Brückenkurs Mathe 1. Elementare Logik und mathematische

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Brückenkurs Mathe
1. Elementare Logik und mathematische Argumentation
Wenn es auf exakte Argumentation ankommt, ist die ”natürliche Sprache”
(”Umgangssprache”) zu unbestimmt. Selbst unverfänglich scheinende Wörter
wie ”und”, ”oder”, ”nicht” werden nicht einheitlich gebraucht.
Ihre Bedeutung muss also festgelegt werden, wenn man Missverständnisse vermeiden will. In der ”klassischen” Logik geschieht das auf rein formale Art.
Bausteine sind ”wahrheitsdefinite” Aussagen mit jeweils genau einem ”Wahrheitswert”: w für ”wahre” Aussagen , f für ”falsche” Aussagen. Symbole für
wahrheitsdefinite Aussagen sollen Großbuchstaben A, B, C, ... sein.
Die Bedeutung von ”und”, ”oder”, ”nicht” wird nun durch die Wahrheitswerte
der zusammengesetzten Aussagen festgelegt.
”und–Verknüpfung”
Aus wahrheitsdefiniten Aussagen A, B wird die Aussage ”A und B” gebildet
(Abkürzung A ∧ B). ”A und B” ist nur wahr, wenn beide Teilaussagen wahr
sind, sonst immer falsch.
”oder–Verknüpfung”
Aus wahrheitsdefiniten Aussagen A, B wird die Aussage ”A oder B” gebildet
(Abkürzung A ∨ B). ”A oder B” ist nur falsch, wenn beide Teilaussagen falsch
sind, sonst immer wahr.
”A oder B” ist also auch wahr, wenn beide Teilaussagen wahr sind. In mathematischen Argumentationen wird ”oder” immer in diesem ”nicht-ausschließenden”
Sinn gebraucht. Sonst sagt man ”entweder–oder”.
”nicht–Operation”
Ist A eine wahrheitsdefinite Aussage, wird die ”verneinte Aussage” ”Nicht: A”
(Abkürzung ¬A) gebildet. Sie ist w, wenn A f ist und f , wenn A w ist. ”Nicht”
vertauscht also w und f . Sprachlich wird nur in Ausnahmefällen das ”nicht”
dem Satz vorangestellt.
”wenn–dann–Verknüpfung”
Aus wahrheitsdefiniten Aussagen A, B wird die Aussage ”Wenn A, dann B”
gebildet (Abkürzung: A =⇒ B). Sie ist f , wenn A w und B f ist, in jedem
anderen Fall w.
In mathematischen Argumentationen ist für ”Wenn A, dann B” synonym: ”Aus
A folgt B”, ”A ist hinreichend für B”, ”B ist notwendig für A”. (Reihenfolge!)
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”genau dann...wenn”
Aus wahrheitsdefiniten Aussagen A, B wird die Aussage ”Genau dann A, wenn
B” gebildet (Abkürzung: A ⇐⇒ B). Sie ist w, wenn A und B denselben
Wahrheitwert haben, in jedem anderen Fall f .
In mathematischen Argumentationen wird synonym auch verwendet: ”A und
B sind äquivalent”. Es herrscht leider häufig Verwirrung, ob man ” ⇐⇒ ” oder
”=” setzen soll. Sind a, b ∈ R, so ist
(a + b)2 ⇐⇒ a2 + 2ab + b2
sinnlos, denn auf beiden Seiten des Doppelpfeils stehen Terme, keine Aussagen!
Korrekt wäre also zu schreiben
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2 ,
wobei es sich hier aber auch nicht um eine Aussage, sondern um eine Aussageform, speziell eine Gleichungsform handelt. Das liegt daran, dass ”Variablen” a und b vorkommen, die man noch ”binden” muss. Bindung von Variablen in Aussageformen geschieht durch die Quantoren ”für alle” und ”es gibt”.
Die oben gemeinte Aussage schreibt sich korrekt so:
Für alle a, b ∈ R : (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 .
Beispiel für Bindung mit Quantor ”es gibt”:
Es gibt ein x ∈ R mit x3 − 2x = 1.
In mathematischen Argumentationen wird ”es gibt ein...” immer in der Bedeutung ”es gibt mindestens ein...” gebraucht, gelegentlich wird dies zur Verdeutlichung hinzugesetzt. Die obige Aussage ist daher w, auch wenn es sogar
drei x ∈ R gibt mit x3 − 2x = 1 (... welche?). Existenz und Eindeutigkeit
wird mit ”es gibt genau ein...” ausgedrückt. Die Verneinung von Aussagen mit
Quantoren geht so:
Es sei X eine Menge, A(x) eine Aussageform für Elemente x ∈ X. Dann sind
”¬( Für alle x ∈ X : A(x) )” und ”Es gibt ein x ∈ X mit ¬A(x)” äquivalent.
Ebenso sind ”¬(Es gibt ein x ∈ X mit A(x) )” und ” Für alle x ∈ X : ¬A(x) ”
äquivalent.
Beispiel
Bezeichnet X die Menge aller EinwohnerInnen von Duisburg und ist für x ∈ X
die Aussageform A(x): ”Die Körpergröße von x ist kleiner als 2m”, so bedeutet
”¬( Für alle x ∈ X : A(x) )” in Worten: Nicht alle DuisburgerInnen sind kleiner
als 2m. Gleichwertig ist: ”Es gibt eineN DuisburgerIn, die nicht kleiner ist als
2m”, das ist aber genau ”Es gibt ein x ∈ X mit ¬A(x)”.
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Ein häufiger Fehler ist es, die Aussagen
(I)
”Wenn A, dann B.”
(II)
”Wenn B, dann A.”
zu verwechseln bzw. als gleichwertig anzusehen. Tatsächlich kann (I) w sein
und (II) f (und umgekehrt!).
Beispiele
(1)
(I) Wenn es regnet, ist die Straße nass. (w)
(II) Wenn die Straße nass ist, regnet es. (f )
(2)
(I) Ist eine reelle Zahl größer als 0, dann ist sie größer als 1. (f )
(II) Ist eine reelle Zahl größer als 1, dann ist sie größer als 0. (w)
Also ist die Reihenfolge bei Folgerungen wesentlich! Häufig bildet man die
Kontraposition
Die Kontraposition zu ”Wenn A, dann B” lautet ”Wenn ¬B, dann ¬A”. Beide
Aussagen sind äquivalent. (Das wird später genauer begründet!)
Beispiele
Kontrapositionen zu (1), (I) und (2), (II) der letzten Beispiele lauten:
(I’)
”Wenn die Straße nicht nass ist, regnet es nicht.” (w)
(II’)
”Ist eine reelle Zahl nicht größer als 0, ist sie nicht größer als 1.” (w)
Verknüpfte Aussagen lassen sich ihrerseits weiter zusammensetzen. Dann sind
Klammern erforderlich (oder Vorrangregeln). Über den Wahrheitswert komplizierterer Ausdrücke lässt sich schematisch mit ”Wahrheitstafeln” urteilen. Die
werden so aufgebaut: Für jede ”Grundaussage” richtet man eine Spalte ein und
trägt alle möglichen w-f -Kombinationen Zeile für Zeile ein. Dann richtet man
für jede Teilaussage bis hin zur Gesamtaussage weitere Spalten ein. Alle Teilaussagen werden nun mit w oder f bewertet. Steht in der Spalte ”Gesamtaussage”
in allen Zeilen nur w, ist die Gesamtaussage allgemeingültig. Als Beispiel soll
zuerst die Kontraposition untersucht werden.
Beispiel
Folgende Aussage ist allgemeingültig (d.h. ist für bel. Aussagen A, B stets w):
C: Genau dann (wenn A, dann B), wenn ( wenn ¬B, dann ¬A ).
wenn ¬B, dann ¬A
A
B
wenn A, dann B
w
w
w
w
w
w
f
f
f
w
f
w
w
w
w
f
f
w
w
w
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C
Abschließend ein paar Hilfen zur besseren Verständigung mit Mathematikern.
Die wichtigsten Bestandteile in mathematischen Arbeiten tragen die folgenden
Bezeichnungen:
Definition
Hier wird ein Begriff ”neu” festgelegt durch Rückführung auf vorher definierte
Begriffe. Unerlässlich zur Beschleunigung der Verständigung.
Beispiel: Ein Integritätsring ist ein kommutativer Ring mit einem von Null
verschiedenen Einselement, der keine Nullteiler hat.
Definitionen muss man auswendig lernen wie Vokabeln.
Axiom
Fundament, wo die Rückführung endet. Axiome sind Aussagen, deren Wahrheit
man voraussetzt. Im Prinzip kann alles zum Axiom erhoben werden, nur dürfen
Axiome einander nicht widersprechen, sonst folgt aus ihnen alles! Darum achtet
man darauf, möglichst wenige, ”einfache” Axiome zu benutzen. Diese Fundamente sind so tiefgelegt, dass sie für den Anwender nicht mehr direkt sichtbar
sind.
Satz
Bündelung einer Argumentationskette in der Form: ”Wenn die Voraussetzung
A gilt, dann gilt auch B” unter Weglassung der Zwischenschritte.
Beispiel: Wenn eine Folge monoton und beschränkt ist, dann ist sie konvergent.
Erspart die immer gleichen Zwischenschritte. Ein zentraler Satz heißt auch
”Theorem”, ein Hilfssatz heißt auch ”Lemma” (Ausnahmen möglich!).
Beweis
Die Zwischenschritte, die bei der Formulierung eines Satzes ausgelassen werden. Beweise dürfen nur auf Axiome, Logikregeln und schon bewiesene Aussagen zurückgreifen. Beweise können Längen vom Einzeiler bis zu mehrbändigen
Büchern haben.
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