände von Wissenschaft verwarfen. Hielt man an diesen Gegenständen fest, so bekundete man dies durch die Hinzufügung des Wortes „kognitiv“. Der Begriff der Kognition ist allerdings heute unscharf geworden. Was versteht man unter dem Begriff „kognitive Psychologie“? Es sind zu unterscheiden • Ein Programm zur Untersuchung kognitiver Fähigkeiten wie Wahrnehmung und Denken, d.h. eine Psychologie kognitiver Domänen, diese nennt man auch Kognitionspsychologie. • Ein Programm zur Deutung von Bewußtsein und Verhalten als einsichtsvoll, selbstbestimmt und vernunftgeleitet, d.h. die Psychologie nach einem kognitiven Paradigma. Diese werden oft kognitive Theorien genannt. Der Kognitivismus macht geistige Leistungen zum Gegenstand, schließt aber auch körperliche Tätigkeiten nicht aus. Alles vernunftgeleitet. Differenzierung Handlung + Reflex. Durch welche Schwerpunkte kann die Vielfalt kognitivistischer Ansätze dargestellt werden? • Theorien zur kognitiven Ordnung wie Gestalttheorie oder Strukturalismus von Piaget • Theorien der sozialen Kognition z.B. Heider • Handlungstheorien, z.B. Feldtheorie • Funktionalistische Theorien, vor allem kybernetische und infotheoretische Ansätze. Wodurch zeichnen sich nach Jean Piaget (1968) Bewußtseinsinhalte aus? • Ganzheit • Transformation • Selbstregulation Wie konzipiert Max Wertheimer (1923) das Verhältnis der Elemente zum Ganzen? Die Punkte eines Musters sind die Elemente, das erlebte Muster ist das ganze. Der Eindruck des Ganzen beruht auf der Anordnung der Elemente, d.h. der räumlichen Beziehung. Die Elemente selbst sind ersetzbar. Das Bewußtsein fasse Ordnungsgefüge auf, diese seien nur als Ganzes zu erfassen. Die Elemente hätten im Ordnungsgefüge nur eine Rolle relativ in Bezug auf die anderen Elemente. Deshalb sei das Ganze mehr und anders als eine Summe seiner Elemente. Wie nannte Wertheimer ganzheitliche Ordnungsgefüge? Diese nannte er Gestalten. Zusammen mit Wolfgang Köhler (1929) und Kurt Koffka (1935) widmete er sich der Analyse von Gestalten. So entwickelte er die Gestalttheorie. Im Mittelpunkt von wahrnehmungspsychologischen Untersuchungen habe die Frage nach den Gestaltgesetzen, d.h. nach Regeln der Gestaltbildung zu stehen. Was meinte Wertheimer mit der Tendenz zur guten Gestalt? Mit gut ist hier gemeint einfach, geschlossen oder gleichmäßig. Die Wahrnehmung dränge nach Einheit und Einfachheit, nach Güte und Prägnanz. Wie wurde der Piagetsche Begriff der Transformation veranschaulicht? Herta Kopfermann betonte, man erlebe Körper dreidimensional, d.h. mit Höhe, Breite und Tiefe. Je nach Perspektive erscheint der gleiche Körper verschieden. Körper lassen sich auch zweidimensional abbilden, da Menschen über Standardvorstellungen verfügen. Diese werden von den Gestaltpsychologen „prägnante Gestalten“, von anderen Autoren „Invarianten“ genannt. Stellt man einen Körper nur in seinen Invarianten dar, so ist Erscheinung prägnant. Die Erscheinung von Gestalten kann wechseln, man kann Körper dreidimensional und zweidimensional darstellen. In diesem Sinn werden Standardvorstellungen transformiert. Zentral ist die Frage des Verhältnisses von Prägnanz und Transformation. Je eher eine Darstellung einer anderen prägnanten Figur ähnelt, desto eher verkennt man sie. Wie ist die Tatsache von Kippbildern im Sinne Piagets zu sehen? Im Sinne der Selbstregulation. Die Gestalten, Ganzheiten bilden sich Selbsttätig im Bewußtsein. Sie werden nicht durch äußere Kräfte erzwungen. Worauf führte die Gestalttheorie die Ganzheitlichkeit und Prägnanz der Gestalten zurück? Auf die Dynamik und Ordnung der Natur selbst. Im Bewußtsein bilden sich Figuren vorzugsweise rechtwinklig ab. Dies entspreche der Schwerkraft. Eine weitere gute Gestalt sei der Kreis, der von der Natur auch immer wieder hervorgebracht wird (durch ihre Tendenz der Energieverteilung in Medien). Dies baute Köhler (1920) zu seiner Isomorphietheorie aus. Gehirn und Bewußtsein sowie physikalischer Raum wären gleiche Teile der gleichen Natur. In allen wirken die gleichen Gestaltgesetze. Unabhängig voneinander alle zu guten Gestalten. Was bedeutet das Isomorphieprinzip? Die Gestaltordnungen bilden sich unabhängig von einander im Bewußtsein, in den Sinnesorganen und auch den physikalischen Körpern selbst. Dies resultiere aus der gleichen Naturdynamik. Damit knüpft sie an rationalistische und romantische Lehren an. Die Natur sei ganz und gut, in ihr Wirken die Kräfte der Selbstregulation, welche zu Regelmäßigkeit und Vollkommenheit streben. War diese Meinung unbestritten? Nein. Piaget glaubte den Gestalttheoretikern die Naturdynamik nicht. Der Mensch sei bei der Erkenntnis nicht passiv, sondern betreibe diese selbst. Das Erkennen sei aktiv. Wie konzipierte Piaget neue Erkenntnisse? Als kognitive Strukturen, d.h. geistige Aufbauten. Dem Aufbaue kognitiver Strukturen dienen sinnvolle Handlungen, auch sensumotorische Operationen. Dies sei bei der Entwicklung der menschlichen Intelligenz zu beobachten. Deshalb untersuchte er die geistige Entwicklung von Kindern. So entwickle sich der Mengenbegriff immer weiter. Wie kam es zur kognitiven Wende? Diese wurde in USA und Westeuropa in den 1960ern ausgerufen. Der Kognitivismus erstarkte und konnte sich immer besser gegen den Behaviorismus behaupten. Man kann aber nicht vom Sieg des Kognitivismus sprechen, vielmehr gab es eine Krise im Behaviorismus selbst. Die jüngeren Forscher des Behaviorismus bedienten sich kognitivistischer Begriff um die Begrenztheit des Behaviorismus zu überwinden. Als Markstein der kognitiven Wende wird oft das Buch von Neisser (1967) angeführt. Neisser erkennt die S-R-Verbindungen an, bemängelt aber die Armut der Erforschung innerer Prozesse zwischen S und R. Neisser nannte die inneren Prozesse kognitiv. Er forderte die Analyse solcher Vorgänge mit modernen experimentellen Methoden und Theorien. So ereigneten sich im Geist Merkmalsanalyse, andererseits bilden sich Zusammenhänge. Was wurde am Behaviorismus noch kritisiert? Die Sozialdarwinismus und die Verhaltenskontrolle. Bühler, Maslow, Rogers und Murray forderten eine neue Psychologie mit einer Betonung auf idealistische Ethik und bürgerlicher Rechte, vor allem Freiheit und Menschenwürde. Sie wählten für ihre Richtung in Anklang an die Befreiung des Menschen in der Renaissance den Begriff „Humanistische Psychologie“. Welche Entwicklungen gab es in Rußland? Bereits 30 Jahre vor der kognitiven Wende und der humanistischen Psychologie gab sich sie sowjetische Psychologie ein humanistisches Menschenbild. Die Richtung der Psychologie bestimmte dort der Staat. Materialismus war Staatsdoktrin. In der Auslegung des Materialismus stritten sich eine mechanistische und eine dialektische Richtung. Die mechanistische Richtung entsprach der Reflexologie, und daraus die praxisorientierte Reaktiologie. Beide versprachen, durch Gestaltung der Umweltbedingungen den neuen Menschen zu schaffen. Die dialektische Richtung berief sich auf die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt. Die Umwelt bestimme den Menschen und der Mensch die Umwelt, seine Schöpfung der Umwelt könne er nur durch das planende Bewußtsein entfalten. 1929 sprachen sich die Russen für die dialektische Richtung aus. Damit galt es als Doktrin des Staates, daß Bewußtsein eine höhere Form der Materie ist, welche anderen Prinzipien unterliege als die Materie. Das Bewußtsein unterliege einem teleologischen Streben, d.h. einer inneren Kraft. Mit diesem Dekret trennten sich die Russen von der reinen Reflexologie und Reaktologie und vollzogen die Wende zu Humanistischen und kognitivistischen Idealen unter den Bedingungen des Realsozialismus. Wozu dienen die Handlungen bei Piaget? Sie bilden die kognitiven Strukturen. Durch sie werden die Verhältnisse anschaulich. Dadurch passen sie ihr Verständnis der Wirklichkeit an. Was geschieht bei Piaget, wenn ein Widerspruch zwischen der Wirklichkeit und den kognitiven Strukturen besteht? Entweder die kognitiven Strukturen passen sich der Wirklichkeit an, was man Akkomodation nennt, oder man paßt das Verständnis der Welt an die kognitiven Strukturen an, was man Assimilation nennt. Die Entwicklung der Intelligenz strebe nach einem Gleichgewicht zwischen der Strukturbildung und der Welterfahrung, zwischen Assimilation und Akkomodation, durch die Äquilibration. Was versteht man unter Strukturalismus? Diese Richtung wurde vom Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure begründet. Dieser untersuchte die Sprache in Sprechakten und dem zugrunde liegenden Sprachsystem. Das Sprachsystem enthalte Zeichen und Regeln, ein von einer Gemeinschaft geschaffenes Gedankengebilde. Die Konstruktion von Sprachsystemen erfolge synchron und diachron. Der Strukturalismus sucht also nach kollektiven kognitiven Strukturen. Damit will man den Geist von Kulturen erfassen. Auch Ethnologen und Soziologen forschen so. Auch Piaget rechnet seine Theorie zum Strukturalismus hinzu. Was untersuchte Fritz Heider (1958)? Er plädierte dafür, das Alltagsdenken, die naive Psychologie, den common sense ernst zu nehmen. Man solle die Begriffe klären, welche soziale Beziehungen leiten. Er analysierte leicht verständliche Texte, wie etwa die Fabel vom Fuchs und vom Raben. Er untersuchte, welche Begriffe man verstehen muß, um den Sinn des Textes zu verstehen. Was erwies sich nach Haider als besonders wichtig für das Verständnis von Texten? • eine Hauptperson, aus deren Perspektive das Geschehen gesehen wird (p) • eine andere Person (a) • ein Gegenstand (x), auf den sich die Personen beziehen • Richtung der Verursachung (von p nach a, von a nach p) • Bewertung, Gefühl (positiv, negativ) • gehören (Besitz, Zugehörigkeit) • Umwelt. Die drei Begriffe p,a,x mit Beziehungen reichen aus, um soziale Situationen darzustellen und zu verstehen. Was untersuchte Heider noch? Triaden, Konstellationen. Nicht alle Beziehungen seien gleich stabil. Ein Gleichgewicht bestehe nur in manchen von 8 möglichen Beziehungen in einer Triade. Was war für Heiders Analyse besonders ergiebig? Der Begriff der Verursachung. Dieser läßt sich mit einem Akteur verbinden und nimmt mit diesem die Bedeutungen „Fähigkeit“ oder „Anstrengung“ an. In Verbindung mit der Umwelt ergibt sich Schwierigkeit oder Glück. Daraus leiten sich auch vernünftige Aktionen ab, so ist z.B. die Anstrengung dann sinnvoll, wenn Fähigkeit niedrig und Schwierigkeit hoch ist. So ist auch Motivationspsychologisch Stolz und Dankbarkeit erklärbar. Diese Analysen zu den Begriffen von jedermann, wird soziale Kognition genannt. Man beschäftigt sich mit Fragen der Attribution, des Urteils und andere Gebiete der Psychologie in sozialem Rahmen. Die Untersuchung sozialer Kognitionen betreibt die Sozialpsychologie. Was alles kann der unscharfe Begriff „sozial“ bedeuten? • einer Gruppe gemeinsam, • im sozialen Zusammenhang begründet, • für das Zusammenleben wichtig, • • für das Handeln verbindlich, dem Wohle der Gemeinschaft dienlich. Welche anderen psychologischen Gebiete untersuchen soziale Kognitionen? Auch die Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie. Damit kehrt die Psychologie zur Sprach- und Denkkritik der rationalistischen Philosophie und zur ramistischen Dialektik, Spinozas Ethik zurück, auch eine Tradition von Verstehender und Popularpsychologie. Sogar die empiristische Moralphilosophie, durch Klärung zum guten Handeln klingt hier mit. Was ergibt sich in der Handlungspsychologie? Die rationalistische Moral gesteht dem Menschen einen eigenen Willen, d.h. mit Einsicht und Bewußtsein der Verantwortung über die eigenen Taten entscheiden zu können. Hier knüpft Kurt Lewin (1962) an. Er will die Erlebniselemente in der Handlungspsychologie ebenso berücksichtigen wie die Beherrschbarkeit der Affekte, vor allem aber die absichtliche Willenshandlung. Diese beginnt mit dem Entschluß, der Vornahme. Dieser geht ein Motivationsprozeß voraus, der Kampf der Motive. Allerdings reichen Motive und äußere Einflüsse nicht für die Auslösung der Handlung aus. Die Vornahme ist ein Akt, in dem durch Zielvorstellungen eine innere Spannung aufgebaut wird. Diese löse sich erst beim erreichen des Zieles. So kann sich die Handlung vom Bedürfnis ablösen. Durch die Vornahme entsteht das Quasibedürfnis, die Aufgabe erledigen zu wollen. Diese braucht nicht mehr unbedingt ein unmittelbares Bedürfnis befriedigen. Wer belegte die Annahmen Lewins experimentell? Maria Ovsiankina (1926). Diese gab den Probanden eine Aufgabe und störte die eine Hälfte bei der Erledigung. Nach dem Ende der Untersuchung wurden die unterbrochenen Handlungen meist wieder aufgenommen und erinnert. Dies wird durch die Spannung gedeutet, die zur Erledigung drängt. Was ist die Feldtheorie Lewins (1962)? Sie wird auch Topologische Psychologie genannt. Dort kommt formal zum Ausdruck, daß das Verhalten eine Funktion der Interaktion zwischen Person und Umwelt ist. Er untersucht den subjektiven Raum, d.h. wie er für das Verhalten wirksam wird. Dieser wird Lebensraum genannt. Hervorgehoben sind: • Regionen. Lebensbereiche, z.B. Beruf oder Spiel. Diese können unterschiedlich stark differenziert sein, so kann z.B. der Sport sehr stark weiter differenziert werden. • Grenzen zwischen Regionen: Diese bestimmen die Schwierigkeit von Übergängen • Kräfte: Diese ziehen die Personen aus einer Region herein oder hinaus. Kräfte variieren in den Dimensionen Stärke, Richtung und Angriffspunkt. Sie resultieren aus • Bedürfnissen der Personen • Aufforderungscharakter (Valenz) der Regionen Lewin beschreibt mit den Begriffen der mathematischen Topologie die Zusammenhänge und Gliederung von Lebensräumen. Handlungen werden durch Darstellung in Kräften als Bewegung im Raum konzipiert. Für Lewin ist eine Handlung eine Ganzheit. Somit fühlt er sich mit seiner Feldtheorie der Gestaltpsychologie verpflichtet. Welchen Zugang hatte Edward Chace Tolman zur Handlungs- und Lerntheorie? Einen pragmatischen. Er erlebte den Behaviorismus noch als Student. Welche Theorie konzipierte Tolman? Er entwarf eine Verhaltenstheorie auf Grundlage von Tierexperimenten mit kognitiven Bestandteilen in Anlehnung an den Behaviorismus. Er deutete das Kognitive nicht als das bewußt Erlebte. Er wußte nicht, ob die Tiere Bewußtsein haben. Für ihn ist das Kognitive ein funtioneller Begriff, der ein inneres Ordnungsprinzip beschreibt, welche das Verhalten als komplexes Ganzes bestimmt. Im Mittelpunkt seiner Theorie stehen • Zweckmäßigkeit • Zielobjekte • Zielbereitschaft, Neigung mit dem Zielobjekt ein Bedürfnis zu befriedigen • Mittelobjekte, Hilfsmittel zum Erreichen des Ziels • Diskriminanda, verhaltensbestimmende Merkmale (z.B. Breite von Wegen) • Innere Landkarten Lernen bestehe im wesentlichen aus dem Erkennen und Merken dieser Gegenstände und Merkmale. Es forme Erwartungen über den Handlungsraum und die Folgen des eigenen Verhaltens. Diese Erwartungen leiten die Ausführung von Verhalten. Welche Arten des Lernens untersuchte Tolman? Er untersuchte das latente Lernen und das Zeichen-Gestalt-Lernen. Zum Nachweis des latenten Lernens ließ man Ratten ein Weg explorieren. Eine Belohnung gab es erst später. Diese Gruppe von Ratten kam aber fast genau so schnell zum Futter, als wenn es von vorne herein um eine Belohnung gegangen wäre. Die eine Gruppe verbesserte sich stetig, die andere sprunghaft (nach Verstärkung). Demnach kann es sich nicht nur um reines Reiz-ReaktionsLernen, bei dem die Verbindungen zwischen Reiz und Reaktion stetig verstärkt werden handeln. Den Weg hätten die Ratten auch so gelernt. Das Futter motiviere nur, den besten Weg zu wählen. Darin zeigt sich die Auffassung Tolmans vom Zeichen-Gestalt-Lernen. Auch bedingte Reflexe wären keine neuen Reiz-Reaktionsverbindungen. Es sei statt dessen ein gedanklicher Zusammenhang zwischen unbedingtem und bedingtem Reiz hergestellt worden. Der Bedingte Reiz sei eben als Vorzeichen des bedingten erkannt worden. Damit sei die Erwartung gestärkt worden. Diese bringe die übliche Aktion hervor. Beim klassischen Konditionieren bilde sich also eine ganzheitliche Gestalt der Form CS-UCS-R, wobei der CS ein Zeichen für den UCS ist. Weshalb wurde die kognitive Psychologie in den USA als moderne Richtung anerkannt? Dies ist der Gestaltpsychologie zu verdanken. Im allgemeinen gab es ein großes Bildungsgefälle zwischen Europa und den USA. Die Amis waren oft zu puritanisch und pragmatisch. Vor allem Wertheimer, Köhler, Koffka und Lewin. Dies bildeten die Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Dies emigrierten in die USA. Tolman wurde von Koffka in die Gestaltpsychologie eingeführt. Aus welchen Gebieten erhielt die moderne Forschung zu geistigen Funktionen Impulse? Aus zwei mathematisch-technischen Theorien über Automaten und Nachrichten, nämlich der Kybernetik (Steuermannskunst) und der Informationstheorie. Wer leitete wann die neue Kybernetik und Informationstheorie ein? Die Kybernetik leitete 1948 der amerikanische Mathematiker Norbert Wiener (1894-1964). Die Informationstheorie 1949 die Ingenieure Shannon und Weaver. Sind Methoden und Domänen weniger wichtig als Theorien? Nein. Auch diese haben (jenseits der drei Paradigmen) eine Menge an Erkenntnissen gebracht. Nur sind diese didaktisch nicht einfach darzustellen. Die Theorien werden betont, weil dieser Streit maßgeblich für das Selbstverständnis des Faches war. Wie definierte die Kybernetik die Grundbegriffe der Regelung im System des Regelkreises? • Regelgröße. Ein Zustand, welcher der Regelung zugänglich ist (z.B. Temperatur). • Soll-Wert. Ein Zielzustand (z.B. die gewünschte Zimmertemperatur). • Ist-Werte. Verfügbare Meßwerte über die Regelgröße. • • • Ist-Soll-Vergleich. Dieser ermittelt Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Werten. Regelung. Diese dient der Reduzierung der Diskrepanz zwischen Istwert und Sollwert. Die Regelung nimmt Einfluß auf die Regelgröße. Rückmeldung. Die Veränderung der Regelgröße ändert die Ist-Werte. Wozu dient die Kybernetik? Diese beschreibt in präziser Form das Verhalten von Automaten, die einen Ist-Wert einem Sollwert anpassen. Diese Beschreibung paßt jedoch auch auf biologische Systeme. Mann kann Lewins Vornahme auch als Sollwert konzipieren, die Erledigung als Regelung. Wie steht die Kybernetik zur Psychologie? In der kognitiven Psychologie fand diese rege Aufnahme. Die Soll- und Istwerte lassen sich als Kognitionen deuten, die Handlungen als Regelungen. Wer setzte den kybernetischen Ansatz in vorbildlicher Weise in die Psychologie um? Miller, Galanter und Pribram (1960). Diese konzipierten das TOTE-Modell. Dies steht für • Test, die Prüfung eines Sachverhalts hinsichtlich eines Zieles. • Operation, die Tätigkeit falls der Test keine Übereinstimmung ergibt. • Test, der Sachverhalt wird erneut auf Übereinstimmung mit dem Ziel geprüft. • Exit, wenn der Test eine Übereinstimmung ergibt, endet der Ablauf. Womit beschäftigt sich die Informationstheorie? Mit der Übertragung und Bestimmung von Informationsmengen. Sie mißt den Gehalt an Information einer Botschaft in Bits. Dieser berechnet sich aus dem Zweierlogarithmus des zugehörigen Ereignisvorrats. Der Informationsgehalt einer Botschaft wird nach dem Überraschungswert, nach der Menge der reduzierten Unsicherheit bestimmt. Die Größe eines Ereignisvorrates wird in binärem Code dargestellt. So erhalten 2 Ereignisse den Wert 1, 4 11, 8 111. Im Logarithmus zur Basis 2 sind das die Werte 1,2,3. Diese gehen als Bit in das Maß des Informationsgehaltes ein. Allgemein: Eine Nachricht aus der Ereignismenge s hat einen Informationsgehalt von ld s. ld ist hier der Logarithmus zur Basis 2. Welche Relevanz hat die Informationstheorie für die Psychologie? Wenn gilt, was für die Nachrichtentechnik belegt ist, schon. Denn die Übermittlung von Information benötigt Kanäle. Diese fassen nur eine konstant begrenzte Menge an Information wenn sich der Kanal nicht ändert (z.B. Telefonleitungen). Dies versuchte George Miller (1956) auf die Psychologie zu übertragen. Dieser wies nach, daß Menschen nur 7 Töne unterscheiden können. Diesen Grenzwert stellte er auch für andere Funktionen wie das Unterscheiden von Farben oder das Kurzzeitgedächtnis fest. Er meinte, die Zahl 7+/-2 kennzeichne die Grenze der menschlichen Aufnahmekapazität, d.h. ld 7 = 2.5 bits. Wie konzipierte Donald Broadbent den Menschen und seine Informationsverarbeitung? Er beschrieb den Menschen als Organismus, der Informationen aufnimmt, verarbeitet und speichert. Alle Prozesse der Informationsverarbeitung unterliegen einer Begrenzung. Das System wäre jedoch dynamisch und gleiche seine Grenzen dynamisch aus. Das Informationssystem unterliegt erheblichen Schwankungen: Es ändert seinen Gesamtzustand durch Wachheit oder Müdigkeit. Außerdem kann sich der Einzelzustand des Systems dadurch verändern, daß die Aufmerksamkeit verschiedenen Aufgaben zugewiesen werden kann. Wie erklärt Broadbent die selektive Aufmerksamkeit? Durch Filterung. Wie bei einem technischen Gerät können im kognitiven System Filter wirken, die bevorzugt hohe oder tiefe Töne durchlassen. Diese können kurzfristig zugeschaltet werden. Außerdem unterscheidet Broadbent Kurz- und Langzeitspeicher. Welche Arten von theoretischen Modellen brachte die funktionalistische Psychologie hervor? • Modelle von Verarbeitungs- und Speicherungsprozessen. Diese werden oft mathematisch formuliert, d.h. in Begriffen der Wahrscheinlichkeitstheorie. • Modelle von Verarbeitungs- und Speichereinheiten, sowie der zwischen diesen herrschenden Beziehungen. Diese Modelle gleichen Blockschaltbildern der Elektronik. Welche Beziehung hat das 20. Jahrhundert der Moderne zur praktischen Psychologie? Da diese Epoche von der Massengesellschaft geprägt ist, diese Entscheidungshilfen auf allen Ebenen benötigt, ergeben sich viele Tätigkeitsfelder für die praktische Psychologie, der Bedarf an sozialen Dienstleistungen wuchs. Im 20. Jahrhundert wurde die praktische Psychologie endlich zu einem Beruf. Ihre Wissenschaftlichkeit wurde durch die Verwendung standardisierter Tests begründet. Wann wurde die Psychologie zu einem anerkannten Beruf? Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts setzte sie sich wirklich durch. In einem Klima äußersten technischen Fortschrittes und der übelsten Konflikte wie Weltkriege und Auseinandersetzungen zwischen Ost und West, Nord und Süd. Insbesondere in Deutschland gab es eine dramatische Entwicklung. Wovon war das 20. Jahrhundert geprägt? Von dem 1. und dem 2. Weltkrieg, der anschließenden Teilung der Welt in zwei große Blöcke. Außerdem vertiefte sich die Kluft zwischen entwickelten nördlichen und unterentwickelten südlichen Ländern. Woran knüpfte sich die Erwartung, die Psychologie könne Beiträge zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme leisten? An die Wendung der Erfahrungsseelenkunde zur Naturwissenschaft. Dies wurde von Eduard Beneke Mitte des 19. Jahrhunderts noch geschürt: Die sozialen und politischen Probleme hätten letztlich psychische Ursachen, ein Produkt der menschlichen Seele und dadurch durch die Natur dieser Seele bestimmt. Abhilfe sei nur Möglich, wenn man dies angeht wie alle anderen Naturwissenschaften auch: Man muß die eigenen Gesetze erkennen und diese berücksichtigen. Die Psychologie soll alle anderen Naturwissenschaften übertreffen. Beneke (1850) entwarf selbst eine Pragmatische Psychologie, die seiner eigenen Erfahrungsseelenlehre die Wendung zu einer Handlungs- und Sittentheorie zu geben. In dieser handelte er praktisch bedeutsame psychologische Themen ab. Wie konzipierte Beneke (1850) seine Pragmatische Psychologie? Als Kunstlehre zur Erlangung persönlichen Glückes und sozialer Eintracht, einer Stütze auf dem Weg zur Vollkommenheit. Er war von der Nutzanwendung theoretischer Sätze überzeugt. Der pragmatischen Psychologie fehlte völlig das Eingehen auf konkrete Problemfälle und Aufgabenfelder. Auch wurden keine Regeln für nützliches Verhalten entwickelt. Wie steht der Positivismus zur praktischen Psychologie? Die Forderung nach praktischer Bedeutsamkeit von Wissenschaft war ebenfalls eine Forderung des Positivismus von Comte. Welche Forderungen stellte Comte an die Wissenschaft? • Wissenschaft solle die Kontrolle des Menschen über Natur und Technik steigern. • Wissenschaft soll eine Prognose der Zukunft ermöglichen. • Kontrolle und Prognose sollten der Humanität und Realisierbarkeit verpflichtet sein, d.h. das beste für den Menschen zu erreichen. Welche Anwendungsfelder der praktischen Psychologie zählte Hugo Münsterberg 1914 auf? • Gesellschaftsordnung (Kommunikation, Menschenkenntnis, Gruppenleistung) • Gesundheit (Diagnose, Psychotherapie, Hypnose) • Wirtschaft (Landwirtschaft, Industrie, Handel) • Recht (Verbrechensverhütung, Zeugenbegutachtung, Richterberatung) • Erziehung (Schulung von Fähigkeiten, Organisation des Unterrichts) • Kunst (Lebensgestaltung, Raumkunst wie Gemälde, Zeitkunst wie Musik) • Wissenschaft (Beseitigung von Fehlern in der Theoriebildung) Diese seien Bereiche der Kultur. Wie sieht Münsterberg die Bereiche der Kultur? Im idealistischen Sinne, d.h. sie sind der Bereich des menschlichen Lebens, in dem der menschliche Geist seine Vollendung geschaffen hat. Welche Konzeption von angewandter Psychologie leitet er daraus ab? Ein Teil solle die Kultur erklären, diese rückwärts gewandte Sicht nennt er Kulturpsychologie. Die vorwärts gerichtete Psychologie solle Kulturaufgaben lösen. Da praktische Aufgabenerfüllung eine Technik ist, nennt er sie Psychotechnik. Welche Aufgaben ergeben sich dadurch? Mit dieser Konzeption schließt er sich der Verstehenden Psychologie an. Die Kulturpsychologie solle durch Nachempfinden und Durchdenken zum Verständnis menschlichen Handelns beitragen. Die psychologischen Ursachen von praktischem Verhalten sollen nachgewiesen werden. Die prospektive Psychotechnik widme sich der Voraussage, Diagnose und Gestaltung. Aus neuerer Sicht ist damit alles enthalten, außer die Evaluation, d.h. die Bewertung praktischer Maßnahmen. Damit hat die Psychotechnik die Rolle einer Entscheidungs- und Gestaltungslehre. Welche Konzeption verbirgt sich hinter dieser Aufteilung? Dieselbe wie bei Beneke. Psychotechnik und Kulturpsychologie hätten die Psychologie als gemeinsames Grundlagenfach. Damit gibt es ein Zweiphasenmodell. Die Grundlagenforschung wird von der Anwendung der grundlegenden Wissens im Interesse des praktischen Fortschritts getrennt. Damit verhält sich die Angewandte Psychologie wie die Ingenieurswissenschaft zur Physik. Wie steht es mit der vergleichenden Psychologie? Da auch diese Fächer Lebenserfahrung und Anregungen zur Lebensgestaltung produzieren, wurden sie von einigen Autoren der Angewandten Psychologie zugerechnet. Gab es auch Kritik an der Idee, die Psychologie könnte reif für die Anwendung sein? Ja. So sprach Wundt der Psychologie die Reife einer angewandten Wissenschaft ab. Die angewandte Psychologie werde zu unreflektiert betrieben. Fundamentaler kam die Kritik aus dem Idealistischen Lager. Diese meinte, Psychologie könne nur reine Wissenschaft, d.h. Grundlagenforschung sein. Die Praxis sei eine Kunst, keine Wissenschaft. Was folgte aus dieser fundamentalen Kritik? Da Psychologie nach Gesetzesaussagen sucht, die Praxis aber eine Kunst ist, kann Psychologie kein Beruf sein. In pragmatischeren Ländern wie den USA wurde dies jedoch ungezwungener gesehen. Was war das Anliegen von Hugo Münsterberg (1863-1916)? Er war ein unruhiger Geist. Er wollte Natur und Geist, Empirie und Theorie, Wissenschaft und Praxis miteinander in Einklang bringen. Er fing in Deutschland idealistisch an und wurde in den USA Pragmatiker. Er machte Experimente und wurde Neukantianer. Er ging in die USA. Dort machte er auf angewandte. Er war deutscher Nationalist. Welche grundsätzlichen Unterschiede sieht Leon R. Geissler zwischen Theorie und Praxis? • Wissenschaft: Mehr und besseres Wissen. Praxis: Besseres Leben und Verhalten. • Wissenschaft: Sucht allgemeine Gesetze. Praxis: Sucht Nutzen für den Einzelfall. • Wissenschaft: Erklärt Ursachen und Entwicklung. Praxis: Verändert Situationen. • Wissenschaft: Vereinfacht, abstrahiert und klassifiziert. Praxis: Differenziert, korreliert und standardisiert. Aus diesen Unterschieden forderten manche deutlich zwischen Grundlagen und Praxis zu unterscheiden. Dennoch blieb die organisatorische Einheit des Faches erhalten. Die Praktischen Psychologen müßten zugleich Praktiker und Wissenschaftler sein: scientistpractitioner. Jedenfalls wurde das Zweiphasenmodell eingeführt. Wie professionalisierte sich die Psychologie? 1941 wurde in Deutschland der Diplomstudiengang Psychologie eingeführt, welcher sich in ein Grund- und ein Hauptstudium gliedert. Ein Beruf setzt voraus: • ein Berufsbild, d.h. eine Reihe von Tätigkeiten, die im Rahmen des Berufs zu tun sind. • eine Ausbildung, welche die Befähigung der zum Berufsbild gehörenden Tätigkeiten schafft und mit einem Zeugnis über das Erwerben dieser Fähigkeiten abschließt. • ein Markt für Dienstleistungen auf dem die beruflichen Tätigkeiten nachgefragt werden. Dies dient zur Sicherung des Einkommens. Was war zunächst besonders schwierig? Die Etablierung eines Berufsbildes mit Marktchancen. Dies gestaltete sich zögerlich und überaus schwierig. Sowohl ein praktisches Institut in Dtld. unter Otto Lipmann (1906), als auch ein Institut in den USA unter James McKeen Cattell (1921) waren Verlustgeschäfte. Welche Auswirkungen hatte dies auf die psychologische Praxis? Die Menschen hatten meist einen anderen Hauptberuf um Geld zu verdienen. Oft hatten sie auch noch einen Lehrstuhl als Dozent an einer Universität. Wie entwickelte sich die Psychologische Praxis? Die Zahl der Forschungsprojekte zu praktischen Themen war von vorne herein sehr hoch und hatte die Grundlagenforschung bald überholt. Jedoch waren bis in die 50er Jahre die meisten Psychologen nicht in der Praxis, sondern in der Forschung beschäftigt. Welche Dienstleistungen konnte die praktische Psychologie für Geld anbieten? Sie konnte einerseits Probleme analysieren, andererseits zu deren Lösung beitragen. Durch die Vergleichende, Experimentelle und Verstehende Psychologie wuchs der Psychologie neues Wissen über Probleme zu. Dieses konnte in zahlreichen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens eingesetzt werden. Zur Lösung praktischer Probleme eignen sich vor allem diagnostische, Interventions-, und Evaluationsmethoden. Weshalb bedarf es einer professionellen Diagnostik? In der modernen Gesellschaft stieß die traditionelle Psychognostik an ihre Grenzen. Die Anonymität breitete sich aus. Dorf wurde zu Stadt. Immer weniger Menschen konnten andere durch lange Bekanntschaften beurteilen. Neue Techniken bedurften geeigneter Menschen. Dies alles sollte auch noch gerecht sein. Man benötigte also neue Beurteilungsmethoden. Welche Anforderungen wurden an die neuen Beurteilungsmethoden gestellt? • Die Urteile verschiedener Beurteiler sollten übereinstimmen. • Urteile von verschiedenen Zeitpunkten sollten vergleichbar sein. • Auch in großen Gruppen sollten alle der gleichen Prüfung unterzogen werden können. • Die Urteile sollten zutreffende Vorhersagen über künftige Bewährung liefern. Die Erfüllung dieser Kriterien war für alle Berufsgruppen eine Herausforderung. Am besten wurden diese durch die akademische Psychologie erfüllt. Welche Verfahren benutzte die Psychologie zur Diagnostik? Vor allem Tests. Diese wurden zunächst von James McKeen Cattell (1890) in die Psychologie eingeführt. Die Instruktionen und Auswertungsregeln waren genau dokumentiert, ein Vorbild der Standardisierung. Diese Tests bestanden aus 10 Aufgabengruppen aus dem psychophyisiologischen Bereich (z.B. Unterschiedsschwelle) und dienten zur differentiellpsychologischen Forschung und Diagnostik. Diese taugten allerdings noch kaum für praktische Vorhersagen. Auch Ebbinghaus konzipierte einen Konzentrationstest auf der Basis von Lückentexten. Welcher Test gilt als Durchbruch in der Messung der geistigen Leistungsfähigkeit? Der von Alfred Binet und Theodore Simon (1905) konzipierte Intelligenztest. Dieser sollte ursprünglich nur zur Bestimmung der Schulreife dienen, wurde aber ausgebaut. Was umfaßte der Test von Binet und Simon? Fragen zur Raum und Zeit, Gegenständen und sozialen Sachverhalten. Außerdem wurde die Körperbeherrschung, die Artikulation, Lesen und Schreiben, Zeichnen und Rechnen beobachtet. Außerdem gab es Aufgaben zum Gedächtnis und zum Denken. Wer führte den Begriff des Intelligenzquotienten ein? William Stern(1911). Dieser diente zur Standardisierung der Leistung. In diesem Quotienten setzt man das der Leistung entsprechende geistige Alter mit dem Lebensalter in Beziehung. Wann wurden die Tests im großen Umfang zum ersten Mal eingesetzt? Diese wurden in den USA von Terman weiterentwickelt. 1917 entwickelten Yerkes und Terman eine Eignungsauslese der neu eingezogenen Soldaten durch den army-alpha-Test. Der army-beta-Test war für Analphabeten konzipiert. Neben der allgemeinen Tauglichkeit prüften diese Tests auch spezielle soziale und technische Eignung. Damals wurden über zwei Millionen Tests durchgeführt. Weshalb wurden die Persönlichkeitstests entwickelt? Neben Fähigkeiten sollten auch Neigungen untersucht werden. Zwar empfahl hier Poppelreuter die freie Beobachtung bei der Arbeit. Günstiger wäre es jedoch, diese vorher, in einer einzigen Sitzung festzustellen. Hier kam die Selbstbeschreibung der Beurteilten in Frage. Diese konnte Rückschlüsse auf neurotische Symptome geben. So entwickelte Woodworth den Personal Data Sheet. Dieser vervollständigte die Testbatterie von Yerkes. Samuel D. House (1927) entwickelte daraufhin einen Test zur Psychischen Gesundheit. Diese Tests nannte man seit dieser Zeit „Inventar“. In welchem repräsentativen Inventar gipfelte die Testpsychologie? Im Minnesota Multiphasic Personality Interview von Hathaway und McKinley. Dieses umfaßt fast 500 ausgewählte Fragen. Dieses Inventar wurde an 2000 Personen geeicht. Dieses enthält leicht verständliche Sätze zur Selbstbeschreibung. Die Sätze waren neun Skalen zugeordnet: Hypochondrie, Depression, Hysterie, psychopathische Abweichungen, Maskulinität-Femininität, Paranioa, Psychasthenie, Schizophrenie und Hypomanie. Welche Zweifel ergeben sich bei den Selbstauskünften? Können die Betroffenen ein zutreffendes Urteil über sich selbst bilden? Sind alle zu einer ehrlichen Antwort bereit, auch wenn es um das weitere Schicksal geht? Um diesen Zweifeln zu begegnen, wurde von Frank (1939) die projektiven Tests vorgeschlagen. Worin bestanden die kreativen Tests? In diesen sollen den Probanden kreative und spielerische Aussagen entlockt werden, die dem Laien selbst unverfänglich erscheinen, dem geübten Diagnostiker jedoch Rückschlüsse auf die Persönlichkeit erlauben. Das berühmteste dieser Verfahren ist eine Methode zur Prüfung der Phantasie: Der Formdeutetest von Hermann Rorschach (1884-1922). Dieser enthält Tafeln mit ungegenständlichen Formen, zu denen Einfälle und Gefühle zu äußern sind. In diesen Äußerungen soll die private Welt des Individuums zutage treten. Die Persönlichkeit übertrage sich in die Phantasieprodukte, deshalb die Bezeichnung „Projektiver Test“. Was resultierte daraus? Der Streit zweier Lager. Die einen vertraten im Sinne des Positivismus hoch standardisierte und objektive Verfahren, die anderen die Verfahren, welche auf der Erfahrung von Experten beruhen und bei subjektiver Anwendung und Auswertung viel Spielraum lassen. Die Positivistische Richtung warf den anderen Unwissenschaftlichkeit vor. Die andere Seite meinte, die objektiven Tests wären oberflächlich, da für die individuelle Deutung zu wenig Raum ist. Außerdem wäre die Seele nicht meßbar. Wie entwickelte sich die Konstruktion von Skalen zur Messung von Fähigkeiten und Neigungen weiter? Man benutzte Verfahren der Verteilungs- und Korrelationsstatistik um die Tests zu eichen. Diese Berechnungen dienten der Bestimmung von • Zuverlässigkeit, Reliabilität. Übereinstimmung von Testwiederholungen • innere Gültigkeit, (Validität). Übereinstimmung zwischen zwei ähnlichen Tests. • äußere Gültigkeit (Validität). Übereinstimmung mit dem Bewährungskriterium. Welche Entwicklungen gingen aus der Frage hervor, ob diese alle das gleiche messen? Die Korrelationsberechnung wurde zur Faktorenanalyse weiterentwickelt. So teilte man die Testleistung in verschiedene Komponenten ein. Auch die Intelligenzforschung wurde weiterentwickelt. Spearman (1914) entwickelte so sein Modell von G und S als Intelligenz und Thurstone (1931) fand 12 primäre Intelligenzfaktoren. Burt entdeckte überdauernde Persönlichkeitsfaktoren, langfristige Motive. Diese Analyse von Testergebnissen knüpft an die Statistik der Erbforschung an. Die Uni in London unterhielt ein psychometrisches Forschungszentrum. In diesem wurde Psychologie und Statistik parallel weiterentwickelt. Die Reihe der Forscher umfaßt: Karl Pearson (18571936) auf dem Lehrstuhl für Eugenik, Charles Spearman (1863-1945), Cyril Burt (18831971). Burt nahm einen G-Faktor für Intelligenz und Emotion an. Dies seien die Erbanteile. Wem diente die Praktische Psychologie? Dies ist umstritten. Der Soziologe Nicolas Rose (1990) meinte, die Psychologie sei von maßgeblichen Instanzen dazu benutzt worden, die Bevölkerung an die moderne Welt des Handels und der Verwaltung anzupassen. Dazu gehört auch die Psychotherapie. Die Psychologie bekannte sich jedoch auch zur Philanthropie. Allerdings bedurfte sie zu ihrer Existenz auch gewisser Mittel, war also auf Markorientierung angewiesen. Wozu dienen Interventionsverfahren? Diese sollen Veränderungen herbeiführen, d.h. Verbesserungen bewirken oder Verschlechterungen herbeiführen. Hierfür bieten sich drei Arten von Intervention an: Beratung, Schulung und Gestaltung. In der Beratung äußern die Experten ihre Meinung, überlassen aber die Entscheidung dem Klienten. Schulung und Gestaltung stellen unmittelbare Eingriffe dar. In welche Bereiche gliederte Giese (1935) die Angewandte Psychologie? In Subjektpsychologie und Objektpsychologie. Die Subjektpsychotechnik betreibe die Anpassung des Menschen an die Anforderungen der Umwelt. Die Objektpsychotechnik die Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse des Menschen. Wodurch zeichnen sich die Interventionsmethoden der praktischen Psychologie aus? Durch ihre Zielsetzung. Die Methoden von Beratung, Schulung und Gestaltung waren ähnlich, wie bei Rechtsanwälten, Weiterbildungen oder Ingenieuren. Diese Ziele waren z.B. die Befreiung von Angst. Diese Vertreter der Psychologie richteten sich meist auf Dauer in der betreffenden Institution ein. Wozu dienen die Verfahren der Evaluation? Diese dienen dazu, die Bewährung von Programmen festzustellen. In einem ersten Schritt sollen Abläufe und Ergebnisse der Programme ermittelt werden, in einem zweiten Schritt geht es um deren Deutung in Bezug auf die Nützlichkeit. So werden die Projekte aus diesem Grund dokumentiert. Welche Programme werden von der Psychologie bewertet? • Lehr- und Ausbildungsprogramme. • Programme zur sozialen Förderung. • Programme zur Gesundheitsförderung und Rehabilitation. Was erwartet man von einer Evaluation? • die Dokumentation beteiligter Personen, verfolgter Ziele und angewandter Methoden. • die Bestimmung der Wirksamkeit und der Begünstigten. • die Kosten. Worin besteht ein wesentlicher Vorzug der Evaluation? Sie kann bereits in der Erprobungsphase eingesetzt werden. Die Bewertung früherer Formen fließt in die Endgültige Gestaltung der Programme mit ein. Wie entwickelten sich die Evaluationsmethoden? Zunächst ziemlich jämmerlich. Diese wurden nur im kleinen Umfang betrieben. So berichtet Myers (1921) über ein Programm zur Integration von Einwanderern. Im großen Stil kamen die Evaluationsprogramme in den 60ern zum Einsatz. In dieser Zeit wurden große Sozialprojekte angesetzt, die es zu bewerten galt. Auch die Psychologie selbst begann, ihre Diagnose- und Therapieverfahren zu evaluieren. Was ist zur Studie von Nickel, Schenk & Ungelenk (1980) zu sagen? Diese widmeten sich dem Verhalten von Eltern, Erziehern und Kindern. Dieses sollte Aufschluß über Organisations- und Interaktionsformen geben. Auch wurden die Kinderläden und andere Vorschuleinrichtungen evaluiert. Was zählt in der praktischen Psychologie? Nach Harry D. Kitson (1921) nicht spektakuläre Neuerungen, sondern unauffällige Entwicklung von vorhandenem. So bekommen die praktischen Psychologen in der Regel sowohl die Fragestellung, als auch Methoden, als auch grundlegende Theorien von der restlichen Psychologie geliefert. Dies ist auch am Beispiel des Intelligenztests zu sehen. Diese wurden von den Behörden beauftragt, Simon und Binet selbst übernahmen viele Fragen von Dr. Blin. Wie entfaltet und bewährt sich die praktische Psychologie? Durch Verwissenschaftlichung bestehender Praxis. Hierzu gehört: • Sichtung und Prüfung vorgefundener Praxis. • Fortentwicklung vorgefundener Praxis unter Nutzung der Forschungserfahrung. • Verbesserung und Verfeinerung durch eigene wissenschaftlich praktische Neuerung. Wie entwickelte sich die Charakterbeschreibung in Frankreich weiter? Sie blieb eine hoch angesehene Kunst. So konzipierte der Dichter Charles-Augustin SainteBeuve (1804-1869) viele Portraits von Prominenten, die sich durch ihre Individualität auszeichneten. Allerdings wollte der Autor auch Seelenverwandtschaften ermitteln. Er sah sich selbst als Naturforscher im Sinne eines Zoologen auf dem Gebiet des Geistes. Um die Charaktereigenschaften zu ermitteln entwarf er Fragen, die man als erstes Persönlichkeitsinventar auffassen kann. Welche Folgen hatte dies für die Kulturpsychologie? Eigentlich sollte sie Rückblickend Motive und Ursachen analysieren, aber obwohl es dazu genug Bedarf gegeben hätte, vor allem durch die ungeheuerlichen Taten im 20. Jahrhundert, blieb die Erstellung von Biographien und Epochendarstellungen in der Hand von Publizisten und Geschichtswissenschaftlern. In diesem Bereich bildete sich kein Berufsbild heraus. Ist Praktische Psychologie universell oder teilt sie sich in spezialisierte Teile? Zwar prägten Persönlichkeiten wie Hugo Münsterberg und andere Professoren an den Universitäten das Bild des allseits zuständigen Psychologen, jedoch gab es auch einen großen Wunsch nach Spezialisierung. Dieser ging von den bereits bestehenden Berufen aus: Viele Berufe wie Soldaten oder Richter besitzen durch die langjährige Praxis oft bereits beträchtliche psychologische Expertise, die durch die fachwissenschaftliche Unterweisung noch zu fördern ist. Gerade die alten Berufe standen unter einem erheblichen Modernisierungsdruck. Die Psychologie versprach, Effizient und Zufriedenheit gleichzeitig zu fördern. Wer waren die ersten Psychologischen Spezialisten? Angehörige traditioneller Berufe, die sich im Bereich der Psychologie qualifizieren wollten. Später mußten sich die Psychologen diese Zusatzexpertise oft informell aneignen. Ein Doppelstudium war keine Seltenheit. Jedenfalls war damit die Grundlage zum Wettbewerb mit traditionellen Berufen gegeben. Was eint die praktische Psychologie zwischen den Spezialisierungen? Die Methodik der Diagnostik, Intervention und Evaluation. Welche Praxisbereiche werden von der Psychologie als besonders wichtig angesehen? • Pädagogische Psychologie • Rechtspsychologie • Arbeits-, Betriebs-, und Verkehrspsychologie • Werbepsychologie • Klinische Psychologie Welche Bedeutung hat die Erziehung? In der Moderne werden große Hoffnungen auf die Erziehung gesetzt. Einerseits verlagerte sich diese in die Öffentlichkeit, andererseits weitete sich das Erziehungsfeld durch die Medien aus. Außerdem sollten Menschen aller Altersstufen gebildet werden. Welchen Bezug hat dies zur Psychologie? Die Pädagogische Psychologie machte sich den Prozeß der Erziehung mit allen Institutionen, Betroffenen und Wirkungen zu ihrem Thema. Anfangs konzentrierte sie sich auf die Schule und stützte sich auf die Tradition von Comenius und Basedow. Was war das Ansinnen von Johann Friedrich Herbart? Die Psychologie als Grundwissenschaft in der Pädagogik zu verankern. Die Pädagogik hänge von der praktischen Philosophie (Ethik) ab, welche Ziele vorgebe und der Psychologie, welche die Mittel zeige. Diese Ethik solle die Bildungsziele vorgeben, die Psychologie die dabei auftretenden Probleme lösen. Die Unterrichtsgestaltung sei auf der Theorie des Geistes aufzubauen, auch auf seiner Theorie der Vorstellungsmechanik. Auch mathematische Darstellungen sollen den Vorzug vor weitschweifenden Ausführungen haben. Welche Folge hatte die Auffassung Herbarts? Die Psychologie wurde zu einem festen Bestandteil der Lehrerausbildung. Manche bereicherten selbst wiederum die Psychologie (etwa Thorndike 1913). Es dauerte jedoch noch über 50 Jahre, bis diese Ansätze systematisch zur Experimentellen Pädagogik zusammengefaßt wurden. Welche Schwerpunkte hatte die Experimentelle Pädagogik? Nach Ernst Meumann & August Lay (1905), welche in diesem Jahr eine eigene Zeitschrift für die neue Richtung herausbrachten gab es zwei Schwerpunkte. Meumann wollte die Pädagogik durch die experimentelle Psychologie als Naturwissenschaft erneuern, Lay wollte die Wort- und Buchschule in eine Tatschule umwandeln. Diese sollte durch aktives Lernen praktisch umsetzbares Wissen hervorbringen. Natürliche Fähigkeiten sollten geschult werden. Dazu sollte die ganze Lernumgebung in allen ihren Facetten umgestaltet werden. Welche Methoden bevorzugte Lay? Den Unterrichtsversuch, die Statistik und die systematische Verhaltensbeobachtung. Die Verhaltensbeobachtung war für ihn eine wichtige Quelle der Erkenntnis. Diese gab Hinweise auf zu klärende Probleme. Diese zeigte auch die Wirksamkeit von Erziehungsmaßnahmen. Die Statistiken erlaubten Rückschlüsse auf Risikofaktoren, wie etwa den Alkoholgenuß. Andererseits kann man auch so unterschiedliche Unterrichtsstile objektiv bewerten. Welches Problem ergab sich bei der Evaluation der Theorien? Den Psychologen standen Apparate zur Messung von Beanspruchung und Ermüdung zur Verfügung, nur konnten diese kaum angewandt werden, bzw. nur in Einzelfällen, so daß man schließlich doch meist auf die Erhebung von Schulleistungen zurückgreifen mußte. Welche Konzeption vertrat Meumann? Nach diesem sollte vor allem die Experimentelle Psychologie den Schlüssel zum Verständnis von Erziehung und Unterricht liefern. Das psychologische Experiment sollte auch in der Schule zur führenden Erkenntnismethode werden. Meumann erörterte die Theorien der allgemeinen Psychologie in ihrer Beziehung zum Lehren und Lernen. Der Jugendliche Mensch sei Gegenstand exakter Forschung. Er erforschte den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Richtigkeit von Aufgaben, sowie den Einfluß von Koffein. Was geschah im Folgenden mit der pädagogischen Psychologie? Sie spaltete sich. Die aufwendige Forschung wurde in spezialisierten Instituten betrieben, die Schulpsychologen selbst waren eher in Begutachtung und Beratung der Schüler tätig. Welche Aufgaben hatten die Pädagogischen Psychologen an den Schulen? • Gutachten über Schulreife • Schullaufbahnberatung (vor allem bei Wahl des Schulzweiges) • Begutachtung und Beratung von Schülern mit Lernschwierigkeiten • Begutachtung und Beratung von sozial auffälligen Schülern • Therapie von Schülern mit Lernschwierigkeiten und sozialer Auffälligkeit Was ist Recht? Die einen sagen: Ein Wettkampf zwischen Bürgern, bei dem der bessere gewinnt. Diese Auffassung ist der empiristischen Moralphilosophie verpflichtet. Die anderen sagen: Recht ist ein Teil der Weltordnung. Es ist Pflicht, dem Recht zum Sieg über das Unrecht zu verhelfen. Diese Auffassung ist der idealistischen Moralphilosophie verpflichtet. Was hat das mit der Psychologie zu tun? Beide sagen, daß die Psychologie bei der Lösung dieses Problems helfen kann, d.h. daß sie zu Recht verhelfen kann. Einerseits, indem sie durch ihre Anwendung einer der Parteien zu Recht verhilft, andererseits indem sie dem Recht durch Unterscheidung von Gut und Böse den Sieg bahnt. Welcher Verständnis von Recht hatte man in Deutschland? Man stützte sich auf den Idealismus. Das Recht sei nach „objektiven Maßstäben“ durchzusetzen. Dies bedeutet aber keine Berufung auf vorgegebene Rechtsnormen, d.h. überirdische Gebote oder Gesetze der Natur, sondern auf Rechtsnormen als psychische Seinstatsachen, die wissenschaftlich exakt zu ermitteln sind. Begriffe wie Schuld oder Strafe müßten aus dem Verständnis menschlichen Denkens und Wollens bestimmt werden. Die psychologisch-wissenschaftliche Analyse soll maßgebend sein, nicht etwa die willkürliche Rechtskonstruktion oder Parteilichkeit. Diese Analyse trägt so dem Wandel des Bewußtseins von Recht Rechnung. Was bedeutete dies für die Psychologie? Zunächst entstand eine forensische Psychologie mit drei Schwerpunkten: • Begutachtung von Aussagen vor Gericht. Zeugenaussagen sind nicht immer glaubwürdig. Die konkrete Glaubwürdigkeit ist oft Gegenstand von Streit. Da auf die Zeugen als Beweismittel nicht verzichtet werden konnte, bedurfte es wissenschaftlicher Analyse und Begutachtung. • Begutachtung von Angeklagten. • (selten) Rekonstruktion des Tathergangs. Welche Abhilfe schuf die Psychologie für das Problem der Zeugenaussagen? William Stern (1902) und Otto Lipmann (1905) boten hier Hilfe an. Sie versuchten im Experiment zu ermitteln, welchen Beschränkungen der Aufnahmefähigkeit und des Gedächtnisses die Zeugen unterliegen. So wurden Versuchspersonen Szenen vorgespielt, die sie möglichst gut erinnern sollten. Diese Versuche führte auch Jaffa (1903) durch. Es wurde differenziert zwischen primären, unmittelbaren Aussagen und sekundären, die auf Hörensagen beruhen. Stern wies auch die Wirkung von Suggestivfragen nach. Er berechnete die Treue der Angaben als Quotient der richtigen Angaben durch alle Angaben. Diese Studien wiesen Faktoren nach, die bei der Beurteilung eine Rolle spielten, wie Geschlecht, Alter oder Merkmale der Situation selbst. Ein weiteres Problem ist die Ehrlichkeit von Zeugen. Oft leugnen diese, vor allem auch die Angeklagten. Max Wertheimer & Julius Klein (1904) entwickelten Methoden um die Täuschung aufzudecken wie die Verzögerung von Assoziationen oder physiologische Begleiterscheinungen. Diese wurden unter dem Begriff Tatbestandsdiagnostik zusammengefaßt. In diesem Bereich forschte auch Jung (1906). Verheimlichte Schuld wirke wie ein Komplex und verzögere die Assoziation. Diese Verzögerung versuchte Wertheimer auch im Labor zu untersuchen. Er legte den Probanden Bilder vor und ließ sie auf Reizworte antworten. Die Geschwindigkeit wurde gemessen. Bei belastenden Begriffen verzögerte sich die Reaktion. Otto Löwenstein (1922) entwickelte ein Gerät zur Messung von Hand- und Beinbewegungen als Indikatoren der Lüge. Diese erwiesen sich jedoch als unzuverlässig. Auch andere psychophysiologische Meßgeräte wurden konstruiert, z.B. von William M. Marston. Diese wurden unter dem Sammelbegriff Lügendetektor bekannt. Weshalb werden in Deutschland Lügendetektoren bei Verhandlungen abgelehnt? Sie verstoßen gegen die Menschenwürde, da sie gegen den Willen des Betroffenen seine geheimen Gedanken und Gefühle aufdecken. Wie können die Psychologen bei der Rekonstruktion des Tatherganges helfen? Dies ist eigentlich die Aufgabe des Richters. Andererseits gibt es Fälle, in denen die experimentelle Psychologie half, z.B. bei der Rekonstruktion eines Zugunglückes durch Marbe (1926). Allerdings ist dies nicht häufig der Fall. Die Hauptbeschäftigung forensischer Psychologen liegt in der Begutachtung von Angeklagten und Zeugen. Es werden Expertenurteile zur Straffähigkeit, Zurechnungsfähigkeit und Prognosen für die Resozialisierung erwartet. Mittlerweile sind Psychologen auch im Strafvollzug selbst tätig. Wer war William Stern? Dieser schuf bedeutsame Beiträge zur Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie, Differentiellen Psychologie und Diagnostik und forensischer Psychologie. Diese Zweige wollte er zu einer angewandten Psychologie mit zwei Ausrichtungen vereinigen: Psychognostik als richtendes Urteil und Psychotechnik als geeignete und zweckmäßige Handlungsweise. Er war eigentlich sehr angesehen, mußte aber emigrieren. Er übernahm die Nachfolge von Meumann in Hamburg. 1933 mußte er Emigrieren. Wie verzweigte sich die praktische Psychologie? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründen sich die ersten eigenen Fachzeitschriften. Alle Zweige der angewandten Psychologie bekamen eigene Publikationsorgane, z.B. Experimentelle Pädagogik (1905) von Meumann und Lay, Journal of Educational Psychology (1910) von Bagley, Bell, Seashore und Whipple. 1903 von Stern und Lipmann die Beiträge zur Psychologie der Aussage. 1925: Die Psychotechnische Zeitschrift von Rupp. 1908: Zeitschrift für angewandte Psychologie (Stern & Lipmann). 1917: Journal of Applied Psychology (Hall, Baird & Geissler). Wie profitierte die Kriminalistik von der Psychologie? Die forensische Psychologie profitiert von den vergleichenden Psychologien. Die Rechtspsychologie baut jedoch auch auf Lehren aus der Rechtswissenschaft und der Psychiatrie selbst auf. Diese Lehren nennt man Kriminalistik oder Kriminalanthropologie. Hanns Gross (1898) war ein Vertreter dieser Richtung. Ebenfalls Robert Sommer (1904). Dieser spricht von Zurechnungsfähigkeit und Psychosen, sowie der psychischen Infektion, wenn Jugendliche mit diesen in Kontakt kommen. Wer war Karl Marbe (1869-1953)? Nach 20 Jahren Forschung in der experimentellen Psychologie wandte er sich der angewandten Psychologie zu. Er war positivistisch geprägt. Die Wissenschaft solle auf Erfahrung gründen und der Verbesserung des Lebens dienen. Außerdem glaubte er an die Einheit der Wissenschaft. Er betonte die Beziehung der Psychologie zu fast allen anderen Wissenschaften. Auch beschäftigte er sich mit Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. Die Statistischen Tendenzen schaffen den Ausgleich des Gegensätzlichen und die Wiederkehr des gleichen. Dadurch seien Prognosen zu rechtfertigen. Er untersuchte statistisch eine Invariante Unfallneigung bei bestimmten Personen. Versicherungen sollten dies bei der Berechnung der Prämien berücksichtigen. Abgestufte Prämien seien sowohl gerecht, als auch erzieherisch. Weshalb ist die Arbeit in der Moderne so zentral? In der Moderne hat sich die Arbeit mit eigenen Organisationsformen verselbständigt. Der alte Verbund von Wohnen und Arbeiten löste sich auf. Familienbetriebe wichen Fabriken. Auch die Verkehrsmittel änderten sich. Was hat das mit der Psychologie zu tun? Die psychologischen Probleme in den Großbetrieben waren enorm. Von der Psychologie erwartete man sich Abhilfe bei einer Vielzahl von Problemen. Vor allem sollte die Arbeitsleistung erhöht werden. Alle negativen Faktoren hingegen gesenkt. Vor allem: • Personalauslese und Qualifikation (Eignungsprüfung, Aus- und Weiterbildung) • Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsablaufplanung (Arbeitsverfahren- und Umgebung) • Arbeitsorganisation (Arbeitspausen, Arbeitsgruppen) • Betriebsorganisation (Führungsstrukturen, Mitbestimmung) Welche Leistung bot die frühe Arbeitspsychologie am ehesten an? Die Eignungsauslese. Es gab für alle möglichen Berufe plötzlich Eignungstests, z.B. für Handelsvertreter und Straßenbahnfahrer. Diese Straßenbahnen waren in viele Unfälle verwickelt. Deren Zahl sollte gesenkt werden. Münsterberg konzipierte einen Test. In diesem sollten in einer abstrakten Simulation Gefahrenpunkte erkannt werden. Hierbei wurde die Zeit gestoppt und eine hohe Korrelation zwischen tatsächlichem Erfolg und Test festgestellt. In welche groben Kategorien lassen sich Eignungstests einteilen? • Spezielle Funktionsprüfungen (z.B. Rechenfähigkeit, Handgeschick). Diese speziellen Prüfungen sind je nach Anforderung des Arbeitsplatzes zu Testbatterien zu kombinieren. Diese waren oft handlich und leicht zu transportieren. • Integrierte Arbeitsproben an Prüfplätzen, die den zu besetzenden Arbeitsplätzen nachgebildet sind. Diese waren oft kompliziert und bedurften räumliche Einrichtungen. Welche Messung war in der Arbeitspsychologie besonders wichtig? Die Messung der Ermüdung. Diese sollte die Belastbarkeit der Arbeitenden anzeigen, andererseits deren Beanspruchung durch die Arbeit. Die Übermüdungsmesser wurden oft auch zur Bewertung von Arbeitsablauf und Arbeitsbedingungen benutzt. Wer entwickelte ein ausgefeiltes Verfahren zur Messung von Müdigkeit? Der Psychologe Emil Kraepelin(1902). Bei diesem mußte man fortlaufend einstellige Zahlen addieren und die Summe notieren. Mit diesem Verfahren bestimmte er Arbeitskurven, d.h. charakteristische Leistungsverläufe. In diesen Spiegelte sich Ermüdung, Anregung und Übung wider. Aus dem Verlauf der Arbeitskurven kann man die Lage günstiger Pausen ermessen. Was trugen die Arbeitspsychologen zur Berufsberatung bei? Durch die Ausweitung des Arbeitsmarktes und eine zunehmend freiere Berufswahl standen die meisten Menschen beim Übergang von der Schule ins Erwerbsleben vor der Qual der Wahl und bedurften der Unterstützung. Diese bot die Psychologie vor allem den Jugendlichen durch die Information über Berufsaussichten und Ausbildungsmöglichkeiten sowie durch die Ermittlung von persönlichen Fähigkeiten und Neigungen. Hierbei spielen die diagnostischen Verfahren eine wichtige Rolle. Diese betrieben die Beratung auf wissenschaftlicher Grundlage. Wer verwandte Arbeitsproben? Schulz (1929). Hierbei mußten Geräte zusammengesetzt werden um die praktische Intelligenz zu ermitteln. Diese dienten der Ergänzung von mündlichen und schriftlichen Tests. Welche Ziele ergaben sich bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe? Die Rationalisierung der Arbeit und die Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsprozeß. Die Rationalisierung sollte Zeit, Kraft und Material sparen, die Produktivität gesteigert werden. Wie wurde die Rationalisierung erreicht? Zunächst wurden Bewegungsstudien erstellt, um darin überflüssige Bewegungen zu entdecken. Den Bestrebungen der Rationalisierung lag die Idee zugrunde, es gebe einen besten Weg, dem sich jeder normale Mensch anpassen kann. Auch sollten die verbleibenden Fähigkeiten von Kriegsversehrten bestmöglich genutzt werden. Die Rationalisierung fiel mit der Einführung von Fließbändern zusammen. Diese trug zur Kostensenkung und Massenproduktion bei. Wer waren ein Vorkämpfer der Rationalisierung? Der amerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1911) bei Ford in Detroit bei der Autoproduktion. Außerdem Bunker & Lillian Gilbreth. Diese bestimmten elementare Bewegungen und setzten aus diesen optimale Bewegungsabläufe zusammen. Jeder Elementarbewegung war dabei eine Standardzeit zugeordnet. Diese Untersuchungen führten sie mit der Zyklographie durch, indem sie Lichtspuren mit Standkameras aufzeichneten. Wie verstand sich der Taylorismus? Als moderne Reformbewegung. Anstatt der Persönlichkeit solle in Zukunft die Organisation an erster Stelle stehen. Damit kam er mit dem in der Psychologie vorherrschenden Philanthropismus in Konflikt. Auch wurde die Effizienz der Standardisierung hinterfragt. Jedenfalls beschäftigten sich Psychologen mit der Standardisierung eher nicht befaßt, sondern mit dem Training motorischer Fähigkeiten. Damit wurde die Ökonomisierung der Arbeit eine Domäne der Ingenieurwissenschaft. Wie trugen die Psychologen zur Gestaltung der Arbeitsplätze bei? Auch hier mußte gegen die Vorrangstellung der Arbeitswissenschaft angekämpft werden. Oft ordneten sich die Psychologen den Ingenieuren unter. So entstand Ingenieurpsychologie und „human factor engineering“, die den Faktor Mensch in Mensch-Maschine Systemen betont. Über welche Komponenten der Arbeitsplätze sammelte die Ingenieurpsychologe Erfahrung? Signale, Anzeigeinstrumente, Griffe und Bedienelemente, Werkzeuge, Beleuchtung, Lärm und Erschütterung sowie atmosphärische Bedingungen. Insbesondere bei der Häufung dieser Komponenten an einem verantwortungsvollen Arbeitsplatz bedurfte es des klugen Arrangements. Durch welche Erfindung erhielt die Arbeitspsychologie neue Impulse? Durch die Entwicklung des Computers. Die Schnittstelle zwischen Benutzern und Computern sollte verbessert werden, außerdem muß die Akzeptanz der Technik in den Organisationen erst hergestellt werden. Wie trug die Psychologie zur Lösung von sozialen Problemen in Organisationen bei? Kurt Lewin und Lester Coch, sowie John French (1953) nahmen sich dieser Problematik an. Eine Fabrik produzierte unter den Erwartungen. Bisherige Versuche die Produktion zu steigern, fruchteten nicht. Die Psychologen probierten ein System den Mitbestimmung ein und die Fabrik produzierte wieder mehr. Dies warf man den Autoren später als social engineering, d.h. die geschickte Manipulation der Arbeiter im Interesse der Führung vor. Wie konterte Lewin diese Kritik? Er demonstrierte damit gerade die Wichtigkeit sozialer Prozesse bei der Produktion. Er schloß sich der human-relations Bewegung vom Soziologen Elton Mayo (1933) an und stellte seine Sozialpsychologie in den Dienst der Demokratisierung der Industrie. Daran läßt sich allerhöchstens der konservative Ansatz dieser Bewegung bemängeln, der zur Entwicklung eines konfliktfreien Betriebsklimas beiträgt. Was resultierte daraus für die Beziehung zwischen Sozial- und Arbeitspsychologie? Eine fruchtbare Wechselbeziehung. Daniel Katz und Robert Kahn belegen dies in den 60ern. Die Untersuchung sozialer Beziehungen in Betrieben leistete Beiträge zu Rollen, Macht und Autorität, Organisationsstrukturen, Kommunikation, Entscheidungen, Führung, Veränderungen in Organisationen, Leistungsfähigkeit von Organisationen. Da diese Probleme nicht nur in Betrieben, sondern auch in anderen sozialen Einrichtungen auftreten, lag es nahe eine Bereichsübergreifende Organisationspsychologie zu entwickeln. Kurt Lewin schuf dies durch sein sozialpsychologisches Programm der Gruppendynamik. Hierfür wurde 1945 in Boston eigens ein Forschungszentrum mit Lewin als Leiter gegründet. Welcher weitere wirtschaftliche Wandel vollzog sich in der Moderne? Früher waren die Versorger mit den Verbrauchern oft in persönlichem Kontakt, in der moderne erfolgte die Versorgung der Bevölkerung durch Handel und Industrie. Parallel dazu entwickelten sich Massenmedien. Da es zu einer zunehmenden Steigerung der Produktion kam, betrieben die Hersteller Werbung um Käufer für ihre Produkte zu finden. Welche Folgen hatte dies für die Psychologie? Die Wirtschaftswerbung wurde zu einem wissenschaftlichen Thema, die Reklamepsychologie nahm daran in Theorie und Praxis teil. Edmund Lysinski (1922) reihte diese neue Richtung in die Erfahrungswissenschaften ein, da sie sich auf theoriegeleitete Beobachtung, Statistik, Messung und Experiment stützt. Wer war ein früher Vertreter der Werbepsychologie? Walter Dill Scott (1908). Dieser veröffentlichte ein Buch zum Thema Werbung, welches Prinzipien erfolgreicher Werbung aufzeigt. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges erfuhr die Werbepsychologie einen großen Aufschwung. Dies zeigt Theodor König (1924). Welche Probleme waren für die Werbepsychologie besonders wichtig? • Aufmerksamkeit. Wie erregt und lenkt man Aufmerksamkeit? • Wahrnehmung und Vorstellung, wie gestaltet man ausdrucksvolle Bilder? • Verständlichkeit. Wie sichert man die Verständlichkeit von Texten? • Gedächtnis. Wie erhöht man die Einprägsamkeit von Bildern und Texten? • Motivation, Gefühl. Wie spricht man die Bedürfnisse der Käufer an? Wie entsteht Sympathie für ein Produkt oder seinen Hersteller? • Wille, Suggestion. Wie fördert man Kaufentscheidungen? Kann man den Käufer zu Entscheidungen nötigen, die nicht in seinem Interesse liegen? Welcher Methoden bediente sich die Werbepsychologie? Unter den Methoden war z.B. die Gedächtnisprüfung. Scott (1908) prüfte, an welche Anzeigen sich Versuchspersonen nach der Lektüre einer Zeitschrift noch erinnern. Es gab aber auch Laborstudien. Anna Berliner (1920) stellte auf diese Weise verschiedene Atmosphärenwerte für Warengruppen fest, d.h. Ausdrucksqualitäten. Da auch Drucktypen einen eigenen Ausdruck haben, eignen sich nicht alle für alle Waren. Sehr oft knüpfte die Werbepsychologie an die experimentelle Psychologie an, so setzte Lysinski (1918) den Befund, daß Reihen eher vorwärts als rückwärts erinnert um, indem er nachwies, das es günstiger ist, erst das Produkt zu nennen und dann den Markennamen als umgekehrt. Auch die Ebbinghaussche Methode des Einprägens sinnloser Silben wurde übernommen. David Starch (1923) wies nach, daß durch Lesegewohnheiten die Verortung einer Anzeige im Magazin wesentlich für deren Erfolg ist. Wodurch wuchsen der Werbepsychologie neue Aufgaben zu? Die Werbeindustrie weitete sich sowohl im Umfang, als auch in der Qualität immer mehr aus. Durch die Technik kamen Radio und Fernsehen als neue Medien hinzu. Auch die Politik betrieb zunehmend mehr Werbung. Außerdem erweiterte sie sich zur Markt- und Meinungspsychologie durch die Ermittlung von Bedürfnissen in der Bevölkerung. Oft wird die Zugehörigkeit der Werbepsychologie zur Kommunikationspsychologie betont. Wie entstand die klinische Psychologie? Der Begriff der klinischen Psychologie wurde von Lightner Witmer (1896) konzipiert. Dieser trat für die unmittelbare Anwendung von psychologischen Prinzipien in Therapie und Erziehung ein. Er schlug vor, man solle ein psychologisches Museum zur Dokumentation und Ausstellung psychologischer Fälle und Verfahren, sowie eine Psychologische Klinik mit Ambulanz zur Beratung und Behandlung aufbauen. Witmer promovierte bei Wundt, wollte aber nicht in der experimentellen Psychologie bleiben. Er gründete selbst 1907 ein Labor zur Pflege der Praxis und nannte es Psychologische Klinik. Er behauptete, er betreibe dort klinische Psychologie. Nach dessen Vorbild entstand eine klinische Bewegung. Die Klinische Psychologie ging also aus der Schul- und Familienerziehung hervor und widmete sich den geistigen und sozialen Schwierigkeiten der Menschen. Worin unterscheidet sich die Klinische Psychologie von anderen praktischen Psychologien? Auftraggeber waren nicht Institutionen, sondern die Bedürftigen Menschen selbst. Diese Psychologie diente also dem persönlichen und privaten Interesse der Klienten. Mit diesem Selbstverständnis und eigenen Praxen glichen sich diese Psychologen dem Ärztestand an. Was ist die Bewegung der mentalen Hygiene? Die Mental Hygiene wurde 1908 durch Clifford Beers gegründet. Diese wollte Hilfe für psychiatrische Patienten und zur Vorbeugung von Geisteskrankheiten, allgemein zum gesunden Leben schaffen. Was hat es mit dem Fletcherismus auf sich? Dieser war Teil der Mental-Hygiene-Bewegung. Horace Fletcher vertrat die Ansicht, vor allem das gründliche Kauen der Nahrung wäre für ein gesundes Leben wichtig. Welche Beziehung hatte diese Bewegung zur Klinischen Psychologie? Sie war ein Nährboden für die Klinische Psychologie. Staat und Kirche richteten Gesellschaften zur Förderung der mentalen Hygiene ein. So entstanden Behandlungsstellen und Erziehungsberatungsstellen. Diese Bewegung stand in der Tradition der Philanthropie. Auch sie blieb nicht von der Kritik verschont, sie leiste nichts anderes als die Anpassung der Bürger an die staatliche Reglementierung. Die Psychologie wäre besonders schuldig. Was wies Hugo Münsterberg der Psychotherapie an Gegenständen zu? Dieser differenzierte scharf zwischen Psychiatrie, welche sich mit Geisteskrankheiten, Wahnsinn und Epilepsie befaßt und der Psychotherapie, welche Neurasthenien zum Gegenstand haben. Dies sind Zwangsvorstellungen, Hypochondrien, Süchte, Störungen des Gefühls, Störungen des Wohlbefindens und Verhaltens. Das Aufkommen der Psychodiagnostik bereicherte die klinische Psychologie, Haupttätigkeit blieb jedoch die Therapie. Welche Methoden benutzt die Psychotherapie? • Veränderungen der Umgebung, vor allem der Konfliktreichen • Suggestionen und Hypnose • Übungen • Gegenkonditionierung • Aufhebung von Fehleinstellungen Zu welchen Einrichtungen tritt die Psychotherapie damit in Konkurrenz? Deren Leistungen können auch von Kirchen und Familien erbracht werden. Die Psychotherapie benutze ähnliche Methoden der Erziehung, Ermunterung und Tröstung. In welche Richtungen teilt sich die Psychotherapie nach Münsterberg? Verhaltensmodifikation (Verhaltenstherapie) und Gesprächsführung (Gesprächstherapie). Diese basierten zunächst auf überlieferten Methoden der Lebenserfahrung, später eher auf psychologische Paradigmen. Worauf basiert die Verhaltenstherapie, worin bestand sie? Diese wurzelt vor allem im Behaviorismus. So wird z.B. Angst als Ergebnis der klassischen Konditionierung aufgefaßt. Diese sei durch geeignete Gegenkonditionierung zu korrigieren. Die Bekämpfung von Angst gelingt in der Verhaltenstherapie gut. Diese Programme wurden ursprünglich von Joseph Wolpe (1969) entworfen und beinhalten auch Rollenspiele. Unerwünschte Verhaltensweisen werden eher durch operantes Konditionieren modifiziert. Durch Belohnung gelang es Theodore Ayllon und Nathan Azrin (1968) schwierige Verhaltensweisen abzugewöhnen. Dabei gingen sie nach dem Prinzip der Verhaltensformung, dem shaping vor. Jede Änderung in Richtung des gewünschten Verhaltens wird belohnt. Worauf stützen sich Gesprächstherapeuten? Eigentlich sind sie kognitivistischen Theorien verpflichtet. Dieses bieten jedoch kaum Paradigmen an, wie dies zu bewerkstelligen ist. Deshalb verschrieben sich viele Gesprächstherapeuten den verschiedenen Richtungen der Tiefenpsychologie im Sinne von Freuds Redekur. In diesem Sinne spürten sie verdrängten Traumata nach. Die Vielfalt tiefenpsychologischer Theorien erlaubt dem Therapeuten großen Gestaltungsspielraum. Auf welche Ansätze aus der antiken Philosophie greift die Gesprächstherapie gerne zurück? Auf die Hermeneutik, die Suche nach dem Sinn und die Rhetorik, die Kunst durch Reden zu überzeugen. Da die Erkenntnis von Sinn Trost schafft, kann dies therapeutisch genutzt werden. Bereits die Anhänger der Stoa erkannten, daß wer sein Schicksal als Teil der Weltordnung begreift, nicht leicht traurig sein kann. So versucht Victor Frankl (1905-1997) die Not zu beseitigen, indem er ihren Ursachen Sinn zuspricht. Dies nannte er Existenzanalyse und baute darauf die Logotherapie auf. Der Mensch habe einen Willen zum Sinn. Dieser sei ebenso stark wie Freuds Luststreben. Die Hermeneutik drängt darauf, den Sinn zu finden, der in einem Gegenstand enthalten ist. Die Rhetorik behauptet jedoch, die Sinngebung sei eine Zuschreibung und Konstruktion des menschlichen Geistes. Man könne die Dinge und Ereignisse jeweils so erscheinen lassen, wie es wünschenswert ist. Auf dieser Grundlage baute Albert Ellis (1962) seinen Ansatz der Rational-Emotiven Therapie. Diese sucht das Leiden zu lindern, indem die Wertgrundlagen des Leidens verändert werden. Zwischen den Ereignissen und den emotionalen Störungen liege der Irrglaube. Dieser kann z.B. darin bestehen, daß man von anderen anerkannt sein will. Der Autor verwickelt seine Klienten in Dispute um sie von der Unhaltbarkeit des Irrglaubens zu überzeugen. Danach haben die Klienten gelassen ihr Schicksal ertragen. Diesen glücklichen Weg gingen bereits die Kyniker. Auf welche anderen Quellen können sich Psychotherapeuten stützen? Sie können sich auch von kognitivistischen oder utilitaristischen, von Moralphilosophien, politischen oder religiösen Überzeugungen sowie auf die Lebenserfahrung berufen. Daraus ergibt sich eine ungeheure Vielfalt an Therapieansätzen. Andererseits auch zu widersprüchlichen Ansichten in der psychologischen Praxis. Wer fand ungeachtet dieser Dispute viel Zustimmung? Carl Rogers (1902-1987). Dieser fand die dominante Haltung der paradigmatischen Therapeuten gegenüber den Klienten unmoralisch. Er entwarf eine nicht-direktive Therapie. Der Klient müsse selbst zur Einsicht in die Probleme kommen und selbständig Lösungen finden. Die Aufgabe des Therapeuten bestehe lediglich darin, die Selbsterfahrung in Gang zu halten (z.B. durch Spiegelung). Die nicht-direktive Therapie setzt damit die humanistischen Prinzipien des Kognitivismus in psychologische Praxis um: Individualität, Selbsterkenntnis und Autonomie. Wie war der Stand der Psychologie in der Psychiatrie? Die Behandlung von Geisteskranken blieb nach der Forderung Reils Gegenstand der Medizin. Jedoch steht es dieser frei, die Erkenntnisse der experimentellen Psychologie zur Untersuchung von Geisteskranken zu integrieren. Dies schlug Emil Kraepelin vor. Analog zur Arbeitskurve sollten die Versuche eine Diagnose von geistigen und affektiven Störungen ermöglichen. Diesem Programm war kein Erfolg beschieden, da sie von den neuen Tests verdrängt wurden. Da deren Fülle enorm zunahm, wurden in den psychiatrischen Kliniken selbst Psychologen angestellt. In dieser Eigenschaft waren Psychologen unter der Aufsicht von Ärzten diagnostisch tätig, in dieser Hinsicht wurde die Psychologie Medizinalhilfsberuf. Brückenschläge von Ärzten wie Albert Moll (1889), der eine Hypnosebehandlung durchführen wollte wurde von den Psychologen selbst als Auswuchs des Okkultismus zurückgewiesen. Mittlerweile erheben die Psychologen Anspruch auf eine Anerkennung der nicht-ärztlichen Psychotherapie in Form von Verhaltens- und Gesprächstherapie. Ars sine scientia est nihil oder ars est unum et scientia est aliud? Praxis ist eine Menge von Eingriffen, die sich durch Bewährung rechtfertigen. Logische Begründbarkeit ist kein Kriterium. Die Erforschung der Grundlagen erfolgreicher Praxis erfolgt erst später. Diese ermöglicht wiederum eine neue Sicht auf praktische Probleme. Andererseits vertritt Schönpflug die Auffassung, daß die psychologische Praxis ohne rechten Bezug auf die Grundlagenforschung bis in die Moderne gekommen ist. Dies ist aber umstritten. Die Ansicht, praktische und theoretische Psychologie wären immer noch zweierlei ist eine reine Deutung. Andererseits gibt es mittlerweile eine enge Verknüpfung von Forschung und Praxis durch materielle Bereicherung. Gemeinsam können die Psychologischen Theoretiker und Praktiker glänzen, daß ist klar. Außerdem kann sich die Psychologische Praxis auch selbst wissenschaftlich fundieren, ohne sich auf das Grundlagenwissen zu stützen. In der Praxis zählt aber vor allem Bewährung. Kapitel 12: Nach der Moderne Welche Frage stellt sich einer Psychologie der Postmoderne? Ob sie bleiben kann, was sie ist. Sie pendelt zwischen den Polen methodenstrenger Rationalismus und philanthropischer Subjektivismus. Jedenfalls wurden in der Postmoderne erhebliche Zweifel an den Prinzipien der Moderne laut. Wodurch ist die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt? Durch den kalten Krieg zwischen Ost und West sowie den letztendlichen Zusammenbruch des Ostblocks. Außerdem wurden beide Blöcke zu Sozialstaaten. Dadurch wurde jedoch die Selbständigkeit und Entscheidungsfreude gehemmt. Deshalb setzte gegen Ende eine zunehmende Liberalisierung ein, die Dienste, welche vorher der Staat anbot privatisiert, vor allem in der Wirtschaft. Es bildete sich die 3. Welt, Massenmedien und Massentransportmittel entstanden. Es kam zum weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistungen durch die Globalisierung ungeachtet kultureller Differenzen. Warum wurde die Moderne durch die Postmoderne abgelöst? Die Moderne hat trotz Rückschlägen in der Zeit der Weltkriege ihre Ziele erreicht. Die Produktivität wurde gesteigert, ebenso Wohlstand und Lebenserwartung und Bildung. Dabei ist gleichzeitig die Arbeitszeit gesunken. Sogar mit der neuen Kunst versöhnte man sich. Trotz allem blieb das Unbehagen an der Standardisierung des modernen Lebens im Sinne der kritischen Theorie bestehen. Es wurde über die Entfremdung des einzelnen in der Gesellschaft geklagt. Ihm würden durch die Wirtschaft uneigene Bedürfnisse aufgedrängt, andererseits erkannte man, daß die neue Lebensweise das ökologische Gleichgewicht bedroht. Die Erinnerung an die Ausgeburten der Moderne wie die faschistischen und kommunistischen Massenbewegungen blieb bestehen. In den sechziger Jahren begann der offene Protest gegenüber der modernen Lebensweise. Hieran beteiligten sich vor allem Jugendliche. Es kam auch zum Boykott, d.h. Ausstieg aus der modernen Arbeits- und Konsumgesellschaft, indem man sich ein einfaches und naturnahes Leben suchte. Es entstand eine ökologische Bewegung. Gleichzeitig wandelte sich auch die Wirtschaft und Politik. Einheit wurde durch Vielfalt abgelöst. Die Bevölkerung stellt sich immer mehr als Verbund von Minderheiten dar. Außerdem wurde das Bild von der Welt durch die Massenmedien zunehmend medial vermittelt, der menschliche Erfahrungsraum weitete sich 1969 sogar in den Weltraum aus. Zusätzlich zur realen Welt kam eine fiktive, virtuelle hinzu, die im Bewußtsein immer öfter die reale Verdrängt. Am deutlichsten sieht man den Wandel in der Architektur. Hier wandte man sich von der reinen Funktionalität ab. Man weitete Ornament und Dekor aus, mischte Bau- und Naturformen im menschlichen Maßstab. Welche Prinzipien hat die neue, postmoderne Zeit? • Vielheit (Pluralismus) • Individualität (Subjektivismus) • Spielfreude • Emotionalität (Irrationalität) War diese Bezeichnung unumstritten? Nein. Möglicherweise waren die Postmodernen Prinzipien auch schon in der Moderne angelegt und wirken sich durch den Fortschritt jetzt aus. Habermas nennt die Postmoderne einen Rückschritt in die Zeit des Irrationalismus, antimodern und gegen die Aufklärung. Welchen Einfluß hat dies auf den Status des Wissenschaftlers? Wird er als Mann des Fortschritts und Bringers der Wohlstandes angesehen? Nein. Vor allem die Soziologen werfen den Wissenschaftlern politisches Versagen in der Zeit der großen Diktaturen vor. Insbesondere Fritz Ringer (1969) sieht dies so. Die Umweltzerstörung und Kriege durch Forschung hat auch in der Wissenschaft Selbstzweifel ausgelöst. Nicht mehr alle Wissenschaftler arbeiten im Sinne des Positivismus, die Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft wurde nach Lepenies (1992) durchlässiger. Maßstab der so gewandelten Wissenschaft ist nicht mehr Wahrheit sondern Schönheit. Aus dem Anspruch an beschreiben, erklären und vorhersagen wird das begnügen mit deuten und erfinden. Welche wissenschaftliche Neuentwicklung steht für diese Zeit? Die Theorie des Konstruktionismus. Diese bricht sowohl mit der positivistischen, als auch der ontologischen Tradition. Im Gegenteil knüpft man an die Tradition der Sophisten an, welche die Wirklichkeit als Produkt der Sprache und des Denkens auffassen. Manche wie z.B. Berger und Luckmann (1966) bestreiten sogar einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Leben im Alltag und der Wissenschaft. Begriffe, Aussagen und praktische Regeln dienen der Festigung sozialer Rollen in der Gesellschaft. Die Wissenschaft als Legitimationsmaschine stellt Wissen her, welches gesellschaftliche Einrichtungen erhält. Diese seien aber auch vom Menschen geschaffen. So gingen soziales Leben und die Herstellung von Wissen Hand in Hand. Da die Menschen aber ihr soziales Leben zu verschiedenen Zeiten und Orten unterschiedliche gestalten, bedeutet dies aber auch, daß es so viele verschiedene Wissensbestände wie Kulturen gibt, bzw. daß das Wissen kulturspezifisch ist. So könne eine in den USA entwickelte Neurosentheorie nicht in Afrika gelten. Dort wäre der Voodoo angemessener. Diese Wende hat jedoch nicht die ganze Wissenschaft mitgemacht. Wodurch kennzeichnet sich die neue Epoche in der Wissenschaft noch? Es wurde Theorien komplexer dynamischer, d.h. chaotischer (dissipativer) Systeme entwickelt. Diese meidet Annahmen über langfristige Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen. Die bedeutet zum einen, daß die Trennung von Ursache und Wirkung aufgehoben sein kann, d.h. jede Einheit kann gleichzeitig Ursache und Wirkung sein (Autopoiese, Selbstschöpfung). Zum anderen kann dies bedeuten, daß die Berechenbarkeit von Wirkungen begrenzt ist. Kleine Ursachen können durch Wechselwirkung mit anderen große Wirkungen hervorbringen. Diese seien jedoch nicht langfristig vorhersehbar und in diesem Sinne unbestimmt und zufällig. Auch kam es zur Entdeckung von synergistischen (zusammenwirken) Prozessen in komplexen Systemen. Viele Vorgänge in der Natur ereignen sich unumkehrbar in eine Richtung. Die Natur strebt immer zur niedrigeren Ordnung, d.h. der Zerstörung von Struktur und zur Gleichverteilung. Haken (1991) zeigte, daß aus Unordnung auch Ordnung entstehen kann, z.B. die Eiskristalle, die aus einem Zustand der Unordnung entstammen. Dieses Prinzip gilt für offene Systeme, die Energie aufnehmen und abgeben. In diesen wird die höhere Ordnung durch Selbstorganisation erzeugt. Wie wirkte sich die Postmoderne auf die Entwicklung psychologischer Theorien aus? Aus der Sicht der Moderne war nach Meumann (1903) die Vereinheitlichung der psychologischen Theorien ein großes Ziel. Die Integration sei für das Fach lebenswichtig. Kein Mensch hat mehr den Überblick über die psychologischen Forschungsgebiete. Man stößt auf eine unbändige Vielfalt mit einer fraktalen Struktur. Es werden viele kleine geschlossene Untereinheiten mit eigener Zielsetzung gepflegt. Dies wird durch die Globalisierung noch unterstützt. Ansätze zur Integration im Sinne von Feldtheorien oder biokybernetischen Ansätzen (Karl Theodor Kalveram 1998) sind randständige Phänomene. Dies kann jedoch trotz allem stabil sein, d.h. die Psychologie kann als Einzeldisziplin einen Zusammenhalt zeigen, ohne eine Einheit zu bilden. Eine fraktale Organisation ist schwer berechenbar und beherrschbar, kann jedoch durch Selbstorganisation stabil sein. Zwischen welchen Polen bewegt sich die Psychologie in der Postmoderne? Menschen guten Gewissens, harte Wissenschaftler, Empiriker, Naturwissenschaftler, methodenstrenger Rationalismus, Erkenntniswert, Kausalität, Objektivität, Laborexperiment, Gesetzmäßigkeit, elementar versus die klagende Klasse, weiche Wissenschaftler, Hermeneutiker, Geistes- und Sozialwissenschaftler, philanthropischer Subjektivismus, menschliche Werte, Unbestimmtheit, Intuition, Feldbeobachtung, Einzelfall, ganzheitlich. Jedenfalls ist diese Polarität nach Kimble (1984) ganz deutlich. Was stellt Prinz (1994) zu dieser Polarisierung fest? • Die Psychologie erreiche ihre Stellung als Einzelwissenschaft durch die Methodenstrenge ihrer Forschung und die Generierung allgemeiner Aussagen. Es gab allerdings berechtigte Kritik an deren mangelnder praktischer Bedeutung. • Auch die philanthropische Praxis ist eine Tradition der Psychologie. Diese fiel jedoch hinter die Gesetzespsychologie zurück und tut sich mit der Wissenschaftlichkeit schwer. • Anzuraten ist ein produktives Arrangement der beiden Richtungen, ein gemeinsamer dritter Weg. Die Öffentlichkeit sei der Gespaltenheit der Psychologen überdrüssig. Diese Befürchtung ist aber laut Schönpflug nicht zu teilen. Die Menschen hätten Verständnis. Wie ist die Polarisierung der gegenwärtigen Psychologie zu erklären? In ihr leben die Gegensätzlichkeiten der Moderne wieder auf: Experimentelle vs. verstehende Psychologie, nomothetischer vs. idiographischer Ansatz, reine und angewandte Psychologie. Was sind Indikatoren für eine postmoderne Wende in der Psychologie? • Forschungsprogramme zur eingeschränkten Rationalität, zum impliziten Verhalten und zur Emotionalität. • subjektorientierte Modelle. • qualitative Forschungsmethoden. Was hat es mit den neuen Forschungsprogrammen auf sich? Bis in die 70er Jahre suchte die Forschung geistige Höchstleistungen zu beschreiben, die auf vollständigem Wissen und scharfsinnigen Verfahren aus Mathematik und Logik beruhten. Damit folgte sie dem Prinzip der Rationalität. Jedoch ist zu beobachten: Nur selten ist vollständiges Wissen verfügbar und wenige Menschen beherrschend die exakten Verfahren. Jedoch bestreitet Simon (1982), daß der Mensch deshalb irrational handeln würde. Vielmehr sei vollständiges Wissen für praktische Zwecke gar nicht nötig. In der Praxis fehle die Zeit und Kapazität, hohe Rationalität zu erreichen, die Menschen hätten jedoch gelernt, damit auszukommen. Dies nennt man eingeschränkte Rationalität (bounded rationality). Im Alltag müsse man mit geistiger Genügsamkeit leben. Dies gelte für Entscheidungen in Alltag und Verwaltung. In der Praxis handele man nicht, wie klassische Wirtschaftswissenschaft denkt. Sind die Einschränkungen der Rationalität ein Mangel? Gigerenzer & Goldstein (1996) bestreiten dies. Diese Verfahren zum kurzen und bündigen Schließen wären in der Evolution entstanden und heute noch nützlich. Gerade ihre Sparsamkeit und Wirksamkeit wäre rational. So ist (less is more-effect) an einfachsten Merkmalen zu erschließen, welche von zwei Städten die größere ist. Welche Beziehungen hat diese Forschung zum impliziten Lernen? Solches Denken in Wahrscheinlichkeiten und sparsamer Rationalität sind meist nicht absichtlich gelernt und oft nicht als solche bewußt. Oft kennzeichnet sich das implizite Wissen nur als Gefühl. Bewußte und unbewußte Prozesse erhielten neue Bezeichnungen. Die bewußten nannte man explizit (ausdrücklich) und die unbewußten implizit (eingeschlossen). Besonders wurde zum impliziten Lernen geforscht. Dies wird weder mit Fleiß betrieben, noch beabsichtigt. Dennoch sind die Leistungen enorm. Als Beleg dient der Erwerb der Erstsprache. Kinder erhalten keinen Unterricht über die Grammatik, dennoch lernen sie die Regeln und entwickeln ein sicheres Gefühl, wie es richtig heißt. Welchen Anteil haben Studien zu impliziten Gegenständen in der modernen Psychologie? Auch zu anderen psychologischen Themen wie Denken und Problemlösen hat man implizite Anteile gefunden. Ein Programm zur unbewußten Informationsverarbeitung haben Perrig, Wippich und Perrig-Chiello (1993) zusammengestellt. Auch als implizit gelten sichere, aber nicht begründbare Entscheidungen, dies geht oft mit Gefühl einher. Welchen Status haben Gefühle in der modernen Psychologie? Auch Emotionen haben hohe implizite Anteile. Diese entziehen sich oft der bewußten Kontrolle. Gefühle wie Liebe und Haß schlagen sich in Stimmungen und damit in geistigen Tätigkeiten nieder. So ist das Urteilen von der Stimmung abhängig (Fiedler & Forgas 1988). Es vollzieht sich in der aktuellen Psychologie eine Abkehr von anspruchsvollen rationalistischen Modellen. Gerade das Irrationale rückt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Was bedeutet dies für die Untersuchung des Selbst? Diese haben einen enormen Aufschwung genommen, auch die zum Selbstkonzept (Brown 1997). Viele halten an der integrativen Kraft des Selbst fest. Die Konstruktionisten behaupten jedoch, das Selbst wäre eine gespaltene Struktur. Kenneth Gergen (1990) begründet dies mit der Uneinheitlichkeit der sozialen Welt. Die Welt wäre nicht als Einheit zu konstruieren, unterschiedliche Situationen vermitteln unterschiedliche Werte. Deshalb würden die Personen ein Selbst konstruieren, das so gespalten sei, wie die interagierende umgebende Umwelt. In der Postmoderne ziehe sich der von sozialer Pluralität gesättigte Mensch auf seine eigene Person zurück. Daraus erkläre sich der aktuell hohe Wert der Selbstidentität. Was ist die Perspektive der subjektorientierten Psychologie? Die Perspektive des betroffenen Subjekts. Sie setzt auf den Diskurs. Gegenstand ist das Bewußtsein des betroffenen Subjektes. Diese sollen selbst ihre Sichtweise bestimmen. Alle Subjekte wählen oder schaffen sich ihre Umwelt selbst (Bruder 1993). Was ist eine weitere Konsequenz von konstruktionistische und subjektivistischen Theorien? Einseitige Ursache-Wirkungsmodelle werden durch Wechselwirkungsmodelle ersetzt. So untersuchte Sandra Scarr (1985) die Interaktion zwischen Kindern und Müttern als Glieder eines Autopoiesischen Systems. Das Subjekt erfährt natürlich bei der Selbstbestimmung den Widerstand der Umwelt. Die subjektivistischen Theorien ergreifen Partei für das Subjekt und werden kritisch gegenüber der Gesellschaft, welche diese Entfaltung hemmt. Welchen Einfluß hatte dies auf das Methodeninventar der modernen Psychologie? Die quantitative Methodik der 60er Jahre, der Stolz der wissenschaftlichen Psychologie wurde um qualitative Verfahren ergänzt. Besonders häufig sind: • Einzelfallbeobachtungen • biographische Erhebungen • qualitative Interviews • Gruppendiskussionen • teilnehmende Beobachtung • Inhaltsanalysen von Dokumenten Diese werden benutzt um qualitatives Material für Deutungen und Diskurse zu erhalten. Dadurch wird die Psychologie diskussionsfreudiger. Es geht mehr um die Deutung von Aussagen betroffener als deren Richtigkeit. Dies halten die Proponenten für menschengerecht, die Kritiker für wissenschaftlich weich. Was hat es mit der kritischen Psychologie auf sich? Diese steht im Sold der Subjektorientierung und eröffnet viele Möglichkeiten, philosophische und politische Überzeugungen im Diskurs zu berücksichtigen. Sie stehen in der Tradition des Dekonstruktionismus. Die französischen Philosophen Jacques Derrida (1967) und JeanFrancois Lyotard (1983) arbeiteten dies aus. Sie unterscheiden zwischen Wörtern und den Dingen, die diese Wörter bezeichnen. Die Verdinglichung (Reifikation) folgt der Sprachtradition des Logozentrismus. Mit dieser gehen in die Begriffe Vorurteile und Machtansprüche ein. Diese wollen die soziale Konstruiertheit der Begriffe aufzeigen. Diese Analyse wird Dekonstruktion genannt und offenbart Machtstrategien, die bei der Konstruktion wichtig waren. Die Dekonstruktion erfolgt im Diskurs. Sie suchen Widersprüche in den Texten und erschließen Bedeutungen außerhalb des Textes, die der Text selbst zu verleugnen trachtet. Diese werden Differenzen genannt. So ist im Begriff des Täters die Negierung als Opfer der Gesellschaft enthalten. Diese Methode wird meist gesellschaftskritisch eingesetzt und stellt sich in den Dienst menschlicher Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit. So entstand die kritische Psychologie, die sich vor allem mit Fragen der Selbstbestimmung und der Achtung der kulturellen Identität befaßt. Diese steht durch ihre Wertorientierung in der Nachfolge der humanistischen Psychologie. Sie versteht sich übrigens nicht als Einzelfach sondern sucht die Kooperation mit anderen kritischen Gruppen innerhalb von Sozial- Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, vor allem mit marxistischen, feministischen und antirassistischen. Hat die methodisch strenge, objektive Psychologie damit die Waffen gestreckt? Nein. Es gibt anhaltende Fortschritte im Stil der Moderne. Man hält an der Auffassung fest, Bewußtsein, geistige Leistungen und Verhalten wären reale Sachverhalte, welche die Wissenschaft verbindlich beschreiben kann. Es gab durch die anhaltende experimentelle Forschung wesentliche Erkenntnisgewinne auf allen Gebieten der Psychologie, z.B. das Textverstehen von Graesser, Millis & Zwaan (1997) und das Verfolgen persönlicher Ziele im Alltag (Brunstein & Maier, 1996). Welche Disziplin vertritt den Anspruch auf Objektivität in der Psychologie am stärksten? Die biologische Psychologie. Diese hat in den körperlichen Grundlagen von Erleben und Verhalten reale Untersuchungsgegenstände. Zudem dürften die psychophysischen Funktionen gegenüber kultureller Veränderung relativ stabil sein. Außerdem verfügt die biologische Psychologie über leistungsfähige Meßmethoden, welchen anhaltenden Erkenntnisgewinn jenseits des subjektiven Ermessens versprechen. Drei wichtige Gebiete der biologischen Psychologie sind die Verhaltensgenetik, die Psychoendokrinologie und die Hirnforschung. Was hat es mit der Verhaltensgenetik auf sich? Diese untersucht mit den Methoden der Erforschung Persönlichkeitseigenschaften sowie Verhaltensweisen. In der Tat wurde eine erhebliche Übertragung dieser Dinge von Eltern auf Kinder gefunden, ohne daß die Umwelt daran irgend eine Beteiligung hat. Womit beschäftigt sich die Endokrinologie? Mit den Wirkstoffen des Körpers. Alle Nerven entfalten ihre Tätigkeit durch die Freisetzung von Transmittern (Übertragungsstoffen) und Modulatoren (Stoffen zur Zustandsänderung) wie die Hormone. Viele Leistungen und emotionale Zustände wurden auf biochemische Prozesse zurückgeführt. Auch ist das Immunsystem Gegenstand der Forschung. Dieses steht mit der Psyche, d.h. Stimmung und Leistungsfähigkeit in Interaktion. Wodurch kamen die großen Fortschritte zustande? Durch Entwicklung starker Methoden wie EEG, MEG oder fMRI oder PET. Dadurch klärt sich langsam die Funktionsweise des Gehirns, d.h. die Gliederung in Funktionsabschnitte und deren Vernetzung. So wurde die unterschiedliche Funktionalität der jeweiligen Hirnhälften entdeckt. Außerdem sind an den jeweiligen Funktionen oft verschiedene Zentren beteiligt. Was folgt aus dieser Entwicklung? Die Psychologie wird durch diese Fortschritte der Informatik, der Biochemie und Neurophysiologie ähnlich. Durch diesen Austausch gibt es Stimmen, die für eine Aufhebung der Disziplinen eintreten. Es werden zwei neue Disziplinen vorgeschlagen: Kognitionswissenschaft und Neurowissenschaft. Die Kognitionswissenschaft will Grundlagen und Nutzbarkeit menschlicher, tierischer und technischer Intelligenz ermitteln. Die Neurowissenschaft hat ihren Schwerpunkt auf den Mechanismen, welche die intelligenten Leistungen bei Lebewesen und Maschinen hervorbringen. Diese werden als Netzwerke gesehen. Im Computer wie im Gehirn. Wie stellt sich das Berufsfeld der Psychologie in der Postmoderne dar? Wie ihre Forschungslandschaft. Nach außen geeint, aber nach innen fragmentiert. Es existiert ein Berufsverband um Interessen durchzusetzen, der ist aber innerlich tief gespalten. Es besteht nur wenig Kooperation zwischen den Vertretern der jeweiligen Richtungen. Auch gibt es wenig Wechsel, sondern man spezialisiert sich ziemlich früh. Es gibt mittlerweile sehr feste Berufsbilder. Andererseits fordert unsere differenzierte Gesellschaft einen flexiblen Berufsmarkt. So werden die großen Praxisfelder durch vielfältige Nischen ergänzt. Dadurch wird die Fragmentierung noch erweitert. Die Instabilität führt aber auch zu Mobilität. Mittlerweile kann man ohne weiteres von verschiedenen psychologischen Berufen sprechen. Da der Zusammenhalt innerhalb der Psychologen gering ist, wird viel mit anderen Berufen auf dem gleichen Praxisfeld kooperiert. Da viele Praxisfelder im Umbruch sind, erhalten die Psychologen eine neue Chance. Wie sieht die moderne psychologische Praxis aus? Sie ist den modernen Prinzipien von Funktionalität und Effizienz treu geblieben. Diesen Prinzipien wird sie durch Normierung und Effizienzkontrolle der Verfahren gerecht. So kommen bei modernen eigens für die Praxis durchgeführten Erhebungen hoch entwickelte mathematische Methoden zum Einsatz. Paradebeispiel ist die Diagnostik, die Instrumente zur Beschreibung von Persönlichkeiten geschaffen hat. Diese extrahierten aus der unscharfen Sprache mit über 5000 Begriffen 5 stabile Dimensionen. Diese werden mit standardisierten Tests erfaßt. Es sind die BIG 5. So erhofft man sich intersubjektiv und auch zwischen Kulturen stabile Beschreibungen. Es gibt Gremien, welche Tests bewertet, schützt und entwickelt. Dies geschieht nach einer ausgefeilten Testtheorie. Wie steht es mit der Qualitätssicherung in anderen psychologischen Bereichen? Diese wird auch bei Interventionsmaßnahmen betrieben, so werden konkurrierende Verfahren anhand von Effizienzbewertungen verglichen. So ermittelt man Kosten und Nutzen von Therapieverfahren. Dabei bewähren sich unterschiedliche Verfahren unterschiedlich. Da dabei Gewinner und Verlierer festgestellt werden, führt dies stets zu Streit. So erfuhr der klinische Psychologe Klaus Grawe (1994) viel Kritik, als er der Verhaltenstherapie eine hohe Effizienz bescheinigte, nicht jedoch der Gesprächstherapie. Dabei war dies durch eine objektive Metaanalyse erreicht. Dabei wurde die Stärke der Wirkungen berechnet. Allerdings gab es die fundamentale Kritik, das es einheitliche Erfolgskriterien gar nicht gäbe. Gibt es Kriterien der Qualität neben der Effizienz? Ja. Die Polarisierung ist in der Praxis nicht geringer, als in der Forschung. Neben der Effizienzorientierten Richtung gibt es eine philanthropische und subjektivistische Praxis. Diese ist eine Erscheinung der Postmoderne. Diese fällt durch ihre Freizügigkeit auf. So werden standardisierte Methoden in der Praxis oft einfach nach subjektivem Ermessen abgewandelt, auch insbesondere bei der Diagnostik, wie Klaus Kubinger (1998) ermittelte. So zeichnen sich die Praxisfelder durch den Mangel an strengen Methoden aus. Dies wird jedoch von den Klienten nicht als Mangel gesehen. Jedoch haben die Psychotherapeuten nur einen geringen Vorsprung vor Priestern oder Freunden, die spezielle Technik war egal. Wie beurteilen die postmodernen Psychologen die Vielfalt der Praxis? Als positive Abkehr von Standardverfahren. Dieser Standpunkt wurde von Lisa T. Hoshmand und Donald E. Polkinghorne (1992) ausführlich begründet. Da die Praxis vor vielen unterschiedlichen Herausforderungen stehe, gebe es ohnehin kein einheitliches Rezept. Sowohl die Probleme als auch die sozial konstuierten Lösungsmethoden von begrenzter Dauer. Da klare Maßstäbe für Wert und Bewährung fehlen, würden methodische und theoretische Vorgaben eher stören. Sie empfehlen Feldforschung und Praxisprojekte als Hauptgebiet der Fachausbildung. Man solle nicht mit objektivistischen Verfahren und mathematischen Beschreibungen vorgehen, das Verstehen und Handeln soll sich unmittelbar an den Problemen bilden, Intuition und Sensibilität wären ohnehin allem überlegen. Wie rechtfertigte Welzer (1990) die Subjektivität von Praxis? Psychologe und Klient stünden in einer reziproken Beziehung. Jeder übertrage Wünsche und Vorstellungen auf den anderen. Es kommt auch zur Gegenübertragung. Der Psychologe sei also nicht in der Rolle eines objektiven, unbeteiligten Experten, sondern müsse seine Rolle als beteiligtes Subjekt reflektieren. Welchen Stellenwert haben Kommunikation und Reflektion in postmodernen Deutungen? Einen hohen Eigenwert. Man solle Begründungszusammenhänge liefern, die den Klienten von möglichen Schuldgefühlen entlasten. So verhilft der Psychologe dem Klienten zur Konstruktion eines konfliktfreien und stärkeren Selbst. Allerdings kritisiert Hetzel (1992) die Suche nach einem besseren Selbst. Diese wäre ein Symptom der Psychomanie. Deutungen der eigenen Biographie wären vor allem Übungen zur Pflege des Selbstbewußtseins. Diese werden wie Spiel und Kunst gesehen: Der Prozeß ist wichtiger als das Ergebnis. Deshalb wollen Spiel und Kunstgenuß kein Ende finden. Deshalb solle der Psychologe die Selbstpflege in Gang halten und nicht bestimmte Zustände herbeiführen. Damit sind Kriterien wie Effizienz außer Kraft gesetzt. Es kommt innerhalb postmoderner Wertvorstellungen nicht auf zielgerichtete Leistungen an. Der Fortgang des therapeutischen oder diagnostischen Prozesses ist selbst das Ziel der Wünsche. Deshalb ist Psychologische Praxis im Stile der Postmoderne nicht nur durch andere Methoden, sondern auch durch andere Motive gekennzeichnet wie die Praxis im Stile der Moderne. Welche Beziehung hat der Subjektivismus zur Renaissance der Popularpsychologie? Das Subjekt der subjektorientierten Theorien tritt in vielen Exemplaren in Erscheinung. Kaum ein Subjekt, dem seine Wünsche und Gefühle nicht zu Bewußtsein kommen. Diese vertraulichen Themen stoßen schnell auf öffentliche Aufmerksamkeit. Das Subjektive findet in der privaten und öffentlichen Aussprache mittlerweile viel Verständnis. So werden zu diesen Themen Ratgeber geschrieben und Talkshows abgehalten. Dadurch hat die Popularpsychologie im Sinne einer Psychomanie (Martin 1996) einen ungeheuren Aufschwung genommen. Diese breiten sich auch in der psychologischen Praxis aus. So kritisiert Oswald Neuberger (1992) deren Bestreben nach Einfachheit und Suggestion. Oft wären die Botschaften implizit und emotional. Die explizite und kritische Analyse und Argumentation weichen zurück. Andere Autoren behaupten, die Wissenschaftliche Psychologie profitiere auch von der Popularpsychologie. So können subjektiv dargestellte Erfahrungen Anregungen zur wissenschaftlichen Forschung geben. Außerdem kann das Publikum als Richter zwischen den konkurrierenden Paradigmen auftreten. Andererseits bringt die Popularpsychologie viele wissenschaftlichen Begriffe unters Volk. Ist die Psychologiegeschichte eine Metapsychologie? Man kann der Darstellung von Schönpflug entgegenhalten, er konzentriere sich auf die Schwächen der Psychologie, und erwäge deren Endlichkeit. Andere sagen, es handle sich um eine psychologia perennis, eine immerwährende Psychologie. Diese schreitet ständig zu mehr Wissen fort. Schönpflug will zwar niemandem die idealistische Geschichtsauffassung nehmen, allerdings sieht er auch, daß Fortschritt häufig auch die Polarisierung verstärken. Die Konkurrenz der Paradigmen gehört maßgeblich zur Geschichte der Psychologie. Hier gibt es zwar Gewinner und Verlierer, aber diesen gelingt oft die Revanche. Das Betrachten der Wechselhaftigkeit untergräbt den Glauben an eine unerschütterliche Existenz. Da sich die Psychologie nur unter bestimmten Umständen zur Einzeldisziplin entwickelte, können andere Umstände ihr Ende bedeuten. Was soll das Studium der Geschichte der Psychologie bewirken? Das Studium der Geschichte wird erst zur Pflichtübung, wenn man überzeugt ist, daß sie nur in ihrer Fragmentiertheit, Polarisiertheit und Zeitlichkeit zu verstehen ist. Dann bringt es: • das Verständnis für historische und kulturelle Zusammenhänge • die Befreiung von der alltäglichen wissenschaftlichen Routine • die Öffnung von Alternativen in Forschung und Praxis In dieser Hinsicht ist die Psychologiegeschichte weder ausschweifend, noch verwirrend, sondern verhilft vielmehr zur Orientierung angesichts eines Faches, welches sich in seinen komplexen Zusammenhängen unübersichtlich und wechselhaft gestaltet. Was versteht man unter einer postempiristischen Psychologie? Zu dieser riefen Graumann und Gergen unter Berufung der obigen drei Punkte 1996 auf. Dies ist eine diskursive Psychologie. Davon distanziert sich Schönpflug jedoch. Geschichtsbetrachtung geht für Schönpflug nicht mit einer Distanzierung von der empirischen Methodik einher. Die historische Forschung sei vielmehr selbst empirisch zu betreiben. Die Betrachtung der Geschichte durch Schönpflug versteht sich eher als ein Unternehmen der Metapsychologie, welches die Psychologie als Wissenschaft, in Praxis und Beruf zum Gegenstand hat. Wie stellt sich die Zukunft der Psychologie aus Sicht ihrer Repräsentanten dar? Martin Seligman (1998) kündigt das Nahen einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte an. Diese soll den Fortschritt der Menschheit so voranbringen, wie die Antike oder die Renaissance. Die Psychologie habe als Sozialwissenschaft eine maßgebliche Rolle. Die Psychologie werde die Polarisierung überwinden und werde die Epoche prägen. Was bedeutet das für die Psychologie selbst? Selbst wenn die Sozialwissenschaften immer weiter entwickelt werden und darauf eine neue Epoche aufbaut, gibt es keine Garantie dafür, daß dies die Psychologie als Einzelwissenschaft mitmacht. Der Erwerb vielfältigen Wissens setzt eine Spezialisierung innerhalb der Psychologie voraus. Diese fördert die interdisziplinäre Orientierung. Auf eng umschriebenen Gebieten rücken verschiedene Fächer zusammen. Es bilden sich Forschungsgebiete, die durch ihre Problematik und nicht ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Einzeldisziplinen bestimmt ist. Auch die diskursive Psychologie führt zu neuen Entwicklungen. So entwickelt Patricia Pitcher (1996) eine populärwissenschaftliche Typologie von Führungskräften. Diese müßten immer richtig eingesetzt werden. Diese Themen sind der Öffentlichkeit zugänglich, jeder kann an diesen Diskursen teilnehmen. Auch so kann sich Psychologie entwickeln, jedoch verflacht das methodische und theoretische Profil im offenen Diskurs. Die Exaktheit von Daten und die Präzision von Begriffen weicht auf, da sie nur als Gesprächshilfen genutzt werden. Außerdem kommt dem Fach im offenen Diskurs die Eigenständigkeit abhanden. Dadurch erhöht sich die Konkurrenz. Dieses Angebot können auch Philosophen und Sozialpädagogen bieten. Andererseits können sich die allgemein freigegebenen Themen aus dem Bestand der Psychologie ausscheiden. Kandidat hierfür ist z.B. Altersforschung. Wie sind die Chancen für eine Neuorganisation? Sowohl der Fortschritt im Sinne der Moderne, als auch der im Sinne der Postmoderne können zu einer Neuorganisation des Faches führen, bei der die Psychologie ihre attraktivsten und erfolgreichsten Forschungs- und Praxisfelder einbüßt. Die Ausbildung in diesen Fächern würde an andere Studiengänge übergehen. Es ist auch denkbar, daß der Psychologie unter diesen Umständen die in der Moderne erlangte Rolle als Einzelwissenschaften wieder völlig abhanden kommt durchaus denkbar. Die Eigenständigkeit der Psychologie steht in Frage. Was würde für zukünftige Historiker gelten, wenn die Psychologie untergeht? Ebbinghaus (1908) meinte mit seinem Satz „die Psychologie hat eine lange Vergangenheit, aber eine kurze Geschichte“, daß die Psychologie mit der Moderne als Lehr- und Forschungsprogramm systematisch darstellbar wurde. Ihr früheres Wirken vollzog sich im Stillen und Verborgenen, entzieht sich einer geschlossenen Darstellung. Wenn die Grenzen der Psychologie nicht halten, wird das psychologische Wissen und Können in anderen Bereichen gepflegt und weitergeführt. Dies würde nicht mehr unter dem Namen Psychologie vollzogen. Damit wäre sie als Einzelwissenschaft nicht länger darstellbar. Für zukünftige Historiker gälte ein neuer Satz: „Die Psychologie hatte nur eine kurze Geschichte, doch eine lange Zukunft“. Outline: Kapitel 1: 1. Psychologie als Wissenssystem gliedert sich nach Domänen (Forschungsgebieten) und Paradigmen (Forschungsrichtungen). 2. In der Welt der Wissenschaft nimmt Psychologie gegenwärtig die Stellung einer eigenständigen Einzeldisziplin ein. Sie verfügt damit über eigene Einrichtungen wie Forschungs- und Ausbildungsprogramme, Zeitschriften und Bücher. 3. Zugleich teilt die Psychologie mit anderen Einzeldisziplinen (z.B. Rechts- und Sozialwissenschaften) Wissensbestände und Einrichtungen. So wird Psychologie transdisziplinär betrieben. 4. Darüber hinaus findet man psychologisches Wissen und Können (Menschenkenntis, Überzeugungskraft) als Teil der Allgemeinbildung. Psychologische Allgemeinbildung vermittelt die Popularpsychologie. 5. Forschung, Lehre und Praxis sind die zentralen Aufgaben der wissenschaftlichen Psychologie. In der ganzen Welt sind 200000 wissenschaftlich ausgebildete Psychologen tätig, davon 30000 in Deutschland. 6. Die Ausbildung zum wissenschaftlichen Psychologen ist durch Studien- und Prüfungsordnungen geregelt. In Österreich und Deutschland berechtigt ein Universitätsdiplom zur psychologischen Praxis. 7. Die Tätigkeit der Psychologinnen und Psychologen unterliegt berufsethischen Verpflichtungen. Insbesondere die Berechtigung zur Psychotherapie wird zunehmend gesetzlich geregelt. 8. Die Psychologie ist als Fach der Universitäten in den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften verankert. Psychologische Praxis steht in Kooperation, Wettbewerb und Konflikt mit benachbarten Berufen sowie der Selbsthilfe betroffener Laien. Kapitel 2: 1. Anfänge von Wissenschaft (einschließlich psychologischem Denken) sind aus dem Mittelmeerraum überliefert. Die ältesten einschlägigen Dokumente stammen aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend. 2. Mythen enthalten Darstellungen von Göttern, Menschen und der Natur. In Mythen vereinen sich wissenschaftliche und religiöse Lehren in künstlerischer Form. 3. Von der Glaubensgemeinschaft der Orphiker ist eine Seelenlehre überliefert. Danach ist die Seele ein selbständiges, körperloses Wesen, das seinen Sitz nacheinander in verschiedenen Körpern einnimmt. 4. Die Seele ist als Inbegriff aller Lebensfunktionen zu erklären, als Träger von Atmung, Bewegung, Empfindung, Denken, Gedächtnis, u.ä. 5. Die orphische Lehre trennte allgemein die (minderwertige) Natur und das (höherwertige) Übernatürliche. Die Seele vervollkommne sich durch Zugang zum Übernatürlichen (z.B. in Ekstase). 6. Lehren über die Natur (Sterne, Pflanzen, menschliche Sinne u.a.) boten einen weiteren Ansatz zur Wissenschaftlichkeit. 7. Weitere Lehren befaßten sich mit der Gestaltung der Lebensführung. Sie rieten zu Anstand und Erfolg im häuslichen und im städtischen Leben (Ökonomie, Politik). 8. Den Weg zum Glück, d.h. zur seelischen Gesundheit, lehrten u.a. die Pythagoreer. 9. Die Gesamtheit dieser Lehren bildete die Philosophie. 10. Mit dem Anspruch, allgemeingültige Ordnungen und Wesenheiten zu lehren, erreichte die Ontologie eine Vorrangstellung vor der Pragmatik, der Lehre von einem guten und erfolgreichen Leben. 11. Die Vertreter der Ontologie glauben an die Existenz einer einzigen Wahrheit. Die pragmatisch orientierten Sophisten bestritten die Existenz einer einzigen Wahrheit und hielten – je nach Umständen und Sichtweise – auch widersprüchliche Aussagen für statthaft. 12. Die so beschriebene wissenschaftliche Tätigkeit war kein Beruf. Mit Philosophie konnte man jedoch als Hauslehrer den Lebensunterhalt verdienen oder als Vortragender von den Zuhörern Entgelte oder Geschenke entgegennehmen. Kapitel 3: 1. Mit dem Aufstieg des Attischen Seebundes zur beherrschenden Macht am Mittelmeer im 4. vorchristlichen Jahrhundert übernahmen Philosophieschulen (vor allem in Athen) die höhere Bildung. Sie boten Lehrprogramme mit theoretischen und praktischen Fächern an, brachten Lehrtexte heraus und verbanden mit der Lehre Forschung. 2. Nach dem dualistischen Ansatz entwarf Platon eine Theorie der dreigeteilten Seele; beherrschend sein eine denkende Seele mit Sitz im Kopf. Aristoteles entwarf dagegen eine monistische Seelentheorie. 3. In ihrer Ethik forderten Platon und Aristoteles ein vernunftgeleitetes Streben nach Glück und Gütern. Zur Tugend erklärt wurde das Einhalten eines Mittelmaßes. 4. Die Stoa und die Gartenschule widmeten sich der Naturlehre. Die Kenntnis der Natur sollte Angst vor Naturereignissen sowie naturbedingte Schmerzen beseitigen. Die Stoa beschäftigte sich mit der beobachtenden objektiven Wirklichkeit und der sprachlich dargestellten subjektiven Wirklichkeit. 5. In ihrer Ethik lehrten die beiden Schulen, der Mensch gewinne Glück durch Affekt- und Bedürfnislosigkeit. 6. Als ein Jahrhundert vor Christus das Römische Reich Griechenland als Weltmacht ablöste, setzten in Rom einheimische Schriftsteller sowie eingewanderte Gelehrte die Tradition der griechischen Philosophie fort. 7. Im alten Rom sind aus psychologischer Sicht besonders bedeutsam: die Lehre von den vier Temperamenten sowie die Ethik im Geiste der Stoa. 8. Der Neuplatonismus entwickelte eine irrationalistische Welt- und Seelenlehre. Er betonte den Erkenntniswert der unmittelbaren inneren Erfahrung. Kapitel 4: 1. Mit dem Römischen Reich verbreitete sich das Christentum. Es übernahm Konzeptionen der klassischen griechischen Philosophie, einschließlich der Seelenlehre. Kirchenväter nannte man Autoren, deren Lehren wegen der Übereinstimmung mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens für verbindlich erklärt wurden. 2. Der Kirchenvater Augustin brachte platonisches und neuplatonisches Denken in das Christentum ein. Er unterschied eine metaphysische und eine empirische Seele. Die Methode der Selbsterfahrung (Introspektion) benutzte er, um seelische Funktionen (Gedächtnis, Intelligenz, Wille) zu erkunden. Damit förderte er die Phänomenologie und den Irrationalismus in der Psychologie. 3. Die von der Kirche autorisierte Lehre im Mittelalter, die Scholastik, faßte Thomas von Aquin zusammen. Seine Seelenlehre und Ethik stützten sich auf die Philosophie des 4. 5. 6. 7. Aristoteles. Thomas deutete die menschliche Seele als überdauernde und einheitliche Substanz, der einzelne Fähigkeiten zukommen; als Fähigkeiten unterschied er höhere (gottähnlichere) und niedrigere (dem Tier nahe) Funktionen der Kognition und der Motivation. Seine Ethik stellt Grundsätze für ein natürliches und durch Vernunft geregeltes Leben auf. Im Humanismus ist erstmals der Begriff „Psychologie“ nachweisbar. Er bezeichnete die Lehre vom Geist des Menschen. Mit dem Humanismus setzte sich der Protestantismus als christliche Reformbewegung durch. Eine für den Protestantismus maßgebende Seelenlehre vertrat Melanchton. Seit dem elften Jahrhundert wurden in Europa Universitäten als Einrichtungen für wissenschaftliche Lehre und Forschung gegründet. Die Universitäten gliederten sich in der Regel in vier Fakultäten für Theologie, Medizin, Rechtswissenschaften und Philosophie. Das neue Fach Psychologie hatte seinen Platz in der philosophischen Fakultät. Als „freie Kunst“ innerhalb der philophischen Fächer besaß die Psychologie zunächst kein eigenes Berufsbild; doch verschaffte ein erfolgreiches Studium der Philosophie beim Wettbewerb um Ämter und Aufträge. Kapitel 5: 1. Die europäische Wissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert strebte nach Überwindung der Scholastik und nach Selbständigkeit gegenüber dogmatischen und mystischen Einflüssen 2. Die sich erneuernde Wissenschaft sollte sich auf eine begründbare Methodik stützen. Als maßgebliche wissenschaftliche Methoden wurden Vernunftkritik und die Empirie anerkannt. 3. Eine Reihe von Lehren läßt sich zur Richtung des Rationalismus zusammenfassen. Vertreter des Rationalismus glauben an eine umfassende und überdauernde Weltordnung. Diese Weltordnung folgt einer vollkommenen Vernunft und hat deshalb selbst Anteil an deren Vollkommenheit. Aus dieser Auffassung ergibt sich die Erkenntnistheorie: Der menschliche Geist kann sich einen Teil der übergeordneten Vernunft zu eigen machen; er kann aber selbst keine Vernunft hervorbringen, die nicht schon vorher und unabhängig von ihm vorhanden ist. 4. Andere Lehren lassen sich zur Richtung des Empirismus zusammenfassen. Vertreter des Empirismus glauben ebenfalls an die Gesetzmäßigkeit der Welt. Doch machen sie keine Annahmen über eine vollkommene Weltordnung. Die empiristische Erkenntnistheorie: Der menschliche Geist wäre inhaltsleer, wenn er nicht durch die Sinne Eindrücke von der Welt erhielte. Aus seiner sinnlichen Erfahrung kann der Mensch jedoch komplexere und abstraktere Ideen herstellen. Insbesondere bildeten sich nach einfachen Prinzipien Verbindungen (Assoziationen) zwischen Ideen. 5. Sowohl die rationalistische als auch die empiristische Erkenntnistheorie sind Ausgangspunkte von Theorien über die Seele, das menschliche Bewußtsein und die Erkenntnisleistungen des Menschen geworden. Neben der Analyse von bewußten geistigen Funktionen (wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Schlußfolgerung) wird auch das Unbewußte zum Thema. 6. Für das Leib-Seele-Problem werden mehrere Lösungen angeboten. Eine ist die Annahme wechselseitiger Einflüsse von Körper und Seele. Eine andere – aus dem Rationalismus stammende – Annahme ist der Parallelismus, d.h. stimmiger Gleichlauf von Leib und Seele ohne wechselseitige Abhängigkeit. Materialistische Lehren bestreiten grundsätzlich die Existenz eines geistig-seelischen Wesens. Sie betrachten den Körper und insbesondere das Gehirn als Ort des Bewußtseins und geistige Funktionen als Körper-, insbesondere Hirnprozesse. 7. Für die Entwicklung der Psychologie als Fach wird die ausdrückliche Trennung einer empirischen und einer rationalen Psychologie bedeutsam. Die empirische Psychologie – später Erfahrungsseelenkunde genannt – wendet sich zahlreichen, auch ungewöhnlichen Beobachtungen zu (z.B. mathematischen Fähigkeiten, der Vorahnung zukünftiger Ereignisse). Die rationale Psychologie pflegt metaphysische Fragestellungen (z.B. Willensfreiheit, Leib-Seele-Problem). 8. Innerhalb der Philosophie entwickelt sich die Richtung der Popularphilosophie, die Bildung und Lebenshilfe für Bürger („Weltmann“) anstrebt. Psychologische Fragestellungen (darunter auch okkultistische) gehören zu den bevorzugten Themen der Popularphilosophie. 9. Mit der Philosophie der Aufklärung vollzieht sich eine Wende zum Deismus und Atheismus. Zugleich rückt die Frage nach der Natur und dem Glück des Menschen stärker in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses. Theologie und Religionslehre verlieren somit ihre beherrschende Stellung. Psychologie ist unter den Unternehmungen, die sich anschicken, ihren Platz einzunehmen. Kapitel 6: 1. Das 17. und 18. Jahrhundert erlebte ein starkes Bevölkerungswachstum und die Ausweitung von Handel und Industrie. Das Bürgertum drängte zur Macht. Immer mehr Bereiche wurden zu öffentlichen Angelegenheiten und durch allgemein verbindliche Gesetze und öffentliche Ordnungen geregelt. 2. Zu öffentlichen Aufgaben wurden zunehmend Politik, Recht und Wirtschaft. Es wuchsen ebenfalls die öffentlichen Anteile am Erziehungswesen und an der Medizin. Weiterhin gab es unter der Bezeichnung „Polizei“ das Bemühen um eine öffentliche Ordnung, welche den Frieden, die Gesundheit und das Auskommen der Bürger gewährleisten sollte. 3. Die Moralphilosophie suchte die Grundlagen für die Praxis der Staaten und ihrer Bürger zu ermitteln. Ziel der Moralphilosophie war die Bestimmung von Glück. Die rationalistisch orientierte Philosophie entwickelte eine Pflichtethik. Sie leitete Glück aus vorgegebenen Ordnungen und Werten ab. Die empiristische Moralphilosophie setzte auf eine Erfolgsethik. Sie betrachtete Glück als Mehrung von Nutzen oder als Wohlergehen. 4. Die Moralphilosophie begründete Regeln für die Verteilung von staatlicher Macht, für die Staats- und Gemeindeverwaltung, für die Wirtschaftsführung, die öffentliche Ordnung sowie die Erziehung. Die genannten Bereiche wurden in der Moralphilosophie miteinander verknüpft. Doch in der Praxis trennten sie sich. Für jeden dieser Bereiche entwickelte sich eigene Sachkenntnis, und Experten machten die Arbeit darin zu ihrem Beruf. Auf diese Weise entstand ein öffentlicher Dienst, bzw. eine Staatsbeamtenschaft. 5. Psychologie galt zumindest den Empiristen als Grundlage der Moralphilosophie. Insofern hat Psychologie die oben genannten praktischen Disziplinen für Staats- und Stadtverwaltung, Wirtschaft, Recht und Erziehung durchdrungen. Wenn später einzelwissenschaftliche Psychologie in diesen Bereichen als Beruf durchgesetzt werden soll, wird dies im Wettbewerb mit den dort bereits etablierten Spezialdisziplinen geschehen. 6. In der Medizin setzte sich ein neues Verständnis für Geisteskrankheiten und psychosomatische Störungen durch. Die Suggestion wurde als Heilmittel erprobt und bot sich der Psychologie als Forschungsthema an. Daraus ergeben sich zwischen Medizin und Psychologie Verbindungen und Konkurrenz. Kapitel 7: 1. Die bürgerliche Gesellschaft zur Zeit der Aufklärung bildete ihre eigenen Vorstellungen von guter Sitte und Ordnung. Dem Gleichheitsideal des aufgeklärten Bürgertums entsprach die Forderung nach Philanthropie, d.h. nach Menschenliebe. 2. Lebenskunst sollte Glück und Erfolg im privaten Leben sichern helfen. Lebenskunst umfaßte Menschenkenntnis. Lehren zur Menschenkenntnis gaben Ratschläge zum besseren Erkennen des Charakters der Mitmenschen (Psychognostik) sowie zur richtigen Behandlung (Psychagogik). Weiterhin sollte Menschenkenntnis die Selbsterkenntnis und den rechten Umgang mit sich selbst fördern. 3. Charaker- und Sittenbeschreibungen (z.B. von La Bruyère und Montaigne) schilderten die Vielfalt menschlicher Persönlichkeit und Lebensweisen. Sie sparten nicht mit Kritik an bestehenden Zuständen und Gebräuchen. 4. Besonderen Anklang fanden Lehren zur Physiognomik (z.B. von Lavater). Die Physiognomik behauptete, die psychischen Eigenschaften eines Menschen seien aus seiner körperlichen Erscheinung, vor allem aus seinem Gesicht, abzulesen. 5. Wege zu Glück und Erfolg in verschiedenen sozialen Situationen suchten Schriften zur Lebensweisheit zu weisen (z.B. von Graciàn). Dazu gab es besondere Ratgeber für das Familienleben, die sich vor allem an die Familienväter richten (z.B. von Alberti). 6. Unterweisungen zur guten Darstellung und Selbstdarstellung in Rede, Schrift, Mimik und Gestik waren frühe Beiträge zur praktischen Kommunikations- und Sprachpsychologie (z.B. von le Faucheur, Engel). Sie befaßten sich u.a. mit Wortwahl und Satzbau, Logik der Argumentation, Stimmführung, Kopfhaltung und Augenbewegung. 7. Für die Begründung der Psychologie als Einzelwissenschaft war das von Carl Philipp Moritz herausgegebene Magazin für Erfahrungsseelenkunde bedeutsam. Es war dies eine Zeitschrift, in welcher Angehörige verschiedener Berufe Beobachtungen und Ansichten über psychische Erscheinungen sowie über Fragen der Psychognostik und Psychagogik austauschten. Dazu gehörte auch die Bestimmung und Behandlung psychischer Krankheiten. Kapitel 8: 1. Mit der Romantik entstand im 18. Jahrhundert eine Philosophie, welche die Natur gegenüber der Kultur aufwertete, das organismische Wachstum gegenüber dem beständigen Sein, die gefühlvolle Empfindung gegenüber dem Verstand, die Individualität gegenüber dem allgemeinen Wesen. Dieser Umwertung folgte die Psychologie in speziellen Richtungen, die in diesem Kapitel unter dem Oberbegriff „Vergleichende Psychologie“ dargestellt sind. 2. Dem Vergleich von Mensch und Tier sowie dem Vergleich von Tiergattungen dient die Tierpsychologie. Sie – aber auch die anderen Richtungen der Vergleichenden Psychologie – wurden maßgeblich bestimmt von der Darwinschen Evolutionstheorie, welche die Entwicklung von Gattungen – die Gattung des Menschen eingeschlossen – als unablässige Auslese angepaßter Individuen erklärt. Die Tierpsychologie hat im 20. Jahrhundert die Beobachtung von Tieren unter natürlichen Lebensbedingungen durch experimentelle Forschungen ergänzt. 3. Die Psychologie der Humanentwicklung hatte ihren Schwerpunkt bei der Untersuchung von Kindern. Es waren zunächst Eltern und Erzieher, die regelmäßige Aufzeichnungen von Entwicklungsfortschritten vornahmen. Die Aufzeichnungen beschränkten sich zunächst auf die frühe Kindheit. Danach dehnten Untersuchungen die Betrachtung auf die gesamte Lebensspanne aus. Querschnitts- und Längsschnitterhebungen an größeren Stichproben lösten Beobachtungen einzelner, in der Regel eigener Kinder ab. Konzeptionen von normgerechter Entwicklung wechselten mit Analysen von Entwicklungsfaktoren in Anlage und Umwelt sowie mit Betrachtungen des Sinngehalts verschiedener Lebensphasen. 4. Einflüsse von kleineren Gruppen wie der Familie und großen regionalen Gemeinschaften auf das individuelle Bewußtsein sind das Thema der Sozialpsychologie. Die Sozialpsychologie trat zuerst unter dem Namen der Völkerpsychologie auf und untersuchte Sprache, Herrschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen, Kunstwerke u.ä., um Prinzipien kollektiven Denkens zu ermitteln. Analysen über Interaktionen in Gruppen, nicht zuletzt über das Verhalten in Massen, mündeten schließlich in eine experimentelle Sozialpsychologie, die zunächst vor allem den Einfluß Anwesender auf Denken, Meinungen und Handeln feststellte. 5. Die Unterschiede in den Eigenschaften verschiedener Menschen sind das Thema der Differentiellen Psychologie. Die Persönlichkeitspsychologie untersucht, wie sich die unterschiedlichen Eigenschaften eines Menschen so verbinden, daß sich dieser als einheitliche und beständige Person erfährt. Als psychische Eigenschaften werden vorzugsweise menschliche Fähigkeiten und Neigungen betrachtet. Die freie Beobachtung von Personen wird ergänzt durch die Messung von Persönlichkeitsmerkmalen. Die Psychometrie schließt an die bereits für die Sozialpsychologie bedeutsame Bevölkerungsstatistik an. Für die durch Reihenuntersuchungen erhobenen umfangreichen Datensätze werden statistische Verfahren entwickelt. 6. Psychische Störungen werden zunehmend als natürliche Krankheiten betrachtet, human behandelt und wissenschaftlich erörtert. Die Psychiatrie übernimmt als Zweig der Medizin die Betreuung von psychisch Kranken und die Führung in der Erforschung der Formen und Ursachen psychischer Krankheiten. Es entstehen Psychosen- und Neurosenlehren. Kapitel 9: 1. Im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert gelangte die idealistische Philosophie mit Vertretern wie Kant und Hegel zu neuer Blüte. Die Erfahrungsseelenkunde hat der Idealismus geringgeschätzt. Doch hat die idealistische Philosophie grundlegende Probleme der Erkenntnis und des Verstandes aufgeworfen. Dies hat das Interesse an dem Problem des Bewußtseins geschärft, welches die in den Universitäten vertretene Allgemeine Psychologie zu ihrem Zentralthema machte. 2. Die Erfahrungsseelenkunde verfeinerte sich, und ihre Vertreter wie Tetens bekannten sich immer entschiedener zu einem empirischen Vorgehen nach dem Vorbild der im 19. Jahrhundert hervortretenden Naturwissenschaften. 3. Johann Friedrich Herbart hat eine Theorie der Vorstellungen entwickelt, die der Forderung nach mathematischer Formulierung von Gesetzmäßigkeiten zu entsprechen suchte. 4. Das Bemühen, körperliche Grundlagen für psychische Erscheinungen zu bestimmen und somit Psychologie als Naturlehre zu betreiben, kennzeichnet den Ansatz der Physiologischen oder Medizinischen Psychologie. Ein früher Vertreter dieser Richtung war Rudolf Herrmann Lotze. Die Physiologische Psychologie krankte zunächst am Fehlen zuverlässiger Erkenntnisse über Hirnprozesse. Insbesondere im Werk von von Helmholtz finden sich jedoch beachtliche Befunde über Aufbau und Funktion von Sinnesorgane, über Sinnes- und Bewegungsnerven. So wird die Erforschung der Wahrnehmung und der Muskelbewegung zu einem wichtigen Feld der Physiologischen Psychologie. 5. Gustav Theodor Fechner stellte in der Psychophysik das Psychische und das Physische als zwei Erscheinungen derselben Welt dar. Er zeigte experimentell, daß die Stärke der Empfindung eine logarithmische Funktion der Reizstärke ist. 6. Die Experimentelle Psychologie pflegte die planmäßige Beobachtung mit genauer Messung des Verhaltens, wobei die Beobachtungsbedingungen kontrolliert und variiert wurden. Zu einem internationalen Vorbild ist die Experimentelle Psychologie im Laboratorium von Wilhelm Wundt an der Universität Leibzig geworden. Schwerpunkte der Leipziger Forschungen bildeten die Psychophysik und die Wahrnehmung, die Apperzeption und Reaktion sowie die Emotion. Die Experimentalpsychologie bei Wundt stützte sich vorzugsweise auf feinmechanische Geräte, darunter auch Geräte zur Messung physiologischer Reaktionen wie Atmung und Blutdruck. 7. Die experimentelle Lern- und Gedächtnisforschung begann mit Selbstversuchen von Herrmann Ebbinghaus in Berlin und wurde mit einer Reihe von Studien unter Georg Elias Müller in Göttingen fortgesetzt. 8. In Würzburg versuchten u.a. Marbe und Bühler die experimentelle Erforschung des Denkens. Dies führte zu einer Kontroverse mit Wundt über die Eignung der experimentellen Methode für die Untersuchung höherer geistiger Prozesse. 9. Als geisteswissenschaftliche Alternative bot sich die von Wilhelm Dilthey konzipierte Verstehende Psychologie an. Verstehende Psychologie will die gesamte Erkenntnis- und Gemütsfähigkeit auf Objekte ansetzen und einerseits deren Individualität, andererseits deren allgemeine Struktur erfassen. 10. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich insbesondere an deutschen Universitäten eine Allgemeine Psychologie, die – wie zahlreiche andere Disziplinen zu jener Zeit – organisatorische Selbständigkeit gewann. Die Psychologie fügte sich teilweise in die neu entstehende Gruppe der Geisteswissenschaften ein, teilweise in die Gruppe der Naturwissenschaften. Mit den letzteren profitierte sie von technischem Fortschritt und vom Wirtschaftsaufschwung. Kapitel 10: 1. Im 19. und 20. Jahrhundert führen technischer Wandel und Bevölkerungswachstum in die Epoche der Moderne. Die Moderne wird einerseits als politischer, wirtschaftlicher und technischer Fortschritt gefeiert, andererseits stößt sie wegen ihrer Tendenz zur Vereinheitlichung auf Kritik. Die Psychologie bietet sich als Wissenschaft für die Bedürfnisse der Moderne an. Sie entwickelt verschiedene theoretische Richtungen, welche miteinander konkurrieren. 2. Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika tritt der Behaviorismus als Lehre vom Verhalten hervor. Er vertritt positivistische, darwinistische und pragmatische Prinzipien und bevorzugt die Methode der Tierbeobachtung. Die Tradition des Behaviorismus wird stark von John Watson geprägt, der die Untersuchung des Bewußtseins als unwissenschaftlich ablehnt; in dieser Hinsicht stimmt der Behaviorismus mit der in Rußland von Iwan Pawlow vertretenen Reflexologie überein. Watson wie Pawlow konzentrieren sich auf die Untersuchung bedingter Reflexe, d.h. erworbener ReizReaktions-Verbindungen. 3. McDougalls hormische Psychologie ist eine behavioristische Richtung, welche die Bedeutung angeborener Instinkte betont. Sie findet ihre Fortsetzung in der biologischen Verhaltensforschung, der Ethologie. 4. Weitere erfolgreiche Zweige des Behaviorismus sind Hulls Reiz-Reaktionstheorie und Skinners Lehre vom operanten Konditionieren; beide erklären Lernen mit dem Prinzip der Verstärkung (Belohnung). 5. Die Tiefenpsychologie nimmt ein Unbewußtes an, das in Phantasie und Traum zu symbolischem Ausdruck gelangt und sich auch in (Fehl-)Handlungen niederschlägt. Die Tiefenpsychologie nimmt vielfältige Anregungen auf, insbesondere aus der Romantik und der Mystik. 6. Freud wird zum Initiator einer weltweiten „Psychoanalytischen Bewegung“. Er selbst steuert eine Verdrängungs- und Neurosentheorie bei, in deren Mittelpunkt Konflikte innerhalb der Familie stehen. 7. Jung deutet das Unbewußte teils als individuell erworben, teils als kollektiv tradiert, Archetypen stellten Grunderfahrungen der Menschheit in einer Bildersprache dar, die sich dem Bewußtsein schwer erschließt. 8. Neopsychoanalytische Lehren wie die von Horney betrachten die Bildung von Angst und Vertrauen in der Kindheit als zentrale Erfahrungen, von deren unbewußtem Wirken Glück und Anpassung abhängt. 9. Kognitivistische Richtungen führen das Programm des Rationalismus in der Moderne fort. Thema kognitivistischer Theorien sind zum einen – nach dem Verständnis der Psychologie als Lehre von den bewußten Erlebnissen – (soziale) Kognitionen, zum anderen – nach dem Verständnis der Psychologie als Lehre vom vernunftgeleiteten Erkennen und Handeln – geordnete und zielgerichtete kognitive Prozesse. 10. Der Strukturalismus nach Piaget und die Gestalttheorie u.a. nach Wertheimer und Köhler analysieren die ganzheitliche Ordnung von Wahrnehmen und Denken, ihre innere Dynamik und ihre Anpassung an die Umwelt. 11. Zu einem bedeutenden Forschungsfeld wird – u.a. im Anschluß an Heiders „JedermannPsychologie“ – die Untersuchung allgemeinverständlicher Begriffe und Beziehungen. 12. Psychologische Theorien der Handlung – wie die von Lewin und Tolman – analysieren Wissen und Planen als Voraussetzungen erfolgreicher Tätigkeit sowie von Entschluß und Erledigung als deren Anfangs- und Endpunkte. 13. Die insbesondere aus der Mathematik und Nachrichtentechnik hervorgegangenen Ansätze der Kybernetik und Informationstheorie werden in psychologischen Modellen der Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung aufgegriffen. Kapitel 11: 1. Die Wende zu den Naturwissenschaften verband die Psychologie mit der Erwartung ihrer Nutzanwendung. Als Pragmatische Psychologie sollte sie der Begründung von Ethik, Ästhetik und Religion dienen. Als Psychotechnik sollte sie die Praxis in allen Gebieten der Kultur (Erziehungs-, Rechts-, Gesundheitswesen usw.) verbessern. Als Kulturpsychologie sollte sie Vergangenes (z.B. politische Ereignisse) erklären. 2. Praktische Psychologie wurde bis ca. 1930 vorwiegend an Hochschulen betrieben. Weiterhin bildeten sich Angehörige eingeführter Berufe (Lehrer, Ärzte u.a.) in Psychologie weiter und übernahmen praktisch-psychologische Tätigkeiten. Ab etwa 1950 wuchs der Markt für psychologische Dienste. Seitdem sind die meisten Berufspsychologen in öffentlichen und privaten Organisationen sowie in freien Praxen tätig. 3. Die Praktische Psychologie hat sich in die moderne Gesellschaft zunächst vor allem mit diagnostischen Diensten eingeführt. Intelligenz- und Eignungstests, Persönlichkeitstests sowie Tests der psychischen Gesundheit sollte unvoreingenommene, verläßliche und einfach zu ermittelnde Beurteilungen von Schulanfängern, Stellenbewerbern u.a. erlauben. 4. Als weitere psychologische Dienstleistungen entwickelten sich Intervention und Evaluation. Die drei wichtigsten Formen der Intervention sind Beratung (z.B. bei der Berufswahl), Schulung (z.B. von Sozialverhalten) und Gestaltung (z.B. von Arbeitsplätzen). Evaluation umfaßt die Dokumentation öffentlicher und privater Programme (z.B. zur Förderung von Minderheiten, zur Gesundheitsvorsorge) und die Bewertung ihrer Wirksamkeit. 5. In der Pädagogik hat man die Psychologie traditionell als Grundwissenschaft zur Schülerbeurteilung und Unterrichtsgestaltung betrachtet. Als moderner Berufszweig widmete sich die Pädagogische Psychologie vor allem der Lehr-Lernforschung sowie der Begutachtung und Beratung von Schülern mit Erziehungsschwierigkeiten. 6. Die Rechtspsychologie ist vor allem mit Beiträgen zur Beurteilung von Zeugenaussagen zu einem stark beachteten Zweig der Praktischen Psychologie geworden. 7. Neuartige Arbeitsplätze insbesondere in Industrie- und Verkehrsbetrieben machten Eignungsauslese und Berufsberatung erforderlich. Die Einführung neuer Technik und das Streben nach Wirtschaftlichkeit verlangten eine sorgsame Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsablaufplanung. Weitere Probleme, die zu untersuchen und zu lösen waren, verursachte die soziale Dynamik in Organisationen. 8. Für das Warenangebot der modernen Wirtschaft, das auch Massenprodukte enthielt, wurde öffentlich geworben. Die Werbewirkung wurde psychologisch untersucht und Organisationen bei ihren Werbemaßnahmen (z.B. bezüglich Gestaltung und Plazierung von Anzeigen) beraten. 9. Die Klinische Psychologie leitet ihren Namen von der Tätigkeit in (amerikanischen) Erziehungsberatungsstellen ab, die als „clinics“ bezeichnet wurden. Die klinische Tätigkeit wurde später auf Erwachsene ausgedehnt. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Therapie (Hauptformen: Gesprächs- und Verhaltenstherapie) bei persönlichen Krisen und Verhaltensstörungen. 10. Die Behandlung Geisteskranker ist weitgehend ein Privileg der Medizin geblieben. Doch werden Berufspsychologinnen und Psychologen seit längerer Zeit in Psychiatrien zur Diagnose von Geisteskrankheiten herangezogen. Kapitel 12: 1. Technischer, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt prägen das 20. Jahrhundert im Sinne der Moderne. In der zweiten Jahrhunderthälfte gewinnen die Prinzipien der Vielheit, der Individualität, der Spielfreude und der Emotionalität an Bedeutung; diese werden als Ausdruck einer Postmoderne gedeutet. 2. Im Stile der Postmoderne entwickeln sich neue wissenschaftliche Orientierungen. Dazu gehört die konstruktionistische Wissenschaftsauffassung, welche Theorien als soziale Konstruktionen mit begrenzter Geltung analysiert. Weiterhin behandelt werde komplexe Systeme, Unbestimmtheit, Wechselwirkungsprozesse und Vorgänge der Selbstorganisation. 3. Im Sinne der Moderne verfolgen Vertreter der Psychologie einen methodenstrengen Rationalismus, der Objektivität und kausale Gesetzmäßigkeiten voraussetzt und sich vorzugsweise experimenteller und quantitativer Methoden bedient. Große Erfolge hat die so ausgerichtete Forschung insbesondere in der Kognitionspsychologie sowie in der Biologischen Psycholoige (Verhaltensgenetik, Psychoendokrinologie, Hirnforschung) verzeichnet. 4. Psychologische Praxis im Sinne der Moderne setzt auf Standardisierung und Effizienzkontrolle. Dies gelingt vor allem in der Testdiagnostik, wird aber auch bei der Intervention – insbesondere der Psychotherapie – angestrebt. 5. Andere Vertreter der Psychologie bevorzugen im Stile der Postmoderne subjektorientierte Modelle (Theorien des Selbst) und qualitative Methoden (Analysen von Biographien u.ä.). Sie betonen die Bedeutung von Individualität und Intuition. Menschliche Werte (z.B. Selbstbestimmung) werden zu Maßstäben für psychologische Praxis. Diese Ausrichtung wird hier als philanthropischer Subjektivismus bezeichnet. 6. Aus postmoderner Sicht soll Expertise für psychologische Praxis unmittelbar aus der Auseinandersetzung mit Lebensproblemen entstehen. Eine bevorzugte Methode ist der Diskurs. In diesen Diskurs werden die Betroffenen einbezogen. Diskursive Psychologie äußert sich kritisch gegenüber gesellschaftlichen Instanzen, welche Individuen in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigen. 7. Einen beträchtlichen Aufschwung nimmt die Popularpsychologie, an deren Pflege sich zunehmend öffentliche Medien beteiligen. Möglicherweise bestehen zwischen Popularpsychologie und wissenschaftlicher Psychologie nachhaltige Wechselwirkungen. 8. Die Spezialisierung der Forschung und der breit angelegte Diskurs fördern (auf jeweils verschiedene Weise) die interdisziplinäre Kooperation. Dies könnte zur Folge haben, daß über die gegenwärtigen Disziplinengrenzen hinweg neue Forschungs- oder Praxisfelder (z.B. Neurowissenschaft, Gesundheitswissenschaft) entstehen und entsprechende Bereiche der Psychologie abhanden kommen. Dies könnte die Psychologie als moderne Einzelwissenschaft in Frage stellen. Ausarbeitung Allgemeine II Kapitel 1:Der Begriff der Seele – das Fachgebiet der Psychologie Woher stammt der Begriff der Seele? Dieser entspringt wohl der Erfahrung von Leben und Tod. Lebenden und Toten ist die äußere Gestalt gemeinsam. Der Unterschied: Er steht nicht mehr im Beziehung zur Umwelt, die inneren Vorgänge haben aufgehört. Da sich Erfahrungen zu Begriffen fassen, die aus Invarianten bestehen, bot sich die Erklärung des Menschen als Doppelwesen an. Dieser Dualismus bestand aus Körper und Seele, dem Inbegriff des Lebens. Zu welchen Leistungen sind Lebende in der Lage, Tote aber nicht? • Sie erbringen Leistungen zum Erhalt und zur Fortpflanzung des eigenen Körpers. • Lebende betreiben Erkenntnisgewinnung durch Sinnesempfindung und Wahrnehmung. • Lebende haben ein Gedächtnis und eine Vorstellung. • Lebende haben Gefühle wie Liebe und Bedürfnisse wie Ehrgeiz. • Lebende bewegen sich und handeln. • Lebende kommunizieren mit ihrer Umwelt durch Sprache, Schrift und Gesten. Was ist mit der Vorstellung der Seele gemeint? Es gibt die Vorstellung eines einheitlichen Seelenwesens als Trägerin des Lebens insgesamt. Die verschiedenen Erscheinungsformen und Funktionen gehen auf das Seelenwesen zurück. Was ist der Gegenstand der Allgemeinen Psychologie II? Die oben Beschriebenen Leistungen der Seele. Man spricht auch von seelischen Fähigkeiten, Abläufe, oder Prozesse. Unter anderem auch von Ausdrücken und Auswirkungen der Seele: Funktionen der Seele. Was erklärt die Deutung des Menschen als körperlich-seelisches Doppelwesen? Den Vorgang des Sterbens. Wenn es sich um Doppelwesen handelt, so können sie sich trennen. Im Sterben trennt sich dann die Seele vom Körper. Diese wurde als körperlos und unsichtbar konzipiert, was der Kunst bei der Darstellung große Probleme bereitete. Welches Problem ergab die Deutung von Körper, und Seele als eigenständige Wesen? Diese Deutung nennt man Leib-Seele-Dualismus. Die Annahme der Trennung überzeugte nicht alle, manche sahen Seele und Körper nur als verschiedene Erscheinungsformen des Menschen an, es gebe keine Trennung. Welche Alternativkonzeptionen gibt es? Der Mensch sei ein Organismus mit einer bestimmten Struktur. Für jeden Organismus gilt: Aufbau und stoffliche Zusammensetzung entscheiden über die Leistungsfähigkeit. Dies gelte auch für die einzelnen Organe. Eine Zuatzannahme ist, daß diese Leistungen auch zwangsläufig erbracht werden, sie liegen in der Natur des Organismus. Das Leben sei eine Tätigkeit, in der sich das menschliche Potential gemäß den Lebensbedingungen entfalte. Zur Natur des Menschen gehöre dreierlei: • Sein Körperbau. • das damit angelegte Leistungspotential. • das Streben, jenes Potential in der Lebenstätigkeit zu entfalten. Diese Deutung nennt man Leib-Seele-Monismus. Man könne zwar Seele und Körper einzeln betrachten, dies wären jedoch untrennbar miteinander verbunden. Welche Konsequenzen hat der Monismus? Die Organe sind nicht nur Instrumente der Seele, sondern selbst Funktionsträger. Damit entfällt der Glaube an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod des Körpers. Welche weiteren Konzeptionen der Leib-Seele-Problematik gibt es? Von Leibniz kommt der Leib-Seele-Parallelismus. Danach sind körperliche und seelische Erscheinungen unabhängig voneinander aber in zeitlicher Entsprechung. Nicht eines ist die Ursache des anderen, sondern beide sind von vornherein aufeinander abgestimmt. Wie manifestieren sich Glaube und Konzeptionen an die Seele? In Redensarten. Oft wird die Seele mit dem Mensch gleichgesetzt, der sie besitzt. Auch die Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod. Welchen Gegenstand hat die Psychologie? Sie ist die Wissenschaft von der Seele. Damit ist die Psychologie die Lehre vom Leben des Menschen. Diese Konzeption geht auf Münsterberg zurück. Es war eine Einzelwissenschaft geplant, die einerseits dem individuellen Leben des Menschen gewidmet ist, andererseits dessen sozialem Leben und der Kultur. Diese Vision der Psychologie als Einheit allen Forschens und Lehrens zur Natur und Gestaltung menschlichen Lebens wurde jedoch nicht Wirklichkeit. Statt dessen gab es eine Spezialisierung nach Praxisfeldern. Viele dieser Felder wie die von Recht oder Erziehung oder Sprachwissenschaft sind unverkennbar psychologische. Alle Wissenschaften, die sich mit Leistungen und Leben des Menschen befassen, verbindet psychologisches Wissen. Dies nennt man transdiziplinäre Psychologie. Zu welcher Konzeption führt dies? Das psychologische Wissen wird verdoppelt. Die Einzelwissenschaft Psychologie wird von der transdisziplinären Psychologie in den Spezialwissenschaften ergänzt. Weshalb wird psychologisches Wissen auch in anderen Fächern gepflegt? Der BWLer Heinrich Nicklisch argumentiert: Um die Erscheinungen des Wirtschaftslebens zu verstehen, muß man selbst in die Tiefen der menschlichen Psyche vordringen. Da man bei diesem Schürfen auch auf andere Schürfer stößt, verhilft dies zu Universalität und lindert damit die Gefahren der Spezialisierung. Was drücken die sprachlichen Fälle wie Nominativ, Genitiv oder Dativ aus? Sie sind Wortendungen, enthalten Personen und Gegenstände in einer bestimmten Funktion, einer Rolle. Dies entspricht der Erzählungsaufgabe und ist sehr ökonomisch. In welchem Verhältnis steht die Psychologie zu den Naturwissenschaften? Wenn man unter dem Leben auch körperliches Leben versteht, ist es sinnvoll das Studium des Körpers in das Studium der Psychologie einzubeziehen, vor allem wenn man an die Einheit von Körper und Seele glaubt. Diese Psychologie nennt man Biopsychologie. Sie bedient sich anderer naturwissenschaftlicher Methoden zur Bearbeitung ihres Gegenstandes. Zu ihr gehört die Lehre vom Körperbau (Anatomie), von der Tätigkeit der Organe (Physiologie) und der Vererbung (Genetik). Herzschlag und Immunsystem sind Beispiele für Funktionen, die sowohl von körperlichen, als auch geistigen Faktoren bestimmt sind. Welche Psychologie widmet sich der psychologischen Behandlung körperlicher Störungen? Die Gesundheitspsychologie und die Klinische Psychologie. Diese versuchen nicht, die körperlichen Veränderungen selbst aufzuklären, sondern sie bemühen sich, das Erleben von Krankheit zu erfassen und Verhaltensprogramme zum Gesundheitserhalt zu erstellen. Auf welche Arten von Schwierigkeiten stößt die Biopsychologie zur Zeit? Die Beobachtung psychischer Leistungen ist oftmals sehr viel weiter fortgeschritten als die Erforschung möglicher körperlicher Grundlagen derselben. Es gelingt z.B. noch kaum, Entsprechungen psychischer Leistungen im EEG nachzuweisen. Ein weiteres Problem ist, daß die Psychologie nicht allen Lebensfunktionen die gleiche Wichtigkeit zuschreibt. Man trennt zwischen niederen und höheren Funktionen, rein lebensnotwendige Funktionen wie die Atmung schenkt die psychologische Forschung keine Aufmerksamkeit. Dies kann nachteilig sein, da auch Herzschlag und Atmung von geistiger und emotionaler Erregung mit gesteuert werden. Damit könnte er auch für psychische Prozesse wichtig sein. Deshalb stößt der biopsychologische Ansatz innerhalb der Psychologie noch auf Schwierigkeiten, allerdings sind nicht wenige Fachvertreter davon überzeugt, daß von diesem Ansatz noch viel zu erwarten ist. Was versteht man unter Metaphysik? Metaphysik nennt man eine Welt, die hinter oder über der natürlichen liegt, etwa das himmlische Paradies. An deren Existenz kann man glauben, jedoch nicht mit den Sinnen erfassen. Dieser Welt wird oft Körperlosigkeit und Vollkommenheit zugeschrieben. Außerdem sei das die Heimat der Seele. Ein Einblick in diese metaphysische Wahrheit wird durch eine fortgeschrittene Einsicht, wie die Offenbarung für möglich gehalten. Die Gabe der Prophetie werde von den Göttern verliehen. In welcher Beziehung stehen Psychologie und Metaphysik? Die Psychologe enthält sich als moderne Wissenschaft weitgehend solcher Überlegungen. Diese Fragen überläßt sie der Theologie und der Philosophie. Der Gedanke eines eigenständigen Seelenwesens wurde in der Psychologie aufgegeben. Es findet keine Spekulation über deren Wesen, Wanderung, Sündigkeit oder Erlösung statt. Auch die Annahme, der Mensch greife auf übernatürliches Wissen zurück, ist mit dem Bekenntnis zu Beobachtung und analytischem Verstand als Erkenntnismethode unvereinbar. So verwirft der amerikanische Psychologe George Stuart Fullerton (1897) die Lehre von der metaphysischen Erkenntnis als unlogisch: Man könne die Natur des Bewußtseins nicht mit der Annahme von Gegebenheiten begründen, die sich nicht im Bewußtsein befinden. Jedoch ist zu Bezweifeln, daß sich die Psychologie in allen Lehren von der Metaphysik gelöst hat. Viele Autoren halten die Annahme eines Ich als Zentrum der Persönlichkeit für zwingend. Was vermittelt die Annahme des Ich, des Selbst? Die Einheit der Person, ihre Individualität und ihr Gleichbleiben im Wechsel der Zeit, d.h. ihre Identität. Dieses Ich ordnet die Erkenntnis zu einheitlichen Bildern und ist Träger des Willens. Hier erweist sich die Person in ihrer ganzheitlichen Erscheinung in ihrer wertvollsten Erscheinung. Hier gleicht sich die Vorstellung von Ich und Seelenwesen. Welche Argumente hat die Psychologie, übernatürliches aus der Betrachtung auszuscheiden? Methodisch: Übernatürliches mag es geben, aber die Psychologie verfügt nicht die Verfahren zu dessen Erkenntnis. Fundamental: Da das Übernatürliche mit den verfügbaren wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar ist, verbietet es sich, die Existenz des Übernatürlichen anzunehmen. So fordert Albert Lange, man soll der Psychologie die Seele austreiben, sie solle seelenlos werden. Gibt es in der Psychologie weitere Lehren über nicht durch Erfahrung erworbenes Wissen? Ererbtes Vorwissen hält C.G. Jung für möglich. Jedem Menschen sei ein kollektives Unbewußtes angeboren. Dieses enthalte Urbilder, Archetypen wie Familienrollen oder Lebensereignisse. Diese steuern Erleben und Handel. Was fällt an der Theorie der Archetypen auf? Auch die christlichen Kirchenväter nannten göttliche Ideen Archetypen. In der Idee vom kollektiven Unbewußten erscheint metaphysisches Denken wieder in modernen Gewande. Wie konzipierte C.G. Jung (1875-1961) das Selbst? Als Archetypus, als Urbild des kollektiven Unbewußten. Das Selbst habe Einheit und Dauer, sei dynamisch und strebe zur Entfaltung seiner Möglichkeiten. Die Archetypen können verschlüsselt doch zu Bewußtsein kommen. Diese seien in Mythen und Märchen enthalten. Dort entschlüsselt man die Ausdrucksformen des Unbewußten, die Symbole des Unbewußten. Im Rosarium findet er das Selbst als zweigeschlechtliches Wesen. Als Himmelskönig. Was ist als Fazit zur Beziehung von Psychologie und Metaphysik zu sagen? Metaphysik wird als Thema ausdrücklich abgelehnt, jedoch machen manche Lehre stillschweigend Anleihen bei der Metaphysik. Ein Bekenntnis zu einer freundlicheren Metaphysik als Theologie und Philosophie nehmen wohl viele Studienanfänger an, was den Andrang zum Fach und die spätere Enttäuschung mit demselben erklärt. Was gebietet die Psychologie? Durch die ungeheure Fülle des angesammelten Wissens ist eine Binnengliederung in abgrenzbare Teilgebiete geboten. Dies erlaubt die Spezialisierung. Daher tritt die Psychologie häufig in Ausschnitten in Erscheinung: Den Beiwort und Bindestrich-Psychologien. Welche Spezialisierungen fallen ihrer Art nach auf? • Theoretische Spezialisierungen (z.B. Tiefenpsychologie, Gestaltpsychologie) • Methodische Spezialisierungen (z.B. Mathematische oder Experimentelle Psychologie) • Spezialisierung nach Funktionsbereichen (z.B. Gedächtnispsychologie) • Spezialisierung nach Untersuchungsaspekten (z.B. Entwicklungspsychologie) • Spezialisierung nach Praxisfeldern (z.B. Arbeitspsychologie, Schulpsychologie) • Regionale Spezialisierungen (z.B. spanische, amerikanische Psychologie) Diese schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern überlappen sich häufig. Wie entwickelte sich die Binnengliederung der Psychologie? Bisher nicht nach einem übergeordneten Plan, sondern durch einen ungeregelten Wachstumsprozeß. Dadurch sind Teilgebiete nicht scharf umrissen. Daher ist die Psychologie nicht ein Fach aus einem Guß. Sie gleicht vielmehr einem Flickenteppich. Welche drei Schritte sind hilfreich, wenn man zum gegliederten Gesamtbild kommen will? • Festlegung der zu analysierenden psychischen Funktionen. Man untersucht nicht das Seelenwesen als ganzes, sondern nimmt eine Funktionsgruppe als Ausgangspunkt. • Festlegung von Analyseaspekten. Diese heben das Anliegen der Untersuchung hervor. Ein häufig benutzter Analyseaspekt ist das soziale oder die Entwicklung oder das differentielle, bzw. das allgemeine. Nach diesen Aspekten ist das Grundstudium gegliedert. • Festlegung von Anwendungsbereichen Wie vollzieht sich das Leben in sozialen Einheiten? Es vollzieht sich in • kleinen Gruppen, z.B. einer Familie • größeren Organisationen, z.B. Betriebe oder Parteien • Kulturen, umfassende Lebensgemeinschaften wie Völker Die psychischen Funktionen sind von ihrem sozialen Kontext massiv beeinflußt. Welche Entwicklungsarten unterscheidet man? Psychische Funktionen entfalten sich und verfallen in der Zeit. Man unterscheidet • Ontogenese, d.h. die Lebenslange Entwicklung von Individuen. • Phylogenese, d.h. die Stammesentwicklung, die Entwicklung von Gattungen. Möglicherweise vollzieht sich in der frühen Ontogenese der geistigen Fähigkeiten die Phylogenese der Menschheit nach. So beschreibt Sylvia Scribner konkretes Denken wie von Kindern bei primitiven Völkern. Was hat es mit dem differentiellen Analyseaspekt auf sich? Hier ermittelt man, wie sich psychische Funktionen bei verschiedenen Menschen ausprägen. George Kelly (1955) wies die Subjektivität allgemeiner Begriffe nach. Diese individuellen Eigenarten lassen sich zurückführen auf • körperliche Konstitution und Erbanlagen • Erziehung und soziale Umwelt • Selbstbestimmung und eigenes Training Eine spannende Frage ist auch, ob die individuellen Eigenarten frei kombinierbar sind, oder ob sie sich zu stimmigen Mustern zusammenfügen, die man Ganzheiten, Charaktere oder Persönlichkeit nennt. Eine solche Typenlehre vertritt z.B. Kretschmer (1929). Weshalb benötigt man eine allgemeine Psychologie? Zwar ist Psychisches immer durch die jeweilige soziale Lage und die persönliche Eigenart des Trägers einmalig, jedoch macht es Sinn, das Gemeinsame in der Vielfalt der Erscheinungen, das Allgemeine im Besonderen zu suchen. Die Suche nach allgemein gültiger Erkenntnis ist für Wissenschaftler besonders reizvoll. Solche allgemeingültigen Aussagen nennt man in den Wissenschaften Gesetze. Hier geht es also um psychologische Gesetze. Was versucht man unter dem allgemeinpsychologischen Aspekt zu erreichen? • Eine Phänomenanalyse: Die Feststellung und Beschreibung psychischer Erscheinungen. • Eine Bedingungsanalyse: Ein Überblick über äußere und innere Bedingungen unter welchen sich psychische Erscheinungen einstellen. Was ergibt sich, wenn man Analyseaspekte mit Praxisfeldern in Beziehung setzt? Man kann prüfen, • ob die psychologische Erscheinung in einem bestimmten Praxisfeld auftritt. • ob die Analyseaspekte für die Behandlung einer psychischen Erscheinung in einem Praxisfeld bedeutsam sind. • die Nützlichkeit der psychologischen Behandlung. Die Psychologie versucht, in verschiedenen Praxisfeldern zur Anwendung zu kommen, wie etwa im Rechtswesen, der Wirtschaft oder Erziehung. Was ist die Kulturpsychologie? Sie ist Sozial- und Entwicklungspsychologie zugleich. Kurt Pawlik (1976) untersuchte die Aborigines. Er fand, daß ihre Intelligenz bereichsspezifisch ist, und ihr eingeschränktes Verständnis für Zahlen auf ihre Lebensgewohnheiten zurückgeht. In der Lebensumwelt existieren selten gleichartige Dinge, die man zählen könnte. So entwickeln sich Fähigkeiten in Bewältigung der Umwelt. Psychische Funktionen im Zusammenhang mit der Lebenswelt zu betrachten ist das Programm der Kulturpsychologie. Kultur umfaßt geographische, soziale und wirtschaftliche Lebensbedingungen. Diese Kultur schafft Voraussetzungen zur Entwicklung psychologischer Funktionen. Die Menschen paßt sich der Kultur an und die Kultur den Menschen, da dieser seine Lebenswelt gestaltet. Kapitel 2: Theoretische Richtungen in der Psychologie Was bedeutet der Begriff der Reaktanz? Die Gegenwehr, die einsetzt, wenn sich ein Individuum in seinem Freiheitsraum unangemessen eingeengt fühlt. Er wurde von Jack Brehm (1966) eingeführt. Durch welche fünf Prinzipien kennzeichnet sich der Kognitivismus? • Durch das Prinzip der Erkenntnis. Die Kognition bildet den Kern des Psychischen. Im erkennen entstehen Weltbild und Selbstbild. • Durch das Prinzip der Bewußtheit: Das Erkennen vollzieht sich im Bewußtsein. • Durch das Prinzip der kognitiven Ordnung: Wesentlich für das Erkennen sind nicht Einzelelemente, sondern Zusammenhänge, die Einsicht in strukturelle und funktionelle Zusammenhänge. Durch diese Entsteht die kognitive Ordnung. Diese erstreckt sich in der Zeit, durch sie werden Erwartungen aufgebaut. • Durch das Prinzip des einsichtigen Handelns: Wenn die Zukunft in der Erwartung vorweggenommen wird, kann sich Handeln auf die Zukunft richten. Er kann gezielt nach Erwartung von Nützlichkeit und Erfolg das Handeln abwägen. • Durch diese Prinzipien ergibt sich die Bekenntnis zu menschlicher Entscheidungsfreiheit und Rationalität. • Das Prinzip der Selbstverantwortung und Selbstregulation. Der freie und einsichtige Mensch ist der Gestalter seiner Persönlichkeit und für diese verantwortlich. Wie steht der Kognitivismus zu Grenzen, welche die Außenwelt setzt? Diese sind eine Herausforderung an seine Kreativität. Er soll sich durch Vernunft selbst verwirklichen und auch anderen zu dieser Entfaltung verhelfen. In welche Philosophische Richtung ist der Rationalismus eingebettet? In den Rationalismus. Und zwar sowohl hinsichtlich Menschen-, als auch Weltbild. Der Rationalismus gelangte im 17. und 18. Jahrhundert zur Blüte. Er lehrte: • Die Welt ist nach logischen und mathematischen Prinzipien aufgebaut, die der Mensch durch seine Vernunft erfassen kann. Alles hat nach Christian Wolff eine Erklärung. • Auch das sittliche Handeln wird durch die Vernunft gelenkt. Die Natur sei ein geordnetes Ganzes. Leibniz (1710) meint, die Welt sei die beste aller möglicher Welten, da sie sich in Übereinstimmung mit der göttlichen Vernunft befindet. Wodurch kennzeichnet sich der Kognitivismus im Hinblick auf die Psychologie noch? Die Kognitivisten billigen Verständnis, Vernunft und Verantwortung allen Menschen zu. Deshalb wollen sich solche Psychologen nicht über ihre Klienten stellen und haben Respekt vor deren Fähigkeiten. Sie distanzieren sich am wenigsten von vorwissenschaftlichen psychologischen Beobachtungen, Annahmen und Erklärungen. Auch die naive Psychologie wird berücksichtigt, jeder Mensch sei ein Wissenschaftler. Fritz Heider (1958) untersuchte die wissenschaftlichen Qualitäten von Märchen. Welche Konzeption tritt in der Bewußtseinspsychologie zu Tage? Diese setzt das Psychische mit dem Bewußten gleich. Dabei wird das Bewußtsein aus der Körperwelt ausgegrenzt, wie dies von Rene Descartes (1596-1650) vorgenommen wird. Die Psychologie des 19. Jahrhunderts ist eine Bewußtseinspsychologie. Wundt (1832-1920) war einer ihrer Vertreter. Er untersuchte vor allem Sinnesempfindung, Aufmerksamkeit und Vorstellung und arbeitete zur Völkerpsychologie. Für ihn war Bewußtsein das Medium, welches diese Leistungen erbringt. Dies wurde von den Tiefenpsychologen bestritten. Was vertritt die Gestaltpsychologie? Hier wird der Kognition Gestaltungskraft und Eigenständigkeit zugesprochen. Dies wurde vor allem an der Wahrnehmung demonstriert. Objektiv zusammenhanglose Elemente werden durch die Wahrnehmung zu bedeutungsvollen Figuren zusammengefaßt. Dadurch entstehen ganzheitliche Gebilde, die man Gestalten nennt. Die Bildung dieser Gestalten sind für die Gestaltpsychologen Belege der Eigenständigkeit des Erkennens und dem Wirken natürlicher Ordnungskräfte auf die vorgegebene Wirklichkeit. Wer sind Vertreter der Gestaltpsychologie? Zuerst wies Christan von Ehrenfels (1859-1932) auf Tendenzen zur Gestaltbildung in der Wahrnehmung hin. Es gibt zwei Schulen der Gestaltpsychologie. Die Leipziger Schule betont die Einbettung der Erkenntnis im Gefühl. Angeführt wird sie von Felix Krueger (18741948). Die Berliner Schule konzentriert sich auf die Analyse von Gestalttendenzen bei Wahrnehmen, Denken, Einprägen und Handeln. Vertreter dieser Schule sind Wolfgang Köhler (1887-1967), Kurt Lewin (1890-1947) und Max Wertheimer (1880-1943). Diese wurden von den Nationalsozialisten in die USA vertrieben. Worauf zielt die Kognitivistische Therapiemethode ab? Er wird versuchen, den Klienten Einsicht zu verschaffen, um ihnen zu ermöglichen, die Schwierigkeiten selbst zu bewältigen. Es entsteht eine Gesprächs- und Beratungssituation. Eine andere Möglichkeit ist das Vorführen von Vorbildern, von Modellen. Dieses wird im Film oder im Rollenspiel gezeigt. Es gibt sowohl direktive, als auch nicht-direktive Methoden im Kognitivismus. Carl Rogers (1942) nennt seine Therapie klientenzentriert. Welche Richtung baut auf den Prinzipien des Kognitivismus auf? 1962 wurde in den USA von Charlotte Bühler, Abraham Maslow, Kurt Goldstein, Carl Rogers und Henry Murray die Gruppe der Humanistischen Psychologie ins Leben gerufen. Diese zeichnet sich durch ihr gesellschaftspolitisches Engagement aus. Der Mensch stehe im Mittelpunkt. Wichtig sind Prinzipien von Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung. Worin unterscheidet sich die Tiefenpsychologie vom Kognitivismus? Sie bezweifeln, daß die Klienten Einsicht in die Natur ihrer Probleme haben. Die tieferen Gründe wären diesen selbst nicht bewußt. Diese müßten bewußt gemacht werden. Dazu bedarf es psychologischer Experten. Was kennzeichnet tiefenpsychologische Richtungen? • Das Prinzip des Unbewußten. Dieses wäre ein Bereich, welcher dem Bewußtsein vorgelagert ist und von dem der Betroffene keine Kenntnis besitzt. • Das Ich-Prinzip: Die Ich-Instanz wird ausgegliedert. Sie folge der Realität. In diesem wären die Funktionen des realistischen Erkennens und der Vernunft zusammengefaßt. • Das Libido-Prinzip: Alle psychische Tätigkeit bedürfe einer psychischen Energie, diese wird Libido genannt. Sie drängt auf Triebbefriedigung. Diese Abfuhr kann nur teilweise von der Ich-Funktion geleistet werden. Ein Großteil der Energie bleibt zurück. • Das Prinzip der Verdrängung: Die verbleibende Triebenergie bliebt im Unbewußten. Nicht alle Triebansprüche wären angepaßt genug. Dadurch gerät das Ich in Bedrängnis. Die unbefriedigten Impulse erzeugen Angst und werden deshalb ins Unbewußte verbannt. • Das Prinzip der Gegenverdrängung: Die verdrängten Impulse bleiben im Unbewußten aktiv und suchen ins Bewußtsein zurückzukehren und Handlungen zu beeinflussen. Die verdrängten Inhalte finden Ausdruck in Träumen und in neurotischem Verhalten. • Das Prinzip der frühkindlichen Fixierung: Die schwersten Wunden und Traumata erhält die Psyche in der frühen Kindheit. Damit beginnt die Verdrängungsgeschichte. Wie nennt man die unbewußten Kerne, an die sich andere Erlebnisse anschließen? Komplexe. Diese werden bereits in früher Kindheit gebildet. Komplexe sind die Verbindung von unbewußten Inhalten und Affekten. Welche Tiefenpsychologischen Richtungen gibt es? • Die bekannteste ist die Psychoanalyse von Sigmund Freud (1856-1939). Diese ist zentral und wertet Liebe und Aggression als Hauptmotive. • Otto Rank (1884-1939) leitet die neurotischen Störungen des Menschen aus dem Trauma der Geburt her. Der Schock, den die Menschen bei dieser Erfahren, wäre zu groß. • Alfred Adler (1870-1937) begründete die Individualpsychologie. Das Zentralbedürfnis des Menschen sei das Streben nach Macht und Überlegenheit. Dieses stamme aus der Erfahrung von Ohnmacht und Unterlegenheit. Im allgemeinen würden Menschen an einem Minderwertigkeitskomplex leiden, den sie an ihrem schwächsten Organ erfahren. An diesem entzündet sich Wille und Ehrgeiz, Kompensation und Überkompensation. Dieses überschießende Leistungsstreben führe zu Neurosen und Rücksichtslosigkeit. • Carl Gustav Jung (1875-1961) suchte nach Symbolen des Unbewußten in Träumen, Märchen und Legenden. Diese seien Botschaften des Unbewußten. Diese seien aber kodiert um die Verdrängungsmechanismen zu überlisten. Diese Symbole müßten zu deren Verständnis übersetzt und gedeutet werden. Was kritisieren die Tiefenpsychologen? Die Tiefenpsychologen pflegen eine kritische Haltung gegenüber den Menschen und Kulturen. Das Unbewußtsein als Quelle der Störungen und Unwissenheit wertet den Menschen ab. Die Verdrängung kommt noch hinzu. Besonders kritisch sehen sie • Fehleinschätzungen der Wirklichkeit. Die meisten Dinge die verdrängt werden, sind bei unvoreingenommener Beobachtung gar nicht so schlimm. Nach einer nüchternen Beurteilung könnte man die Berechtigung dieser Wünsche durchaus anerkennen. • Die Illusion der Unterdrückbarkeit: Wenn man vitale Bedürfnisse und lebhafte Vorstellungen unterdrückt, leidet das betroffene Individuum. Konflikte müssen durchgestanden und ausgelebt werden. Wie geht die tiefenpsychologische Methodik vor? Sie setzen gegen die Verdrängung die Aufklärung. Das Verdrängte ist im Unbewußten aufzuspüren und zur Bewußtheit zu verhelfen. Dies ermöglicht die Bewältigung traumatischer Erfahrung. Dazu müssen die Symbole des Unbewußten gefunden und übersetzt werden um die Geschichte der Verdrängung zu rekonstruieren. Dazu werden Situationen geschaffen, in denen die Verdrängungstendenzen niedrig sind, wie eine entspannte Lage auf einer Couch oder Träume. Eine andere Methode besteht in Assoziationen. Da die Personen sich ihre Motive selbst nicht eingestehen, sondern auf andere Projizieren, eignen sich projektive Tests um diese aufzudecken. Mit der geglückten Diagnose sieht sich die Tiefenpsychologie schon fast am Therapieerfolg. Die tiefenpsychologische Deutung muß nur anerkannt und das Verhalten entsprechend geändert werden. Dieses Akzeptieren ist jedoch nicht einfach. Dazu bedarf es langer Gespräche um die Widerstände zu überwinden. Wozu dient in der Tiefenpsychologie das Rollenspiel? Sowohl zu Diagnostik, als auch zu Therapie. Ein Verfahren des Rollenspiels wurde von Josef Moreno (1959) entwickelt: Das Psychodrama. In diesem sollen die Patienten ihren Konflikten Ausdruck verleihen. Thema des Rollenspiels sind Konfliktsituationen. Hier übernehmen die Klienten und Therapeuten abwechselnd die entsprechenden Rollen. Dem Klienten soll das eigene Verhalten wie ein Spiegelbild vorgehalten werden. Was zählt für den Behavioristen? Nur die objektive Messung. Er ist verhaltenstheoretisch orientiert. Welche Prinzipien kennzeichnen den Behaviorismus? Er stützt sich auf die Prinzipien der Wissenschaftlichkeit des logischen Positivismus. Diese sind Objektivität und intersubjektive Vergleichbarkeit von Beobachtungen. Demnach ist eine wissenschaftliche Theorie eine Beschreibung der Realität anhand von Beobachtungsprotokollen. Zum Vorbild dienen exakte Messung und Zählen wie in Naturwissenschaften. Der Behaviorismus ist im wesentlichen eine Lerntheorie. Er stützt sich am wesentlichen auf die philosophische Tradition des Pragmatismus. Was macht den Behaviorismus aus? Man beschäftigt sich einerseits mit dem Aufbau von Reiz-Reaktions-Beziehungen, andereseits mit dem Aufbau von Reiz-Folge-Beziehungen. Die Kopplung von Reaktionen an vorangehende Bedingungen nennt man Konditionieren. Die Förderung des Verhaltens durch Konsequenzen heißt Verstärkung. Wer begründete den Behaviorismus? Der Amerikaner John Broadus Watson (1878-1958). Er meinte, man könne jedem Menschen alle Fertigkeiten lehren. Die Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen erfolgte vor allem durch Clark L. Hull (1884-1952) und Burrhus F. Skinner (1904-1990). Watson selbst war nur kurze Zeit wissenschaftlich tätig und wirkte vor allem durch Provokationen. Wovon handelt der Pragmatismus? John Dewey (1859-1952) war besonders wichtig für den Behaviorismus. Erfahrung, Denken und Handeln würden im Dienst der Anpassung stehen. Jede menschliche Tätigkeit diene der Bewältigung von Lebensproblemen. Da sich die Welt ständig ändere, müßten sich auch die Verhaltensweisen ständig ändern und anpassen. Der Pragmatismus steht in Beziehung zum Positivismus. Nach dieser Lehre kann sich Erkenntnis nur aus der Erfahrung von Tatsachen ableiten. Subjektive Erkenntnisse und Annahmen von nicht beobachtbaren Inhalten oder Prozessen werden als unwissenschaftliche Spekulation verworfen. Auf welche erkenntnistheoretische Formulierungen stützt sich der Behaviorismus? Die vom Neopositivistischen Kreis um Moritz und Rudolf Carnap (1966). Vor allem übernahmen sie die Forderung nach operationalen Definitionen. Jeder Begriff in einer psychologischen Theorie soll durch einen Meßvorgang definiert sein. Da in der Psychologie vieles nicht der unmittelbaren Beobachtung zugänglich ist, folgen hieraus genauere Gegenstandsbestimmungen der Psychologie: Physikalische und physiologische Bedingungen und beobachtbares Verhalten. Was ist in der Psychologie operational definierbar? • die Reaktionen von Lebewesen • die situativen und organismischen Reize vor und während der Reaktionen • die den Reaktionen folgenden Änderungen der situativen und organismischen Reize Worin besteht die Reflexologie? Diese teilt die Grundannahmen des Behaviorismus, ist aber eine Eigenentwicklung von Iwan P. Pawlow (1849-1936). Er experimentierte an Hunden und wies das Prinzip der klassischen Konditionierung nach. Der Unterschied zum Behaviorismus liegt darin, daß Reaktionen stets als physiologische Reize gedeutet werden, die Reflexologie steht im Gefolge der Philosophie des Materialismus, die nur organische und anorganische Materie als wirklich ansieht. Was folgt aus der materialistischen Philosophie für menschliches Verhalten? Diese geht auf Sechenow (1829-1905) zurück. Das menschliche Verhalten ist durch die objektive Umwelt bestimmt, andererseits ist er selbst nur ein stofflicher Körper. Das Bewußtsein ist eine Folgeerscheinung der Gehirntätigkeit. Es wird nur die höhere Nerventätigkeit untersucht, eine Untersuchung des Bewußtseins erübrigt sich. Daher ist die Reflexologie stärker hirnphysiologisch orientiert als der Behaviorismus. Welchen Status kam der Reflexologie in Rußland zu? Nach der russischen Revolution wurde sie in den Rang einer Staatslehre erhoben, da der philosophische Materialismus in der Reflexologie den Forderungen des marxistischleninistischen Materialismus entspricht. Pawlow selbst genoß Privilegien. Nach dem Tode Stalins nahm die Zahl der Fragestellungen zu, heute versuchen die Forscher durch den Fortschritt der Hirnforschung kognitive Mechanismen als Nervennetze zu beschreiben. Welcher Methoden bedient sich der Behaviorismus? Es gab eine Fülle von Experimenten, in denen die Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen untersucht wurden. Allerdings fordert die Bedingungskontrolle ihren Preis: Die beobachteten Aktionen dürfen nicht zu kompliziert sein. Es gab Tierversuche in großem Umfang. Vor allem für Ratten und Tauben gab es standardisierte Versuchsanordnungen, besonders bekannt ist die Skinnerbox. Diese Forschungspraxis wurde zum Vorbild für pädagogische und klinische Methoden, so wurden Mechanismen für den programmierten Unterricht entwickelt. Welche Therapieform wurde auf der Grundlage des Behaviorismus entwickelt? Die Verhaltenstherapien. Hier versucht man das Verhalten z.B. durch die Vertragstechnik zu optimieren. Der behavioristische Praktiker hält sich mit der Ätiologie (d.h. den zurückliegenden Ursachen) von Verhaltensstörungen nicht lange auf. Diese sei einerseits schwierig zu erheben, andererseits unerheblich für die Wahl der Behandlungsmethode. Es komme auf die Zukunft, nicht die Vergangenheit an, es müßten neue Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Diese seien immer gleich, egal wie das Verhalten entstanden sein mag. Welchen politischen Status haben die behavioristischen Ideen? Sie wurden oft als Manipulationstechniken verurteilt. Freiheit und Menschenwürde kämen bei der Verhaltenskontrolle zu kurz. Skinner bekennt sich jedoch zu diesem Vorgehen. Verhaltenskontrolle sei nicht unmoralisch, da sie immer gegenseitig erfolgt. Er entwarf in Walden II eine Gesellschaftsutopie auf der Grundlage des Behaviorismus. Welchen Status hat der Kognitivismus in der Entwicklungspsychologie gesehen? Der Kognitivismus betont den Verlauf der Entwicklung über die gesamte Lebensspanne. Denken, Fühlen und Handeln besäßen keine feste Form, sondern seien nur Stadien in einem unablässigen Wandel der Person, jedenfalls nach Kurt Koffka (1921). Kognitivistische Autoren befassen sich vor allem mit Entwicklungsreihen der kognitiven Entwicklung. Sie glauben an die Entwicklungsfähigkeit bis ins hohe Alter. Dies findet seinen Ausdruck in den Arbeiten zum erfolgreichen Altern, so gehen z.B. Ursula Staudinger und Jacqui Smith (1992) der Frage der Altersweisheit nach. Sie beschäftigen sich mit der Entwicklung von Schicksalen abhängig von Faktenwissen und Verfahrenswissen. Jedenfalls fanden die Autoren keine Überlegenheit durch Lebenszeit sondern durch Expertenwissen. Kognitivisten betonen stark den Erkenntnisdrang des Menschen. Das Interesse fördere die Motorik. Vor allem wird die Selbstmotivierung der Entwicklung nach McVicker Hunt (1960) untersucht. Von der Kognition gehen Impulse fürs Handeln aus. Der Mensch gestalte sich auch selbst, setze sich Entwicklungsaufgaben, wie Robert J. Havighurst betont (1972). Welchen Status hat die Tiefenpsychologie in der Entwicklungspsychologie? Die Tiefenpsychologie konzentriert sich auf die frühe Kindheit als eine Phase, die das Leben bestimmt. Sie ist selbst in wesentlichen Teilen eine Entwicklungspsychologie. Die frühen Kinderjahre entscheiden nach Freud über die gesamte Persönlichkeitsentwicklung. Entwicklung wäre im wesentlichen die Entwicklung der Triebenergie, der Libido. In den ersten Lebensjahren entwickeln sich nach Freud die zentralen Instanzen der menschlichen Persönlichkeit: Es, Ich, Über-ich. Der Mensch komme als Es zur Welt und folge nur dem Lustprinzip. Durch Anpassung an die Natur müsse er sich auf das Realitätsprinzip einstellen. Dies hierzu nötigen Fähigkeiten bilden das Ich, welche das Es zügeln. Ein wesentlicher Entwicklungssprung geschieht, wenn die Liebe der Kinder zum gegengeschlechtlichen Elternteil erwacht. Die Eltern drohen z.B. den Söhnen jedoch mit Kastration. Dadurch erfahren sie eine neue Grenze: die Macht. Dadurch lernen sie die Angst vor anderen und die Schuld nach der Verletzung dieser Forderungen. Die Instanz, die soziale Forderungen verinnerlicht und Gefühle wie Angst und Schuld pflegt, nennt Freud das Über-ich. Welchen Status hat der Behaviorismus in der Entwicklungspsychologie? Behavioristen ist die Idee einer kontinuierlichen und phasentypischen Entwicklung fremd. Diese könnte nur durch innere Faktoren geschehen, auf welche die Behavioristen jedoch keinen Bezug nehmen. Menschliche Entwicklung sei eine Folge von Lernprozessen. Das Auftreten der Lernprozesse hängen von dem Angebot an Reizen und Verstärkern ab. Die Natur der Lernprozesse sei jedoch immer gleich. Deshalb tragen Behavioristen selten zur Entwicklungspsychologie bei. Beiträge sind meist Studien zu einzelnen Verhaltensweisen, die abgebaut oder gefördert werden sollen, wie der Beitrag von Mees und Fieguth (1977) über die Bestimmung von Entstehungsbedingungen von aggressivem Verhalten. Welche Bedeutung hat die Entwicklung des moralischen Urteils für den Kognitivismus? Es ist wesentlich für die Steuerung von Handlungen. Das moralische Urteil sei eine kognitive Struktur, die sich im Laufe des Lebens entwickle. Lawrence Kohlberg (1963) konzipierte sechs aufeinanderfolgende Phasen in der Entwicklung des moralischen Urteils. Er nimmt an, daß man auch zurückfallen kann, wenn man schon oben war, oder daß man sich spätere Auffassungen zu eigen machen kann, ohne frühere völlig aufzugeben. • In Phase 1 zählt das Ergebnis der Handlung – schlecht ist, was schadet. • In Phase 2 geht es um allseitige Bedürfnisbefriedigung – gut ist, was gut gemeint ist. • In Phase 3 geht es um Übereinstimmung mit anderen – gut ist, was andere gut finden. • In Phase 4 geht es um überindividuell feste Regeln – Was gut und schlecht ist, ist in Vorschriften und Lebensregeln festgelegt. • In Phase 5 geht es um überindividuelle, aber releativierbare Regeln – gut ist, was den Regeln entspricht, aber man muß auch deren Sinn einsehen. • In Phase 6 geht es um allgemein geltende ethische Grundsätze – gut ist, was überall und jederzeit als gut gelten soll. Welche Entwicklungsphasen gibt es nach Freud? • 1. Lebensjahr: Orale Phase, Oralerotik: Befriedigung durch Berührung und Manipulation von Objekten, besonders durch den Mund. • 2. Lebensjahr: Anale Phase, Analerotik: Befriedigung durch Beherrschung von Körperfunktionen, vor allem des Afters. • 3. Lebensjahr: Phallische Phase, Urethralerotik: Befriedigung durch Berühren der Sexualorgane und Kontrolle der Harnausscheidung. • 5. Lebensjahr: Latenzphase, Ruhen der Sexualentwicklung bis zum Ausbruch der Pubertät Welchen Status hat die Tiefenpsychologie in der Persönlichkeitspsychologie? Man führt Unterschiede zwischen Menschen auf die unterschiedliche Entwicklungsgeschichte zurück. Vor allem die frühe Kindheit habe einen maßgeblichen Einfluß auf die Persönlichkeitsbildung. Welche Konzeption vertritt der Psychoanalytiker Erich Erikson? Erich Erikson (1959) mißt dem Vertrauen, daß Menschen in ihrer Kindheit zu der Mutter und der gesamten Umgebung ausbilden konnten eine enorme Bedeutung bei. Es handele sich um das Urvertrauen. Wenn es an diesem mangelt, komme es zu Neurosen und Depressionen. Welche Konzeption vertritt Freud selbst? Er entwickelte eine Persönlichkeitstypologie (1905), die von einer frühkindlichen Fixierung in einzelnen Phasen der Triebentwicklung ausgeht. So werde ein auf die Urethralerotik fixierter Ehrgeiz entwickeln, ein auf oralen Lustgewinn fixierter werde Passivität und Anlehnungsbedürfnis bewahren. Ein Analcharakter sei geizig, pedantisch und zeichne sich durch Herrschsucht und Grausamkeit aus. Die Fixierung sei z.B. durch eine zu frühe und intensive Reinlichkeitserziehung bedingt. Wie unterscheiden sich die Kognitivistischen Konzeptionen zur Persönlichkeitspsychologie? Ein Kognitivist würde sich scheuen, sämtliche Menschen einigen wenigen Typen zuzuordnen. Durch die individuellen Fähigkeiten der Erkenntnisbildung und Selbstverwirklichung sei mit einer großen Vielfalt an Erscheinungen zu rechnen. Meist läßt man die Betroffenen sich selbst einschätzen, dies geschieht anhand der Eigenschaftsbegriffe der Sprache. Welche Konzeption vertritt Gordon W. Allport (1948)? Kein Mensch sei dem anderen gleich. Jede Persönlichkeit sei einzigartig. Es mache keinen Sinn, zwei Menschen anhand eines Begriffes zu vergleichen, da sie sich nicht primär durch die Quantität der Ausprägung unterscheiden, sondern durch die Qualität. Dies gestattet nur die individuelle Beschreibung, die idiographische Methode. Welche Methoden benutzt die kognitivistische Persönlichkeitspsychologie noch? Persönlichkeitsfragebögen zur Selbstbeurteilung. Einer dieser Fragebögen ist der MMPI, das Minnesota Multiphasic Personality Interview von S.R. Hathaway und J.C. McKinley. Die Personen sollen sich selbst einschätzen, der Diagnostiker erhält anhand dieser Selbsteinschätzung ein Bild der Persönlichkeit der Befragten. Welche Testmethoden haben sich in diesem Feld besonders durchgesetzt? • Die Erwartung eigener Kontrolle oder Fremdbestimmtheit nach Rotter (1966). • Die Feldabhängigkeit, d.h. die Fähigkeit, einen Gegenstand unabhängig von seiner Umgebung zu beurteilen (nach Witkin et. al. 1954). Was trugen die Behavioristen zur Persönlichkeitspsychologie bei? Sie konstatieren das Auftreten individueller Unterschiede als beobachtbare Tatsache. Der Grund sei die Lerngeschichte, d.h. das unterschiedliche Milieu von Personen. Insbesondere der Zeitbedarf des Lernens beim Menschen wird untersucht, so könnten Unterschiede in der Entwicklung auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zurückgehen. Es werden auch Unterschiede in der Emotionalität beachtet. Allerdings suchen sie nur nach emotional zu nennenden Verhaltensweisen. Hier vor allem die genetische Bedingtheit individueller Unterschiede in der Emotionalität. In der Tat gibt es Belege für eine Vererbbarkeit der individuellen Emotionalität und Lerngeschwindigkeit. Dies wurde anhand der Züchtung von Mäusestämmen festgestellt (McClearn & De Fries 1973). Welche Beiträge leisten die Behavioristen zur Sozialpsychologie? Zahlreiche. Dies geschieht durch die Übertragung des behavioristischen Begriffssystems auf soziale Beziehungen und soziales Verhalten: • Nach Mehrabian (1970) werden Personen, die Belohnung und Befriedigung vermitteln selbst zu Verstärkern, andere folgen diesen um den Genuß der Anwesenheit zu erlangen. • Lott & Lott (1965) deuten die Gruppenbildung als Lernvorgang. In behavioristischer Sicht kann eine Person A für eine andere Person B zum konditionierten Auslösereiz werden. Es schließen sich jene zusammen, die gemeinsam belohnt werden. Dies wiesen Lott & Lott an Kindern nach. Ob diese anderen zur Belohnung beitrugen, oder nicht. Das partnerschaftliche Verhalten sei auf diese Weise verstärkt worden. Auf diese Weise läßt sich das Entstehen vieler sozialer Verhaltensweisen wie Affiliation (Anschluß) und Kooperation (Zusammenwirken im Dienste des gemeinsamen Ziels) erklären. Wie tragen die Kognitivisten zur Sozialpsychologie bei? Sie suchen nach umfassenderen Begriffen, die im Denken der Menschen verankert sind und die deren soziale Einstellung und Handlung bestimmen, daß Gruppenbewußtsein und das Rollenbewußtsein des einzelnen. Auch die Ausgeglichenheit von Gruppen ist ein kognitivistisches Thema. Insbesondere durch die Initiative Fritz Heiders wurden auch Dinge untersucht, die im Alltag relevant sind, etwa die Regeln bei der Wahl von Sitzplätzen oder die Beschaffenheit von Vorurteilen. Welche Konzeption vertrat Leon Festinger (1957)? Dieser revolutionierte die Sozialpsychologie. Er führte den Begriff der kognitiven Konsistenz ein, d.h. die Übereinstimmung zwischen Werthaltungen und sozialen Beziehungen, Wahrnehmungen, Handlungen. Der Mensch strebe nach Konsistenz. Festinger selbst gibt mehrere Beispiele zur Entstehung von kognitiver Dissonanz und deren Reduktion. Dissonanz könnte z.B. dadurch hergestellt werden, daß man einen Aufsatz schreiben muß, in dem man eine Meinung vertritt, die man sonst ablehnt. Als Folge wird die Dissonanz verringert, die Meinungen gleichen sich an. Jene, die Geld dafür erhalten, halten an ihrer Meinung fest. Welchen sozialpsychologischen Gehalt hat die Tiefenpsychologie? Einen großen. Alfred Adler sieht den Machtkampf und das Geltungsstreben als Folgen des von ihm angenommenen Gefühls der eigenen Minderwertigkeit. Die Familientheorie Freuds hat großen Einfluß auf die Deutung des Lebens in der Gesellschaft. Die Freudsche Sozialtheorie mit der Betonung des Über-Ich hat öffentliche Beachtung gefunden. Welche Beachtung fand Freuds Sozialtheorie? Er ging davon aus, daß die im Über-ich verinnerlichten Normen die Eigenständigkeit des Ich schwächen könnte. Die unheilvolle Über-ich-Entwicklung in Europa eine Folge der zu strengen Familienerziehung, vor allem der Dominanz der Vaterrolle. Die Verbrechen des Faschismus seien auf die bürokratisch-brutalen Charaktere zurückzuführen. Diese Konzeption vertreten Adorno, Frenkel-Brunswik, Levinson & Sanford 1950. Dies führte zu einer Abkehr von patriarchalischen Familienstrukturen. Nach dem Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (1908-1982) entsteht dadurch ein neues Problem: Durch ein Defizit an verbindlichen Normen beginnt die Gesellschaft an Orientierungslosigkeit zu leiden. Wie konzipiert Wilhelm Reich die Symbolik des Hakenkreuzes? Wilhelm Reich (1897-1957) war Psychoanalytiker. Er trat der Kommunistischen Partei bei und gründete Sexpol, den Deutschen Reichsverband für proletarische Sexualpolitik. Die Nazis zwangen ihn zur Emigration. Diese würden sich unbewußte Mechanismen zunutze machen. Das Hakenkreuz stelle einen Geschlechtsakt dar, es rühre an tiefstem Gefühlsleben. Kapitel 3: Bewußtsein – Kognition – Geist Was ist das Anliegen der Phänomenologie? Die Erscheinungen im Medium des Bewußtseins zu beobachten, zu analysieren und zu beschreiben. Wie konzipierte William James (1905) das Bewußtsein? Als Fluß, als Strom. Heutzutage würde man wohl eine andere Metapher wählen: Ein im Kopf ablaufender Film. Was hebt man bei der Untersuchung des Bewußtseins hervor? • spezifische Qualitäten (Qualia), Erscheinungen die nur im Bewußtsein auftreten • Intentionalität • Subjektivität Was sind besondere Qualitäten des Bewußtseins? Die sinnlichen. Farben und Töne, Geschmack, Geruch, Schmerz. Die Ordnungskategorien wie Raum oder Zeit. Auf diesen basieren Kontinuität und Wechsel. Was bedeutet die Intentionalität des Bewußtseins? Bewußtsein ist auf Gegenstände gerichtet und scheint Personen, Dinge und Vorgänge der Welt wiederzugeben. Dabei ist zunächst unerheblich, ob dieses Gegenstandsbewußtsein einer Realitätsprüfung standhält oder ob diese Gegenstände dem Bewußtsein nur vorgespiegelt werden. Wie begründete Franz Brentano (1874) die Eigenständigkeit der Psychologie? Mit der Intentionalität. Psychische Phänomene bezögen sich stets auf Gegenstände außerhalb ihrer selbst. Darin unterscheiden sie sich von physikalischen und physiologischen Erscheinung. Wie steht es um die Subjektivität? Hierbei muß zwischen Subjektivität im ersten und im zweiten Sinne unterschieden werden. Subjektivität im ersten Sinne ist die Zugehörigkeit von Bewußtsein zu Individuen, d.h. es bildet sich individuell und wir nur durch das Individuum, welches es bildet erfahren. Den Film im Kopf kann nur jeder selbst beobachten. Es ist kein unmittelbarer Vergleich der Inhalte verschiedener Bewußtseinsinhalte verschiedener Menschen möglich. Subjektivität im zweiten Sinne ist die Einnahme eines individuellen Standpunktes, aus dem sich eine individuelle Perspektive ergibt. Diese Subjektivität wird in der Wahrnehmung am anschaulichsten. Unsere Wahrnehmung eröffnet jedem nur eine Perspektive. Eine Veränderung des Standpunktes verändert die Perspektive. Solche subjektiven Standpunkte gibt es auch im Denken, sie sind von der Erfahrung des persönlichen Schicksals geprägt. Eine besondere Quelle der Subjektivität ist die Erfahrung eigenen Befindens und die Vorstellung von Werten, in der Selbstreflexion wird Denken eigennützig. Wie vermag das Bewußtsein seine Inhalte darzustellen? • In Form von Anschauungen. Diese spiegeln die Sinnesgebiete wider. Im Gebiet des Sehens sind es Bilder. Man spricht von ikonischen Darstellungen. • In Form von Aussagen. Man nennt Aussagen auch Propositionen. Diese spiegeln sprachlich-logische Inhalte wider. • Karl Marbe (1901), ein Vertreter der Würzburger Schule meinte, die Erlebnisse des Zweifels oder der Sicherheit wären Bewußtseinslagen. Was meint man mit der Evidenz des Bewußtseins? Nichts ist vertrauter und selbstverständlicher, als das eigene Bewußtsein. Diese Selbstgewißheit nennt man Evidenz. Es scheint schwer, etwas Neues über das Bewußtsein zu sagen. Arthur Eddington (1935) meinte, daß man darüber nur sagen kann, das es ist. Manche Phänomenologen brachten aber dennoch erstaunliche Erkenntnisse zutage. Außerdem gibt es Zustände, in denen die Gewißheit von Erinnerungen, Wahrnehmungen und Vorstellungen abhanden kommt. Was sind Bewußtseinsprozesse? Sie sind jene Vorgänge, die Bewußtseinsinhalte hervorbringen. Man trennt sie nach den folgenden Gesichtspunkten: • Aktivität/Passivität des Subjekts: Sind die Inhalte aus der Welt übernommen oder erzeugt. • Rückgriff auf alte oder Zugriff auf neue Erfahrung: Sind Inhalte neu oder wurden sie vom Subjekt bereits gespeichert. Welche Bewußtseinsprozesse werden unterschieden? • Wahrnehmungen: Übernahme von neuen Informationen aus der Welt. • Vorstellungen: Eigenständiges Bilden neuer Inhalte. • Eingebungen, Intuitionen: Von außen vermittelte neue Erkenntnisse (z.B. Offenbarung). • Urteile: Herstellung neuer Zusammenhänge zwischen Erkenntnissen oder Ableiten neuer Erkenntnis aus alten. • Erinnerungen: Wiederbeschaffung früherer Bewußtseinsinhalte nach zwischenzeitlicher Aufbewahrung im Gedächtnis. Wie sieht Holzkamp (1927-1995) die Psychologie? Subjektivität scheint die Vielfalt des menschlichen Erlebens zu vereinheitlichen. Dieses bezeichnet man als ich oder als selbst. Holzkamp meinte, die Psychologie solle nur vom Standpunkt des Subjektes aus betrieben werden. Dies nennt er kritische Psychologie. Die Intentionalität wird in der Kritischen Psychologie handlungsorientiert bestimmt. Sich auf Gegenstände zu beziehen, bedeute sie nach den eigenen Bedürfnissen zu werten und zunutze zu machen. Erfahrungen müßten vom Standpunkt des Subjekts diskutiert werden. Holzkamp setzt sich mit den subjektiven Begründungsmustern auseinander. Die kritische Psychologie mache sich nützlich, da er den Subjekten zur Welt zur Handlungsfähigkeit verhilft. Wie können Behörden oder die Subjekte die Herkunft von Bewußtseinsinhalten ermitteln? Diese Aufgabe ist nicht leicht. Dies versuchte Marcia K. Johnson zu ermitteln und dabei Vorstellungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen zu trennen, das source monitoring, dies betreiben Johnson, Hashtroudi & Lindsay 1993. An welchem Paradigma wurde dies untersucht? Wie Menschen zwischen Gedächtnisinhalten und Vorstellungen unterscheiden, wenn sie sich an ihr Leben erinnern. Wahrnehmungen weisen mehr Details auf. Vorstellungen sind komplexer und die begleitenden Gefühle sind intensiver. Was bedeutet Metabewußtsein? Das Bewußtsein von Prozessen, die Bewußtseinsinhalte erst hervorbringen ist eine Abbildung des Bewußtseins im Bewußtsein selbst. Diese werden Inhalte eines übergeordneten Bewußtseins. Man nennt ein Bewußtsein, daß sich auf sich selbst bezieht reflexives Bewußtsein. Dies nennt man die Beschäftigung mit dem eigenen Bewußtsein. Faßt man das Bewußtsein als Film auf, ist das Metabewußtsein ein Film im Film. Was vermittelt das Metabewußtsein? Während das Bewußtsein Evidenz vermittelt, vermittelt das Metabewußtsein Zweifel. Hier kommen Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen auf. Ein solcher Zweifel kann selbst wieder zur Gewißheit werden: So sagt Sokrates (469-399): Ich weiß, daß ich nichts weiß. Außerdem bringt das Metabewußtsein Agnostizismus hervor. Dieser tritt am krassesten hervor, wenn er nicht mal das nicht-wissen beurteilen will. Wie läßt sich die Innenwelt abbilden? Durch Kunst, die Phantasie – die Welt der Vorstellung. Diese Träume entstammen der Innenwelt. Wie gelangt das Bewußtsein zur Selbstkontrolle? Durch Kontrolle des Bewußtseins durch das Bewußtsein, durch Reflexion. Welches Wissen sammelt sich nach Kluwe (1981) im Metabewußtsein? • Wissen über Aufgaben und Fähigkeiten: Welche Anforderungen Denk- und Beobachtungsaufgaben stellen, mit welchen Verfahren diese zu lösen sind und wie gut man diese beherrscht. • Kenntnis von Steuerprozeduren: Wie schnell man vorgehen kann und wie ausdauernd man arbeiten soll. • Kenntnis von Kontrollprozeduren: Das eigene Handeln erkennen und einordnen. Die eigene Tätigkeit bewerten und Folgen vorhersagen. Welchen Nutzen hat das Metabewußtsein? Diese Selbsterkenntnis erweist sich als nützlich. Wenn Lernende Kenntnisse Kenntnisse über die eigenen Kenntnisse haben, sind sie effizienter. Dies wiesen Hans Aebli & Ursula Ruthemann (1987) bei Schülern nach. Sie zeigten Kindern, daß die kompliziertesten Rechenwege auch die nützlichsten sind, worauf diese verstärkt die komplizierten wählten. Schmalohr (1991) konnte durch Ausbildung des Metabewußtseins das Lesen fördern indem er ihnen ihre geistigen und emotionalen Probleme beim Lesen klarmachte. Dies förderte die Selbstbeherrschung und kam der Leseleistung zugute. Welchen weiteren, qualitativen Vorteil hat das Metabewußtsein? Erst durch Metakognition bilden sich Normen für richtiges oder falsches Bewußtsein, für die Wahrheit oder Falschheit von Inhalten und Prozessen. Erst die Reflexion ermöglicht dies. So ist ein wichtiger Gesichtspunkt die Freiheit von Widersprüchen. Diese treten bei Vergleichen zwischen zwei Bewußtseinsprozesse zustande. Was ergibt sich aus Widersprüchen und Unklarheiten? Der Anlaß zum Eingriff in bewußte Prozesse. Diese bewirken • den Abbruch unergiebiger Denk-, Wahrnehmungs- und Erinnerungsvorgänge • die Wiederholung dieser Prozesse • die Korrektur dieser Prozesse Die Selbstprüfung, welche dem Bewußtsein die Billigung oder Ablehnung von Inhalten gestattet ist eine hochwertige Leistung. Man nennt sie kritisches Bewußtsein. Was bedeutet das Begriffspaar Implizit und Explizit? Explizit bedeutet ausdrücklich. Dies ist alles, was ausdrücklich dasteht (z.B. in einem Satz) Implizit bedeutet eingeschlossen. Dies ist alles, was stillschweigend erschlossen wird. Hier kann man sich auch täuschen. Oft schwingen in einem Satz noch viele implizite Bedeutungen mit. Alle Bewußtseinsinhalte haben implizite und explizite Anteile. Was nennt man ein Modell? Ein Modell nennt man Kenntnisse, die einen geschlossenen Bereich von wissenswertem abdenken. Die expliziten Anteile sind oft sehr ausschnitthaft und unvollständig. Man will sie ergänzen. Dies erfolgt über die impliziten Anteile. Welche Modelle unterscheiden Van Dijk und Kintsch (1983) beim Textverständnis? • • Kommunikationsmodelle. Wissensbestände über das Zustandekommen von Mitteilungen, über Absichten und Erwartungen von Urhebern und Empfängern von Mitteilungen. Diese könnte man z.B. nennen: „Was man über Werbung wissen muß“. Situationsmodelle. Wissensbestände über Sachverhalte, auf welche sich Mitteilungen oder neue Erfahrungen beziehen. Diese könnte man z.B. betiteln: „Rund um das Krankenhaus“. Welcher Begriff hat sich in der Psychologie für solche Wissensbestände durchgesetzt? Nach Philipp Johnson-Laird (1983) der Begriff des mentalen Modells. Diese kann man entweder in Worte fassen oder dazu visuelle Vorstellungen bilden. Die sprachliche Darstellung mentaler Modelle ist oft unzureichend. Wie unterscheiden sich mentale Modelle von reinen Vorstellungen? Vorstellungen bieten wie Wahrnehmungen nur eine einzige Sichtweise auf Sachverhalte, die mentalen Modelle sind jedoch gedankliche Nachbildungen von kompletten Sachverhalten, sie vereinigen alles Gewußte zur gleichen Zeit. Wie kann man die Zurechnung der mentalen Modelle zum impliziten Wissen begründen? All ihre Teile sind für Implikationen in einschlägigen ausdrücklichen Erfahrungen verfügbar. Hier hat implizit eine weitere Bedeutung, es bedeutet auch unbeachtet, unbemerkt oder unbewußt. Die mentalen Modelle sind oft unbewußt und unbemerkt wie die Schlußfolgerungen, zu denen sie den Stoff liefern. Deshalb bezeichnen manche Autoren dieses Wissen als still (tacid knowledge), allerdings ist es voll der Reflexion zugänglich und kann voll ins Bewußtsein gebracht, geprüft, ergänzt und verändert werden. Wozu besitzen Menschen Bewußtsein? Hierzu gibt es mehrere Antworten. Eine besteht darin, daß Bewußtsein Selbstzweck sei. Es bereichere die Menschen und schenke ihnen Freude. Dem ist entgegenzuhalten, daß das menschliche Bewußtsein eine außerordentlich aufwendige Schöpfung ist, die von der Natur nicht entwickelt worden wäre, wenn es nicht von erheblichem Vorteil wäre. Deshalb bevorzugen die meisten die andere Antwort: Bewußtsein ist nützlich. Es ist ein leistungsfähiges Erkenntnisinstrument, welches bei der Erfüllung von Aufgaben, der Veränderung der Welt nach dem Willen des Menschen dienlich ist. Es ist Voraussetzung für reflektiertes Urteilen und Handeln. Wie kann man das subjektive Erleben konzipieren, wenn man von der Nützlichkeit ausgeht? Diese Prämisse schließt die Notwendigkeit des subjektiven Erlebens nicht notwendig mit ein, es könnte nach Lycan (1987) ebensogut ein Epiphänomen (Begleiterscheinung), eine freundliche Beigabe der Natur. Das Verhalten selbst ist von Menschen hervorzubringen, denen die Qualia selbst fremd sind. Wie nennt man eine Psychologie, die Erkennen lediglich als Leistung ansieht? Funktionalistisch. Der Funktionalismus ist eine Richtung innerhalb der Kognitionspsychologie. Diese hält die Untersuchung des subjektiven Bewußtseins für unerheblich oder wissenschaftlich unzulässig. Auf welche Fragen konzentriert sich die funktionalistische Erkenntnisforschung? • Welche Qualitäten, Muster, Gegenstände können Menschen erfassen und unterschieden? Wie geschieht dies? • Welche Schlußfolgerungen ziehen Menschen? Wie tuen sie das? • Was und wie speichert der Mensch frühere Erkenntnis? • Wie versteht und erzeugt der Mensch Sprache? • Wie plant der Mensch seine Handlungen und wie führt er sie aus? Ist die funktionalistische Erkenntnisforschung auf den Menschen beschränkt? Nein. Sie kann sich auf alle Gebilde erstrecken, die imstande sind, kognitive Leistungen hervorzubringen. Das sind meist elektronische Geräte wie • Lesegeräte, die Handschriften entziffern können • Datenbanken mit vernetzten Beständen • Sprachübersetzer • Schachcomputer Diese können durchaus die Leistungsfähigkeit von Menschen erreichen oder übertreffen. Gibt es kognitive Leistungen, die nur dem Menschen vorbehalten sind? Dies ist schwer zu sagen, man sagte dies lange Zeit von der Selbstreflexion, aber mittlerweile gibt es Programme, die auf sich selbst Bezug nehmen (Opwis 1990). Was folgt aus der Konzeption des Funktionalismus? Wenn die Kognition nicht dem Menschen vorbehalten ist, sondern beliebig herstellbar ist, stellt sich die Frage, was Kognition überhaupt ist. Möglicherweise gehören z.B. geometrische Lehrsätze zu einem Bestand des Denkbaren, der da ist, selbst wenn niemand da ist um ihn zu erkennen. Mit dem Nachdenken über das Wißbare und Denkbare im Unterschied zum tatsächlich gedachten und gewußten erneuert sich der Begriff einer eigenständigen, allgemeinen und übergreifenden Kognition. Diese nennt die Philosophie „Absoluter Geist“. Was ist die Grundlage der Entwicklungsprogramme zur künstlichen Intelligenz? Die Annahme, geistige Leistungen die bislang dem Menschen vorbehalten waren, ließen sich auch durch technische Geräte erzeugen. Dieses Programm (Schefe, 1991) setzt sich mit der Frage der Gleichartigkeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz auseinander. Das heißt, ob die Leistungen auf die gleiche Weise entstehen. Was ist das Anliegen der Kognitionswissenschaft? Die Suche nach einer Intelligenz, für die verschiedene Organismen und Produkte als Träger dienen könnten. Dieses hat Wissenschaftler auf folgenden Richtungen zusammengeführt: Physiker und Mathematiker, Physiologischen und Biologen, Psychologen und Philosophen. (Johnson, 1991). Dieser interdisziplinäre Verbund gewinnt zunehmend an Eigenständigkeit. Wie kann man sich mit den Prozessen der Kognition beschäftigen, um sie nachzuvollziehen? • Rekonstruktiv, d.h. indem man bestehende kognitive Systeme während der Arbeit beobachtet und dabei danach trachtet, Aufbau und Funktion zu ermitteln. • Konstruktiv, d.h. indem man neue kognitive Systeme schafft, deren Aufbau und Funktion man vorher ausgedacht hat. Worauf basieren die kognitiven Leistungen plausiblerweise? Auf einheitlichen Funktionsmechanismen, den Modulen, bzw. den Zusammenhängen zwischen den Modullen, den Mechanismen, den Modellen. Module sind gekennzeichnet durch ihre Einkapslung (der Inhalte) und Zwanghaftigkeit (der Leistungen). Wie ist das Modell von Allen Newell (1990) für einfache und schnelle Reaktionen aufgebaut? Sinnesempfindung ⇒ Empfindungen ordnen ⇒ Aufmerksamkeit zuwenden ⇒ in seiner Bedeutung verstehen ⇒ Handlungsmöglichkeiten erkennen ⇒ Ziele setzen und Handlung auslösen ⇒ Umsetzen in Handlungsschritte ⇒ Bewegungen ausführen. In diesem Modell könnte man jeder Teilleistung ein Modul zuordnen, Newell will aber mit weniger Modulen als Leistungen auskommen, da mehrere Mechanismen diese Leistungen gemeinschaftlich hervorbringen können. Müssen kognitive Leistungen einem umschriebenen Mechanismus zugeordnet werden? Nein – dies ist nicht notwendig. Vor allem Jerry A. Fodor (1983) meinte, man solle nur bei den Eingabesystemen (input systems) umschriebene geistige Module gelten lassen. Von diesen seien umfassend wirkende Zentralsysteme ohne feste Einheiten zu unterscheiden. Eingabesysteme seien bereichsspezifisch, sie dienen dem Erkennen bestimmter Merkmale oder reagieren auf eine bestimmte Weise. Herstellung von Bedeutungsbeziehungen oder Beurteilungen, Umformungen leisten Zentralsysteme. Zentralsysteme würden ihre Inhalte gerade nicht einkapseln, sondern die Bereiche der modularen Eingabesysteme überschreiten, die Wirkungen wären auch nicht zwangsläufig. Fodor meint, die getrennten Module der Eingabesysteme sind vertikal übereinander geordnet, während die Zentralmechanismen quer liegen. Auch diese Zusammenstellungen von Funktionseinheiten und Abläufen sind Modelle. Sie dienen in der Kognitionspsychologie zur Darstellung kognitiver Systeme und Prozesse. Was bedeutet Repräsentation oder Kodierung? Repräsentation heißt Darstellung, Wiedergabe, Abbildung. Wie stellen sich die Gegenstände des Denkens im Medium der Kognition dar ? Die Metapher des Filmes im Kopf zeigt das Problem, aber keine Lösung, da sich im Kopf kein entsprechendes Medium befindet. Einen Kode nennt man Zeichen und Zeichenfolgen. Kodierung bedeutet die Darstellung von Sachverhalten in Form von Zeichen oder Zeichenfolgen. Was ist das Repräsentationsproblem? Die Frage, wie die Gegenstände der Kognition im Gehirn dargestellt sind. Welche Zeichen verwendet werden. Wie die Kodierung erfolgt. Hierfür ergeben sich aus der phänomenologischen Evidenz zwei Möglichkeiten der Kodierung: • eine Analoge Form der Repräsentation (Kodierung) • eine symbolisch-sprachliche From der Repräsentation (Kodierung) Wodurch zeichnen sich analoge Wiedergaben aus? Sie bilden räumliche, zeitliche und andere sinnlich erfahrbare Merkmale ihrer Eigenart entsprechend ab, so werden z.B. Gebäude maßstabsgetreu im beobachteten Verhältnis abgespeichert. Eine Analogdarstellung ist eine Kopie des erfahrenen Originals oder ein Entwurf eines zu schaffenden Originals. Wodurch zeichnen sich symbolisch-sprachliche Wiedergaben aus? Diese bestehen aus Zeichen, die nach Regeln zusammengesetzt sind. Ein System solcher Regeln nennt man Syntax (=Zusammenstellung) oder Grammatik (=Schreibkunst). Durch diese Formen werden Zusammenhänge ausgedrückt. Bei der gesprochenen und geschriebenen Sprache sind die Worte des Lexikons die Symbole (=Zeichen). Verbindungen zwischen diesen stiftet weitere Bedeutungen. Wie konzipiert de Beaugrande (1980) die Struktur der Sprache? Er unterscheidet zwischen Primärbegriffen, welche der Kern jedes sinnvollen Satzes seien und Sekundärbegriffe, welche die Kernbegriffe näher bestimmen. Was behandeln sinnvolle Sätze nach de Beaugrande? Ereignisse, Handlungen, Gegenstände und Situationen. Was schlägt er als Sekundärbegriffe vor? • Spezifikationen der Kernbegriffe wie Eigenschaften oder Orts- und Zeitbestimmungen. • menschliche Erfahrung wie Begründung, Zweck oder emotionale Bewertung. • Klassenbildung wie z.B. Einschluß in Oberbegriff, Ausgliederung von Beispielen. • Beziehungen wie z.B. Anfang und Ende oder Gegensätze. • Angaben zur Kommunikation wie Widersprüche oder Gleichwertigkeit. Diese Verbindungen entsprechen in der Sprache den Präpositionen (z.B. in, nach, zu). Aussagen sind Propositionen. Was ergibt sich aus diesen beiden Möglichkeiten? Ein nebeneinander dieser beiden Kodierungsstrategien im Gehirn. Dies ist jedoch nicht zwingend. So weist Zenon W. Pylyshin (1973) darauf hin, daß es möglich ist, auch Bilder symbolisch-sprachlich wiederzugeben. Allerdings hat die technische Entwicklung Theorien begünstigt, die eine doppelte Kodierung annehmen. Eine solche wurde z.B. von Allan Paivio (1986) entwickelt . Welche Konzeption vertritt Zenon W. Pylyshin? Nur auf der Stufe der Wahrnehmung sei eine analoge Repräsentation noch möglich. Wenn Bilder langfristig ins Gedächtis übertragen würden, werde die analoge Kodierung in eine symbolisch-sprachliche übersetzt. Diese einheitliche Form der Repräsentation ist wirtschaftlicher. Im Einheitscode sind Inhalte leichter einzuordnen und wiederzufinden. Welche Konzeption vertritt Allan Paivio(1986)? Er beschreibt zwei getrennte Repräsentationssysteme, ein sprachliches und ein nicht sprachliches. Diesen ordnet er unterschiedliche Funktionen zu: Sowohl die Aufnahme der sprachlichen und nichtsprachlichen Reize, als auch die Erzeugung sprachlicher und nicht sprachlicher Reaktionen erfolgt getrennt. Die Herstellung von Beziehungen zwischen Sprache und Bild ermöglicht das Benennen von Bildern und das Veranschaulichen von Worten. Wie sieht das Modell der Doppelkodierung nach Paivio (1986) im Detail aus? Ein sprachliches System steht einem nicht-sprachlichen gegenüber. Ein Worterzeuger (Logogen) ermöglicht sprachliche Äußerungen, ein Bilderzeuger (Imagen) spricht auf nichtsprachliche Eingaben an und ermöglicht nicht-sprachliche Äußerungen. Zwischen den Systemen können sich Beziehungen ausbilden. Wie unterscheidet John R. Anderson (1983) Weltwissen und Verfahrenswissen? Die verfügbaren Beschreibungen der Welt werden das deklarative Wissen genannt, die Änderungs- und Bearbeitungsverfahren das prozedurale Wissen. Da auch in PCs Deklarationen und Prozeduren in Form von Datenlisten und Programmen repräsentiert sind, nimmt Anderson diese Trennung auch zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen an. Wie stellt Anderson (1983) das prozedurale Wissen dar? In Form von WENN – DANN – Beziehungen. Eine elementare Prozedur ist nach Anderson die Schaffung neuer Datenklassen. Hier gibt es Produktionsregeln. Dieses läßt sich durch die formale Logik, insbesondere die Aussagenlogik leisten. (Genesereth & Nilsson 1987). Womit beschäftigt sich die Aussagenlogik? Mit der Verknüpfung von Aussagen nach bestimmten Regeln. Was sind maßgebende Verknüpfungsfunktionen (Junktoren)? UND (Zeichen ∧ ) ODER (Zeichen ∨ ) WENN-DANN (Zeichen →) GENAU DANN – WENN NICHT (Zeichen ←→) (Zeichen ) Worin besteht das ACT-Modell (active control of thought) nach Anderson (1983)? Der Autor nimmt drei Gedächtnisse an. Je eines für deklaratives und eines für prozedurales Wissen,, sowie ein Arbeitsgedächtnis für die Anwendung von beidem. Das Arbeitsgedächtnis kommuniziert mit der Außenwelt. [Deklaratives G.] (Speichern,abrufen) [Arbeitsg.] (Anpassung, Ausführung) [Produktionsg.] Was ist das Prinzip des ökologischen Rationalismus? Sowohl der phänomenologische, als auch der funktionalistische Ansatz sind diesem zuzuordnen. Es wird nicht an der Existenz der Welt gezweifelt, außerdem könne der Mensch sie erkennen. Der ökologische Realismus ist in der Regel handlungsorientiert. Menschliches Leben bedeute, sich in der Welt zu behaupten und diese umzugestalten. Erkennen wäre eine Stufe im Prozeß des Handelns und richte sich grundsätzlich nur auf eine wirkliche und nach ihrer eigenen Ordnung wirkende Welt. Wovor warnt der ökologische Realismus? Vor der Überbewertung bewußter Erlebnisse (wie die Phänomenologie) und innerer Repräsentationen (wie der Funktionalismus). Erlebnisse und die Annahme innerer Repräsentationen täuschten eine eigenständige geistige Welt vor, in Wirklichkeit seien Geist und Welt, innere und äußere Welt jedoch eins (Still & Costall 1987). Wer vertritt den ökologischen Realismus ganz entschieden, bzw. was vertritt er? Der Wahrnehmungspsychologe James J. Gibson. Dieser gelangte zu der Überzeugung, Wahrnehmung diene nur dem Finden von Wegen und Werkzeugen, nachdem er Piloten untersuchte. Es gebe keine Wahrnehmung der Dinge ohne Feststellung deren Nutzwertes. Diese Feststellung des Nutzwertes sei das eigentlich wesentliche an der Wahrnehmung. Für diese Gebrauchswerte prägte er 1979 den Begriff der affordances, der Gewährleistungen. Eine Gewährleistung sei der Gegenstand des Erkennens, kein Selbstzweck, sondern Teil von Handlungen. Erkenntnis sei nicht mit dem Herstellen eines Bildes vergleichbar, es sei eher die Versorgung eines bewegten Subjektes mit Information zur Bewegungskontrolle. Welche Theorie steht im Widerspruch zum ökologischen Realismus, was behauptet diese? Der Konstruktivismus. Dieser stützt sich vor allem auf zwei Annahmen: • Die Existenz einer wirklichen Welt ist nicht beweisbar, man solle daher nicht denken, es gäbe Wirklichkeit außerhalb der menschlichen Kognition. • Der Mensch selbst ist es, der in seiner Kognition (und nur da) die Wirklichkeit herstellt. Wer war ein radikaler Vertreter des Konstruktivismus? Der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951). Für diesen sind Denk- und Erfahrungsmuster bereits in der Sprache festgelegt. Logik und Aussagen wären deshalb für den Menschen bereits Tatsachen. Deshalb benötige man keine Welt jenseits dieser Tatsachen nicht anzunehmen. Es sei wesentlich wichtiger zu fragen, wie der Mensch die Inhalte seiner Erkenntnis und die Regeln seines Denkens gestaltet. Damit wird die Erkenntnislehre, die Epistemologie (=Verstehen) zu einem zentralen wissenschaftlichen Unternehmen. Wer gilt innerhalb der Psychologie als Wegbereiter des Konstruktivismus? Jean Piaget (1896-1980). Dieser kam zu dem Schluß, das Wissen nicht bloß eine Anhäufung von Beobachtungen ist, sondern sich durch die strukturierende Tätigkeit des Subjekts aufbaut. Diese Auffassung, daß Menschen zum Erkennen von Mengen, Zeiten und Begründungen kognitive Strukturen aufbauen, nennt man Strukturalismus. Dabei war er ein gemäßigter Konstruktivist, er bestritt nicht die Realität der Welt, lediglich die kognitiven Strukturen seien eigenständig gebildet. Wodurch stimmen die kognitiven Strukturen nach Piaget (1976) mit der Realität überein? Durch ein Gleichgewicht zwischen eigengesetzlicher Strukturbildung und Wirklichkeitserfahrung, diesen Vorgang nennt er Äquilibration. Einerseits suchten die Menschen, eigene Schemata zu schaffen und die Erfahrung der Welt diesen subjektiven Schemata anzugleichen (Assimilation), andererseits passen sie ihre kognitiven Strukturen der Wirklichkeit an (Akkomodation). Um ein bestimmtes Prinzip einzusehen, ist es hilfreich, mit diesem Erfahrungen zu machen. Welche Bedeutung hat der Konstruktivismus für die Mythen? Jean-Francois Lyotard (1983) sieht die Begriffe und Berichte als Erfindungen des Menschen an. Diese hätten einen Zweck: Die Knechtung der Menschheit, es gehe um den Erwerb von Ansehen und Macht. Er sieht ihr Ende nahen. In der anbrechenden Epoche der widerstreitenden und nicht zu vereinbarenden Diskurse, würden die großen Erzählungen (Mythen) mitsamt den Mächten und Lehren verschwinden, die sie stützen. Was ist ein grundsätzliches Merkmal dieser kognitiven Modelle? Sie bestimmen die Funktionen, deren Zusammenspiel die geistigen Leistungen erbringt. Diese lassen jedoch offen wie sie verwirklicht sind. Ein stimmiges Modell ist lediglich ein Entwurf, wie eine Maschine gestaltet sein müßte, egal ob elektronisch, mechanisch oder biologisch. Womit beschäftigen sich die Hirnforscher? Nicht so sehr mit der Frage, wie geistige Leistungen entstehen könnten, sondern mit der Frage, wie diese tatsächlich entstehen, wo und wie sie erzeugt werden. Welche Unterschiede gibt es zwischen Nervennetzen im Gehirn und elektr. Schaltungen? • Elektrische Schaltungen sind trockene Systeme ohne Eigenleben. Nervennetze sind feuchte Systeme, lebendiges Gewebe. Das endokrine System produziert biochemische Stoffe, die an der Signalverarbeitung im Gehirn beteiligt sind. • Nervennetze sind dynamisch, sie wachsen oder sterben ab. Elektronische Leitungen sind hingegen stabil. • In Nervennetzen können Leitungen ganz neu gebildet werden, was in technischen Anlagen nicht geschieht. • Die Hormone verändern den Zustand der Nerven und damit ihre Leitungsfunktion. Technische Leiter bleiben weitgehend gleich. • Hormone verändern die Übertragung an Nervenverbindungen. Diese kann entweder gebahnt oder gehemmt werden. Auch dies gibt es in elektrischen Schaltungen nicht. Besitzt das Gehirn eine Reihe fester Eigenschaften? Obwohl das Gehirn keine eindeutig berechenbare Maschine ist, hat es gewisse Eigenschaften: • Funktionen sind lokalisierbar, man kann umschriebene Leistungen bestimmten Hirnarealen zuordnen. • Es bilden sich Nervennetze aus, welche die Grundlage für Lernen oder Erkennen sein können. Welche Methoden hat die Hirnforschung? • Neuroanatomische Methoden dienen der Erforschung des Aufbaus, der Struktur des Gehirns. Diese Beobachtungen werden meist am toten Gehirn gemacht. Auch kann man oft Läsionen (=Verletzungen) mit bloßem Auge feststellen. • Neurophysiologische Methoden erkunden die Arbeitsweise des lebenden Gehirns. Hierbei gibt es invasive Methoden, bei denen das Schädeldach geöffnet wird, und die meist medizinisch indiziert sind. Deshalb greift der Psychologe meist auf andere Methoden zurück. Hier gibt es vor allem drei Methoden: 1. Elektrophysiologische Methoden messen die elektrische Spannung an Nerven. 2. Biochemische Methoden analysieren die Zellflüssigkeit. 3. Pharmakologische Methoden führen biochemisch wirksame Stoffe ein. In der Psychologie werden die elektrophysiologischen Methoden bevorzugt, sie werden durch das EEG und mittlerweile auch das MEG durchgeführt. Wie kann man sich lokalisierte Funktionen vorstellen? Zu jedem Sinnesgebiet gibt es nicht nur ein Sinnesorgan, sondern auch eine entsprechende Stelle auf der Hirnrinde, in der die Information des jeweiligen Organs verarbeitet wird. Ausfälle der Rinde sind ebenso fatal wie Ausfälle des Organs selbst. Von besonderem Interesse sind Felder für das Sprachverstehen (Wernicke´sches Zentrum) und die Spracherzeugung (Broca´sches Zentrum). Welche Bedeutung haben die Gebiete unterhalb der Hirnrinde (Cortex)? Sie regeln die Tätigkeit des Drüsen- und Gefäßsystems und sind vor allem für die Emotion und Motivation zuständig. Dieses subkortikale System nennt man limbisches System. Was bedeutet die Entdeckung dieser Gebiete für die Konzeption Fodors? Er hatte Recht. In diesen Arealen kann man die Bausteine des Geistes, die kognitiven Module verwirklicht sehen. Diese sind bereichsspezifisch. Übergreifende Funktionen wir das Vergleichen oder das Summieren scheinen kein Zentrum zu besitzen. Wie ist deklaratives und prozedurales Wissen gespeichert? Deklaratives Wissen scheint bereichsspezifisch zu sein. Außerdem sieht es so aus, als würden die Programme zur Bearbeitung dieses Wissen jeweiles vor Ort geschrieben. Dies führte zur Idee der neuronalen Netze. Was sind Neuronale Netze? Der Neurologe Warren McCulloch und der Mathematiker Walter Pitts versuchten 1965, kognitive Leistungen an elektronischen Schaltungen zu simulieren. Sie schufen Einheiten, die man neuronale Netze oder Nervennetze nennt. Durch entsprechende Fortschritte in Biologie und Technik kann man mittlerweile tatsächlich neuronale Netze programmieren, die anspruchsvolle Leistungen erbringen können, „intelligente“ Geräte. Woraus bestehen neuronale Netze? Aus Knoten und Kanten. Die Kanten entsprechen im Nervennetz den Neuronen, d.h. den Nervenzellen mit ihren Ausläufern. Die Knoten stehen für die Synapsen, d.h. die Berührungspunkte zwischen den Neuronen. An diesen können Neuronen andere Neurone beeinflussen. Die Bahnen können vor und zurück Informationen übertragen, oft auf mehreren Wegen. Die einzelnen Kanten haben einen Gewichtungsfaktor und ein Vorzeichen, d.h. sie können Erregen oder Hemmen. Allgemein geht es um die Erregungsausbreitung in einem solchen neuronalen Netz. Dies behauptet jedenfalls Tesauro (1990). Welche Regeln gelten in neuronalen Netzen? • Die Erregung eines Neurons kann sich auf ein nachgeordnetes Neutron übertragen. • die Erregung eines Neurons kann die Erregung in einem nachgeordneten Neuron hemmen. • • • sowohl die Erregungsübertragung als auch die Hemmung sind abgestufte Prozesse – ihre Wahrscheinlichkeit wird durch einen Gewichtsfaktor ausgedrückt. die Schaltung von Neuronen kann sowohl eine vorauslaufende als auch eine rückläufige Wirkung entfalten. in neuronalen Netzen ist Parallelverarbeitung möglich. Welche nützlichen Eigenschaften folgen aus diesen Regeln? Durch die Parallelverarbeitung gewinnen die simulierbaren Prozesse an Geschwindigkeit und Flexibilität. Außerdem erlauben sie die unmittelbare Verwirklichung logischer Funktionen wie UND-, ODER, WENN-DANN oder NICHT-Schaltungen. Welcher Ansatz entstand aus diesem Konzeption des neuronalen Netzes? Der Konnektionismus. Dieser besteht aus Hirnphysiologie, Hirnanatomie, Informatik und Kognitionspsychologie, ist also interdisziplinär ausgerichtet. Sind Menschen symmetrisch verdrahtet? Überwiegen schon. Allerdings wechseln die meisten Bahnen die Seite. Sinnesorgane und Muskel der rechten Körperhälfte sind mit der linken Hirnhälfte verbunden und umgekehrt. Wie beurteilt man, ob die Gehirnhälften funktional gleich oder verschieden sind? Die klarsten Befunde erbringen Untersuchungen an Menschen mit chirurgisch getrennten Hemisphären (split-brain-Patienten). Diesen wurde zur Verhinderung der Erregungsübertragung bei schlimmen Fällen der Epilepsie der Balken, das corpus callosum, jenes Faserbündel, welches die Verbindung zwischen den Hemisphären herstellt zerschnitten. Wer untersuchte die Funktionalität der Hirnhälften? Roger Sperry (1968). Dieser untersuchte vor allem Unterschiede in der Wirkung der Darbietung von bildlichen und schriftlichen Darstellungen in der linken und rechten Hälfte des Gesichtsfeldes. Informationen (Bilder und Schriften) aus der linken Gesichtsfeldhälfte werden in der rechten Hirnhemisphäre verarbeitet, Informationen aus der rechten Gesichtsfeldhälfte in der linken Hemisphäre. Bei dieser Anordnung sollten Patienten einen Punkt in der Mitte des Gesichtsfeldes fixieren, während ihnen im linken und rechten Gesichtsfeld Objekte dargeboten wurden. Welche Befunde erhielt Sperry (1968)? Er fand, daß wenn man den Hemisphären unterschiedliche Zeichen zeigte, die Patienten das des rechten Gesichtsfeldes benennen konnten, jedoch auf das des linken Gesichtsfeldes deuten konnten. Sperry deutete dies dahingehend, daß die rechte Gehirnhälfte, welche die Linke Raumhälfte betrachtet für räumliche Verarbeitung, die linke, welche die rechte Raumhälfte betrachtet für Sprache zuständig ist. Wer betrieb die Experimente weiter? Jerre Levy und Colvyn Trevarthen (1976). Diese untersuchten die Reaktion von Splitbrain-Patienten auf Chimärenbilder. Diese sind links und rechts von einem Fixierpunkt unterschiedlich beschaffen. Die Patienten sollen dann jeweils sagen oder deuten, welchen Gegenstand sie sehen. Diese Gegenstände wurden nach äußerer Erscheinung oder Funktion beurteilt. So wurden Gegenstände der linken Gesichtsfeldhälfte vorwiegend nach Aussehen, Gegenstände der rechts Gesichtsfeldhälfte vorwiegend nach Funktion klassifiziert. Was schlossen die Autoren aus den Befunden? Sie sahen sie als Beleg für die anschauliche Spezialisierung der rechten Hirnhälfte und die und die Spezialisierung der linken für funktionale und kausale Zusammenhänge. Wie wird der Mensch seit der Antike charakterisiert? Als polares Wesen mit Dichotomien (=Zweiteilungen). Jeder Mensch vereinige die Dichotomien in sich (Engel und Tier, apollonischer Ordnungssinn und dionysischer Rausch). So sieht man oft die Menschen als zweigeschlechtliche Wesen, die beide Seiten in sich vereinigen. Die ist schon bei Plato zu lesen. Der Mensch sie mal eins gewesen. Welche weiteren Experimente wurden mit diesen Patienten durchgeführt? • Darbietungen auf verschiedenen Sinnesgebieten • Vergleich der Bedeutung, der Emotionalität und anderer Merkmale von Darbietungen • Vergleich links- und rechtsseitiger Bewegungen Welche Spezialisierungen der Hemisphären kennen Springer und Deutsch (1987)? • Sprachlich anschaulich-räumlich • analytisch ganzheitlich, synthetisch • rational intuitiv • abstrakt konkret • sukzessiv, sequentiell simultan, parallel • gerichtet, kausal frei, impulsiv • zeitlich zeitlos • objektiv subjektiv • explizit implizit • westliches Denken östliches Denken Jedoch warnen sie vor einer Dichotomanie, deshalb ordnen sie Männer und Frauen nicht zu. Viele popularpsychologische Dichotomien sind wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Vor allem auch die tiefenpsychologische Dichotomie von bewußt/unbewußt ist umstritten. Welche Beziehung hat die rechte Hemisphäre zum Unbewußten? Rhawn Joseph (1992) behauptet steif und fest, die rechte Hemisphäre sei der Sitz des unbewußten, in welchem diese nichtsprachliche Hemisphäre das in der Verdrängung erhaltene Material aufbewahrt. Dies könne zwar nicht artikuliert werden, sei aber Handlungsleitend. So plausibel sich das anhört, sind solche Thesen jedoch momentan nicht belegt. Welche kognitiven Themen lassen sich über die ganze Lebensspanne verfolgen? • Bewußte Erlebnisse • kognitive Repräsentationen • kognitive Leistungen • neuropsychologische Veränderungen • Metakognitionen Weshalb ist die Entwicklungspsychologische Forschung zur Metakognition so wichtig? Aus erkenntnistheoretischer Sicht. Die Evidenzerlebnisse der Erwachsenen sind evtl. nicht schon immer vorhanden. Was untersucht Alison Gopnik (1993)? Das Phänomen der Intentionalität, den Bezug kognitiver Prozesse zu Objekten. So denkt man, unmittelbar erleben zu können, was man sieht und das am besten beurteilen zu können. Was fand Gopnik bei Kindern? Das Ich-Privileg (first-person privilege) ist eine Erscheinung des Alters. Kinder haben diese Gewißheit nicht, bis sie etwa vier sind. Sie trennen eigenes Bewußtsein und Zustand der Welt stärker voneinander. Erst im Alter von vier Jahren entwickeln sie eine Metatheorie, die Welt und Bewußtsein fest miteinander verknüpft. So könnten Kinder die Realität eines Erwachsenen sehr wohl von der Fiktion des Hundes trennen, wenn diese spielen (Flavell, Flavell & Green, 1987). Perner, Leekam und Wimmer (1987) zeigen: Wenn man Pralinenschachteln manipuliert, antworten sie immer, daß jemand anders vermuten würde, das Pralinen drin sind, egal wie man diese manipuliert und diese deshalb darüber denken. Was zeigte die Studie von Krist, Fieberg und Wilkening (1993)? Wissen über die Welt und erfolgreiches Handeln baut sich in Stufen auf. Praktisches Wissen ist von sprachlichem zu trennen. Sie untersuchten physikalisches Wissen, nämlich die Bestimmung der Flugbahn von Körpern. Sie sollten mit einem Apparat ein Ziel am Boden treffen. Dies hängt von der Schwerkraft, der Entfernung des Ziels und der Höhe der Rampe ab. Sie sollten die nötige Geschwindigkeit an einem Drehknopf einstellen. Vor allem jüngere Kinder waren bei der Aufgabe überfordert, mehrere Dimensionen zu berücksichtigen (z.B. Rampenhöhe UND Entfernung). Auch wenn sie in der praktischen Tätigkeit, ohne Vorrichtung keine Schwierigkeiten haben. Welche Fragen zum Bewußtsein stellen sich der Persönlichkeitspsychologie? Vor allem hinsichtlich des kognitiven Stils. Damit meint man die bevorzugte Tendenz zur Auseinandersetzung mit Information. Kognitive Stile umfassen Kategorienweite, kognitive Komplexität und Abtastbreite. Was versteht man unter diesen Begriffen? Unter Kategorienweite versteht man die Neigung, Gegenstände in großen oder kleinen Gruppen zu repräsentieren. Man kann dies unterschiedlich differenziert gestalten. Je undifferenzierter, desto größer ist die Kategorienbreite. Unter kognitiver Komplexität versteht man die Differenziertheit der Beschreibung und Erklärung. Die Abtastbreite bezieht sich auf die Streuung der Informationsaufnahme von der engen Fokussierung bis zur weit schweifenden Aufmerksamkeit. Wie ist der kognitive Stil konzeptualisiert? Es soll sich um eine individuelle Neigung handeln, die Personen zukommt und sowohl stabil als auch konstistent ist. Wer äußerte Kritik am Konzept des kognitiven Stils? Tiedemann (1988). Er meinte, diese Behauptung sei nicht belegt. Menschen würden ihren Stil an die jeweiligen Umständen anpassen. Menschen könnten die Parameter der jeweiligen Begriffe flexibel ändern. Wie wird der kognitive Stil mittlerweile gesehen? Als Auswirkung der Hirnassymetrie. Es könnte sein, daß Unterschiede in der Lateralität (Einseitigkeit) einer Person diese bedingen. Eine Hirnhälfte könnte ja die Führung übernehmen und durch ihre Eigenart die Kognition einer Person bestimmen. In welcher Beziehung stehen z.B. Rechtshändigkeit mit kognitiven Leistungen? Wenn man von Rechtshändigkeit auf das Vorherrschen der linken Seite schließt, müßte Rechtshändigkiet mit guten sprachlichen Leistungen einhergehen. Linkshändigkeit müßte dahingegen mit besser räumlicher Anschauung einhergehen. Wer betrieb viele Studien zu diesem Thema? Marian Annett (1985). Diese zeigen, daß diese Hypothesen noch nicht gesichert sind, man könne noch nicht verallgemeinern. Momentan sind keine Benachteiligungen erkennbar. Wodurch kennzeichnet sich eine Subkultur? Sie teilt Lebensstil, Denkweise und Werte. Möglicherweise sind die einzelnen Individuen nur Teil einer kollektiven Erscheinung, einer kollektiven Kognition. Man könnte sagen, daß die Subkulturen durch ihre Werte und Normen, ihre Stereotype einen übergreifenden, eigenen kollektiven Geist schaffen. Wie steht die Sozialpsychologie hierzu? Man spricht von sozialen Kognitionen von Individuen. Die Annahme eines kollektiven Geistes wird gemieden. Lediglich die individuellen Kognitionen stehen in der Gruppe im Austausch und werden im Sinne einer Gruppennorm angeglichen. Wie kommen soziale Kognitionen zustande, was beinhalten sie? Den Inhalt sozialer Kognitionen kann man im Kulturvergleich ermitteln, dies taten z.B. Jürgen Schultz-Gambard und Eva Altschuh. Diese Verglichen Manager aus BRD und DDR. Die Leute aus der BRD erwiesen sich als flexibler. Den Prozeß der Urteilsbildung in Gruppen wurde von Andrea Abele und Susanne Rank untersucht. Diese untersuchten emotionale Appelle in Gruppen. Sie fanden, daß in neutraler Stimmung die Gruppen weitgehend den übermittelten Argumenten folgen, je nach dem ob diese stark oder schwach sind. Eine heitere Gruppe folgte jedoch eher schwachen Argumenten, die starken setzten sich nicht so stark durch, die Personen brachten auch eigene Beiträge ein. Die Urteilsbildung in der Gruppe ist also stark emotional beeinflußt. Wie ist die Wahrnehmung des Menschen zu konzipieren? Als Orientierungsverhalten. Der Mensch verschafft sich aktive Kenntnis von der Welt, er wartet nicht ab, welche Informationen ohne sein Zutun zu ihm gelangen. Man kann die Wahrnehmung tatsächlich als Tätigkeit auffassen. Durch Orientierungsverhalten schafft eine wahrnehmende Person (das Subjekt der Wahrnehmung) eine innere Abbildung (das Wahrnehmungsbild) von einem Wahrnehmungsgegenstand. Das Wahrnehmungsbild wird auch innere Repräsentation oder inneres Modell genannt. An welchen Merkmalen zeigt sich die Aktivität des Wahrnehmungsprozesses? • Lokomotion, Ortsbewegung: Menschen suchen neue Plätze auf um neue Erfahrungen zu sammeln. • Bewegung der Sinnesorgane und ihrer Träger. Um die Wahrnehmung weiter zu verbessern, gibt es z.B. Augenbewegungen oder Kopfbewegungen. • Manipulation von Wahrnehmungsobjekten zur besseren Beobachtung. • Informationsverarbeitung: Die Wahrnehmungsobjekte werden nicht völlig wirklichkeitsgetreu in Wahrnehmungsbilder umgesetzt. Wahrnehmung ist ein Prozeß der Informationsverarbeitung und damit ein aktiver Vorgang, da er selektiv ist und eigene Motive und Strategien des Wahrnehmenden reflektiert. Was zeichnet die Wahrnehmung noch aus? Sie gleicht eher einem Maler als einem Spiegel. Es werden Motive mit Bedacht ausgewählt und kunstvoll hergestellt. Allerdings in einer höheren Geschwindigkeit und ohne bewußte Kontrolle. Lediglich das Wahrnehmungsbild, also das Ergebnis des unbewußt ablaufenden Wahrnehmungsprozesses, ist dem Bewußtsein und damit der kritischen Beurteilung zugänglich. Gegenstand der Wahrnehmung können auf künstliche Gegenstände sein. Was sind die Motive des Orientierungsverhaltens, warum wollen Menschen wahrnehmen? Es gibt mehrere Theorien über die Motive des Wahrnehmens. Vor allem drei sind wichtig: • Die Handlungstheorie der Wahrnehmung. • • Die Theorie von der Existenz eines eigenen Erkenntnismotivs. Die Theorie eines Optimums der Stimulierung. Welche Überlegungen machte Alexejew Nikolajew Leontjew (1959) zur Wahrnehmung? Er meinte, um die Orientierungstätigkeit zu verstehen, müsse man die Lebenstätigkeit des Menschen und die Entwicklung der Lebewesen berücksichtigen. Stammesgeschichtlich frühe Lebewesen verfügten nur über einen einfachen Mechanismus: Die Reizbarkeit. Daraus habe sich die Empfindung entwickelt. Dies wäre vor allem unter den Bedingungen des sozialen Lebens geschehen. Daraus hätten sich fortgeschrittene Formen der Wahrnehmung entwickelt. Die Abbildung von Objekten gehe mit der Begriffsbildung und der sprachlichen Benennung einher. Der Mensch sei das Endglied dieser Entwicklungskette und betreibe die Wahrnehmung als Lebensnotwendigkeit, sie steht im Dienst des Überlebens, sowie der Bewältigung spezifischer Lebensaufgaben. Welchem Ansatz kann man die Überlegungen von Leontjew zuordnen? Leontjew vertritt in der Tradition der materialistischen Philosophie eine Widerspiegelungstheorie. Diese trifft sich mit dem Ansatz des ökologischen Realismus von Gibson in einem wichtigen Punkt: Wahrnehmung strebt nach nützlicher Erkenntnis, die den Erfolg der beabsichtigtigen Handlungen absichert. Man nennt diese Theorie die Handlungstheorie der Wahrnehmung. Welche Alternativkonzeptionen gibt es zur Handlungstheorie der Wahrnehmung warum? Mit dieser Theorie ist z.B. das Verhalten von Schaulustigen nicht befriedigend zu erklären. Diese sind nicht da, um zu helfen, sondern einfach neugierig. Auch ist den Schaulustigen selbst oft kein tieferer Grund bewußt, viele geben an, einfach neugierig zu sein. Aus diesen Beobachtungen resultiert die Annahme eines eigenständigen Neugiertriebes. Welche Psychologen vertreten explizit die Annahme eines Erkundungsdranges? William McDougall (1908). Menschen wie Tiere besäßen das grundlegende Bedürfnis, ihre Umgebung zu erkunden und Wissenslücken zu schließen. Diese Annahme wurde von Daniel E. Berlyne aufgegriffen. Er meinte, die Menschen würden nach Neuem streben, weil die nachfolgende Informationsverarbeitung das neue Vertraut mache, dieser Wechsel von Erregung und Beruhigung sei ein Erregungsschub. Dieser bereite Lust. Die Aussicht auf diese Erregungsschübe nähre die Wißbegier, die epistemische Neugier. Tatsächlich scheint die Neugierde von Schaulustigen lediglich Selbstzweck zu sein, die pure Neugier zu befriedigen. Welche andere Konzeptionen gibt es noch? Leuba (1955) schlägt die Theorie der optimalen Stimulierung vor, um das Verhalten der Schaulustigen zu erklären. Der Mensch kämpfe gegen Eintönigkeit und Langeweile. Das Informationssystem des Menschen sei auf eine bestimmte Auslastung eingestellt. Wenn diese unter den Optimalwert sinkt, sinkt die Körpererregung, die organismische Aktivierung ab. Um diese zu erhöhen setze sich der Mensch neuen, anregenden Erfahrungen aus. Welchen Status haben Augenbewegungen? Sie gehören zum kaum bemerkten Orientierungsverhalten bei der Wahrnehmung. Die Augen führen ruckartige Bewegungen aus und fixieren das Gesichtsfeld, tasten es nacheinander ab. Dabei passen sie sich sowohl dem Informationsangebot, als auch den Absichten des Beobachters an. Dies wies Cohen (1976) nach, indem er Autofahrer beobachtete. Wer machte wann warum Studien zum Reizentzug? Diese dienen dazu, die Theorien der optimalen Aktivierung zu prüfen. So untersuchten Bexton, Heron und Scott (1954). Diese untersuchten Versuchspersonen, denen über Stunden die Reize entzogen, indem sie von der Umwelt abgeschirmt wurden. Nach einigen Stunden wurde dieser Reizentzug belastend, die Probanden entwickelten einen Reizhunger. Wodurch kennzeichnet sich der Reizhunger? Die Probanden versuchten, die fehlende äußere Reizung durch Selbstreizung wettzumachen. Sie stimulierten sich taktil oder akustisch. Außerdem kam es zu regen Vorstellungen, die Phantasietätigkeit setzte ein, es traten Halluzinationen auf. Dieses Verhalten soll wohl den Ausfall der Wahrnehmung ausgleichen. Wodurch kommt nach Daniel E. Berlyne (1958) der ästhetische Eindruck zustande? Für diesen entsteht Kunst, wenn Menschen dazu übergehen, Werke herzustellen, die Unsicherheit und Konflikt erzeugen. Durch die Aufklärung durch die Wahrnehmung stelle sich ein Erregungsschub ein. Grausen mischt sich mit Entzücken. Diese zeichnen sich durch ihr Überraschungsmoment aus. Dies erfüllen z.B. die Bilder von Picasso. Allerdings gibt es auch Werke, wie z.B. von Rodin, die ihre Wirkung gerade durch eine beruhigende Wirkung erzielen, indem sie das vollkommen erwartete und überdauernde darstellen. Welche Beziehung besteht zwischen Wahrnehmung und gespeichertem Wissen? Eine zweiseitige. Gespeichertes Wissen fördert das Wissen bei der Objektwahrnehmung. Das Erkennen in der Wahrnehmung schlägt sich im gespeicherten Wissen nieder. Näher beleuchtet der Gedächtnispsychologe Endel Tulving (1972). Er unterscheidet zwei Arten von Gedächtnisinhalten: Episoden und Bedeutungen. Episoden sind raum-zeitliche Ereignisse wie z.B. Unglücke. Bedeutungen sind abgelöst von raum-zeitlichen Episoden. Es handelt sich um Begriffe oder Begriffsbeziehungen. In der Wahrnehmung werden Episoden erfaßt. Um diese zu erkennen, benötigt man Bedeutungswissen. Wenn dieses fehlt, gelingt entweder das erkennen nicht, oder die Bedeutung muß neu erschlossen werden. Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Wahrnehmung und Gedächtnis? 1. Eine Szene bietet sich zur Wahrnehmung an. 2. Es entsteht ein Abbild (Episode) der Szene, dem die Bedeutung noch fehlt. 3. Die Inhalte des ersten Abbilds werden mit den gespeicherten Bedeutungen verglichen. 4. Übereinstimmungen beim Vergleich führen zu einem Erkennen von Bedeutung. 5. Bei fehlender Übereinstimmung kann die Bedeutung neu erschlossen werden. 6. Es entsteht ein zweites Abbild der Szene, dieses umfaßt eine bedeutungshaltige Episode. 7. Neu erschlossene Bedeutungen werden gespeichert und vermehren den Bestand an Bedeutungswissen. 8. Bedeutungshaltige Episoden werden im Gedächtnis gespeichert. Wie beschreibt Oliver Selfridge (1959) die Wahrnehmung? Er konzipiert die Wahrnehmung als Pandämonium. So wäre z.B. das visuelle System eine Werkstatt voller guter Geister. Jeder dieser Geister hat eine eigene Aufgabe. Einige zeigen die Helligkeit an, andere Formen oder Muster. Über all dem sitzt ein Oberdämon, der die Bedeutung der identifizierten Muster bestimmt. Auch andere Sinnessysteme sind als Hierarchie von Analyse- und Verarbeitungsstufen zu beschreiben, durch die ein Wahrnehmungsbild aufgebaut wird. Die konkreten Funktionen zu bestimmen ist Gegenstand mehrerer Wissenschaften, der Physik, der Anatomie, der Physiologie und der Psychologie. Interessant ist auch, daß der Mensch ein Gesichtsfeld von 130° vertikal und 150° horizontal hat. Dabei geht das meiste des potentiell verfügbaren Feldes verloren. Welche Wahrnehmungsfunktionen unterscheidet man? • Die Ermittlung von Reizintensitäten. (z.B. Lichtstärke oder Schalldruck). • Die Bestimmung räumlicher und zeitlicher Lage und Abstände von Reizen. • • Das Entdecken von Formen und Mustern (z.B. Kreisformen, Schwankungsperioden). Die Klassifikation und Bewertung der identifizierten Muster (Erkennen von Bedeutung). Was kann die Physik bei der Erforschung der Wahrnehmung bestimmen? Die objektiven Eigenschaften der Wahrnehmungsgegenstände und die Informationen, die von diesen im Raum verbreitet werden. Diese klären die Frage, welche Reize die Wahrnehmenden objektiv überhaupt empfangen. Wie breitet sich Information von Gegenständen aus, die entfernt vom Wahrnehmenden sind? Diese Gegenstände modulieren das Medium der Umgebung, z.B. breitet sich die Information von einer Quelle zu einem Empfänger aus, indem elektromagnetische Wellen oder mechanische Schwingungen moduliert werden, z.B. Trompeten erzeugen Luftschwingungen. Welche Reize unterscheidet man in der Wahrnehmungsforschung? Man unterscheidet nach Egon Brunswik (1934) distale und proximale Reize. Distal nennt man die Wahrnehmungsreize, zu denen kein unmittelbarer Kontakt besteht. Proximal sind die Trägerprozesse, die den Wahrnehmenden unmittelbar erreichen. Wie kann man Wahrnehmungsprozesse noch unterscheiden? Man kann zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung unterscheiden. Man bekommt nicht nur ständig Information aus dem nahen und fernen Raum, sondern auch über sich selbst und über körperliche Zustände (z.B. Sättigung, Ermüdung, Erregung). Wie ist die Wahrnehmung hierarchisch aufgebaut? Die jeweiligen Sinnessysteme besitzen einen hierarchischen Aufbau. Ein sensorisches System erstreckt sich von den Sinnesorganen bis zur Hirnrinde. Auf der untersten Stufe der Hierarchie stehen die Teile der Sinnesorgane, die für innere und äußere Reize empfindlich sind, die Rezeptoren. Sie entsprechen den dienstbaren Geistern sensu Selfridge. Diese zeigen Reizintensitäten an. Der Geist, der über deren Bedeutung entscheidet, ist in der Hirnrinde angesiedelt. Dazwischen sind Kerngebiete des Thamalus – Umschaltstellen, an denen die Analyse und Verarbeitung der eingehenden Information ein Stück fortgeführt wird. Wann kommt es zu bewußten Wahrnehmungsbildern, wodurch sind diese gekennzeichnet? Diese stellen sich erst ein, wenn die Information die Hirnrinde erreicht. Merkmale sind: • Das Wahrnehmungsbild ist bedeutungsvoll. • Die Sinneseindrücke sind zu einem einheitlichen Ganzen organisiert. • Eindrücke von seiten der Umgebung und von seiten der wahrnehmenden Person sind verwoben zu einem Weltbild, in dessen Mittelpunkt das eigene Ich steht. Welche drei Ansätze erwiesen sich in der Wahrnehmungsforschung als besonders fruchtbar? • Neurophysiologische und biochemische Methoden. Diese suchen die Ausbreitung der Erregung vom Eintreffen der Reize bis zum Entstehen bewußter Wahrnehmungsbilder zu erfassen. Sie messen Veränderungen an Rezeptoren, Sinnesbahn und Hirnrinde. • Verhaltenspsychologische Experimente. Hier geht es um die Reaktion auf Information. Meist soll eine Taste gedrückt werden. Reaktionszeiten erlauben Rückschlüsse auf die Verarbeitung, es kann auch gesehen werden, wann überhaupt etwas erkannt wird. • Introspektion. Beobachter beschreiben ihr Wahrnehmungsbild. Vorteil: Sehr umfangreich und differenzierte Beschreibung. Nachteil: Richtigkeit ist nicht intersubjektiv prüfbar. Wie ist die Aufgabenteilung der verschiedenen Fächer bei der Wahrnehmung? • Die Physik analysiert die objektive Beschaffenheit des Reizes. • Physiologie und Anatomie beschreiben Funktion und Aufbau des Sinnessystems. • Die Psychologie befaßt sich meist mit dem Bewußten Wahrnehmungsbild, oder Reaktionen darauf. Was zeichnet Rezeptoren aus? Es gibt in den Sinnesorganen und auf der Körperoberfläche hunderte von Millionen von Sinnesrezeptoren. Diese reagieren spezifisch auf eine bestimmte Reizart. Reize, die den Rezeptoren angemessen sind, nennt man auch adäquate Reize. Welche Arten von Rezeptoren lassen sich unterscheiden? Es lassen sich mindestens neun Gruppen von Rezeptoren unterscheiden, die ein Dutzend verschiedener Zustände anzeigen können. Diese Zustände werden als Empfindungen eigener Art im Bewußtsein abgebildet. Man kann desweiteren zwei große Gruppen unterscheiden: Die Enterozeptoren (Propriozeptoren), welche nach innen gerichtet sind und die Exterozeptoren, welche nach außen gerichtet sind. Die Exterozeptoren sind außerdem in Fernsinne und Nahsinne unterteilt. Es gibt mehr Exterozeptoren als Enterozeptoren, außerdem gibt es zu den Exterozeptoren auch mehr Nervenfasern, also erfährt der Mensch durch die Wahrnehmung mehr über die Umwelt, als über sich selbst. Welche Merkmale haben die jeweiligen Sinnesgebiete? Die Sinnesgebiete sind nach Organ, Adäquatem Reiz, Empfindungsmodalität, Rezeptorenzahl und Anzahl der Nervenfasern zu differenzieren. • Auge, Elekromagnetische Wellen, Farbe, Helligkeit, 7•106 Rezeptoren (Farbe), 108 Rezeptoren (Helligkeit), 106 Nervenfasern. • Innenohr (Schnecke), Mechanische Schwingungen, Tonhöhe, Lautstärke, 2 • 104 Rezeptoren, 3 • 104 Nervenfasern. • Innenohr (Bogengänge), Beschleunigung, Schwerkraft, Bewegung, Drehung, Gleichgewicht, 2 • 104 Rezeptoren, 2 • 104 Nervenfasern. • Nase, Moleküle in Gasen, Geruch, 2 • 107 Rezeptoren, 2 • 103 Nervenfasern. • Zunge, Mund, Rachen, Moleküle in Flüssigkeiten, Geschmack, 3 • 106 Rezeptoren, 2 • 103 Nervenfasern. • Haut, Muskel, innere Organe, Verformung, Druck, Muskelspannung, Verletzung, Druck, Temperatur, Berührung, Druck, Stellung, Haltung, Schmerz, Kälte, Wärme, 5•106 (Berührung), 106 (Haltung), 3 • 106 Schmerz, 2 • 105 (Wärme), 106 Nervenfasern. Wie ist die Wichtigkeit eines Sinnesgebietes für den Menschen abzuschätzen? Letztendlich gar nicht, allerdings gibt es Anhaltspunkte aus der Anzahl der Rezeptoren und der Nervenfasern, die für das jeweilige Gebiet existieren. So kann man sehen, daß der Gesichtssinn im Vergleich zum Geschmackssinn gut ausgestattet ist. Weshalb entgeht den Menschen etwas von der im Raum vorhandenen Information? • Es wurden nicht für alle Zustände der Welt geeignete Rezeptoren entwickelt. Dem Menschen fehlt z.B. ein Sinn zum Entdecken von radioaktiver Strahlung. • Die Rezeptoren sprechen nur in einem begrenzen Bereich an. Es gibt z.B. wesentlich höhere und tiefere Töne, als wir überhaupt Wahrnehmen können. Auf diese reagieren allerdings die Rezeptoren des Gehörs nicht mehr. • Insbesondere die Exterozeptoren sind in kleinen Sinnesorganen konzentriert, sie nehmen nur einen Teil der im Wahrnehmungsraum vorhandenen Information auf. Besonders groß ist der Verlust beim Sehen. Das meiste was zu sehen wäre, liegt im Schatten des Kopfes. Wie ist die Leistungsfähigkeit von Meßgeräten zu beurteilen? Diese bestimmt man nach der Eignung zum Nachweis der physikalischen Änderungen, die es anzeigen soll. In der Nachrichtentechnik ist die Frage, wie gut ein Empfänger Signale vom chaotischen Rauschen der restlichen Informationsfülle zu trennen kann. Nach diesem Muster kann man auch die Fähigkeit des Menschen zur signal detection prüfen. Welches Experiment wurde zur menschlichen Signalentdeckungsfähigkeit gemacht? Es wurden 20 Konzerte vorgespielt, in denen ein Kontrabaß mitspielt und 20, in denen keiner mitspielt. Ein vollkommener Hörer wird alle 40 Stücke richtig beurteilen. Man kann die Zahl von Treffern und Fehlalarmen verrechnen. Ist ein Instrument sensitiver, steigt die Zahl der Treffer und der Fehlalarme parallel. Dadurch kann man bei Menschen die Sensitivität für Signale, d.h. die Fähigkeit, auftretende Signale zu entdecken und die Anzeigenschwelle, d.h. die Signalstärke, bei der eine Entdeckung berichtet wird bestimmen. Anwendungen der Signal-Entdeckungstheorie beschreibt Velden (1982). Wie werden Ausfälle von Sinnesgebieten kompensiert? Die verbleibenden funktionstüchtigen Sinnesgebiete werden stärker beansprucht. Blinde steigern z.B. die Leistungsfähigkeit von Gehör und Tastsinn. Diese Möglichkeiten sind oft erstaunlich. Dies wird von Helen Keller (1880-1968) beschrieben. Diese wurde Doktor. Welche Fragen stellt sich die Psychophysik? Sie fragt sich, in welcher quantitativen Beziehung die subjektiven Sinnesempfindungen zur Rezeptoraktivität und zur objektiven Sinnesreizung steht. Wer waren frühe Vertreter der psychophysischen Wahrnehmungsforschung? Ernst Heinrich Weber (1795-1878), Physiologie und Gustav Theodor Fechner (18011887), Physik. Diese hatten nichts geringeres im Sinn, als damit das Leib-Seele-Problem experimentell zu lösen. Der Reiz löse eine Empfindung nicht direkt aus, sondern durch eine psychophysische Tätigkeit des Nervensystems. Durch deren Verhältnis zu den Reizen sei auf die quantitativen Beziehungen zwischen Leib und Seele zu schließen. Welche Arten der Psychopysik unterschied Fechner (1860)? Er unterschied eine äußere Psychophysik von einer inneren Psychophysik. Die äußere Psychophysik hat die Beziehungen zwischen physikalischem Reiz und den dadurch ausgelösten Empfindungen zum Gegenstand. Der Gegenstand der inneren Physik ist die Beziehung der Empfindungen zu den von den physikalischen Reizen ausgelösten Körperreaktionen. Welche Entdeckung machte Ernst Heinrich Weber (1851)? Er entdeckte, daß die Fähigkeit zur Unterscheidung von Reizintensitäten von der Reizintensität selbst abhängt. Soll man beurteilen, ob zwei Gewichte gleich schwer sind, so kommt es nicht auf den absoluten Unterschied, sondern den relativen an. Die Gewichte müssen sich mindestens in einem bestimmten Verhältnis unterscheiden damit der Unterschied wahrgenommen werden kann. Für die jeweiligen Sinnesmodalitäten gibt Weber folgende Konstanten an: Helligkeit 2-5% Gesehene Längen 1% Druck auf der Haut 3-10% Gewicht 2,5-3% Weber formulierte ein Gesetz für den gerade eben merklichen Unterschied (dS) zwischen zwei Reizen. Dieser Unterschied steht zur absoluten Größe eines Standardreizes im konstanten Verhältnis k. Es ergibt sich: k = d S / S. Wie formte Fechner (1860) das Gesetz von Weber um? Er entdeckte, daß die Stärke einer Empfindung (I) mit dem Logarithmus der Reizstärke (S) wächst. Diese Formel zur Bestimmung der Empfindungsstärke aus der Reizstärke ist als Fechnersches Gesetz in die Psychologie eingegangen: I = k • log S. Wobei k der Weberschen Konstanten entspricht. Welche Kritik hatte Stanley S. Stevens (1975) an den Forschungen von Weber & Fechner? Er bezweifelte die Generalisierbarkeit der logarithmischen Funktionen und wies nach, daß sich in manchen Gebieten auch exponentielle als brauchbar erweisen. Allerdings mußte auch er das Grundprinzip des Fechnerschen Gesetzes bestätigen: Je stärker oder ausgedehnter ein Reiz ist, desto gröber ist das menschliche Unterscheidungsvermögen. Was gilt für die Bezugssysteme subjektiver Urteile? Die Stärke einer Empfindung beruht nicht nur auf der Intensität gerade anwesender Reize, sondern wird auch durch vorangehende Reize beeinflußt. Dies gilt für alle Arten von Urteilen. Was man für groß oder klein, stark oder schwach hält, hängt von der früheren Erfahrung ab. Wer widmete der Untersuchung dieses Effektes wie sein Lebenswerk? Der Amerikaner Harry Helson (1964). Er ließ 1947 seine Probanden eine Serie von fünf Gewichten zwischen 200 und 400 g auf einer neunstufigen Skala einschätzen. Die Probanden hatten vor der Beurteilung verschiedene andere Gewichte zu heben. Eine Gruppe bekam Gewichte von 100 g, eine Gruppe Gewichte von 300 g und eine Gewichte von 900 g. Die erste Gruppe beurteilte die Gewichte schwerer als die dritte Gruppe. Wie nannte Helson diese Erfahrungswirkung? Er nannte ihn Anpassungs- oder Adaptationseffekt. Der Organismus führe Buch über die ihm begegnenden Reize. Der Organismus wäre angepaßt an den Mittelwert der vorangegangenen Reize. Diesen nennt Helson das Adaptationsniveau. Reize in dieser Größe würden stets als neutral beurteilt. Andere Reize würden zu diesem Adaptationsniveau in Beziehung gesetzt. Frühere Reize würden als Anker für spätere Reize dienen. Worin besteht demnach der Unterschied zwischen physikalischen und subjektiven Skalen? Physikalische Skalen haben einen Nullpunkt. Die Meßbaren Größen liegen dann in bestimmten Einheiten über diesem Nullpunkt. Beim subjektiven Urteil gibt es einen neutralen Wert. Einem Merkmal können verschiedene Bezeichnungen zukommen, je nach dem, wo der neutrale Wert liegt. Beim subjektiven Urteil gibt man Abweichungen nach oben oder unten vom Neutralwert an. Es besteht also ein fundamentaler Unterschied zum Messen der Physiker Welchen übergeordneten Begriff gibt es für Maßstäbe und Skalen? Den des Bezugssystems. Bezugssysteme gestatten die Ordnung und den Vergleich von Merkmalen. Sie bieten den Beurteilern die Grundlage zur Bestimmung von Mittelwerten oder Extremwerten, gute auch die von Abständen zwischen Urteilsgegenständen (Intervallskalen) oder den Verhältnissen zwischen den Gegenständen selbst (Verhältnisskalen). Wie bilden sich Bezugssysteme? Die Bildung von Bezugssystemen ist eine Leistung der kognitiven Verarbeitung von Reizen. Witte deutet diese Ausbildung als einen Vorgang der sukzessiven Teilung. Durch die Teilung werde es differenzierter. Wilhelm Witte (1960) betonte auch, daß die Bezugssysteme die Reize überdauern und mnestisch im Gedächtnis verankert sind. Was zeigte Viktor Sarris (1967)? Er zeigte, daß die Ankerreize das Adaptationsniveau nur verschieben, wenn sie mäßig von diesem abweichen. Extreme Anker, von denen man sehr starke Verschiebungen erwarten würde bleiben ohne Einfluß. Wie deutete Sarris (1971) diesen Effekt? Er meinte, Urteilsgegenstände würden nach ihrer Ähnlichkeit zu Klassen zusammengefaßt. Eine Urteilsverschiebung finde nur innerhalb der Klassen statt, nicht über Klassengrenzen hinweg. Nach dieser Konzeption bilden sich für jedes Merkmal mehrere Objektspezifische Bezugssysteme nebeneinander. Der schwerste Koffer ist leichter, als der leichteste Zug. Für das Konzept der Empfindung ergibt sich, daß von einer einfachen Empfindung nicht die Rede sein kann. Es handelt sich um ein hoch differenziertes und anspruchsvolles Urteilen. Welche Intensitäten werden in der Psychologie seit Fechner und Weber gemessen? • Die Stärke sinnlicher Empfindungen. (z.B. Lautheit) • Die Stärke von Gefühlserregungen. (z.B. Angst) • Die Stärke von Einstellungen. (z.B. Hilfsbereitschaft) • Die Stärke von Bedürfnissen. (z.B. Hunger) • Die Stärke von Funktionszuständen. (z.B. Müdigkeit) Welche Verfahren werden zur Messung verwendet? • Paarvergleich. Man benötigt eine Reihe von Urteilsgegenständen und mindestens ein Beurteilungskriterium. Es werden alle möglichen Kombinationen gebildet. Dann wird zu jeder Kombination die Urteilsverteilung ermittelt. Daraus lassen sich Beliebtheitsskalen erstellen und den Gegenständen Plätze auf der Skala zuordnen. • Intervallschätzung. Beurteiler schätzen die Abstände zwischen den Urteilsgegenständen. • Verhältnisschätzung. Eingeschätzt wird das Verhältnis zwischen Urteilsgegenständen. • Rangschätzung. Urteilsgegenstände werden nach vorgegebenen Kriterien in eine Rangordnung gebracht. • Einstufung in vorgegebene Skalen. Man gibt eine Meßskala vor und läßt die Urteilsgegenstände auf dieser Skala einstufen. (Wie in vielen Fragebögen). Welcher Aufgabe dient Messung psychopysischer Funktionen? Es geht um zwei Arten von Schwellenbestimmungen: • Die Absolutschwelle. Diese wird ermittelt als minimaler Betrag der Reizintensität oder – extensität der eine Empfindung auslöst. • Die Unterschiedsschwelle oder Relativschwelle. Es wird der minimale Unterschied zwischen Urteilsgegenständen ermittelt, den Beurteiler angeben können. Unterschiedsschwellen entsprechen dem „eben merklichen Unterschied“ nach Weber. Wie nennt man die Bestimmung psychologischer Größen? Psychologisches Skalieren. Die Psychometrie, eine eigene Disziplin der Psychologie beschäftigt sich mit der Entwicklung, Prüfung und Anwendung von Methoden die der Psychologischen Skalierung dienen können. Ist das Auge ein vollkommenes Sinnesorgan? Nein. Es ist höchst unvollkommen. Hermann von Helmholtz (1821-1894) meinte, man müßte es dem Entwickler zurückgeben. Die Linse verzerrt die Farben (chromatische Aberration), der Augenhintergrund ist uneben und nicht glatt wie ein Hohlspiegel. Außerdem sind die Rezeptoren ungleichmäßig verteilt, an manchen Stellen (blinder Fleck) befinden sich gar keine Rezeptoren. Welche weiteren Hindernisse ergeben sich für den Wahrnehmenden? • • • • • Die aus dem Wahrnehmungsraum zugehenden Informationen sind unvollständig. Die den Rezeptoren zugehenden Informationen sind mehrdeutig. Diese ergibt sich aus der Veränderung von Trägerprozessen in ihren Medien: Hören wir lauten Schall aus der Ferne oder leisen aus der Nähe, sehen wir einen weißen Gegenstand hinter einer roten Scheibe oder einen roten hinter einer weißen? Manche Informationen werden von den Rezeptoren nicht erfaßt, weil diese entweder unempfindlich für diese oder abgewandt von diesen sind. Die Unvollkommenheit im Bau und der Funktion der Sinnesorgane führen zu Informationsverlusten. Die sensorischen Informationen aus dem Wahrnehmungsraum sind zerstückelt. Informationen aus verschiedenen Teilen des Raums verteilen sich auf hunderte von Millionen von getrennt arbeitenden Rezeptoren. Wie werden diese Probleme gelöst? Helmholtz (1867) vermutete, die Schwächen würden durch unbewußtes Schließen ausgeglichen. In der Tat konnte gezeigt werden, daß der zentrale Teil des sensorischen Nervensystems ein höchst leistungsfähiges Informationsverarbeitungssystem ist. Diesem gelingt es, fehlendes zu ergänzen, mehrdeutigkeiten aufzulösen und verstreute Information zu einem einheitlichen Bild zu organisieren. Welche Art von Wahrnehmung ist möglich? Die Wahrnehmung ist multimodal. Dies können manche Menschen bis zur Synästhesie treiben. Von der Mischung kommt es zur Verschmelzung verschiedener Sinnesempfindungen. Darüber dichtet der Lyriker Clemens Brentano (1778-1842). Wie wird die hohe Eigenständigkeit der zentralen Informationsverarbeitung belegt? Durch die Brillenversuche. Besonders bekannt wurden die Versuche von Theodor Erismann (1948) und Ivo Kohler (1956), die ihre Probanden mehrere Tage lang Prismenbrillen tragen ließen. Diese kehren den Strahlengang so um, daß für den Träger die Welt zunächst auf dem Kopf steht. Dies beeinträchtigt Wahrnehmung und Bewegung. Nach einer knappen Woche richtet sich das Wahrnehmungsbild wieder auf, die Unsicherheiten werden beseitigt. Dies ist ein Beleg dafür, daß durch die Informationsverarbeitung auch andere Verzerrungen durch die Sinnesorgane auf dem Wege der Reizübertragung von einer Korrekturleistung des Zentralen Nervensystems ausgeglichen werden. Das Aufrichten des Wahrnehmungsbildes basiere auf Lernen, Gewöhnung, d.h. Adaptation. Wodurch wird belegt, daß Adaptation ein aktiver Lernprozeß ist? Diese trat bei den Brillenexperimenten nur ein, wenn die Probanden ständig Hin- und Hergingen, Radfahren und Fechten mit Stöcken übten. Dadurch erfuhren sie die Richtung der Schwerkraft und versuchten diese mit ihrem Wahrnehmungsbild in Einklang zu bringen. Wenn die Probanden nichts machten, blieb das Bild umgekehrt stehen. Welche Position stützen die Experimente von Erismann und Kohler? Sie stützen die Position des ökologischen Realismus. Menschen leben in einer wirklichen Welt, die Wahrnehmung lehrt, die Welt abzubilden, wie sie ist. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Welt kommen den Lernbemühungen entgegen. Die Abschwächung von Schallwellen oder die Perspektivische Abbildung dreidimensionaler Objekte sei nicht nur Abweichung von der Beschaffenheit der Welt, sondern eine nützliche Information, die das Wahrnehmungssystem ausnutzt um ein wirklichkeitsgetreues Bild zu liefern. Welche Beispiele gibt es hierzu? James J. Gibson (1973) zeigt, daß der Eindruck räumlicher Tiefe beim Sehen durch eine den Gesetzen der Perspektive entsprechende Verteilung der Reize entsteht. Georg von Bekésy (1960) weist darauf hin, daß tiefe Töne mit der Entfernung schneller gedämpft werden als hohe, aus der Nähe sind mehr Tiefe Anteile in der Schallinformation, dadurch kann das Gehirn differenzieren, ob der Reiz von Nah oder Fern komme. Was ist eine maßgebliche Leistung der Wahrnehmung auf höherer Stufe? Die Ermittlung von Invarianten. Diese sind feste Merkmale der Gegenstände (z.B. Form oder Größe). Diese Leistung ist deshalb so beachtlich, da die Abbildung der Objekte auf der Netzhaut zu völlig unterschiedlichen Bildern führt, dennoch erkennt man immer das gleiche Objekt, dies ist eine Leistung der Formkonstanz. Es gibt auch eine Größenkonstanz. Diese kommt dadurch zustande, daß man sich an die Gesetzmäßigkeit hält, daß die Abbildung um so kleiner ist, je größer die Entfernung zwischen Gegenstand und Bildfläche ist. Was ergibt sich aus den nachweisbaren Leistungen? Die psychologische Forschung versucht, aus diesen auf den Prozeß zu schließen, der diesen Leistungen zugrundeliegt. Zentrale Fragen sind die Komponentengliederung vs. Ganzheitlichkeit der Wahrnehmung, bzw. die Autonomie vs. Abhängigkeit vom Lernen. Welche Theorie vertritt in diesem Zusammenhang Irving Biederman (1987)? Er stellte eine Komponententheorie vor. Bei der Aufgabe, ein Objekt zu erkennen, würden die Personen es zuerst in Komponenten zerlegen. Diese Komponenten dienen als Erkennungszeichen. Werden diese Komponenten ausfindig gemacht, kann man sie mit den zugehörigen Objekten im Gedächtnis vergleichen und identifizieren. Nach Biedermann sind für markante Komponenten vor allem Kurvenverläufe ∩, Kollinearität ^, Symmetrie Ω und Parallelität ≈ wichtig. So sei eine Mischung aus Parallelität und Symmetrie etwa der Tragegriff eines Koffers. Dies überprüfte er in Experimenten, in denen Versuchspersonen Objekte erkennen sollten, die unvollständig waren. Tatsächlich war vor allem dann die Erkennensleistung beeinträchtigt, wenn die als bedeutsam erachteten Merkmale fehlten. Einerseits ließ er Einheiten weg, andererseits unterbrach er Konturen. Welche Theorie vertritt in diesem Zusammenhang Max Wertheimer (1923)? Dieser hat auch Gesetze formuliert, nach denen Figuren erkannt werden. Diese nennt er Gestaltgesetze. Dazu gehören Symmetrie, Ebenbreite und Geschlossenheit. Nach Wertheimer ist die Wahrnehmung ganzheitlich. Alle Bildteile werden gleichzeitig erfaßt. Eine Zerlegung der Wahrnehmung bringe nichts, dadurch gingen nur die Beziehungen der Teile im Ganzen verloren. Dies lasse sogar Gegenstände erleben, die gar nicht vorhanden sind, Paolo Bonaiuto nennt sie Täuschungen mit amodaler Vervollständigung. (Mauer). Welche Konzeption vertritt Wolfgang Köhler (1920)? Er meint, daß es gute Gestalten auch in der Wirklichkeit gibt. In der Wahrnehmung ist der Kreis die bevorzugte Figur. Auch in elektrischen Feldern oder Flüssigkeiten bilden sich kreisförmige Strukturen aus. Aus dieser Parallelität zieht er den Schluß, daß es in der Natur universelle Ordnungstendenzen gebe. Bewußtsein und materielle Welt seien isomorph. Wenn die Wahrnehmung der Wirklichkeit entspreche, liege dies an der Isomorphie, der Tendenz beider zur Gleichgestaltigkeit. Diese Konzeption wurde von Hermann Haken (1990) aufgegriffen, der Gedanke von den selbsttätigen Ordnungstendenzen auf moderne Beispiele aus Physik, Chemie und Biologie übertragen. Lebende Organismen würden sich durch das Zusammenwirken ihrer Teile auszeichnen, dadurch entgehen sie dem Chaos und erzielen eine Funktion. Dieses selbsttätige Zusammenwirken nennt er Synergetik. Wie erschließt man die Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung auch gerne? Aus Täuschungsphänomenen. Entspricht die Wahrnehmung nicht der Wirklichkeit, so sei dies ein deutlicher Hinweis auf die innerhalb der Wahrnehmung wirkenden Prinzipien. Was ist die berühmteste Wahrnehmungstäuschung und wie wird sie erklärt? Die berühmteste Täuschung stammt von Müller-Lyer (1889). Sie verlangt den Vergleich zweier Strecken, eine wird von einem einwärts gekehrten Winkelpaar begrenzt, die andere von einem auswärts gekehrten. Der subjektive Eindruck vermittelt einen ungleichen Eindruck der Länge. Jedoch sind sie objektiv gleich lang. Müller-Lyer erklärt dies Ganzheitlich, die Figur mit den Auswärtswinkeln nehme mehr Raum ein, dies färbe ab. Dies spreche also für die Eigendynamik und Ganzheitlichkeit der Wahrnehmung. Reinhard Tausch (1954) meinte hingegen, diese Täuschung sei ein Spezialfall von Größen- und Formkonstanz. Menschen würden Winkel aus der Raumanschauung kennen. Der eine würde also als Vorderkante aufgefaßt, der andere als Hinterkante. Wodurch kennzeichnen sich subjektive Schilderungenvon Wahrnehmungsinhalten? Einerseits können sich diese eng an objektivierbare Gegenstände halten, andererseits kann der gleiche Gegenstand auch in Worten beschrieben werden, die über Empfindungen (sensorische Information) weit hinausgehen. Diese sind oft gekennzeichnet durch Bedeutung (semantische Information) und Symbolik (symbolische Information). Was ist hierbei zu beachten? Bedeutung oder Sinn erhält eine Wahrnehmung indem sie eine Beziehung zu einem Gegenstand erkennen läßt. Bedeutungshaltigkeit nennt man Semantik. Diese geht oft über das Objektivierbare hinaus, schließt Ausdruckseigenschaften und Assoziationen ein. Einen Gegenstand, der auf einen anderen verweist, nennt man ein Symbol oder Zeichen. Zu den Symbolen gehören auch die Wörter der Sprache. Diese entstehen durch soziale Vereinbarung und sind kulturspezifisch. Wie nennt man konzentrierte Wahrnehmung, worauf kann sie sich richten? Konzentrierte Wahrnehmung nennt man Aufmerksamkeit. Diese kann gerichtet sein auf • Ausschnitte des Wahrnehmungsraums. • ausgewählte Gegenstände, Personen oder Ereignisse. • ausgewählte Gegenstandsmerkmale. • ausgewählte Sinnesmodalitäten. Warum vollzieht sich eine Konzentration der Wahrnehmung? Weil das Wahrnehmungssystem bei der Verarbeitung zugehender Informationen überlastet sein kann und eine Auswahl der verarbeiteten Information vornimmt. Donald Broadbent (1958) verglich die Aufmerksamkeit mit einer Filterung wie sie bei Nachrichtenkanälen vorgenommen wird, vor allem bei den Kanälen für sensorische und semantische Information. Dieser untersuchte vor allem die Verschiebung der Aufmerksamkeit von einem Sinnesgebiet auf ein anderes, sowie innerhalb gleicher Sinnesgebiete. Sie spielten den Personen über Kopfhörer Mitteilungen zu und prüften, wie gut diese verstanden werden, wenn sich die Aufmerksamkeit auf die andere Seite richtet (Cocktailparty-Phänomen). Wovon hängt es ab, welchem Sinnesgebiet sich die Aufmerksamkeit zuwendet? In erheblichem Maße von den gerade herrschenden Wahrnehmungsbedingungen (z.B. Nacht). Wie deutete Broadbent seine Befunde, welche Kritik gab es daran? Er deutete seine Befunde als Belege für eine Filterung auf den sensorischen Kanälen. Welche Kritik gab es von wem an den Befunden von Broadbent? J.A. Deutsch und D. Deutsch (1963) meinten, die Auswahl findet erst bei der semantischen Verarbeitung statt. Sie gründen ihre Hypothese auf der Beobachtung, daß sich die Aufmerksamkeit oft auf Objektklassen bezieht, deshalb kann die Auswahl erst nach der Erkennung der Gegenstandsbedeutung stattfinden, also relativ spät. Mit welcher Metapher kann man die Aufmerksamkeit darstellen, warum wandert sie? Man kann die Aufmerksamkeit mit einem Lichtkegel vergleichen, der in einem dunklen Raum einzelne Teile hervorhebt. Dieser kann die Richtung wechseln. Oft gehen diese mit Orientierungsbewegungen wie Kopfdrehen oder Augenbewegungen einher. Es gibt drei Antworten auf die Frage, warum sie wechselt (analog zu Wahrnehmungsmotiven): • Menschen sind ständig auf der Suche nach neuer Information und durchmustern systematisch ihre Umgebung. • Erkenntnisdrang, Neugier lenken die Aufmerksamkeit zu den jeweils unklaren, mehrdeutigen und widersprüchlichen Teilen des Wahrnehmungsfeldes. • Im Vollzug von Handlungen richtet sich die Aufmerksamkeit auf die zur Kontrolle von Handlungen bedeutsamen Gegebenheiten. Durch welche Experimente werden diese Hypothesen geprüft? Berlyne (1958) beobachtet, welche Zeichnungen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es waren vor allem Zeichnungen, die Unregelmäßigkeiten und Unstimmigkeiten aufwiesen. Odmar Neumann (1987) untersucht die Bedeutung der Handlungssteuerung für die Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit beruhe nicht auf der Begrenzheit der Verarbeitungskapazität sondern beruhe auf der Konzentration auf die jeweilige Tätigkeit. Es müßte für die Handlungssteuerung unerhebliche Information ausgeblendet werden, um ein Verhaltenschaos zu vermeiden. Er wies nach, daß sich die Aufmerksamkeit verengt, bevor die Verarbeitungskapazität ausgelastet ist. Probanden sahen einen Trickfilm, in dem zwei Wortfolgen über den Bildschirm wanderten. Eine davon sollten sie vorlesen. Wenn daneben eine weitere Aufgabe hinzukam, so konnten sie diese bewältigen, obwohl sie die Information verpaßten, wenn sie beiläufig dargeboten wurde. Welche Untersuchung machten David C. McClelland und John W. Atkinson (1948)? Sie teilten Soldaten in drei Gruppen ein. Diese erhielten unterschiedlich lange nichts zu Essen. Dadurch hatten sie verschieden großen Hunger. Sie sollten im Halbdunkel Blätter beschreiben. Es waren leere Blätter, die Soldaten berichteten, sie hätten Nahrungsmittel gesehen, sowie Menschen die Speisen zubereiten oder essen und zwar mehr, je länger sie selbst nichts gegessen hatten. Dies zeigt erneut die Subjektivität menschlicher Wahrnehmung. McClelland und Atkinson bezeichneten die Abhängigkeit der Wahrnehmung von eigenen Bedürfnissen als Projektion. Dies ist eine Zuschreibung eigener Eigenschaften an andere und stammt aus der Psychoanalyse. Diese diene (nach der Psychoanalyse) zur Abwehr unangemessener Triebansprüche, z.B. wenn man eigene Aggressivität verbergen will. Gibt es auch negatives Orientierungsverhalten? Es gibt auch das Gegenteil von positiv motivierter Wahrnehmung. Dies nennt man Wahrnehmungsabwehr. Sie besteht im meiden von Information. Seymour Epstein berichtet von Fallschirmspringern, die darauf trainiert werden, nicht in die Tiefe, sondern zum Horizont zu blicken. Dies geschehe um die Unlust der Wahrnehmung zu meiden. Welche These vertritt die Psychoanalyse nach Freud in dieser Sache? Information wird noch aus dem laufenden Wahrnehmungsprozeß ausgeschieden, wenn sie als unmutsauslösend erkannt wird. Die Psychoanalyse nimmt Abwehrmechanismen an. Warum ist diese Annahme umstritten und wie löst die Psychoanalyse das Problem? Wie kann man behaupten, daß die Wahrnehmung eines Gegenstandes wegen dessen emotionsauslösender Wirkung unterbleibt, wenn Wahrnehmung nötig ist, um den Gegenstand als Ursache einer Emotion zu erkennen. Die Psychoanalyse löst den Widerspruch durch die Annahme eines Zwei-Stufen-Modells. In der ersten Stufe ist die Informationsverarbeitung unbewußt, jedoch könnten bereits angstauslösende Eigenschaften erkannt werden. In der zweiten Stufe finde das bewußte Erkennen statt, erst dieses verdiene die Bezeichnung der Wahrnehmung. Wenn die emotionale Gefährdung feststeht, komme es nicht zur zweiten Stufe Wie stehen neurophysiologisch und kognitivistisch orientierte Forscher dazu? Auch sie halten ein vorbewußtes Erkennen, Subzeption für möglich. Die Wahrnehmung als schneller und automatischer Prozeß leiste viel, bevor es bewußt werde (Kihlstrom 1987). Was ist ein Beispiel für unbewußte Affekte? Der nach Kunst-Wilson und Zajonc (1980) benannte Effekt. Diese zeigten Probanden unregelmäßige Vielecke, jede Figur insgesamt fünfmal für je 1 millisec. Obwohl die Probanden angaben, nichts gesehen zu haben, gefielen ihnen nachher die bereits gezeigten besser, auch wenn sie nicht in der Lage waren, zwischen alten und neuen zu Differenzieren. Diese waren ihnen also vertrauter geworden. Dies ist der mere-exposure-Effekt. Welche Zeit wurde als kritisch für die Subzeption ermittelt? Seamon, Marsh und Brody (1984) ermittelten als kritische Zeit 10-20 Millisekunden. Bis dahin steigt die Vertrautheit, ohne daß ein Wiedererkennen gelingt. Nach dieser Darbietungszeit steigt die Vertrautheit kaum noch, dafür das Wiedererkennen sprunghaft. Wie geht Freud damit um? Er meint, die Verkennung der Wahrnehmungsabwehr könne sich zum Fetischismus steigern. Warum gibt es Wahrnehmungsunterschiede zwischen Kleinkindern und Erwachsenen? Nach Haith (1978) sind dabei vor allem folgende Faktoren wichtig: • Die für die Orientierung erforderlichen Fähigkeiten sind noch unzureichend ausgeprägt. • Das sensorische Nervensystem ist noch nicht ausgereift und daher die Kapazität zur Informationsverarbeitung eingeschränkt. • Das Kleinkind hat noch nicht genügend Wissen über die Welt erworben, um seine Sinneseindrücke zu einem widerspruchsfreien Bild ordnen zu können. • Das Kind erfährt die Welt zunächst nur aus einer egozentrisch eingeschränkten Perspektive. Informationen über den eigenen Körper erhalten ein starkes Übergewicht gegenüber Informationen aus der Umwelt. Wie verbessert sich die kindliche Wahrnehmung nach Epstein (1967)? Durch Erfahrung wendet das Kind seine Aufmerksamkeit immer komplexeren Gegenständen zu. Dies ist aus einzelnen Leistungen zu schließen, wie der Entfernungsschätzung, die im Alter von 10-12 die Fähigkeit von Erwachsenen erreicht. Wie konzipiert Jerome Bruner (1964) die Stadien der kognitiven Repräsentation? Als qualitativer Unterschied. Er unterscheidet das enaktive Stadium, das ikonische Stadium und das symbolische Stadium. Das Erkennen im enaktiven Stadium ist geprägt durch das Manipulieren mit nahen Gegenständen, im ikonischen Stadium kommt dem Gesichtssinn und den Gehöreindrücken die dominante Rolle zu. Danach schließt sich das symbolische Stadium an, in welchem Invarianten von feststehenden Begriffen und Dingen herausgebildet werden. Müssen alle Wahrnehmungsleistungen gelernt werden, oder gibt es angeborene Performanz? Zumindest scheint es manche Leistungen zu geben, die von Geburt an erbracht werden, wie z.B. ein Erkennen von Tiefe. Darauf weist Eleanor J. Gibson hin, die das Verhalten von Kleinkindern am visuellen Abgrund untersuchte. Dieser besteht aus einer Glasplatte, unter der ein Hohlraum zu sehen ist. Bereits Säuglinge zeigen Angst vor dem Hohlraum und schrecken vor der Tiefe zurück, wenn sie von der Mutter angelockt darüber krabbeln sollen. Dies spricht für eine Angeborenheit des Tiefensehens. Dies berichten jedenfalls Gibson & Walk (1960). Welche Leistungen, in denen sich die Unterschiedlichkeit der Wahrnehmung zwischen Personen zeigen wurden vor allem untersucht? • Funktionstüchtigkeit der Sinne • Anfälligkeit für Sinnestäuschungen • Geschwindigkeit und Genauigkeit des Erkennens von Gegenständen • Feldabhängigkeit (d.h. die Fähigkeit, einen Gegenstand unabhängig von seiner Umgebung einzuschätzen). Welche Kinder differenzierten Wagner & Cimiotti (1975) durch Augenbewegungen? Impulsive Kinder, die beim Lesen unstet die Augen wandern lassen und dabei viel Information verpassen und reflexiv genannte Kinder, die ruhig Zeile für Zeile ansehen und die angebotene Information mit größerer Vollständigkeit aufnehmen. Wie wirken sich überdauernde Motive auf die Wahrnehmung aus? Diese schlagen sich auch in den Wahrnehmungen nieder. So entstehen Besonderheiten von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, so findet man nach Krohne (1976) bei Ängstlichen eine erhöhte Aufmerksamkeit für bedrohliche Ereignisse. Welche Typen konzipiert die Persönlichkeitspsychologie nach der Wahrnehmung? J.M. Charcot war immer bemüht, Personen ihrem bevorzugten Sinnesgebiet zuzuordnen und so z.B. einen optischen, akustischen oder motorischen Typ zu definieren. Oswald Kroh (1929-1934) teilte zwischen Menschen zwischen Farb- und Formsehern ein. E.R. Jaensch (1932) definierte einen ganzheitlichen Auffassungstyp. Welche wahrnehmungspsychologischen Gegenstände finden sich in der Sozialpsychologie? • Die soziale Interaktion setzt das Identifizieren und Einschätzen von Partnern sowie von Bezugsgruppen voraus. • Kommunikation zwischen Partnern ist selbst ein Akt der Wahrnehmung. • Wahrnehmung von Personen, Dingen und Ereignissen – darunter die soziale Interaktion selbst – ist Gegenstand der Kommunikation und der sozialen Bewertung. • auf gemeinsamen Wahrnehmungen bauen die soziale Einstellung und das soziale Handeln auf. Wie entsteht Intimität? Durch das Fixieren des Partners. Dieses kann sowohl willkommen sein, als auch lästig empfunden werden. Frauen haben ein höheres Intimitätsbedürfnis als Männer. Welche Theorie vertraten Michael Argyl & J. Dean (1965) bezüglich der Intimität? Sie behaupteten, Menschen trachteten immer nach einem optimalen Grad an Intimität. Es werde sowohl zu geringe Intimität, als auch zu hohe Intimität gemieden. Ein Blickkontakt steigere die Intimität, ein Vorbeischauen senke die Intimität. Diese optimale Intimität sei auch von der räumlichen Entfernung und dem Gesprächsthema abhängig. Solange Individuen das Niveau halten wollen, verringern sie Blick, wenn Thema emotional wird oder nahe kommen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen soz. Einstellungen und Wahrnehmungen? Als in den 40er Jahren die experimentelle Demonstration der Bedürfnisabhängigkeiten von Wahrnehmungen gelang wurde dies als new look der Sozialwahrnehmung gefeiert. Denn wenn sie von Bedürfnissen beeinflußt wird, ist sie auch von sozialen Situationen beeinflußt, da diese die individuellen Bedürfnisse beeinflussen (Tajfel 1969). Wie beeinflußt das soziale Lernen die Wahrnehmung? Menschen können Gesichter der eigenen Rasse besser unterscheiden als Gesichter von angehörigen anderer Rassen wie Roy S. Malpass zeigte. Es kommt zu Verwechslungen. Wie zeigten Patricia G. Devine und Malpass (1985) ob dieser Effekt auszugleichen ist? Sie legten Probanden Bilder von Gesichtern vor. Eine Gruppe sollte nur die Freundlichkeit beurteilen, die andere sollte sie aufmerksam mustern um sie später wiederzuerkennen. Durch Aufmerksamkeit konnte die Wiedererkennensleistung gesteigert werden, jedoch blieb der Rasseneffekt erhalten. Dies zeigt, wie stark die Wahrnehmung in kulturelle Zusammenhänge eingebunden ist. Welches Beispiel veranschaulicht die Entstehung sozialer Konstruktionen? Die Homosexuellen haben Prinz Eisenherz als Symbol erkannt. Mittlerweile sehen auch Heterosexuelle in ihm einen Schwulen. Was als individuelle Projektion begann, wurde also zur sozialen Konstruktion. Kapitel 5: Vorstellung, Begriffe, Wissen Was macht die Vorstellung aus? Sie ist ähnlich wie die Wahrnehmung. Die Inhalte und Sinnesmodalitäten gleich sich oft. Jedoch hat sie meist nichts mit der aktuellen Wirklichkeit zu tun. Vorstellungen sind ein selbstgestalteter Teil der menschlichen Erlebniswelt, eine Eigenschöpfung. Wie unterscheiden Menschen zwischen Wahrnehmung und Vorstellung? In der Tat ist diese Unterscheidung nicht einfach. Oft ist die Vorstellung selbst anschaulich wie die Wahrnehmung. Im Prozeß des Wirklichkeitsabschätzung (reality monitoring) trennen die Menschen zwischen den Abbildungen einer den Sinnen zugänglichen Welt und der Vorstellung. Welche fünf Merkmale schreibt David Marks (1990) den Vorstellungen zu? • Vorstellungen entstehen in einem geistigen Produktionsprozeß von oben nach unten (topdown). In dem Prozeß werden Bilder von ganzheitlicher Struktur erzeugt, ohne daß sie vorher wie bei Wahrnehmungen aus elementaren Sinnesempfindungen von unten nach oben (bottom-up) zusammengesetzt werden. • Vorstellungen lassen sich im Raum verschieben und umgestalten, ohne daß ihre Struktur verloren geht, sowohl Merkmalsveränderungen als auch Verschiebungen zugelassen. • Man kann gegenüber Vorstellungen mühelos den eigenen Standort verändern. • Vorstellungen lassen sich verfeinern, als verfüge der Mensch über einen Vergrößerungsmechanismus, ein hochauflösendes graphisches System. • Vorstellungen gehen oft mit Emotionen einher. Weshalb Vorstellung, warum kann der Mensch das? Durch die Vorstellung kann man an Gegenständen die Handlungsplanung und das Problemlösen üben, ohne die Anstrengung und Folgen tatsächlicher Manipulation zu tragen. Vorstellungen sind willentlich beeinflußbar, Gerhard Steiner erklärt das zum Ursprung und der Funktion der Vorstellungen. Sie nehmen reale Objekte durch eine Antizipation sensorischer Information vorweg, an diesen innerlich vorweggenommenen Objekten können Handlungen vorweg genommen werden. Das Vorstellen sei selbst eine verinnerlichte Handlung. Deshalb müßten die Vorstellungen möglichst realitätsgetreu sein. Was folgt daraus, wie wurde dies überprüft? Daraus folgt, daß visuelle Bilder häufig vorkommen, da sie Analogdarstellungen sind und Wahrnehmungen weitgehend gleichen. Vorstellung als innere Handlung wurde von Andrea Halpern (1992) anhand von Melodien untersucht. Wie ein Musiker, könne man sich die Geschwindigkeit gespielter Melodien nicht beliebig variiert vorstellen. Es gibt Grenzen. Außerdem haben die Menschen für jedes Lied eine Vorstellung des angemessenen Tempos. An welchem Paradigma wurden Vorstellungen als innere Handlung häufig wie untersucht? Am Fall der mentalen Rotation. Hier wurde die mentale Rotation visueller Gegenstände untersucht. Als Gegenstände der Rotation benutzt man Schriftsymbole. Man bietet Buchstaben dar, die sowohl gedreht, als auch seitenverkehrt sein können. Man geht davon aus, daß die Probanden die Buchstaben, wenn sie diese ausgeschnitten zur Hand hätten erst in die gewohnte Lage bringen würden. Offenbar vollziehen die Personen in der Vorstellung die gleichen Operationen nach, wenn sie mit dieser Aufgabe konfrontiert sind. Dies wurde von Roger Shepard & Lynn Cooper (1973) untersucht. Die Probanden sollten beurteilen, ob die Figur normal oder spiegelbildlich wiedergegeben ist. Dies wurde durch den Druck eines von zwei Knöpfen signalisiert und die Reaktionszeit gemessen. Diese verlängerte sich mit der Größe des Drehwinkels gegen die Normale. Eine Spiegelverkehrte Darbietung benötige generell mehr Zeit, weshalb die Autoren auf einen zusammengesetzten Vorgang der Wahrnehmung schließen. Die Zeit spiegelt wider, wie lange die Probanden dafür brauchen. Wie sind die Vorstellungen beschaffen? Hier liegt der Vergleich mit bildverarbeitenden und bilderzeugenden Techniken nahe. Die moderne Computertechnik zeigt, daß eine analoge Darstellung auch durch ein propositional aufgebautes System zustande kommen kann. Die Frage, ob unser Vorstellungssystem beschaffen ist, wie ein technisches Graphiksystem beschäftigte viele Forscher. Wer war einer dieser Forscher, welche Experimente führte er durch? Einer der ersten war S. M. Kosslyn (1975). Er fragte sich, ob die Vorstellung einem Dia gleicht, bei dem alle Details gleichzeitig vollständig erzeugt werden, oder einem CADSystem, bei dem die Details sukzessive erzeugt werden. Um dies zu untersuchen benutzte er verschiedene Methoden zur Variation der Größe von Vorstellungen. Er überlegte sich, daß es bei einem Dia egal sein müßte, wie groß die Vorstellung ist, da die Details gleich bleiben. Er bot seine Probanden, sie sollten sich Tiere vorstellen, er gab ihnen 4 unterschiedlich große Quadrate vor (200cm²-1cm²). Die Probanden sollten ihre Vorstellungen der Größe des Quadrates anpassen. Danach prüfte er die Verfügbarkeit von Einzelheiten, wie z.B. das Vorhandensein von Körpermerkmalen der Tiere. Die Idee war, daß es keinen Unterschied machen sollte, wenn die Details gleich ersichtlich sind, die Reaktionszeiten sollten sich nicht unterscheiden. Dies taten sie aber. Daraus schloß Kosslyn, daß die Details erst nach und nach erzeugt werden. Dieser Prozeß des nachträglichen Erzeugens verzögerte die Antwort bei kleinen Bildern. Als Ergebnis hielt er fest, daß je kleiner das Vorstellungsbild ist, mehr Details weggelassen werden, die erst nach Bedarf ergänzt werden. Kann sich die Phantasie von der sinnlichen Erfahrung lösen? Die Kunst will sich jedenfalls nicht in der Wiedergabe der Natur erschöpfen. Die Vorgaben der sinnlichen Erfahrung begreifen Künstler dieses Jahrhunderts als Einschränkung ihrer Gestaltungsfreiheit. Sie verzichten auf gegenständliche Darstellungen und entwickeln Farben und Formen frei. Diese abstrakte Kunst wurde 1909 von Wassily Kandinsky (1866-1944) propagiert. Auch Paul Klee (1879-1960) betonte die eigenständige Welt, die sich der Künstler mit seinen Mitteln zu schaffen vermag. Unklar ist, ob daraus Ordnung entsteht. Wann setzt die Phantasietätigkeit ein, welche These wurde daraus abgeleitet? Diese scheint vor allem dann einzutreten, wenn die Wirklichkeit wenige neue und anregende Informationen anbietet. Dann schöpft das kognitive System eigene Bewußtseinsinhalte. Durch die Lösung von der Erfahrung der Wirklichkeit gewinnt sie an Freiheit, die in den Dienst der Wünschbarkeit gestellt werden kann. Eine beliebte These ist, daß die Phantasie nur unmittelbar der Wunscherfüllung dient. Vorstellungen könnten allein die Bedürfnisse befriedigen und werden dadurch zum Ersatz der Wirklichkeit. Wie untersuchte Wera Mahler(1933) ob Vorstellung allein zur Bedürfnisbefriedigung reicht? Sie beauftragte Probanden mit der Erledigung von Aufgaben. Sie verhinderte aber durch eine Störung den Abschluß der Arbeiten. Die Wiederaufnahmetendez nach einer Unterbrechung liegt zwischen 70-80%. Wenn die Probanden sich die Erledigung der Aufgabe nur Vorstellen sollten, sank die Wiederaufnahmetendenz auf 40% ab. Die Enttäuschung über den erzwungenen Abbruch wurde also weitgehend ausgeglichen. Wie steht es um weitere Studien zur Vorstellung als Ersatzbefriedigung? Das Bild ist uneinheitlich. Diese ist jedenfalls beim Leistungsmotiv sicherlich leichter herbeizuführen als z.B. beim Durst. Außerdem gibt es Studien, die zeigen daß die Phantasie nicht immer ausgleicht, was die Wirklichkeit an Befriedigung versagt. Wenn es einen solchen Ausgleichsmechanismus geben würde, müßten Personen die sich sexuell weniger betätigen weniger sexuelle Phantasien hervorbringen. Davidson (1975) erhob Daten von unverheirateten Studentinnen und widerspricht dieser Vermutung. Die meisten sexuellen Phantasien wurden von Frauen mit einen großen Sexualleben angegeben. Was hat es mit der Phantasie in der Kunst auf sich? Sie wurde oft als Raum der Freiheit gepriesen. Sie gestatte die Abkehr von quälenden Lebensumständen. So wurde immer wieder betont, die Gedanken wären frei, der Mathematiker Charles Dodgson pries die Phantasie als Mittel zur Überwindung der Langeweile. Unter dem Namen Lewis Carroll schrieb er Alice im Wunderland. Wie nennt man den Denkverlauf der Vorstellung? Da die Phantasie vom hundertsten ins tausendste kommt, nennt man der Vorstellungsverlauf divergent. Damit steht sie im Gegensatz zum konvergenten, problemlösenden Denken. Welche Arten der Phantasietätigkeit unterscheidet man? Man unterscheidet den Wachtraum und den Schlaftraum. 90% der Menschen berichten nach Singer (1966) von Wachträumen, die allermeisten Menschen haben Nachtträume, was sich zeigt, wenn man sie nachts weckt. Der Unterschied zwischen Wachtraum und Nachttraum besteht darin, daß im Wachen der Umweltkontakt noch fortbesteht, während er im Schlafen herabgesetzt ist, d.h. die Wachträume stehen in einer näheren Verbindung zu aktuellen Erlebnissen. So ist wohl auch die soziale Wahrnehmung teilweise durch Phantasie bestimmt. Die willentliche Beeinflußbarkeit von Wachträumen ist hoch, die von Schlafträumen niedrig, auch wenn Paul Tholey die Fähigkeit des Klarträumens propagiert, in dem man Willen hat. Welches Fazit zieht Ursula Morf-Rohr (1981) aus der Analyse von Schülertagträumen? Zwar wird das Tagträumen der Schüler oft als Störung des Lernens angesehen, sie findet aber, daß sich in ihnen die Struktur der sozialen Regeln der Erwachsenen spiegelt und sie deshalb als Einüben in die kommende Wirklichkeit verstanden werden können. Oft sind die Wünsche und Erwartungen an die Zukunft jedoch utopisch hoch. Wodurch sind Schlafträume bedingt? Das subjektive Erleben des Schlafes trügt. Im Schlaf durchlaufen die Menschen jede Nacht ungefähr fünf Zyklen, in denen die Schlaftiefe variiert. Diese Schlaftiefe ist durch die Widerstandsfähigkeit gegen Weckreize oder das EEG zu messen. Die Häufigkeit und Beschaffenheit der Schlafträume ist von der Schlaftiefe abhängig. Aus dem REM-Schlaf werden die meisten, lebhaftesten und detailliertesten Träume berichtet. Sie sind auch am deutlichsten. Traumberichte aus dem Tiefschlaf sind kurz, diffus und punktuell. Dies wurde z.B. von Foulkes (1964) untersucht. Wie steht es mit der Aufmerksamkeit im Schlaf? Diese ist durchaus sehr differenziert. Es ist bekannt, daß z.B. beim Ammenschlaf die Mutter bei anderen lauten Geräuschen weiterschläft und nur durch das Schreien des eigenen Kindes aufwacht. Im Experiment zeigten Oswald, Taylor & Treisman (1960), daß man noch im Schlaf den eigenen Namen von anderen unterscheiden und mit Handzeichen darauf reagieren kann. Freud (1900) meinte, daß solche Wahrnehmungen Träume stimulieren können. Welche Theorie zur Entstehung von Träumen entwickelte Freud (1900)? Er vertritt drei Thesen: • Die These von der Traumsymbolik. Er versuchte nachzuweisen, daß scheinbar unverfängliche Gegenstände für Genitalorgane stehen, welche die Betroffenen aus dem Bewußtsein verdrängen wollen. Im Zustand der Schlafes wäre die Kontrolle geringer, diese Inhalte würden ins Bewußtsein zurückdrängen und in verschlüsselter Form die Grenzen überwinden. Dabei gehen bewußte und unbewußte Inhalte eine Verbindung ein. Dies halten Hall und Van de Castle (1966) für nicht plausibel, da die Zahl der Träume mit offenkundiger Bedeutung viel zu hoch sei. Da sie nach Freud aber trotzdem aus dem Unbewußten stammen, seien sie infantil. • Die These von der Wunscherfüllung. Dies ist eine Ausarbeitung der These von der Bedürfnisbefriedigung der Phantasie. Er meint, Gänse träumen vom Mais. • Die These von der Aufarbeitung der Tagesreste. Der Traum sei der Hüter des Schlafes. Der Schlaf sei durch unerledigte Reize, die Tagesreste bedroht. Diese werden im Traum aufgearbeitet, um keinen Anlaß zum Aufwachen mehr zu bieten. Welche Alternativkonzeption zur Entstehung der Träume gibt es, was lehnt sie ab? Die Tiefenpsychologische Deutung der Trauminhalte wird von Harmon Ephron und Patricia Carrington (1966) abgelehnt. Die Trauminhalte seien unerheblich. Wichtig sei lediglich, daß die Hirnrinde durch aufsteigende Signale angeregt werde. Im Schlaf blieben die Informationen aus den Sinnesorganen mit zunehmender Schlaftiefe aus. Dadurch droht der Hirnrinde ein Schaden. Um diesen auszugleichen, tritt als Gleichgewichtsmechanismus vor allem die Brücke, d.h. niedriger gelegene Hirnteile in Aktion um die Hirnrinde zu stimulieren. Dies erhöht den Stoffwechsel und die Aktivität. Dies führe zu einer Verminderung der Schlaftiefe, deshalb sei der Schlaf zyklisch gesteuert. Der bewußte Traum sei lediglich ein Nebenprodukt dieser Tätigkeit. Im Traum treten die ausgelösten Nervenmuster subjektiv in Erscheinung. Die Art dieser Muster sei beliebig. Die Beliebigkeit der Traumereignisse spiegelt diese Beliebigkeit wider. Die Träume sind ja weitgehend sinnlos und spielen nur die Rolle eines Lückenfüllers wenn die Informationszufuhr aus der Umwelt unterbrochen ist. Was hat es mit dem Phänomen der Bewußtseinserweiterung auf sich? Es gibt in der Phantasie ein Phänomen, in dem das Bewußtsein gegenüber dem Alltagserleben eindrucksvoll erhöht zu sein scheint. Man scheint sich in einer übernatürlichen Welt jenseits der irdischen Erfahrung zu befinden. Diesen Übergang in eine andere Welt nennt man Transzendenz. Diese treten in Schlaf- und Wachtraum auf und sind durch Drogen relativ leicht herbeizuführen. Das Erleben der Welt wird übersteigert, aber es fehlen oft die Worte, um dieses Erleben adäquat zu beschreiben. Wie kann man sich diesem Phänomen annähern? Masters & Houston (1966) untersuchten die Bewußtseinsverändernde Wirkung von Drogen wie LSD. Die von den Probanden geschilderten Szenen waren von Merkmalen charakterisiert, wie sie für künstlerische und religiöse Erlebnisse typisch ist: • eine illusionär-exotische Szenerie. • eine mystisch-transzendentale Stimmung wie bei Sakralhandlungen. • Empathie (=Einfühlung), das Gefühl eines wechselseitigen Verständnisses. • Sinnlichkeit. • Freizügigkeit. Diese Züge übertreffen die Alltägliche Erfahrung und kommen in der psychedelischen Malerei zum Ausdruck. Die Inhalte des geweiteten Bewußtseins sind oft nicht Gegenständlich Wie ist diese durch Kunst und Religion vermittelte Steigerung des Bewußtseins zu bewerten? Diese wurde in der Geschichte unterschiedlich bewertet. Es gibt immer wieder Strömungen, die der Kunst und der Religion feindlich gesinnt sind. Diese halten die Änderung des Bewußtseins für illusionär und schädlich. Eine dieser Richtungen ist der Puritanismus, der sich in Europa nach der Reformation ausbreitete. So wollte Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt (1480-1541) den Sakralkult durch eine schlichte Innerlichkeit ersetzen. Die Vertreter des Materialismus wie z.B. Karl Marx lehnten alle auf überirdisches gerichtete Erlebnisse aus sozialpolitischen Gründen ab. Die Hoffnung auf die Befriedigung in der überirdischen Gerechtigkeit sei ein schlechter Ersatz für real fehlende Gerechtigkeit. Der Mensch mache die Religion, nicht die Religion den Menschen. Die Religion sei Opium für das sozial geknechtete Volk. Was ist das psychologisch bedeutsame am Begriff? Begriffe lassen sich Personen, Gegenständen und Ereignissen zuordnen. Diese werden nach ihrer Ähnlichkeit in Klassen eingeteilt. Dadurch werden sie ihrer Individualität entkleidet, es entsteht der Begriff. Welche Fragen ergeben sich, wenn man Begriffe anhand von Merkmalen bestimmen will? • Wieviele Merkmale nötig sind um einen Begriff zu bestimmen. • Wie die Merkmale beschaffen sind, die einen Begriff definieren. • In welcher Weise die Merkmale zum Bilden und erkennen von Begriffen kombiniert sind. Wer untersuchte die Begriffsbildung wie experimentell? Die Begriffsbildung wurde von Edna Heidbreder (1946a) untersucht. Diese bat Probanden Karten mit Zeichnungen nach der Zugehörigkeit zu gleichen Klassen in verschiedenen Stößen zu ordnen. Manchmal genügte zur Klassifizierung ein einziges Merkmal, z.B. die Menscheneigenschaft der Zweiheit zur Bestimmung des Begriffes „Paar“. Im allgemeinen konnten zur Begriffsbildung viele Merkmale herangezogen werden: Form, Farbe, Größe, Menge und viele andere. Was war ein erstaunliches Ergebnis dieser Untersuchung? Einerseits wurde nach Merkmalen klassifiziert, die selbst elementar sind und nicht in einfachere aufgelöst werden können, andererseits sind komplexere Merkmale wie z.B. Gesichter nicht schwerer zu erfassen, als elementare. Dies zeigt sich in der Zeit, in der die Karten zu Stößen gruppiert werden. Die Gesichter und Gebäude gingen sogar schneller als die abstrakten Mengen. Je abstrakter die Begriffe waren, desto länger dauerte die Zuordnung. Je größer die Konkretheit, desto schneller ging es. Die auf Gegenstände bezogenen Begriffe stehen der wahrnehmbaren Wirklichkeit näher, sind konkreter. Die Abstraktion erschwert den Umgang mit Begriffen. Was zeigten Haygood & Bourne (1965)? Bei der Definition von Klassen und Begriffen kann mehr als ein Merkmal beteiligt sein, neben Positivbestimmungen sind auch Negativbestimmungen zugelassen. Die positiven Merkmalszuordnungen werden Affirmation genannt, die negativen Negation. Sie untersuchten die Variation von Merkmalen in drei Ausprägungen der Dimensionen Form und Ausfüllung. Dadurch ergaben sich neun verschiedene Körper. Die Anzahl ergibt sich allgemein als (Anzahl der Ausprägungen)Anzahl der Dimensionen Wie erfolgt die Zuordnung von Merkmalen zu Begriffen nach Haygood & Bourne (1965)? Merkmalskombination(Bsp.) Regel Symbolische Beschreibung Affirmation Alle schwarzen Dreiecke Konjunktion S∧D Alle Dreiecke oder alle schwarzen Figuren Disjunktion S∨D Wenn die Figur schwarz ist, ist sie Dr. Implikation S→D Eine schwarze Figur nur, wenn sie Dr. ist Äquivalenz S←→D Negation Alle Figuren, die weder sch. noch Dr. sind Gemeinsame Verneinung S ∧ D S ∨ D Alle F., die entw. nicht schw. o. n. D. sind Alternative Verneinung Alle schwarzen Figuren, die n. dreieckig s. Einfacher Ausschluß S ∧ D Alle s. o. dr. F. aber keine schw. Dreiecke Alternativer Ausschluß (S∧D) ∨ (S ∧ D) Welche Studie führten Bruner, Goodnow & Austin (1956) durch? Sie versuchten zu ermitteln, auf welche Weise die Personen die jeweils anzuwendenden Regeln herausfinden. Sie unterschieden verschiedene Strategien. Die häufigste war die positive Zentrierung (=positive focusing). Bei dieser Strategie suchen die Probanden zuerst nach einem bedeutsamen Merkmal, an diesem halten sie fest und suchen dann nach weiteren Merkmalen. Diese Strategie eignet sich gut zur Bestimmung von Konjunkionen, jedoch nicht für Disjunktionen. Worauf weisen Bruner, Goodnow & Austin (1956) hin? Das Ermitteln von Begriffen erfolgt nicht immer logisch vollständig. Dies liegt daran, daß • Merkmale einer Klasse nur mit einer bestimmen Wahrscheinlichkeit zugeordnet sind. • Menschen schöpfen bei der Klassifikation nicht alle logischen Möglichkeiten aus, oft treffen sie riskante Entscheidungen aufgrund weniger Merkmale. Von wem wurde der Ansatz der Merkmalsklassifikation von Begriffen heftig kritisiert? Von Eleanor Rosch (1978). Nach solchen Klassifikationregeln würden sich Menschen nur richten, wenn man sie in einer künstlichen Umgebung dazu nötigt, d.h. wenn man sie dazu bringt, künstliche Begriffe zu bilden. Die natürlichen Begriffe würden anders gebildet und benutzt. Den Inhalt natürlicher Begriffe erfahre man als Ganzheit und sei in großer Verlegenheit, wenn man deren Inhalt anhand einzelner Merkmale definieren soll. Wie definieren Menschen besonders vertraute Begriffe? Nach Eleanor Rosch durch die Begriffe selbst – ein Fahrrad sei eben ein Fahrrad. Der Versuch, solche vertrauten Begriffe weiter zu definieren wirke befremdlich und erheiternd, wie die Behörden immer wieder zeigen. Nur Verwaltung und Wissenschaft mache sich die Mühe einer präzisen Bestimmung anhand einzelner Bestimmungsmerkmale. Wie vollzieht sich die Begriffsbildung nach Rosch (1975)? Nach Rosch werden Klassen jeweils durch ein herausragendes Mitglied bestimmt. Ein passendes Exemplar wird zum Vorbild, zum Prototyp einer Klasse. Jeder Begriff sei durch einen Prototyp bestimmt. Dieser werde im Verlauf der Begriffsbildung ganzheitlich erfaßt, die einzelnen Merkmale werden nicht ausdrücklich beachtet. Nach dieser Theorie kann man den Prototyp jeder Klasse ermitteln und die Typikalität anderer Mitglieder dieser Klasse bestimmen. So ist die Schwalbe der Prototyp der Klasse Vogel, auch wenn das Haushuhn biologisch gesehen auch ein Vogel ist. Wie bestimmt man die Typikalität eines Begriffes? Diese werden zu einer Klasse gezählt, wenn sie mit dem Prototyp vergleichbar sind. Die Ähnlichkeit zum Prototyp ist der Maßstab der Klassenzugehörigkeit. Die Merkmale anhand derer nach dem Prinzip der Familienähnlichkeit verglichen wird, stehen den jeweiligen Personen frei. So können A und B ähnlich zu C sein, ohne sich selbst zu ähneln. Welche Faktoren wirken nach Rosch außerdem auf die Besetzung von Begriffsklassen? • Objekte in gleichen Klassen ähneln sich in ihrem Umriß mehr als Objekte in verschiedenen Klassen. • Objekte in gleichen Klassen haben ähnliche Funktionen. • Man führt Objekten der gleichen Klasse gegenüber ähnliche Handlungen aus. Welche Gliederung von Begriffen ergibt sich innerhalb der gleichen Begriffsklasse? Es lassen sich Beziehungen zwischen Begriffen der gleichen Klasse ermitteln. Nach der Merkmalstheorie ergeben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verwandten Begriffen aus den für sie charakteristischen Merkmalen. So fehlen dem Begriff des Arztes spezifische Merkmale, die der Begriff des Gynäkologen hat. So ist der Gynäkologe ein Spezialfall des Arztes. Ein Arzt kann auch durch andere Merkmale zu anderen Spezialfällen werden. Es handelt sich um einen weiten Oberbegriff, der die anderen, spezielleren als Unterbegriffe einschließt. Wie können diese Hierarchien ausgeformt werden? Durch Anreicherung eines allgemeinen Merkmals mit spezifischen Merkmalen sind nach der Merkmalstheorie so viele Über- und Unterordnungsverhältnisse zu erzeugen, wie es charakterisierende Merkmale gibt (Klix 1978). So ist z.B. vor allem in der Biologie eine sehr differenzierte Schichtung von Begriffen in teilweise siebenstufige Hierarchien möglich. Je spezifischer ein Begriff ist, desto vollständiger sind in ihm die Eigenschaften eines wahrgenommenen Gegenstandes enthalten, er ist konkreter und der Realität näher. Je höher ein Begriff in der Hierarchie ist, desto abstrakter ist er auch, damit geht ein Verlust an Anschaulichkeit einher. Welchen Beitrag leistete Eleanor Rosch zum Problem der Hierarchisierung von Begriffen? Sie meinte, die Zahl und Art von Über- und Unterordnungen sei nicht beliebig durch Hinzufügen oder Auslassen von Gegenstandsmerkmalen bestimmt, in der natürlichen Begriffsbildung außerhalb von Wissenschaft und Verwaltung komme es nur zur Ausprägung von drei Abstraktionsebenen. Welche Abstraktionsebenen differenzierten Rosch, Mervis, Grey et. al (1976) warum? Der Aufbau der Hierarchie vollziehe sich von Grundbegriffen aus, welche zugleich die mittlere Ebene besetzen. Durch Generalisierung von Grundbegriffen entstünden Oberbegriffe. Durch Differenzierung des Grundbegriffes entwickelten sich Unterbegriffe. Dieser Dreiteilung liegen Ökonomieerwägungen zugrunde. Begriffe sollen zwei Prinzipien genügen: • Je mehr Klassen und Begriffe, desto größer die Differenziertheit. • Je weniger Klassen und Begriffe, desto größer die Überschaubarkeit. Da diese Begriffe im Widerspruch stehen, gilt es ein Optimum zu finden, welches die größte mögliche Differenzierung bei größtmöglicher Überschaubarkeit gewährleistet. Dieses Optimum findet sich in den Grundbegriffen. Wie wies Rosch ihre Behauptungen nach? Wenn man Personen sagt, sie sollen zu Begriffen Eigenschaften und ausführbare Tätigkeiten nennen, so nimmt diese Zahl bei den Oberbegriffen rapide ab. Die Zahl steigt bei den Unterbegriffen nur unwesentlich an, was den Verlust der Übersichtlichkeit nicht rechtfertigt. Welche Beziehungen bestehen zwischen Begriffen verschiedener Klassen? Diese stehen meist nicht im einem Verhältnis der sprachlichen Logik wie die Begriffshierarchien, sondern beruhen auf der Erfahrung einer Zusammenhang stiftenden Episode. Die Verknüpfung von Bewußtseinsinhalten hat in der Philosophie eine lange Tradition, so nannte der Philosoph David Hume (1711-1776) Prinzipien, die Zusammenhänge zwischen Ideen stiften sollen. Welche Prinzipien stellte David Hume zur Lehre des Assoziationismus auf? • räumliche und zeitliche Nähe (Kontiguität) • Ähnlichkeit • Häufigkeit der Verknüpfung Auf diesen Prinzipien gründet die Lehre vom Assoziationismus. Diese Lehre glaubt, die menschliche Vorstellungs- und Gedankenwelt sei als Menge von Einzelverbindungen, den Assoziationen zu erklären. Wie wurden die Assoziationen von Personen untersucht? Personen wurden Wörter (Reizwörter) oder Bilder vorgelegt, sie sollten mit den ihnen dazu einfallenden Wörtern (Reaktionswörtern) antworten. Zu jedem Reiz gab es eine Reaktion. So wurden Einzelassoziationen erhoben. Assoziationsketten wurden gebildet, indem man die Reaktionen auf die Reaktionswörter erhob. Wer führte die erste umfassende Erhebung zu Assotiationen durch? Gertrud Saling (1908). Diese untersuchte die Reaktionen von Schülern und Studenten anhand von Reizwörtern wie Dolch, Harfe, Schürze. Aus den Ergebnissen formulierte die Autorin ein Assoziationslexikon. Zu jedem Reizwort wurde die Häufigkeit von Reaktionswörtern erhoben. Dies wurde später von Postman & Keppel (1970) zu Assoziationsnormen für verschiedene Sprachen und Bevölkerungen ausgebaut. Was sind Assoziationsnetze? Die Einzelassoziationen sind nur die kleinstmöglichen Ausschnitte aus einem größeren Netz von Assoziationen. Dieses enthält mehrere Begriffe, die manchmal wechselseitig voneinander abhängig sind (z.B. Nadel und Faden), manchmal nicht. Die wechselseitige Abhängigkeit braucht nicht symmetrisch zu sein (wenn z.B. Nadel häufiger Faden hervorruft, als Faden Nadel). Manche Assoziationen gehen ohnehin nur in eine Richtung. Diese wurden vor allem von Deese (1961) untersucht. Für welche Art der Psychologie kann man die Assoziationsnormen nutzen? Für die Kriminalpsychologie. Wenn man die normale Häufigkeit von Reaktionen kennt, kann man die Seltenheit einer Reaktion beurteilen. Diese Abweichungen von der Norm ließen sich als Indiz für den Tatverdacht deuten. Auch ein Meiden einer geläufigen Reaktion kann als Schuld ausgelegt werden. Diese Methode wird jedoch aus juristischen Bedenken in Deutschland nicht angewandt. Was sind Wissensstrukturen, wozu dienen sie? Es handelt sich um zusammenfügungen von Vorstellungen und Begriffen. Diese bilden einen Teil der Wirklichkeit in der Kognition ab. So entsteht bereichsspezifisches Wissen. Diese ist Voraussetzung für • Verstehen von Erfahrungen und Mitteilungen • Planen und Handeln Wie stellt man die Zusammenhänge zwischen Begriffen in Wissensstrukturen dar? Eine beliebte Darstellungsform ist das Netz. Die Netze bestehen aus Knoten und Kanten. Die Begriffe sind die Knoten, die Verbindungen dazwischen sind die Kanten. Insofern sind auch die Assoziationsnetze einfache Wissensstrukturen. Eine differenziertere Darstellung sollte jedoch auch die Beschaffenheit der Verbindung abbilden. Wenn man auch die Art bestimmt, erhält man ein semantisches Netz. In diesem tragen die Beziehungen eine Bedeutung. Diese Beziehungen finden oft in der Sprache Ausdruck. (D.A. Norman & Rumelhart D.E. 1978). Wovon handelt die Forschung zu semantischen Netzen? Es geht darum, festzustellen, welche Begriffe als Knoten und welche Beziehungen als Kanten benötigt werden, um Verstehen und Handeln zu ermöglichen. Ein semantisches Netz entfaltet sich um ein Ereignis, eine Handlung. Zu diesem Ereignis stellt man entsprechend der Sprachanalyse Fragen analog zu den Deklinationsfällen der Hauptwörter. Im Mittelpunkt steht also ein Prädikat, um welches sich Rollenbestimmungen, Argumente gruppieren. Wovon handeln die Deklinationsfälle von Hauptwörtern? Von Rollen bei Handlungen, z.B. • die Rolle des Handelnden, des Agenten. • die Rolle des Behandelten, des Objekts. • die Rolle des Mittels der Behandlung, das Instrument. • die Rolle des Orts der Behandlung, die Lokation. Von wem stammt die Methode, durch die Analyse von Deklinationsformen die Darstellung von Wissensstrukturen abzuleiten, worin besteht seine Kasustheorie? Von Charles Fillmore (1968). Seine Kasustheorie wurde in der Kognitionspsychologie vielfach aufgegriffen. Der Agent entspricht dem Nominativ, Objekt dem Akkusativ. Nutznießer ist Dativ. Welche anderen Darstellungen des semantischen Netzes gibt es? Oft wird das semantische Netz abgewandelt, dann bildet den Kern die Aussage, es besteht eine Beziehung, die als Relationsknoten dargestellt wird. Dann wird es mit Argumenten angereichert, die das Prädikat näher bestimmen. Einige dieser Argumente sind für das Verständnis notwendig (obligatorisch), andere sind beliebig (fakultativ). Durch diese Systeme sind Sätze darstellbar. Man kann auch zwei Relationen miteinander verknüpfen, dadurch werden als kleinen semantischen Netzen große. Daraus ergibt sich das Ziel, daß Wissen der Welt in Form von semantischen Netzen darzustellen. Dies ist ein Anliegen der Kognitionwissenschaft und wäre auch aus praktischer Sicht nützlich. Wer entwickelte die Schematheorie, was besagt sie? Die Schematheorie wurde von Marvin Minsky (1975) entwickelt. Diese wurde von der kognitionspsychologischen Forschung aufgegriffen. Ein Schema sind Wissensstrukturen, die mehrmals in gleicher Form anwendbar sind. So kann man das Schema des Gesichts mit wenigen Strichen zeichnen und beliebig erweitern, enthält aber alle wesentlichen Züge von wirklichen Gesichtern. Was versteht Marvin Minsky unter einem Schema? Er verstand unter einem Schema einen Rahmen. Ein Rahmen ist eine bereichsspezifische Wissensstruktur mit zwei Ebenen. Auf einer Ebene befinden sich unveränderliche Bestimmungen, auf der zweiten Ebene sind die slots, freie Plätze zur wechselnden Belegung. Rahmen können einander zugeordnet oder miteinander verknüpft sein. Besteht eine hierarchische Ordnung, so spricht man von Unterrahmen, die in übergeordneten Rahmen enthalten sind. So enthalten die übergeordneten Rahmen mehrere Unterrahmen. Verknüpfungen entstehen durch gemeinsame Leerstellen. Was ist ein Script-Schema? Dies ist eine Anlehnung an die Filmproduktion und stammt von Roger Schank und Robert C. Abelson (1977). Scripts enthalten Angaben über eine bestimmte Situation und die in ihr ablaufenden Ereignisse. Dazu gehören nach Schank & Abelson vor allem folgende Angaben: • Örtlichkeit • Requisiten • Rollen • Eingangsbedingungen, bzw. Motive • Ausgangsbedingungen • Szenen, bzw. Handlungsabläufe Die Teile des Schemas sind Leerstellen, die sich vielfältig ausfüllen lassen. Beliebte Scripts sind z.B. Bahnhof, Krankenhaus oder Restaurant. Diese Sript-Schemata sind kulturspezifisch. Diese Scripts dienen zum einfacheren Verständnis von Aussagen oder Abläufen. Durch sie wird viel implizites Wissen aktiviert und unvollständiges kann verstanden werden. Was ist die Grundlage des Witzes nach Hellmuth Metz-Göckel (1989)? Eine Grundlage von Witzen sei die Schematik von Scripts und deren plötzlicher, überraschender Wechsel. In welche Richtungen entwickelt sich die Script-Forschung? Vor allem in zwei Richtungen: Zum einen geht es um eine Bestandsaufnahme verfügbarer Scripts, zum anderen geht es um die Nützlichkeitkeit verfügbarer Scripts für das Verständnis von Äußerungen und das Bewältigen praktischer Aufgaben. Nicht zuletzt interessieren sich Kognitionswissenschaftler dafür, wie Scripts beschaffen sein müssen, damit Computer die Bedeutung neuer Sätze automatisch verstehen. Was ist ein derzeit häufig benutztes Konstrukt zur Kennzeichnung von Wissensstrukturen? Mentale Modelle. Modelle sind nach einer Definition von Stachowiak (1973) – • Abbildungen von Originalen, • Reduktionen der Originale auf bedeutsam erscheinende Bestandteile, • werden nach praktischen Gesichtspunkten hergestellt. Die mentalen Modelle werden nicht konkret aufgebaut, sondern bestehen nur in der Kognition. Dieses Konstrukt entspricht recht gut dem Alltagsverständnis von Wissen. Dieses Konstrukt so zu präzisieren, das es über dieses Alltagsverständnis hinausreicht ist eine der größten Herausforderungen der Kognitionspsychologie. Was ist schwierig an mentalen Modellen? Theo Herrmann (1988) äußerte Zweifel, ob die Kognitionsforschung es schaffen kann, innere Repräsentationen zu beschreiben, die Originale zu kennzeichnen und die Beziehung zwischen beiden zu bestimmen. Vor allem ist ungeklärt, inwieweit es sich um Vorstellungen, Begriffe oder Erinnerungen handelt, wieweit diese bewußt (explizit) oder sprachlich gefaßt sind. Möglicherweise ist menschliches Wissen eine heterogene Struktur, d.h. eine Mischung aus bewußtem und unbewußtem, sprachlichem und bildlichem, erinnertem und vorgestelltem. Brauchen mentale Modelle unmittelbar auf das Original zurückgehen? Nein, die Erfahrung scheint oft von einem Objekt auf ein anderes übertragen zu werden. Dies untersuchten Dedre & Donald Gentner (1983) bei Modellen von Stromkreisen. Obwohl Menschen wenig über Spannung und elektrische Schaltungen wissen, übertragen sie ihr Wissen über das Fließen von Wasser oder das Verhalten von Menschenmengen. Dieses Wissen ist übertragbar. Man spricht von verhältnisgleichen Gegenständen, Analogien. Dies untersuchte auch Oliver Bube und fand, daß verschiedene Analogien unterschiedlich gut fürs Verständnis sind. Die Verhältnisse sollten sich möglichst gut gleichen, so ist eine Darstellung einer Schleuse eine bessere Lernhilfe, als die Darstellung einer Menschenmenge. Wie ist die Phantasietätigkeit von Kindern zu beurteilen? Einerseits sagt man ihnen eine große Phantasietätigkeit nach, da sie nicht so stark wie bei Erwachsenen durch die Realität eingeengt sei, allerdings konnten Mussen, Conger & Kagan (1976) nachweisen, daß jüngere Kinder sehr stark konkret denken und ihnen die Vorstellung von fliegenden Fischen mit drei Köpfen völlig fremd ist. Phantasievollere Vorstellungen entwickeln sich erst später. Was zeigte Baillargeon (1987)? Er zeigte, daß Objektrepräsentation, Wissenserwerb und Begriffsbildung Hand in Hand gehen. Die Aneignung von Wissen gleicht einem Schreiten über Stufen, das Erreichen höherer Stufen setzt das Einnehmen niedriger Stufen voraus. Bereits bei Säuglingen ist eine Form der Objektrepräsentation nachzuweisen. Dies wurde mit dem Habituationsparadigma untersucht. Den Säuglingen wurden Spielfahrzeuge vorgeführt, bis sie sich daran gewöhnt hatten. Die Säuglinge, denen man ein Hindernis hinter einem Schirm gezeigt hatte, blickten länger hin als andere, was als Beleg für deren Objektpermanenz gewertet wurde. Die Unterscheidung eines möglichen und eines unmöglichen Ereignisses setzt die innere Repräsentation der Objekte voraus. Wie untersuchte Kosslyn (1978) die Entwicklung der Repräsentationsformen? Er nahm an, daß sich sensumotorische Schemata (z.B. Wissen, wie man eine Tasse hält) zu räumlich-bildlichen Vorstellungen (Vorstellung einer Tasse) und zu sprachlich-symbolischen Repräsenationen (das Wort „Tasse“) erweitert. Er legte unterschiedlich alten Kindern Aussagen über das Vorhandensein eines Merkmals bei einem Tier vor, deren Wahrheitsgehalt diese beurteilen sollten. Die Idee war, daß der Wahrheitsgehalt von größereren Merkmalen schneller entdeckt werden kann, als von kleineren, wenn Vorstellungen die Grundlage der Entscheidung sind. Wenn auf sybolisch, explizit-semantisches Wissen zurückgegriffen wird, dürfte die Größe der Merkmale keinen Unterschied machen. Es wurde gefunden, daß die Antworten von sechsjährigen selbständig auf Vorstellungen basieren, die von Erwachsenen nur auf Instruktion. Was fand Dedre Gentner zum Wachsen von Wissen? Sie zeigte, daß die Kinder Verben zum Besitzwechsel in einer Stufenfolge erwerben. Die Bedeutungselemente werden stufenweise angehäuft. Dies wurde anhand der Sesamstraße überprüft. Stufe 1 beherrschten schon dreijährige: GEBEN/NEHMEN. Besitzwechsel. Stufe 2 ist TAUSCHEN/BEZAHLEN. Besitzwechsel mit gegenseitiger sozialer Verpflichtung. Stufe 3 ist KAUFEN/VERKAUFEN, dies umfaßt alles vorherige, wobei zusätzlich noch eine Übereinkunft über den Wert der Ware getroffen wird. Wovor warnte Jean Piaget (1974), welche Konzeption vertrat er selbst? Er warnte davor, den Erkenntnisfortschritt allein als Anhäufung von Wissen zu erklären. Die geistige Entwicklung schließe einen beträchtlichen qualitativen Wandel ein. Zunächst wäre das Kind aktiv, konkret und egozentrisch. Durch greifen und manipulieren erkenne das Kind die Gegenstände der Umgebung und erlebe sich als Auslöser von Ereignissen in der Umwelt. Durch diese Interaktion mit der Umwelt bilden sich interne Erkenntnisstrukturen, diese durch äußere Vorbilder geprägten Schemata wären abhängig von unmittelbarer Erfahrung, gegenstandsgebunden und immer noch egozentrisch. Mit fortschreitender Entwicklung würden die von außen übernommenen Schemata zunehmend kognitiv umgeformt und zu inneren Schemata, die zunehmend abstrakt sind. Das egozentrische Weltbild weiche einem flexibleren und allgemeineren. Was kann die Folge sein, wenn die mentalen Modelle von Menschen nicht übereinstimmen? Unzufriedenheit, z.B. wenn die von Ingenieuren und Anwendern der konstruierten Geräte nicht übereinstimmen und dies nicht berücksichtigt wird (Frese & Brodbeck 1989). Wie unterscheidet sich das Wissen von Experten und Anfängern? Expertenwissen wird durch fortgeschrittenes Lernen aufgebaut. Dieses vermehrt das Wissen nicht nur, sondern gestaltet es auch um. Dies hat zur Folge, daß • Experten abstraktere Begriffe benutzen • Experten mehr Zusammenhänge zwischen den Wissensbeständen herstellen • Experten haben ihr Wissen nach Anwendungsfällen geordnet • Experten haben deklaratives (beschreibendes) Wissen besser mit prozeduralem Expertenwissen verknüpft. Wie wurden diese Unterschiede nachgewiesen? Chi, Feltovich & Glaser (1981) verglich Studienanfänger der Physik mit Doktoranden nach einem Mechanikkurs. Diese sollten Aufgaben in Kategorien sortieren. Die Anfänger wählten die Kategorien nach Oberflächenmerkmalen, wie der äußeren Form der beschriebenen Gegenstände, die Experten gruppierten nach der Tiefenstruktur physikalischer Gesetze. Welche Untersuchungen betrieb Kelly (1955)? Er wies darauf hin, daß die individuellen Begriffe die Grundlage der individuellen Persönlichkeit sind. Jeder Mensch schaffe sich ein Weltbild und Selbstbild, er konstruiere sein Verständnis von Personen, Gegenständen und Ereignissen wie ein Wissenschaftler, durch Beobachtung, Schlußfolgerung und Deutung. Das Ergebnis, die selbstkonstruierten persönlichen Begriffen (personal constructs) bestimmen die Persönlichkeit des Menschen. Ein Wandel in der Begrifflichkeit ziehe einen Persönlichkeitswandel nach sich. Was ist Voraussetzung und Folge des Zusammenlebens in Gruppen? Die Entwicklung und Pflege gemeinsamer Vorstellungen und Begriffe. Diese nennt man soziale Kognitionen, ein vorrangiger Gegensand der Sozialpsychologie. Wann werden Kognitionen sozial bedeutsam genannt? • Wenn sie soziale Sachverhalte betreffen • Wenn sie Individuen zu partnerschaftlichen Gruppen vereinen oder sie in rivalisierende Gruppen trennen • Wenn sie soziales Handeln leiten Womit beschäftigt sich die Sozialforschung im Hinblick auf soziale Kognitionen? Es geht um die Struktur sozialer Kognitionen und deren zeitlichen Wandel. So wurde seit Beginn der 80er das ökologische Bewußtsein stark von Angst um Energie und Rohstoffe geprägt (Fietkau, Kessel & Tischler 1982). Welcher frühe Ansatz beschäftigt sich mit der Struktur sozialer Kognitionen? Der Ansatz von Abelson und Rosenberg (1958). In diesem werden soziale Kognitionen in drei Elemente zerlegt: • Handelnde (Betroffene, Gruppen, etc.) • Mittel (Handlungen, etc.) • Ergebnisse (Schaden, Nutzen, etc.) Zwischen diesen Elementen bestehen vier Arten von Beziehungen: positive, negative, ambivalente und neutrale. Was untersuchten Muzafer & Carolyn Sherif (1953)? Sie untersuchten die sozialen Kognitionen bei Gruppen in einem Ferienlager. Um die Gruppe zu erhalten, üben ihre Mitglieder aufeinander Druck aus um ihre Meinungen und Kenntnisse einander anzugleichen. Um dies zu können bedarf es eines Wissens über das Denken der anderen. Dieses ist keine Selbstverständlichkeit. Man muß zwischen dem eigenen Denken (Selbstbild) und dem Denken anderer (Fremdbild) differenzieren. Wie nennt man das Nachdenken über die Gedanken anderer? Nach Miller, Kessel & Flavell (1970), nennt man es rekursives Denken. Dieses kann mehrere Schleifen durchlaufen. Im einfachsten Fall hat es die Form „A denkt, daß B denkt“, kann sich aber auch erweitern nach dem Muster „A denkt, daß B denkt, das C denkt,...“. Dieses rekursive Denken bildet die Grundlage für das Verständnis der Sichtweise anderer. Louis Oppenheimer (1980) arbeitete heraus, wie aus dem rekursiven Denken die Differenzierung verschiedener Perspektiven hervorgeht und die Möglichkeit, eine dieser Perspektiven zu übernehmen. Was ist die Bedeutung sozialer Kognitionen? Sie bilden die Grundlage des gemeinschaftlichen Handelns. Sie bestimmen Handlungsziele, die Wege zu diesen Zielen und die Wahrnehmung von Situationen und die Organisation der Beteiligten. Diese sozialen Kognitionen finden durch Kommunikation Verbreitung. Was untersuchte Mees (1974)? In sozialen Gemeinschaften entstehen Bilder anderer Gruppen. Diese Bilder nennt man nach Walter Lippmann Stereotype. Diese werden ungeachtet der individuellen Variationen über alle Mitglieder der betroffenen Gruppen verallgemeinert. Oft ist das Bild von Menschen, die mit der anderen Gruppe zusammenleben freundlicher als das, von Gruppen die man nur entfernt kennt. Häufig nimmt dort das Bild der anderen Gruppen den Charakter von Feindbildern an. Dies führt schnell zu Aggressionen. Um diese zu vermeiden, beschäftigt sich die Sozialpsychologie mit der Entstehung und den Folgen von sozialer Stereotypen. Kapitel 6: Schlußfolgerndes Denken Wozu dient das Denken? Im Prinzip geht es darum, Lücken zwischen Beobachtungen zu schließen. Inseln des gesicherten Wissens im Meer der Ungewißheit zu verbinden. Was macht Hypothesen und Theorien aus? Hypothesen sind Annahmen, mehrere aufeinander bezogene Annahmen sind Theorien. Was macht nach Frederic Bartlett (1951) das Denken aus? Das Hinausgehen über die gesicherte Information der Wahrnehmung. Es handele sich um eine Interpretation von Erkenntnissen. Jedoch denken Menschen immer, wenn sie sich mit Erkenntnissen beschäftigen, sie gehen immer über die unmittelbare sinnliche Erfahrung hinaus. Was ist hierbei zu beachten? Auch die Wahrnehmung gewährleistet keine sichere Erkenntnis. Diese ist selbst unvollständig, widersprüchlich und ungeordnet, bzw. bedarf einer entsprechenden Deutung oder Korrektur durch das Denken. Woraus erwächst die Sicherheit der Erkenntnis? • Durch das Entwickeln und Anwenden der Regeln effektiven Denkens, • Durch die Einbeziehung einschlägiger Erfahrung, • Durch die Entwicklung, Prüfung und Kombination einschlägiger Hypothesen, • Durch das Sammeln neuer Beobachtungen. Wie kommt der Denkfortschritt zustande? Er wird nicht nur durch die Zahl der eingebrachten Annahmen erhöht und deren Stimmigkeit bewiesen, sondern auch durch • die begründete Rückweisung von Annahmen, • den Nachweis von Widersprüchen, • den Hinweis auf Erkenntnislücken. Dadurch wird nämlich die Suche nach neuer Information eingeleitet. In welchem Zusammenhang stehen Beobachtung, Denken und Gedächtnis? Das Erkennen nährt sich aus der relativ sicheren Wahrnehmung und unsicheren Annahmen. Das Denken lenkt die Wahrnehmung. In den Denkprozeß gehen Erfahrungen ein, die erzielten Erkenntnisfortschritte werden im Gedächtnis gespeichert. Welche Arten des Denkens sind zu unterscheiden? Rekonstruktives, prognostisches und konstruktives Denken. Es handelt sich um unterschiedliche Denkstränge, diese unterscheiden sich hinsichtlich des Erkenntnisziels. Was kennzeichnet diese Denkformen? Beim rekonstruktiven Denken geht es darum, ein Ereignis in der Vergangenheit gedanklich zu rekonstruieren. Dieses Verfahren eignet sich auch dazu, gegenwärtiges Geschehen zu untersuchen. Prognostisches und konstruktives Denken ist auf die Zukunft gerichtet. Der Unterschied liegt in der Perspektive, beim prognostischen Denken geht es um die Vorhersage eines unbeteiligten Beobachters, beim konstruktiven (produktiven) Denken um die Handlungsoptionen eines Gestalters, es geht um die aktive Herbeiführung späterer Zustände. Welches Fazit zieht Dürrenmatt (1962)? Er hält das naturwissenschaftliche Denken für viel zu gefährlich, allerdings sei es unvermeidlich. Der Fortschritt sei unaufhaltbar, alles was je gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden und alles Denkbare wird einmal gedacht. Wodurch ist der Induktionsschluß gekennzeichnet? In der Induktion wird von einem Fall (oder wenigen Fällen) auf alle (oder einzelne) ähnliche Fälle verallgemeinert. Diese sind für alle drei besprochenen Formen des Denkens anwendbar. Was ist ein deduktiver Schluß? Die Deduktion (=herabführen, herleiten) ist eine zwingende Form der Ableitung neuer Aussagen aus vorgegebenen Aussagen. Was ist ein Syllogismus (=Neubildung aus syn=zusammen, logos=Satz, Behauptung)? Aus zwei Prämissen (=vorausschicken) wird ein dritter Satz, die Konklusion (=Folgerung) hergeleitet. Diese Syllogismen sind nicht gekennzeichnet durch ihren Inhalt, sondern ihre formale Struktur. Was gilt für die Sätze in einem Syllogismus? Die Sätze können positiv (affirmativ) oder negativ formuliert sein. Außerdem können sie unterschiedlich quantifiziert werden. Universelle Sätze erstrecken ihre Aussage auf alle Mitglieder einer Klasse, partikular bestimmte auf einige Mitglieder einer Klasse. Wieviele verschiedene Arten von Syllogismen unterscheiden Logiker? Nach Johnson-Laird (1977) gibt es 512 verschiedene Syllogismen, da die Form der Prämissen unterschiedlich kombiniert sein kann. Von diesen besitzen jedoch die meisten keine schlüssige Lösung. Was gilt für die Schlüsse aus Syllogismen? Ob zwei Prämissen einen eindeutigen Schluß zulassen, läßt sich nach einsichtigen logischen Regeln bestimmen. Außerdem ist jede Konklusion als richtig oder falsch zu bewerten. Allerdings ist umstritten, ob die Deduktion neue Erkenntnisse ermöglicht. Eigentlich nicht, da man kein Wissen gewinnt, welches nicht schon in den Prämissen enthalten wäre, aus psychologischer Sicht kann man jedoch schon von neuen Erkenntnissen sprechen. Aus der Synthese der vorgegebenen Aussagen ergibt sich zumindest eine neue Sicht eines bereits bekannten Sachverhaltes. Max Wertheimer (1925) meint dazu, daß man spürt, daß man weitergekommen ist. Wie sind die Syllogismen anschaulich zu analysieren, was folgt für die Deduktion? Am besten Mengentheoretisch anhand der Venn-Diagramme. Diese gehen auf den Moralphilosophen und Logiker John Venn (1834-1923) zurück. Er handelt sich hierbei um eine schematische Darstellung von Mengen und ihren Verknüpfungen. Darin läßt sich die logische Struktur der Syllogismen sehr gut abbilden. Diese Mengendarstellung veranschaulicht die unerbittliche Schärfe der Deduktion, diese macht Gemeinsamkeiten in verschiedenen Aussagen kenntlich und formuliert diese als Konklusion, der überschüssige Teil, in dem sich die Prämissen nicht überlappen, geht verloren. Der deduktive Schluß begnügt sich mit einem Ausschnitt des gesamten Wissens, deshalb nennt Joseph Klemens Kreibig (1909) diese Art des Denkens regressiv, d.h. zurückweichend. Welche Arten von Syllogismen sind zu unterscheiden? Es gibt sowohl die Prädikatenlogik, als auch eine Reihenbildung, die Seriation, in welcher Beziehungen zwischen Einzelgliedern näher bestimmt werden, die in einer längeren durchgehend geordneten Reihe stehen. Was gilt für die Seriation? Es zählt nur die Lage oder das mehr oder weniger einer Eigenschaft. Diese Syllogismen haben auch Regeln gültiger Schlüsse, allerdings kann man sie im Venn-Diagramm nicht darstellen. Was ist der Unterschied zwischen einstelligen Prädikaten und zweistelligen Relationen? Erstere haben z.B. die Form alle x sind y. Letztere haben die Form x ist größer als y. Wer untersuchte den Ablauf des deduktiven Denkens? Gustav Störring (1860-1946) untersuchte zwischen 1908 und 1926 die Bearbeitung von Syllogismen der formalen Logik. Er benutzte abstrakte Sätze. Johannes Lindworsky (18751939) nutzte in seiner Studie von 1916 bedeutungsvolle Sätze als Material. Welche Beziehung besteht zwischen formaler Logik und der Linguistik? Nur die ausgebildeten Wissenschaftler der jeweiligen Disziplinen können die entsprechenden Regeln explizit benennen. Dies hindert jedoch den Laien nicht am richtigen sprechen oder ziehen von richtigen Schlüssen. Es gibt also bei den Menschen ein tiefgründiges Verständnis ohne darüber Rechenschaft abzulegen. Das Urteil wird durch das geleitet, was man global als Sprachgefühl oder logisches Empfinden nennt. Das Wissen um die Beschaffenheit einer idealen Sprache nannte Noam Chomsky (1970) Sprachkompetenz. Dieser entspricht das Wissen um das angemessene Denken, die logische Kompetenz. Was folgt aus diesen Grundkompetenzen? Einerseits ist ihre Beschaffenheit schwierig zu beschreiben, andererseits muß man mit mißglückten Umsetzungen, d.h. Fehlern rechnen. Welche These vertrat Gustav Störring zur Frage der Bildhaftigkeit des logischen Schließens? Es ist wichtig zu klären, ob man sich das logische Schließen als propositionalen oder als bildhaften Prozeß vorzustellen hat. Gustav Störring betonte die Bildhaftigkeit dieses Schließens. Er behauptete, die Probanden stellen sich die Prämissen und Schlüsse bildhaft vor, sie fänden sie Konklusion durch Verschieben und Verschmelzen der Prämisse. Er prüfte, ob der Schlußvorgang vor allem von der visuellen Darbietung abhängt und ob bei der akustischen Darbietung der Vorteil der anschaulichen Raumgliederung verlorengeht. So nahm er drei Studien an: 1. X = M M=Y 2. X = M = Y 3. X = Y Was untersuchte Janelle Huttenlocher (1968)? Sie untersuchte, wie manche Prämissen bei der Seriation den Aufbau einer räumlichen Anordnung erleichtern. Die Auffassung, Seriation vollziehe sich als anschauliche Anordnung im Vorstellungsraum, blieb bis in die neuere Forschung hinein lebendig. Welche Befunde fand Janelle Huttenlocher (1968)? Nach ihren Untersuchungen bilden die Probanden nach der ersten Prämisse eine anschauliche Reihe. Daraus leite sich die Frage ab, wo das dritte Objekt in dieser Reihe steht. Dieses würde dann nach dem nennen der zweiten Prämisse integriert. Am besten ging dies bei Sätzen der Form A ist größer als B, C ist kleiner als B. Die Fehlerquote betrug nur 10%, die richtige Antwort 1,4 Sekunden. Schwer fielen Sätze der Form A ist kleiner als B, A ist größer als C. Hier gab es 20% Fehler, außerdem benötigten die Probanden 1,6 Sekunden. Bei dieser Form gibt es für die Frage keine Aussage mit dem interessierenden Element als Subjekt. Die Information entsteht erst mittelbar. Um etwas über das interessierende Element zu erfahren, mußten die Probanden die Beziehung erst umkehren. Er ergeben sich hier drei Schritte, statt vorher 2. Welche Kritik gab es an dieser Deutung? Herbert Clark (1969) berichtete, daß nicht alle Teilnehmer in Seriationsexperimenten über visuelle Vorstellungen berichten, außerdem wären die Effekte der Serienbildung auch ohne die Annahme von Raumvorstellung zu erklären, sprachliche Faktoren würden ausreichen. Welche Theorie vertrat Herbert Clark stattdessen? Er vertrat eine linguistische Theorie. Bei Paarvergleichen würde das Ergebnis des Vergleichs und der zum Vergleich herangezogene Maßstab symbolisch ins Gedächtnis eingetragen. Es entstehen Kurzprotokolle (=compressed markings). Die einzelnen Vergleichsobjekte würden in eine Liste umgesetzt, aus dieser gehe ohne jede räumliche Anschauung hervor, wer hinsichtlich einer bestimmten Eigenschaft (Vergleichsmaßstab) Pluspunkte habe, d.h. als vorrangig markiert wird. Wie bewies Clark die Überlegenheit seiner Theorie? Er zeigte, daß Prämissen der Form A ist nicht so schlecht wie B und A ist besser als B nur oberflächlich die gleiche Bedeutung haben. Er knüpft an Chomsky (1970) an und zeigt, daß sich die sprachliche Tiefenstruktur unterscheidet. „Besser als“ und „nicht so schlecht“ würden auf verschiedene Vergleichsmaßstäbe Bezug nehmen. Besser weist einen Wert für die Eigenschaft gut zu, schlechter einen Wert für die Eigenschaft schlecht. Je nach Formulierung würden andere Beurteilungsgegenstände als vorrangig markiert. Empirische Befunde bestätigen, daß es schwieriger ist mit Negativvergleichen umzugehen, als mit Positivvergleichen. Dies wird von Clark dadurch erklärt, daß bei Positivvergleichen immer der Erstgenannte Urteilsgegenstand eine Markierung erhält, bei Negativvergleichen der später genannte. Dies verlängert die Markierungszeit. Wie untersuchten Mayer & Revlin (1978) den Deduktionsprozeß? Sie unterscheiden zwischen Wahrnehmung und Einspeicherung der Prämissen als Phase 1 und die Verknüpfung der Prämissen zur Erreichung der Konklusion. Sie legen nahe, die erste Phase weiter aufzuteilen, in die Selektion beim Wahrnehmen und Einspeichern und das Konstruieren von Zusammenhängen. Dies entdeckten sie vor allem durch die Analyse von Fehlschlüssen. Diese kommen vor allem durch eine falsche oder lückenhafte Auffassung der Prämissen zustande, was sich auf die Schlußfolgerung auswirkt (Wyer & Podeschi 1978). Wie ist der Ablauf des Schlußprozesses nach Mayer & Revlin (1978)? Input (Prämissen) → Selektion → Vorläufiger Datensatz → Konstruktion → organisierter Datensatz → Verknüpfung → Urteil. Was sind häufige Fehler bei der Konstruktion? Die Konversion (=vertauschen). Durch diese wird aus der Aussage „Alle A sind B“ die Aussage Alle „B sind A“. Die Aussagen sind aber ungleich, die gezogenen Schlüsse unterscheiden sich (Revlis 1975). In dieser Phase kommt es zu Vertauschungen und Umkehrungen. Diese sind jedoch nicht immer schädlich. Welche Fehler ergeben sich in der Phase der Verknüpfung? Die logischen Schlußregeln werden nicht korrekt angewandt oder durch eine eigene, subjektive Logik außer Kraft gesetzt. Woodworth & Sells entdeckten 1935 den Atmosphären-Effekt: Wenn sich in einem Syllogismus die Form der Prämissen gleicht, dann zeigt sich die Fortsetzungstendenz, auch die Konklusion in diese Form zu bringen. Der Beurteiler kann sich durch die Prämissen geschaffene Einstellung fangen lassen. Besondere Formen der Syllogismen können auch zu Fehlschlüssen verleiten, wenn sie eine bevorzugte Konklusion suggerieren. Dies wiesen Begg & Denny (1969) nach. Was ist die formale Logik? Die Logik ist die Lehre von den formalen Beziehungen zwischen den Denkinhalten. Sie liefert Regeln zur Bewertung der Gültigkeit von Schlüssen. Sie entwickelte sich als Disziplin der Philosophie und sollte der Wahrheitsfindung dienen und die Argumentation im Dialog fördern. In der Anwendung im Dialog nennt man sie Dialektik. Seit einem Jahrhundert ist die durch die starke Formalisierung ein Zweig der Mathematik. Was leistet die formale Logik? Sie leistet eine detaillierte Aufgliederung der gedanklichen Schritte, die zu Urteilen führen. Sie definiert die Voraussetzungen, unter denen die Schritte zu begründen sind. Sie analysiert die Struktur von Aussagen durch die Analyse von Sätzen und die Verknüpfung von Aussagen durch Operatoren. Außerdem ordnet sie Aussagen Wahrheitswerte zu. Dieser kommt den Aussagen nicht von vorneherein zu, jeder Satz kann wahr oder falsch sein. Außerdem leistet die formale Logik wesentliches zur Interpretation von Aussagen. Zwar sind die Gegenstände der Aussagen meist reine Platzhalter, allerdings kann man Fragen, welche Ausschnitte aus der Wirklichkeit oder der Vorstellung im Einzelfall diese Platzhalter ersetzen. Diesen regelhaften Vorgang des Ersetzens allgemeiner Ausdrücke durch spezifische Werte nennt man Interpretation. Welches Wahrheitskonzept hat die moderne Logik? Sie wurde zum Vorbild der Denkpsychologie. Sie liefert jedoch keine Normanweisungen. Sie vertritt keinen absoluten Wahrheitsbegriff. Es gebe keine absolute Wahrheit, an der sich die Gültigkeit eines Satzes messen läßt, die Gültigkeit eines Satzes ergebe sich aus seiner Stimmigkeit, mit der er aus den gegebenen Voraussetzungen folgt. Dabei ist sich das logische Denken seiner vollständigen Voraussetzungen bewußt und schreitet in Treue dieser voran. Was beeinflußt das logische Urteilen der Menschen? Der Mensch ist kein neutraler Beurteiler, er hat selbst Interessen. Diese Einstellungen schlagen sich in den Fehlern nieder. Janis & Frick (1943) belegten dies experimentell. Die Autoren legten den Probanden Syllogismen vor, deren Schlüssigkeit diese bewerten sollten. Gleichzeitig wurde die Einstellung der Probanden zu den gezogenen Schlußfolgerungen erhoben. So ließen sich z.B. Fleischesser zu Fehlschlüssen hinreißen. Es zeigte sich, daß die Treue zur eigenen Einstellung für eine Reihe von Fehlurteilen nach den Maßstäben der formalen Logik verantwortlich ist. Wie erklären Mayer & Revlin diesen Befund? Nur wenige Menschen erkennen das Regelwerk der formalen Logik als Selbstgenügsam an. Schlußfolgerungen sind für sie ein Weg, ihre Meinung durchzusetzen. • Schon in der Phase der Selektion wird jener Teil der Prämisseninformation bevorzugt, der mit den bestehenden Überzeugungen und Interessen übereinstimmt. • In der Phase der Konstruktion werden Aussagen den empfundenen Wünschbarkeiten angepaßt. • Die Verknüpfung von Aussagen wird vor allem so vorgenommen, daß die Konklusion der eigenen Einstellung entspricht. Welche Alternativerklärung gibt es für diesen Befund? Die Probanden enthalten sich des mühsamen Schlußprozesses, sie übergehen die Prämissen und begeben sich unverzüglich zur Schlußfolgerung, die dann ein auf Vorerfahrung und Voreinstellung basierendes Urteil ergibt. Was ist die Induktion? Die Induktion ist eine Form des verallgemeinernden Denkens. Einer Prämisse wird ein Prädikat entnommen, dieses wird dann allen anderen Mitgliedern der Gesamtmenge zugeschrieben. Die Induktion nimmt den umgekehrten Verlauf der Deduktion. Sie setzt bei der Teilmenge an und schreitet zur Gesamtmenge fort. Auch ihre Syllogismen sind im VennDiagramm darstellbar. Eine bei einer Teilmenge gefundene Eigenschaft wird auf die Gesamtmenge übertragen. Sie ist die am häufigsten angewandte Methode des logischen Schliessens. Was leistet die Induktion im Gegensatz zur Deduktion? Die Deduktion setzt bei einer größeren Menge an und schreitet zu einer kleineren fort. Bei dieser findet eine Verengung der Aussage auf die Gemeinsamkeiten in den Prämissen statt. Die Induktion leistet demgegenüber eine Ausweitung der Aussagen über die Prämissen hinaus. Deshalb sind sie im Gegensatz zu den regressiven Deduktionsschlüssen selbst progressiv, jedenfalls nach Kreibig. Welche Arten der Induktion unterscheidet man? • Von einem Teilelement auf die gesamte Klasse • Von einer Teilklasse auf die Gesamtklasse • innerhalb derselben Gesamtklasse von einer Teilklasse A auf die Teilklasse B Was ist der Nachteil an induktiven Schlüssen? Die Schlüsse sind riskant und unsicher, die Beziehung der kritischen Eigenschaften von Gegenständen zur gebildeten Klasse steht keineswegs immer fest, eine Verallgemeinerung kann vorschnell sein. Manchmal erweist sich ein Schluß im Nachhinein als falsch, z.B. wenn neue Elemente gefunden werden. Dennoch sind induktive Schlüsse für Laien und Wissenschaftler unentbehrlich. Bei der Induktion ist wesentlich, daß sie durch Beobachtung und Erfahrung gestützt wird. Eine Verallgemeinerung kann durch eine einzige entkräftende Beobachtung ungültig gemacht werden, dies beweist das Beispiel der Schwäne. Welche Abhilfe gibt es bei dieser Problematik? Wahrscheinlichkeitsschlüsse. Durch Wahrscheinlichkeitsaussagen kann man nicht mehr mit einer einzigen gegenläufigen Beobachtung widerlegt werden. Auch diese können zu Prämissen von induktiven Schlüssen werden. Das Ergebnis sind Wahrscheinlichkeitsschlüsse. Dies ist vor allem wichtig bei Entscheidungen und Erwartungen, so wies Jungermann (1976) nach, daß Menschen beim rationalen Entscheiden und Erwarten so vorgehen. Wie vollzieht sich die Erkundung eines Gegenstandes? Da die Beobachtung die Grundlage der Induktion ist, vollzieht sich die Erkundung als mehrfacher Wechsel zwischen Beobachtung und Induktion. Diese führt zu: • Einer quantitativen Anreicherung einer Kategorie mit neuen Merkmalen, das Hinzufügen der neuen ändert nichts am Bestand der alten Merkmale. Dies kommt durch das sukzessive Zuwenden zu neuen Merkmalen eines Gegenstandes zustande. • Eine stufenweise Veränderung der Qualität von kennzeichnenden Merkmalen, alte Merkmale werden dabei durch neue ersetzt. Dies tritt oft beim Entdecken physikalischer Naturgesetze auf. Welche Studie führten Piaget & Inhelder (1955) mit Kindern durch? Sie untersuchten, wie sich Kinder und Jugendliche mit der Frage auseinandersetzen, wann Körper auf dem Wasser schwimmen. Kleine Kinder klassifizieren einfach nach der Fähigkeit von Gegenständen, auf dem Wasser zu bleiben oder nicht, so schwimmen z.B. Enten und Schiffe, nicht jedoch Steine. Schulkinder entdecken gemeinsame Eigenschaften verschiedener Gegenstände die schwimmen, vor allem Materialqualitäten und Gewicht. Dies ergibt jedoch Widersprüche, die zum Nachdenken anregen, daß Gewicht allein kann es nicht sein. Dadurch wächst die Erkenntnis der maßgebenden Eigenschaften. Letzendlich kommen die Kinder im Alter von 12 zu der Erkenntnis, daß es sich um das spezifische Gewicht des Gegenstandes (Verhältnis von Gewicht zu Volumen) im Vergleich zum spezifischen Gewicht des Wassers ankommt. Die Vorangegangenen Erkenntnisstufen spielen im Urteil keine Rolle mehr. Die letzte Stufe reicht aus, um die Fähigkeit zu erklären, frühere Stufen sind entbehrlich. Was ist charakteristisch für diese Art des Entdeckens? Beobachtung und Induktion verharrt stets bei einem ganzen Merkmalskomplex. Diesem wird immer präzisere Kenntnis abgewonnen. Es bilden sich wiederum Ketten. Was ist eine weitere wichtige Funktion der Beobachtung? Die Falsifikation. Eine der spektakulärsten traf die Phlogistontheorie von Georg Ernst Stahl (1660-1734). Er hatte die These, daß alle brennbaren Körper das brennbare Phlogiston enthalten. Bei der Verbrennung könne man Körper in die Grundbestandteile zerlegen, da das Phlogiston entweiche. Diese Theorie beherrschte die Chemie des 18. Jahrhunderts. Sie führte die Chemie über ihren alchemistischen und pharmazeutischen Ursprung hinaus und lenkte auf Grundlagenprobleme hin. Dabei war sie völlig falsch. Antoine Laurent Lavoisier (17431794) gelang der Nachweis der Natur der Verbrennung und die Widerlegung der Phlogistontheorie. Er zeigte, daß ein Körper bei der Verbrennung Sauerstoff aufnimmt, kein Brennstoff wird entzogen. Woraus resultiert die Forderung nach der Sparsamkeit des Denkens? Aus der Befürchtung, das Denken könne sich vom Gegenstand lösen und ihn dadurch verfehlen. Bereits William Ockham (1285-1350) stellte diese Forderung in den Mittelpunkt seiner Erkenntnistheorie. Er warnt vor ausuferndem Denken, welches über die Realität hinausgeht. Was durch wenige Annahmen erklärt werden kann, solle nicht durch eine Vielzahl von Annahmen erklärt werden (frustra fit per plura quod potest fieri per pauciora). Mehrfachannahmen seien durch Belege zu rechtfertigen (pluralitas non est ponenda sine necessitate). Er vertrat auch ein Konzept der Mönchsarmut. Welche Schwierigkeiten gibt es beim Aufstellen von Wahrscheinlichkeitsschätzungen? Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist als dessen relative Häufigkeit zu verstehen. Viele Menschen schließen aber von der absoluten Häufigkeit auf die Wahrscheinlichkeit, dabei vergessen sie die Hälfte. Dies wies Estes (1976) nach. In den Begriff der Wahrscheinlichkeit gehen zwei Größen ein: Die Anzahl kritischer Ereignisse und die Gesamtzahl an Fällen. Letztere wird von vielen Menschen unterschlagen. Der Mensch erinnert sich bevorzugt an Fälle, die er zur Vorhersage und Verallgemeinerung nutzen will. Daraus entstehe ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Ereignisse. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei Wahrscheinlichkeitsschlüssen? Der Schlußprozeß wird oft durch Vernachlässigung von Ausgangsgrößen unzulässig verkürzt. Dies ist die Problematik der Basisraten beim Bayes-Theorem. Diese Formel wurde von Thomas Bayes (1702-1761) aufgestellt. Damit kann man ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines vorliegenden Prognosemerkmales bei gegebenem Diagnosemerkmal ist. Ansonsten vergißt man manche dieser Größen gerne. Eine Verkürzung ist nur erlaubt, wenn alle möglichen Zusatzannahmen erfüllt sind, nämlich Symmetrie und Gleichverteilung von Prognose- und Diagnosemerkmal (was nicht sein muß). Für einen gültigen Schluß zur Berechnung von P(P+ /D) benötigt man: • p(P), die Wahrscheinlichkeit des Prognosefalles überhaupt (Basisrate). • P(D/P+), die Wahrscheinlichkeit einer positiven Diagnose vor Eintreten des Prognosefalls • P(D/P-), die Wahrscheinlichkeit einer positiven Diagnose ohne Eintreten d. Prognosefalls Daraus ergibt sich die Formel: p(P) • p (D/P+) p(P+/D) = ---------------------------------------------p(P) • p (D/P+) + (1-p(P)) • p(D/P-) Besonders schwierig auch bei der Genieprognose. Was ist eine Analogie? Eine Analogie (=Verhältnis, Entsprechung) behauptet eine Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeit in der Beziehung zweier Begriffspaare. Diese Beziehung erschließ sich aus den vorgegebenen Begriffen. Es gibt Analogien, die Beziehungen zwischen Begriffen verschiedener Klassen darstellen und Analogien, die Beziehungen zwischen Begriffen der gleichen Klasse darstellen. Zwischen den Begriffen verschiedener Klassen ergeben sich oft semantische Relationen, zwischen den Begriffen gleicher Klassen ergibt sich die Relation oft aus der Grammatik. Wie erklärt die Merkmalstheorie der Begriffe die Bildung von Analogien bei gleicher Klasse? Zugehörigkeit zur gleichen Begriffsklasse bedeutet die Teilhabe an gleichen Merkmalssätzen. Die Beziehung ergibt sich unmittelbar aus hierarchisch geordneten Begriffen. Der Abstraktionsgrad der jeweiligen Begriffe von Merkmalen wird salient. Welche Befunde gibt es zum Denken in Analogien? Dieter Häuser & Klix (1980) fanden, daß die Geschwindigkeit der Beurteilung von Analogien die aus Ober- und Unterbegriffen bestehen von der Reihenfolge abhängt, in welcher die Begriffe erscheinen. Die Beziehung eines Unterbegriffs zu einem Oberbegriff wird schneller erkannt als die Beziehung eines Oberbegriffs zu einem Unterbegriff. Dies wird auf das unterschiedliche Durchmustern nach Merkmalssätzen zurückgeführt. Wird zuerst der Unterbegriff geboten, so spart man bei der Darbietung des Oberbegriffes Zeit, da man schon alle Merkmale gescannt hat, umgekehrt ist dem nicht so. Außerdem verschwinde der Unterschied bei Vergleichen auf hohem Abstraktionsniveau, da nur wenige Merkmale da sind Wie erklären Klix und Elke van Meer (1980) Analogien zwischen verschiedenen Klassen? Hier greifen sie auf Modelle semantischer Netze zurück. So leben manche Analogien von der Agent-Objekt-Relation, andere auf der Instrumenten-Funktion. Die Schwierigkeit einer Analogie spiegele die Komplexität des Zusammenhangs wider. Sie unterscheiden drei verschiedene Werte der Komplexität. Eine einwertige Beziehung besteht zwischen zwei Begriffen, wenn keine weiteren Begriffe zur Erläuterung des Zusammenhanges nötig sind (z.B: SONNE : SCHEINEN). Eine zweiwertige Analogie ist z.B.: TRAGEN : KOFFER. Hier stellt sich die Frage nach einem Agenten. In einer dreiwertigen Beziehung sind zwei weitere Ergänzungen nötig, z.B. bei TADEL : STRAFE, nämlich Empfänger und Versender. Zum Verständnis des Prädikats werden obligatorische Argumente benötigt. Die Erkennungszeit der Analalogien steigt linear mit der Wertigkeit an. Die Wertigkeit ergibt sich aus der Zahl der dem Begriffspaar zugehörigen obligatorischen Argumente. Welchen Status haben Analogien in der Rechtssprechung? Diese ist ein Gebiet, in dem das Denken in Analogien sehr gebräuchlich ist (Heller 1961). Da nicht alles durch das Gesetz geregelt ist, es also Lücken aufweist, werden diese geschlossen, indem ein nicht geregelter Fall entsprechend einem gesetzlich geregelten behandelt wird. Allerdings ist im Strafrecht Vorsicht geboten. Dort gilt der Grundsatz, daß kein Angeklagter durch Analogieschlüsse einen Nachteil erleiden darf. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist kein Verbrechen festzustellen und keine Strafe zu erteilen. Was gilt in der Entwicklungspsychologie beim Denken? Denktätigkeiten, die den Erwachsenen schwer fallen, stellen sich bei Kindern und Jugendlichen erst spät ein, andererseits fällt den Erwachsenen schwer, was sich bei den Kindern erst spät einstellt. Solange die Denkinhalte der Kinder konkret und anschaulich sind, herrschen Induktion und Analogie vor, das Denken in formalen Beziehungen kommt erst später hinzu. Welche Untersuchungen machten Tom Trabasso, Christine Riley & Elaine Wilson (1975)? Sie untersuchten bei Kindern die Fähigkeit zur Reihenbildung. Es sollten Stäbe nach ihrer Länge in eine Reihe gebracht werden. Es wurden Paarbeziehungen vorgegeben, die Personen sollten daraus eine widerspruchsfreie Reihe herstellen. Entscheidend war die Form der Darbietung. Bei der visuellen Darbietung wurden die Stäbe gezeigt, hierbei machten alle Altersgruppen wenige Fehler, bei der sprachlichen Darbietung wurde über die Länge der Stäbe nur gesprochen, die Fähigkeit steigt hier mit dem Alter linear an. Die Autoren deuteten dies in Berufung auf Huttenlocher als Ausbildung einer räumlichen Vorstellung der Reihe, die Sprache hätte in eine räumliche Vorstellung übersetzt werden müssen. Diese Übersetzungsleistung ist altersabhängig. Wenn man dies konsequent durchdenkt, kommt man zum Schluß das sich Kinder und Erwachsene nicht in der Fähigkeit zur Reihenbildung unterscheiden, sondern in der Fähigkeit der Abstraktion. Welcher Logik folgt die Fähigkeit der Abstraktion? Sie folgt der psychosozialen Entwicklung des Denkens nach Piaget und damit einer universellen inneren Logik. Die ersten Operationen des Kindes sind auf Objekte fixiert und werden sensumotorisch vollzogen, diese sind auch an die eigene Person gebunden. Daraus leiten sich abstrakte Operationen ab. Die Bindung an konkrete Gegenstände und die eigene Person wird schrittweise gelockert. So werde z.B. aus dem konkret vollzogenen Zufügen und Wegnehmen das allgemeine Verfahren von Addition und Subtraktion. Aus der Erfahrung des Vereinigens und Trennens von Mengen ergibt sich die Logik von Implikation und Induktion nach Piaget & Inhelder (1955). Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Denken für die Persönlichkeitspsychologie? Geistige Fähigkeiten charakterisieren einen Menschen. Die Fähigkeit zum logischen Denken geht in die Summe aller kognitiven Fähigkeiten ein. Diese faßt man unter dem Begriff der Intelligenz zusammen. Damit ergibt sich für die Persönlichkeitspsychologie die Aufgabe • den Beitrag logischer Fähigkeiten zur Gesamtpersönlichkeit zu beurteilen • Unterschiede in den logischen Fähigkeiten verschiedener Individuen festzustellen Wonach suchte die Intelligenzforschung sehr lange? Nach grundlegenden Dimensionen der geistigen Leistungen. Hierbei vor allem um grundlegende Intelligenzdimensionen. Ein Generalfaktor der Intelligenz, der in allen geistigen Leistungen Niederschlag findet, wurde dabei bislang nicht gefunden. Es wurden jedoch mehrere voneinander unabhängige Intelligenzfaktoren gefunden. Welche Intelligenzfaktoren ermittelte Adolf Otto Jäger (1967)? Er bemühte sich um die Aufklärung der Intelligenzstruktur und fand folgende Faktoren: • anschauungsgebundenes Denkens • Einfallsreichtum und Produktivität • formallogisches Denken und Urteilsfähigkeit • zahlengebundenes Denken • sprachgebundenes Denken Die Formalen Denkoperationen sind jedoch nicht die übergeordnete geistige Tätigkeit allein. Wie definiert der Progressive Matrizentest nach Raven (1956) die Intelligenz? Als Fähigkeit zum schlußfolgernden Denken. Er benutzt sprachfreies Material und kann so besser dem Anspruch gerecht werden, die Intelligenz unabhängig von sozialen Faktoren zu messen, die über die Sprachleistung auch die Leistung beeinflußten könnten. Welche weiteren Fragen stellen sich der Persönlichkeitspsychologie im Denkbereich? Suitbert Ertel (1966) untersuchte das individuelle Herangehen an Denkaufgaben. Er fand drei persönlichkeitsspezifische Dimensionen der geistigen Tätigkeit: • Anspannung (Angestrengt / Gelassen) • Variabilität (Phantasievoll / Nüchtern) • Strukturiertheit (Integrativ / differenziert analytisch) Außerdem die Frage nach der Komplexität des Denkens, d.h. dem Reichtum an Denkschritten und der Breite des Denkansatzes, sowie der Menge des verarbeiteten Materials, dies wurde von Mandl & Huber (1978) untersucht. Letztlich kann man als einen Aspekt des kognitiven Stils die Rigidität, d.h. die Neigung zum Starren Denken und den Dogmatismus, d.h. die Abhängigkeit des Denkens von Autoritäten nennen. Dies wurde von Goldstein & Blackman (1978) untersucht. Ist das intensive und folgerichtige Denken ein einsamer Vorgang? Zwar bedarf es der Ungestörtheit und Konzentration und damit dem Rückzug von der sozialen Umwelt, allerdings kann das Denken zwar alleine geschehen und doch arbeitsteilig ablaufen, die Geschichte Geistes ist eine verzweigte Kette, in der jede Generation von Denkern auf den Ergebnissen der vorangegangenen Generation aufbaut. Werden diese mitgeteilt, entsteht • ein Austausch von Argumenten zwischen Individuen • eine Verständigung über die bei der Argumentation zugrunde zu legenden Regeln • eine gegenseitige Korrektur auf der Grundlage der vereinbarten, festgelegten Regeln. Welche Meinungen gibt es zur logischen Fähigkeit von Gruppen noch? Manche Autoren schätzen die Fähigkeit großer Gruppen, sich von der Logik leiten zu lassen als gering ein. Zu stark seien die Widerstände bei der Verständigung. Dies führe zu einer degenerierten Emotionalität nach Le Bon (1895). Die Massen wenden nach diesem nur primitive Analogieschlüsse an. Dies liege an der selektiven Tendenz zur Verallgemeinerung von Gruppen, die vor allem durch das starre Festhalten an der vorgefaßten Meinung geprägt ist. Die Bereitschaft zur Verallgemeinerung hänge von der Glaubwürdigkeit der Aussage ab, diese von den sozialen Stereotypen, so würde man einen klauenden Pastor eher als Ausnahme ansehen, klauende Zigeuner eher als Regel. Kapitel 7: Gedächtnis Welche Fälle untersuchte der russische Neuropsychologe Alexander R. Lurija (1902-1977)? Er schildert Fälle von Hypermnesie, d.h. ein Übermaß an Erinnerungen und von Hypomnesie, d.h. einen pathologischen Gedächtnisverlust. Offenbar benötigen Menschen immer die richtige Menge an Erinnerungen, um optimal handeln zu können. Was ist die Bedeutung des Gedächtnisses? Es spielt eine zentrale Rolle für all die anderen psychischen Funktionen. Ohne Gedächtnis kein umfassendes Erkennen und kein planvoll aufgebautes, zielgerichtetes Verhalten. Warum ist das Gedächtnis so bedeutend? • Erst auf der Grundlage langfristig gespeicherter Wahrnehmungsschemata lassen sich Personen, Objekte und Ereignisse identifizieren. • Die Speicherung im Gedächtnis ermöglicht die Wahrnehmung zeitlich erstreckter Ereignisse, deren Teile nacheinander aufgenommen werden. • Die Speicherung im Gedächtnis ermöglicht die Wahrnehmung von Räumen und räumlich ausgedehnten Gegenständen, wenn diese nicht simultan zu erfassen sind, sondern nur durch sukzessives Abtasten. • Die Ausführung von Handlungen sowie die sprachliche Äußerung setzen das Merken von Handlungsplänen, Aktionsmustern, Sprachregeln, u.ä. voraus. • Das kurzfristige Gedächtnis für aktuell ablaufende Handlungen und sprachliche Äußerungen sichert deren Koordination im zeitlichen Zusammenhang. Was kann zum Inhalt des Gedächtnisses werden? Alles, was im Bewußtsein repräsentiert ist: • Sinnesempfindungen und Wahrnehmungen von Räumen und Gegenständen. • Vorstellungen und Gedanken. • Gefühle und Stimmungen. • Bedürfnisse, Absichten, Handlungen. Für diese Repräsentation im Gedächtnis kommt wiederum bildliche und sprachliche Darstellung in Frage. Welche Arten von Gedächtnisinhalten werden unterschieden? Man unterscheidet nach Tulving (1972) Episodenwissen, welches in der raum-zeitlichen Bestimmung einzigartig ist und Wissen über allgemeine Bedeutungen, welche raum-zeitlich übergreifende Beziehungen und Bedeutungen enthält. Er unterscheidet also zwischen einem episodischen und einem semantischen Gedächtnis. Das episodische Gedächtnis nennt man auch autobiographisches, das semantische enthält Schemata, Scripts und Rahmen. Welche Strukturen enthält das autobiographische Gedächtnis nach Conway & Rubin (1993)? • Epochen im Lebenslauf, z.B. die Kindheit • wiederholte Ereignisse, z.B. Weihnachtsfeiern • ereignisspezifisches Wissen, z.B. was man getan hat, als etwas gestohlen wurde Wie sind die Gedächtnisspuren im Kopf beschaffen? Es scheint keine fest umschriebene Hirnregion als Sitz des Gedächtnisses zu geben, die Gedächtnisfunktionen scheinen sich auf mehrere Orte des Gehirns zu verteilen. Dabei scheint nicht nur der Cortex beteiligt zu sein, sondern auch tiefer gelegene Hirnteile, wie der limbische Cortex. Die entsprechenden Untersuchungen wurden jedoch meist an Tieren gemacht, die Erkenntnisse beziehen sich auf elementare Fähigkeiten bei Tieren. Welche drei Möglichkeiten der Speicherung von Gedächtnisspuren gibt es? • Die Bildung von Gedächtnismolekülen. Dies sind biochemische Strukturen im Gehirn, die Inhalte abbilden können wie Zeichen, sie werden durch Protein-Synthese aufgebaut. Diese Eiweißstoffe entstehen aus Aminosäuren. Katz & Halstead (1950) wiesen nach, daß eine Aminosäure, die Ribonukleinsäure sich beim Lernen verändert. Dafür wurden Belege im Tierversuch gefunden. Barzilai, Kennedy, Sweatt & Kandel (1989) fanden, daß sich beim Lernen diese Proteine im Gehirn vermehren und sich beim Verlernen deren Struktur ändert. • Den Ausbau von Nervennetzen. Ein Lernerfolg kann sich auch durch eine strukturelle Veränderung im Nervennetz zeigen. Bailey & Chen (1991) zeigten, daß sich beim Lernen neue Nervenverbindungen (Synapsen) herausbilden und neue Nerven aussprossen. • Die Veränderung der Erregungsleitung. Selbst wenn sich die Struktur der Nervennetze nicht ändert, kann sich deren Verhalten ändern. Dies geschieht dadurch, daß sich die Übertragung der Erregung an den Synapsen ändert. Diese Übertragung kann erleichtert oder erschwert werden (Bahnung oder Hemmung) durch die Bereitstellung von Neurotransmittern als Überträgerstoffe. Eccles (1964) zeigte, daß sich in den entstehenden Erregungsmustern ebenfalls Lernerfahrungen abbilden können. Was entdeckte Wilder Penfield (1957) auf der Suche nach der Gedächtnisspur im Gehirn? Er entdeckte bei einer Gehirnoperation, daß die elektrische Reizung bestimmter Rindenpunkte bestimmte Empfindungen auslöste, auch von Gedächtnisinhalten wird berichtet, so z.B. ein Angsterlebnis. Dies ist höchst bemerkenswert. Allerdings fand er kein einheitliches Bild. Welche drei Phasen umfassen Gedächtnisprozesse? • Einprägen, auch Einspeichern (storage) oder Enkodieren (encoding) genannt. • Behalten, auch Speichern oder Retention (retention) genannt. • Erinnern, auch Abruf aus dem Gedächtnis (retrieval) genannt. Welche Möglichkeiten des Einprägens gibt es? Einprägen kann ein ziemlich mechanischer Vorgang sein, vor allem wenn der Lernstoff keine Struktur hat und nur durch die Wiederholung im Gedächtnis haften bleibt. Durch diese Art des Einprägens sind die Inhalte nur schwer zu merken. John Bransford & Marcia Johnson (1972) wiesen nach, daß das Einprägen durch Verstehen einfacher ist. Verstehen bedeutet, daß man Bezüge zwischen Ereignissen und Gegenständen herstellen kann. Dazu gaben sie den Probanden Bilder, welche die Texte verständlich machten. Wenn Einprägen mehr sein soll, als ein mechanischer Vorgang, so baut er vorhandenes Wissen aus, van Dijk und Kintsch (1983) sehen Situtationsmodelle als Voraussetzung des Verstehens an. Modelle und Schemata seien Voraussetzungen des verständnisvollen Einprägens zu sein, Lernen ist eine Erweiterung des bereits bestehenden Wissens. Was bestimmt das Verständnis einer Situation nach Tulving und Thomson (1973) noch? Es bestimmt, was und wie ein Inhalt ins Gedächtnis eingetragen wird. Je nach Zusammenhang und Verständnis kann das Wort ROSA als Farbname oder Frauenname eingeprägt werden. Dies nennen sie die Kodierungseigenheit (encoding specificity). Welche Möglichkeiten des Behaltens des ins Gedächtnis eingeprägten gibt es? • Eingeprägte Spuren bleiben unverändert erhalten. • die Spuren verändern ihre Qualität, es kommt zu Erinnerungstäuschungen. • die Spuren zerfallen, es tritt Vergessen auf. Wie prüft man den Bestand und die Veränderung von Gedächtnisspuren? Momentan gar nicht direkt, man erschließt das Behalten indirekt durch die Prüfung der Fähigkeit zum Erinnern. Wenn ein Mensch sich nicht erinnern kann, so kann man dies nicht direkt auf einen Spurenzerfall zurückführen. Vielmehr ist möglich, daß er sich in der gegebenen Zeit nicht erinnern kann, oder daß nur der Abruf einer vorhandenen Spur nicht gelingt. Wer hat die experimentalpsychologische Gedächtnisforschung wie begründet? Hermann Ebbinghaus (1850-1909) berichtete 1885 über die ersten Versuchsreihen. Er wollte das Gedächtnis in seiner reinsten Form erfassen. Die reinste Form erachtete er als das von Denken und Vorstellungen freie Einprägen und Behalten. Daher konstruierte er sich als Lernstoff „sinnlose Silben“, das sind Buchstabenkombinationen, die in der gebräuchlichen Sprache nicht vorkommen. wie z.B. RAK oder ROP. Dieses Material sei hinreichend einfach und gleichförmig. Damit wollte er auch Assoziationen und Störeinflüsse vermeiden. Zum Ausgleich lernte er auch einige Zeilen aus Byrons Don Juan. Welche Vorgänge schließt der Abruf aus dem Gedächtnis ein? • Die Suche im Gedächtnis. • Das Erkennen eines gefundenen Inhalts als den gesuchten. Wer untersuchte die Suche im Gedächtnis und welche Befunde fand er? Saul Sternberg (1975) widmete dieser Frage ein umfangreiches Forschungsprogramm. Er beschäftigte sich mit der Frage nach den Suchstrategien im Gedächtnis. Er fragte sich vor allem, ob alle Namen im Gedächtnis durchsucht werden, wenn ein bestimmter Inhalt gesucht wird, bevor der Abruf erfolgt oder ob es ein bestimmtes, zielstrebiges Suchverfahren gibt. Was ist eine Voraussetzung der erfolgreichen Gedächtnissuche? Nach Reiser, Black & Abelson (1985) die Übereinstimmung zwischen Enkodier- und Abrufkriterien. Vor allem das autobiographische Ereignis sei nach spezifischen Ereignissen geordnet. Denkt man an solche spezifischen Ereignisse, fallen zugehörige Inhalte schneller wieder ein. Nimmt man ein falsches Ereignis als Einbettung an, so verzögert sich die Erinnerung oder mißlingt ganz. Was ist zum Erkennen des Gedächtnisinhaltes noch wichtig? Das Finden des gesuchten Inhaltes reicht nicht aus, es muß die Gewißheit eintreten, daß das Gefundene auch das Gesuchte ist. Dazu gehört das Erlebnis des Schon-da-gewesen-Seins, das Déjà-vu-Erlebnis. Wenn dieses fehlt hat man ein Jamais-vu-Erlebnis. Fehlt das Déjà-vuErlebnis, so wird ein erfolgreicher Abruf nicht als solcher erkannt. Dann verhalten sich die Betroffenen, als hätten sie eine Gedächtnislücke. Welche Arten von Lernen sind zu unterscheiden? • Absichtliches (intentionales) und beiläufiges (inzidentelles) Lernen. • kontrolliertes und automatisches Lernen. • explizites (ausdrückliches) und implizites Lernen. Wie unterscheiden sich diese Lernformen? Das explizites Lernen geschieht Absichtlich und kontrolliert, es ist oft mit Wissensprüfungen verbunden. Das implizites Lernen vollzieht sich automatisch. Diese Formen kann man im Experiment vergleichen. Schönpflug & Beike (1964) führten ihren Probanden Wörter vor. Eine Gruppe lernte intentional, die andere wußte nichts von einer anschließenden Gedächtnisprüfung. In der Tat war das intentionale Lernen dem impliziten Überlegen, allerdings nur bei nicht-emotionalen Wörtern, die emotionalen hafteten wie von selbst. Wie beschrieben Georg Elias Müller (1850-1934) und A. Pilzecker den Gedächtnisabruf? Sie unterschieden zwischen dem absichtlichen und kontrollierten und dem unabsichtlichen Gedächtnisabruf. Sie beschrieben unwillkürliche Erinnerungen als frei steigende Assoziationen. Sie betonten, daß es vor allem bedeutsame und emotionale Inhalte seien, die sich automatisch ins Bewußtsein drängen, oft als quälende Erinnerungen. Welchen weiteren Einflußfaktor wies Shiffrin (1977) nach? Er meinte, ob ein Abruf aus dem Gedächtnis automatisch oder kontrolliert verläuft, hänge auch von der Geübtheit ab. Er ließ eine Karte mit vier Ziffern einprägen. Diese machten einen Merksatz (memory set) aus. Danach wurden weitere Karten gezeigt, auf denen ebenfalls vier Eintragungen waren. Die Probanden sollten sich melden, wenn sie eine Ziffer aus dem Prüfsatz wiedererkennen. Es zeigte sich, daß für das Wiedererkennen die Konsistenz der Eintragungen auf der Prüfkarte wichtig waren. Befanden sich auf dieser neben der gemerkten Ziffer nur Buchstaben, was die Autoren variierte Kombination nennen, so gelang das Wiedererkennen schnell und sicher (20ms), Fehler wurden fast keine gemacht. Befanden sich auf der Prüfkarte nur Ziffern, die Bedingung der konsistenten Kombination, so dauerte der Vorgang im Schnitt 800 Millisekunden und dabei waren noch 30% der Reaktionen falsch. Der Schluß: Die Unterscheidung von Buchstaben und Ziffern ist hoch geübt und erfolgt automatisch, die Unterscheidung von Ziffern untereinander ist es nicht und bedarf der Kontrolle und Aufmerksamkeit und ist dadurch zeitaufwendig. Welche Begriffe haben sich für die beiden Arbeitsweisen des Gedächtnis durchgesetzt? Die Begriffe des impliziten und expliziten Gedächtnisses. Nach Schacter (1993) ist das explizite Gedächtnis vorwiegend begriffsgesteuert. Das implizite Gedächtnis ist besonders empfänglich für Sinneseindrücke. Das explizite zeigt sich oft beim ordnen und arbeiten, das implizite bei Einfällen. Das explizite Gedächtnis scheint Bewußt zu sein, außerdem kommt es zu einem ausgearbeiteten Erleben von Gedächtnisinhalten. Das implizit Gelernte ist im Bewußtsein nur unvollkommen vertreten. Wie steht es um das Metagedächtnis? Das Wissen über das eigene Gedächtnis nennt man Metagedächtnis. In der Tat scheint das Gedächtnis zu wissen, was und wie es lernt (Franz E. Weinert, 1991). Dazu gehört die zutreffende Einschätzung dessen, was man bereits gelernt hat. Außerdem die Einschätzung der Schwierigkeit des Lernstoffes. Wenn man diese Schwierigkeit einschätzen kann, kann man auch den Lernprozeß besser gestalten. Dies wiesen Nelson & Leonesio (1988) nach. Diese wiesen nach, daß Studierende beim auswendig lernen von verschiedenen Texten deren Schwierigkeit zutreffend einschätzen konnten und ihre Lesegeschwindigkeit anpaßten. Wolfgang Schneider meint, dazu gehöre auch Kenntnis von lernerfolgsteigernden Verfahren. Was erlaubt das Metagedächtnis? Nach Schneider erlaubt die Kenntnis der Güte des Metagedächtnisses eine bessere Vorhersage von Gedächtnisleistungen als Maße der allgemeinen Intelligenz. Durch die Kenntnis von lernerfolgsteigernden Verfahren wie dem unterstreichen von Textpassagen verbessere sich die allgemeine Lernleistung. Was ist das Zungenspitzphänomen? Man will etwas erinnern, spürt, daß man es weiß, kann es aber nicht oder nur bruchstückhaft wiedergeben. Diese Erscheinung nennt man Zungenspitzenphänomen. Dieses feeling of knowing, das Spüren, daß man es weiß gilt als Hinweis auf die Existenz des Metagedächtnisses. Anne Brown (1991) weist nach, daß es bei verschiedenen Inhalten, besonders auch beim Erinnern von Eigennamen auftritt. Es widerfährt allen Altersstufen und steigt mit dem Alter an. Meist löst sich die Erinnerungshemmung innerhalb einer Minute auf. Wie werden die Gedächtnisleistungen untersucht? Im Gedächtnisexperiment werden meist Wortlisten dargeboten, mitunter mehrfach. Nach dem Ende der Übung beginnt das Vergessen. Die Güte und Menge der Gedächtnisleistung nimmt mit der Zeit, die nach der letzten Darbietung vergangen ist, ab. Dies prüft man indem man die Erinnerung in unterschiedlichem zeitlichen Abstand vor der letzten Übung prüft. Die graphische Darstellung der Leistung in der Zeit ohne Übung nennt man Vergessenskurve (Luh 1922). Den Aufbau der Leistung durch Übung nennt man Lernkurve (Paivio, Yuille & Rogers 1969). Wodurch wird die Gedächtnisleistung beeinflußt? Einen Einfluß auf das Behalten hat die Reihenfolge, in welcher der Lernstoff dargeboten wird. Die ersten und die letzten Darbietungen werden dabei am besten erinnert. Insbesondere beim Lernen von Aufzählungen und Listen findet man eine Positionskurve. Die Bevorzugung der ersten Glieder nennt man Anfangseffekt oder Primacy-Effekt, die Bevorzugung der letzten Glieder nennt man Frische-Effekt oder recency-Effekt. Positionskurven setzen einen gleichförmigen Lernstoff voraus. Neuartige Darbietungen innerhalb einer Reihe (z.B. Ziffern in einer Wortreihe) führen zu einem Anstieg der Gedächtnisleistung. Da dieser Effekt zunächst von Hedwig von Restorff (1933) untersucht wurde, nennt man ihn Restorff-Effekt. Auch emotionale oder anders hervorgehobene Stoffe durchbrechen die Regelmäßigkeit der Positionskurve. Deshalb entstehen bei manchen Reihen keine Positionskurven, dies wiesen z.B. Aura & Loftus (1993) nach, die ihren Probanden Folgen von Alltagsszenen vorführten und keinen seriellen Positionseffekt finden konnten. Eine schöne Positionskurve beschreiben Roediger & Crowder (1982), die nach den Namen der amerikanischen Präsidenten fragten. Wodurch wird die Gedächtnisleistung gesteigert, wer wies dies nach? Durch Veranschaulichung und Herstellen von Ordnung. Beides zugleich wiesen Bower & Reitman (1972) nach, die ihre Studenten mehrere Listen mit je 20 Wörtern lernen ließen. Vorher brachten sie ihnen bei, wie man diese zu einer Geschichte verknüpft. Dies Wörter sollten an ein Schlüsselwort bildhaft angebunden werden, welches sich die Probanden vorstellen sollten. Diese Vorstellungen versetzten die Probanden in die Lage, 80-100 Wörter zu reproduzieren und noch nach einer Woche waren es davon noch 54%. Im Vergleich zu anderen Gruppen ohne diese Technik ist das eine hervorragende Leistung. Veranschaulichung kann also wesentlich zur Steigerung der Gedächtnisleistung beitragen. Kann die Gedächtnisleistung auch durch Ordnung allein gesteigert werden? In der Tat. Diese Ordnung kann sowohl formal, als auch inhaltlich bestimmt sein. Eine formale Ordnung erhält man durch Gruppeneinteilung, inhaltliche durch Modelle, Scripts, etc. Was ist die Mnemotechnik? Dies sind Methoden zur Steigerung des Einprägens, Behaltens und Erinnerns. Die Mnemotechnik entstand in der Antike als Teil der Rhetorik, der Kunst der freien Rede. Im Mittelalter verbreiteten sich astrologische und okkulte Systeme zur anschaulichen Verknüpfung von Gedächtnisinhalten. Der Pater Horst von Romberch (1533) schlägt vor, man solle sich das zu merkende in einer vertrauten Umgebung, z.B. dem Haus befindlich bildhaft vorstellen. Welche Richtungen des Lernens unterscheidet Walter Kintsch (1978)? • Differenzierendes Lernen von oben nach unten, d.h. es wird bei einem übergeordneten Schema begonnen und dieses danach mit neuen Einzelheiten ausgefüllt. Makro zu Mikro. • Integrierendes Lernen von unten nach oben, d.h. es wird mit neuen Einzelheiten begonnen und daraus ein Ordnungsschema hergestellt. Mikro zu Makrostruktur. Wie belegten Kintsch und van Dijk (1978) ihren Ansatz? Sie analysierten das Lernen von Prosatexten (Märchen und andere Erzählungen). Diese haben in einer Kultur eine schematische Ordnung. Europäische Märchen folgen dem Schema Exposition, Komplikation und Lösung. Dieses Schema wird mit Detailaussagen angereichert. Das übergeordnete Schema ist die globale Makrostruktur, die Einzelheiten sind lokale Mikrostrukturen. Lernende Personen greifen in der Regel zuerst auf ein vertrautes Schema zurück. Ist diese gesichert, wird sie um die Einzelheiten der Mikrostruktur ergänzt. Hierbei hängt die Geschwindigkeit und Richtigkeit des Lernens von der Beherrschung der Maktrostruktur ab. Es gibt aber auch die umgekehrte Richtung, das integrative Vorgehen von unten nach oben. Das Risiko ist, daß man die Textbasis durch eigenständiges Kombinieren und Phantasieren und durch Verwechslungen verfehlt. Welche Methoden der Gedächtnisprüfung kennt die Psychologie? • Freie Wiedergabe (Reproduktion): Probanden erhalten Texte oder aus mehreren Einheiten bestehende Listen zum Einprägen. Später müssen sie wiedergeben, was sie behalten haben. Die Behaltenszeit zwischen Lernen und Wiedergabe schwankt dabei in der Regel zwischen 5 sec. und vier Wochen. • Vorhersage (Antizipation): Probanden erhalten die Elemente einer Liste mehrfach stets in der gleichen Reihenfolge vorgelegt. Sie müssen vorhersagen, welcher Teil der Liste als nächster folgen wird. • Paarlernen (paired-associates learning): Probanden erhalten in der Lernphase mehrfach eine Liste von Paarkombinationen dargeboten. Die Paare können aus Kombinationen aller möglicher Elemente und Glieder bestehen. Es wird jeweils zunächst das erste Glied des Paares gezeigt und dabei nach dem zugehörigen zweiten Glied gefragt. • Wiedererlernen (Ersparnismethode): Probanden lernen zunächst eine Liste, einen Text oder ähnliches – in der Regel bis zur völligen Beherrschung. Dem Lernen folgt ein Behaltensintervall, in dem Vergessen eintritt. Nach dem Behaltensintervall wird das Material erneut gelernt. Da dieses Wiedererlernen weniger Zeit und Wiederholungen beansprucht als das ursprüngliche Lernen, haben die Probanden bei diesem Neulernen Wiederholungen gespart. Aus der Größe der Ersparnis schließt man auf den Umfang des Vergessens zurück. • Wiedererkennen (Rekognition): Probanden erhalten eine Reihe von zu lernendem Material vorgelegt. Später wird das gleiche Material, gemischt mit neuem Material (Distraktoren) nochmal vorgelegt. Die Aufgabe ist, die Items aus der Lernphase zu finden. Dabei können zwei Fehler unterlaufen. Die Leistung wird nach der Signal-Entdeckungstheorie beurteilt. • Methode der Erinnerungshilfen (cued recall): Es werden Hinweisreize zur Förderung der Erinnerung (ähnliche Worte, Textanfänge) vorgegeben. Was leistet das Gedächtnis beim Abruf aus dem Gedächtnis? Beim Vergleich der freien Wiedergabe (Reproduktion) mit dem Wiedererkennen (Rekognition) stellt sich heraus, daß das Wiedererkennen wesentlich leichter ist, als das freie Wiedergeben. Dies wurde von Adrienne Miler (1960) belegt. Diese ließ Silben lernen. Eine Gruppe sollte diese aus dem Gedächtnis wiedergeben, die andere wurde nach der Rekognitionsmethode geprüft, sie sollten die bekannten Silben auf einer Liste anstreichen. Mit der Fortschreiten des Vergessens steigt die Überlegenheit des Wiedererkennens noch. Wie erklärte Miler diesen Befund? Sie zog eine neurophysiologische Gedächtnistheorie heran. Die gebildeten Spuren wiesen eine bestimmte Stärke auf, nach einer gewissen Zeit sinke diese Stärke unter die Schwelle der freien Reproduzierbarkeit ab. Die erneute Darbietung des gelernten Materials im Wiedererkennenstest frischt die abgesunkene Spur so weit auf, daß ihr Vorhandensein im Gedächtnis festgestellt werden kann. Welche Kritik gab es an dieser Theorie der unterschiedlich hohen Spurenstärke? Würde sie stimmen, dann müßte vertrauter, geläufiger Lernstoff leichter wiedererkannt werden, als neuer und ungeläufiger Lernstoff. Je geläufiger, desto stärker müßte die Gedächtnisspur sein und desto leichter müßte das Wiederkennen fallen. Das ist jedoch nicht der Fall. Gerade seltene, auffällige Wörter sind leichter wiederzuerkennen als Allerweltswörter, wie Shepard (1967) nachwies. Wie wird das Phänomen des leichteren Wiedererkennens alternativ erklärt? Das Reproduzieren erfordert zwei Teilleistungen: Den Abruf aus dem Speicher und das Erkennen, daß der abgerufene Inhalt wirklich der gesuchte ist. Beim Wiedererkennen wird der zu prüfende Inhalt vorgegeben, erforderlich ist nur die Überprüfung, ob der Inhalt der gesuchte ist. Im Reproduzieren ist das Wiedererkennen enthalten. Es fällt schwerer, weil es einen Schritt über das Wiedererkennen hinausgeht. Auch die Tatsache, daß seltene Wörter besser wiedererkannt werden, ist so erklärbar: Sie bilden markantere Merkmale als andere. Entspricht das erinnerte in jedem Fall dem Inhalt des Gelernten? Nein. Dies demonstrierten Hanawalt & Demarest (1939). Diese zeigten am Paradigma der steuernden Abfrage, wie sich Erinnerungstäuschungen einschleichen. Sie ließen eine Serie von zwölf Zeichnungen betrachten. Danach sollten die Teilnehmer die Figuren in der von den Versuchsleitern angesagten Reihenfolge nachzeichnen. Dazu riefen die Versuchsleiter die Zeichnungen mit dem Namen auf. Jede Gruppe erhielt unterschiedliche Namen. So sagte man einer Gruppe, sie solle die Brille, der anderen die Hantel zeichnen. Die Versuchspersonen folgten. Sie änderten beim Nachzeichnen den Stil in Richtung der gewählten Namen. Das neue Wissen hatte sich der Erinnerung beigemischt. Wie sind die unterschiedlichen Wiedergaben zu erklären? Erinnern ist nicht primär ein Hervorholen von Inhalten aus dem Gedächtnis, sondern vielmehr ein Prozeß der Wiederherstellung, der Rekonstruktion. Diese beruht nicht nur auf dem getreuen Abruf von Gedächtnisspuren, sondern es gehen auch aktuelle Einfälle, Vorstellungen und Wahrnehmungen ein. Die Abrufhinweise gehen ebenfalls in den Prozeß ein wie andere Erinnerungshilfen und beeinflußten das Ergebnis. Wie modelliert Freud (1900) das Gedächtnis? Er unterscheidet das einfache Vergessen und das durch Verdrängung hervorgerufene Vergessen. Er entwickelte Modelle des Informationsflusses im menschlichen System. Erinnerungsspuren wären zunächst stets unbewußt und können von diesem geblockt werden. Welche Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Gedächtnis und Emotion kennt die Psy? Es gibt eine große Zahl an Befunden und Erklärungen zu dieser Frage. Die wichtigsten: • die Intensitätshypothese: Je emotionaler ein Inhalt ist, desto wahrscheinlicher wird er behalten und erinnert. Eine Studie, die dies untersucht ist Schönpflug und Beike (1964). Oft spielt die Art der Emotionen keine Rolle. • die Verdrängungshypothese: Unlustvolle Inhalte werden seltener erinnert, da sie ins Unbewußte verdrängt werden. Diese ist ein fester Teil der psychoanalytischen Theorie. Zu ihrem Beleg werden oft Einzelfälle geschildert, wie z.B. von Theodor Reik (1920) festgestellt wird, daß einem Ben Hur nicht einfällt, weil das Peinlich ist. Solche Dinge rechnet Freud zu den alltäglichen Fehlleistungen. Vor allem die Suche nach Ersatzeinfällen sei charakteristisch. Freud nimmt aktive Verdrängungsmechanismen an. • die Hypothese von der Kongruenz des Einprägens und Erinnerns: Was einmal in heiterer Stimmung eingeprägt wurde, wird auch in heiterer Stimmung besser erinnert. Diese stammt von Gordon Bower (1981).Er bestätigte sie in einem Versuch, in dem Probanden Wortlisten lernen sollten. Später wurde geprüft, an was sie sich erinnern. Vor jeder Sitzung wurden sie durch Hypnose in eine heitere oder traurige Stimmung versetzt, es gab also insgesamt vier Versuchsbedingungen. Zwei Bedingungen waren kongruent, zwei nicht. Die Wiedergaben waren bei den kongruenten Bedingungen höher. Nach Bower ist es also der Gefühlszustand der Probanden und nicht die Emotionalität der Wörter, welche auf das Gedächtnis Einfluß nimmt. Diese Ergebnisse waren jedoch bisher nicht gut zu replizieren, der Autor erklärt sie dahingehend, daß sie einem kognitiven Kontext, vergleichbar einem erläuternden Bild entsprechen. Diesem Kontext würden die Wörter beim Lernen zugeordnet. Würde dieser bei der Prüfung wieder aktiviert, indem die gleiche Stimmung wie beim Einprägen erzeugt wird, entstehe eine Abrufhilfe. • die Hypothese von der Kongruenz von Stimmung und Inhalt beim Erinnern: In trauriger Stimmung erinnert man mehr Unlustiges, in heiterer Stimmung mehr Lustvolles. Die Stimmung beim einprägen sei unerheblich. Dies behaupten Henry Ellis und Patricia Ashbrook (1991) und meinen, daß die meisten Studien für diese Hypothese sprechen. In Heiterkeit würden mehr heitere Inhalte erinnert, in Traurigkeit mehr traurige. Dies wird von den Autoren als Zuweisung von Verarbeitungskapazität gedeutet, stimmungskongruenten Inhalten werde bei der Verarbeitung Vorrang eingeräumt. Wie können quälende Erinnerungen nach Hamilton (1975) gedeutet werden? Das Gedächtnis plagt den Menschen manchmal mit Erinnerungen, die sie nicht wünschen. Dies kann auf zwei Arten gedeutet werden: • Das Gedächtnis hat versagt, denn es stellt Inhalte bereit, die zur gegebenen Zeit stören. • Das Gedächtnis wirkt als Mahner. Es erinnert an drängende Probleme, die es zu bewältigen gibt. In der Tat ist in der neueren psychologischen Forschung die Störung von Denkprozessen und Handlungen durch ängstigende und sorgenvolle Gedanken ein großes Thema geworden. Diese nehmen die knapp werdende Aufmerksamkeit in Anspruch, dies führt zu Leistungseinbußen. Hamilton nennt dies eine Störung durch innerlich erzeugte sekundäre Information. Welches Modell vom Gedächtnis stellten Fergus Craik & Robert Lockhart (1972) vor? Sie konzipierten ein Ein-Speicher-Modell: • Es gibt lediglich eine Art von Gedächtnis, eine einzige Speicherstruktur zur Aufbewahrung von Gedächtnisinhalten. • Unterschiedliches Behalten beruht auf verschieden weit fortgeschrittener kognitiver Bearbeitung der gespeicherten Inhalte. Diesen Ansatz nennt man auch Mehr-Stufen-Ansatz oder levels of processing-Ansatz. Wie belegten Craik & Tulving (1975) den levels-of-processing-Ansatz? Den Probanden wurden eine Reihe von zweisilbigen Hauptwörtern präsentiert. Jedes Wort war 0,2 Sekunden zu sehen. Es gab drei Gruppen von Versuchspersonen: Eine sollte das Schriftbild des Wortes beachten, eine den Klang des Wortes und eine andere die Bedeutung des Wortes. Diese Arten der Bearbeitung gehen unterschiedlich tief. Es müßte gelten: Je tiefer die Bearbeitung fortschreitet, desto mehr Zeit nimmt sie in Anspruch und desto besser haftet der Lernstoff im Gedächtnis. Die Güte des Erinnerns wurde sowohl beim Wiedererkennen als auch bei der freien Reproduktion gemessen. Es zeigte sich als Ergebnis, daß tatsächlich die Behaltensleistung um so besser war, je intensiver sich die Probanden mit den Wörtern auseinandergesetzt hatten. Außerdem zeigte Schulman (1974), daß nur sinnvoll erscheinende Fragen zur Wortbedeutung die Behaltensleistung verbessern. Wie stellt sich alternativ dazu das Modell von Kurz- und Langzeitspeicher dar? In diesem Modell wird ein Langzeitgedächtnis, bzw. ein Langzeitspeicher (long term memory) von einem Kurzzeitgedächtnis, Kurzzeitspeicher (short term memory) unterschieden. Diese Unterscheidung stützt sich auf • die erlebte Dauer des Erinnerns • die objektive Dauer des Behaltens • die Menge des behaltenen Stoffes • die Organisation des gemerkten Stoffes Das Kurzzeitgedächtnis ist flüchtig, das Langzeitgedächtnis hingegen dauerhaft. Die Dauer des Kurzzeitgedächtnisses liegt nach Melton (1963) bei ca. 10 Sekunden. Die Dauer des Langzeitgedächtnisses ist praktisch unbegrenzt. Es gibt auch Unterschiede in der Aufnahmefähigkeit, der Speicherkapazität. In der Zeit des kurzen Behaltens kann man nicht viele Inhalte aufnehmen, es sind nur ca. 10 Einheiten, die man aufnehmen kann. Diese Items können Ziffern, Gesichter, Töne, etc. sein. Miller (1956) spricht von 7 +/- 2. Langfristig kann man sich viel mehr merken. Nach Frank (1965) sind es mindestens eine Million Einheiten. Wie unterscheidet sich die Organisation von Kurz- und Langzeitspeicher? Jacqueline Strunk Sachs (1967) führte eine diesbezügliche Studie durch. Sie trug ihren Probanden Texte vor, in jeder dieser Geschichten befand sich ein kritischer Satz. Nach dem kritischen Satz wurde abgebrochen. In einer Gruppe ging der Text noch 80 Silben, in einer anderen 160 Silben weiter. Danach hörten die Probanden vier Sätze, einmal den Ausgangssatz, dann den Ausgangssatz mit veränderter Bedeutung, den Ausgangssatz in veränderter grammatikalischer Form und den Ausgangssatz mit veränderter Wortstellung. Die Probanden sollten sagen, ob die Sätze so in dem Text vorkamen. Unmittelbar nach dem Hören war alles noch sehr gegenwärtig, bereits nach 80 Silben waren Grammatik und Wortstellung kaum noch erinnerlich, die inhaltliche Bedeutung noch nach 160 Silben. Die Autorin deutet dies dahingehend, daß die Sätze zunächst in der gehörten Form aufgenommen werden, zum dauerhaften Speichern aber der sprachlichen Form entkleidet werden. Nur der Sinngehalt würde langfristig gespeichert. D.h. der Kurzzeitspeicher kennzeichnet sich durch eine sensorische Ordnung, der Langzeitspeicher durch eine semantische Ordnung. Was ergibt sich daraus? Daraus ergibt sich subjektiv und objektiv das Bild zweier verschiedener Einheiten, eine die leicht und schnell neue Information aufnehmen kann und eine andere, bei der die Einordnung erst nach komplizierten Kategorien der Sprache und des Denkens erfolgt, wobei der Vorteil darin besteht, daß die Speicherung bestand und das Fassungsvermögen groß ist. KZG: Haltezeit 10 Sekunden, Erlebte Beständigkeit ist flüchtig, Zeitdruck ist groß, Kapazität liegt bei 10 Einheiten, Ordnung ist sensorisch. LZG: lebenslange Haltezeit, Erlebte Beständigkeit ist hoch, Zeitdruck ist klein, Kapazität ist riesig, Ordnung ist semantisch. Welche Belege gibt es für einen Ultrakurzzeitspeicher? Viele Autoren fordern die Berücksichtigung eines Ultrakurzzeitspeichers (very short term store) als dritte Speichereinheit. Die wichtigsten Belege stammen aus Experimenten von George Sperling (1960). Dieser zeigte seinen Probanden Karten mit Buchstaben und einer Darbietungszeit von wenigen Tausendstelsekunden. Die Zahl der dargebotenen Buchstaben variierte von 2 bis 12. Nach der Darbietung konnten nie mehr als vier richtig angegeben werden. Sperling überprüfte, ob die Probanden alle erfassen und während der Produktion der ersten schon wieder das Vergessen einsetzt, indem er nur verlangte, einen zu nennen, er sagte aber nicht welchen. Er zeigte eine Tafel mit neun Buchstaben. Nach dem Verschwinden der Tafel war der zu reproduzierende Buchstabe markiert. Der Vorgang wurde wiederholt, die Markierung wechselte zufällig den Ort. Wenn nicht mehr als zwei Zehntelsekunden vergangen waren, konnten die Probanden alle Buchstaben benennen. Daraus ergibt sich: Nicht die Auffassung ist während der kurzen Darbietung begrenzt, sondern die Behaltensdauer. Diese Dauer von 0,2 Sekunden unterschreitet die des Kurzzeitspeichers noch einmal erheblich. Sperling nahm deshalb eine weitere, vorgeschaltete Speichereinheit an. Vor der Übertragung in den Kurzzeitspeicher wird die Information in einem sensorischen Register festgehalten. Dieses wechsle so schnell den Inhalt, daß nicht alle Informationen an den Kurzzeitspeicher weitergegeben werden. Dieses sensorische Register ist Modalitätsspezifisch, so gibt es ein ikonisches und ein echoisches Gedächtnis. Welches Modell ist für viele Autoren mittlerweile common-sense? Das Drei-Speicher-Modell von Shiffrin und Atkinson (1969). Dieses weist folgende Merkmale auf: • Das Modell enthält drei Speicherstrukturen: Ein sensorisches Register, einen Kurzzeitspeicher und einen Langzeitspeicher. • Eintreffende Information muß das sensorische Register durchlaufen, wenn sie den Kurzzeitspeicher erreichen soll; ein Zugang zum Langzeitspeicher ist nur über den Kurzzeitspeicher möglich. • Inhalte des Langzeitspeichers können in den Kurzzeitspeicher abgerufen werden. • Reproduktionen erfolgen sowohl aus dem Kurzzeitspeicher als auch aus dem Langzeitspeicher. • Spuren im Kurzzeitspeicher verfallen schnell, Spuren im Langzeitspeicher bleiben unbegrenzt erhalten, Vergessen beruht dort in der Unfähigkeit zum Finden der Info. Eingabe von Informationen → Sensorisches Register → Kurzzeitspeicher → Langzeitspeicher → Reaktionsgenerator → Ausgabe von Reproduktionen. Was versteht man unter dem Modell des Arbeitsgedächtnisses von Allan Baddeley (1986)? Das Arbeitsgedächtnis habe nur eine begrenzte Kapazität, trage aber aktiv zur Bearbeitung von Informationen bei, die gerade zur Erfüllung von Aufgaben benötigt werden. Das Modell umfaßt eine modalitätenfreie kontrollierende Zentralinstanz (central executive), der Hilfsysteme zugeordnet sind. Die Zentralinstanz ist das Kernstück des Arbeitsspeichers und verwaltet dessen knappe Kapazität. Diese entscheidet über die Bearbeitung von neuer und vorhandener Information. Von dieser wird die Aufmerksamkeit auf die jeweils zieldienlichen Wahrnehmungen und Erinnerungen und hält diese fest, bis sie der Bearbeitung unterzogen werden. Außerdem kontrolliert und Koordiniert sie das Kurzzeitgedächtnis und entscheidet über die Art der Verarbeitung der jeweiligen Information und verknüpft die Arbeit verschiedener Speichereinheiten. Unter den Hilfssystemen findet die artikulatorische Rückkopplungsschleife (articulatory feedback loop) und das visuell-räumliche Teilsystem (visuospatial sketchpad) besondere Beachtung. Dadurch ist die Verarbeitung von verbalem und bildlichem Material getrennt. Das verbale System bildet zwei Subsysteme: phonologischer Speicher und artikulatorische Wiederholungsschleife, auf der Info kreist. Welche Stützung hat das Modell des Arbeitsspeichers erfahren? Vor allem durch Studien an hirngeschädigten Patienten. Je nach Art der Schädigung zeigten sich spezifische Störungen, die auf eine selektive Beeinträchtigung eines Teilsystems schließen lassen (z.B. Belleville, Peretz & Arguin 1992 oder van der Linden, Coyette & Seron 1992). So sei eine mangelnde Raumorientierung Indiz für Probleme im Visuellräumlichen System, wenn dabei die Verbale Erinnerung nicht beeinträchtigt ist. Welche Konzeption setzt sich in den letzten Jahren vermehrt durch? Das Gedächtnis als Nervennetz, als neuronales Netz darzustellen. Einheiten des Gedächtnisses seien Knoten. Diese bestünden aus Neuronen. Diese können erregt werden. Eine Erregung im Gedächtnis komme durch einen neu geschaffene Repräsentation oder eine bereits vorhandene Repräsentation zustande. Die Knoten sind nicht gleichgewichtig, nicht alle sind durch alle Auslöser gleich aktivierbar. Die Ausbreitung von Erregung im Netz (spread of activation) erfolgt von Knoten zu Knoten unterschiedlich. Außerdem wird angenommen, die Knoten hätten eine Eigenaktivität. Es soll geklärt werden, welcher Zusammenhang zwischen Spuren besteht, wie sich die Verbindungsstärke zwischen Spuren bestimmen läßt und wie die Spuren aktiviert werden. Welche Autoren vertreten moderne Netzwerkmodelle? Mark Chappell & Michael S. Humphreys (1994). Durch die Eigenaktivität von Knoten breiten sich Erregungsmuster aus, die die Grundlage der beobachtbaren Assoziationsmuster bilden. Diese sind unterschiedlich stabil. Diese unterschiedliche Stabilität sei die Grundlage für kurze oder lange Speicherung. Die Autoren nehmen einen Selbst-Assoziator an (autoassociator), der die Erregungsmuster von alten Einheiten auf neue übertragen. Die Weitergabe der Erregungsmuster kann parallel oder sequentiell erfolgen. Das die Erregung unterschiedlich schnell wandert, erkläre die unterschiedliche Abrufzeit. Dieser Selbstassoziator mit seiner Eigenerregung sorgt dafür, daß Assoziationsmuster im Speicher erhalten bleiben oder an andere Orte weitergegeben werden. Neue Assoziationsmuster werden von außen herangetragen. Diese werden Muster-Assoziator genannt (pattern associator). Diese können in Wechselwirkung treten, so entsteht die Erinnerung mit äußeren Hilfen. Wie deuten Mark Chappell & Michael S. Humphreys den Wiedererkennensvorgang? Das Assoziationsmuster der Testliste wird durch den Muster-Assoziator an den SelbstAssoziator weitergegeben. Ein Wort wird durch ein Muster von Knoten dargestellt. Wird bei erneuter Darbietung des Wortes aus diesem Muster eine ausreichende Zahl von Knoten im Selbst-Assoziator aktiviert, wird das Wort als alt kategorisiert, unterbleibt diese Aktivierung, wird das Wort als Neu eingestuft. Diese Klassifikation ist beeinflußt von der Wortumgebung der neuen Liste (Kontext), z.B. die Menge der Worte, das Verhältnis von alten zu neuen, die Unterscheidbarkeit und anderes. Der Testliste sind ebenfalls Knoten zugeordnet, sie werden durch Erscheinen des Kontextes erregt, die entstehende Erregung breitet sich bis zu den für das Wiedererkennen kritischen Knoten aus. Der Kontext des zu lernenden Wortes bildet die dritte Systemkomponente, die das Wiedererkennen fördern oder hemmen kann. Das Modell nimmt an, der Fluß der Erregung sei immer gerichtet, und zwar weg von den vorgegebenen Reizen. Der Selbstassoziator entspricht dem Langzeitspeicher in anderen Modellen. Er unterliegt den Einflüssen des Muster-Assoziators (dieser ist mit dem Assoziationsmuster der kritischen Worte, ihren aktuellen Erregungsmustern an der Peripherie und den Repräsentationen im Selbstassoziator verbunden) und des kontextuellen MusterAssoziators (dessen Einheiten mit dem Selbst-Assoziator verbunden sind). Alle Aktivation erfolge über den Selbst-Assoziator. Es gibt keine unmittelbaren Verbindungen zwischen kontextuellen Erregungsmustern und der peripheren Aktivierung. Der Selbst-Assoziator muß nur entsprechend aktiviert werden. Welche Fragen zum Gedächtnis stellt sich die Entwicklungspsychologie? Es kann ein Anwachsen der Gedächtnisleistung in der Kindheit beobachtet werden, wie ein Verfall der Leistung im Alter zu beobachten ist. Die Frage ist, auf welchen Grundlagen diese Effekte beruhen. Es ist unklar, ob es an direkt am Auf- und Abbau von Gehirnzellen liegt, oder ob evtl. die Alten ihre Kapazitäten nur nicht entsprechend nutzen. Was wird über die frühe Kindheit in dieser Hinsicht berichtet? Kinder erkennen Gegenstände wieder, wenn sie darüber Vorwissen haben (Spilich, Vesonder, Chiesi & Voss 1979). Bis zum Alter von 9-12 Monate entwickle sich das Wissen über natürliche Kategorien (Strauss & Carter 1984) und Ordinalzahlen. Auch das episodische Gedächtnis sei ausgeprägt. Was scheint bei der Entwicklung des Gedächtnisses eine bedeutende Rolle zu spielen? Das Metagedächtnis. Wolfgang Schneider (1989) zeigte, daß mit dem Wissen über die Schwierigkeit von Aufgaben die Gedächtnisleistung steigt. Harris & Burke (1972) belegten dies. Sie zeigten Kindern Reihen mit 9 Ziffern. Je nach Bedingung in Gruppen oder nicht. Zweitkläßler schnitten bei der Gruppierten Darbietung besser ab, als ohne. Bei Sechstkläßlern machte die Darbietungsform keinen Unterschied. Die Kinder wären in dem Alter gewohnt, selbst zu gruppieren ohne auf äußere Hilfe angewiesen zu sein. Was zeigte Monika Knopf (1987) bezüglich der Gedächnisleistung im Altern? Nicht alle Gedächtnisleistungen sind vom Abbau im Alter betroffen. Defizite treffen bei Älteren vor allem im Arbeitsgedächtnis auf, wie Brédart & Beerten (1994) in einer Studie nachwiesen. Insbesondere war eine der Verarbeitungskomponenten beeinträchtigt. Die älteren Personen konnten sehr gut Listen aus sechs Buchstaben nennen, aber wenn sie aus längeren Listen immer wieder die letzten sechs nennen sollten, so überforderte sie dies leicht. Andererseits ist das autobiographische Gedächtnis bei älteren Menschen oft sehr gut erhalten. Erinnerungen an Ersterfahrungen zeigen die nach Robinson (1992) die subjektive Bedeutsamkeit von Episoden im Leben an. Conway & Rubin (1993) wiesen nach, das besonders gerne Episoden aus den vergangenen fünf Jahren und der Jugend sowie dem frühen Erwachsenenalter bevorzugt erinnert werden. Wie vollzieht sich der Übergang vom impliziten zum expliziten Lernen und Gedächtnis? Reber (1992) wies darauf hin, daß früh in der Ontogenese, d.h. der Entwicklung von Einzelwesen und der Phylogenese die implizite Form des Gedächtnisses allein vertreten zu sein scheint. Die erste Sprache und Fähigkeiten erlernen die Kinder durch Zuhören, Nachahmen und Ausprobieren. Es ist ein gewaltiger Sprung in der Entwicklung, wenn Lernen ausdrücklich betrieben und bewußt gestaltet wird. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob das immer ein Fortschritt ist, die Bindung an die Aufmerksamkeit bringt auch Einschränkungen mit sich. Zwar wird einzelnes evtl. klarer erfaßt, aber manche komplexen Strukturen kann man implizit besser erwerben, wie man am Erwerb sekundärer Sprachen sieht. Welche Fragestellungen ergeben sich in der Persönlichkeitspsychologie zum Gedächtnis? Gedächtnisleistungen zeigen erhebliche interindividuelle Unterschiede. Vor allem in • der Geschwindigkeit des Einprägens und Vergessens. • dem Umfang des Behaltens (die individuelle Gedächtnisspanne) • die Bevorzugung verschiedener Arten von Lernstoff (Zahlen vs. Worte vs. Gesichter...) Wie geht die Persönlichkeitspsychologie mit dieser Frage um? Die meisten Intelligenztests wie z.B. der HAWIE (Wechsler, 1964) haben Untertests zur Erfassung der Gedächtnisleistung. Welche Befunde gibt es aus der Persönlichkeitspsychologie zum Gedächtnis? Es gibt immer wieder faktorenanalytische Belege für die statistische Unabhängigkeit der Gedächtnisleistung von anderen Intelligenzleistungen (Jäger 1967). Auch das Gedächtnis selbst scheint multidimensional zu sein, ein gutes Gedächtnis für Bilder und Figuren scheint von einem Gedächtnis für Worte unabhängig sein, ein gutes Kurzzeitgedächtnis muß kein gutes Langzeitgedächtnis bedeuten. Katzenberger (1967) meint, es sei also nicht sinnvoll, Menschen mit gutem und schlechtem Gedächtnis an sich zu unterscheiden. Welche qualitativen Veränderungen ergeben sich beim langzeitigen Behalten? Bereits Wulff (1922) wies darauf hin, und dies wurde um durch Gardner, Holzman, Klein (1959) bestätigt: Es gab eine Gruppe von Personen, die beim Zeichnen von Figuren die charakteristischen Merkmale der Figuren bei der Wiedergabe noch stärker herausarbeiten als in Wirklichkeit (z.B. spitzere Winkel, ausgeprägtere Krümmungen). Diese nannte man Präzisierer (sharpener). Andere stumpften die charakteristischen Merkmale ab. Diese nannte man Nivellierer (leveler), diese tendieren dazu, die Unterschiede zwischen Figuren zu verwischen. George Klein verallgemeinerte diese kognitiven Stile von Wulff auf andere Bereiche des Wahrnehmens und Denkens. Welche Hinweise gibt es auf Wechselwirkungen von Gedächtnis und Persönlichkeit? Offenbar gibt es viele Persönlichkeitsfaktoren, die das Gedächtnis beeinflussen und andererseits das Gedächtnis diese festigt. So gaben Einstein, McDaniel, Owen & Coté (1990) und Ellis & Ashbrook (1991) ihren männlichen und weiblichen Probanden teilweise in depressiver, teilweise in normaler Stimmung Märchen oder nüchterne Beschreibungen vor. Frauen behielten die nüchternen Beschreibungen weniger gut, wenn sie mißgestimmt waren. Dies beeinträchtige jedoch nicht das behalten der besinnlichen Märchentexte. Männer behielten die nüchternen Beschreibungen in beiden Stimmungen gleich gut, zeigten aber in schlechter Stimmung einen deutlichen Abfall der Gedächtnisleistung für Märchen. Welche Bedeutung hat das Gedächtnis für die Persönlichkeitspsychologie noch? Es konstituiert das Selbst. Es ist unentbehrlich für die Entstehung von Selbstbild und Identität. Jeder erlebt sich in verschiedenen Zeiten und Situationen, dabei erlebt er, daß er ungeachtet der sonstigen Entwicklung stets er selbst bleibt. Raymond C. Cattell (1950) nennt den auf Erfahrung begründeten Begriff von der eigenen Person das „empirische Ich“. Gordon W. Allport (1958) nennt das empirische Ich „Selbst“ oder „Proprium“. Welche Fragen verbinden Gedächtnispsychologie und Sozialpsychologie? • Wie Gedächtnisleistungen von kooperierenden Individuen einer Gruppe beschaffen sind. • Welche Rolle das Gedächtnis für das Sozialleben spielt und inwiefern die Gruppen aktiv werden um einzelnde Inhalte der Gedächtnisse zu modulieren. Welche Vorzüge hat das gemeinsame Einprägen für das Problemlösen? Nach Lorge, Fox, Davitz et. al. (1958) ergibt sich: • Je mehr Personen versammelt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine von ihnen einen gesuchten Inhalt richtig erinnert, den sie dann kommunizieren kann, so daß ihn dadurch alle Gruppenmitglieder wissen. • Mehrere Personen können Teilerinnerungen zusammentragen, aus denen man den gesuchten Inhalt rekonstruieren kann. • Mehrere Personen können helfen, eine falsche Erinnerung zurückzuweisen und nach einer neuen zu suchen. • Mehrere Personen können im Zweifel die Richtigkeit einer Erinnerung bestätigen. Wie wird das Gedächtnis durch soziale Ereignisse beeinflußt? Nach Middleton & Edwards (1990) bilden sich durch Unterhaltungen kollektive Versionen von vergangenen Ereignissen. Daraus bilden sich soziale Kognitionen, die wiederum der Ausgangspunkt für soziale Aktionen ist. Generell scheint es so zu sein, daß sozial erwünschte Sachverhalte bereitwilliger eingespeichert und wiedergegeben werden als unerwünschte. Erinnerung kann zur organisierten sozialen Aktion werden. Gibt es eine soziale Verdrängung von Gedächtnisinhalten? Eindeutige Belege für die Richtigkeit dieser Behauptung sind nicht leicht zu beschaffen. Jedoch stellt E. Liebhart (1971) fest, daß die Deutschen bei einer Inhaltsanalyse von Zeitungsartikeln empfindlich auf die Frage der Kriegsschuld reagieren. So würden Ideologien in Form des sozialen Gedächtnisses entstehen. Wer zeigte, daß das Gedächtnis sehr wohl von sozialen Interessen abhängt? Ulric Neisser (1981) zeigte, daß das Gedächtnis eines Betroffenen vom Watergateskandal bei bestem Wissen und Gewissen nur eine Rekonstruktion darstellt. Die Wiedergabe war ungenau. Dies ist bei Zeugenaussagen immer kritisch. Allerdings gebe es auch Richtigkeitsbereiche, die wie Inseln im Meer der unkorrekten Erinnerungen herausragen. Die Anteile richtiger Aussagen basieren nach Neisser auf wiederholten gleichartigen Erfahrungen, die sich dem Gedächtnis in typisierter Form einprägen. Kapitel 8: Problemlösen Welche Eigenschaften sind kennzeichnend für komplexe Systeme? • Zahl der Variablen. Variablen sind Merkmale des Systems, die mehrere Werte annehmen können. Komplexe Systeme zeichnen sich durch die große Zahl wichtiger Variablen aus. • Polytelie. Dies nennt man das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer zu verfolgender Ziele. Oft hängen diese Ziele zusammen. • Vernetztheit. Viele Variablen sind mittelbar oder unmittelbar miteinander verknüpft. Diese Zusammenhänge können sowohl gegenläufig, als auch fördernd sein. • Dynamik. In einem komplexen System gibt es zeitliche Veränderungen. Ein Beispiel ist die wirtschaftliche Konjunktur. Diese Dynamik ist eine Eigenschaft des Systems selbst. Für diese ist der Problemlöser nicht verantwortlich. • Intransparenz. Die Beziehung zwischen Variablen ist in komplexen Systemen nicht immer klar. Dies macht die Auswirkungen von Aktionen evtl. unvorhersehbar. • Freie Komponenten. Ein komplexes System muß, was die Variablen und ihre Verknüpfungen anbelangt nicht immer vollständig festgelegt sein. Es können neue Variablen auftreten, dies schafft Unsicherheit. Was hat es mit Problemen eigentlich auf sich? Es gibt Probleme in großer Zahl. Sie spiegeln die Reichhaltigkeit menschlicher Bedürfnisse. Sie betreffen die unterschiedlichsten Bereiche der Arbeitswelt, des sozialen Lebens, sowie des persönlichen Fortkommens und Befindens. Die zur Lösung der Probleme erforderlichen Tätigkeiten sind mitunter so vielfältig wie die Probleme selbst. Wer formulierte als erster Ansätze zu einer allgemeine Theorie des Problemlösens? Die Informatiker G. W. Ernst & Allan Newell (1969). Sie definierten auf den Problembereich bezogen zwei Zustände: Einen Ausgangzustand und einen Ziel/Endzustand. Durch die Anwendung zulässiger Operationen durch die Lösungstätigkeit ergeben sich Veränderungen dieser Zustände, bzw. es ergeben sich Übergangszustände. Welche Ansätze zum Problemlösen gibt es in anderen Disziplinen? Auch Philosophie, Mathematik, Informatik, Soziologie und Geschichtswissenschaft beschäftigen sich mit einer allgemeinen Theorie der Probleme und deren Lösung: • Die Philosophie bemüht sich um die erkenntnistheoretischen Grundlagen des Problemlösens. Nicolai Hartmann (1882-1950) entwickelte eine eigene Aporetik, eine Theorie zur Bewältigung schwer lösbarer Probleme. Paul Lorenzen (1955) widmet sich den logischen Operatoren und deren Voraussetzung beim Problemlösen. • Die Mathematik sucht allgemeine Prozeduren zur Lösung von Problemen zu entwickeln, ihr computerwissenschaftlicher Zweig, die Informatik nutzt dabei Rechner, so z.B. Mesarovič (1965). • Die Soziologie behandelt das Erfinden und Problemlösen als gesellschaftlichen Vorgang. Sie erkundet die sozialen Vorbedingungen und Folgen von umwälzenden Neuerungen, wie z.B. Bevölkerungswachstum oder Lebensstandard (Gilfillan 1970). • Die Geschichtswissenschaften zeichnen das Entstehen von Neuerungen in der Technikgeschichte nach. (z.B. Drachmann). Im Prinzip leistet jede Wissenschaft mit einer eigenen Methodik einen Beitrag zum Problemlösen. Das Problemlösen wird von manchen sogar als einigendes Band zwischen den Wissenschaften gesehen. Hier setzt die Allgemeine Systemtheorie an, die mit einer präzisen Sprache multidisizplinär Probleme lösen will (Mesarovič 1972) um die auseinanderstrebenden Einzelwissenschaften zu einem großen Verbund zu organisieren. Was ist ein Beispiel für einen allgemeinen Problemlöseansatz nach Wickelgren (1974)? Er stellt die Aufgabe, aus vier dreigliedrigen Ketten eine zwölfgliedrige herzustellen, dabei dürfen nicht mehr als drei Glieder geöffnet werden, d.h. nicht alle denkbaren Lösungsoperationen sind zugelassen. Zur Lösung muß eine Kette ganz aufgelöst werden. Was kennzeichnet die bisherige Problemlöseforschung? Da bei komplexen Systemen Ausgangs- und Zielzustände und Übergänge nicht einfach zu bestimmen sind, für andere Probleme oft Fachwissen erforderlich ist, handelt man oft überschaubare Probleme ohne jede Dynamik aus dem logisch/mathematischen Bereich ab. Sehr großer Beliebtheit erfreut sich die Kannibalen-Missionare-Aufgabe (Thomas 1974). Bei dieser Aufgabe ist Ausgangs- und Zielzustand und alle gültigen Übergangszustände leicht auszumachen. Die Lösung umfaßt mindestens 11 Schritte. Da Experten oft ein eigenes Problemverständnis haben, ist das Problemlösen von Experten oft ein Forschungsthema für sich. Vor allem das Spiel von Schachmeistern wurde von Forschern wie de Groot (1946) oder Tichomirow (1975) gerne untersucht. Wie ist das Problemlösen kognitivistisch zu konzeptualisieren? Als Vorgriff auf das Handeln. Man unterscheidet äußere Handlungen und Denkvorgänge, die das problemlösende Handeln vorwegnehmen und steuern. Problemlösen als Probehandeln. Dabei hat das Problemlösen im Denken einen entscheidenden Vorteil, der gleichzeitig der entscheidende Nachteil ist: Die erdachte theoretische Lösung ändert nicht das geringste an der Realität. Wenn sich die erdachte Lösung nicht bewährt, ist das ein Vorteil. Manche Einfälle sind untauglich. Die gedachte Problemlösung ist im Vergleich zur ausgeführten Handlung meist weniger aufwendig, sie verbraucht weniger Zeit, kein Material und hat keine nachteiligen Folgen. Wenn man vor dem Hausbau einen Plan anfertigt, kann man manche Fehler, z.B. in der Statik von vorne herein entdecken und berücksichtigen. Was ist ein Realmodell (neuerdings auch Computermodelle = Simulationen)? Es nimmt eine Zwischenstellung zwischen der gedanklichen Vorwegnahme und dem Ausprobieren ein. Die Nachbildung der Wirklichkeit erlaubt das ausprobieren von Lösungen. Worin offenbart sich die Freizügigkeit des Denkens nach kognitivistischen Autoren? Vor allem in der Subjektivität von Problemen. Was für Menschen zum Problem wird, hängt sehr stark von der jeweiligen Sicht der Dinge und den Bedürfnissen ab. Nur die Annahme von naturgegebenen universellen Bedürfnissen rechtfertigt die Annahme von universellen Problemen, denen sich niemand entziehen kann. Das Auftreten von Selbstmorden erschüttert aber auch diese Konzeption nach Weinert (1976). Als sich Allen Newell & Herbert A. Simon (1972) mit der Beschaffenheit von Problemen auseinandersetzten und universelle Lösungsprozeduren entwickeln wollten, fiel ihnen bei der Betrachtung menschlicher Problemlöser auf, wie subjektiv diese Problemeigenschaften auffassen. Sie haben eigene Wahrnehmungen und Urteile über Ausgangszustand und Zielzustand. Daher sprechen Newell & Simon von individuellen Bestimmungen von Problemen (redefinition of problems). Wie konzeptualisieren die Behavioristen das Problemlösen? Diese halten die subjektive Sichtweise bei der wissenschaftlichen Behandlung von Problemen nicht für statthaft. Der Vorgang des Problemlösens beruhe auf dem Verhaltenslernen. Irving Maltzmann (1955) stellt das Lernen des praktischen Problemlösens dar. Dieses vollzieht sich auf zwei Ebenen, es sind zu unterscheiden: • spezielle Reaktionen, die unmittelbar ausgeführt und beobachtet werden können. • allgemeine Reaktionen, welche innerlich ablaufen und nicht beobachtbar sind Die Problemsituation wirke als komplexer Reiz, diese löst eine Allgemeinreaktion aus (mediating response), die als Vermittler zu den speziellen ausführbaren Reaktionen führt. Diese sind recht variabel und konkret. Deren Ausführung führt zur Lösung. Wie sehen die Vertreter der Gestalttheorie das Problemlösen? Max Wertheimer und Karl Dunker sehen das Problemlösen als produktives und schöpferisches Denken, nicht als mechanistischen Lernprozeß. Für dieses brauche es nicht unbedingt einschlägige Erfahrung, sondern Einsicht. Dieses Erwachse aus einer Erneuerung der Wahrnehmung, indem ein alter Sachverhalt in neuer Sicht erscheint. Erfolgreiches Problemlösen bringe neue kognitive Strukturen hervor, dies nennt Wertheimer Umstrukturierung. Wahrnehmung und produktives Denken seien gleichartige Erkenntnisprozesse. Die Wahrnehmung führe zu einer ersten Form der Ordnung. Das produktive Denken leiste dann einen Strukturwechsel, eine Umstrukturierung. Er war beeindruckt von der Plötzlichkeit, mit der sich diese Einfälle einstellen und hielt die Umstrukturierungen für selbsttätige Prozesse der Organisation. Wer betont eine vermittelnde Position? D.E. Egan & J. G. Greeno (1974) haben darauf hingewiesen, daß das Problemlösen so komplex ist, daß sich diese Ansätze ergänzen können. Problemlösen kann sich sowohl auf früher gesammelte Erfahrung stützen, als auch in der Gegenwart die gerade Verfügbare Information neu analysieren. In dieser Hinsicht ist der Behavioristische Ansatz eher Vergangenheitsorientiert, der Gestaltansatz eher Gegensatzbezogen. Beide Ansätze können durch die vielaspektive Natur der Probleme angemessen sein. Wie vollzieht sich der Prozeß des Problemlösens durch systematische Variation? Ein beliebtes Beispiel ist hier das Problem des Turms von Hanoi, welches von Sydow (1970) untersucht wurde. Dieses Problem eskaliert schnell, werden 6 Scheiben verwendet, benötigt man zur Lösung mindestens 63 Züge. Anhand dieser Aufgaben bemühten sich Ernst, Newell & Simon um allgemeine Theorien der Handlungsmöglichkeiten beim Problemlösen. Sie versuchten, Anfangs-, Zwischen- und Endzustände von Problemen vollständig darzustellen. Alle dieser Zustände zusammen nennt man Problemraum (problem space). Die Darstellung der Lösungsoperationen nennt man Zustand-Aktions-Bäume. Sie zeigt Handlungsoptionen. Wie vollzieht sich das Problemlösen nach Newell & Simon (1972)? Die Verwandlung früherer Zustände des Problemraums in spätere erfolgt durch Operationen des Problemlösens. Die Handlungsmöglichkeiten liest man aus der Darstellung des Problemraumes ab. Das Fortschreiten im Problemraum anhand des Aktionsbaums ist durch zwei Grundoperationen bestimmt: Das Hervorbringen neuer Zustände und die Überprüfung der hervorgebrachten Zustände. Bei kleinen Problemräumen ergibt sich die Möglichkeit, alle möglichen Züge durchzuprobieren, bis man auf eine Zugfolge stößt, die zur gewünschten Lösung führt. Ein vollständiges Ausprobieren aller möglichen Operationen nennt man systematische Variation. Welche Bedeutung hat die systematische Variation für das praktische Problemlösen? Seit schnell arbeitende Rechner Simulationen von Prozessen und Produkten gestatten, hat dieses Verfahren an Bedeutung gewonnen, wird insbesondere im konstruktiven Ingenieurbau angewendet. Da alle Einflußfaktoren bekannt sind, kann man berechnen lassen, was die beste Kombination dieser Eigenschaften ist um einen idealen Entwurf zu schaffen. Welchen Beschränkungen ist die Methode der systematischen Variation unterworfen? Grundsätzlich müßte es zu jedem Problem einen vollständigen Aktionsbaum und damit mindestens eine Lösung geben, aber die Fähigkeiten des Menschen zum Bewältigen großer Informationsmengen sind beschränkt, die Aktionsbäume wachsen bei komplexen Problemen zu schnell. Daher sucht er nach Möglichkeiten den Aktionsbaum zu beschneiden (Wickelgren), wo immer das geht. Außerdem gibt es noch weitere Gründe: • Die für die Lösung bedeutsamen Faktoren sind oft am Beginn des Lösungsvorgangs gar nicht bekannt. • Die Prüfung der erreichten Zustände ist oft mit schwierigen und langwierigen Erhebungen verbunden, vor allem im Sozialbereich. • Der Problemlöser braucht eine erhebliche Ausdauer, da er sich mit vielen unbrauchbaren Lösungen beschäftigen muß, bis eine brauchbare Lösung erreicht ist. Welche Möglichkeiten ergeben sich bei einer planmäßig auswählenden Variation? Den Aktionsbaum beschneiden bedeutet, alle Zweige zu entfernen, die nicht zur Lösung führen. Die Aufmerksamkeit wird bei solchen Verfahren auf die Zweige gerichtet, die näher zur Lösung führen. Aus einer systematischen Variation wird eine planmäßige auswählende Variation. Hier gibt es mehrere planmäßig auswählende Verfahren: • durch Algorithmen, feststehende Lösungsprozeduren (diese sind benannt nach AlChwarismi, einem arabischen Mathematiker). • durch Heuristiken (=griech., finden). Suchverfahren und Findemethoden, für die es keine festen Vorschriften gibt. Algorithmen geben konkrete Anweisungen zur Lösung von Problemen. Diese garantieren die Lösung (Klix, 1971). Heuristiken sind oft allgemeiner gefaßt und weniger klar zu beschreiben, manchmal sind sie nicht mal auf ein bestimmtes Problem zugeschnitten. Durch Zusammenstellen allgemeiner, problemunspezifischer Heuristiken erhält man nach PutzOsterloh (1974) Leitfäden um Lösen von Problemen. Sie entwickelte ein heuristisches Schema, eine Allgemeinstrategie. Wodurch rechtfertigt sich ein schrittweise erarbeiteter Lösungsweg? Durch das Erreichen der Lösung selbst. Beim heuristischen Vorgehen, wenn kein Algorithmus bereitsteht, herrscht subjektive Unsicherheit beim Entscheiden zwischen verschiedenen Handlungsalternativen. Denn jedes Problem ist in der Regel durch verschiedene Methoden anzugehen. Wie erforscht Karl Dunker (1935) das Problemlösen? Er stellt seinen Probanden die Tumorfrage, zu der es drei Lösungsmöglichkeiten gibt. Die Darstellung der verzweigten Lösungswege nennt er Lösungsstammbäume, die den Stammbäumen aus der Genealogie ähneln. So kann man das allgemeine Ziel durch die Vermeidung des Kontaktes zwischen Strahlen und Gewebe, der Immunisierung des gesunden Gewebes oder der Herabsetzung der Strahlung auf dem Weg zum Tumor erreichen. Diese Lösungen unterscheiden sich qualitativ, sie sind Teilprobleme, die weiter konkretisiert werden können. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Was ist der Unterschied zwischen Aktionsbäumen und Lösungsstammbäumen? Sie haben die Form gemeinsam, beziehen sich aber auf andere Inhalte. In Aktionsbäumen werden aufeinanderfolgende Operationen erfaßt, in Lösungsstammbäumen hingegen gedankliche Schritte. In den Aktionsbäumen bleibt die Begründung für die Wahl einzelner Operationen offen, die Denkschritte im Lösungsstammbaum liefern die Argumentationsgrundlage für die Ausführung von Handlungen. Was kennzeichnet die Dunkerschen Lösungsstammbäume? Sie entfalten sich in mehreren Zweigen, die sich nach den herangezogenen Lösungsprinzipien gliedern. Durch das Erreichen weiterer Ebenen gewinnen sie an Konkretheit. In den unteren Ebenen ist das übergeordnete Prinzip und zusätzliche Elemente enthalten. Nicht alle Ideen sind gleichermaßen zur Lösung geeignet, da in der Praxis oft nicht alle Voraussetzungen gegeben sind um sie zu verwirklichen. Daraus wählt man also die praktikabelste Lösung. Was ist für Dunker kennzeichnend für die Lösung von Problemen? Man kann den Lösungsstammbaum von oben her durch fortschreitende Konkretisierung entwickeln. Dafür ist das Durchlaufen der Stadien • Problemanalyse • Finden eines Lösungsprinzips • sukzessive Konkretisierung des Prinzips bis zum Erreichen der Praktikabilität charakteristisch. Umgekehrt kann man den Baum von unten her entwickeln, wenn man zunächst einen Einfall zu einer konkreten Lösung hat und daraus die passenden Lösungsprinzipien entwickeln. Was sollten Problemlöser tun, die mit neuen und komplexen Problemen konfrontiert sind? In diesen Situationen sind Situationsbäume zur vollständigen Lösung oft utopisch, man weiß nicht, was man tun soll. In dieser Situation sollte man fraktioniertes Problemlösen betreiben, d.h. nicht das gesamte Problem auf einen Schlag bewältigen wollen, sondern in Teilziele aufgliedern. Diese Aufgliederung kann sich in zweierlei Weise vollziehen: • Nach Teilproblemen, die zeitlich parallel zu bewältigen sind. • Nach Teilproblemen, die nacheinander zu bewältigen sind. Was wird durch die Aufgliederung eines Gesamtziels in Teilziele oder Unterziele erreicht? Dadurch erhöht sich die Überschaubarkeit der Anforderungen. Der Lösungsprozeß wird in mehrere Schritte aufgeteilt. Dies bezeichnet man als Fraktionierung des Problemlösens. Sie wird oft bei schwierigen Problemen betrieben. Welche Aufgabenhierarchie fand Tichomirow (1975) bei der Analyse des Schachspiels? • Entscheidung des Spiels durch das Matt des fremden Königs. • strategische, langfristig angelegte Pläne, Überlegungen, durch welche langfristigen Entwicklungen man das Ziel des Matts erreichen kann. • taktische (kurzfristig angelegte) Methoden, wie z.B. Zerstörung bestimmter Figuren. Wie setzt sich die Zielhierarchie von Tichomirow um? Jede Aktion des Spielers dient einer oder mehreren Zielen innerhalb dieser Hierarchie. Die verschiedenen Ziele des Schachspiels werden in eine zeitliche Reihenfolge gebracht, die Zielhierarchie setzt sich in eine Abfolge von Zielen um. So werden dem Oberziel mehrere Unterziele im Dienst des Oberziels vorgelagert. Die zeitliche Reihenfolge ist beim Schachspiel die Entwicklung von Figuren, der Figurengewinn, der Stellungsvorteil und schließlich das Mattsetzen des Königs. Diese Ziele kann man als Netz darstellen. Ein solches Netz von Zielen nennt man Zielstruktur. Welche Gefahren ergeben sich beim Fraktionierten Problemlösen? Die Aufgliederung eines Lösungsablaufes in Teilschritte bergen die Gefahr der einseitigen Konzentration auf Teilaufgaben zum Schaden des Ganzen. Dies nennt Dörner „Einkapselung“. Dies ist im Prinzip oft eine Fluchtreaktion, wenn es im großen und ganzen nicht so klappt, wie sich der Problemlöser das vorstellt, dann findet der Rückzug auf ein kleines, überschaubares und oft unwesentliches Teilproblem statt. Außerdem sollte man bei dieser Aufgliederung nicht den Überblick über die gesamte Zielstruktur verlieren. Deshalb darf man bei simultanen Aufgaben die Aufmerksamkeitsbreite nicht einschränken und sollte bei seriellen Problemen möglichst weit vorausschauen. Was sind evolutionistische Lösungsverfahren? Die Problemlösungen der Natur sind oft bemerkenswert ausgereift, z.B. der menschliche Blutkreislauf. Alle Problemlösungen gehen auf das Prinzip der Evolution zurück, welches von Charles Darwin (1859) aufgedeckt wurde. Von Generation zu Generation verändern sich die Erbanlagen spontan durch Mutation. Individuen mit besseren Eigenschaften haben gegenüber anderen einen erhöhten Überlebensvorteil und Fortpflanzungschance, d.h. es findet Selektion statt. Dieses Verfahren läßt sich nach Ingo Rechenberg (1973) auch für technische Problemlösungen anwenden. Dadurch wurden z.B. schon Kühlrippen optimiert. Krowalewksi, Peters & Zerbst (1979) entwickelten auf der Basis dieser Strategie einen Nervenschrittmacher. Bei diesem Verfahren werden Eigenschaften des zu optimierenden Systems verändert und festgestellt, ob die Veränderung Vorteile bringt. Varianten mit Vorzügen werden beibehalten und weiteren Veränderungen mit nachfolgender Prüfung unterworfen. Um Erfolg zu haben, benötigt man oft mehrere hundert Generationen. Welches Beispiel gibt es für die gelungene praktische Auswertung theoretischer Erkenntnis? Andreas Sigismund Marggraf (1709-1782) hat 1747 entdeckt, das man Zucker nicht nur aus Zuckerrohr, sondern auch aus einheimischen Gewächsen gewinnen kann. Franz Karl Achard brachte das Verfahren 1812 zum praktischen Einsatz und erzielte großen Nutzen. Wodurch kann das Problemlösen erschwert werden, was ist dann zu tun? Schwierig ist, wenn das Problem nicht klar ist, sondern nur ein diffuses Gefühl besteht, daß etwas nicht in Ordnung ist. Dann muß das Problemlösen mit der Präzisierung des Problems beginnen, die klären muß, was unmittelbare Störfaktoren und deren Ursachen sind. Eine andere Unklarheit kann den Lösungszustand, das Endziel betreffen. Dieses mag sich lediglich als Verneinung eines bekannten Anfangszustandes darstellen. Außerdem können Übergänge zwischen diesen Zuständen lückenhaft sein, selbst wenn diese bekannt sind. Dann ergibt sich das Problem der Interpolation oder Transformation. Oft ist alles drei vonnöten. Wie nennt man diesen Prozeß der Definition der Ausgangslage? Es handelt sich um einen eigenen Prozeß, den Prozeß der Problemanalyse. Diese wurde bereits im wesentlichen von Karl Dunker in dessen Konfliktanalyse beschrieben. Diese beschäftigt sich mit den Ursachen der Schwierigkeiten. Wie nennt Dunker den Prozeß der Analyse des anzustrebenden Zustandes? Er nennt ihn Zielpräzisierung. Auch die Negation des Anfangszustandes ist nicht immer eindeutig, so kann die Ablehnung von Krieg die totale Abrüstung oder das totale militärische Gleichgewicht fordern. Es geht bei diesem Prozeß darum, zu klären, was man will. Was sind Transformationen, was ist für sie nötig? Diese betreffen die Übergangszustände. So kann z.B. ein Element in einem Problemlöseprozeß mit unbefriedigenden Eigenschaften durch Transformation durch ein anderes, für den Problemlöseprozeß angemesseneren Element ersetzt werden. So kann z.B. ein Seil in eine Metallstange „verwandelt“ werden. Nach Klix (1971) erfordert die Transformation von Eigenschaften das Entfalten von Eigenschaftsräumen. So kann man z.B. bei Metallen durch Wanderungen im Eigenschaftsraum unliebsame Merkmalskombinationen durch erwünschte ersetzen. Die Transformationen und Interpolationen überbrücken die Lücken zwischen Anfangs- und Endzustand. Was fordert Le Faivre (1974) für das praktische Problemlösen? Er meint, beim praktischen Problemlösen sei keine der Gegebenheiten klar, die Theorie des Problemlösens müsse sich auf Bedingungen der Verschwommenheit einrichten. Es geht um verschwommenes Wissen (fuzzy knowledge). Die Wissenschaft solle sich nach der Beschäftigung mit konventionellen Problemen mit der allgemeinen Beschaffenheit unscharfer Probleme auseinandersetzen (fuzzy-problem-solving). Die traditionellen klaren Probleme sollten verunklart werden um sich den Problemen der natürlichen Welt anzunähern. Wie können Menschen den Weg zum Problemlösung einschätzen, bevor sie es gelöst haben? Eigentlich muß der Weg zu einem Ziel genau bekannt sein, bevor die jeweilige Entfernung einzuschätzen ist, d.h. erst nach der Lösung ist klar, ob überhaupt eine Lösung gelingt. Allerdings haben Menschen ein Gefühl für die verbleibende Zeit der Problemlösung. Bei diesen Vorhersagen können sie sich natürlich furchtbar verschätzen, wie die Prognosen der Zukunft immer wieder zeigen. Aus den bereits erzielten Fortschritten bei der Lösung der Probleme bilden sich Erwartungen über den zukünftigen Fortschritt. Dadurch regt ein Fortschrittsglaube die Anstrengung an. Olaf Helmer (1963) weist nach, daß von der Prognosen der frühen 60er manche eingetroffen sind, viele nicht und vieles gar nicht vorhergesehen wurde. Wie nennt man schöpferische Gedanken? Man nennt ungewöhnliche Ideen oft kreativ. Darauf baut kreatives Handeln auf. Wie kommt man zu kreativem Denken und Handeln? Man muß sich gegen zwei Arten von Widerstand durchsetzen: Konvention und emotionale Abwehr. Konvention ist die durch Wiederholung und soziale Übereinkunft erzeugte Festgelegtheit des Erlebens und Verhaltens. Es bedarf eines durchschlagenden Einfalls um sich aus der Festgelegtheit zu lösen, z.B. Bäume in Wohnungen zu holen. Dieser Einfall stößt auch gängige Wertvorstellungen um. Damit erregt man die emotionale Abwehr der Mitbürger und hat auch selbst evtl. emotionale Hemmungen. Das Abweichen von Konventionen und das Erregen von Gefühlen hängen eng zusammen, da die Festlegung auf das Gewohnte Sicherheit und Ruhe gibt, die evtl. geraubt wird. Nach Maslow stehen dem kreativen Akt oft Angst, Scham und andere Gefühle entgegen. Was zeichnet kreative Lösungen oft noch aus? Ihre Originalität. Originell ist eine Lösung, wenn sie ohne erkennbares Vorbild entstanden ist. Die Originalität einer Lösung bezieht sich aber nur auf ihre Neuheit, sonst nichts. Welche Arten der Originalität unterscheidet Rausch (1952)? • Eine Lösung ist völlig neu. Kein Mensch hat je vorher die gleiche Erkenntnis besessen. • Eine Person hat eine Lösung für sich neu entdeckt. Die Lösung war anderen zwar schon bekannt, die betroffene Person ist jedoch ohne fremdes Vorbild zu ihrer Lösung gelangt. • Eine Person hat eine ihrer früheren Lösungen wiederentdeckt. Auch dies kann eine schöpferische Leistung sein, wenn diese in der Zwischenzeit vergessen wurde. Wie unterscheidet sich die Psychologische Bewertung der Originalität von der öffentlichen? In der öffentlichen Diskussion zählt nur die Originalität der ersten Art. Nur der erste Urheber einer Idee genießt die ganze Belohnung von Ruhm und Ehre. In der psychologischen Forschung ist unerheblich, wieviele Menschen vor der betreffenden Person die gleiche Idee hatten. Wenn eine Person ohne Vorbild eine Lösung entwickelt, ist es für diese originell, entscheidend sei der Prozeß, der zur selbständigen Lösung führt. Auch das Wiederentdecken ist für den Denkpsychologen von Interesse. Wie ist die Beschaffenheit des kreativen Aktes zu beschreiben? Dieser hat sich bisher der exakten Beschreibung entzogen. Es sind wohl erhebliche Anteile impliziten Denkens beteiligt. Kennzeichnend für diesen kreativen Akt ist jedenfalls die Plötzlichkeit und Spontanität der einsetzenden Erkenntnis, wie dies von Wertheimer und Köhler immer wieder betont wurde. Dabei ist den betroffenen oft selbst unklar, wie sie zur Lösung gekommen sind. Wie kategorisiert Karl Bühler (1879-1963) solche Einfälle? Er reiht sie in die Gruppe der Aha-Erlebnisse ein. Diesen Erlebnissen geht in der Regel eine Zeit andauernder Stagnation voraus. Diese ist aber nach Olton (1979) für den kreativen Akt aber nicht verloren, vielmehr reife in dieser Zeit der kreative Gedanke heran. Dies wird als Inkubationszeit (=brüten, sorgsam bewachen) bezeichnet. Wie unterscheidet sich der kreative Einfall von der bisherigen Art des Problemlösens? Im Gegensatz zum langsamen Fortschreiten auf dem Weg zur Lösung treten die Gedanken anscheinend unvermittelt auf, das nennt man spontan. Einzelnen Einfällen kommt beim Dunkerschen Lösungsstammbaum eine ganz andere Rolle innerhalb dieses Baumes zu. Die überlegte und anstrengende schrittweise Annäherung an die Lösung ist ein Bewußter Vorgang, der spontane Einfall wird gerne den Kräften des Unbewußten zugeschrieben. Nach Arthur Koestler (1964) wäre dabei die ganze Persönlichkeit so mit dem Problem angereichert, daß eine Suche nach der Lösung auch weitergeht, wenn sich die Aufmerksamkeit mit anderen Dingen beschäftigt. Vollzieht sich in den stillen Phasen beim Problemlösen nur ein Heranreifen der Ideen? Nach Jacques Hadamard (1951) nicht. Er erwägt drei Vorgänge während dieser Phasen: • das unbeachtete Fortschreiten vorher unbewußter Denkprozesse • das Wegräumen von Hindernissen • das Vergessen von erfolglosen Lösungsansätzen Welche Heuristiken zur Erhöhung der Kreativität beim Problemlösen sind bekannt? Eine besteht darin, daß man den Suchraum erweitert (Klix 1971). Ein beliebtes Paradigma hierbei ist, 9 Punkte mit 4 Strichen zu verbinden, oder Streichhölzer entsprechend umlegen. Dies entspricht einem Anhängen neuer Zweige am Aktionsbaum. So kann man z.B. vom Legen vom Zahlen zum Legen von mathematischen Operationszeichen fortschreiten. Welche Ansicht hat das fernöstliche Denken nach Laotse zur Kreativität? Man solle in die unbewußten Kräfte vertrauen. Es gehe nicht darum, äußere Informationen zu sammeln und bewußte Regeln für deren Verwertung zu benutzen, sondern sich auf die eigene Konzentration verlassen und in die eigene Person versenken. Laotse meint, man könne alles erkennen ohne aus dem Haus zu gehen, man tue nichts und erlange alles. Wie bewertet Getzels (1979) das Finden von Problemen beim kreativen Prozeß? Getzels meint, daß entscheidende am kreativen Prozeß sei nicht das finden der Lösung, sondern das Finden der Probleme. Er unterscheidet zwischen • der Kenntnisnahme ausdrücklich vorgegebener Probleme (z.B. in der Schule). • dem Entdecken nicht ausdrücklich vorgegebener Probleme • der selbständigen Entwicklung von Problemen (z.B. durch Künstler) Er zeigte durch Untersuchungen an künstlerisch tätigen Personen, daß schöpferisches Gestalten das Aufwerfen von Problemen voraussetzt. Er beruft sich auch auf Einstein, welcher meinte, daß das Finden des Problems wichtiger ist, da das Finden der Lösung vor allem vom mathematischen und experimentellen Geschick abhängt. Neue Fragen zu finden oder alte Probleme neu zu sehen erfordere schöpferische Vorstellungskraft. Allerdings kann ein übersteigert geschärftes Problembewußtsein auch depressiv und verzweifelt machen, vor allem wenn man keine Lösungsmöglichkeiten sieht. Wie wird der Satz „Übung macht den Meister in der Theorie des Problemlösens gesehen? Zwiespältig. Auf der einen Seite spielt die Erfahrung bei der Lösung von Problemen eine große Rolle, andererseits übertreffen gerade die wertvollen kreativen und originellen Lösungen die vorhandene Erfahrung. Frühere Erfahrungen machen oft blind für kreative Lösungen, da sie Konventionen schaffen. Warum und wann kann Erfahrung beim Problemlösen hilfreich sein? Wem einmal die Lösung eines Problems gelungen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit beim zweiten Auftreten des Problems weniger Mühe mit der Lösung haben. Je häufiger ein Problem bewältigt wurde, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß es auch in Zukunft bewältigt wird, wenn es wieder auftritt. Die Zahl der nötigen Lösungsschritte wird abnehmen. Möglichweise läßt sich die Erfahrung sogar übertragen und für die Lösung eines anderen Problems nutzen, so daß die Lösung des Problems A die Lösung des Problems B wahrscheinlicher macht. Das wäre ein Fall der Übungsübertragung (transfer). Außerdem kann man Verfahren einüben, die das Lösen einer ganzen Klasse von Problemen wahrscheinlicher macht, auch wenn diese vorher nie bearbeitet wurden. Welche Möglichkeiten der Förderung des Problemlösens durch Lernen sind besonders gut? • das Lernen von Gebrauchswerten (Funktionalwerten). • das Lernen von einzelnen, aufeinanderfolgenden Lösungsschritten (Taktiken). • das Lernen von allgemein anwendbaren Lösungsregeln (Strategien). Was hat es mit dem Funktionalwert von Gegenständen und Personen auf sich? Diese bestimmen das Wozu. Nach Dunker (1935) stiften sie die Beziehung zwischen einem Gegenstand und einer Lösung. Der Funktionalwert eines Hammers ist z.B. das Einschlagen von Nägeln. Ein Gegenstand hat meist mehr als einen Funktionalwert. Nicht alle Funktionalwerte sind gleich geläufig. Dadurch kann man die Funktionalwerte eines Gegenstandes in einer Hierarchie anordnen. Wer untersuchte die Hierarchie von Funktionalwerten? Per Saugstad & Kjell Raaheim (1957/58). Diese befragten in einer Studie Gymnasiasten nach den Funktionalwerten von Alltagsgegenständen. Sie sollten anhand von Beispielen nennen, was man mit den Gegenständen machen kann. Dabei ergaben sich große Unterschiede in den Antworten. Über manche Einfälle herrschte großer Konsens, andere waren ausgefallener. Diese ausgefallenen Funktionen nutzten die Autoren in einem nachfolgenden Versuch. Jene, die auch ausgefallene Funktionalwerte angaben, konnten ein Problem besser lösen als andere, da sie die zusätzlichen Funktionen der benutzten Gegenstände kannten. Diese waren nötig, um das Problem zu lösen. Die Probanden sollten Stahlkugeln aus einem Glas in ein Metallgefäß befördern. Da beides nicht in Reichweite stand, mußten sie einen Nagel umbiegen und eine Zeitung zu einer Röhre falten. Die Personen, die beide ausgefallenen Funktionalwerte nannten waren gering an Zahl, aber sie alle fanden die Lösung. Außerdem seien die Funktionalwerte besonders gut übertragbar. Die gebräuchlichen Funktionalwerte könne man den Gegenständen besonders gut ansehen. Wer in einer Situation gelernt hat, daß man einen Nagel verbiegen kann, wird dies gut auf andere Problemsituationen übertragen können. Die Erfahrung von Funktionalwerten läßt sich generell auf neue Problemsituationen übertragen. Wer untersuchte die Wirksamkeit des Lernens allgemeiner Lösungsstrategien? Wiebke Putz-Osterloh (1974). Sie verglich die Effektivität eines Trainings in Taktik mit der Effektivität einer Unterweisung in der Strategie des Problemlösens. Das Training erfolgte anhand eigens konstruierter Käferaufgaben. In diesen sollte aus einem vorgegebenen Startkäfer durch genetische Eingriffe neue, für bestimmte Zwecke geeignete Käfertypen hergestellt werden. Ziel des Taktik-Trainings war, daß man sich mit den einzelnen Schritten dieser Umwandlung vertraut macht. Das Strategietraining bestand darin, die Probanden in der Organisation von Problemlöseprozeduren zu unterweisen. Dabei wurde anhand der Käferaufgaben ein heuristisches Lösungsschema eingeübt. Dabei wurde der Erfolg des Trainings überprüft. Später wurden neue Aufgaben aus der Prädikatenlogik vorgegeben und die Probanden bei der Lösung beobachtet. Es zeigte sich, daß die strategisch geschulten wesentlich kürzere Lösungszeiten hatten. Die taktisch geschulten unterschieden sich nicht von den untrainierten Probanden. Durch lautes Denken wurde entdeckt, daß dies daran lag, daß die strategisch geschulten sich um mehr Vorausschau bemühten und hartnäckiger auf der Suche nach möglichen Veränderungen waren. Die Lösungswege waren trotz allem nicht stereotyp obwohl sie sich an dem vorgegebenen Schema orientierten. Verallgemeinert man die Ergebnisse, so taugt die Übermittlung isolierter Lösungsschritte nicht zur Übertragung auf neue Problemlösesituationen. Heuristische Regeln gelten für eine größere Menge von Problemen und kommen daher der Lösung neuer Aufgaben eher zugute. Wer zeigte die Nachteile der Erfahrung für neue Problemlösungen bei Funktionalwerten auf? Dies zeigte Scheerer (1963) auf. Bereits die Wahrnehmung einer Funktion beeinträchtigt die Fähigkeit, weitere Funktionen zu erkennen. Er lies Probanden ein Problem bearbeiten, zu dessen Lösung sie zwei Stöcke verbinden mußten. Diese konnten durch eine Schnur verbunden werden. Die Probanden fanden die Lösung, wenn die Schnur einfach so an der Wand hing, nicht jedoch wenn an dieser ein Bild aufgehängt war. Die Probanden sahen den anderen Funktionalwert der Schnur einfach nicht, auch nach 20 Minuten hatte die hälfte der Probanden noch keine Lösung gefunden. Die anschauliche Deutung hatte die Lösung unterdrückt, sie durchmusterten nicht den Vorrat erinnerlicher Funktionen, sondern behielten jene Funktion bei, die sich der Wahrnehmung bot. Wer untersuchte die hemmende Wirkung von routinierten Lösungsprozessen? Dies wurde von Abraham Luchins (1942) untersucht. Er zeigte, daß neue Lösungen durch die eingeübten alten wesentlich behindert werden. Dies wurde von ihm anhand der Umfüllaufgaben untersucht. Studenten sollten zunächst das Umfüllen von Flüssigkeiten mit bestimmten Behältern üben. Es sollte eine bestimmte Menge abgemessen werden, die man immer durch die gleiche komplizierte Kombination von Umfülloperationen erhält. Von dieser Art wurden fünf Aufgaben vorgegeben. Diese ließen sich stets nach dem gleichen Schema lösen. Es konnte eine Lösungsregel formuliert werden. Auch bei den folgenden Aufgaben war das Schema anwendbar, aber es war ungeheuer umständlich. Schließlich kam eine Aufgabe, die durch das Schema nicht zu bewältigen war. Die Personen gewöhnten sich sehr schnell an die mechanische Anwendung des Schemas. Sie bildeten eine Einstellung und ließen sich von dieser leiten. 70% der Personen wählten die umständlichere Lösung bzw. scheiterten ganz. Von unvoreingenommenen Versuchspersonen ohne Übungsphase scheiterten nur weniger als 5%. Auch wählten sie nicht so umständliche Wege. Der Autor schließt daraus, daß eine Gewöhnung zur Automatisierung der Denkvorgänge und dem blinden Vertrauen gegenüber Aufgaben führt. Man hängt am eingeübten Denkmuster. Wie steht es mit der Erfahrungsbasis großer Erfindungen? Selbst die herausragendsten Kulturleistungen wie die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (1450) hatten ihre Vorläufer im Holzschnitt. Wie steht es nach dieser Debatte um die Natur des Problemlösens? Die Natur dieser Prozesse ist nach wie vor nicht geklärt. Behavioristen betonen die Erfahrungsabhängigkeit des Problemlösens, vor allem durch die Beobachtung von Übungsgewinnen. Auch das beschriebene dysfunktionale Verhalten zeige die Macht der Gewohnheit (Maier, 1930). Die Gegner der Erfahrungstheorie leugnen die Bedeutung der Erfahrung nicht, relativieren aber deren Nutzen für besonders kreative Leistungen. Sie berufen sich auf Leistungen, die sich nicht aus vorangegangener Erfahrung herleiten lassen. Besonders beweiskräftig sie die schöpferische Tätigkeit, die über mechanische Einstellung und starre Gewohnheit triumphiert. Was fällt beim kindlichen Denken und Problemlösen auf? Die Anpassung des Denkens an die Realität geht einher mit der Anpassung der Wirklichkeit an die Vorstellung (Oerter, Dreher & Dreher 1977). Auf jeden Fall fällt nach Yando, Seitz & Zigler (1978) auf, daß Kinder zur Imitation und zum starren Festhalten an bewährten Lösungen neigen. Welche Rolle spielt das Elternhaus bei der Entwicklung des produktiven Denkens? Es scheint eine wesentliche Rolle zu spielen. Es wird zwar behauptet, die Eltern sollten die Kindern möglichst freizügig behandeln (z.B. Watson, 1957), dem wird jedoch widersprochen, z.B. von Rainer Krause (1977). Dieser untersuchte 107 Kinder und Eltern. Er fand, daß vor allem jene Kinder als hochkreativ galten, deren Eltern auf anspruchsvollen Forderungen bestanden, auch wenn die Kinder sich wehrten. Väter mit Kindern, die eine niedrige Kreativität zeigten, legten Wert auf gutes Einvernehmen und nahmen lieber die Forderungen zurück. Er beschreibt die fordernden Väter als strikt und mit sich selbst im reinen, während die nachgiebigen Konflikte hätten. Welche Bedeutung hat das Problemlösen für die Persönlichkeitspsychologie? Seit Edouard Claparède (1873-1940) Intelligenzhandlungen als Akte des Problemlösens beschrieb, kommt diesem in der Persönlichkeitspsychologie eine große Bedeutung zu. Es handelt sich also um eine wichtige Persönlicheigenschaft, diese nennt man Kompetenzen. Welche Bedeutung haben die Kompetenzen? • Sie bestimmen den Lebensweg und die Sozialisation eines Menschen. • Ihr Besitz vermittelt das Gefühl der Selbstsicherheit. • Ihr Mangel führt zu Versagen und Angst. Welche Bedeutung hat nach Abraham Maslow (1954) die Kreativität? Sie kennzeichne den autonomen Menschen. Sie helfe ihm, seinen Bedürfnissen gerecht zu werden und diene damit der Selbstverwirklichung. Jeder Mensch könne durch die Selbstverwirklichung seine individuelle Form von Kreativität entwickeln. Nicht nur die berühmten Menschen hätten Kreativität, sondern auch Kinder, Handwerker und Hausfrauen. Wie konzipieren die Tiefenpsychologen die Kreativität? Gar nicht so optimistisch. Freud meinte, die schönsten Schöpfungen aus Kunst und Wissenschaft entstammten einer frühkindlichen Enttäuschung. Leonardo da Vinci (14521519) trachte durch seine Madonnenbilder danach, seiner Mutter habhaft zu werden, die früher seinem Liebesverlangen nicht gefolgt sei. Ähnlich auch Alfred Adler. Jede große Leistung sei eine Wiedergutmachung eines Versagens, sei der Versuch der Kompensation empfundener Schwäche und Minderwertigkeit. Wie mißt man Fähigkeiten zum Problemlösen und der Kreativität? Die klassischen Intelligenztests messen Fähigkeiten, die dem Problemlösungen auf jeden Fall zugute kommen, wie die Fähigkeit zu induktivem und deduktivem Denken, der Merkfähigkeit und der Raumanschauung. Tests speziell zur Fähigkeit des praktischen Problemlösens sind jedoch noch in den Anfängen, da sie spezielle Anforderungen stellen. Ein verbreiteter Test zur Messung der individuellen schöpferischen Fähigkeiten, d.h. der Kreativität kommt von Karl-Josef Schoppe (1975). Dieser Test erfaßt lediglich die verbalproduktiven Merkmale der Kreativität, da inhaltsorientierte Verfahren keine objektive Auswertung gestatten. Der Test mißt den verbalen Assoziations- und Einfallsreichtum. Man soll z.B. möglichst viele Funktionen von vorgegebenen Gegenständen angeben. Dabei ist die Zeit begrenzt, als originell gelten vor allem unmoralische oder verbrecherische Verwendungen, d.h. übliche Funktionen mit unüblichen Situationen oder ungewöhnlichen Gegenständen in Zusammenhang bringen. Wann wird das Problemlösen zum sozialpsychologischen Gegenstand? • Wenn die zur Lösung anstehenden Probleme sozialer Natur sind, wie etwa die Konkurrenz um knappe Ressourcen oder die Verteilung von Aufgaben. • Wenn mehrere Individuen sich gemeinsam um die Lösung von sozialen und nicht sozialen Problemen bemühen, wie z.B. wissenschaftliche Forschungsteams, Künstlergruppen, etc. Wie schneiden Gruppen im Vergleich zu Individuen beim Problemlösen ab? Nach Helmut Crott (1979) steigt in der Gruppe im Vergleich zum Individuum die Wahrscheinlichkeit, daß Problem zu lösen. Dies liegt daran, daß • je mehr Köpfe zusammenwirken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß in einem von ihnen der entscheidende Lösungseinfall heranreift. • unvollständige Lösungsvorschläge eines Mitglieds können von anderen Mitgliedern weitergedacht werden. • Irreführende Einfälle werden von anderen leichter als solche erkannt und verworfen. • Verschiedene Aspekte eines Problems lassen sich in Gruppen arbeitsteilig bearbeiten. • Je mehr Menschen versammelt sind, desto mehr Erfahrungen gehen in die Beratungen ein. • Nach Taylor & Ellison (1975) entsteht in Gruppen manchmal ein besonderes Kreativitäsklima, welche die Offenheit für Probleme und Lösungseinfälle begünstigt. Kann das Problemlösen in Gruppen auch Nachteile haben? In der Tat können die Vorzüge der Gruppe ins Gegenteil umschlagen. Die Erwartung aller, der andere werde schon die Lösung finden, kann das Engagement aller herabsetzen. Auch finden oft irrige Vorschläge die Unterstützung der Mehrheit, während erfolgversprechende Ansätze von der Mehrheit abgelehnt werden. Irving L. Janis (1972) meint sogar, die Rücksicht auf die eigene Gruppe stehe einer sachgerechten Problemlösung im Wege. Diese produktivitätsfeindliche Form des Gruppendenkes nennt er „groupthink“. Dieses groupthink trete in stark kohärenten Gruppen auf. Das Bestreben nach Einmütigkeit unterdrücke hier die realistische Bewertung der Handlungsalternativen. Aus dem Druck innerhalb der Druck werde die Fähigkeit zu Leistung, Realitätsbewußtsein und moralischem Urteil beeinträchtigt. Dies belegt er anhand von sechs Fallstudien aus der amerikanischen Außenpolitik, z.B. der verfehlten Invasion in der Schweinebucht in Kuba (1961). Dieses Unternehmen wurde zum Debakel. Dabei wurde im Vorfeld die eigene Kraft überschätzt, die des Gegners unterschätzt, und die geographischen Informationen falsch interpretiert. Obwohl die Aktion von vielen hervorragenden Köpfen geplant wurde, ging sie schief. Bei der Planung war jedoch die Scheu vor gegenseitiger Kritik vorherrschend. Unabhängige Experten wurden nicht zu Rate gezogen. Dabei wurde die Wirklichkeit gründlich verkannt. Ein klassischer Fall. Kapitel 9: Zielgerichtetes Verhalten Was ist in der Betrachtung von Handeln zu unterscheiden? • Der äußere Hergang, die Abfolge von beobachtbaren Bewegungen und deren Folgen • die inneren Beweggründe des Handelnden, seine Motive • die Körperempfindungen und Gefühle • die nervösen, hormonalen und kardiovaskulären Veränderungen des Körpers bei Handeln • die Kognitionen des Handelnden: Wahrnehmung, Gedanken Wie deuten die Behavioristen und Reflexologen das Verhalten? Als Reaktion, als Reflex auf vorgegebene innere und äußere Reize. Wie deuten die Kognitivisten das Handeln? Menschen sind planende Wesen. Sie setzen sich Ziele und suchen, diese zu verwirklichen. Zentral ist eigenes Bewußtes Handeln, willentliche Entscheidung und Verantwortung. Was betonen die Tiefenpsychologen beim Handeln? Auch sie sehen die wesentliche Ursache des Handelns im Individuum. Allerdings sei es nicht bewußt, sondern gelenkt von triebhaften Impulsen aus dem Unbewußten. Oft deuten sie Fehlleistungen, die nur scheinbar harmlos seien. In welche Arten von Tätigkeiten ist Handeln grob aufzuteilen? • Produktionstätigkeiten. Ziel von Produktionstätigkeiten ist die Herstellung eines Gegenstandes oder eines Zustandes. • Lokomotionen. Sie dienen der Ortsveränderung von Personen und Gegenständen. • Orientierungstätigkeiten. Diese dienen dem Beschaffen einer Kenntnis. • Kommunikationstätigkeiten. Diese dienen der Verständigung zwischen sozialen Partnern. • Regenerations- und Rekreationstätigkeiten. Diese umfassen Tätigkeiten wie Spielen, Essen und Trinken, Ruhen und Schlafen. Wie sind die Tätigkeiten verbunden? Durch Verhaltensketten stehen sie in einem größeren Handlungszusammenhang. Wie nannte Leonhard Frank (1939) die zeitliche Strecke, auf die Menschen zu Beginn ihrer Handlungen vorausschauen und auf die sie während der Handlung zurückblicken? Zeitperspektive. Welche Zeitperspektive vertritt Alfred Adler (1929)? Er meint, daß ganze Leben stünde unter einem einheitlichen Lebensziel, daß Leben folge dem Lebensplan. Welche Zeitperspektive vertreten die Kognitivisten? Auch diese analysieren im Gegensatz zu den Behavioristen die Tätigkeiten mit einer langfristigen Zielsetzung. Welche Einheiten der Verhaltensanalyse bieten sich an? • die Tätigkeit einzelner Muskelfasern und einzelner Gefäße • die Aktion einzelner Muskeln und Muskelgruppen bei Körperbewegungen, Greifen • die kurzfristige Bewegungsphase in einem weiter erstreckten Ablauf, Taste drücken • die koordinierte kurzfristige Bewegung, z.B. Einparken • mittelfristige Tätigkeiten, z.B. Ausflug • langfristige Tätigkeiten, z.B. Studium Was ergibt sich daraus für die Wissenschaft? Die Verhaltensanalyse kann auf verschiedenen Untersuchungsebenen ansetzen. Die komplexen schließen die weniger komplexen ein. Welcher Frage geht die Ethologie (=Verhaltensforschung) nach? Ob sich Lebewesen, die sich in der äußeren Gestalt unterscheiden auch in ihrem Verhalten unterscheiden. Welches Beispiel gibt Nikolaas Tinbergen für arteigenes Instinktverhalten? Das Paarungsverhalten des dreistachligen Stichlings. Die Paarung läuft in ihrem Biotop (=Lebensort) immer nach dem gleichen Muster ab: 1. Das Stichlingsmännchen vollführt vor dem weiblichen Stichling einen Zickzacktanz. 2. Daraufhin wendet das Weibchen dem Männchen seinen Bauch zu. 3. Nunmehr führt das Männchen das Weibchen zum Nest. 4. Das Weibchen folgt. 5. Das Männchen zeigt den Nesteingang. 6. Das Weibchen schwimmt in das Nest. 7. Das Männchen vollführt ein Schnauzentremolo. 8. Das Weibchen laicht ab. 9. Das Männchen besamt den Laich. Wodurch ist das Paarungsverhalten des dreistachligen Stichlings gekennzeichnet? Jeder Verhaltensakt in diesem Ablauf scheint durch einen eigenen Außenreiz ausgelöst zu sein. Eine Stufe dient als Auslöser der nächsten. Diese Reize nennt Tinbergen Auslöse- oder Schlüsselreize. Wodurch werden die Schlüsselreize moduliert? Sie wirken nicht zu allen Zeiten. So ist die Bereitschaft zum Paaren nur in der Brunstzeit vorhanden. Tinbergen nennt solche Bereitschaften Stimmungen. Was muß zusammenkommen, damit ein Verhaltensakt hervorgebracht wird? Eine innere Stimmung und ein äußerer Auslöser. Der Intensität der Stimmung kommt dabei eine große Bedeutung zu. Je stärker die Stimmung, desto schwächer kann der Auslöser sein. Wie nennt Lorenz Verhalten, daß unabhängig von Umweltreizen auftritt? Leerlaufhandlungen. Diese gehen auf eine starke Ansammlung von Antriebsenergie zurück. Wie nennen Tinbergen und Lorenz biologisch bedeutsame Verhaltenstendenzen? Sie nennen sie Instinkte. Es handelte sich um einen nervösen Mechanismus, der auf bestimmte Impulse anspricht und mit wohlkoordinierten Lebens- und Arterhaltenden Bewegungen antwortet. Was wird durch diese Definition getrennt? Innere Instinktmechanismen und das darauf beruhende Instinktverhalten. Das Instinktverhalten sichert das Überleben von Individuum und Gattung. Die Zweckmäßigkeit des Instinkts muß dabei dem betroffenen Individuum nicht einsichtig sein. Das Instinktwesen wird zum Träger des Instinktverhaltens, nicht zum Urheber. Wer waren frühe Vertreter der Ethologie? Konrad Lorenz (1903-1989) und Nikolas Tinbergen. Diese erhielten den Nobelpreis für ihre Beobachtungen in Seewiesen. Und zwar den für Medizin, weil es für Psychologie und Biologie keinen gibt. Wie konzipiert Iwan P. Pawlow das menschliche Verhalten? Er differenziert nicht zwischen Instinkt und Reflex, für ihn geht das Verhalten auf das Wirken von Auslösemechanismen zurück. Dies ist eine der Grundannahmen der Reflexologie. Er kennt den Lebensreflex, der in Einzelreflexe zerfällt und der Lebenserhaltung dient. Was bewirkt diese Reflexausstattung beim Menschen? Durch diese werden sie zu automatenhaft reagierenden Wesen. Ein Auslösereiz führt zum verbundenen Verhaltensakt, wenn hinreichende Bereitschaft vorhanden ist. Was legt Hull seiner Verhaltenstheorie zugrunde? Die Annahme fester Verbindungen von Reizen und Reaktionen. Welche Arten von Reiz-Reaktions-Verbindungen unterscheidet Hull? Die von Geburt an vorhandenen ungelernten Verbindungen SUR und die durch Lernen gebildeten Verbindungen, die Gewohnheiten (habits, SHR). Was folgt daraus für die Theorie von Hull? Auch sie ist eine Automatentheorie des Verhaltens. Hauptproblem ist die biologisch zweckmäßige Anpsassung des Verhaltens an die jeweilige Umwelt. Warum werden von verschiedenen Autoren Zusatzannahmen gemacht? Weil der Mensch über ein ausgedehntes Verhaltensrepertoire verfügt und die Umwelt ein reichhaltiges Reizangebot bereithält. Dadurch werden die Reiz-Reaktionsverbindungen recht kompliziert. Welche Zusatzannahmen machen die verschiedenen Autoren? • Mit einem Reiz können gleichzeitig mehrere Reaktionen verknüpft sein. • Mit mehreren verschiedenen Reizen kann ein und dieselbe Reaktion verknüpft sein. • Verhaltensweisen können an spezifische Reizkomplexe gebunden sein, d.h. an Kombinationen gleichzeitig auftretender Reize. • Verknüpfungen von Reizen und Reaktionen können durch die Lerngeschichte eine verschiedene Stärke haben. Was versteht Hull unter der habit family hierarchy? Innerhalb jeder bekannten Situation verfügt ein Individuum über eine eigene Reaktionshierarchie, d.h. eine Familie von Gewohnheiten. Hierbei handelt es sich um einen Satz von Reaktionsalternativen, deren Ausführbarkeit das betroffene Individuum bereits erfahren hat. Die einzelnen Verhaltensweisen treten unterschiedlich häufig auf, was Hull durch eine unterschiedliche Gewohnheitsstärke erklärt. Wie erklärt Hull die unterschiedliche Gewohnheitsstärke? Durch unterschiedlich häufige Übung. Je nach Häufigkeit der Wiederholung habe sich die Bindung der Reaktion an die Situation verfestigt. Wie erklärt Hull, wenn das Verhalten nicht streng nach der Hierarchie auftritt? Auch die Reaktionstendenzen liegen wie andere biologische Größen Oszillationen, d.h. spontanen Schwankungen. Dadurch können schwächere Gewohnheiten stärkere überflügeln und selbst verstärkt werden. Was ist die Grundlage der Reiz- und Reaktionszusammenhänge von Hull? Nervenschaltungen im Gehirn. Dabei bestimmen Gewichtsfaktoren bei der Übertragung im Nervennetz die Stärke der Gewohnheiten. Situationen -> Reize -> Reaktionen. Wie lassen sich längere Ketten von Verhaltensweisen nach Hull darstellen? Auch wenn sie wie eine zielgerichtete Tätigkeit aussehen, lassen sie sich als Abfolge von Reiz-Reaktionseinheiten darstellen. Jede Reaktion Ri bringt den Tätigen in eine neue Reizsituation Si+1, bis das Ziel erreicht ist und mit der Vereinnahmung des Zielobjekts die Kette ihr Ende findet. Komplexes Verhalten als Aufbau einer Reaktionskette, erreicht die letzte Reaktion das Ziel, erfolgt die Endverstärkung. Wie veranschaulicht Gagné das Prinzip von Hull? Am Beispiel eines Fahrschülers, der den Wagen starten will. In welcher Tradition stehen Behaviorismus und Reflexologie? Die Annahme einer automatenhaften Mechanik im Verhalten fußt auf der philosophischen Tradition des französischen Materialismus. In diesem erweiterte sich das Konzept des Uhrwerks und der Begriff der Maschine auf den regelhaften Kosmos. So behauptete Helvetius, alles sei nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit zu beschreiben, auch die Moral. d´Holbach entwarf das Bild einer völlig kausal determinierten Natur, auch soziale Verbände wären den strengen Gesetzen unterworfen. Wie konzipierten die frühen Behavioristen Begriffe wie Antriebe oder Motive? Sie lehnten sie entweder als subjektiv und unwissenschaftlich ab, oder sie können aus dem Verhalten erschlossen werden. Allerdings wurde dies von Edwin B. Holt (1931) kritisiert – es ist zirkulär, von einem Verhalten auf einen Trieb zu schließen und von dem Trieb auf das Verhalten. Wie konzipierten die späten Behavioristen die Triebe? Hull (1952) entwickelte eine eigene Trieblehre. Er versuchte nicht, die Verhaltensweisen den Trieben zuzuordnen, sondern er erkannte Bedürfniszustände als psychologische Begriffe an und schlug eine Definitionsgröße zu ihrer objektiven Erfassung vor: die Entzugsdauer. Je nach dem, was entzogen wird, liegt ein anderer Bedürfniszustand vor. Welche Charakteristika haben Bedürfniszustände nach Hull? • Sie erzeugen Triebreize (z.B. Hunger und Durst) • Sie erhöhen den Spannungszustand, das Energieniveau Wie sind Triebreize bei Hull konzipiert? Die Triebreize (=motivational stimuli) fallen bei verschiedenen Bedürfniszuständen (drive states) unterschiedlich aus. Lebewesen können unterscheiden, ob es an Wasser oder Nahrung mangelt. Diese Triebreize sind an der Verhaltenssteuerung beteiligt. Nicht nur Außenreize, sondern auch Innenreize können allein oder in Kombination Verhalten auslösen. Dies erklärt auch teilweise die unterschiedlichen Verhaltensweisen bei gleichem Außenreiz. Wie ist das allgemeine Triebniveau (drive level) bei Hull konzipiert? Jeder Entzug erhöht das allgemeine Triebniveau. Dieses kennzeichnet die dem Individuum verfügbare Energiemenge. Die Besonderheiten der Einzelbedürfnisse werden in diesem nicht mehr unterschieden. Außerdem aktiviert es die vorhandenen Gewohnheiten. Wie erfaßte Hull den Zusammenhang zwischen Gewohnheit und Trieb? Im Begriff des Reaktionspotentials. Dieses ergibt sich als SER und ist bestimmt durch den Antrieb D und die Gewohnheitsstärke SHR: SER = D • SHR. Wie belegte Hull diesen Zusammenhang? Schon 1943 von Daten seines Studenten Perin (1942). Ratten durchliefen ein Labyrinth weiter, obwohl ihnen kein Futter mehr geboten wurde. Die Ausdauer stieg mit der Anzahl der vorher erfolgreichen Wiederholungen. Außerdem durchliefen sie es um so ausdauernder, je länger sie gehungert hatten. Hier findet die Beziehung zwischen Reaktionspotential als Produkt aus Gewohnheitsstärke und Triebniveau den beobachtbaren Ausdruck. Wie vollzieht sich zielgerichtetes Handeln aus kognitivistischer Sicht? Als ein Prozeß des praktischen Problemlösens. Das Handeln durchläuft folgende Phasen: • Erfassung einer Aufgabe, eines Problems • Zielsetzung • Planung der Handlung • Ausführung der Handlung • Feststellung des Ergebnisses und Vergleich von Ergebnis und Ziel (Erfolgskontrolle). Was benötigen die Handelnden aus Sicht der Kognitivisten? Einsicht in die Handlungssituation und die darin möglichen zielführenden Handlungen. Hierfür benötigt man die Kenntnis von Aktionsbäumen oder Heuristiken. Wie faßt Edward C. Tolman (1886-1959) die Einsicht in die Handlungssituation auf? Er bemühte sich um den Nachweis, daß Situationen mehr sind als eine Menge von Reizen. Er meinte, Räume würden als Handlungsräume erfahren, darin die Gegenstände als Handlungsobjekte oder Handlungsmittel. Welche Arten von Objekten unterscheidet Tolman (1932) in Räumen? • Diskriminanda: Gegenstände und Merkmale von Situationen, die geeignet sind, das Handeln zu leiten (z.B. Wegweiser) • Manipulanda: Gegenstände, die zum Hantieren geeignet sind. Diese dienen als • Ziel-Objekte: Gegenstände, die geeignet sind, Bedürfnisse zu befriedigen • Mittel-Objekte: Gegenstände, die sich als Werkzeuge zur Erreichung von Zielen eignen Was sind wichtige Einsichten für das Handeln nach Tolman? • Kenntnis von Mittel-Ziel-Beziehungen (Was kann benutzt werden, um ein Ziel zu erreichen) • Kenntnis von gangbaren Wegen im Handlungsraum (Was führt wozu) So baut der Handelnde eine geistige Landkarte auf (cognitive map). Auf der Grundlage dieser map kann der Handelnde Möglichkeit und Zweckmäßigkeit von Handlungen bestimmen. Außerdem lassen sich neue Handlungen entwerfen, über längere Zeit erstreckte Handlungen erscheinen als einheitlich und zusammenhängend. Wofür werden Einsicht und Voraussicht noch Voraussetzungen? Für Handlungen in späterer Zukunft und mit langfristiger Zeitperspektive. Auf welchen Ebenen sind Handlungen nach Winfried Hacker (1978) zu analysieren? • der intellektuellen Ebene. Auf dieser entstehen Handlungsstrategien und Handlungspläne. • der perzeptiv-begrifflichen Ebene. Auf dieser wird das Angebot an Signalen mit begrifflichen Schemata in Einklang gebracht. • der sensumotorischen Ebene, auf dieser Ebene vollziehen sich automatisierte oder automatisierbare Bewegungen. In welcher Beziehung stehen diese Ebenen zueinander? Sie sind hierarchisch angeordnet. Die automatische Bewegung (3. Ebene) ist eingebettet in das gedankliche Schema der Anwendung einer solchen Bewegung (2. Ebene). Die Anwendung des Schemas wird geleitet durch übergreifende Strategien und Pläne (1. Ebene). Wie konzipieren Hacker und Mitarbeiter den Handlungsablauf? Als intellektuellen Prozeß. In diesen gehen zwei Arten von Informationen ein: • Informationen über die Handlungssituation. Diese werden zum Situationsmodell verarbeitet. • Informationen über auszuführende Handlungen und ihre Wirkungen. Diese fügen sich zum Operationsmodell zusammen. Diese bilden zusammen ein operatives Abbildsystem. Dieses ist langfristig im Gedächtnis gespeichert. Dieses kann jedoch durch neue Aufgaben verändert und den jeweiligen Anforderungen angepaßt werden. Wer untersuchte den Wert des Situationsmodells? Matern, Lehmann & Uebel (1976). Diese zeigten, daß Arbeiter in der Metallindustrie umso bessere Leistungen zeigten, je genauer sie über den Betriebsprozeß Bescheid wußten, d.h. je besser das Situationsmodell war. Wer untersuchte den Wert des Operationsmodells? Dies wurde von Wolfgang Skell (1976) untersucht. Er fragte, wie Dreher ein Werkstück herzustellen beabsichtigten. Jeder benannte die nacheinander auszuführenden Schritte. Danach wurde er bei der tatsächlichen Arbeit beobachtet. Ein guter Plan war wesentlich. Manchmal wurden Planschritte zwar in der Arbeit ergänzt, oft fehlten sie aber auch. Wodurch ist die Erstellung eines neuen Handlungsplans nach Hacker charakterisiert? Dies ist ein zeitaufwendiger und anstrengender kognitiver Prozeß. Als solcher wird er bewußtseinspflichtig. Ist die Planung abgeschlossen, kann der fertige Plan im Gedächtnis gespeichert werden und ist dort zum Abruf bereit. Darauf aufbauende Handlungen erscheinen routiniert. Automatisierte Tätigkeiten sind bewußtseinsfähig, aber nicht bewußtseinspflichtig, d.h. nicht notwendig zum erfolgreichen Ausführen der Tätigkeit. Wie wurde die Theorie des Handelns in der Menschheit entwickelt? Zunächst gab es die praktische Philosophie, die sich von der Naturlehre und der Geisteswissenschaft abgrenzt. Im Handeln werde der menschliche Wille in die Realität umgesetzt. Diese entwickelte Ratschläge für Politik, Hauswirtschaft und sittliches Handeln, z.B. Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik. In dieser entwirft er eine allgemeine Theorie der Entstehung und Beurteilung von Handlungen. Individuen handeln bewußt und freiwillig. In dieser Tradition der aristotelischen Ethik steht nicht nur die kognitivistische Handlungstheorie, sondern auch andere praktische Wissenschaften, z.B. Rechswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Soziologie. Wie kann man zielgerichtete Tätigkeiten gliedern? Man kann sie in Operationen, Teilschritte aufteilen. Handlungen kommen durch eine bestimmte zeitliche Abfolge (Sukzession) von Operationen zustande. Die Reihenfolge ist für den Handlungszweck oft zwingend. Manche Operationen laufen gleichzeitig ab. Wie klassifizierte Tadeusz Tomaszewski Operationen in Handlungen? Nach ihrer Funktion, d.h. ihrem Beitrag zum Handlungszweck. Vor allem unterschied er produktive Operationen und Hilfsoperationen. Produktive Operationen dienen unmittelbar der Erstellung eines bestimmten Produkts, Hilfsoperationen sind dazu bestimmt, die hinreichenden Bedingungen für diese produktiven Operationen zu schaffen. Welche Hauptarten von Hilfsoperationen unterschied Tomaszewski (1978)? • Orientierungsoperationen: Erkundigungen, Messungen und andere Untersuchungen • Vorbereitungsoperationen: Aufstellen von Maschinen, Beschaffung von Materialien • Sicherungsoperationen: Betrieb von Schutzvorrichtungen, etc. • Kontrolloperationen: Vergleich von Arbeitsergebnissen mit Plänen • Korrekturoperationen: Das Beseitigen von Fehlern Die Zusammensetzung jeder Tätigkeit aus zweckbestimmten Teiloperationen nennt Tomaszewski die funktionelle Struktur der jeweiligen Tätigkeit. Was muß ein guter Plan in Rechnung stellen? Die gestellten Anforderungen und die Fähigkeiten der mit der Ausführung des Plans betrauten Personen. Schwierig ist das bei neuen, unerprobten Plänen, siehe Schneider von Ulm. Von welcher Art können Parallel- oder Mehrfachtätigkeiten sein? Viele Handlungen enthalten parallele Komponenten: • Phasenverschiebung auf verschiedenen Tätigkeitsebenen, z.B. kann man schon planen, während die Motorische Tätigkeit noch weiter ausgeführt wird. • Die gleichzeitige Ausführung mehrerer Teiltätigkeiten auf gleichen Ebenen, z.B. Ski fahren. Wie ereignet sich die Koordination von Mehrfachtätigkeiten? Wieder auf mehreren Ebenen. Auf der motorischen ist die Begrenztheit des Bewegungsapparats zu beachten. Andererseits ist auch die intellektuelle Kapazität begrenzt. Die Aufmerksamkeit kann sich z.B. so stark auf das Sprechen konzentrieren, daß das Schreiben unterbrochen wird, obwohl eine motorische Trennung besteht. Wer entwarf ein Modell der intellektuellen Steuerung von Mehrfachtätigkeiten? Die Israelis David Navon & Daniel Gopher (1979). Jeder Mensch besitze eine begrenzte Steuerungskapazität. Diese kann auf zwei oder mehr gleichzeitige Tätigkeiten verteilt werden. Entscheidung über den Vorrang einer Tätigkeit ermöglicht die ungleiche Zuteilung von Kapazitäten. Wichtig ist die Eignung der Tätigkeiten für die zeitgleiche Nutzung der Steuerungskapazitäten (time-sharing). Gut sind schreiben und sprechen des gleichen Textes, schlecht ist, wenn unterschiedliche Texte gleichzeitig gesprochen und geschrieben werden sollen. Trägt man das auf Kurven ab, gibt es unterschiedliche Verträglichkeitskurven. Wie konzipieren die Behavioristen Tätigkeit? Eine Tätigkeit beginnt mit dem ersten Reiz, der eine Verhaltenskette in Gang setzt. Sie endet mit dem Erreichen eines Zielobjekts und der dort ausgeführten Reaktion. Diese Abfolge ist zwingend. Wie konzipieren die Kognitivisten Tätigkeit? Der Tätige ist Herr des Handelns. Er bestimmt über Anfang und Ende selbst. Den Anfang nimmt die Handlung mit der Vornahme, dem Entschluß ein Ziel durch eigene Handlung zu verwirklichen. Beendet wird die Tätigkeit mit der Überzeugung, das Ziel erreicht zu haben oder mit der Rücknahme des Handlungsentschlusses. Dabei ist vor allem die Motivation wichtig, wie Kurt Lewin (1926) immer wieder betont. Dies wird gerne mit der Logik der Regeltechnik dargestellt. Maßgeblich ist der Regelkreis. Welche Begriffe spielen im Regelkreis eine besondere Rolle? • Ist-Wert: innere Repräsentation eines angetroffenen tatsächlichen Zustandes • Soll-Wert: innere Repräsentation des angestrebten Zustandes • Ist-Soll-Abweichung: Unterschied zwischen den beiden Repräsentationen • Regelung: Jede Tätigung, die eine Ist-Soll-Abweichung verringert oder beseitigt • Regelstrecke/Regelgröße: Objekt der Tätigkeit selbst • Rückmeldung: Information über die Veränderung des Ist-Wertes durch eine veränderte Regelstrecke / Regelgröße. Ist-Wert (Regelgröße) Regelgröße Ist-Soll-Vergleich Regelung Soll-Wert (Führungsgröße) Wie bezeichnet man die als Regelvorgang verstandene Handlung? Als Handlungsregulation. Entscheidend dafür ist der Ist-Wert, die Wahrnehmung des jeweils bearbeiteten Zustandes. Wie nennt man die Bereitschaft, einen Aufwand für die Handlungsregulation zu bringen? Motivation. Diese muß ein Mindestmaß überschreiten, damit eine Tätigkeit überhaupt ausgeführt wird. Außerdem stehen mehrere Zustände gleichzeitig zur Regulation an. Es muß eine Entscheidung über die Prioritäten der Handlungen getroffen werden. Dabei ist ein Vergleich von Aufwand und möglichem Ergebnis besonders wesentlich. Was wird für die Höhe der Motivation für eine Tätigkeit berücksichtigt? • Die Einschätzung von Ist-Soll-Abweichungen (Nützlichkeit der Tätigkeit) • Die Einschätzung der Wirksamkeit einer Regulation (Erfolgschance der Tätigkeit) • Die Einschätzung der Notwendigkeit der Regulation (Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Beseitigung der Ist-Soll-Abweichung) Was hat es mit der Kybernetik auf sich? In diesem Jahrhundert wurde die allgemeine Regelungskunde unabhängig voneinander von Hermann Schmidt (1941) und Norbert Wiener (1948) entwickelt. Letzterer führte den Begriff der Kybernetik ein. Dieses Denken fand schnell in Psychologie und Biologie Einzug. Organismen werden durch die Umwelt zur Tätigkeit angeregt und verändern ihrerseits durch Tätigkeit die Umwelt. So räumte 1962 Erich Mittenecker den hohen Erkenntniswert der Kybernetik für die Psychologie ein. Wer formulierte den Regelkreis für die Psychologie neu? Miller, Galanter & Pribram (1960). Diese entwickelten das TOTE-Modell. Grundstruktur des Handelns sei die Folge der Schritte TEST-OPERATION-TEST-EXIT. Damit überwanden sie die Blütezeit des Behaviorismus. Test: Das Prüfen eines Sachverhalts. Operation: Das Ergebnis der Prüfung setzt eine Tätigkeit in Gang. Test: Erneute Prüfung des ursprünglichen Sachverhalts. Exit: Besteht der Sachvehalt die Prüfung, findet die Tätigkeit ihr Ende. Test Exit Operation Sind die Folgen des eigenen Handels den handelnden klar? Nicht zwangsläufig, Falko Rheinberg (1980) hat von 99 Lehrern tausende von Aussagen gesammelt, welche die Gründe für die Leistungen der Schüler charakterisieren. Grob: Gründe im Schüler selbst, Unterrichtsfaktoren und Faktoren außerhalb der Schule. Welches Verständnis von Motivation folgt daraus? Wenn die Lehrer zum Aufschluß kommen, daß die Faktoren hauptsächlich außerhalb der Schule liegen und sie darauf keinen Einfluß haben, dann werden sie dadurch entmutigt, die eigenen Unterrichtsmaßnahmen zu verbessern. Was ist also wesentlich für die Motivation und Wahl der Tätigkeit? Die Zuschreibung von Ursachen, die Kausalattribution. Wer untersuchte die Kausalattribution in besonderer Weise? Fritz Heider (1958/1977). Er meinte, man könne die Kausalattribuierungen für Handlungsfolgen auf Allgemeinbegriffe aus der Alltagssprache zurückführen. Wie ging er dabei vor? Er untersuchte in seiner naiven Jedermann-Psychologie die Kausalfaktoren aus Tierfabeln. Kausalfaktoren, die in der Person selbst liegen, sind Können und Wollen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Stabilität in der Zeit. Fähigkeit wird als langfristig konzipiert, Anstrengung kann schwanken. Welchen Ansatz vertritt diesbezüglich Julian B. Rotter (1966)? Er hob den Gegensatz zwischen der Begründung von Handlungsfolgen durch die handelnde Person einerseits und die Umgebung andererseits. Er prägte den Ausdruck „Kontrolle von Verstärkung“ für alle Einflüsse, denen Handlungsfolgen unterliegen. Einflüsse, die von handelnden Personen ausgehen, werden internale Kontrolle genannt, Einflüsse der Umgebung externale Kontrolle. Wer vereinigte die Begriffe von Rotter zu einem Schema? Bernhard Weiner. Er unterschied Person- und Umweltfaktoren und trennt sie in zeitlich stabile und zeitlich labile. Die Ursachen der Handlungsfolgen werden subjektiv erlebt: Stabilität stabil instabil Kontrollinstanz internal external Fähigkeit Aufgabenschwierigkeit Anstrengung Glück Wer belegt, daß Ursachenattribuierung schon vor Beginn der Handlung wesentlich ist? McClelland & Winter (1969) zeigten, daß eine gute Motiviertheit die Überzeugung internaler Kontrolle voraussetzt, d.h. man kann selbst über die Folgen einer Handlung bestimmen. Dies untersuchten sie an Reisbauern in Indien. Sie attribuierten den Ertrag der Ernte auf Sonne und Regen, nicht auf Düngemittel. In welcher philosophischen Tradition steht der Kognitivismus? In der des Indeterminismus. Dieser behauptet die Freiheit des Menschen, zwischen Bewußtseinsinhalten, Zielen und Handlungen wählen zu können. Welche Tradition steht dem Indeterminismus entgegen? Der Determinismus, welcher die Festgelegtheit des Menschen betont: • Die Umgebung des Menschen mit ihren physikalischen, biologischen und sozialen Einwirkungen • die eigene Natur des Menschen, vor allem Triebe und Affekte • die transzentdentale Vorbestimmtheit des menschlichen Schicksals (Prädestination) In welcher Tradition stehen die Behavioristen diesbezüglich? In der der Materialisten, welche die uneingeschränkte Kausalität in der Natur zum Anlaß nahmen, dem Menschen als Teil der Natur die Freiheit abzusprechen. Allerdings wird mittlerweile in der Physik durch Heisenberg teilweise sogar Elementarteilchen Wahlfreiheit zugesprochen. Wie wurde der Zusammenhang von Freiheit, Sittlichkeit und Vernunft gesehen? Sokrates verstand Freiheit als Tun des besten. Im Idealismus wurde darunter Autarkie verstanden, die Zuwendung zu höheren Gütern wie Vernunft und Sittlichkeit. Dieser Zusammenhang wurde von Sartre aufgegeben. Freiheit sei die des einzelnen, die sich in der Ungebundenheit und Mißachtung von Sittengesetzen äußert. Wie werden die verschiedenen Ursachenfaktoren in der Gesellschaft bewertet? Unterschiedlich. Am höchsten zählt die Fähigkeit. Anstrengung oder äußere Hilfe wird geringgeschätzt. Nicholls (1976) stellte fest, daß Erfolge gern als Beweis für Fähigkeiten gewertet werden. Wie bezeichnet man die Vielfalt und Dauerhaftigkeit von Wirkungen, Handlungsergebnissen? Vroom (1964) führte dafür den Begriff der Instrumentalität ein. Was bewirkt die Instrumentalität? Sie trägt zum Anreiz und zur Motivierung des Handelns bei. Diese liegen in unterschiedlichster Form vor: Erleichterungen, Belohnungen, Anerkennung, etc. Wie definierte Heckhausen (1977) Ursachen- und Folgeerwartungen? • Situations-Ergebnis-Erwartungen, d.h. Erwartungen externaler Kontrolle bei Rotter. • Handlungs-Ergebnis-Erwartungen, d.h. Erwartungen internaler Kontrolle bei Rotter. • Ergebnis-Folge-Erwartungen, d.h. Instrumentalitätserwartungen nach Vroom. S -> E-Erwartungen Situation Handlung H -> E-Erwartungen Ergebnis Folge E -> F-Erwartungen Was hat es mit intrinsischer und extrinsischer Motivation auf sich? Je größer die Instrumentalität einer Handlung, desto mehr drohen die Handlungsfolgen sich der Kontrolle der Handelnden zu entziehen. Eine extrinsische Motivation liegt vor, wenn man die Tätigkeit wegen des Lohnes verrichtet und nicht aus Freude an der Tätigkeit. Diese kommt von außen. Von innen kommend nennt man eine intrinsische Motivation, diese muß kein erkennbares äußeres Ergebnis haben, wie z.B. beim kindlichen Spiel. Intrinsisch sind Tätigkeiten, die aufgrund eines Interesses am unmittelbaren Ergebnis zustande kommen. Wie unterschiedlich wird der Wert intrinsischer und extrinsischer Motivationen gesehen? Die Beharioristen betonen die Wirksamkeit von Lohn und Strafe, d.h. von extrinsischer Motivation, vor allem Skinner. Er wollte eine dahingehende Erziehungstechnologie entwickeln. Allerdings bedeutet eine extrinsische Motivation, von anderen abzuhängen. Diese Abhängigkeit verträgt sich jedoch nicht mit dem Ideal der Kognitivisten der Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung. Was zeigte Kenneth O. McGraw (1978)? Er zeigte, daß es vor allem die ungeliebten und routinemäßig zu erledigenden Aufgaben sind, die von einer Belohnung profitieren. Bei Tätigkeiten, die man auch ihrer selbst willen gerne ausführt, ist eine Belohnung für die Handlungsausführung eher ungünstig. Vor allem heuristisch zu lösende Aufgaben leiden unter der Belohnung. Wer versuchte experimentell zu zeigen, daß extrinsische Motivation intrinsische zerstört? Lepper, Greene & Nisbett (1973). Diese zeigten im Kindergarten, daß Kinder, die sich vorher spielerisch mit Filzstiften auseinandergesetzt hatten, nach einer Belohnung der ersten Tätigkeit nur noch halb so lange freiwillig mit den Dingen beschäftigen, wenn es keinen Preis mehr dafür gibt. Dabei war besonders schädlich, wenn man einen Preis erwartet hatte, nicht der Erhalt eines Preises an sich. Erklärt wird dies dadurch, daß sich die Kinder auf unterschiedliche Motivationen eingestellt haben und die extrinsisch motivierten keinen Anreiz hatten, zu malen, wenn der äußere Anreiz wegfällt. Die Erwartung des Preises in der ersten Sitzung habe die intrinsische Motivation zurückgedrängt. Wer zeigte, daß Individuen den Verlockungen äußerer Anreize nicht immer glauben? Brehm (1966) zeigte, daß Menschen, die sich in ihrem Entscheidungsspielraum beengt fühlen auch gegenteilig handeln können. Das Widerstreben gegen den Verlust der eigenen Freiheit heißt Reaktanz. Welche Studie führte Brehm & Judith Winter (1966) in diesem Zusammenhang durch? Im Supermarkt waren an Handzetteln Vierteldollar befestigt, soviel wie das Brot kostete. Dadurch wurde der Umsatz wesentlich gesteigert. An anderen Tagen wurden Zettel mit 35 Cent verteilt. Diese Maßnahme steigerte den Umsatz nicht, sie wurde als Versuch der Nötigung aufgenommen. Was steht im Zentrum der Forschung zum Leistungsverhalten? Die Aussicht auf Erfolg. Diese bestimmt • die Wahl von Aufgaben • die Intensität der Bearbeitung von Aufgaben • die Ausdauer bei der Bearbeitung von Aufgaben • die erzielte Leistung Welche Komponenten umfaßt der Begriff der Erfolgserwartung? Den der Nützlichkeit und den der Erfolgswahrscheinlichkeit. Die Nützlichkeit kann auch negativ sein, dann spricht man vom Schaden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit variiert von sicherem Erfolg bis zu sicherem Mißerfolg. Diese wurde durch die angenommene Aufgabenschwierigkeit und bei der Person vermuteten Fähigkeit abgeschätzt. Wer untersuchte vor allem den Zusammenhang zwischen Nützlichkeit und Erwartung? John W. Atkinson (1957). Auf der Suche nach Erfolg gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Im Denken des Menschen schließen sich leichter Erfolg und hoher Anreiz aus. Als begehrenswert gilt nur, was unter Schwierigkeiten und Risiken erreicht wird. Dadurch wird der Erfolgsmotivierte zu einem Kompromiß gezwungen. Im Endeffekt sind dadurch Aufgaben mit mittlerer Erfolgswahrscheinlichkeit, die auch den mittleren Anreiz bieten bevorzugt. So wird beim Ringwerfen von Kindern die mittlere Distanz bevorzugt. Damit gehört das Modell von Atkinson in die Gruppe der Erwartungs-mal-Wert-Modelle. Aus der subjektiven Einschätzung des Erfolges wird der zu erwartende Wert abgeleitet. Daraus resultiert die maximale Motiviertheit für die Tätigkeiten, die das höchste Produkt aus E und W ergeben. Welche Befunde sprechen für dieses Modell? Uwe Kleinbeck (1975) zeigte, daß Realschüler nach diesen Gesichtspunkten Berufe wählen. Nygard (1975) zeigte, daß Individuen bei mittlerer Erfolgswahrscheinlichkeit am ausdauerndsten sind. Butzkamm (1972) zeigte, daß Rückmeldungen am häufigsten bei mittlerer Schwierigkeit eingeholt werden. Welche Befunde gibt es diesbezüglich aus dem Sport? Meyer & Hallermann (1977) zeigten, daß sowohl die Bereitschaft zur Anstrengung, als auch die tatsächliche körperliche Anstrengung bei diesen Aufgaben am höchsten ist (Krug, Hage & Hieber 1978). Welcher Gesichtspunkt ist bei mittlerer Erfolgswahrscheinlichkeit noch wichtig? Wulf-Uwe Meyer meint, daß Menschen im Erfolg die Bestätigung ihrer Annahmen über Gründe und Mißerfolge sind. Bei der Aufgabenwahl komme das Bedürfnis nach Information über die eigenen Fähigkeiten auch zum tragen. Aufgaben mittlerer Schwierigkeit sind dabei für das Selbstbild und das Selbstkonzept am hilfreichsten. Im mittleren Bereich kann man die meiste Unsicherheit beseitigen und Gewißheit über eigene Leistungsfähigkeit erhalten. Was ist, wenn der Vorgang der Regelung nicht perfekt gelingt? Dann kommt es zu Minderregulationen, die nur einen Teil der ursprünglichen Abweichung beseitigen. Manche Regelungsversuche sind ganz erfolglos oder schaffen neue Ist-SollDiskrepanzen. Dann spricht man von Fehlregulation. Diese Begriffe gelten auch für die Handlungsregulation. Wie nannte Kurt Lewin vorsätzliche Tätigkeiten, die vor Erreichen des Ziels abgebrochen wurden? Er nannte sie unerledigte Handlungen. Diese entfalten oft eine Eigendynamik und drängen nach Erledigung. Dafür gibt es vor allem zwei Hinweise: • Unerledigte Handlungen werden häufiger erinnert als erledigte • Unerledigte Handlungen werden häufiger wiederaufgenommen als erledigte Wer zeigte, daß unterbrochene Handlungen am ehesten wieder erinnert werden? Bluma Zeigarnik (1927) zeigte, daß Tätigkeiten, die vom Versuchsleiter unterbrochen werden, doppelt so häufig erinnert wurden, wie die erledigten. Probanden mußten 43 verschiedene Aufgaben bearbeiten, die Hälfte dieser Aufgaben wurde durch eine neue Aufgabe unterbrochen. Wer zeigte, daß unterbrochene Handlungen am ehesten wiederaufgenommen werden? Maria Ovsiankina (1928) zeigte, daß die unerledigten Handlungen auf Wiederaufnahme und Abschluß drängen. Aus sie ließ Probanden eine Reihe von Aufgaben bearbeiten. Einen Teil ließ sie zuende führen, einen Teil unterbrach sie. Entweder brach die Versuchsleiterin selbst ab oder ein Helfer rekrutierte die Probanden beim Umstellen von Möbeln. Nach Bearbeiten der letzten Aufgabe mußten die Probanden warten. In dieser Zeit wurden fast 100% der durch äußere Störung abgebrochenen Arbeiten wieder aufgenommen, 80% der von der Versuchsleiter unterbrochenen und nur 10% der vollendeten. Wer zeigte, daß nicht nur Minderregulationen, sondern auch Fehlregulationen bevorzugt erinnert und wiederaufgenommen werden? Erika Junker (1960). Was zeigt sich in der Hartnäckigkeit dieser Tendenzen? Die Enge Bindung der Tätigkeiten an die gesetzten Ziele. Scheitern und vorzeitiger Abbruch führen, solange am Ziel festgehalten wird in eine Krise. Diese äußert sich in den Erlebnissen der Enttäuschung, Trauer und Ratlosigkeit. Mit diesen Gefühlen der Beunruhigung geht auch eine körperliche Unruhe einher (Mandler 1964). Dem erfolgreichen Abschluß einer Handlung folgt in der Regel eine Phase der Ruhe und der körperlichen Entspannung. Wie wird die Einregelung der optimalen Aufgabenschwierigkeit genannt? Von Fritz Hoppe (1931) die Setzung des Anspruchsniveaus. Menschen steigern die Schwierigkeit der gewählten Aufgaben, solange sich Erfolg einstellt, stellt sich dieser nicht ein, kehren sie zu leichteren Aufgaben zurück. Was ist das Peter-Prinzip? Laurence J. Peter (1972) untersuchte das System der Berufskarrieren. In Betrieben und Behörden gilt das Prinzip des Bewährungsaufstiegs. Die Tätigkeiten sind nach Schwierigkeit gestuft. Die Personen steigen so lange auf, wie sie bis der Punkt erreicht ist, an dem die Schwierigkeit ihre Fähigkeiten übersteigt. In den sozialen Systemen gibt es aber kein zurück. Dadurch füllen sich Betriebe und Behörden mit Menschen, die durch ihre Aufgabe überfordert werden und schließlich nur noch damit beschäftigt sind, ihre Inkompetenz zu kaschieren. Gegenargumente: Latte muß nicht ausreichen, Schwierigkeit nicht eindimensional Trotzdem meint er, daß sein System der Schlüssel zum Verständnis von hierarchischen Systemen ist. Alle diese Systeme wären dem Peter-Prinzip ausgeliefert. Wie wird das Verhalten in der Entwicklungspsychologie gesehen? Die Entwicklung des Verhaltens, der Verhaltensfähigkeiten ist in der ersten Zeit stark vorhersehbar. Die Entwicklung motorischer Fertigkeiten hängt von körperlichem Wachstum und der Förderung von Seiten der Umgebung ab. Was haben Heckhausen & Roelofsen (1962) herausgefunden? Bis zu einem Alter von drei Jahren geht es Kindern nur um den Effekt, sie freuen sich über einen gebauten Turm, egal wer ihn gebaut hat. Nach dem 3. Lebensjahr erkennen sich die Kinder als Urheber einer Leistung. Dadurch entsteht Wettkampf, d.h. sie freuen sich über einen gebauten Turm nur noch dann, wenn sie ihn selbst gebaut haben, ist jemand anders schneller, so sind sie beschämt. Ist Instinktverhalten ererbt? Wenn die Instinkte zur arteigenen Ausstattung gehören, müßten sie über Generationen weitervererbt werden. Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1963) untersuchte die Vererbung des Nestbauinstinkts bei Ratten. Dabei wandte er die Kaspar-Hauser-Technik an, d.h. die Tiere wuchsen ohne Kontakt mit Artgenossen auf, konnten den Nestbau also nicht von anderen Tieren erlernen. Auch erhielten sie keine Gelegenheit zum üben. Auch diese Ratten bauten wie normal aufgewachsene Ratten im entsprechenden Alter ihr Nest. Jedoch muß dies nicht für alle Instinkte gelten. Hanby & Brown (1974) zeigten, daß isoliert aufgewachsene Tiere oft Schwierigkeiten mit dem Sexualverhalten haben. Worauf führen Persönlichkeitspsychologen Unterschiede im (reaktiven) Verhalten und (zielgerichteten) Handeln bei gleicher äußerer Situation zurück? • nervöse und konstitutionelle Unterschiede • Unterschiede in der Lernerfahrung • unterschiedliche Handlungsstrategien Welche Gruppen von Leistungsmotivierten unterscheidet Atkinson? Die Erfolgsmotivierten die nach Erfolg streben, für die das Wahrscheinlichkeit mal Wert – Modell gilt und die Mißerfolgsmotivierten, die den Mißerfolg meiden. Die Mißerfolgsmotivierten wählen unabhängig vom Wert bevorzugt leichte Aufgaben um nicht zu scheitern oder sehr schwere, weil Mißerfolg bei diesen nicht weh tut. Wie unterscheidet Julian B. Rotter Menschen? Er teilt sie mit einem Test auf in solche, die internale Kontrollüberzeugungen haben und solche, die externale Kontrollüberzeugungen haben. Welche Kritik gibt es an diesem Konzept? Rost-Schaude (1982) meinte, daß die Kontrollüberzeugungen nicht durchgehend sind, sondern innerhalb einer Person vor allem bereichsspezifisch vorliegen. Wie unterscheiden Frese, Stewart und Hannover (1987) Menschen? Sie versuchten Handlungsstile als eigene Persönlichkeitsmerkmale zu erfassen. So variiert die Planungs- und Handlungsfähigkeit zwischen Personen. Welche Unterschiede sieht Jan Strelau (1975) in der funktionellen Handlungsstruktur? Er untersuchte Gießereiarbeiter und Taxifahrer und fand heraus, daß es eine unterschiedliche Neigung gibt, Hilfreaktionen durchzuführen. Jene, die mehr Hilfsoperationen durchführen nannte er Hochreaktiv. Eine erhöhte Reaktivität deutet er als Ausdruck des Temperaments. Darunter versteht er eine biologische Ausstattung, die Geschwindigkiet, Ausdauer und Leistungsbereitschaft bestimmt. Was kann man unter dem Begriff soziales Handeln verstehen? • Individuelles Handeln mit Auswirkungen auf eine oder mehrere andere Personen (andere als Objekte der Handlung) • gemeinschaftliches Handeln mehrerer Personen, das in Verlauf und Ergebnis zwischen den Beteiligten abgestimmt ist (Gruppen als Subjekte der Handlung). Wie unterscheidet man soziales Handeln der ersteren Art? In prosoziales Verhalten, womit Auswirkungen auf andere gemeint sind, die diesen erwünscht sind. Als antisozial bezeichnet man Handlungsweisen, die andere körperlich oder psychisch verletzen. Dabei wurde vor allem Hilfeleistung und Aggression untersucht. Wer untersuchte die Hilfeleistung? Rudolf Wormser (1977). Dieser führte ein Pannen-Experiment durch. Bei diesem stellte er Autos verschiedener Typen mit geöffneter Motorhaube an den Straßenrand. Dabei waren abwechselnd Frauen und Männer Fahrer. Männer leisteten öfter Hilfe als Frauen, dafür wurde ihnen aber auch geringfügig häufiger geholfen als Frauen. Außerdem gibt es eine Klassensolidarität, d.h. Hilfe kommt bevorzugt den Fahrern zu, die ein Auto der gleichen Klasse benutzen wie man selbst. Außerdem stieg die Pannenhilfe nach einem Vorbild um 20% an, in dieser Bedingung lag vorher schon ein Fahrzeug. Wie nennt man gemeinschaftliches Handeln noch? Kooperation und Interaktion. Dieses setzt eine Rollenteilung voraus. Wie kann man den Begriff der Rolle fassen? Im Theater als Zuweisung von Charakteren zu Schauspielern und Berufsrollen. Auch in der Familie oder in Betrieben und Schulen ergeben sich Rollen (Anführer, Clown, etc.). Vorherrschend ist das Verständnis von Müller & Thomas: Soziologische Kategorien sind die soziale Position in einer Gesellschaft, also Geschlecht, Alter, Beruf. Diese Dimensionen bestimmen den Ort des Menschen im sozialen System. Diesen nennt man Status oder Position. Mit jeder Ortsbestimmung ist ein Satz von Erwartungen darüber verbunden, wie der Inhaber einer Position sich verhalten soll. Diese Erwartungsstruktur ist die Rolle. Dieser ist der dynamische Aspekt der statischen Position. Rolle als Verhaltensmuster in Position. Was erwächst aus der Rollenverteilung in einer Gruppe? Deren Struktur. So gibt es Linienstrukturen wie eine Feuerwehrlöschkette und Sternstrukturen wie etwa ein Straßenbauteam, welches zentral koordiniert wird. Wie kann man Handeln noch sehen? Handeln erhält im Kulturvergleich eine eigene Form und Bedeutung. So meinte Fabienne Tanon (1994), daß Training in einer kulturell vertrauten Arbeit die Planungsfähigkeit besonders fördert. Sie zeigte, daß Planung beim Entwurf von Webdecken eher auf die Planung beim Beladen eines Lastwagens generalisiert, als europäischer Schulunterricht bei Stämmen in Afrika, den Senufas und den Diulas. Wo wurde das Unterlassen von Hilfeleistungen bereits thematisiert? Im neuen Testament. In der Parabel vom barmherzigen Samariter. Dabei geht es darum, wer wessen nächster ist. Diese Parabel hat sozialkritischen Charakter. Kapitel 10: Was bedeutet Lernen? Den Wissensschatz und das Verhaltensrepertoire durch Erfahrung zu erweitern. In welchem Gebiet prallen kognitivistische und behavioristische Positionen am heftigsten aufeinander? Auf dem Gebiet der Lernpsychologie. Was vermitteln Lernprozesse? • Gewohnheiten • Fertigkeiten (bzw. Fähigkeiten, Kompetenzen) Was kann man Lernen? Eigentlich das ganze Spektrum menschlicher Verhaltensweisen und Zustände: • sensumotorische Tätigkeiten (z.B. Handgeschick) • sprachliche Tätigkeiten (z.B. Fremdsprachen) • nichtsprachliche Zeichen (z.B. Handzeichen) • Gefühle, bzw. Gefühlsausdruck (z.B. konventionelle Trauer) • Bedürfnisse (z.B. Verlangen) • Handlungs- und Problemlösungsabläufe (z.B. Problemlösestrategien) • Denkabläufe (z.B. Assoziationsketten) • Orientierungstätigkeiten (z.B. das Einüben einer Leserichtung) Was vollzieht sich im Lernen? Einerseits die Anpassung des Menschen an die jeweiligen Lebensbedingungen, andererseits die Fähigkeiten zur Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse des Menschen. Durch Lernen beherrscht man die Umwelt. Welche Formen des Lernens gibt es? Einerseits gibt es das Lernen in normalen Situationen, in denen der Erwerb von Fähigkeiten, Wissen und Gewohnheiten langsam fortschreitet und die Situation konstant ist, andererseits krisenhafte Lernsituationen, in denen sich Fähigkeiten, Wissen und Gewohnheiten nach schnellen und unvorhergesehenen Änderungen plötzlich neu einstellen müssen, z.B. wenn manche Fähigkeiten plötzlich ausfallen und diese kompensiert werden müssen. Welche Rolle hat das Lernen für die Gesellschaft? Es ist zentral für den Aufbau moderner Industriegesellschaften. Welche Probleme ergeben sich evtl. durch das Lernen? Es kann zu Fehlanpassungen und fehlgeleitetem Lernen kommen. Falsches Lernen erhöht nicht die Effektivität des Verhaltens und dient zumindest langfristig nicht der Befriedigung vorhandener Bedürfnisse. Lernen ist nur so gut zu heißen wie das Motiv, dessen Befriedigung die gelernte Handlung dient. Lernen muß sozial verantwortlich sein. Welchen Standpunkt vertreten viele Lerntheoretiker? Einen Lernoptimistischen. Das auftretende Verhalten sei weitgehend durch Lernen entstanden und könne durch geeignete Lernprozesse weiter verändert werden. Diesen Standpunkt vertreten z.B. John Dollard & Neal E. Miller (1950). Die Ermittlung der allgemeinen Lerngesetze könnte insofern eine Erklärung der verschiedensten psychischen Phänomene liefern. Nach Hilgard (1948) ist die Lerntheorie die zentrale Theorie in der Psychologie. Sie ordnet die Beobachtungen in zusammenfassende Theorien und Gesetze. Die verschiedensten Verhaltensweisen werden als Ergebnisse von Lernprozessen angesehen. Welche Kritik gab es zu diesen Standpunkten? Einerseits solle man sich nicht auf die Suche universell anwendbarer Lernprinzipien begeben, wie Edward C. Tolman (1949) und O.H. Mowrer (1947) betonen. Andererseits werden Verhaltensprägende Erbfaktoren stärker in die Theorie eingebracht (Eibl-Eibesfeldt 1973 oder De Fries & Plomin 1978). Welches Paradigma spielt in der Lernpsychologie eine besonders große Rolle? Der Behaviorismus. Deren Forderungen nach Objektivität und wissenschaftlicher Untersuchung ließ sich bei der Analyse von Lernprozessen so weitgehend erfüllen, wie in keinem anderen Gebiet der psychologischen Forschung. Welche philosophische Orientierung ging mit dieser Methodik einher? Der Glaube an die Abhängigkeit des Menschen von der jeweiligen Umgebung, dem Milieu. Der Mensch könne sich den durch seine Umgebung gesetzten Reizbedingungen nicht entziehen. Er richte sich in seinem Verhalten und dem Streben nach Erfolg nach den Folgen seiner Tätigkeit, d.h. nach Lohn und Strafe. Die Koppelung des Verhaltens an die Umgebung stelle sich zwangsläufig und automatenhaft ein. Warum wehren sich Kognitivisten gegen behavioristische und reflexologische Grundsätze? Aus methodischen und philosophischen Gründen. Erstens wollen sie Gedanken und Wissen der Betroffenen in die Beobachtung mit einbeziehen, zweitens mildern die kognitiven Inhalte die strenge Bindung des Verhaltens an die Umgebungsbedingungen. Der Mensch bilde einsichtige Zusammenhänge zwischen Situation, Handeln und Folgen. Eine Situation ist für den Kognitivisten nicht eindeutig. Der Mensch hat daher viel Freiheit, sich aufgrund seiner Einsichten zu entscheiden. Wie ist Lernen in diesen Paradigmen konzipiert? Im Behaviorismus knüpft sich ein Netz von Reiz-Reaktionsverbindungen, in denen das Verhalten programmiert ist. Nach kognitivistischer Auffassung entsteht beim Lernen ein Wissen, das der Betroffene bei der Entscheidung über seine Handlungen nutzen kann. Wie ist die Kontroverse über die Rolle der Verstärkung beim Lernen zu sehen? Für Kognitivisten ist der äußere Erfolg nicht die einzige Richtschnur der Einsicht über bestehende Zusammenhänge. Für Behavioristen ist die Verstärkung zentral. Menschen und Tiere würden nur aus den Folgen ihrer Tätigkeit lernen. Der Lernerfolg hänge von Art, Dauer und Zeitpunkt der Verstärkung ab. Manche Behavioristen kommen aber auch ohne aus. Welchen Charakter hat das Lernen in Kognitivismus und Behaviorismus? Im Behaviorismus hat es eher einen algorithmischen Charakter. Tätigkeiten liegen minutiös steuernde Programme zugrunde, Lernen ist eine konkrete Veränderung des verhaltenssteuernden Programms. Die kognitivistische Theorie hebt dagegen die globalen verhaltensleitenden Strategien mit ihrem heuristischen Charakter hervor. Wie entdeckte Pawlow das Prinzip des bedingten Reflexes? Er untersuchte die Verdauungstätigkeit von Hunden. Dabei konnte er den Speichelfluß nicht nur durch das Fleisch, sondern auch durch neutrale Reize erreichen. Wie baut sich der bedingte Reflex auf? In drei Schritten: • Ein natürlicher oder nicht gelernter Reiz ruft eine Reaktion, einen Reflex hervor • Während dieser Reflex abläuft, tritt zu dem unbedingten Auslöserreiz ein weiterer, neutraler Reiz hinzu. Zwischen dem unbedingten Reflex und dem hinzutretenden neutralen Reiz entsteht ebenfalls eine Verbindung. • Ein vorher neutraler Reiz ersetzt nun den unbedingten Reiz als Auslöser des Reflexes. Wie bezeichnet Pawlow Reflexe, die auf eine neue Auslösebedingung eingestellt werden? Als bedingten (konditionierten) Reflex, der in einer bedingten (konditionierten) Verbindung zu einem neuen, bedingten (konditionierten) Reiz steht. Wie erklärt Pawlow diese Beobachtung? Physiologisch. Er nimmt an, daß der konditionierte Reiz dem bereits vorher bestehenden Reflexbogen der unkonditionierten Bedingung zugeschaltet wurde. Der unbedingte Reflex auf einen unbedingten Reiz wurde nicht in einem Lernprozeß gebildet. Zunge Ohr Speicheldrüse Welche nervösen Prozesse unterscheidet Pawlow beim Konditionieren? Erregung und Hemmung. Erregung führt zu einer Ausführung von Reaktionen, Hemmung zu einer Unterdrückung von Reaktionen. Das Wechselspiel von Erregung und Hemmung zeigt sich beim Konditionieren. Durch die Futtergabe wird die Nervenerregung erhöht. Gleichzeitig wird aber die Nervensubstanz in Anspruch genommen. Um diese Leistungsfähig zu halten, wird sie durch Hemmung vor weiterer Erregung geschützt. Dadurch wird die bedingte Reaktion zunächst abgeschwächt ausgeführt. Wird dem Tier das Futter in weiteren Versuchen vorenthalten, gewinnt die Hemmung die Oberhand über die Erregung und die bedingte Reaktion bleibt aus. Erregung Reaktion Schwelle Hemmung Konditionierung Extinktion Ruhe- oder Erholungsphase Welche Phasen unterscheidet Pawlow demnach? • Eine Phase, in der der unbedingte Reiz als Verstärker zusätzlich zum bedingten Reiz gegeben wird, die Konditionierungsphase. • Eine Phase, in welcher dem bedingten Reiz kein Verstärker folgt, die Extinktionsphase, auch Löschungsphase. Welche Beobachtung stützt die Theorie von Hemmung und Erregung? Bietet man den bedingten Reiz einige Zeit nach dem Erlöschen der gebildeten bedingten Reaktion an, so kann es sein, daß die bedingte Reaktion wiederkehrt. Die Hemmung wurde in der Ruhezeit abgebaut und aufgrund der bestehenden Resterregung zeigt die Reaktion eine Erholung. Wie ging das von Pawlow beschriebene Lernen in die Literatur ein? Die Ergebnisse wurden auf Menschen und andere Reflexe (z.B. Lidschlag) und andere Reize, wie z.B. Bilder generalisiert. Wie beschreiben Rizley & Rescorla das Konditionieren höherer Ordnung? Solange eine Verbindung besteht, kann sie als Grundlage für neues Konditionieren dienen. Ross C. Rizley & Robert A. Rescorla (1972) brachten Ratten neue Verbindungen auf Grundlage der alten bei. Erst gelehrt, einen Schock mit einem Hebeldruck zu beenden, dann gemeinsam der Schock mit Licht dargereicht, was zum Hebeldruck führte, dann das Licht mit einem Ton verknüpft, ohne Schock, was auch zum Hebeldruck führte. Offenbar lassen sich aufbauend auf einer gut eingerichteten Verbindung im Tierversuch ohne Rückkehr zu einem unbedingten Reiz bis zu drei neue Verbindungen nacheinander herstellen. Diesen sukzessiven Aufbau konditionierter Verbindungen wird Konditionieren höherer Ordnung genannt. Wie versucht die Theorie des klassischen Konditionierens, der Reichhaltigkeit und Vielfalt von Lernsituationen gerecht zu werden? Einerseits durch das Konditionieren höherer Ordnung, daß nicht mehr auf biologische ungelernte Verbindungen zurückgreifen muß, sondern mit kulturell erworbenen Bedingungen in Beziehung gesetzt werden kann. Andererseits besteht der Vorwurf, Verhalten, daß sich nach den Gesetzen der klassischen Konditionierung aufbaut, sei Stereotyp, auf jeden Auslöser folge nur eine Reaktion. Dem tritt E. A. Asratjan (1971) entgegen. Dieser versuchte den Wechsel der Reaktion auf gleiche Reize im Rahmen der Reflexologie zu erklären. Reflexe sind nach Asratjan auch von Reizkombinationen abhängig. Welche Versuche machte Asratjan (1971) um diese Annahmen zu rechtfertigen? Er verabreichte dem Hund in Raum A einen Summton und einen Elekroschock, woraufhin der Hund einen Abwehrreflex zeigte. Außerdem wurde auf Berührung in Raum A ein Speichelreflex angelernt. In Raum B gab es nach dem Berührungsreiz den Schock und nach dem Summton das Futter. Dort zeigte er auf den Summton einen Speichelreflex. Der Hund hatte aber das alte nicht vergessen, sondern zeigte in Raum A wieder das andere Verhalten. Er konnte also die Räume genau unterscheiden und hatte für jeden ein eigenes Reflexrepertoire ausgebildet. Auch konnten die Hunde zwischen verschiedenen Versuchsleitern und Zeiten nach einigem Training unterscheiden. Was folgert Asratjan aus diesen Befunden? Der Reflex auf einen konditionierten Reiz kann über verschiedene Bahnen laufen. Die Wahl der Bahn erfolgt durch zusätzliche Auslösebedingungen. Was bedeuten diese Versuche Asratjans? Dadurch kann Verhalten sich an verschiedene Lebensbedingungen anpassen und gewinnt an Flexibilität, da mehr als zwei Auslösebedingungen miteinander kombiniert werden können. Was entspricht dem klassischen Konditionieren der Reflexologie? Das Prinzip der Reiz-Reaktions-Verknüpfung aus der behavioristischen Theorie. Was gilt in beiden Theorien als wesentlich für den Lernfortschritt? Die Kontiguität, d.h. die raum-zeitliche Nähe des Auftretens von Reiz und Reaktion. Welche Lehre vertrat Edward L. Thorndike (1874-1949) zu diesem Thema? Er vertrat eine eigene Verbindungslehre (connectionism). Die Stärke einer Verbindung zwischen einer Situation S und einer Reaktion R bedeutet die Wahrscheinlichkeit, daß R auf S folgt. Bei ihm ist das Wort der Verbindung ohne physiologische oder sonstige Nebenbedeutung, es ist einfach der Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, daß ein bestimmtes R einem S folgt. Wer machte die Assoziation zwischen Reiz und Reaktion zum Mittelpunkt seinr Lerntheorie? Der Amerikaner Edwin R. Guthrie (1886-1959). Er versucht mit einem einzigen Lerngesetz auszukommen. Dieses formuliert er so: Eine Kombination von Reizen, die mit einer Bewegung einhergeht, pflegt beim erneuten Auftreten diese Bewegung nach sich zu ziehen. Dieses Prinzip ging als Kontiguitätsprinzip in die Psychologie ein. Hierbei vertritt er eine Alles-oder-Nichts-Annahme. Durch Kontiguität werde eine Beziehung zwischen Reiz und Reaktion gestiftet oder die Verbindung unterbleibt. Dies steht im Widerspruch zu Thorndike, der eine unterschiedliche Stärke von Verbindungen annimmt. Wodurch erwächst die Stärke einer Verbindung nach Thorndike? Mit der Häufigkeit der Paarung von Reiz und Reaktion. Dies ist Thorndikes Gesetz der Übung (law of exercise). Häufige Wiederholungen einer Tätigkeit in einer Situation erhöhen die Wahrscheinlichkeit ihres erneuten Auftretens in dieser Situation. Wie entstehen so neue Verhaltensweisen? Durch das Üben neuer Reaktionen. Wer beschäftigte sich vor allem mit der Umschichtung von Reaktionswahrscheinlichkeiten auf denselben Reiz? Clark L. Hull. Dieser meinte in seiner Theorie der Gewohnheitshierarchie, daß mit ein und demselben Reiz mehrere miteinander konkurrierende Reaktionen verknüpft sind. Manche treten mit höherer Wahrscheinlichkeit auf, andere mit geringerer, je nach der Stärke der bisherigen Assoziation. Kommt eine hierarchisch niedrige Reaktion B im Lernprozeß vermehrt auf, festigt sie ihre Assoziation zu einem situativen Reiz schneller als eine bisher hierarchisch höhere Reaktion A. Dadurch kann es dazu kommen, daß B A überholt. Wie kann eine Reaktion in der Hierarchie aufsteigen oder zurückfallen, wenn die Auftretenswahrscheinlichkeit durch den Platz in der Hierarchie bestimmt ist und umgekehrt? Erstens kann die Anreizwirkung von Belohnungen das Muster vorgegebener Auftretenswahrscheinlichkeit durchbrechen (wenn B mehr belohnt wird, wenn es auftritt als A). Andererseits resultiert die Umschichtung aus Oszillation. Assoziationen sind der Natur nach neurobiologisch, alle biologischen Größen sind spontanen Schwankungen unterworfen. Diese verteilen sich zufällig. Deshalb ist die Gewohnheitshierarchie im Einzelfall nie ein festes Gefüge. Durch die tatsächliche Reaktionshäufigkeit ändert sich die Assoziationsfeste. Wie werden die Konditionierungstechniken in der psychologischen Praxis eingesetzt? Vor allem in der klinischen Psychologie zur Gegenkonditionierung bei Spannungen und Ängsten, bei Phobien. Phobien sind durch Anspannung und Unsicherheit gekennzeichnet. Der Therapeut sucht nach Auslöserreizen von Entspannung und Sicherheit. Irgendwann geht die entkrampfende Wirkung des unbedingten positiven Reizes auf den bedingten negativen über. Welche Bedenken haben kognitivistisch orientierte Autoren gegenüber den Experimenten zum Konditionieren und den daraus gezogenen Schlüssen? • Eine Verbindung zwischen Reizen und Reaktionen kann nur als Sinnzusammenhang gestiftet sein. Die Auslösung einer Reaktion nach Erscheinen eines Reizes beruht auf einer aus dem Sinnzusammenhang abgeleiteten Erwartung. • Das Herstellen von Sinnzusammenhängen und das Setzen von Erwartungen erfolgt nicht automatisch und richtet sich nicht nach der Häufigkeit von Reiz-Reaktions-Paarungen. Wie erklären die Kognitivisten die Befunde von Pawlow? Die Speichelreaktion erfolgt nicht unmittelbar auf den Glockenton. Sie reagieren auf die Vorstellung der Futtergabe. Der Glockenton ruft die Vorstellung hervor. Und der Speichelfluß gehört zum Verzehr, stellt also eine sinnvolle Tätigkeit dar. Der Glockenton ist dann das Signal, daß die Fütterung ankündigt. Wie führte Edward C. Tolman (1932) dies aus? Der bedingte Reiz sei ein Zeichen (sign) auf einen unbedingten Reiz, das bezeichnete (significate). Demnach haben die Pawlowschen Hunde eine Zeichen-Gestalt-Erwartung erworben. Der bedingte Reiz ist damit ein Vorsignal des kommenden. Durch diese Deutung wird das klassische Konditionieren zum Hypothesenbilden umgedeutet: Wie man aus der Beschaffenheit eines Signals auf die Beschaffenheit des kritischen Ereignisses schließen kann. Dazu benötigt man keine Wissenschaft, dies gehe auch ohne bewußte Reflexion vor sich. Was ist in kognitivistischen Theorien nötig, um über das Verhalten entscheiden zu können? Die Kenntnis und Einsicht in die Situation. Auch dies wurde von Tolman (1930) untersucht. Man baute ein Labyrinth mit 3 Wegen zwischen Einlaß und Futterkammer. Dieser Wege konnten unterschiedlich gesperrt werden (2 Sperren). Je nach Sperrung reagierten die Tiere auf verschiedene Sperrungen adäquat. Dabei erkundeten die Tiere das Labyrinth zunächst ohne Belohnung. Dadurch entsteht nach Tolman ein Überblick über die Wege, eine Einsicht. War später (bei Futtergabe) der günstigste Weg versperrt, wählten sie den jeweils günstigeren Umweg. Vor allem liefen sie nicht gegen die Sperre, schauen reichte ihnen für die Entscheidung über den Weg. Sie entscheiden sich schon am Kreuzungspunkt. Was haben die Ratten nach Tolman erworben? Eine geistige Landkarte (cognitive map), in der sie sich je nach Lage und Bedarf orientierten. Dabei hätten sie stets das gesamte Labyrinth vor Augen, nicht nur einzelne Teile. Damit gewinnen die Individuen Kenntnisse, die sie für den zweckmäßigen Vollzug zukünftiger Handlungen benötigen. Wissen über Diskriminanda, Manipulanda, Ziel-Objekte, MittelObjekte und Mittel-Ziel-Beziehungen. Dieses ist auch Erwartungswissen, über die Zukunft. Wie wurden diese theoretischen Vorstellungen im modernen Kognitivismus erweitert? In Studien zur künstlichen Intelligenz. Beim Script-Modell von Schank & Abelson ist die zentrale Frage, welche Elemente des Handlungsraums bekannt sein müssen, damit Tätigkeiten geplant und ausgeführt werden können. Was ist die Grundlage des Verhaltenslernens nach Handlungstheorien, welche die Regulation von Tätigkeiten mit inneren Modellen dieser Tätigkeiten in Beziehung setzen? Handlungstheorien, welche die Regulation von Tätigkeiten mit den operativen Abbildsystemen in Beziehung setzen erklären die zweckmäßige Veränderung der Modelle, bzw. Abbildsysteme zur Grundlage des Verhaltenslernens. Diese setzen ein ausreichendes Wissen über den Wirkungsbereich der Handlungen voraus und fordern oft eine Vermehrung dieses Wissens. Dies wurde von Winfried Hacker bestätigt. Wie kann man diese Modelle nutzen, um die Industrieproduktion zu verbessern? Gisela Schöne & Sigrid Hartmann (1976) untersuchten die Wirksamkeit einer Einweisung, die sich nicht nur auf die auszuführenden Handgriffe beschränkt, sondern auch einen weiteren Teil der Betriebsprozesse umfaßt. Die Arbeiter sollten die Höhe der Flüssigkeit in einem Rohr regeln. Neben der eigenen Tätigkeit, sind dabei auch die Wirkung weiterer Einflußfaktoren wichtig. In der Tat war die Schilderung von Aspekten, die nicht zu beeinflussen, aber die zu berücksichtigen sind sehr vorteilhaft. Die so geschulten Arbeiter machten viel weniger Fehler. Wie untersuchte Thorndike (1898) die Frage, wie neues Verhalten entsteht? Er hatte Problemkäfige mit Katzen. Diese konnten sich nur durch das Öffnen eines Verschlusses befreien. Die Tiere machten alle möglichen Bewegungen, die meisten davon waren nutzlos. Bei wiederholtem Ablauf wurde die Häufigkeit nutzloser Verhaltensweisen geringer und die von nützlichen stieg an. Irgendwann unterließen die Tiere von vorneherein alle nutzlosen Bewegungen. Ein „neues“ Verhalten war gelernt worden. Allerdings ist dieses neue Verhalten in seinen Grundelementen nicht neu, die einzelnen Aktionen waren schon im Verhaltensrepertoire der Tiere vorhanden. Wie stellt Thorndike das Lernen dar? Als Selektionsvorgang. Lernen nach Versuch und Irrtum mit zufälligem Erfolg. Es handelt sich um Lernen am Erfolg, nutzlose Tätigkeiten werden seltener, nützliche häufiger. Welche Arten von Reaktionen unterscheidet Burrhus F. Skinner? • Reaktionen, die durch Reize ausgelöst werden (elicited behavior). Dieses Verhalten ist an situative Reize gebunden. • Reaktionen, die vom Individuum von sich aus hervorgebracht werden (emitted behavior). Dieses Verhalten ist nicht an Reize gebunden. Diese werden nicht durch Reize ausgelöst, sondern um ihrer Wirkung willen ausgeführt, sie seien Wirkverhalten (operant behavior). Wie werden Wirkreaktionen nach Skinner gelernt? Nicht durch Kopplung an vorangehende Bedingungen, sondern durch ihre Beziehung zu den Folgebedingungen. Deshalb gelte das Reiz-Reaktionsschema nicht für das Lernen von Wirkreaktionen. Er setzt an diese Stelle die Aufeinanderfolge von Tätigkeiten und die von ihnen herbeigeführten Bedingungen. Diese Aufeinanderfolge nennt er Kontingenz (contingency). Die Ausbildung dieser Kontingenzen im Lernprozeß nennt er operantes Konditionieren. Was ist nach Skinner die vordringliche Aufgabe der Psychologie? Nachfolgebedingungen feststellen, unter denen sich das erwünschte Verhalten einstellt. Was ist nach Skinner das Ziel der Psychologie? Als Verhaltenswissenschaft, der Gewinn von Kontrolle, Einfluß auf das Verhalten. Was versteht Skinner unter Verhaltensformung (shaping)? Näherungslernen (approximation). Man wartet, bis eine Person ein Verhalten zufällig zeigt, und signalisiert ihr durch Belohnung, daß sie dieses beibehalten soll. Die Belohnung wird immer gezielter. So kann das gewünschte Verhalten herangeführt werden. Mit dieser Methode kann man alle möglichen Dressurkunststücke erreichen. Auch komplexes menschliches Verhalten könne durch Näherungslernen neu entstehen. Wie erklärt Skinner die situationsgebundenheit des Handelns? Er führt den Begriff des Hinweisreizes (cue) in seine Theorie ein. Diese Hinweisreize geben nach Skinner an, wann sich ein Verhalten lohnt. Trotzdem behauptet er, daß das Gewicht des Lernens auf der Erfahrung der Tätigkeitsfolgen liegt. Wer untersuchte das operante Konditionieren in Rußland? Iwanow-Smolensky (1927). Dieser war in Leningrad am Hertzen-Institut tätig. Dieser hatte eine komplexe Vorrichtung, mit der sich Probanden Schokolade verschaffen konnten, wenn sie entsprechende Tätigkeiten ausführten. Der Verschluß einer Klappe öffnete sich, wenn sie auf einen Ball drückten, was aufgezeichnet wurde. Wie konzipieren demgegenüber die Kognitivisten diese Lernvorgänge? Das Verhaltenslernen sei nicht eine beliebige Aneinanderreihung von isoliert gesehenen Verhaltensakten, sondern vielmehr auf ein Ziel hin geordnete Schrittfolgen. Wichtig ist, daß Ordnungsprinzip der Schrittfolgen zu finden. Das Lernen gleiche einem kreativen Problemlösevorgang, der Einsicht in den Zusammenhang aufeinander folgender Lösungsoperationen vermittelt. Wer vertrat besonders explizit diesen Standpunkt des Einsichtslernens? Wolfgang Köhler war während des 1. Weltkrieges in Teneriffa und untersuchte Menschenaffen, vor allem Sultan. Dieser erreichte aufgehängte Bananen durch das Stapeln von Kisten. Wie deutet Köhler die Leistung des Affen? Nicht wie Thorndike nach dem Motto alles ausprobieren und bewährtes beibehalten, sondern durch die Zuschreibung von Einsicht. Das neue Verhalten trete nach einer Weile des Innehaltens plötzlich auf und könne gleich in vollem Ablauf ausgeführt werden. Der Affe habe die Verhaltenskette gleich in ihrem ganzen Zusammenhang erfaßt, er beweise Einsicht. Zu dieser Einsicht sei er in einem schnellen Erkenntnisprozeß gelangt, einem Einfall beim Denken vergleichbar (Aha-Erlebnis). Wie konzipieren Kognitivisten Lernfortschritte, die nicht durch Kreativität beeindrucken? Auch diese haben eine gedankliche Handlungsstruktur zur Grundlage. Da die sichtbaren Gewohnheiten und Tätigkeiten als Ausführung von inneren Handlungsplänen verstanden wird, setzt die Verbesserung der Ausführung eine Vervollkommnung des inneren Entwurfs voraus. Dies wird bereits von Jürgen Neubert (1968) betont. Welche Untersuchungen führte diesbezüglich Jürgen Neubert (1968) durch? Er untersuchte Maschinenbaulehrlinge. Diese sollten Werkstücke nach Plan ausfräsen. Dies geht in mehreren Schritten vor sich. Mit steigender Übung wurden die Lehrlinge immer schneller und machten immer weniger Fehler. Worauf führt dies Neubert zurück? Die Zahl der unnötigen Operationen ging zurück, die der notwendigen Operationen blieb gleich. Es wurden keine neuen Handgriffe gelernt, lediglich die notwendigen gezielter vorgenommen und unnötige Vermieden. Dies deutet er als kognitive Leistung. Nicht das Fertigkeitsniveau habe sich verändert, sondern die Tätigkeit wurde intellektuell umstrukturiert und beruhen auf Veränderungen im operativen Abbild der Handlungsbedingungen. Inwieweit erfordert Handeln die komplette Verinnerlichung der Tätigkeiten? Es gibt eine Reihe von Belegen für den Zusammenhang zwischen der Güte der Ausführung einer Tätigkeit und ihrer Verankerung im Gedächtnis. Beim motorischen Lernen werden verbalisierbare Regeln gelernt. Allerdings müssen nicht alle Teile gemerkt werden, da sie in der konkreten Vollzugssituation selbst hervorgebracht werden können (Hacker 1982). Zu gegebener Zeit kann man also den rechten Weg zum Ziel selbständig finden. Wer beschäftigte sich vor allem mit der zeitlichen Organisation von Teiltätigkeiten? L. Henry Shaffer (1976). Dieser stellte sich die Frage, wie sich zeitliche Abfolgen im Verhalten herausbilden. Beim Maschineschreiben, Klavierspielen oder dem Halten einer Rede liege das gleiche Merkmal der zeitlichen Koordination vor. Auch liege der gleiche Typ von Fehlleistung vor, wenn es schiefgehe. Die Ermittlung der Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich zeitliche Ordnungen im feinmotorischen und sprachlichen Handeln bilden, ist noch aktuell. Wodurch erhielt die kognitivistische Lerntheorie Unterstützung? Durch den Nachweis des mentalen Übens und des Lernens durch Beobachtung. Wenn das Lernen von Verhalten wesentlich auf der zweckmäßigen Ausarbeitung gedanklicher Abbilder beruht, brauchen die zu lernenden Verhaltensweisen gar nicht praktisch ausgeführt zu werden. Diese Ausarbeitung ist auch durch das Beobachten von Vorbildern möglich. Wer untersuchte die Wirkung des Lernens durch Vorstellung? Dieses nennt man auch mentales Üben oder Beobachtungslernen und wurde von Eberhard Ulich (1965) untersucht. Er untersuchte Schüler einer Handelsschule, die gerade das Maschineschreiben lernen. Eine Gruppe übte praktisch, eine andere schaute dieser Gruppe beim üben zu (Beobachtungslernen), eine andere sollte in der Vorstellung das Tippen üben. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Zwar waren die Praktiker die besten, allerdings hatten die Beobachter immer noch 49% des Lernfortschritts der praktisch übenden Gruppe. Bei der mental übenden Gruppe betrug der Lernfortschritt sogar 91%. Wer untersuchte das Verhältnis von Beobachtungslernen, praktischem Lernen und mentalem Üben eingehender? Robert Jeffery (1976). Dieser ließ seine Probanden komplizierte Stäbekonstruktionen bauen. Diese bestanden aus 5 verschiedenen Arten von Holzstäben und 7 Typen von Verbindungssteckern. Die Probanden bekamen den Turmbau im Film vorgeführt. Danach sollten eine Gruppe den Turmbau praktisch üben, eine andere gedanklich. Andere sollten nicht üben. Danach kam eine Prüfung des Gelernten. Dabei wurde benötigte Zeit und Genauigkeit des Arbeitens gemessen (anhand des Prozentsatzes richtig gesteckter Teile). Welche Ergebnisse fand Jeffery (1976)? • 56% der Probanden wurden der Anforderung ohne Üben gerecht • Mentales Üben bringt eine beträchtliche Steigerung von Genauigkeit und Geschwindigkeit • Praktisches Üben verbesserte die Geschwindigkeit, aber nicht die Genauigkeit • Eine praktische Übung nach der mentalen Vorbereitung war für beides am besten. Was folgt aus diesen Ergebnissen? Offenbar hat die Praxis einige Vorteile für die Geschicklichkeit im Umgang mit dem Material. Die Organisation des Zusammenbaus wurde aber durch das gedankliche Üben am meisten gefördert. Die praktische Ausführung hat die gedankliche Auseinandersetzung sogar gehemmt. Neben dem kognitiven Erfassen gibt es also auch besondere motorische Anteile wie Fingerfertigkeit oder Gelenkigkeit, die durch Beobachtung allein nicht erworben werden können. Die gedankliche Erfassung des Ablaufes ist also sehr wichtig, jedoch nicht hinreichend. Die Abstimmung der Bewegung, die sensumotorische Koordination ist gesondert einzuüben. Was fanden M. Bradshaw, E. Szabadi & P. Bevan (1977) heraus? In einer Phase konnten Frauen Geld verdienen, wenn sie einen Knopf betätigen, in einer anderen konnten sie auch Geld verlieren. Es zeigte sich, daß die Probanden in der Phase, in der sie nur Gewinnen können bis an die Grenze des maximal möglichen gehen und die Reaktionen zeigen, so oft es geht. In der zweiten Phase sind die Reaktionen deutlich verlangsamt. Wer entwickelte für dieses Verhalten wann welche Regel? Herrnstein (1970). Diese lautet: Belohnung macht ein Verhalten wahrscheinlicher, Bestrafung macht es unwahrscheinlicher. Welche Ergebnisse fanden Ferster & Skinner (1957), in welcher zeitlichen Beziehung die Gabe von Belohnungen zum Auftreten des zu lernenden Verhaltens steht? Sie unterscheiden • kontinuierliche Verstärkung, jeder Reaktion folgt eine Verstärkung • intermittierende Verstärkung, nur einige Reaktionen werden verstärkt. Dieses unterscheidet sich weiter in Verstärkung nach dem Zeitablauf in Intervallen und nach der Zahl der ausgeführten Reaktionen Welche Arten von Verstärkungsplänen (schedules of reinforcement) unterscheiden sie? • nach festen Intervallen • nach festen Verhältnissen • nach variablen Intervallen • nach variablen Verhältnissen Wie wurde der Einfluß von Verstärkungsplänen auf das Verhalten untersucht? Dies wurde am Pickverhalten von Tauben demonstriert. Diese mußten auf einen Schalter picken, um Futter zu erhalten. Dieser war mit einem Schreibstift verbunden. Jedes Picken verschiebt den Stift um einen festen Betrag. Läßt man unter dem Schreibstift einen Papierstreifen vorbeilaufen, so entsteht eine Kurve, die die Gesamtzahl der Pickreaktionen im zurückliegenden Registrationsabschnitt repräsentiert. Diese Art der Aufzeichnung nennt man Kumulativschreibung. Welchen Einfluß haben die jeweiligen Verstärkungspläne auf das Verhalten? Bei regelmäßiger häufiger Verstärkung wurde schneller gelernt. Unregelmäßige Verstärkung ist Löschungsrestistenter, da es nicht so leicht diskriminiert wird Quotenverstärkung (Akkordlohn) steigert das Verhalten schneller Hohe Quoten sind Verhaltensfördernder als niedrige Bei kleinen Intervallen ist das Verhalten stärker Bei Quotenverstärkung ist die Kurve kontinuierlich Bei Intervallverstärkung erhält man eine Treppenfunktion Wie wurde das Skinnersche Prinzip in der Arbeits- und Klinischen Psychologie umgesetzt? Intervallverstärkung entspricht dem Zeitlohn, Verstärkung im Verhältnis zur Leistung dem Akkordlohn. Dieses wurde als Münzwirtschaft (token economy) auch in Strafvollzug, Klassen und Kliniken eingeführt. Hier waren vor allem Ayllon & Azrin (1968) tätig. Diese führten in einem Krankenhaus eine Münzwirtschaft ein. Für nützliche und kooperative Tätigkeit konnten sie Vergünstigungen erhalten. Wer behauptet, Verstärkung sei für das Lernen eine notwendige Voraussetzung? Vor allem Skinner. Er behauptet, Wirkverhalten sei ausschließlich an seine Folgen gebunden. Andere wie Guthrie meinten, Kontiguität zwischen Reiz und Reaktion reiche aus.Thorndike und Hull sahen in der Bedürfnisbefriedigung, die einem Verhalten folgt die Ursache für die Verstärkung der Verbindung zwischen diesem Verhalten und vorangegangenen Reizen. Welcher Behaviorist wollte zwischen den kontroversen Positionen vermitteln? Kenneth W. Spence (1956). Dieser meinte, meinte, man müsse zwei Gegebenheiten unterscheiden: Den Schatz des Gelernten: Die Gewohnheiten (habits) und die Motivation, das Gelernte auszuführen. Positive Folgen wirken auf die Motivation, sorgen also für eine häufigere Ausführung des Gelernten. Damit wird das eingeübte häufiger ausgeführt und noch besser eingeübt. Umgekehrt gilt: Wenn ein Verhalten keine positiven Folgen hat, wird es deshalb nicht schlechter gelernt, aber man merkt nicht, daß es gelernt wurden, weil die betroffenen Individuen seltener ausführen, was sie gelernt haben. Damit integriert er eine These der kognitivistischen Lerntheorie, die zwischen Lernen und Ausführung des Gelernten trennt. Diese konnten sich mit dem Prinzip der Verstärkung nie so recht anfreunden, weil eine Einsicht nicht dadurch besser wird, daß sie sich nachträglich als richtig herausstellt. Welche Begriffe trennen die Kognitivisten diesbezüglich? • das Gelernte-Einsicht in Zusammenhänge zwischen Situation und möglichen Handlungen • die Motivation, daß Gelernte auszuführen • die Ausführung des Gelernten selbst Wie versuchte H.C. Blodgett (1929) (ein Schüler Tolmans) den Zusammenhang dieser Größen zu demonstrieren? Er ließ hungrige Ratten durch ein kompliziertes Labyrinth laufen. Eine Gruppe erhielt vom ersten Tag an im Labyrinth Futter. Innerhalb von 7 Tagen lernte sie, daß Labyrinth fehlerfrei zu durchlaufen. Eine andere Gruppe lief 3 Tage lang durch das Labyrinth, bis sie am 3. Tag ebenfalls Futter fand. Eine 3. gruppe lief 7 Tage hungrig durch das Labyrinth. Am letzten Tag erhielten sie Futter. Ihre Fehlerrate verringerte sich von einem Tag auf den anderen beträchtlich. Die Interpretation der Ergebnisse ist eindeutig: Alle haben das Labyrinth gleich gut gelernt, erst die Belohnung veranlaßte die Tiere, ihre Kenntnis zu nutzen und den kürzesten Weg zu wählen. Wie interpretierte Tolman (1932) diese Befunde von Blodgett? Als Beleg für die Möglichkeit latenten Lernens. Dieses ist nicht von der Belohnung abhängig. Die Verabreichung von Futter wecke nur die Motivation, das latent Vorhandene auch in sichtbares Verhalten umzusetzen. Welchen Wert messen Kognitivisten der Belohnung beim Lernen bei? • Es kann die Richtigkeit gewonnener Einsichten bestätigen (Rückmeldeeffekt). • Es kann das Selbstvertrauen bei der Bewältigung der übernommenen Lernaufgabe heben (Motivierungseffekt) Wie greifen Rückmelde- und Motivierungswirkungen laut Kognitivisten in das Gefüge der Ursachenzuschreibungen ein? Eine kontinuierliche Verstärkung wird als Beweis eigener Tüchtigkeit gedeutet, wenn Lernende sich selbst als Verursacher der Leistung betrachten, andererseits als Glück, wenn man auf äußere Umstände attribuiert. Was kritisierten Rotter, Liverant & Crowne (1961) an der Konzeption Skinners? Sie meinten, der Effekt von Verstärkungen lasse sich erst vorhersagen, wenn bekannt ist, ob die Betroffenen eine Belohnung internen oder externen Ursachen zuschreiben. Wird die Belohnung nach kontinuierlicher Verstärkung plötzlich aus, wird bei externaler Zuschreibung die vorher belohnte Tätigkeit schnell eingestellt (Glück hat verlassen). Herrscht eine internale Zuschreibung vor, wird die Tätigkeit auch nach Absetzen der Belohnung lange fortgesetzt. Welche Fragen stehen bezüglich der Belohnung noch aus? • Was mit den nicht belohnten Verhaltensweisen geschieht • Ob man wirklich jedwedes Verhalten durch Belohnung hervorrufen kann Was ist mit der Frage nach nicht belohnten Verhaltensweisen? Nach der klassischen behavioristischen Sicht schwindet Verhalten, wenn es keine Verstärkung erfährt. Neuere Ergebnisse zeigen die Eigendynamik von Verhaltensweisen. Allison (1989) beschreibt den Befund, daß Menschen ein Verhalten, daß sie lange nicht ausführen konnten plötzlich vermehrt ausführen dadurch, daß eine Reaktionsunterdrückung stattfand. Den Reaktionen sei eine Tendenz zur Ausführung eigen, die Unterdrückung steigert die Ausführungstendenz. Die Belohnung von Reaktion A führt zu einer Unterdrückung der Reaktion B. Was ist mit der Frage, ob jedes Verhalten durch Belohnung hervorgerufen werden kann? Die biologische Ausstattung von Lebewesen mag die Lernfähigkeit und das Lernergebnis begrenzen. Breland & Breland (1966) unterscheiden arteigenes und artfremdes Verhalten. Arteigen nennen sie Verhalten, das in dem natürlichen Repertoire eines Lebewesens enthalten ist. Versuche ein Experimentator, artfremdes Verhalten anzulernen, erzeuge er nur Fehlverhalten. Verhalten lasse sich nur unvollkommen antrainieren. Die Dressur war nicht dauerhaft, wenn sie nicht zum natürlichen Verhaltensrepertoire gehörte. An Hühnern gezeigt. Was bedeutet die kognitivistische Sicht für stellvertretende Belohnung und Bestrafung? Wenn Lohn und Strafe symbolische Bedeutung haben, indem sie der Bestätigung von Einsichten in Situations- und Handlungszusammenhänge dienen, so kommt es gar nicht darauf an, daß der Lernende selbst eine Belohnung oder Bestrafung erhält. Lernen kann man dann auch durch die Beobachtung von Lohn und Strafe anderer. Es konnte gezeigt werden, daß sich Lernende auch an Lohn und Strafe orientieren, die Modellpersonen zukommen. Wer führte eine frühe Studie zum Beobachtungslernen durch? Albert Bandura. Diese wurde mit Kindern im Alter zwischen 4 und 6 Jahren durchgeführt. Die Kinder erhielten einen Film vorgeführt, in dem eine Frau mit einer Gummipuppe spielt und diese malträtiert. Für ein Drittel der Kinder erfolgt daraus nichts, ein drittel sah ein Modell, welches für das Verhalten belohnt wurde, ein drittel sah ein Modell, welches bestraft wurde. Danach wurden die Kinder in ein Spielzimmer geführt, in dem ein ähnliches Setting aufgebaut war. Die Kinder sollten zeigen, was sie gesehen haben. Jungen zeigten das Modellverhalten generell häufiger als Mädchen, in der Bestragungsbedingung wesentlich weniger häufig, als in den anderen Bedingungen. Man wird also auch aus Schaden und Nutzen andere klug, dies nennt Bandura (1971) stellvertretende Verstärkung. Welche Kontroversen der Lernpsychologie setzen sich in der Entwicklungspsychologie fort? Welchen Anteil klassisches Konditionieren, operantes Konditionieren und einsichtiges Lernen am Lernfortschritt hat. Ab wann kann man die Technik des klassischen Konditionierens auf Kinder anwenden? Bereits auf das Kind im Mutterleib. David Spelt (1948) beschreibt die Konditionierung von Bewegungen bei einem sieben Monate alten Fötus. Als unkonditionierten Reiz benutzte er einen lauten Ton, als konditionierten Reiz Vibrationen am Bauch der Mutter. Oder umgekehrt Ab wann kann man operantes Konditionieren bei Kindern anwenden? Erst nach der Geburt, aber bereits in den ersten Lebensmonaten. Ab wann beginnt einsichtiges Lernen bei den Kindern? Dies ist schwer nachzuweisen. Nach Jean Piaget (1972) entsteht die absichtliche Bewegung in der Mitte des ersten Lebensjahres. In dieser Zeit gehen die primären Kreisreaktionen in die sekundären über. In der primären Phase werden Bewegungen mechanisch oder zufällig ausgeführt, später werden die Bewegungen absichtlich wiederholt. Welche Bedeutung kommt dem Erlernen von Bewegungsabläufen zu? Wenn die Behauptung stimmt, daß die inneren gedanklichen Abläufe sich nach dem Vorbild der äußeren motorischen Abläufe entwickeln, eine erhebliche. Diese Annahme vertritt P.J. Galperin (1967) mit seiner These der etappenweisen Ausbildung geistiger Handlungen. In welcher Untersuchung wurde die Behauptung Galperins gestützt? In einer Untersuchung von S.A. Reschetowa & I.P. Kaloschina (1973). Diese trainierten Dreher im Fertigen von Wellen. Dabei wurden auch theoretische Kenntnisse vermittelt. Dabei wurde in drei Stufen (Etappen vorgegangen): • In der ersten Stufe wurde praktisch gearbeitet. Nach Vorschrift wurden Arbeitsgänge vorgenommen. • In der zweiten Stufe wurde laut gesprochen oder geschrieben. Die Tätigkeiten wurden in eine begriffliche Form gebracht. • In der dritten Stufe folgte das Reflektieren und Einprägen der sprachlichen Formulierungen. Diese Stufe stellt die eigentliche geistige Handlung dar. Aus der materialisierten Handlung habe sich aktives Wissen gebildet. Nach diesem Vorbild wurde der Entwicklungsverlauf gedeutet. Während der individuellen Entwicklung ereigne sich ein stufenweises Lernen, das von der konkreten und wenig reflektierten Handlung zum abstrakten Wissen führt. Welche Beziehungen bestehen zwischen Persönlichkeitspsychologie und der Lerntheorie? • Verschiedene Personen zeigen ein unterschiedliches Lernverhalten (differentielle Psychologie des Lernens). • unterschiedliche Persönlichkeiten lassen sich auf verschiedene Lerngeschichten zurückführen (lerntheoretische Ansätze in der Persönlichkeitspsychologie) Welches Beispiel kann man zur differentiellen Psychologie des Lernverhaltens bringen? Pawlow (1923) stellte fest, daß die Zahl bis zur Auslösung einer bedingten Reaktion nötigen Versuche individuell stark variiert. Dies deutete er als Indiz für die Erregbarkeit des Nervensystems. Hans-Jürgen Eysenk (1973) betrachtet die nervöse Erregbarkeit als ein Merkmal der Intraversion (Wer durch Außenreize leicht erregbar ist, tendiert zur Abwendung von seiner Umwelt). Dabei kam heraus, daß Introvertierte im allgemeinen schneller zu konditionieren sind als Extravertierte. An welchem Beispiel verdeutlichte Eysenk seine Theorie der Konditionierbarkeit? Eysenk (1973) wählte den Schließreflex des Augenlids als kritische Reaktion. Dieser läßt sich durch einen Luftstoß auslösen. Dieser fungiert als unbedingter Reiz. Er wurde mit einem Ton gepaart. Nach unterschiedlich vielen Paarungen schloß sich das Augenlid bereits bei der Darbietung der Töne allein. Introvertierte lernen dabei schneller als Extravertierte. Was erwartet man von einer lerntheoretisch orientierten Persönlichkeitstheorie? Nicht nur eine Beschreibung von Persönlichkeitseigenschaften und deren Zusammenhang innerhalb einer übergreifenden Persönlichkeitsstruktur, sondern auch eine Erklärung der Herkunft dieser Eigenschaften und der Persönlichkeitsstruktur. Was wird dabei von den modernen Persönlichkeitstheorien diskutiert? Die Formung der Persönlichkeit durch den Einfluß der Umwelt. Manche Theoretiker meinen, die menschliche Persönlichkeit und ihre Eigenschaften seien vollkommen durch die Lernerfahrung bestimmt, wie etwa z.B. Dollard & Miller. Was ist Gegenstand weiterer Persönlichkeitspsychologischer Forschungen? Wie weit maßgebliche Persönlichkeitsmerkmale auf Lernen beruhen. So beschäftige sich Martin Seligman (1995) damit, ob die Depressionsneigung ein erworbener Charakterzug ist. Er erklärt die Depression lernpsychologisch: Am Anfang der Depression steht die Erfahrung der mangelnden Situationskontrolle. Das Ergebnis ist die Erfahrung der eigenen Hilflosigkeit, einer erlernten Hilflosigkeit. Diese verallgemeinert dann auf andere Situationen. Unter dem Druck der Befürchtung läßt dann die Aktivität nach und die Zukunftserwartungen werden düster, die Emotionen negativ. Demnach ist die Depression die Folge einer pathologischen Verallgemeinerung einer möglicherweise durchaus realistischen Erfahrung. Wann ist von sozialem Lernen die Rede? • Wenn ein Lernprozeß durch Interaktion mehrerer Individuen, evtl. sogar Institutionen getragen wird (Lernen als sozialer Prozeß). Prozeßual. • Wenn die vermittelten Inhalte und Fertigkeiten sozial bedeutsam sind (soziale Thematik des Lernstoffes). Thematisch. Was heißt soziales Lernen im Sinne des Lernens als sozialem Prozeß? Gemeinsam lernen, voneinander lernen, unter gesellschaftlich gesetzten Rahmenbedingungen lernen. Ein Beispiel ist der Unterricht in den Schulen. Dieser vollzieht sich dabei in Klassengemeinschaften, wobei Schülern und Lehrern getrennte Rollen zufallen. Dabei sind viele Randbedingungen vom Gesetzgeber und der öffentlichen Erwartung festgesetzt. Was heißt soziales Lernen im zweiten Sinne? Sozial bedeutsames Wissen zu erwerben. Soziale Verhaltensweisen und Rollen aneignen. Welches Beispiel gibt es für dieses soziale Lernen? Kommunikationstraining. Oft werden Programme zur Förderung kommunikativer Fähigkeiten angeboten. Dadurch läßt sich verbessern: • aufmerksame Zuwendung zum Gesprächspartner • angemessener sprachlicher Ausdruck • mimischer und gestischer Ausdruck • allgemeine Konventionen des Umgangs Dabei ist wesentlich, diese Tätigkeiten hinsichtlich ihrer Wirkung auf die soziale Situation zu beurteilen. In welchem Bereich fallen beide Aspekte des sozialen Lernens zusammen? Beim Rollen- und Partnertraining. Dabei ist das Lernziel, das Verhalten der Partner aufeinander abzustimmen, z.B. bei der Rehabilitation von Behinderten. Dabei wird deren Umfeld in das Training mit einbezogen. Deren Beteiligung kann nach Schöler, Lindenmeyer & Schöler (1981) helfen, Interaktionsschwierigkeiten zu beseitigen. Wie nennt man die Gesamtheit sozialer Lernprozesse, die ein Mensch durchläuft? Sozialisation. Diese ermöglicht die Einbindung von Menschen in die Kultur. Oft wird auch das Ergebnis eines Lernprozesses als Sozialisation bezeichnet. Wer untersuchte die Sozialisation? Horst Nickel (1977). Dieser beschäftigte sich mit der vorschulischen Sozialisation und vergleicht Erziehungsziele, Erziehungspraktiken und Erziehungswirkungen in Kindergärten verschiedener gesellschaftlicher Organisationen. Neben dem kindlichen Verhalten wird das Erziehungsverhalten betrachtet. Die gleichzeitige Beobachtung von Erziehern und Kindern eröffnet die Möglichkeit, die Erzieher-Kind-Interaktion in ihrem Wandel zu erfassen. Kapitel 11: Motivation und Emotion Welchen Rang kann man der Motivations- und Emotionspsychologie zuweisen? Motive und Emotionen leiten in wesentlichem Maße die einzelnen kognitiven Funktionen und lassen daraus das Bild einer einheitlichen Persönlichkeit entstehen. Welche Studie führte Lieret (1977) durch? Er fuhr mit Fahrern und Beifahrern mit einem Testwagen durch die Gegend. Dieser war mit Meßgeräten bestückt, wobei vor allem Herzschlag und Schweißdrüsentätigkeit aufgezeichnet wurde. Dabei wurde festgestellt, daß Beifahrer oft Angst haben und aufgeregter sind als die Fahrer. Bei Beifahrern sind Schweißdrüsentätigkeit und Herzschlag erhöht. Wie erlebt der Fahrer die Situation? Auch dieser hat in Gefahrensituationen einen erhöhten Herzschlag von bis zu 130 Schlägen pro Minute, auch bei der normalen Fahrt sind 90 Schläge pro Minute durchaus normal. Dies wurde von Lisper, Laurell & Stening (1973) und Bösser, Lloyd & Schmidt-Mummendey (1977) herausgefunden. Dieser erlebt die Situation aber nicht als Aufregung, sondern als Zustand der Konzentration, der Anspannung. Was haben Angst des Beifahres und Anspannung des Fahrers gemeinsam? Es sind Erregungszustande. Diese Steigerung der inneren Erregung wir erkennbar in • subjektivem Erleben der Betroffenen • sprachlichem Ausdruck • nicht-sprachlichem Ausdruck • äußerlich sichtbarer Tätigkeit • physiologischer Aktivität Die psychophysiologische Erregtheit wird auch Aktiviertheit oder Aktivation genannt. Wie unterscheiden sich Fahrer und Beifahrer? Fahrer haben Einflußmöglichkeiten, Kontrolle. Genau dies fehlt den Beifahrern. Die Aktiviertheit der Fahrer kommt ihrer Tätigkeit zugute, sie wird in den Dienst des verfolgten Ziels gestellt. Beifahrer können ihre Aktivität keiner festen Tätigkeit zuführen, sie staut sich auf und wechselt in ihrer Ausrichtung. Wie nennt man jenen Anteil der Erregung, der Handlungen zufließt? Motiviertheit. In diesem Sinne ein Betrag an Energie, der einer Tätigkeit innewohnt. Diese findet ihren Ausdruck in den Phänomenen der Willensstärke, Einsatzbereitschaft und Konzentration. Die Motiviertheit richtet sich auf Ziele und entlädt sich beim Verfolgen der Ziele. Wie setzt sich die Emotionalität von der Motiviertheit ab? Sie umfaßt auch eine Teilmenge der verfügbaren Energie. Dieser ist jedoch nicht an Handlungen gebunden, ihr fehlt Ordnung und Organisation. Welche Eigenschaften kommen der Emotionalität nach dieser Sicht zu? Unstetigkeit und Störwirkung. Edouard Claparède (1928) beschrieb die unkontrollierte Dynamik der Gefühle als nutzlose Schädlichkeit bei der Handlungsdurchführung. Die Emotionen würden das Urteilen und das Handeln stören. Wie definiert Young (1973) das Gefühl? Als einen Prozeß oder Zustand der Verwirrung. Wer widerspricht der Theorie von der Unorganisiertheit der Emotionalität? George Mandler (1979). Er meint, daß gut gelerntes und gut organisiertes emotionales Verhalten dieselben Merkmale der Geschlossenheit und Ordnung hat wie jedes andere Reaktionssystem. Dieses Verhalten kann regelmäßig und mit den gewünschten Konsequenzen ablaufen. Damit knüpft er an die Theorie Lewins von der unerledigten Handlung an und kehrt das Argument des Desorganisationstheorie um: Emotionalität sei nicht der Grund der Unterbrechung, sondern deren Folge. Welche Folgen hat die Unterbrechung einer Handlung oder Planung nach Mandler? Dies führt zu einem vorzeitigen Ende von Handlung und Planung. Einerseits folgt rückwärtsgewandt Enttäuschung, andererseits gegenwarts- und Zukunftsbezogen die Konfrontation mit der neuen Situation. Dadurch entsteht eine Krise, zu deren Überwindung Energie zu mobilisieren ist. Welchen Sinn schreibt Walter Cannon der Emotion zu? Er spricht der Emotion eine Notfallfunktion zu. Sie habe sich in den naturgeschichtlich alten Krisensituationen des Kampfes und der Flucht herausgebildet und werde nun auf andere Bewährungssituationen verallgemeinert. Damit haben Emotionen eine hoch konstruktive Aufgabe: Sie stellen zur Bewältigung schwieriger und unerwarteter Situationen Energie bereit, diese erhöhe Einsatz und Ausdauer. Welche Bedeutung hat die Stärke der Emotionen? Starke Gefühle pflegen der Leistung zu schaden, eher die schwache Gefühle fördern die Leistung. Außerdem werden durch Emotionen vor allem leichte, geübte Tätigkeiten gefördert, nicht die schwer auszuführenden. Wie wurde dies experimentell belegt? Leichte Angst beflügelt, starke Angst lähmt das Denken. Nennenswerte Leistungen kommen in diesem Zustand nicht zustande (Chiles 1958, Tennyson & Woolley 1971). Ängstliche sind eifriger und aktiver (Eysenk 1979). Im Sinne Tomaszewskis tun sie mehr zur Aufdeckung und Korrektur von Fehlern und sichern sich bei ihrer Tätigkeit stärker ab. Dies kann hilfreich sein, wird jedoch zur Last, wenn die Zusatztätigkeit überhand nimmt und unnötige Aufmerksamkeit von der Haupttätigkeit abzieht. Was gilt unter Kognitivisten als Hauptgrund für die Leistungsverschlechterung unter Angst? Die Ablenkung der Aufmerksamkeit. Angst bedeute einerseits erhöhte emotionale Erregung, andererseits die Erschütterung des Selbstvertrauens. In der Kognition gewinnen daher Wahrnehmungen der eigenen Erregtheit und Selbstzweifel Raum und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, die dann dem Leistungshandeln abgeht (Morris & Liebert 1970). Was ist demnach kaum zu rechtfertigen? Die Emotionalität als reine Destruktivkraft zu charakterisieren. Diese hat auch erhebliche konstruktive Anteile. Was ist die Yerkes-Dodson-Regel der optimalen Aktiviertheit? Diese erklärt eine Fülle von Beobachungen zum Leistungshandeln unter emotionaler Beanspruchung. Als gemeinsame Funktion emotionaler Belastung und äußerer Beanspruchung wird dabei die psychophysische Erregung, die Aktiviertheit des Organismus angenommen. Ein mittlerer Grad an Aktiviertheit sei jeweils für die Leistung optimal. Mit der Schwierigkeit einer Aufgabe wachse die Irritierbarkeit durch Aktivierung. Deshalb sinkt das Optimum der Aktiviertheit mit der Aufgabenschwierigkeit. Die Modellvorstellung der umgekehrt U-förmigen Abhängigkeit der Leistung von der Aktiviertheit wird M. Yerkes & John D. Dodson (1908) zugeschrieben. Allerdings wollten diese gar nicht so weit gehen, veröffentlichten nur eine Studie über das Lernen von Tanzmäusen. Dabei fanden sie, daß schwache Elektroschocks das Lernen beschleunigen, starke es beeinträchtigen und dabei schwierige Aufgaben anfälliger gegen Störungen sind als leichte. Je schwieriger die Aufgaben sind, desto weiter links auf der Erregungsskala ist das Optimum der Leistung. Was gilt für das Motiv? Für jedes Motiv gibt es spezifische Objekte oder Ereignisse, die das Motiv befriedigen. Zur Befriedigung üben geeignete Objekte oder Ereignisse einen Anreiz auf Bedürftige aus, bevor sie erreicht sind. Wie läßt sich die Befriedigung eines Bedürfnisses durch ein Objekt beschreiben? • Nach dem Prinzip der Triebreduktion (Regelung auf einen Sollwert von 0). • Nach dem Homöostaseprinzip (Regelung auf einen Sollwert mittlerer Ausprägung) Welche Annahme liegt dem Triebreduktionsprinzip zugrunde? Die Annahme von Mangelzuständen, die der Organismus zu beseitigen trachtet. Welche Annahmen liegen dem Homöostaseprinzip (Gleichgewichtsprinzip) zugrunde? Dies sind vor allem Kognitivisten, sie verweisen auf einen goldenen Mittelweg bei allen Dingen. Es geht um das Streben nach einem Optimum in der Mitte zwischen Extremen. Wie läßt sich das Homöostaseprinzip noch auffassen? Nicht nur als Regelung auf einen einzigen Soll-Wert in Mittellage, sondern die gleichzeitige Regelung zwei einander entgegengesetzter Sollwerte. Diese antagonistische Regelung liegt z.B. beim Hunger vor. Es gibt eine Tendenz zur Nahrungsaufnahme und zur Meidung von Übersättigung. Beide sind physiologisch verankert. Das Eßzentrum im Zwischenhirn (lateral) veranlaßt die Nahrungsaufnahme. Eine andere Region im Zwischenhirn (ventromedial) ist das Sättigungszentrum. Zerstört man eines von beidem kommt es zum Verhungern oder zum Übergewicht (Teitelbaum & Epstein 1962). Beim intakten Organismus gibt es für aufgenommene Nahrung zwei Schwellenwerte. Wird der untere unterschritten, tritt das Eßzentrum in Kraft, wird der obere überschritten, tritt das Sättigungszentrum in Kraft. Wie kann man diese Modelle veranschaulichen? Regelung Sollwert 0 Ist-Wert Triebreduktionsmodell Regelung Sollwert Max Regelung 0 Ist-Wert Homöstase 1: Regelung auf einen Mittelwert Regelung 2 Max Sollwert I Sollwert2 0 Regelung I Ist-Wert Max Was spiegelt sich in den Gefühlen, was ergibt sich daraus? Der Anreizwert von Gegenständen und Situationen. Da Anreize die Handlung steuern, erhalten auch die Gefühle eine handlungsleitende Funktion. So entsteht ein Zusammenhang zwischen Gefühlen und der Motivation zielgerichteter Handlungen. Wer untersucht Gefühlsqualität von Objekten und Situationen in Verbindung mit Motivation? Ernst Lantermann (1982). Er zeigte den Bezug zu drei Faktoren der Motivation auf: Die Instrumentalität, d.h. die Zieldienlichkeit, die Valenz, d.h. der Anreiz oder der Wert eines Handlungsergebnisses und die Kontrolle, d.h. der eigene Einfluß auf das Ergebnis der Handlung. Studenten sollten diese Faktoren in bestimmten Situationen einschätzen und gleichzeitig ihre Gefühle dazu angeben. So waren 8 mögliche Konstellationen dieser Faktoren mit verschiedenen Emotionen belegt, z.B. wenn etwas zieldienlich, persönlich bedeutsam und kontrollierbar ist, mit Freude asoziiert. Damit rückt er Emotionen ähnlich den Einstellungen. Wer meinte, daß Emotionen schnelle Urteile sind? Robert Zajonc (1980). Er nannte sie heiße Kognitionen. Sie würden Interessen und Intentionen widerspiegeln. Was folgt daraus für die Gefühlswelt? Sie ist Handlungsvorbereitend, Handlungsleitend und Bewertet die Folgen der Handlung in Bezug zu eigenen Person. Diese Gefühlswelt hält langfristige Objektbeziehungen fest. Diese sind dann imstande, Handlungen zu initiieren und zu leiten. Was ist die Reizsummenregel? Ist ein Bedürfnis stark, können viele Gegenstände das Gefühl der Begehrlichkeit wecken. Ist ein Bedürfnis schwach, können nur wenige Gegenstände dieses Gefühl auslösen. Dies wies Alfred Seitz (1940) beim Verhalten afrikanischer Fische nach. Form und Farbe der Fische dienen als Auslöser. Diesen stehen aber innere instinktive Reize gegenüber. Der Effekt der Innenreize würde gegen die Außenreize aufgerechnet, bzw. akkumuliert. Welche Beziehung haben Gefühle zum Bewußtsein? Nach Felix Krueger (1929) stellen sie den Ursprung und ergiebigsten Nährboden des Bewußtseins dar. Analyse der Gefühle wäre der Schlüssel zur psychologischen Untersuchung. Zwar sind Gefühle individuell und subtil, können aber von einem empfindsamen Beobachter mitsamt ihren Gegenständen erfaßt und wissenschaftlich brauchbar beschrieben werden. Wie nennt man diesen Ansatz und wie fassen diese Autoren Gefühle auf? Es handelt sich um einen kognitivistischen und phänomenologischen Ansatz. Diese fassen Willens- und Gefühlserlebnisse als komplexe, nuancierte aber ganzheitliche Erscheinungen auf. Hans Cornelius (1863-1947) bezeichnet Gefühle als Prädikate des Gesamterlebnisses. Dem werde nur eine ganzheitliche Betrachtung gerecht, die getrennte Erfassung von Einzelkomponenten verbiete sich, d.h. etwa die Skalierung oder Messung einzelner Körperreaktionen. Diese Deutung ist der Ganzheitstheorie zugehörig. Wer beschäftigt sich mit der Beschreibung komplexer Bedeutungsumwelten? Marcel Proust (1871-1922). Dieser schreibt wie andere Schriftsteller sehr metaphorisch. Auch Empfindungen werden gerne beschrieben. Wie stand der Behaviorismus zu diesen bewußten Phänomenen? Er hatte nichts dafür übrig. Private Ereignisse, die sich der wissenschaftlichen Behandlung entziehen. Die ganzheitliche Schau ist vorwissenschaftlich. Wissenschaft bewähre sich gerade im Aufgliedern und Messen von Einzelmerkmalen. Wie schätzt Max F. Meyer (1933) das Problem der Gefühlserlebnisse ein? Er meinte, diese würden unnötig hochgespielt und dürften bald aus der wissenschaftlichen Psychologie verschwunden sein. Die Gefühlstheorie sei wie ein Wal. Aus der Nähe betrachtet sei es gar kein Fisch. Jede Wissenschaft habe ihr Phlogiston, welches sie loswerden müsse. Dessen solle man sich entledigen. Lediglich objektiv meßbare Verhaltensweisen, die mit der Emotion einhergehen sollen der wissenschaftlichen Betrachtung angemessen sein, d.h. Muskel-, Gefäß- und Nervenreaktionen. Wie schätzen die Behavioristen den Triebbegriff ein? Ähnlich. Diese seien als subjektive Erlebnisse wissenschaftlich nicht zu fassen. Man könne sie nur durch die Operation des Entzugs bestimmen. Die Triebstärke ist dann gleichbedeutend mit der Dauer des Entzugs, dauert der Entzug lange, wird sie durch eine Entkräftungskomponente gemindert, ein Anreiz verstärkt sie. Welche Konzeption vertreten tiefenpsychologische Autoren? Sie glaubten Affekte und Triebe nachweisen zu können, die noch nicht einmal in das Bewußtsein der Betroffenen gedrungen war. Diese unbewußten Motive und Affekte hätten eine durchschlagende Wirkung auf das Verhalten. So entwickelte Freud eine psychoanalytische Affektlehre an Studien über Hysterie. Freud nahm an, in einem Vorgang der Abwehr werde die Affekterregung von einem belastenden (sexuellen) Erlebnis abgetrennt und verknüpfe sich mit einer bisher affektiv neutralen Vorstellung, die dadurch überwertig und zwanghaft wird. Wie arbeitete Freud seine Theorie weiter aus? Er nahm an, erotische Erlebnisse gelangen durch Affektabspaltung ins Unbewußte, andere Ereignisse (wie z.B. Harndrang) treten durch Affektzufuhr stattdessen als Zwang ins Bewußtsein. Wie kann man die Motivationsthematik noch auffassen? Der Mensch hat eine Reihe von Bedürfnissen, zu deren Befriedigung er Verhaltensweisen entwickelt hat, denen Gefühlserlebnisse zugeordnet sind. Der Konstrukteur einer Theorie kann sich aussuchen, wie viele Bedürfnisse er annehmen will. Hat der Autor mehr als zwei Kategorien, nennt man sie polythematisch. Wie nennt man Theorien, die anders konstruiert sind? Hat die Theorie nur ein oder zwei grundlegende Motive, oder verzichtet sogar ganz auf die Definition von bestimmten Qualitäten, werden sie mono-, bi- und athematisch genannt. Der Begriff des Themas (das gesetzte) wurde von Henry A. Murray (1938) in die Motivationspsychologie eingeführt. Damit meinte er einen bestimmten Motivinhalt. Wer vertritt eine ausgearbeitete polythematische Motivations- und Emotionstheorie? In einem ersten Entwurf einer systematischen Sozialpsychologie legt William McDougall (1908) einen Katalog von Grundinstinkten vor. Ein Instinkt sei ein Komplex, welcher aus einer Antriebskomponente (Bedürfnis), einer Affektkomponente (Emotion) und einer Verhaltenskomponente bestehe. Er schlägt sieben Grundinstinkte vor. Welche sieben Grundinstinkte kennt McDougall (1908)? Antrieb Affekt Verhalten Fluchtinstinkt Angst Flucht Abwehrinstinkt Ekel Zurückstoßen Kampfinstinkt Zorn Angreifen Neugier Staunen Annähern/Prüfen Elterl. Pflegeinstinkt Fürsorge Pflege/Füttern Selbsterhaltung Pos. Selbstgefühl Vorzeigen / Imponieren Selbsterniedrigung Neg. Selbstgefühl Sich Unterwerfen Welche Liste schlägt Immanuel Hermann Fichte (1873) vor? Vier Grundklassen von Trieben: Selbsterhaltungs-, Persönlichkeits-, Geselligkeits- und Ehrtrieb. Welche Liste schlägt Plutchik (1962) vor? Er kennt Acht Grundemotionen, die mit ebenso vielen prototypischen biologischen Verhaltensweisen in Zusammenhang stehen: Begehren, Ekel, Zorn, Liebe, Freude, Traurigkeit, Erstaunen, Hoffnung. Welche Liste stellt Henry A. Murray (1938) aufgrund seiner klinischen Erfahrung auf? Er kennt 20 Grundbedürfnisse. Diese wären für den in der westlichen Welt sozialisierten Menschen wirklich wesentlich und gehen über biologisch grundlegende Triebe hinaus: 1. Leistungsbedürfnis: Etwas Schwieriges zustande bringen. Den Selbstwert durch erfolgreichen Einsatz der eigenen Fähigkeit erhöhen, andere übertreffen, etc. 2. Anschlußbedürfnis: Einem Partner näher rücken, dieser Person Gefallen erweisen und ihre Zuneigung gewinnen. Diesem zugehören und ihm treu bleiben. 3. Bedürfnis aufzufallen: einen Eindruck machen. Gesehen und gehört werden. 4. Empfindsamkeit: Suche nach ästhetischen Eindrücken. 5. Unterordnung, 6. Aggression, 7. Selbständigkeit, 8. Gegenwehr, 9. Verteidigung, 10. Ehrerbietung, 11. Überlegenheit, 12. Schmerzmeidung, 13. Mißerfolgsmeidung, 14. Ordnung, 15. Spielen, 16. Zurückweisung, 17. Gewährung von Hilfe, 18. Annahme von Hilfe, 19. Erotik und Sexualität, 20. Verständnis. Welche Probleme entstehen bei der Konstruktion von Motiv- und Gefühlsinventaren? Das Problem der Abgrenzung der Kategorien, d.h. sind zwei Kategorien wirklich voneinander unabhängig und das Problem der Grundständigkeit, d.h. ob das Macht- und Überlegenheitsmotiv wirklich zur Grundausstattung des Menschen gehört. Was folgt aus dieser Problematik? Daraus erwuchs der Wunsch, nach anderen Formen der Beschreibung und Ordnung, z.B. von Wundt (1873), der die Frage aufwarf, ob verschiedene Emotionen wirklich so unterschiedlich sind, daß sich ein Vergleich zwischen ihnen verbietet, oder ob sie gemeinsame Eigenschaften besitzen, mit deren Hilfe Ähnlichkeiten zwischen ihnen feststellbar sind. Er schlug drei Vergleichsmerkmale vor: Intensität (Stärke), Grad der Lust/Unlust, Erregung. Hinsichtlich dieser Merkmale kann man Emotionen dann vergleichen. Wer arbeitete die Vorstellung Wundts weiter aus? Werner Traxel (1962) und Traxel & Heide (1961). Er befragte Personen nach der von ihnen empfundenen Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Bezeichnungen für Gefühle und Motive und stellte in späteren Analysen der erhobenen Urteile fest, daß es übergreifende Vergleichsmerkmale, d.h. Ähnlichkeitsdimensionen gibt. Nach ihm reichen drei Dimensionen aus: Stärke (Intensität bei Wundt), Bewertung (Lust/Unlust bei Wundt), DominanzSubmission (überlegenes Herangehen – unterwürfiger Rückzug, Kontrolle bei Rotter). Wie gehen mono- und bithematische Theorien vor? Sie führen die Fülle der unterscheidbaren Bedürfnisse auf einen einzigen Grundtrieb zurück. Diese wurden vor allem in der Tiefenpsychologie entwickelt. Welche monothematische Theorie konzipieren Freud & Adler? Es gibt ein einheitliches und unbewußtes Potential an Triebenergie, bei Freud eher Libido (Lust), bei Adler eher das Macht- und Geltungsstreben. Bei Adler leidet der neurotische Mensch an einem Gefühl der Minderwertigkeit und sucht dieses zu überwinden. Dieses Motiv durchdringe alle Bereiche. Bei Freud staut sich das Energiepotential und erfährt seine Abfuhr in den verschiedensten Verhaltensweisen. Verschiedenartig erscheinende Bedürfnisse seien nur Ausfluß ein und desselben Bedürfnisses nach sexuellem Lustgewinn. Zunächst waren sie sich einig, trennten sich aber dann, weil sich sich nicht über die Rolle der Sexualität verständigen konnten. Wer vertritt eine bithematische Theorieversion? Vor allem Biologen, die monothematischen Ansätze sind zwar sehr geschlossen, aber auch sehr vereinfachend. Der Physiologe Walter Cannon (1939) vertrat eine solche bithematische Theorie. Er führte zwei Antriebe auf die Überlebenssituation in der Vorzeit zurück. Er kennt zwei Arten von Emotions- und Antriebszuständen: • Angriff, das Aufsuchen und die aktive Bewältigung (fight) • Flucht, das Zurückweichen und Meiden (flight) Wer versuchte nachzuweisen, daß diese Neigungen auf verschiedenen physiologischen Aktivierungssystemen beruhen? Ax (1953) und Funkenstein, King & Drolette (1954). In einer Stimmung des aktiven Herangehens trete vor allem ein andrenerges System in Aktion, was man an einem erhöhten Adrenalinspiegel sieht. Der Rückzug ist durch ein cholinerges System aktiviert, was man an einer verstärkten Ausschüttung von Acetylcholin und Noradrenalin bemerkt. Sie versuchten die Behauptung durch Beobachtung an Menschen und Tieren zu erhärten. Mit der Adrenalinausschüttung sind noch weitere physiologische Meßgrößen verbunden, so steigt Atemfrequenz, Muskelspannung und Hautleitfähigkeit. Bei erhöhter Ausschüttung von Acetylcholin und Noradrenalin kommt es zu einem Anstieg des Blutdruckes und einer Abnahme der Pulsfrequenz. Was ist ein bevorzugtes Thema kognitivistischer Motivationsanalysen? Der Konflikt von Aufsuchen (Appetenz) und Meiden (Aversion), d.h. Hoffnung und Furcht. Dies zeigt sich beim Skifahrer, bei dem Wagemut und Verletzungsfurcht widerstreiten. So beschreibt z.B. Rainer Fuchs (1976) die Probleme eines Skifahrers bei der Wahl der richtigen Piste. Wie erweiterte Freud die psychoanlatische Theorie zu einer bithematischen? Zunächst führte er das gesamte Triebgeschehen auf ein einheitliches Streben nach Lust zurück. Nach dem 1. Weltkrieg führt er jedoch einen neuen Trieb ein, den Konversions- oder Todestrieb. Durch diesen kehren Menschen immer wieder in belastende Situationen zurück, dies könne nicht um Dienst des Lustgewinns stehen. Es herrsche auch ein konservativer Zug. Dieser strebe zum Ausgangszustand zurück. Das Ziel des Lebens sei der Tod. Dadurch gelangt die Psychoanalyse zu einem Dualismus zwischen • Todestrieb, auch Ich-Trieb genannt. Rückwärtsgerichtet, ins Unbelebte strebend und zur Ruhe bringend. • Sexualtrieb oder Lebenstrieb. Er drängt vorwärts und strebt nach Lust, will neues und neues schaffen. Wie äußern sich die von ihm angenommenne Grundtriebe? Sie können sich auf die eigene Person oder auf Gegenstände und Personen in der Umwelt richten (Triebfixierung). Daraus ergeben sich vier Partialtriebe: Narzißmus, Masochismus, Liebe und Sadismus. Wer vertritt ein athematisches Konzept? C.G. Jung (1875-1961). Er legt das Energiepotential nicht von vornherein fest. Er übernimmt aber die Bezeichnung des Energiepotentials von Freud und nennt es Libido. Diese ist aber nicht mit der Sexualität gekoppelt. Die seelische Energie wende sich frei verschiedenen seelischen Prozessen und den Objekten der Umwelt zu. Diese Zuwendung bedeutet einerseits eine verstärkte Betonung geistiger Haltungen und Abläufe (z.B. Intuition), andererseits eine erhöhte Orientierung an Personen und an Gegenständen. Allerdings kommt die Libido nicht nur unbewußten Gegenständen zu, sondern auch bewußten. Die Besetzung von unbewußten Inhalten mit Libido fördere ihr Aufsteigen ins Bewußtsein. Er vertritt also quasi eine kognitivistisch ausgerichtete Tiefenpsychologie. Dadurch kam es zum Streit mit Freud, 1914 sogar zum Bruch. Welche Ansicht vertreten die Materialisten? Die biologischen Triebe sind die grundlegenden, vor allem Hunger und Durst. Dies wird von Ernst Bloch (1885-1979) vertreten. Nach Bloch (1959) gibt es keinen Trieb ohne Leib dahinter. Den Hunger beschreibt er als Urkraft zur Selbsterhaltung. Er durchschlage alle sozioöokonomischen Bedingungen. Gerade die Tiefenpsychologischen Triebe wären weit abgehoben und nur Frucht der historischen Bedingungen. Man könne gut lange ohne die Befriedigung der Tiefenpsychologischen Bedürfnisse leben, aber nicht ohne die Befriedigung des Hungers. Außerdem hat der Hungernde mehr als jeder andere das Mitgefühl. Damit zeigt er seine Orientierung als Marxist. Wie wird das einheitliche Energiepotential ohne vorgegebene Objektfixierung in der physiologischen Psychologie gesehen? Elizabeth Duffy (1951) propagierte den Begriff der Energiemobilisierung. Am Verhalten seien Richtung und Energieaufwand zu unterscheiden. Die Richtung mache die Qualität aus, der Aufwand Intensität und Dauer. Der Aufwand tritt als Schnelligkeit oder Kraft in Erscheinung und zeigt sich in der autonomen Aktivität von Herz und Muskeln. Wie baute Elizabeth Duffy (1957) ihre Theorie weiter aus? Sie entwickelte eine Aktivierungstheorie. Den Begriff der Energiemobilisierung ersetzt sie durch den der physiologischen Erregung (arousal) und Aktivierung (activation). Was besagt die Aktivierungstheorie? Ein Organismus verfüge über eine Menge an Energie, die er erhalten oder in Tätigkeiten umsetzen kann. Die Energie kann grundsätzlich allen Tätigkeiten zugute kommen. Da die Energiemenge begrenzt ist, wird die Energie, die für eine Tätigkeit bereitsgestellt wird anderen Tätigkeiten entzogen. Andererseits läßt sich Energie, die für eine Tätigkeit mobilisiert, aber nicht aufgebraucht wird anderen Tätigkeiten zuführen. Deshalb versuchte die Aktivierungstheorie vor allem die Breitenwirkung der Energiemobilisierung zu demonstrieren. Wenn Energie, die ursprünglich für eine bestimmte Tätigkeit aufgebracht wurde auch anderen Tätigkeiten zugute kommt, läßt sich daraus auf die Unspezifität der Energie schließen. Wer war einer der ersten, der Belege für diese Theorie sammelte? Stauffacher (1937). Dieser beobachtete Studenten beim Lernen von Buchstabenkombinationen. Vorher prüfte er ihre Kraft beim Halten von Gewichten. Später mußten sie beim nachfolgenden Lernen entweder entspannt sitzen oder einen Anteil des im Vorversuch festgestellten Maximalgewichts halten. Es zeigte sich, daß die Muskelspannung die Lernleistung steigerte, dies wurde dahingehend gedeutet, daß die Muskelarbeit zur Lerntätigkeit übergeflossen ist. Wer sammelte weitere Belege für die Übertragbarkeit der Erregung? Hörmann & Todt (1960). Diese wiesen nach, daß selbst bedeutungsloses Rauschen in einem Kopfhörer das Einprägen von Paaren sinnloser Silben beschleunigt. Andererseits kommt es nach wiederholten Beobachtungen zu einem weiteren Befund: Einer Leistungsminderung bei starker Beanspruchung bzw. Aktiviertheit. Wie wird die Leistungsminderung bei starker Beanspruchung erklärt? Hier könnte man Überlegungen zur Yerkes-Dodson-Regel anschließen. Andererseits sind die Gründe für die Grenzen des Aktivierungseffektes umstritten. Duffy neigt dazu, eine Überaktivierung anzunehmen, eine Energiemobilisierung, welche die Betroffenen nicht unter Kontrolle bringen und nicht in gezielte Tätigkeit umsetzen können. Neuere Autoren wie Risto Näätänen (1973) weisen auf die Ablenkung hin, die durch starke Tätigkeit oder Reizung verursacht wird und deuten die Leistungsverschlechterung als Effekt einer verminderten Konzentration auf die Haupttätigkeit. Wer versuchte einen Zusammenhang zwischen Emotionalität und Leistungsbereitschaft, sowie Körperfunktionen herzustellen? Der Psychophysiologe Donald B. Lindsley (1951). Motorik, Sensorik und autonome Körperfunktionen seien alle über dasselbe Gebiet im Hirnstamm, der Retikulärformation verschaltet. Jede motorische Aktion und Wahrnehmung steigere die Erregung der Retikulärformation. Diese teile sich den Teilen des Beweguns- und Sinnesapparats mit. Jede Tätigkeit und jeder Sinneseindruck führe so zu einem Weckeffekt. Dieser wäre biologisch durchaus sinnvoll, da eine gesteigerte Wahrnehmung in der Regel eine verstärkte Motorik nach sich zieht und umgekehrt eine erhöhte Motorik zu vermehrter Wahrnehmung Anlaß gibt. Die autonomen Funktionen mitzuaktivieren ist auch sinnvoll, weil ihnen die Aufgabe der Versorgung zukommt. Allerdings werden all diese Befunde neuerdings skeptisch beurteilt. Es gibt auch Belege für die getrennte Aktivierung von sensorischem und motorischem System (Pribram & McGuinness 1975). Wie erklärt Freud große Menschheitsleistungen? Die Libido wäre Wandelbar. Sie können oral fixiert als Trinklust, genital fixiert als Sexualtrieb und anal fixiert als Geiz in Erscheinung treten. In einem Prozeß der Sublimation könne die Libido sogar ästhetische Bedürfnisse annehmen, so habe Leonardo da Vinci (1452-1519) seine Madonnen aus verdrängter Liebe zu seiner Stiefmutter gemalt. Welche Veränderungen der Motive kennt die Psychologie noch? Veränderung nach Wachstum nach einem inneren Plan, sowie durch Lernen, d.h. aufgrund von Erfahrung. Wer entwarf eine Wachstumslogik für Motive? Abraham Maslow (1954). Höhere Motive entstehen, wenn niedrigere befriedigt sind. Dieses umfaßt 1954 fünf Stufen: • physiologische Triebe: Bedürfnisse nach Sauerstoff, Flüssigkeit, etc. Diese beherrschen den Menschen nach der Geburt. Es ist jeweils der aktuelle Bedarf zu decken. • Sicherheitsbedürfnisse: Diese treten erst auf, wenn aktuelle physiologische Triebe befriedigt sind. Hier ist auch das Schutzbedürfnis gemeint. • Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse. Wunsch nach sozialem Austausch, Liebe zu empfangen und zu geben. • Bedürfnis nach Anerkennung, Leistungsbedürfnis. Dies ist einerseits das Bedürfnis, sich in einer Aufgabe zu bewähren, andererseits das Bedürfnis für die Leistung Anerkennung zu erhalten. • Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Was ein Mensch sein kann, muß er auch sein Zu sich selbst kommen. • das Bedürfnis nach Transzendenz. Dieses wurde 1968 hinzugefügt. Dieses ist das Bedürfnis, über sich selbst hinauszugelangen und in eine höhere Welt des göttlichen und kosmischen einzugehen. Wie bezeichnet Maslow seine Theorie? Ganzheitlich-dynamisch. Ganzheitlich, weil höhere Stufen die niedrigeren in sich aufnehmen, dynamisch weil sie wie die tiefenpsychologischen Ansätze die Verteilung von Kräften behandle. Untere Stufen müssen gefestigt sein, daß sich höhere entwickeln können. Fixiert man sich auf eine niedere Stufe, brechen die oberen zusammen. Es wird oft als Stufenmodell bezeichnet, ist jedoch ein Zwiebelmodell. Neue Stufen schließen ältere mit ein. Welches Zwiebelmodell entwickelt Philipp Lersch (1962) für Emotionen? Er geht von einem Schichtaufbau der Persönlichkeit aus und unterscheidet • Gefühlsregungen des lebendigen Daseins wie Schmerz, Lust, Ekel, Freude, Trauer • Gefühlsregungen des individuellen Selbstseins wie Wut, Furcht, Vertrauen • Gefühlsregungen des Über-sich-Hinausseins wie Sympathie, Verehrung, Spott, Mitleid • Schicksalsgefühle wie Erwartung, Sorge, Hoffnung, Verzweiflung Was vertreten die Behavioristen in dieser Hinsicht? Die Ansicht, Bedürfnisse und Gefühle seien zu erwerben wie Gewohnheiten. Sie verwenden den Begriff der erworbenen Bedürfnisse (acquired drives). Dieser Begriff entstand durch eine Studie von Neal E. Miller (1948). Dieser entpuppt sich als Lernen von Auslösebedingungen. Ratten befanden sich auf einem Metallboden in einem weiß gestrichenen Käfig. Wurde dieser unter Strom gesetzt, flüchteten sie sich in den schwarzen Käfig. Die Autoren deuten die Angst vor Weiß als neuen Trieb, der durch den Reiz weißer Käfig definiert wird. Daran wird kritisiert, daß kein neuer Trieb gelernt wurde, sondern daß die Schmerzmeidung weiterhin aktiv ist, sondern nur ein neues Signal erlernt wurde, welches den Schock ankündigt. Wie sehen die kognitivistisch orientierten Autoren die Möglichkeit der Veränderung von Gefühlen und Bedürfnissen? Sie ziehen die Veränderung des Wertsystems in Betracht. Hier spielen oft Vorbilder eine große Rolle. Dies wurde von Bortz & Leitner (1979) untersucht. Sie nahmen als Vorbilder die Berichte in großen Tageszeitungen wie der Frankfurter Rundschau und der Welt. Diese Blätter nehmen bei grundsätzlichen politischen Fragen unterschiedliche Haltungen ein. Zwei Jahre lang erhielten Probanden die jeweilige Zeitung zugeschickt. Regelmäßig wurden die Urteile der Leser zu den Grundsatzfragen erhoben. Ergebnis: Die Leser nähern ihre Einstellung der Einschätzung der Redaktionen an, auch wenn sie diesen gegenüber kritisch gesonnen waren. Mit der Einstellungsänderung dürfte sich auch die Bereitschaft geändert haben, diese zu unterstützen. Außerdem kann sich ein biologisches Motiv wie das Trinken in ein soziales Wandeln, wie z.B. bei Burschenschaften und beim Abendmahl. Was sehen manche Emotionstheorien als Voraussetzung von Gefühlserlebnissen an? Die Selbstwahrnehmung. So z.B. in der Theorie, die von Carl Georg Lange (1885) und William James (1884) vertreten wurde. Diese behaupten den Vorrang von körperlichen Erregungen. Eingeweide- Drüsen- und Muskelreaktionen bilden den eigentlichen Emotionsprozeß. Das Gefühlserlebnis stellt sich erst nach der Körperreaktion aufgrund der Beobachtung der eigenen Körpererregung ein. Die Aktionen würden nicht durch die Gefühle ausgelöst, sondern die Gefühle durch die Aktionen. Situation Wahrnehmung der Situation Körpererregung Wahrnehmung der Körpererregung = Gefühlserlebnis. Was war schwierig an dieser Theorie und wer führte eine Revision durch? Schwierig war daran, daß sich innere physiologische Reaktionen oft langsamer einstellen als die zugehörigen Gefühlserlebnisse. Das Schreckerlebnis geht der Schreckreaktion oft voraus. Dies erklärte Walter Cannon (1927) dadurch, daß man in der Selbstbeobachtung nicht die peripheren physiologischen Reaktionen erfaßt, sondern bereits die Hirnimpulse, die die peripheren Reaktionen hervorrufen. Schon die Nervenimpulse würden im Erlebnis verarbeitet. Situation Wahrnehmung der Situation Gehirnimpulse an Peripherie Körpererregung Gefühlserlebnis Welch weiterer Kritikpunkt an der James-Lange-Theorie führte zu einer weiteren Theorie? Wenn das Gefühlserlebnis nur die Beobachtung der eigenen Körpererregung ist, dann muß der Vielfalt verschiedener Gefühlserlebnisse eine ebensolche Vielfalt von körperlichen Reaktionsmustern entsprechen. Dies ist aber nicht der Fall. Die Gefühle sind zwar oft sehr nuanciert, die Körperreaktionen jedoch sehr gleichförmig und unspezifisch. Aus diesem Grund entwickelten Stanley Schachter & Jerome Singer (1962) eine kognitiv-soziale Emotionstheorie: • Das betroffene Individuum nimmt in der Tat seine Körpererregung wahr. • Zur Wahrnehmung der eigenen Erregung kommt die Erkenntnis von Ursachen der Erregung. Dies ist ein Vorgang der Ursachenzuschreibung, d.h. Kausalattribuierung • Die wahrgenommene Erregung und die hierfür angenommenen Gründe gehen gemeinsam in das Gefühlserlebnis ein. Vor allem die Ursachenzuschreibung ist für die Qualität des Gefühlserlebnisses maßgebend. Welchen Status hat die Theorie von Schachter und Singer? Sie ist eine kognitivistische Theorie. Sie schreibt das Entstehen der Gefühlserlebnisse dem Bewußtsein selbst zu. Der Mensch verschafft sich in seinem Gefühlserlebnis Klarheit über seinen eigenen Zustand und dessen Ursachen. Dies geschieht in einem Urteilsprozeß. Dazu verwendet er Begriffskategorien als Gefühlskategorien. Ihre Eindrücke fassen die Menschen mit Hilfe vorgegebener Gefühlskategorien zusammen. Den Eindrücken wird ein Etikett (label) mit einer Bezeichnung angeheftet. Vorgegebene Gefühlskategorien, Etiketten Situation Verursachung Wahrnehmung Gefühlserlebnis Körpererregung Wie versuchten Schachter und Singer ihre Theorie zu belegen? Sie führten ein Experiment mit den folgenden Bedingungen durch: • die Stärke der Körpererregung. Diese wurde bei einem Teil der Probanden durch eine Adrenalinspritze erhöht. Dieses regt die Aktivität des sympathischen Nervensystems an. • die soziale Anregung. Ein Teil der Probanden wurde ein Partner zugeteilt, der sich als Stimmungskanone betätigte, ein anderer Teil wurde in eine verärgende Situation gebracht, in welcher sie einen peinlichen und widerwärtigen Fragebogen ausfüllen mußte. Das die Spritze Adrenalin erhielt, wurde den Probanden verheimlicht, deshalb fehlte ihnen die Begründung für die körperlichen Symptome. Die Erregung würden die Probanden differerentiell auf die euphorische Stimmung oder den ärgerlichen Fragebogen zurück. Außerdem stuften die Probanden mit Adrenalin ihre Emotion als stärker ein, als die ohne Adrenalin. Allerdings entsprechen die erhobenen Daten nicht ganz der Theorie von Schachter & Singer. So zeigten Gisela Erdmann & Wilhelm Janke (1978), daß unbekannte Gaben die Emotion verstärken, angekündigte Schocks, trotz Gabe von Adrenalin nicht zu einer gesteigerten Angst führten. Nur Euphorie würde so gesteigert. Wie sind Gefühle und Bedürfnisse zu regulieren? Man kann sie steigern oder dämpfen. Die Regelung kann dabei an den Gefühls- oder Motivzuständen selbst ansetzen oder bei Gegebenheiten, die darauf Einfluß nehmen: • durch Eingriffe in die Umwelt oder Ortswechsel um sich emotional anregenden Personen, Objekten und Ereignissen zu nähren oder um diesen zu entgehen. • durch Veränderung der Wahrnehmung und Einschätzung derjenigen Teile der Umgebung, die für Bedürfnisse und Emotionen bedeutsam sind. • durch Veränderung von Verstellungen über Personen, Gegenstände und Ereignisse. • durch Einflußnahme auf Gefühls- und Willenserlebnisse selbst. • durch Einflußnahme auf den eigenen körperlichen Zustand. Wie unterscheidet man diese Arten der Einflußnahme? Das erste ist ein Akt der Außenregulation, die anderen sind Akte der Selbstregulation und Selbstkontrolle. Ziel ist die Verbesserung eigener Bedürfnis- oder Gefühlszustände. Was hat es mit der Unsicherheit der Gefühle auf sich? Nicht alle Menschen vermögen ihre Gefühle zu äußern. Dann haben sie oft Schwierigkeiten um sie zu regulieren oder mit ihnen ins reine zu kommen. Wodurch kann die Fähigkeit zur Selbstregulation begrenzt sein? • Durch Widerstände aus der übermächtigen Umwelt • Durch den sich sperrenden oder in Zwängen verhafteten menschlichen Geist • Durch den sich autonom gebärdenen Körper Dadurch ergibt sich Fremdkontrolle und Fremdregulation. Hier ist gemeint, das anstatt ursprünglicher Bedürfnisse und Gefühle neue aufgezwungen werden. Dies geschieht nach Ulich (1991) z.B. durch eine monotone und sinnleere Arbeitsorganisation oder auch durch den eigenen Körper, der zwanghaft agiert. Welche Folgen kann die Erfahrung haben, eigenen Gedanken ausgeliefert zu sein? Nach Freud (1932) erfolgt die Verlagerung eines Konfliktes ins eigene Ich. Schreitet dieser Konflikt fort, kann er sich bis zur Ich-Spaltung steigern. Das Ich trennt sich in zwei Teile: ein als ursprünglich empfundenes und erwünschtes Stück und ein unerwünschtes Stück. Dieses erscheint wir ein Eindringling im eigenen Haus und als Fremdkörper. Wie befaßt sich die Philosophie und Ethik mit Emotionen und Motiven? Sie werden unter dem Begriff der Leidenschaften und Affekte abgehandelt. Diese werden als eigenwillige und ungebärdige Kräfte im Menschen verstanden, die diesen in Gefahr bringen. Zenon versteht Affekte als unvernünftige und widernatürliche, das Maß überschreitende Triebe. Der Mensch solle Herr seiner Affekte werden. Einerseits gibt es eine empirische Antwort, die besagt, der Mensch könne seine Leidenschaften durch den Gebrauch der Vernunft regulieren, andererseits normativ, wo ein sittliches Prinzip, welches das rechte Maß befiehlt konzipiert wird. So beschäftigte sich die Ethik von Baruch Spinoza (1632-1677). Der Mensch sei durch die Affekte geknechtet und durch die Erkenntnis frei. In neuerer Zeit wird eher die Unterdrückung der Bedürfnisse kritisiert. (Sartre 1939, Elias 1939). Was ist die motivierte Wahrnehmung? Bevor Gegebenheiten aus der Realität auf Gefühle und Bedürfnisse Einfluß nehmen, müssen sie zunächst wahrgenommen werden um kognitiv repräsentiert zu sein. Andererseits können auch Vorstellungen (Wunschvorstellung) und Erinnerungen an diese Stelle treten. Diese haben zwei Wirkungen: • Inhalte, welche Bedürfnisse und Gefühle in unwillkommener Weise verändern werden aus der Kognition ausgeschlossen (Verleugnung) oder erscheinen in geeignet abgewandelter Gestalt (Verkennung). • Wunschgerechte und emotional befriedigende Inhalte werden in der Kognition bevorzugt repräsentiert und spiegeln im äußersten Fall dem Betroffenen eine gar nicht vorhandene Wunschwelt vor. Auch Eigenempfindungen können in der Kognition illusionär oder verzerrt abgebildet werden. Manche sträuben sich gegen das Eingeständnis eines Erregungszustandes oder Bedürfnisses, andere übertreiben ihre Erregung oder ihr Bedürnis (Mandler 1958, Mandler & Uviller 1958, Weinstein, Averill, Opton & Lazarus 1968). Was nahm Richard Lazarus (1991) an, was über Art und Stärke von Emotion und Motivation entscheidet? Einen doppelten Bewertungsprozeß: • Eine Erstbewertung (primary appraisal), die zunächst die bedrohlichen und herausfordernden Eigenschaften einer Situation oder eines Gegenstandes bestimmt. • Eine Zweitbewertung (secondary appraisal), die Möglichkeiten der Bewältigung von Bedrohungen und Herausforderungen ermittelt. Diese Bewertungsschritte sind nicht unabhängig voneinander. Wie konzipiert Lazarus die Bewertungsprozesse weiter? Sie sind nicht unabhängig, da die Möglichkeiten der Bewältigung die herausfordernde und erschreckende Wirkung von Ereignissen moderiert. Die Bewertungen liegen nicht ein für allemal fest, sondern können in einem Prozeß der Neubewertung (reappraisal) revidiert werden. Wie belegten Lazarus, Speisman & Mordkoff (1964) die Bedeutung von Bewertungen? Sie zeigten Studenten einen ethnologischen Film über Beschneidungsriten beim australischen Stamm der Arunta. Der Film wurde mit drei unterschiedlichen Kommentaren versehen: • einem emotionalisierenden Kommentar, der die Gefährlichkeit und Schmerzhaftigkeit der Operation hervorhebt. • einem sachliche-distanzierenden Kommentar, der die Unterschiede in den Kulturen betont und die anthropologische Bedeutung der Beschneidung erläutert • einem ironischen, distanzierenden Kommentar, der die Gefährlichkeit und Schmerzhaftigkeit der Operation zu bagatellisieren trachtet. Während der Darbietung wurde die elektische Leitfähigkeit der Haut als Maß der emotionalen Erregung gemessen. Die durch den emotionalisierenden Kommentar gesteigerte Einschätzung der Bedrohlichkeit förderte die Erregung, während die distanzierenden Kommentare die Erregung dämpften. Wie funktioniert die unmittelbare Selbstregulation emotionaler und motivationaler Zustände? Diese sind der unmittelbaren Regulation zugänglich. Bedürfnisse lassen sich durch Verzicht bezwingen und durch neue Ansprüche verstärken. Dies ist ein Anliegen der Philosophen wie Epiktet aus der Schule der Stoiker, der ein Übungsprogramm zur Zügelung der Affekte entwarf: Die schlechte Gewohnheit soll durch Übung nicht wachsen. Außerdem solle man sich der Versuchung entziehen. Wie funktioniert die Selbstregulation der Organtätigkeit? Man kann auch die eigenen Körperfunktionen kontrollieren. Dadurch wird auch ein Teil der Affekt- und Motivregulierung geleistet. Als Kriterien des Erfolgs gelten meist: • Veränderung von Organzuständen nach eigener Vornahme (Selbstinstruktion) • Anpassung von Organzuständen an Bekräftigungsbedingungen (operantes Konditionieren) Beide sind recht gut bei der Muskeltätigkeit zu erfüllen. Körperbewegungen lassen sich gut beeinflußen. Der willentliche Einfluß autonome Teile wie Drüsen- oder Gefäßfunktionen wurde für lange Zeit als gering angesehen. Dies wurde jedoch durch Untersuchungen an indischen Yogis widerlegt. Wenger, Bagchi & Anand (1961) zeigten, daß diese ihre Herztätigkeit in ruhiger Lage um 30 Schläge steigern oder 16 Schläge senken konnten. Vor allem die optische oder akustische Rückmeldung der körperlichen Zustände (biofeedback) erwies sich als hilfreich. Diese ging in die Psychotherapie ein (Birbaumer & Kimmel 1979). Blanchard & Young (1973) zeigten, daß auch westliche Menschen ihren Herzschlag beeinflussen können. Allerdings gibt es große interindividuelle Unterschiede in dieser Fähigkeit. Wie kann man interne Zustände noch beeinflußen? Durch die Einnahme von Drogen zur Veränderung von Gefühlen, Stimmungen und Bedürfnissen. Dies ist Gegenstand der Psychopharmakologie (Linden & Manns 1977). Was kann man zur Ärgerkontrolle tun? Raymond W. Novaco (1975) & Madlen Siebert (1977) entwickelten ein Kognitions- und Entspannungstraining. Dabei geht es beim Kognitionstraining um Aufmerksamkeitslenkung, beim anderen um Kontrolle von Atmung und Muselspannung. -> Gelassenheit. Wie sehen Entwicklungspsychologen die Entwicklung von Motivation und Emotion? Offenbar ist der Hunger und die damit einhergehenden Erregungen die früheste Erscheinung menschlicher Motivation und Emotion. Im Laufe der Zeit nimmt die Zahl der Bedürfnisse und Gefühle zu. Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit, diese zu regulieren zu. Es gibt verschiedene Theorien, die diesen Vorgang als Wachstumsprozeß, Stufenfolge oder Differenzierungsvorgang beschreiben. Welche Frage ist in der Entwicklungspsychologie in diesem Zusammenhang aktuell? In welches Lebensalter die verschiedenen Phasen und Stufen fallen. Die Beantwortung ist oft sehr schwierig, so stellt die Sexualität etwas dar, was mit 14 Jahren zu erwarten wäre, jedoch lehrt die Psychoanalyse, daß damit schon mit 3 Jahren zu rechnen ist. Was verbieten Wachstumsmodelle der Motivation? Die feste Zuordnung von Lebensjahren zu Aufbaustufen, da eine neue erst zu erreichen ist, wenn die vorangehende ausreichend befriedigt wird. Diese Befriedigung hängt mehr vom individuellen Lebensschicksal ab, als vom Lebensalter. Wird die Befriedigung auf einer frühen Stufe verwehrt, verharrt das Wachstum auf dieser Stufe. Dadurch gibt es Individuen und Kulturen, die nie sämtliche Stufen des Wachstumsmodells durchlaufen. Es gibt sogar Tendenzen der Rückkehr von einer höheren zu einer niedrigeren Stufe, wenn ein Mensch in eine Krisensituation gerät. Die Rückkehr zu einer niedrigeren Stufe bezeichnet man als Regression. Diese ist auch nicht an ein Lebensalter gebunden, sondern an das Schicksal. Was folgte der Entwicklung von Motiven? Die Entwicklung von Gefühlen. Demnach ist auch das Auftreten von Gefühlen nicht eindeutig bestimmten Lebensaltern zuzuordnen. Andererseits zeigte Katherine M. Banham Bridges (1932), daß es sinnvoll sein kann, diese Zuordnung für eine wohldefinierte Population normal sozialisierter Kinder vorzunehmen. Im Alter von drei Monaten spalten sich Lust und Unlustgefühle von der Allgemeinerregung ab. Diese teilen sich bis zum Ende des ersten Lebensjahrs in Furcht, Ekel, Ärger und Unlust, sowie Lust, Heiterkeit und Liebe auf. Worauf machte Carrol E. Izard (1979) eindringlich aufmerksam? Die Einzelbetrachtungen der Bereiche täuschen darüber hinweg, daß Motive und Emotionen zu Beginn der Entwicklung untrennbar miteinander verknüpft sind. Diese Kopplung wird erst im Laufe der Entwicklung geschwächt. Hier scheint es sich um einen Differenzierungsvorgang zu handeln, der sowohl in der Ontogenese, als auch in der Phylogenese spät vollzieht. Erst der Mensch mit höherem Entwicklungsalter und phylogenetisch höherer Entwicklungsstufe verfügt über kalte Entschlossenheit oder reines Gefühl (hohe Motiviertheit ohne Emotion und hohe Emotion ohne Motivation). Was trägt die Persönlichkeitspsychologie zu dieser Debatte bei? Menschen unterscheiden sich nicht nur in ihren Gefühlen und Bedürfnissen, sondern auch in ihrer Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstregulation. Auch die Zuwendung zu Annehmlichkeiten ist nicht generell vorhanden, manche empfinden Ruhe und beschauliches Glück eher als Erlebnisarmut und Langeweile. Aus diesen Reihen rekrutieren sich die Abenteurer. Der individuellen Messung der Abenteuerlust und des Erlebnishungers, sowie der Risikofreude widmet sich Marvin Zuckerman (1979). Welche anderen Inventare zur Messung von Trieben und Gefühlen gibt es? Heckhausen (1963) wollte das Leistungsmotiv messen, Heyns, Veroff & Atkinson (1958) das Anschlußmotiv. Welches Beispiel für eine Typologie auf der Basis der Motivorientierungen gibt es? Eduard Spranger (1930) sieht die menschliche Motivation durch die Werte der Kultur bestimmt. Gewinnt ein Wert die Oberhand, bildet sich ein hervorstechender Typ aus. Er unterscheidet sechs Werte und sechs Typen: • den theoretischen Menschen, der vor allem nach kognitiver Ordnung strebt • den ökonomischen Menschen, der vorrangig nach wirtschaftlichem Gewinn strebt • den sozialen Menschen, den das Wohl der Mitmenschen und der Allgemeinheit bewegt • den politischen Menschen mit seinem Streben nach Macht • den religiösen Menschen • den ästhetischen Menschen, der genießend dem Bilderspiel des Lebens zusieht Welche Bedeutung haben Motive und Emotionen im Gesamtgefüge der Persönlichkeit? Viele wichtige Probleme der allgemeinen Motivations- und Emotionstheorie stellen sich hier aufs neue, z.B. das Problem der elementaren Bedürfnisausstattung oder das Problem der Selbstkontrolle. Welche Rolle hat das Ich bei der Erfahrung und Regulation dieser Zustände? Nicht nur die Tiefenpsychologen wiesen dem Ich eine zentrale Stellung zu. Auch O´Bryan & Epstein (1976) zeigen, daß sich sowohl Positive, als auch negative Affekte von der persönlichen Betroffenheit ableiten lassen. Positive Affekte treten vor allem dann auf, wenn der Selbstwert sich durch soziale Anerkennung und den Nachweis der Leistungsfähigkeit erhöht, negative Affekte sind die Folge einer Selbstwertminderung durch soziale Zurückweisung und durch Beweise der eigenen Inkompetenz. Wodurch entstehen soziale Emotionen und soziale Motivationen? • Durch das Erlebnis der Anwesenheit bzw. Unterstützung sozialer Partner werden bestehende Emotionen und Motivationen verstärkt, neue geweckt. • Soziale Partner, Gruppen und Institutionen werden selbst zum Gegenstand des Gefühls und dem Ziel des Willens. Wie beschreibt Gustave Le Bon 1895 die Veränderung des einzelnen in der Masse? In der Masse trete der Selbsterhaltungstrieb des einzelnen zurück. Der Mensch werde in der Masse irrational, trete unnachsichtig für eine Sache ein. Die Masse sei triebhaft und wandelbar, der Begriff des unmöglichen schwindet. Die Wut ist der normale Zustand der gehemmten Masse. Was kann man an Le Bon kritisieren? Er ist geprägt durch seine Zeit. Die Verallgemeinerung, jeder Gruppenkontakt führe zu Enthemmung und gesteigerter Emotionalität ist unzulässig. Die Steigerung der Erregung in Gruppen ist vielmehr ein subtiler Vorgang, der vorsichtig geregelt wird, da eine gemeinsame Aktion auch eine erhöhte Intimität bedeutet. Was zeigte Patterson (1976)? Das Menschen es sich gut überlegen, ob sie durch ihre Aktionen die Distanz zu anderen abbauen wollen oder nicht. Dadurch entstehen nämlich partnerschaftliche Verpflichtungen. Was zeigten Foot, Chapman & Smith (1977)? Das Lachen eines Freundes ist ansteckender, als das Lachen eines Fremden. Dies wurde in einer Studie untersucht, bei der Jungen und Mädchen paarweise Tom-und-Jerry-Filme vorgeführt wurden. Worauf ist die soziale Motivation im zweiten Sinne ausgerichtet? Auf den Austausch von Leistungen und Gütern, jedenfalls nach der Theorie des sozialen Austauschs (social exchange) nach Kelley & Thibaut (1978). Ziel des Austausches ist nach Mikula (1980) die Herstellung von Gerechtigkeit. Wodurch ist die Herstellung von Gerechtigkeit gefährdet? Heinz Schuler & Walter Berger (1979) ermittelten in einer Simulationsstudie, daß sowohl bei niedriger, als auch bei hoher Qualifikation gut aussehende Stellenbewerber eine erhöhte Chance hatten, eine Anstellung zu finden. Und zwar sowohl bei Männern, wie auch bei Frauen. Hier droht der emotional belastende Konflikt. Welche Haltungen stehen beim sozialen Austausch im Widerstreit? Eine prosoziale, altruistische Haltung und eine antisoziale Haltung. Dieses Gleichgewicht kann sich verschieben. Es spricht viel dafür, daß eine altruistische Motivation ein Produkt der Sozialerziehung ist. Janusz Reykowski (1978) meinte, daß sich altruistische Motive nicht einfach aus biologischen ableiten lassen. Er glaubt an ein kognitives Weltbild, in dem Bedürfnisse nach Schutz, Erhaltung und Entwicklung von Objekten außerhalb des eigenen Ich verankert sind. Er konzipiert ein kognitives Netz, das in sich Vorstellungen von Dingen, Personen, Werten und Regeln des Zusammenlebens vereint. Die altruistischen Bedürfnisse fußen auf den in diesem kognitiven Netz festgehaltenen Ordnungs- und Wertvorstellungen. Egoismus im Altruismus gebe es als inneres Netz der Ordnungsvorstellungen. Der Vergleich des aktuellen Zustand mit dem Ideal stelle eine Spannungsquelle dar. Die Fähigkeit, sich den Idealzustand vorzustellen, habe der Mensch durch das kognitive Netz. Diese Werte gesellen sich zu anderen Wertvorstellungen, die sozial nicht notwendig sind, die aber auch durch Lebenserfahrung und Erziehung, d.h. Sozialisation vermittelt werden. Damit sind sie kulturspezifisch. Kapitel 12: Sprache, Kommunikation, Ausdruck Was ist das besondere an der Sprachpsychologie? Dieses Fach ist sehr stark sozial geprägt und steht im Austausch mit vielen anderen Fächern. Wer zeigte, daß die sprachliche Entwicklung auch noch nach der Pubertät möglich ist? Susan Curtiss (1977). Sie untersuchte Genie, ein Kind welches bisher nur wenig Kontakt mit Menschen hatte und auf einem frühen Niveau der Sprachentwicklung stehengeblieben war. Dieses Kind entwickelte sich später eigentlich ganz gut, hatte aber charakteristische Probleme Welche Position vertritt Noam Chomsky (1986)? Er meint, Sprache wäre eine biologische programmierte Leistung des Menschen. Das biologische Programm schafft allgemeine kognitive Voraussetzungen für den Spracherwerb. Es ist unmittelbar und spezifisch für Sprache eingerichtet. Damit vertritt er eine radikal nativistische Position. Er meinte, es gebe einen angeborenen Spracherwerbsmechanismus, weil Sprache • sich schnell entwickelt • sich unabhängig von anderen kognitiven Kompetenzen entfaltet • sich auch ohne soziale Interaktionen aufbaut Welche Position vertreten Pinker & Bloom (1990)? Eine gemäßigt biologisch-nativistische Position. Was besagt die Auffassung von Chomsky? Das Beherrschen der syntaktischen Regeln einer Sprache ist eine eigenständige kognitive Kompetenz. Welche Kritik gibt es an dieser Auffassung? Fillmore (1968) meint, Grammatik sei von den Bedeutungen, der Semantik gesteuert. Zumindest enthält die Grammatik eine Mischung aus syntaktischen und semantischen Regelelementen. Welche Sprachzentren gibt es im Gehirn? In der linken Hemisphäre gibt es sprachverarbeitende Zentren und Areale, die für die Objektrepräsentationen zuständig sind. Damasio & Damasio (1992) trennen zwischen einem Sprachsystem und einem nicht-sprachlichen Begriffs- oder Repräsentationssystem. Durch Analyse von Läsionspatienten kann man die Zentren ausfindig machen. So gibt es ein Areal (Wernicke´sches Zentrum), welches für die Artikulation von Lauten zuständig ist. Andererseits kann in anderen Arealen die Repräsentation bestimmter Objekte verlorengehen, aber die sprachlichen Repräsentationen in Form von Lautmustern erhalten bleiben. Umgekehrt können Repräsentationen erhalten bleiben und der Namen verloren gehen. Welche Bedeutung hat die Sprache für die Kultur, welche Fragestellungen ergeben sich? Eine zentrale. Wissen kann nur zwischen Generationen weitergegeben werden, wenn es gelingt, den Wissensbeständen eine sprachliche Form zu geben. Dabei ergeben sich interessante Fragestellungen, nämlich z.B. ob ein Mensch nur in Kategorien denken kann, die die Sprache vorgibt oder ob Sprache ein flexibles Instrument ist, welches neue Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt, sobald neue Wissensbestände auftreten. Außerdem stellt sich die Frage, ob Denken über Zusammenhänge zwischen Handelnden, Gegenstand und Nutznießer nur auf der Grundlage der Kasusgrammatik möglich ist. Dabei sind diese Fragestellungen selbst nicht unumstritten. Was sind die umstrittenen Voraussetzungen dieser Fragestellungen? • Ob die Sprache ein vom Denken und der Wirklichkeit abgehobenes und der Konvention unterworfenes Zeichensystem ist. • Ob die Trennung zwischen Sprache und Denknen wissenschaftlich zu rechtfertigen ist. Welches Problem ergibt sich bei der Untersuchung der Phylogenese der Sprache? Es stellt sich die Frage nach der Definition von Sprache. Konventionell ist die Bestimmung der Sprache als System von Zeichen und ihren Verbindungen. Demnach ist auch Zeichensprache denkbar. Damit ist die Entwicklung von Sprache in einer Tierart also davon abhängig, ob Tiere imstande sind, willkürliche Zuordnungen von Bedeutungen und Zeichen zu erlernen. Was zeigte die Primatenforscherin E. Soe Savage-Rumbaugh (1988)? Schimpansen lernen nicht nur Zuordnungen von Zeichen zu Bedeutungen, sondern verstehen auch gesprochene Sätze. Vor allem die syntaktische Struktur können sie gut nachvollziehen. Gibt es auch bei Tieren eine Asymmetrie der Sprachfunktionen im Gehirn? Hopkins, Morris & Savage-Rumbaugh (1991) zeigten Schimpansen bedeutungshaltige Zeichenkombinationen, einmal ausschließlich dem linken und einmal ausschließlich dem rechten Auge. Da sich die Sehbahnen kreuzen, müßten rechtsäugig dargebotene Kombinationen besser und schneller erkannt werden als linksäugig dargebotene. Dies wurde tatsächlich experimentell bestätigt. Was ist eine weitere Voraussetzung der Sprachentwicklung? Die Entwicklung von Sprache steht im Zusammenhang mit der Entwicklung anderer kognitiver Funktionen. Sprachlicher Ausdruck setzt das Verständnis für logische Begriffe und Beziehungen voraus. Dies prüfte David Premack (1976), indem er eine elementare Zeichensprache entwickelte. Diese Elemente entsprachen Wörtern. Diese ließen sich nach bestimmten Regeln zu Sätzen zusammenfügen. Diese konnten Schimpansen verstehen und auch selbst Anordnungen legen. Die Tiere lernten Wenn-dann-Beziehungen, Verneinungen und Mengenrelationen. Wie argumentiert Ludwig Wittgenstein (1960) gegen die Sonderstellung der Sprache? Sprachliche Zeichen entstünden durch ihren Gebrauch und könnten auch durch den Gebrauch verändert werden. Nutzung und Gestaltung der Sprache gleichen dem Befolgen und vereinbaren von Spielregeln in einem Sprachspiel. Das Spiel mit der Sprache entspringe der menschlichen Lebenstätigkeit. Sprache ist Ausdruck der Objekte, kann daher nicht beliebig über sie verfügen. Dies wird an lautmalerischen Worten deutlich. Wie sehen Behavoristen das Verhältnis von Sprache und Denken? Sprache und Denken wird gleichgesetzt. Denken als geistiger Prozeß sei nicht objektivierbar und damit nicht wissenschaftlich faßbar. Was dem Betroffenen als Denken erscheint ist nach Watson (1925) ein lautloses Zu-sich-selbst-Sprechen. Dadurch versucht Watson, Denken auf Muskeltätigkeit zurückzuführen um einen Zugang zum objektiven Messen zu erhalten. Die Messung der feinen Muskeltätigkeit beim Sprechen ist nicht mal einfach und erfordert gute Methoden zur Messung der Elektropotentiale, wie das Elektromyogramm. Was zeigte Sokolow (1968)? Das sich tatsächlich Zungenbewegungen registrieren lassen, wenn Personen Worte nicht aussprechen, sondern lediglich still lesen oder vorstellen. Allerdings sind diese Bewegungen sehr klein und formen in ihrem Ablauf keine erkennbaren Zeichen oder Zeichenfolgen aus. Welche Auffassung blieb dennoch vorherrschend und was folgt daraus? Die Auffassung, Denken und Sprache stellen zwei voneinander abzusetzende menschliche Leistungen dar. Daraus ergibt sich die Frage nach der Abhängigkeitsbeziehung zwischen Sprache und Denken. Denkbar sind drei Formen: • Denken steht in Abhängigkeit von der Sprache • Sprache steht in Abhängigkeit vom Denken • Sprache und Denken sind wechselseitig voneinander abhängig Wer vertritt die These, die Sprache einer Gemeinschaft bestimme deren Weltbild? Edward Sapir (1884-1939) & Benjamin Whorf (1897-1941). Diese Sapir-Whorfsche These wurde von Clyde Kluckhohn & Dorothea Leighton (1946) an der Navaho-Sprache untersucht. Sie wollten den Zwang demonstrieren, den die Sprache auf das Denken des Sprechers ausübt. Andererseits wollten sie zeigen, daß sprachlich nicht verankerte Kategorien in den Kognitionen der Sprecher fehlen. Das Denken konzentriere sich auch die Analyse sprachlich ausdrückbarer Aspekte, da man zwischen diesen differenzieren muß, wenn man etwas sagen will, etwa wenn die Endung davon abhängig ist, ob das Objekt belebt ist. Welche Kritik gibt es an dieser These? Es läßt sich zeigen, daß z.B. Indianer in Südmexiko nur einen einzigen Farbnamen für drei verschiedene Farbtöne haben, diese aber auf Aufforderung sicher unterscheiden und sortieren konnten. Dies wurde von Childs & Greenfield (1980) untersucht. Wer vertritt die wechselseitige Abhängigkeit von Sprache und Denken? Peter Handke. Die Sprache führe zu Selbstreflexion, die zur Ich-Identität führt. Was untersuchten Hunt & Banaji (1988)? Sie untersuchen die Sapir-Whorf-Hypothese aus kognitionspsychologischer Sicht. Sie meinen, die Hypothese, daß die Sprache das Denken beeinfluße, sei bereits in Gedächtnismodellen enthalten. Die Modelle des Arbeitsspeichers und des Langzeitspeichers nähmen die Verarbeitung sprachspezifischer Kognitionen zu Wissensstrukturen an. Diese Strukturen könnten je nach Sprache unterschiedliche Netzwerke bilden. Was ist kognitionspsychologisch gesehen die Grundlage des Problems der Beziehung zwischen Sprache und Denken? Die assoziative Einbettung von Begriffen in unterschiedliche Sprachen. Begriffe haben einen definitorischen (denominativen) Bedeutungskern und einen assoziativen (denotativen) Bedeutungshof. Sprachen lassen sich danach unterscheiden, ob sie jeweils das eine oder das andere mehr betonen. An welchem Beispiel kann man dieses Problem verdeutlichen? In allen Kulturen gibt es das Wort Vater. Die assoziativen Netzwerke sind jedoch unterschiedlich, in die ein universaler Begriff eingebettet ist. Der Begriff kann ungeheuer viele Zusatzbedeutungen erhalten. Daher ist eine einseitige sprachliche Bestimmung des Denkens und der Begriffsbildung nicht anzunehmen. Die von der Sprache angezeigten Ausschnitte der Wirklichlichkeit sind in unterschiedlichen Kulturen gleich (die Väter), allerdings können Sprachen die Bedeutung der Universalien modifizieren. Was ist eine Legasthenie? Eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Unter welchen Gesichtspunkten kann man Sprache analysieren? • dem phonologischen Aspekt • dem semantischen Aspekt • dem syntaktischen Aspekt • dem pragmatischen Aspekt • dem morphologischen Aspekt der Wortgestalt (bei geschriebener Sprache) Jede Analyse eines dieser Aspekte nennt man die Analyse einer spezifischen Ebene. Was ist Gegenstand der Analyse auf phonologischer Ebene? Laute und deren Verbindung zu bedeutungshaltigen Einheiten. Dabei interessiert das Vorkommen einzelner Laute in einer Sprache und die Regeln der Aneinanderreihung. Jede natürliche Sprache besitzt ein charakteristisches Lautrepertoire. Die kleinsten Lauteinheiten zur Unterscheidung von Bedeutungen heißen Phoneme. Im deutschen werden diese gut von den Buchstaben wiedergegeben. Eine vollständige Zuordnung ist jedoch nicht möglich. Beim Lernen einer Fremdsprache muß man die Regeln zur Wiedergabe von Phonemen mit Buchstaben lernen. Außerdem ergibt sich die Frage der Phonemdiskrimination. Jede Sprache hat ihre eigenen sprachspezifischen Laute, z.B. die Nasale im Französischen, die Zischlaute des Slawischen oder die Schnalzlaute mancher afrikanischer Sprachen. Auch die Aneinanderreihung der Phoneme ist unterschiedlich, im polnischen gibt es oft eine Häufung von Konsonanten, im Italienischen wechseln sich Vokale und Konsonanten regelmäßig ab. Was wird auf der semantischen Ebene untersucht? Die sprachlich zum Ausdruck gebrachten Bedeutungen, sowie die sprachlichen Träger der Bedeutungen. Diese bedeutungsträchtigen Einheiten sind kleiner als Wörter. Ein Wort hat oft einen Stamm und eine Endung. Beides sind Morpheme (=Gestalt). Morpheme sind die kleinsten Bedeutung tragenden Einheiten der Sprache, Wortstämme, d.h. Präfixe und Suffixe, d.h. Anhängsel. Unter den Morphemen weisen die Wortstämme die größere Variation auf. Diese werden in Standardform zu Lexika zusammengestellt. Was wird auf der syntaktischen Ebene untersucht? Der Sinn eines Satzes geht oft über die Summe der Bedeutungen der einzelnen Wörter und Morpheme hinaus. Durch eine bestimmte Art, Wörter aneinanderzureihen entsteht ein Sinn, der jedem einzelnden der Wörter abgeht. Die Regeln der Zusammenfügens von Wörtern werden zum Gegenstand der Betrachtung des syntaktischen Aspekts. Hier wird die Bildung von Sätzen behandelt. Die Regeln werden unter dem Begriff der Grammatik zusammengefaßt. Die Textgrammatik umfaßt darüber hinaus auch noch die Regeln des Textaufbaus (z.B. Dialog, Erzählung, etc.). Die Syntax weist den Wörtern im Satz und den Sätzen im Text bestimmte Rollen zu. Einfache Aussagesätze bauen sich weitgehend aus den Komponenten von Subjekt, Prädikat und Objekt auf. Für die Substantive sind zusätzlich verschiedene Fälle vorgesehen, je nachdem, ob das Sujekt Träger einer Handlung (Nominativ), das Objekt (Akkusativ), den Besitzer eines Objekts (Genitiv), oder den Nutznießer (Dativ) ist. Präpositionen (wie auf, in, vor) ermöglichen den Ausdruck weiterer Beziehungen im Satz. Die Strenge dieser Regeln fällt vor allem auf, wenn sie verletzt werden. Was wird auf der pragmatischen Ebene untersucht? Die Umstände der Entstehung eines Textes. Diese sind bei der Deutung zu berücksichtigen. Welches Problem formulieren die Sprachforscher immer wieder? Die Beziehung zwischen idealem und realem Sprecher. Das Urteil, daß jemand fehlerhaft spricht, setzt die Vorstellung einer idealen Sprache voraus. Diese Idee geht auf Ferdinand de Saussure (1969) zurück, der eine ideale Sprache (langue) postuliert. Karl Valentin (1940) bezweifelt allerdings die Vollkommenheit der realen Sprachen. Die ideale Sprache ist ein einheitliches und vollständiges Regelsystem für den Gebrauch von Zeichen in einer Sprachgemeinschaft. Im Gegensatz dazu steht die tatsächlich gesprochene oder geschriebene Sprache eines Individuums (parole). Wie unterscheidet Noam Chomsky (1970) Kompetenz und Performanz? Kompetenz nennt er die Fähigkeit zur Beherrschung von Sprachregeln, der Regeln, nach denen Sprachproduktionen zu verstehen und hervorzubringen sind. Die Kompetenz ist das Wissen um die ideale Sprache. Die Performanz (Ausführung) ist dagegen ein individuelles, aktuelles Sprechen und Schreiben mit seinen Abweichungen vom Ideal. Welche Bedeutung kommt Wörtern in der Sprache als Bedeutungsträger zu? • Denotative Bedeutung (=bezeichnen, hinweisen), d.h. die Hauptbedeutung nach der Festlegung im Lexikon. Die Denotation umfaßt den präzisen Bezug eines Wortes zu einem Sachverhalt. Dieser wird von allen Menschen geteilt. Kernhaft, notwendig. • konnotative Bedeutung (=Nebenbedeutung), d.h. zusätzliche, oft emotional-bewertende Nebenbedeutung. Die Zusatzbedeutung muß nicht von allen Menschen geteilt werden. Allerdings ist die Grenze zwischen Konnotation und Denotation nicht immer leicht zu ziehen. Welche Vorstellung haben Katz & Fodor (1970)? Menschen verfügen über ein inneres Lexikon, d.h. ein Wortverzeichnis mit den Bedeutungen der einzelnen Wörter. Dieses muß drei Arten von Eintragungen zu jedem Wort enthalten: • die syntaktische Definition (z.B. ob das Wort ein Adjektiv ist). • die semantische Definition, d.h. Sinnmerkmale, welche das Wort mit anderen teilt. • semantische Unterscheidungsmerkmale, d.h. spezifische Sinngehalte, welche das Wort aus der Menge der anderen lexikalischen Einheiten herausheben. Mit Hilfe dieser Eintragungen lassen sich dann ein und demselben Wort verschiedene alternative Bedeutungen zuerkennen. Lexikalische Einheit HAHN Syntaktische Definition Substantiv Semantische Definition Unterscheidungsmerkmale Familienname Naturwissenschaftler Vogel mechanische Teile männlich aus Metall Womit deckt sich diese Logik der Bedeutungsdefinition von Katz & Fodor? Mit der Merkmalstheorie zur Beschreibung von Begriffen. In beiden Fällen tauchen Beschreibungsdimensionen, allgemeine und spezifische Merkmale im Modell auf. Hier tritt erneut die enge Verknüpfung von Sprache und Denken in Erscheinung. Aus psychologischer Sicht ergibt es keinen Sinn, die Definition der Wortbedeutung von der Begriffsbildung zu trennen. Diese gehen miteinander einher. Damit lassen sich Wortbedeutungen auch in semantischen Netzen darstellen und semantische Netze als komplexe Lexika auffassen. Wo stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sprache und Denken noch? Bei der Betrachtung von Wortbedeutungen. Fodor & Katz meinen, Begriffe aus Wissensstrukturen seien gleichzusetzen mit der Bedeutung von Wörtern. Andererseits gibt es Begriffe, denen keine Wortbedeutung entspricht, z.B. der Begriff der Dinge, die man am am Strand bei Regen tun kann. Umgekehrt gibt es Wörter, die mehreren Begriffen gleichzeitig entsprechen, wie z.B. Demokratie. Was ist bei der Analyse von Wortbedeutungen von besonderem Interesse? Die Betrachtung von Homonyma, d.h. gleichlautenden Namen für verschiedene Gegenstände, wie z.B. Schloss oder Pflaster. Es ist oft fraglich, wie der Hörer entdeckt, welche Bedeutung der Sprecher bei der Benutzung von Homonyma im Sinn hat. Wer untersuchte, wie Menschen mit der Mehrdeutigkeit von Wörtern umgehen? Michael Bock (1978). Dieser bot Bilder mit mehrdeutigen Sätzen zum Lesen dar. Die Bilder konnten dreierlei darstellen: Die beim Lesen des Satzes seltenere Bedeutung (inkongruente Bilder), kongruente Bilder und eine Mischung aus beiden Inhalten (mehrdeutige Bilder). Ohne Bildergänzung wurde die Sätze zu 32% als mehrdeutig erkannt, bei kongruenten Bildern sank sie auf 14%, inkongruente 54%, mehrdeutige 58%. Wer ärgerte sich an der Sprache an sich? Die Dadaisten. Diese sagten der bürgerlichen Kultur den Kampf an. Sie wehrten sich gegen die Festgefügtheit des Lexikons. Sie wollten die konventionelle Sprache zerstören und durch neue Ausdrucksmittel ersetzen. Dies wurde vor allem von Hugo Ball (1886-1927) verfochten. Welche Methode adaptierte Peter R. Hofstätter (1955) für die deutsche Sprache? Das semantische Differential. Er benutzte zwölf Eigenschaftspaare um die Ähnlichkeit von Begriffen wie Schlaf, Höflichkeit, Revolution oder Sieg nachzuweisen. Obwohl sich die Begriffe denotativ deutlich voneinander unterscheiden teilen sie teilweise einen ähnlichen Konnotationsbereich und setzen sich von anderen ab. Damit ermittelt man Konnotationen. Welche Dimensionen strukturieren den Sprachraum des semantischen Differentials? Eine Fülle von Eindrucksurteilen läßt sich auf drei grundlegende Dimensionen zurückführen, wie Osgood & Suci (1952) & Ertel (1964) ermittelt haben. Diese sind: • Aktivität (schnell, langsam) • Potenz (stark, schwach) • Valenz (gut, schlecht) Diese Dimensionen sind mit den Dimensionen von Gefühlserlebnissen vergleichbar. Aktivität entspricht Intensität, Potenz Dominanz und Valenz Lust/Unlust. Wegen dieser Gleichartigkeit hat man die im Eindrucksdifferential erfaßten Konnotationen als emotionale Bedeutungskomponenten interpretiert, in denen sich Bewertungen und Einstellungen gegenüber dem bezeichneten Objekt widerspiegeln. Welche Rolle spielt die Syntax von Sätzen? Wörtern kommen Bedeutungen und Rollen in ihren Verbindungen mit anderen Wörtern zu. Sätze stellen solche Verbindungen her und schaffen Bedeutungseinheiten höherer Ordnung. Reine Grammatik ohne Beachtung der Semantik ist sinnlos. Nach Noam Chomsky ist die Grammatik eigenständig (Grüne Ideen schlafen wütend). Wer entwickelte eine generative Grammatik? Noam Chomsky (1957). Mit dieser kann man Satzstrukturen analysieren. Diese begreift den Satz als eine Einheit, die sich zur Zerlegung anbietet. Sätze lassen sich erzeugen, bzw. aufschließen, indem man sie nach und nach durch immer kleinere Einheiten ersetzt. Einen normalen Satz kann man in eine Nominalgruppe und eine Verbalgruppe aufteilen. Diese lassen sich weiter differenzieren in Artikel, Nomen, Verbum und weitere Gruppen. Chomsky nennt Wortgruppen Phrasen (Konstituenten) und die durch Satzzerlegung ermittelte Beziehung zwischen Wörtern die Phrasenstruktur des Satzes. Wie läßt sich die Phrasenstruktur eines Satzes darstellen? Als eine Reihe von Gleichungen. S = NP + VP. NP = ART + N, VP = V + NP. Wie erfolgt die Bestimmung der Phrasenstruktur nach Chomsky? Nach eigenen Regeln. Diese sind Teil der Sprache, der Zugang zu ihnen macht die Kompetenz des Sprechers aus. Wie kann ein Gedanke nach Chomsky ausgedrückt werden? Auf vielerlei Weise mit Sätzen. Durch Zusätze z.B. als Verneinung, Frage oder Passivsatz. Die Herstellung der äußeren sprachlichen Form erfolgt durch eigene syntaktische Regeln, die Transformationsregeln. Der gleiche Inhalt kann in verschiedener sprachlicher Form dargestellt werden, umgekehrt besitzen äußerlich gleich erscheinende Sätze nicht immer die gleiche Phrasenstruktur (Brot mit Käse/Absicht). Was folgt aus dieser Differenzierung? Die Vertreter der generativen Grammatik nehmen eine doppelte Repräsentation an, da inner und äußere Struktur nicht immer übereinstimmen: Die Tiefenstruktur und die Oberflächenstruktur. Wie unterscheiden sich Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur? Die Oberflächenstruktur kommt in den jeweils gesprochenen und geschriebenen Sätzen zum Ausdruck. Die Grundaussage ist die Tiefenstruktur, bzw. die funktionalen Beziehungen zwischen den Phrasen. Die Tiefenstruktur ist wesentlich durch die Phrasenregeln bestimmt, die Oberflächenstruktur durch die Transformationsregeln überformt. Was ist die generative Grammatik? Ein linguistisches Beschreibungsmodell, die auf die Idealsprache und die erforderliche Kompetenz des Nutzers abzielt. Die Performanz, d.h. das tatsächliche produzieren und verstehen von Sätzen ist nach Chomsky (1961) kein linguistisches, sondern ein psychologisches Problem. Was ist demnach die Aufgabe der Psychologie bei dieser Thematik? Das Problem, ob den linguistischen Regeln der generativen Grammatik eine psychologische Realität zukommt, d.h. ob diese Regeln wirklich das Sprechen und Verstehen leiten. So unterscheiden die Psychologen weiterhin zwischen Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur. Was fanden die Psychologen zu diesem Thema heraus? Das die grammatikalische Form des Satzes als Merkmal der Oberflächenstruktur tatsächlich schlechter behalten wird als die dem Satz innewohnende Bedeutung als Merkmal der Tiefenstruktur. Allerdings gibt es auch Kritik an der Unterscheidung generell. Wer äußerte die Kritik an der Unterscheidung der Strukturen? Engelkamp (1973). Er meinte, daß der Satz „Der Fischer mit der Uhr stoppte die Zeit für den Wettlauf“ immer mit „Der Fischer stoppte die Zeit für den Wettlauf mit der Uhr“ wiedergegeben wird. Außerdem kann man in Zweifel ziehen ob die Transformation wie die Wendung eines Satzes aus dem Aktiven in das Passiv lediglich die oberflächliche Formulierung verändert. Der Perspektivwechsel kann auch als tiefgreifender Bedeutungswandel aufgefaßt werden. Welche Theorie verdrängte die Theorie der generativen Grammatik? Die Theorie der Kasusgrammatik. Dieser Ansatz wurde von Fillmore entwickelt. Er betrachtet den Satz von vornherein als semantisches Gebilde, dessen Form einer Allgemeinbedeutung entspricht. So ist der Satz „Der Lehrer tröstet das Kind“ eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Aussage „Ein Handelnder wird tätig an einem Gegenstand“. Sätze dieses Typs vereinen drei Aussagefälle: Handlung, Handelnder und Objekt. Die Satzstruktur wird erweitert, indem man weitere Aussagefälle wie Ziele oder Instrumente mit einbezieht. Hier wird formuliert, daß grammatische Bedeutungen syntaktische Form annehmen können, aber nicht notwendig annehmen müssen. Was sind grundlegende Einheiten grammatischer Konstruktionen, wer arbeitete die zugrunde liegende Dimension, auf der sich die genannten Einheiten unterscheiden aus? Grundlegende Einheiten für grammatische Konstruktionen sind Substantive, Adjektive und Verben. Givón (1984) arbeitete als zugrunde liegende Dimension, auf der sich die genannten Einheiten unterscheiden die zeitliche Stabilität heraus. Substantive sind zeitlich stabil, Verben sind zeitlich instabil, Adjektive dazwischen. Sprachen, in denen Adjektive fehlen, drücken Information über Substantive aus, wenn keine Zeitinformation enthalten ist und benutzen Verben, wenn Zeitinformation ausgedrückt werden soll. Wie steht es um Semantik und Syntaktik von zusammenhängenden Texten? Auch diese haben ihre Syntaktik als formaler Aufbau, in denen Sätze und Satzgruppen regelhafte Beziehungen eingehen. Außerdem wird die semantische Funktion der Textgliederung betont. Es gibt Regeln für den Aufbau von Geschichten bezüglich Inhalte und Reihenfolge der Inhalte. In welche Teile gliedern sich Texte in der westlichen Kultur in der Regel? In drei Teile: Exposition (Einführung des Settings), Komplikation (Ereignis) und die Auflösung der Komplikation, die Resolution. Diese bilden nach Kintsch & van Dijk (1975) übergreifende Sinneinheiten. Diese werden Makropositionen genannt. Diese bedürfen der differenzierten Ausfüllung durch Einzelsätze, d.h. Propositionen. Wie nennt man die gesamte Gliederung einer Geschichte? Narrative Struktur oder Erzählschema. Manche Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einer Geschichtengrammatik (story grammar). Was zeigten Kintsch & van Dijk (1978)? Ist die Struktur einer Geschichte vertraut, ist sie leicht zu verstehen und einfach zusammenzufassen. So konnten Studenten lange westliche Geschichten einfach zusammenfassen, Indianermärchen jedoch nicht, da diese keine durchgehenden Helden, keinen kausalen Zusammenhang zwischen Episoden und keinen Handlungsablauf mit Komplikation und Lösung hatten. Wozu dient ein Schema noch? Es erleichtert das anfertigen einer Erzählung. Bereits Vorschulkinder folgen in ihren Erzählungen konventionellen Schemata, wie Doroty Poulson, Eileen & Walter Kintsch & David Premack (1979) zeigten. Diese gliederten ihre Geschichten bereits in Exposition, Komplikation und Resolution. Was ist die Aufgabe der Inhaltsanalyse von Texten? Inhaltliche Füllungen der Erzählschemata zu analysieren (z.B. Blood 1978). Für Komplikationen gibt es z.B. bevorzugte Themen wie Betrug oder Heirat. Welche Probleme gibt es beim Sprachverstehen? • Die Frage, ob es eine eigenständige Wahrnehmung für syntaktische Besonderheiten gibt • Die Frage, ob in der Wahrnehmung syntaktische und semantische Informationen zusammen, d.h. interaktiv ausgewertet werden • Ob das Ergebnis einer syntaktischen Analyse genutzt wird, wenn eine solche Analyse in der Wahrnehmungsphase erfolgt Was fällt beim Satzverstehen zunächst auf? Nach Marslen-Wilson & Tyler (1980) wird die Satzbedeutung auch verstanden, wenn syntaktische Regeln verletzt werden. Ein komplexer Stimulussatz wird durch sequentielle Analyse der Phoneme verarbeitet. Alle Wörter im Lexikon, die mit demselben Phonem beginnen werden aufgerufen, alle die nicht zu den weiter einlaufenden Phonemen passen werden gehemmt. Wie stützte Foster (1979) die Annahme einer eigenständigen syntaktischen Verarbeitung? Er bot Sätze mit gestörter Wortfolge schnell dar. Er bot Sätze dar, die nur syntaktisch umgestellt sind und andere, die auch keinen Sinn geben, wenn man sie umstellt. Da beide Satzarten gleichermaßen gestört waren, nahm er an, daß die syntaktische Analyse eine eigenständige Phase in der Satzwahrnehmung darstellen. Die Analyse lief für beide Sätze ähnlich ab. Welchen weiteren Beleg für die eigenständige syntaktische Verarbeitung gibt es? Jarvella & Nelson (1982) fixierten die Blickrichtung der Probanden und ließen Sätze mit syntaktischen oder semantischen, oder beiden Fehlern lesen. Bei einem anschließenden Verständnistest sollten die jeweiligen Fehler benannt werden. Die Leser verweilten mit ihrem Blick länger auf syntaktischen Fehlern aus als syntaktisch fehlerlosen Stellen, auch wenn sie die Fehler nachher nicht berichten konnten. Offenbar liegt bei der automatischen Wahrnehmung eine Verarbeitung vor, über die nicht explizit berichtet werden kann. Wer lieferte Belege für ein interaktives Vorgehen des sprachverarbeitenden Systems? Danks, Bohn & Fears (1983) lieferten Teilbelege dafür, daß Information nicht sequentiell, sondern parallel gleichzeitig verarbeitet wird. Bei einer solchen Verarbeitung werden alle Informationen in der Verarbeitungsphase bereitgehalten, so daß jederzeit ein Rückgriff auf alle Informationskategorien möglich ist. Sie legten Sätze vor, in denen keine ungewöhnlichen Wörter oder Formulierungen vorkamen. Experimentell variiert wurde dann Syntaktik und Semantik, nur Syntaktik, nur Semantik, und inhaltlich. Gemessen wurde die Lesezeit des kritischen Wortes und die Lesezeit der fünf Wörter vor und nach dem kritischen Wert. Die gemessene Zeit für die doppelt veränderte Bedingung (semantisch und syntaktisch) unterschied sich am stärksten von der Kontrollbedingung mit dem angemessenen Wort. Die zweitlängste Zeit ergab sich bei der syntaktischen Veränderung, aber erst beim nächsten Wort. Die inhaltliche Veränderung unterschied sich kaum von der Kontrollbedingung. Offenbar werden also in der Sprachwahrnehmung interaktiv mehrere Ebenen ausgewertet, die das Wahrnehmungsergebnis beeinflussen. Wer beschäftige sich mit der Erforschung der Sprachproduktion? Dies wurde von Willem J. M. Levelt (1989) untersucht. Er entwickelte ein Modell der Sprachproduktion. Die Sprachproduktion geht vor allem von inneren Einflußgrößen aus, damit wurde das Problem der mangelnden Kontrollierbarkeit der Ausgangsgrößen gelöst. Wie ist das Modell von Willem J. M. Levelt (1989) aufgebaut? Das Modell enthält eine Instanz, die nach Kenntnis der Situation sowie allgemeiner Erfahrung Inhalte zusammenstellt. Ein Monitor sorgt für die richtige Dosierung dieses Hintergrundwissens. Die Nachricht befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem präverbalen Stadium. Danach folgt der Prozeß des syntaktischen und phonologischen Enkodierens. Im syntaktischen Enkodieren wird die syntaktische Repräsentation der sprachlichen Äußerung unterworfen. Auf der Worterbene werden Lemmas aus dem mentalen Lexikon im Langzeitspeicher aktiviert. Lemmas sind Wortrepräsentationen mit ihren Bedeutungs- und syntaktischen Eigenschaften ohne phonologische Merkmale. Diese werden erst beim phonologischen Enkodieren zugefügt. Dies erfolgt nicht global, sondern in Teilen der phonologischen Repräsentation, wie aus der Forschung zum Zungenspitzenphänomen zu sehen ist. Danach wird die Artikulation einbezogen, das Aussprechen beginnt. Das Verstehen der eigenen Sprachproduktion reguliert die nachfolgenden Äußerungen. Wer versuchte eine experimentelle Prüfung der Beziehungen zwischen Lemmakomponente und dem syntaktischen Enkodieren? Flores d´Arcais & Schreuder (1987). Diese bedienten sich der Methode der Vorreizung (priming). In diesen wird bevor ein Wort gefunden oder ausgesprochen werden soll ein anderes Wort dargeboten. Das vorab dargebotene Wort, der Vorreiz (primer) bahnt dem nachfolgenden Wort den Weg, wenn Vorreiz und nachfolgendes Wort in einer Ähnlichkeitsbeziehung stehen. Dies ermöglicht den differenzierten Nachweis des Erscheines von Bedeutungen und Bezeichnungen. Wie gingen Flores d´Arcais & Schreuder (1987) vor? Sie ließen Bilder benennen und maßen die Reaktionszeit zwischen Darbietungsbeginn und Benennung. Dem Zeigen eines anderen Bildes ging das Zeigen eines anderen voraus. Das vorausgehende Bild konnte • ähnlich gestaltet sein wie das kritische • semantisch ähnlich sein, aber unähnlich aussehen • semantisch und visuell ähnlich sein • semantisch und visuell unähnlich sein Die Reaktionszeit war am kürzesten, wenn semantisch und visuell ähnliche Primer verwendet wurden, bei ähnlicher Gestalt am zweitkürzesten, semantische Ähnlichkeit half nur wenig. Ganz unähnliche Vorreize halfen gar nicht. Was kann man aus dieser Untersuchung schließen? Die Ebene der Lemmas wird bei der Benennung eines Objektes aktiviert. Diese Aktivierung wird am meisten beschleunigt durch eine Bahnung der Wortfindung über einen sowohl semantisch als auch visuell ähnlichen Vorreiz. Was ist im Prozeß der Kommunikation(=sich verständigen) von Bedeutung? • der Gegenstand, über den eine Mitteilung gemacht wird • ein Partner, der die Mitteilung macht • ein Partner, der die Mitteilung aufnimmt Wie dient die Sprache der Kommunikation nach Karl Bühler (1934)? Dem Gegenstand gegenüber hat sie eine Darstellungsfunktion, dem Mitteilenden verhilft sie zum Ausdruck des Gemeinten, dem Empfänger der Mitteilung übermittelt sie einen Appell. Er entwickelte das sogenannte Organonmodell. Wie brachte H.D. Lasswell (1948) dies auf den Punkt? Wer teilt wem was wie mit. In dieser Formel sind allerdings die psychischen Voraussetzungen und Konsequenzen der Kommunikation nicht ausdrücklich enthalten. Was ist für die psychologische Analyse des Kommunikationsvorgangs maßgebend? Auf beiden Seiten (Sender und Empfänger): • Gegenstandswissen (Wissen über den Gegenstand) • Wissen über den Partner • Kenntnis von Sprachregeln • kommunikative Absichten Was ist hierbei umstritten? Wie weit das Gegenstandswissen von Partnern von vornherein in sprachlicher Form repräsentiert ist. Die spezielle Formulierung der Nachricht ist bei jeder Mitteilung neu zu leisten. Was ist bei der Übermittlung einer Nachricht zu bedenken? Eine Nachricht stellt einen Gegenstand nicht vollständig dar. In der Nachricht wird vielmehr das Wissen über den Gegenstand zum Ausdruck gebracht und das vermutete Wissen des Empfängers in Rechnung gestellt. Der Sender baut auf vorhandenem Wissen des Empfängers auf. Dabei ist auch das Wissen über den anderen wichtig. Der Empfänger hat umgekehrt Erwartungen an den Sprecher. Außerdem benötigen beide den gleichen Zeichensatz und ein entsprechendes Regelverständnis. Welchen Charakter hat eine Nachricht? Einen Zeichencharakter, einen Symbolcharakter. In der Nachrichtentechnik heißt ein System, nach dem Zeichen ausgewählt und verknüpft werden Kode. Dieser Begriff wurde übernommen. Der Vorgang der Umsetzung eines Nachrichteninhalts in ein Zeichensystem wird als Verschlüsselung oder Enkodierung bezeichnet. Diese ist eine Leistung des Senders. Das Verständnis der Nachricht durch den Empfänger umfaßt dagegen eine Umsetzung der übermittelten Zeichen in einen Inhalt, diesen Vorgang nennt man Entschlüsselung oder Dekodierung. Welche Perspektive muß die Psychologie der Kommunikation noch annehmen? Die kommunikativen Absichten von Empfänger und Sender sind zu berücksichtigen. Die Sender beeinflußten die Empfänger mit ihrer Nachricht. Das Aussenden einer Nachricht will zwei Veränderungenn beim Empfänger herbeiführen: Änderung von Wissen und Urteilen sowie Änderung des Handelns. Wie reagiert der Empfänger auf diese Bestrebungen des Senders? Wenn er bereit ist, diese Veränderungen an sich vornehmen zu lassen, wird er sie bereitwillig aufnehmen. Widerstreben ihm diese Änderungen, wird er sich abwenden. Kann er sich nicht entziehen, wird er der Aufnahme Widerstand leisten. Dann ereignet sich beim Empfänger Selektion und Abwehr wie beim Motivationseinfluß der Wahrnehmung. Wer hatte die Idee, Sprache in Zusammenhang mit ihren Benutzern zu analysieren? Charles Morris (1938). Für diese Bezeichnung führte er den Begriff der Pragmatik ein. Die Pragmatik ist die Beziehung der Zeichen zu ihren Interpreten. Damit wird die Pragmatik von der Semantik abgegrenzt, welche sich mit der Beziehung von Zeichen zu Gegenständen und Sachverhalten außerhalb des Zeichensystems befaßt. Wie entwickelte sich die Pragmatik in letzter Zeit? Sie weitet sich zu einer Theorie sprachlichen und kommunikativen Handelns aus. Dabei wird Sprechen als eine Form des Handelns aufgefaßt, welches sich dem Mittel der Sprache bedient und in der Kommunikation entfaltet. Dann lassen sich Sprache und Kommunikation im Rahmen der allgemeinen Handlungstheorie deuten. Hier stehen Begriffe wie Zielgerichtetheit, Instrumentalität und Rückmeldung zu ihrer Interpretation zur Verfügung. Wer vertritt einen solchen Handlungstheoretischen Ansatz? Utz Maas (1977). Als ein Vertreter der pragmatischen Sprachanalyse hebt er hervor, daß Sprache durch soziale Konventionen geregelt ist. Die Sprache schafft die gesellschaftliche Möglichkeit, Handlungen zu kontrollieren, zu reflektieren und sich aus Handlungszwängen zu befreien. Was wiesen Autoren wie Ertel (1973) nach? Dem gleichen Sachverhalt kann ein Sprecher verschiedenen Ausdruck verleihen, je nach dem aus welcher Perspektive (aktiv oder passiv) er geschildert ist. Wechsel der ich-Perspektive. Was sind Diskurse? Diskurse können persönliche Unterhaltungen sein, können aber auch Mitteilungen an vorgestellte allgemeine Empfänger sein. Wie begann die Diskursforschung? Mit der Analyse von Diskussionsgruppen und einfachen Dialogen. Die Pionierarbeit, den Sprechrhythmus im Dialog näher kennenzulernen wurde von Joseph Jaffe & Stanley Feldstein (1970) unternommen. Sie beobachteten, daß immer nur ein Sprecher die Rede beherrscht und gleichzeitiges Sprechen der anderen unterdrückt. Die Sprecher glichen ihre Sprechpausen aneinander an. Die Dauer die ein Sprecher für seine Sprechphase beansprucht hing nicht von der Dauer der Sprechphase des vorherigen Sprechers ab. Was wiesen Ray & Webb (1966) nach? Sie stellten fest, daß die Länge der Fragen und der darauf folgenden Antworten zusammenhängen. Je länger die Frage, desto länger die Antwort. Welche Funktionen der Sprache zeigt die Diskursanalyse auf? Sie hat viele Funktionen der Selbstdarstellung, Überredung oder Verantwortungsübertragung. Worauf gründen die Diskurse? Auf der sozialen Kompetenz der Diskursteilnehmer. Diese Kompetenz beinhaltet zwei Regeln: Regulative (z.B. nicht gleichzeitig sprechen) und interpretative (z.B. kurz fassen) Regeln. Was ist der Diskurs nach Grice (1975)? Ein kooperatives Unternehmen, das nach Regeln des Vertrauens und der Logik abläuft, d.h. ein rationales Verhalten. Dazu gehört die Verhältnismäßigkeit von Quantität und Qualität des Gesprochenen. Der Sprechbeitrag sollte im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Sprechsituation stehen, eindeutig und in geordneter Folge sein. Manche Diskurse wie Gerichtsverhandlungen folgen nach Penman (1987) diesen Regeln nicht. Was ist Metakommunikation? Analog zur Metakognition, d.h. das Denken über das Denken kann man auch über Sprache und Sprechen sprechen. Der Begriff der Metakommunikation geht auf Bateson, Jackson & Haley (1969) zurück. In dieser werden werden mehrere Mitteilungsebenen aufgebaut. Metakommunikation enthält Aussagen über • den Zustand und die Absichten des Senders • den Zustand und das Verständnis des Empfängers • die Beziehungen zwischen Partnern • den Inhalt auszutauschender Mittelungen sowie die Organisation des Austauschs • die Form auszutauschender Mitteilungen Welche Ethik für die Sprache gibt es nach Grewendorf & Meggle (1974)? Sie verlangt • Übereinstimmung von Aussage und Sachverhalt (Wahrheit) • Übereinstimmung von Aussage und Denken (Ehrlichkeit) Die Erfüllung dieser Forderungen ist bevorzugtes Thema der Metakommunikation. Es geht darum, Irrtümer und Tauschungen aufzudecken und auszuschließen. Die stärkste Form der Beteuerung ist der Eid. Er beteuert die Wahrheit einer Aussage oder die Verbindlichkeit einer Zusage. Er hat einen religiösen Ursprung, wurde aber auch in modernen Staaten aufgenommen und dient der Verpflichtung von Staatsoberhaupt und Beamten. In welchen Kommunikationen gewinnt die Metakommunikation ein Übergewicht? Nach Schwitalla (1979) in Fernsehinterviews von Politikern wie Strauß. Weshalb ist die Metakommunikation für die Beteiligten wichtig? Weil sie dadurch ihre sozialen Beziehungen erkunden und regeln. Den Beziehungsaspekt in der Kommunikation betonen Bateson (1969), aber auch Paul Watzlawick, Janet Beavin & Don Jackson (1967). Diese bauen ihre Kommunikationstheorie durch die Analyse von Beziehungen auf. Sie versuchen Zusammenhänge zwischen der Störung der Metakommunikation und der Partnerbeziehung nachzuweisen. Sie betonen die Vielfältigkeit des kommunikativen Ausdrucks sowie mögliche Widersprüche zwischen verschiedenen Äußerungen. Welche Kommunikationsmöglichkeiten gibt es neben dem verbalen (=Wort) Ausdruck? Die nichtverbale Kommunikation. Grundsätzlich kann jede Tätigkeit und jedes Produkt zum Träger symbolischer Information werden. Manche Tätigkeiten sind als Symbolhandlungen kulturell fest verankert, andere sind individuell vereinbart. Welche Psychologen versuchten vor allem, den Symbolwert von Handlungen zu erschließen? Vor allem tiefenpsychologische Ethnologen wie z.B. Róheim (1972), die sich nicht nur in kultischen Ritualen, sondern auch in der allgemeinen Auseinandersetzung mit der Umwelt finden. (z.B. Boesch 1980). Wie unterscheiden sich nichtverbale Tätigkeiten als Zeichen nichtverbaler Kommunikation? • In dem sie tragenden Körperbereich (oft Stimme, Gesicht, Hände) • ihrer Sinnesmodalität (meist Sehen, Hören, Riechen) • ihrer Dynamik (Geschwindigkeit, mit der sich ein Ausdruck zu verändern mag) • der Intentionalität des Senders (Absichtlichkeit des Ausdrucks) Welches Konzept vertritt D.M. MacKay (1972) bezüglich der Intentionalität? Eine Äußerung könne nur dann als kommunikativ gelten, wenn sie von einem Sender mit der Absicht der Mitteilung hervorgebracht wird und beim Empfänger den ihr zugedachten Einfluß auf Denken und Verhalten ausübt. Diesen strengen Forderungen genügen am ehesten konventionelle Gesten wie Grußbewegungen oder Drohbewegungen. Oft ist nur eine von diesen Bedingungen erfüllt. Wenn nicht beide geforderten Bestimmungsmerkmale gleichzeitig gegeben sind, ist der Begriff des kommunikativen Aktes auf nichtverbale Äußerungen nur eingeschränkt anwendbar. Welches Verhalten ist also zu trennen? Informatives Verhalten, welches der Sender mit der Absicht der Mitteilung an den Empfänger hervorbringt und symptomatisches Verhalten, welches ohne Mitteilungsabsicht entsteht, aber dennoch als Anzeichen für einen zugrunde liegenden Zustand zu verstehen ist (z.B. erröten). Welche nichtverbale Äußerungen sind nach Hinde (1972) mit verbalen verknüpft? • reflexhafte Äußerungen wie Husten und Räuspern (als Zeichen des Erstaunens) • Stimmeigenschaften wie die Stimmlage (als Zeichen der Erregung) • prosodische Äußerungen (Gestaltungsmomente wie Sprachmelodie oder Akzent) • paralinguistische Äußerungen, Begleitbewegungen beim Sprechen, Gebärden • extralinguistische Äußerungen, Körpersprache, die von Sprache getrennt auftritt Welche Arten von Ausdruckserscheinungen gibt es auch noch? Die äußere Erscheinung des Menschen kann diagnostisch gedeutet werden. Welche kritischen Fragen muß sich eine solche Persönlichkeitsdiagnostik gefallen lassen? Wie verläßlich das gleichzeitige Auftreten von Symptom und erschloßener Eigenschaft ist und wie hoch die Übereinstimmung der Beurteiler ist nud wie gut die Annahmen der Beurteiler mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Wie ist diese Persönlichkeitsdiagnostik zu bewerten? Sie hat den Charakter eines Wahrscheinlichkeitsschlusses, wobei sich das Urteil der Wirklichkeit annähern kann, andererseits auch daneben liegen und nur zu subjektiven Vorstellungsbildern oder (bei Übereinstimmung mit anderen) zu sozialen Stereotypen führen. Wer untersuchte die diagnostischen Fähigkeiten der Eindrucksbildung im Alltag? Rudolf Arnheim (1928). Er legte Beurteilern Fotografien der Gesichter von bedeutenden Wissenschaftlern, Alltagsmenschen und geistig behinderten vor. Die Beurteiler sollten die Bilder beschreiben und nach Scharfsinn, Vertrauenswürdigkeit und Lebensgewohnheiten ordnen. Es gab ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen verschiedenen Beurteilern und auch eine hohe Trefferquote. Am besten waren die Leistungen, wenn die vorgegebenen Charakterbeschreibungen ausführlich waren (64%). Wodurch ist die hohe Trefferquote zu erklären? Offenbar existieren soziale Stereotype und Arnheim dürfte bei der Auswahl der Bilder selbst von diesen Stereotypen geleitet gewesen sein. Demnach darf man viele Treffer im Alltag nur erwarten, wenn alle Menschen den Allgemeinvorstellungen entsprechen. Wer untersuchte die Merkmale, nach denen sich die Beurteiler richten? Ekman, Friesen & Ellsworth (1972). Offenbar lassen sich die klassischen Emotionen an Gesichtsmerkmalen wie Stellung der Mundwinkel und der Augenlider ablesen. Wie werden dynamische, d.h. zeitlich wechselnde Ausdruckserscheinungen gewertet? Als Sympome von Gefühlen, Gedanken und Absichten oder als gezielte Informationen über diese. Auch hier ergibt sich das Problem der Verläßlichkeit und übereinstimmenden wirklichkeitsgetreuen Erfassung dieses Ausdrucks. Welchen Vorteil gibt es bei der Forschung zu diesem Thema? Dynamische Erscheinungen hängen oft mit einem Ereignis zusammen, es ist also leichter, die Eindrucksbildung mit der Ausdruckserzeugung zu vergleichen. Welche Dimensionen erhält man, wenn man Gesichtsausdruck nach Ähnlichkeit ordnen läßt? Nach Ekman, Friesen & Ellsworth (1972) die Vergleichsdimensionen der Angenehmheit und der Intensität. Diese Faktoren werden auch zum Vergleich von Gefühlsbezeichnungen bei Bildern herangezogen. Was ist mit der Mimik eng verwandt, wie wurde es untersucht? Die Sprechstimme, sie besitzt ein großes Spektrum an Lautheit, Stimmhöhe und Stimmhöhenwechsel (Melodie), Klangfarbe (Timbre) und Geschwindigkeit. Es gibt viele Untersuchungen zur Sprechgeschwindigkeit. In dieser spiegelt sich der Zustand des Sprechers. Die Sprechgeschwindigkeit ist von vielen Motiven und Affekten beeinflußt. Ein erhöhtes Tempo soll auch Einfluß auf den Hörer nehmen, indem durch hohes Tempo die Überredungskunst steigern soll, ein langsames Tempo soll den Eindruck der Wichtigkeit wecken. Dies ist nach D. Görlitz (1972) sowohl von den Sprechern so intendiert, und wird von den Hörern auch so verstanden. Wodurch wird der Ausdruck der menschlichen Gestalt oft verändert und ergänzt? Durch die Kleidung. Sie gibt Auskunft über Beruf und Rang eines Menschen, sowie über Herkunft, Stimmung und Absichten. Einerseits kann sie symptomatisch, andererseits auch informativ sein. Die verfügbare Kleidung in einer Kultur bezeichnet man als verstimentären Kode. In Situationen, die genügend Freiheit bei der Wahl der Kleidung lassen können diese vestimentären Zeichen auch Illusionen zum Ausdruck bringen. Was hat es mit der Gestik auf sich? Sie ist eine besonders lebendige Ausdrucksbewegunge der Hände. Der Ablauf der Gestik ist allerdings schwierig zu beschreiben, so war es ein großer Fortschritt, daß David Efron (1941) ein Beschreibungssystem für Gesten entwarf. Seine wichtigsten Kategorien: • raumzeitliche Merkmale: Radius der Bewegung, Form der Bewegung, Ebene der Bewegung (vertikal / horizontal), beteiligte Körperteile • interaktive Merkmale: Vertrautheit der interagierenden Personen, Simultanität der Bewegungen verschiedener Partner, Gruppierung der Partner zueinander, etc. • Bedeutungsgehalt der Körperbewegungen: deiktische (Zeigen) Bewegungen (Zeigehandlungen), physiographische Bewegungen (gestische Darstellung von Objekten), logisch-diskursive Bewegungen, die sich auf Gedanken beziehen (z.B. Verlegenheit). Wie untersuchte Efron (1941) die Gestik? Er untersuchte die Gestik verschiedener Rassen. Diese war anders als die Gesichtsausdrücke nicht universell, sondern kulturspezifisch. Jüdische Gestik ist vor allem durch Bewegungen im Handgelenk und im Unterarm gekennzeichnet, Italiener zeichnen sich durch einen großen Radius um das Schultergelenk aus. Nach der Anpassung an ein neues Land verschwindet die kulturspezifische Gestik. Welche Kanäle stehen zur Kommunikation bereit? Jede Klasse von Botschaften wie Lautsprache, Stimme, Mimik, Gestik definiert einen eigenen Übertragungskanal. Für die Kommunikation stehen in der Regel mehrere Kanäle bereit. Die Inhalte auf den Kanälen können sich inhaltlich decken, müssen aber nicht. Welche Arten der beziehungsvollen Abweichung kennt Klaus Scherer (1979)? • Substitution (Ersatz): Ein Ausfall auf einem Kanal wird durch eine Äußerung auf einem anderen Kanal ausgeglichen. (Vogel zeigen) • Amplifikation (Verstärkung): Die Äußerung auf einem Kanal wird mit Hilfe eines anderen Kanals verstärkt • Modifikation (Abänderung): Durch eine Äußerung auf einem Kanal gewinnt die Äußerung auf einem anderen Kanal eine neue Bedeutungsnuance • Kontradiktion (Widerspruch): Die Inhalte von Mitteilungen auf verschiedenen Kanälen stehen im Gegensatz zueinander Was ist bei der Mehrkanaligkeit der Kommunikation schwierig? Sie stellt hohe Anforderungen an die Kapaiztät von Sender und Empfänger, da das gleichzeitige Hervorbringen mehrerer Botschaften ein Akt der Mehrfachtätigkeit ist, der Koordinationsanstrengungen verlangt und Mehrfachbelastungen erzeugen kann. Auch die Aufmerksamkeit des Empfängers ist begrenzt, oft findet eine Selektion eines Kanals statt. Was wiesen Bugental, Kaswan & Love (1970) und Ekman & Friesen (1969) nach? Bei mehrkanaliger Kommunikation werden nicht alle Kanäle gleich beachtet. Die Miene und das Gesicht des Sprechers stünden im Mittelpunkt, Hände und Beine würden vernachlässigt, allerdings beachteten die Autoren den Ton gar nicht. Was zeigten Ekman, Friesen, O´Sullivan & Scherer (1980) in dieser Hinsicht? Sie variierten die Bedingungen so, daß keine Vorherrschaft eines Kanals zu erkennen war. Manchmal dominierte die Stimme sogar das visuelle Ausdrucksgeschehen. Sie erklärten den Unterschied zu älteren Befunden damit, daß die Aufmerksamkeit umverteilt wurde. In der Täuschungssituation erhoben die Darstellung die Stimme, was einen hohen Aufmerksamkeitswert für die Beurteiler hatte. Welche Beziehung fanden Ekman & Friesen (1974) für die Aufmerksamkeitsverteilung? Sie fanden, daß sich die Verteilung der Betrachter in etwa mit denen der Sprecher deckt. Diese Studie führten sie an Kindergärtnerinnen durch, die die Miene häufiger nannten als Gesten und Handlungen. Welche Voraussetzungen haben diese Befunde? Sie sind nicht zu verallgemeinern, wichtig ist das Informationsangebot auf den verschiedenen Kanälen und die Erwartungen der Kommunikationspartner. Diese dürften mit der Situation wechseln. So wurde in der Studie von Bugental, Kaswan & Love widersprüchliche Aussagen zwischen Inhalt und Tonfall gemacht (freundlicher Inhalt und unfreundlicher Tonfall). Es gab also 4 Arten von Aussagen. In Kombination mit der Miene ergaben sich 8 Arten der Darbietung, teilweise mit rätselhafter Inkongruenz. So könnte das Ergebnis zu deuten sein, daß die Miene am wichtigsten war, wenn das gesamte Beurteilt werden sollte, da sie am schwierigsten zu manipulieren ist. Wie deuten Ekman & Friesen (1969, 1974) die Befunde? Sender & Empfänger konzentrieren sich mehr auf das Gesicht, weil sie meinen, die Mimik stelle die wichtigste Informationsquelle dar. Im Fall der Täuschung wird also der Sender vor allem den Gesichtsausdruck zu verstellen trachten und der Beobachter diesem Mißtrauen. Zum Erkennen der Täuschung war die Beobachtung des Mienenspiels weniger hilfreich als die Beobachtung von Haltung und Gestik. Das Gesicht hatten die Täsucher unter Kontrolle, im restlichen Körper ist die Wahrheit durchgesichert. Welche Funktion haben Widersprüche zwischen Botschaften aus verschiedenen Kanälen? Einerseits können sie sich nach Mehrabian (1971) als verräterischer Hinweis auf eine Lüge herausstellen, andererseits kann es oft auch geistreich, witzig und ironisch sein. Geeignete Paradoxien zu erfinden ist oft ein Mittel um Gegensätze aufzulösen und die Beteiligten enger aneinaner zu binden. Manchmal kommt es aber dadurch auch zu Verwirrtung, wie Watzlawick, Beavin & Jackson (1967) betonen. George Bateson (1969) führt sogar schwere psychische Erkrankungen wie die Schizophrenie auf Widersprüche zwischen einer Berichts- und einer Anweisungsebene zurück. Er beschreibt einen Fall der widersprüchlichen Doppelbindung (double bind). Dieses ist durch ein Dilemma der kognitiven Verarbeitung gekennzeichnet. Wie vollzieht sich die Entwicklung der Sprache? Sie baut auf einem Repertoire von Lautäußerungen auf, welches Säuglinge spontan, in allen Bereichen und universal äußern. Dann kommt es zu einer Anpassung an die Sprache der Umgebung, im Bereich der Betonungs- und Satzmelodiemuster. Aus dem Standardrepertoire differenzieren sich gegen Ende des ersten Lebensjahres die ersten Einzellaute der Umgebungssprache aus. Dabei zeigt sich, daß der Laut um so später erworben wird, je sprachspezifischer er ist (Jakobson 1942). Den Anfang der kindlichen Sprachentwicklungen bilden Ein-Wort-Äußerungen. Es wird heftig diskutiert, ob damit auch die Syntax beginnt, da das einzelne Wort für einen Satz stehen könnte und es sich so um die Vorform einer syntaktischen Äußerung handeln könnte. Wodurch wird der Übergang zum Zwei-Wort und Mehrwortstadium erzuwungen? Nach Roger Brown (1973) durch den Umgang mit fremden Menschen. Zwei-Wort-Sätze werden von der Familie meist durch die Kenntnis der kindlichen Erfahrungswelt kompensiert, in der Kommunikation mit unvertrauten Partnern muß man sich eindeutiger äußern. Diese eindeutigen Äußerungen können nur durch komplexere Sätze vermittelt werden. Wie baut sich ein Lexikon mit Wortbedeutungen auf? Dies ist ein langwieriger Entwicklungsprozeß. Nach Eve Clark (1973) erfordert das Erkennen von Bedeutungen und ihre Zuordnung zu sprachlichen Zeichen einen Diskriminierungsprozeß, der die wahrnehmbaren Merkmale des Bezeichneten voneinander abhebt und für die sprachliche Verarbeitung bereitstellt. Wo setzt Eve Clark (1973) ihre Analyse an? Bei der Erscheinung der Übergeneralisation im Ein- und Zwei-Wort-Stadium. Kinder bezeichnen viele Objekte mit WAUWAU. Die globale Bedeutung wird durch die Umwelt korrigiert, indem für die verschiedenen Arten neue Namen angeboten werden. Diese Korrektur veranlaßt das Kind, auf Merkmale bei der Wahrnehmung zu achten. Hat es die diskriminierenden Merkmale erfaßt, kann es die Übergeneralisation aufgeben. Bei diesen diskriminierenden Merkmalen muß es sich nicht um Objekteigenschaften handeln, nach Bowerman (1977) können auch Funktionen oder Prototypen eine Hilfe bei der Zuordnung von Bedeutungen zu Zeichen darstellen. Was bedeutet der Spracherwerb aus dem Blickwinkel der Pragmatik? Eine Umsetzung von Handlungsabläufen in sprachliche Symbole. Im vorsprachlichen Stadium bestimmen Handlungsabläufe den Aktionsspielraum des Kindes. Dieser Raum wird durch sprachliches Handeln angereichert. Nach Bruner (1975) wird dies zu einem großen Teil über das Spiel, bzw. dessen fiktiven Charakter vermittelt. Dadurch gewinnt das Kind die Freiheit, neue Kombinationen von Handlungssequenzen zu erproben. Wer skizziert experimentell die Umsetzung von Handlungen in Symbole? Elizabeth Bates (1979). Ein Kind kann einfacher Erwachsene zu Handlungen bewegen, wenn es ein Bedürfnis durch Lautäußerung erreichen kann, als wenn es dies anders signalisieren muß. Dadurch hat auch die Äußerung eine Signalwirkung. Wie entwickelt sich die nichtsprachliche Form der Verständigung? Nach Mayo & La France (1978) werden diese zunächst gestisch zur Verständigung eingesetzt. Erst im Laufe der Entwicklung wird das Repertoire erweitert. Bei der mehrkanaligen Kommunikaion schenken kleine Kinder dem sprachlich dargebotenen Inhalt der Botschaft größere Beachtung als den gleichzeitig übermittelten nichtsprachlichen Informationen (Bugental, Kaswan & Love 1970). Die Regeln der Zuordnung nichtverbaler Verständigungsformen zu bestimmten sozialen Kontexten (display rules), d.h. Konventionen welcher Ausdruck in welcher Situation angemessen ist, muß ebenfalls erlernt werden. Welche Erwartungen knüpfte die Persönlichkeitspsychologie an die Sprachpsychologie? Die Erwartung, die Persönlichkeit manifestiere sich in Sprache und Ausdruck. Dies führte zu Versuchen, diese diagnostisch auszuwerten und aus Gesichtsausdruck und Schrift Persönlichkeitseigenschaften zu erschließen. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei diesem Versuch? Individuen lassen sich zwar anhand ihres Ausdrucksverhaltens identifizieren, es fällt aber schwer, psychologisch bedeutsame Eigenschaften abgrenzbaren Merkmalen zuzuordnen. Wer versuchte, sprachliche Indikatoren den Persönlichkeitsdimensionen von Eysenk (1981) zuzuordnen? Furnham (1990). Er meinte, Introvertierte würden eher zu einem Sprachstil mit komplexen und grammatisch richtigen Sätzen neigen, Extravertierte einen Sprachstil, der oft unvollständig ist und aus dem Kontext erschlossen werden muß. Introvertierte verwenden mehr Substantive, Adjektive und Präpositionen, Extravertierte mehr Verben, Adverben und Pronomina. Außerdem würden sie auch schneller und Standard sprechen. In welcher Beziehung stehen paralinguistische Begleiterscheinungen des Sprechens wie Betonung, Akzentuierung, Satzmelodie und Stimmhöhe zu überdauernden Dispositionen? Klaus Scherer (1979) versuchte anhand von Stimmproben einen Zusammenhang zwischen Merkmalen wie Stimmhöhe, Lautstärke, Artikulation und Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität, Extraversion herauszufinden. Die Persönlichkeitsmerkmale beurteilten Bekannte, die Stimmmerkmale Phonetiker. Sprecher, die als extravertiert, sozial und emotional stabil beurteilt wurden, zeigten mehr Stimmaufwand. Welchen Zusammenhang zwischen Sprache und Persönlichkeit stellte Gerda-LazarusMainka (1973) fest? Sie ließ zu Bildern Geschichten erzählen und Deutungen abgeben. Vorher testete sie die Inferenzneigung (Störbarkeit). Jene, die sich als leichter störbar erwiesen hatten, gebrauchten mehr Wörter und setzten diese zu komplexeren Sätzen zusammen. Was zeigte Barsalou (1989)? Er zeigte, daß die Verwendung von Worten sehr individuell ist und auch intraindividuell schwankt. Er ließ Probanden Begriffe definieren. Es zeigte sich, daß die gegebenen Definitionen je nach Kontext und Erfahrung schwanken, d.h. daß die Personen gar keine feste Wortbedeutungen und Begriffe besitzen, sondern Bedeutungsfelder, aus denen sie je nach Stimmung und Situation spezifische Aspekte aktivieren. Welche Bedeutung hat die Sprache und Kommunikation für die Sozialpsychologie? Diese sind grundlegend für die Entstehung von sozialen Kognitionen und sozialem Handeln. Sprache entspringt der Gesellschaft und dient deren Fortschritt. Was stellten Clark & Brennan (1991) fest? Das in jeder Unterhaltung eine gemeinsame Grundlage zwischen den Sprechern gefunden werden muß, die sich nach dem Prinzip der geringsten gemeinsamen Anstrengung vollzieht. Die damit verbundenen Aktivitäten verändern sich je nach Zweck und Medium der Unterhaltung. Was zeigt sich auf der Ebene von Sprache und Ideenaustausch? Das Unterhaltungen gemeinsame Produkte sind. Die Analyse linguistischer Formen in Unterhaltungen zeigt unvollständige Sätze und inkohärente Satzfolgen. Die Sprecher rechnen damit, daß über die Beiträge anderer und die physikalische Umgebung Kohärenz gestiftet wird (Resnick, Levine & Teasley 1991). Im Laufe der Kommunikation ergänzen sich die Gesprächspartner und bilden Hypothesen über die gemeinsame Umgebung aus Vorstellungen und Erwartungen über andere und Erfahrungen, die sich in der Interaktion einstellen. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei der interkulturellen Verständigung? Im Kulturvergleich wird die soziale Bestimmung von Sprachen besonders deutlich. Anna Wierzbicka (1992) zeigt, daß Übersetzungsschwierigkeiten kulturelle Variationen bezeugen. Übersetzungsäquivalente sind eben nicht immer wirklich gleichwertig. Wozu dient Sprache noch? Sie ist für den Einzelnen ein Werkzeug zur Schaffung von Macht und zur Sicherung von Vorteilen in der Gruppe. Was zeigte Basis Bernstein (1959) zur Schichtabhängigkeit der Sprache? Nicht alle sozialen Schichten haben gleichen Zugang zu sprachlichem Ausdruck. Das schlechte Abschneiden der Unterschicht in Schule, Wirtschaft und Durchsetzungsvermögen dürfte mit ihrem begrenzten Ausdrucksvermögen in Beziehung stehen. Angehörige von Mittelschicht und Unterschicht besitzen ein ähnliches Vokabular für Alltagssituationen, jedoch unterscheiden sich die Schichten in ihrem Sprachvorrat für besondere Anlässe. Dies gilt nach Oevermann (1972) auch in Deutschland. Die Unterschicht habe einen restringierten Kode, die Mittelschicht einen elaborierten Kode, der sich besser zur Wiedergabe abstrakter Sachverhalte eignet und daher überlegen ist. Der Kode der Unterschicht weise ein Defizit auf. Welche Kritik gab es an dieser Hypothese? Schlee (1974) meinte, der eingeschränkte Kode setze die soziale Distanz zwischen den Kommuniaktionspartnern herab und erhöhe das Solidaritätsgefühl. Die Wärme und Vertrautheit gehe der anderen Sprache ab, deshalb dürfe man Unterschiede feststellen, diese aber nicht bewerten. Wie findet der soziale Status in der Sprache Ausdruck? Unmittelbar. Dies zeigt sich bereits in der Wortzahl. Es gilt als akzeptabel, gegenüber höherrangigen mehr Worte zu machen, als diese umgekehrt machen. Sie finden knappe Formulierungen für angemessen (Schönbach 1979), wenn sie viele Worte machen, verlieren sie sogar an Status. Was zeigte Ellis (1967)? Die paralinguistischen Eigenschaften sind ein guter Prädiktor der sozialen Schicht. Dies untersuchte er durch Tonbandaufnahmen. Welche Rolle spielt die vielfältige Kommunikation für die Gesellschaft? Eine enorme. Im Zeitalter von Nachrichten und Massenkommunikation wird das tägliche Leben von Rede, Schrift, Gestik und Mimik bestimmt. Durch die Vermittlung von Gedanken und Gefühlen wird der politische und soziale Wandel bestimmt. Kapitel 1: 1. Nach der dualistischen Auffassung der Beziehung von Körper und Seele ist die Seele der Inbegriff des Lebens und Träger aller Lebenserscheinungen. Zu den Lebenserscheinungen zählen: Denken, Wahrnehmen, Handeln, Sprechen. 2. Nach der monistischen Auffassung beruhen die seelisch genannten Leistungen auf körperlichen Grundlagen (z.B. sei Sehen ohne Auge nicht möglich). Körper und Seele seien also nicht trennbar. 3. Psychologie als Einzelwissenschaft befaßt sich mit den seelischen Funktionen. Diese Funktionen sind teilweise auch Gegenstand anderer spezialisierter Disziplinen wie z.B. der Sprachwissenschaft, insbesondere von Disziplinen, die sich auf einzelne Praxisfelder konzentrieren (z.B. die Rechtswissenschaft). Psychologisches Wissen, an dem mehrere Disziplinen Anteil haben, wird hier Transdisziplinäre Psychologie genannt. 4. Mit den Religionslehren verbindet die Psychologie die gemeinsame Verwendung des Begriffs der Seele. Dabei werden innerhalb der Psychologie vorwiegend naturwissenschaftliche Theorien vertreten, während Religionslehren sich vorzugsweise mit Theorien von dem übernatürlichen Wesen der Seele beschäftigen (z.B. Leben der Seele nach dem Tode). 5. Die Psychologie als Einzelwissenschaft gliedert sich in mehrere Richtungen und Fächer. Für die Fächergliederung besonders wichtig: Die Trennung von Funktionen (z.B. Denken, Motivation) von Analyseaspekten (z.B. Entwicklung, Persönlichkeit) sowie von Praxisfeldern (z.B. Schulwesen, Gesundheitswesen). 6. Das Studium der Psychologie gliedert sich gewöhnlich in ein Grundstudium und ein Hauptstudium; das Hauptstudium widmet sich den fortgeschrittenen Methoden der Forschung und der Praxis. Kapitel 2: 1. Kognitivisten beschäftigen sich hauptsächlich mit der Entwicklung der Erkenntnisfunktionen und der Motivation über die Lebensspanne hinweg. Ihrer Ansicht nach bauen die verschiedenen kognitiven Funktionen und Strukturen aufeinander auf und entfalten sich zum Teil logisch zwingend in einer bestimmten Reihenfolge. 2. Behavioristen sehen die Entwicklung als eine Folge von Lernprozessen, die durch Umweltbedingungen gesteuert sind. 3. Tiefenpsychologen wenden sich besonders der Entwicklung der Persönlichkeit zu; die Psychoanalyse leitet die Persönlichkeit der Erwachsenen aus der frühkindlichen Sexualentwicklung ab. 4. Der Kognitivismus führt die Verhaltens- und Erlebensunterschiede zwischen den Menschen auf deren unterschiedliches Welt- und Selbstbild zurück. Kognitivisten betonen die Indiviualität der Persönlichkeit. 5. Tiefenpsychologen gehen davon aus, daß die Entwicklung in der frühen Kindheit die Persönlichkeit bestimme. Sie tendieren zu einer Typisierung der Persönlichkeit (z.B. bei der Definition des analen Charakters) 6. Behavioristen führen individuelle Unterschiede auf unterschiedliche Lebens- und Lernbedingungen zurück. 7. Kognitivisten sehen in bewußten Vorgängen (z.B. Werturteilen gegenüber Partnern) die Steuerungsmechanismen des sozialen Verhaltens. 8. Die an Freud orientierte Tiefenpsychologie leitet soziales Verhalten aus der Dynamik der Familienkonstellation ab (z.B. seien Machtpositionen in der Gesellschaft aus der Machtposition des Vaters in der Familie erwachsen). 9. Soziales Verhalten wird durch Ansicht der Behavioristen durch Verstärkungen (Belohnungen) bestimmt (z.B. könne Kontaktverhalten durch positive Verstärkung gefördert werden). Kapitel 3: 1. Phänomenologie ist die Lehre von den Erscheinungen des Bewußtseins, den Vorstellungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen. Das Bewußtsein besitzt seine eigenen Qualitäten (z.B. Farberlebnisse), ihm werden Intentionalität (Bezug auf Gegenstände außerhalb seiner selbst) sowie Subjektivität zugeschrieben. 2. Gegenstände im Bewußtsein stellen sich sprachlich (propositional) und bildlich (ikonisch) dar. 3. Ein eigenes Problem ist das Erkennen der Herkunft von Bewußtseinsinhalten. Ist ein Inhalt etwa eine Traumvorstellung, eine Erinnerung oder eine von außen stammende Wahrnehmung? An Merkmalen wie „Reichtum an anschaulichen Einzelheiten“ (z.B. Geschmacksempfindungen) oder „Menge von Zukunftserwartungen“ läßt sich das abschätzen. 4. Bewußtseinsinhalte und –prozesse sind selbst im Bewußtsein abbildbar. Dadurch entsteht eine eigene Bewußtseinsebene, das Metabewußtsein. Metabewußtsein gestattet die Kontrolle und Korrektur von Erkenntnisprozessen und ihren Ergebnissen. 5. Wissen kann man in explizites (ausdrückliches, bewußt vorhandenes) und in implizites (im Hintergrund befindliches, nicht bewußtes) trennen. Beim Erkennen unterstützt implizites Wissen (z.B. Ortskenntnisse) das explizite Wissen (z.B. eine ausdrückliche Wegbeschreibung). 6. Wissenswertes stellt sich in Form mentaler Modelle dar. Situationsmodelle bilden Sachverhalte ab, Kommunikationsmodelle die Art der Darstellung von Sachverhalten, die an der Darstellung beteiligten Personen, ihre Absichten u.ä. 7. Der funktionalistische Ansatz versucht, die Entstehung kognitiver Leistungen mit Hilfe kognitiver Modelle zu beschreiben. 8. Kognitive Leistungen und Modelle sind – folgt man dem funktionalistischen Ansatz – nicht nur bei Menschen festzustellen, sondern auch bei technischen Geräten. 9. Es gibt allgemeine kognitive Prinzipien, deren Erforschung Aufgabe der interdisziplinären Kognitionswissenschaft ist. 10. In kognitiven Modellen kann man (möglicherweise gebietsspezifische) Module und (möglicherweise gebietsübergreifende) Zentralmechanismen unterscheiden. 11. Für die Repräsentation im kognitiven System werden symbolisch-sprachliche und analoge Formen untersucht; zu den symbolischen Formen gehören auch formal-logische. 12. Der ökologische Realismus erkennt die Wirklichkeit der Lebenswelt an; Kognitionen werden als Abbilder der Wirklichkeit gedeutet, die Handlungen leiten. Der Konstruktivismus betont dagegen die Eigenständigkeit der Kognition beim Erstellen von Weltbildern. In seiner radikalen Form bestreitet der Konstruktivismus die Wirklichkeit der Welt. 13. Hirnforschung versucht, die Entstehung kognitiver Leistungen im Gehirn zu ermitteln. Die Besonderheiten des Gehirns sind: Es ist ein feuchtes System, das eigene biochemische Stoffe hervorbringt und aufnimmt; dadurch kann es seinen Zustand verändern. Weiterhin bringt es durch Wachstum neue Nerven und Nervenverbindungen hervor. 14. Zur Untersuchung der Hirnleistung gibt es anatomische und physiologische Methoden. Neben invasiven Methoden (mit Öffnung des Schädels) gibt es nicht invasive (z.B. Elektoenzephalogramm an der Kopfhaut). 15. Im Gehirn gibt es Areale mit umschriebenen Funktionen (u.a. Zentren für das Verstehen und Produzieren von Sprache). 16. Als flexible Funktionseinheiten werden Nervennetze (neuronale Netze) untersucht. Nervennetze sollen aus verschiedenen Arten von Schaltungen aufgebaut sein. Sie sollen dem Erkennen von Mustern und anderen kognitiven Leistungen dienen und die Fähigkeit des Lernens besitzen. 17. Aufsehen hat die Entdeckung erregt, daß die beiden Hirnhälften unterschiedliche Leistungen hervorbringen. Der linken Hirnhälfte werden vorzugsweise sprachliche und analytische Leistungen zugeschrieben, der rechten Hälfte anschauliche und intuitive. Es gibt darüber hinaus die – durchaus umstrittene – Hypothese, die linke Hälfte sei der Sitz des Bewußtseins, die rechte Hälfte dagegen der Ort des Unbewußten. 18. Kognitive Leistungen und kognitive Prozesse verändern sich über die gesamte Lebensspanne. Dabei vermehrt und verbessert sich nicht nur durch das Wissen über die Welt. Es bildet sich auch Metabewußtsein, d.h. Wissen über die eigene Erkenntnisbildung. 19. Der These, daß Bewußtsein grundsätzlich subjektiv und individuell ist, steht die Auffassung gegenüber, daß individuelle Unterschiede in der Kognition auftreten, im übrigen aber Kognitionen verschiedener Personen vergleichbar sind. 20. Es gibt Untersuchungen über individuell unterschiedlich ausgeprägte kognitive Stile, die allerdings grundsätzliche Kritik erfahren haben. Auch die Auffassung, individuelle Unterschiede ließen sich durch Lateralisierung, d.h. durch Vorherrschen einer Hirnhälfte erklären, hat sich nicht durchweg bestätigt. 21. Gruppen teilen einen Lebensstil, Denkweisen und Werte. Gruppen und Kulturen bestimmen sich geradezu über ihre sozialen Kognitionen. Wichtig ist dann die Übermittlung sozialer Kognitionen. Kapitel 4: 1. Wahrnehmen ist ein aktiver Prozeß, in dessen Verlauf ein wahrnehmendes Subjekt ein inneres Abbild einers Wahrnehmungsgegenstandes herstellt. 2. Wahrnehmen läßt sich als Orientierungsverhalten deuten. Es schließt Bewegungen ein, welche die räumliche Beziehung zwischen Subjekt und Objekt verändern (Kopf- und Augenbewegungen, Drehung eines Objekts, u.ä.). 3. Als Motive der Orientierung werden genannt: Gewinn von Informationen über den erfolgreichen Vollzug von Handlungen, ein eigenständiges Erkenntnisbedürfnis (Neugier, Wißbegier), das Bedürfnis nach optimaler Anregung (Stimulierung). 4. In die Wahrnehmung wird vorhandenes Wissen (aus dem Gedächtnis) einbezogen; die Wahrnehmung hilft umgekehrt, das im Gedächtnis gespeicherte Wissen zu ergänzen. 5. Menschen sind empfindlich für etwa ein Dutzend Zustände aus ihrer Umwelt (z.B. elektromagnetische Wellen, mechanische Schwingungen) und an ihrer eigenen Person (z.B. Ermüdung, Sättigung). Empfindungen dieser Zustände werden durch Sinnesrezeptoren vermittelt. Zusammenhänge von Empfindungsstärke, Rezeptorerregung und Reizintensität sucht die Psychophysik festzustellen. 6. Erregungen der Rezeptoren werden zur Hirnrinde weitergeleitet, wo ein bewußtseinsfähiges Wahrnehmungsbild entsteht. Die Sinnesinformation wird auf dem Weg zur Hirnrinde in mehreren Stufen einer kognitiven Verarbeitung unterzogen. 7. Sinnesempfindeungen werden – je nach Vorerfahrung – unterschiedlich beurteilt. 8. In der Verarbeitung werden Verzerrungen bei der Aufnahme korrigiert, Informationslücken geschlossen und Ambiguitäten aufgelöst. Sinnesinformationen werden zu einem geschlossenen Wahrnehmungsbild organisiert. Umstritten ist, wie weit eine solche Organisation sich selbsttätig vollzieht und wie weit sie auf Erfahrung beruht. 9. Das Wahrnehmungsbild trägt gegenständliche Bedeutung (Bezug von Abbild zu abgebildeten Gegenstand) und Symbolgehalt (Bezug von Gegenständen, bzw. Zeichen zu anderen Gegenständen). 10. Durch unterschiedliche äußere Zuwendung sowie durch innere Verschiebungen der Aufmerksamkeit werden einzelne (meist informative und interessante) Wahrnehmungsinhalte bevorzugt, andere (meist Ärger oder Angst erregende) gemieden. 11. Durch sukzessives Abtasten des Wahrnehmungsfeldes läßt sich der Beobachtungsraum erweitern. 12. Die Selektion von Wahrnehmungsinhalten kann bereits an der Sinnesperipherie einsetzen; sie kann auch in der zentralen Verarbeitung stattfinden. 13. Nach der psychoanalytischen Theorie ist die Abwehr eine Funktion des Unbewußten. Der Verschleierung der Abwehr – so ebenfalls die Psychoanalyse – dienen die Vorgänge der Verkennung und der Projektion ich-bedrohlicher Triebansprüche nach außen. 14. Unbewußte Wahrnehmung (Subzeption) läßt sich experimentell belegen. 15. Die Fähigkeiten der Wahrnehmung und des Erkennens wachsen in den ersten Lebensjahren beträchtlich. Anfangs beruht das Erkennen vorwiegend auf den Nahsinnen (Berührung); es schreitet über ein bildhaftes Stadium, in dem die Fernsinne (Gesicht und Gehör) die Oberhand gewinnen, zur symbolischen Repräsentation fort. Es gibt Hinweise auf angeborene Fähigkeiten der Wahrnehmung. 16. In der Wahrnehmung gibt es eine Fülle individueller Unterschiede. Neben Unterschieden in der Tüchtigkeit der Sinne (z.B. Hörvermögen) ist u.a. eine Variation der Feldabhängigkeit, der Sensibilität für Objekte und Aspekte (z.B. Gefahren) sowie des Orientierungsverhaltens (z.B. Impulsivität der Augenbewegungen) zu beobachten. 17. Die soziale Interaktion baut auf gemeinsamen Wahrnehmungen (z.B. von Mitgliedern anderer Gruppen) auf. Indem die Wahrnehmung in Abhängigkeit von Bedürfnissen steht, diese jedoch sozial bestimmt sind, ergibt sich ein Einfluß der sozialen Situation auf die Wahrnehmung (Sozialwahrnehmung). Gruppe und Kultur nehmen Einfluß auf das Wahrnehmungslernen (z.B. werden Gesichter der eigenen Rasse feiner unterschieden). Kapitel 5: 1. Vorstellungen sind wahrnehmungsähnliche Erlebnisse; sie beruhen jedoch nicht auf einer unmittelbar vorhergehenden Sinnesreizung und sind auch keine unmittelbaren Erinnerungen. 2. Vorstellungen lassen sich mitunter wie die vorgestellten Gegenstände behandeln: Man kann sie willkürlich drehen, umformen, u.ä. Damit sind Vorstellungen für Planungen und für Problemlösen geeignete Gegenstände. 3. Es gibt unterschiedliche Theorien über die Repräsentation von Vorstellungen im Nervensystem sowie über Operationen an Vorstellungen. Eine Forschungsrichtung versucht, die Funktionen der visuellen Vorstellung nach dem Vorbild technischer (bilderzeugender und –verarbeitender) Graphiksysteme zu erklären. 4. Phantasievorstellungen entstehen oft in monotoner Umgebung; ihre ästhetischen und emotionalen Eigenschaften sind geeignet, Langeweile zu vertreiben. 5. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Erfüllung von Wünschen in der Phantasie zum Ersatz für die tatsächliche Befriedigung von Bedürfnissen werden kann. 6. Phantasietätigkeit ist im wachen Zustand und im Schlaf festzustellen (Wachtraum und Schlaftraum). Ihr Verlauf ist oft unregelmäßig und verzweigt (divergentes Denken). Mitunter wird sie von Wahrnehmungen ausgelöst (stimulierter Traum) oder sie mischt sich mit Wahrnehmungen. 7. In besonderen Fällen (bei künstlerischer oder religiöser Bestätigung, nach Drogengenuß u.ä.) stellt sich das Phänomen des über das Alltagsleben hinaus erweiterten Bewußtseins ein. Dieses Bewußtsein kennzeichnen u.a. mystische und empathische Stimmungen, erhöhte Sinnlichkeit sowie ein Gefühl von Freizügigkeit. 8. Träume gibt es in allen Stadien des Schlafes; in den sich zyklisch wiederholenden Tiefschlafphasen gewinnen sie an Häufigkeit, Lebhaftigkeit und Ordnung. 9. Die Psychoanalyse hebt die Bedeutung der Trauminhalte und ihrer Verarbeitung hervor (Symbolisierung des Unbewußten, Wunscherfüllung, Beseitigung von Tagesresten). Aus hirnphysiologischer Sicht beruht der Schlaftraum auf einer Erregung der Hirnrinde von seiten niedrig gelegener Hirnteile; diese Erregung dient als Ersatz für die während des Schlafes ausbleibende Außenreizung von seiten der Sinnesorgane. 10. Nach der Merkmalstheorie werden Begriffe bzw. Klassen von Gegenständen durch Einzelmerkmale oder durch Merkmalskombinationen bestimmt; für die Kombination von Merkmalen gibt es verschiedene Regeln. 11. Nach der ganzheitlich orientierten Prototypentheorie wird zu jeder Begriffsklasse ein Beispielexemplar gebildet; die Zugehörigkeit anderer Gegenstände zu dieser Klasse richtet sich nach der Familienähnlichkeit zu dem Beispielexemplar. 12. Begriffshierarchien ordnen Begriffe innerhalb gleicher Klasse nach ihrer Abstraktionshöhe. Je höher ein Begriff in der Hierarchie rückt, desto kleiner ist die Zahl seiner charakteristischen Merkmale. Nach der Prototypentheorie erwerben Menschen zuerst Grundbegriffe, die sie um Ober- und Unterbegriffe ergänzen. 13. Assoziationen sind Verbindungen von Begriffen zu Paaren, Reihen oder Netzen. 14. Vorstellungen und Begriffe lassen sich zu Wissenstrukturen verknüpfen. 15. Auf der Grundlage von Kasusgrammatik ist die Verbindung von Prädikaten und Argumenten zu semantischen Netzen darstellbar. 16. Schemata sind mehrfach anwendbare Wissensstrukturen. Häufig untersucht wird das Script-Schema; es beschreibt Standardmerkmale von Situationen und den in ihnen üblichen Handlungen. 17. Mentale Modelle nennt man innere Abbilder von Originalen, die Verstehen und Handeln leiten. Analogien können als mentale Modelle dienen und nützlich sein. 18. Wissen und begriffliche Ordnung bauen sich während der lebenslangen Entwicklung in Stufen auf. Bereits Säuglinge besitzen eine Repräsentation von Objekten und erwerben sensumotorische Schemata. Darauf fußen räumlich-bildhafte Vorstellungen und sprachlich-symbolische Repräsentationen. 19. Wissen und Vorstellung, Begriffe und mentale Modelle weisen beträchtliche interindividuelle Unterschiede auf. Man findet grundlegene Unterschiede zwischen dem Wissen von Anfängern (Novizen) und Experten; insbesondere haben Experten ihre Wissensbestände zweckmäßiger und reichhaltiger verknüpft. 20. Die Theorie der persönlichen Begriffe deutet die Persönlichkeit eines Menschen als das Gefüge seiner Kognitionen. Menschen konstruierten ihr eigenes Selbst- und Weltbild und gäben dabei Begriffen ihre individuelle Bedeutung. 21. Denk- und Vorstellungsinhalte werden zu sozialen Kognitionen, wenn sie soziale Sachverhalte betreffen, zum Bestand und zur Auflösung von Gruppen beitragen und soziales Handeln leiten. Soziale Kognitionen können zu sozialen Stereotypen (z.B. Feindbildern) werden. Voraussetzung für der Austausch von Kognitionen in Gruppen wird die Übernahme der Perspektive anderer. Kapitel 6: 1. Die Wahrnehmung (Beobachtung) liefert oft lückenhafte und widersprüchliche Erfahrung. Das Denken führt über die Wahrnehmung hinaus und sucht deren Lücken auszufüllen sowie deren Widersprüche aufzulösen. 2. Das Denken bringt Annahmen (Hypothesen) hervor. Diese Annahmen können sich zu Gefügen (Theorien) zusammenschließen. Die Glaubwürdigkeit sowohl von Hypothesen, als auch von Theorien hängt von ihrer Übereinstimmung mit Beobachtungen, von ihrer Folgerichtigkeit und ihrer Widerspruchsfreiheit ab. 3. Das Denken macht auch Erkenntnislücken und –widersprüche genauer kenntlich. Dadurch wird das Sammeln neuer Beobachtungen angeregt, die ihrerseits neue Überlegungen stützen. 4. Denken kann sich auf die Klärung vergangener und gegenwärtiger Sachverhalte oder auf die Vorhersge zukünftiger Zustände und Ereignisse erstrecken (rekonstruktives und prognostisches Denken). Es dient darüber hinaus dem Abschätzen von zukünftigen Handlungsmöglichkeiten und deren Folgen (konstruktives Denken). 5. Deduktive Schlüsse leiten aus vorgegebenen Aussagen (Prämissen) eine neue Aussage (Konklusion) ab; die Konklusion umfaßt die Gemeinsamkeiten in den Prämissen. Schlußfolgerungen können sowohl die Zuordnung von Subjekten und Prädikaten betreffen als auch die Beziehung in Reihen (Seriation). 6. Psychologische Theorien der Deduktion nehmen teilweise an, daß zum logischen Schließen räumliche Vorstellungen gebildet werden; teilweise nehmen sie eine sprachliche Repräsentation an. 7. In der psychologischen Analyse von Deduktionsvorgängen sind vor allem die Phasen der Informationsselektion, der Konstruktion von Zusammenhängen zwischen den ausgewählten Informationen und der Verknüpfung des organisierten Wissens unterschieden. Typische Fehler in diesen drei Phasen beruhen auf Vernachlässigung von vorgegebenen Aussageinhalten, auf Vertauschung von Inhalten und auf schematischer Übernahme von Prämissenformen in die Konklusion (Atmosphäreneffekt). 8. Bei Schlußfolgerungen aus Sätzen, die für die eigene Einstellung bedeutsam sind, ist eine Neigung zu beobachten, die Stimmigkeit einer Schlußfolgerung danach zu beurteilen, ob sich die Konklusion mit der eigenen Einstellung deckt. 9. Induktion ist eine Verallgemeinerung von einem Fall (oder wenigen Fällen) auf sämtliche Fälle derselben Klasse; die Induktion beruht zumeist auf Beobachtung. 10. Im Wahrscheinlichkeitsschluß erfolgt ein Urteil über die relative Häufigkeit eines Ergebnisses; Wahrscheinlichkeitsschlüsse zählen zu den Induktionsschlüssen. 11. Durch fortschreitende Induktion werden teilweise neue Merkmale eines Gegenstandes entdeckt, ohne daß sich dadurch die Auffassung über die früher entdeckten Merkmale zu ändern braucht. Zum Teil werden jedoch durch das Entdecken neuer Merkmale das Wissen über früher entdeckte Merkmale überholt. 12. Fehler beim Wahrscheinlichkeitsschluß entstehen oft durch Vernachlässigung von Ausgangsgrößen wie die Gesamthäufigkeit einschlägiger Fälle oder die Wahrscheinlichkeit, daß ein Ereignis vorhergesagt wird, ohne daß es eintritt. 13. Analogien bringen Gemeinsamkeiten in der Beziehung von Begriffen zum Ausdruck. Die betroffenen Beziehungen können dabei innerhalb gleicher Begriffsklassen angesiedelt sein (z.B. MÖBEL/TISCH) oder Begriffe verschiedener Klassen miteinander verbinden (z.B. KOFFER / TRAGEN). 14. Beziehungen zwischen Begriffen gleicher Klasse lassen sich als Gemeinsamkeiten in den die Begriffe charakterisierendenn Merkmalssätzen deuten. Unterschiede in der Geschwindigkeit des Erkennens von Analogien sind dann zurückzuführen auf ein unterschiedlich schnelles Durchmustern von Merkmalssätzen. 15. Zwischen Begriffen verschiedener Klasse lassen sich semantische Beziehungen (z.B. Aktion, Objekt, Zweck) bestimmen. Unterschiede in der Geschwindigkeit des Erkennens von Analogien sind dann aufgrund der verschiedenen Komplexität der semantischen Beziehungen zu erklären. 16. Aus konkreten Operationen entwickeln sich im Laufe der Kindheit und Jugend mit zunehmender Abstraktion die formalen Operationen. 17. Die Fähigkeit zum logischen Denken gilt als Komponente der Intelligenz. Somit charakterisiert sie einzelne Menschen und dient zur Unterscheidung von Individuen. Intelligenztheorien suchen Dimensioenn der Intelligenz zu ermitteln, hinsichtlich derer sich Individuen unterscheiden. 18. Logische Regeln sind geeignet, die Meinungsbildung in Gruppen zu vereinheitlichen. Vereinbarungen über logische Regeln gehören daher zu den wichtigen sozialen Errungenschaften. 19. Kulturkritische Autoren waren von dem Verlust an Logik in großen und emotionalen Gruppen. Die konsequente Anwendung logischer Regeln erscheint gefährdet, wenn Schlußfolgerungen sozialen Stereotypen zuwiderlaufen. Kapitel 7: Gedächtnis 1. Einprägen, Behalten, Erinnern – die Prozesse des Gedächtnisses – bilden die Grundlage für Kognition und Handeln. 2. Als Gedächtnisspuren, d.h. als im Gehirn gespeicherte Darstellungen von Wissen kommen in Frage: Molekülstrukturen, neu gebildete Nervennetze und Veränderungen der Erregungsleitung in bestehenden Netzen. 3. Vergessen kommt möglicherweise durch Verfall von Gedächtnisspuren zustande. Aber auch falsche Abrufstrategien mögen Erinnerungsmängel begründen. 4. Neues Wissen wird umso leichter erworben, je besser es auf vorhandenem Vorwissen aufbauen kann. 5. Das episodische Gedächtnis enthält – anders als das semantische Gedächtnis – situative Informationen wie Ort und Zeit (wie beim autobiographischen Gedächtnis). 6. Intentionales, kontrolliertes, explizites Gedächtnis ist stärker durch Begriffe gesteuert, inzidentelles, automatisches, implizites Gedächtnis durch Sinneseindrücke. Ersteres weist höhere Bewußtheit auf. 7. Die Steuerung – und damit Verbesserung – des eigenen Gedächtnisses ist möglich. Dies setzt Wissen über das eigene Gedächtnis (Metagedächtnis) voraus. 8. Der Verlauf der Übung und des Vergessens wird in der Lern- und Vergessenskurve dargestellt. 9. Die Positionskurve zeigt bevorzugtes Behalten des Anfangs und des Endes von Reihen an. 10. Wiedererkennen ist in der Regel leicher als Erinnern. 11. Unter dem Begriff Mnemotechnik faßt man Methoden zur Verbesserung des Gedächtnisses zusammen. 12. Veranschaulichung trägt zur Steigerung der Gedächtnisleistung bei. 13. Differenzierendes Lernen ordnet neue Inhalte in bekannte Makrostrukturen ein. Integrierendes Lernen erzeugt Makrostrukturen zur Ordnung von Einzelheiten. 14. Der Abruf aus dem Gedächtnis ist ein Rekonstruktionsprozeß, in den auch aktuelle Einfälle, Wahrnehmngen u.ä. eingehen. 15. Die Stimmung beim Lernen, die Stimmung beim Erinnern sowie die Emotionalität des Lernstoffs können die Gedächtnisleistung beeinflussen. 16. Man kann das Gedächtnis als eine einzige Speichereinheit auffassen (Ein-SpeicherModell) und die Güte des Behaltens auf die Tiefe der Bearbeitung zurückführen. 17. Angenommen wird auch die Trennung von Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis (Zwei-Speicher-Modell). Kurz- und Langzeitgedächtnis unterscheiden sich in ihrer Kapazität, Haltezeit und Organisation. 18. Weiterhn gibt es Beobachtungen, welche die Annahme eines Ultrakurzzeitspeichers (sensorisches Register) für Behaltenszeiten bis run 0,2 sec nahelegen. 19. Eine neuere Konzeption stellt ein Arbeitsgedächtnis in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das Arbeitsgedächtnis besteht aus einer kontrollierenden und koordienierenden Zentralinstanz sowie aus einem phonologischen Speicher, einem Bildspeicher sowie Wiederhol- und Rückkopplungsschleifen. 20. Netzwerkmodelle des Gedächtnisses fußen auf Annahmen der Neuropsychologie. Die Tätigkeit des Kurzzeitspeichers wird als Aktivierung kognitiver Einheiten (Knoten) beschrieben. Auf einer höheren Ebene können Gruppen aktivierter Knoten in einen Zusammenhang gebracht werden. 21. Im Verlauf der menschlichen Entwicklung verändert sich die Gedächtnisleistung. Verbesserungen der Gedächtnisleistung beruhen auf der Vervollkommnung des Metagedächtnisses. 22. Implizites Lernen in den ersten Lebensjahren wird zunehmend durch explizites Lernen ersetzt. 23. Es gibt individuelle Unterschiede in der Geschwindigkeit des Lernens und Vergessens, des Behaltensumfangs und der Veränderung von Erinnerungen nach längerem Behalten. 24. Das Gedächtnis trägt zur Ausbildung eines Selbst-Konzepts bei. 25. Erinnerungsleistungen von Gruppen sind dem individuellen Erinnern oft überlegen. Wie beim individuellen Gedächtnis könnte auch beim kollektiven Gedächtnis Verdrängung vorkommen. 26. Erinnerungen dienen oft der Durchsetzung eigener Interessen in einer Gruppe oder drücken soziale Wünsche und Vorstellungen aus. Kapitel 8: Problemlösen 1. Probleme unterscheiden sich u.a. in ihrer Komplexität, Vernetztheit und Dynamik. Erfolgreiches Problemlösen überführt mit Hilfe zulässiger Operationen einen Ausga