Carl Zuckmayer, Sohn eines Fabrikanten für Weinflaschenkapseln

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Carl Zuckmayer, Sohn eines Fabrikanten für Weinflaschenkapseln in Nackenheim,
wuchs von 1900 an in Mainz auf. Er war kein begeisterter Schüler und hatte oft
Ärger mit seinen Lehrern. Als in der Oberprima ein kränkelnder Lehrer
seinetwegen beinahe in Ohnmacht gefallen war, konnte er nur knapp dem
Schulverweis entgehen. 1914 machte er ein "Notabitur" am heute altsprachlichen
Rabanus-Maurus-Gymnasium im Mainz, was ihm ermöglichte, sich als
Kriegsfreiwilliger zu melden. Bis 1918 war er Soldat an der Westfront. Nach
Kriegsende studierte bis 1920 u. a. Jura, Literaturgeschichte und Soziologie in
Frankfurt am Main und Heidelberg.
Von 1917 an veröffentlichte er Gedichte in expressionistischen Zeitschriften,
darunter in der von Franz Pfemfert herausgegeben "Aktion". Im Dezember 1920
wurde sein Drama "Kreuzweg" am Staatlichen Schauspielhaus Berlin uraufgeführt,
aber bereits nach drei Aufführungen wieder abgesetzt. Lobende Besprechungen
erhielt es lediglich von Herbert Ihering und Siegfried Jacobsohn.
1920 heiratete er seine Mainzer Jugendliebe Annemarie Ganz, von der er sich 1921
wieder scheiden ließ, nachdem er eine leidenschaftliche Liebesaffaire mit der
Schauspielerin Annemarie Seidel, genannt Mirl, begonnen hatte. Bis 1922 schlug er
sich – insofern als unkonventioneller Autor ein Bohemien (Helmut Kreuzer) – als
(Bänkel-) Sänger in Kneipen und mit Gelegenheitsarbeiten durch (u. a. als Statist
beim Film oder auch als Drogendealer, dies ließ er jedoch sehr schnell, da er
beinahe verhaftet wurde) bis er Engagements als Dramaturg in Kiel, München und
(zusammen mit Bertolt Brecht) am Deutschen Theater Berlin erhielt. Dort lernte er
die Wiener Schauspielerin Alice Frank, geborene von Herdan, kennen, die er 1925
heiratete. Aus einer vorangegangenen Ehe mit dem kommunistischen Funktionär
Karl Frank hatte sie eine Tochter (Michaela), deren Stiefvater Zuckmayer nun
wurde. 1926 wurde seine leibliche Tochter "Maria Winnetou" geboren.
Der literarische Durchbruch gelang ihm im Dezember 1925 mit der Komödie "Der
fröhliche Weinberg", die kurz zuvor von Paul Fechter mit dem Kleistpreis
ausgezeichnet worden war. Sie führte vor allem wegen der parodistischen
Darstellung eines Korpsstudenten zu zahlreichen Skandalen, wurde aber dennoch
das meistgespielte Theaterstück in den 1920er Jahren. Von seinen Tantiemen
kaufte sich Zuckmayer 1926 ein Haus in Henndorf bei Salzburg, wo er nun
überwiegend lebte, obwohl Berlin weiterhin sein berufliches Zentrum blieb.
Dort feierte er 1927 mit der Uraufführung von "Schinderhannes" den nächsten
Theatererfolg. Dieses Stück wollte er als expliziten Gegenentwurf zum politischen
Theater von Erwin Piscator verstanden wissen: "Im Fröhlichen Weinberg war es
mir gelungen, die Leute so von Herzen zum Lachen zu bringen, wie sie selten im
Theater lachen können. Nun lag es mir am Herzen, die Leute auch einmal flennen
zu lassen. Ich wollte wieder Menschen vom Gefühl her auf dem Theater
ansprechen, gegen die sogenannte neue Sachlichkeit, gegen das lehrhaft-politische
Theater, das in dieser Zeit begann." 1929 folgte das Melodram "Katharina Knie",
das wieder großen Publikumszuspruch fand, bei der Kritik allerdings – wie
übrigens alle Stücke Zuckmayers nach dem "Fröhlichen Weinberg" - durchfiel. Zu
dieser Zeit arbeitete er auch am Buch zu dem berühmten Film "Der blaue Engel"
mit, der nach dem Roman "Professor Unrat" von Heinrich Mann gedreht wurde und
im Frühjahr 1930 in die Kinos kam.
Seinen größter Erfolg in den Jahren der Weimarer Republik hatte er 1931 mit der
Komödie "Der Hauptmann von Köpenick". 160.000 Mark an Tantiemen (damals das
Lebenseinkommen eines Schwerstarbeiters) trug sie ihm allein im ersten Jahr nach
der Uraufführung ein, aber auch den Hass der Nationalsozialisten, denen die
antimilitaristische Tendenz des Stücks zuwider war. Nach dem "Anschluss"
Österreichs 1938 sah sich Zuckmayer, dessen Mutter aus einer assimilierten
jüdischen Familie stammte und der in der deutschen Emigration zunächst als
Prototyp des "Halbemigranten" (Alfred Döblin) galt, nun doch zur Flucht
gezwungen, zuerst in die Schweiz, dann in die USA, wo er in Hollywood als
Drehbuchautor arbeitete. Da er sich dort jedoch in seiner Existenz als Künstler
bedroht sah, pachtete er ab 1941 eine Farm in Vermont, die er bis Kriegsende
bewirtschaftete. 1943 schrieb er für den ersten amerikanischen
Auslandsgeheimdienst, das "Office of Strategic Services" (OSS), Dossiers über
Schauspieler, Regisseure, Verleger und Journalisten, die während der Zeit des
Dritten Reiches in Deutschland erfolgreich waren. Dabei machte er die ganze
Spannbreite der Verhaltensmöglichkeiten in einer Diktatur von Anpassung bis hin
zu Renitenz anhand von 150 exemplarischen Lebensläufen sichtbar. Diese Dossiers
wurden erst 2002 als "Geheimreport" veröffentlicht.
Ein Jahr nach Kriegsende, 1946, kehrte Zuckmayer als ziviler Kulturbeauftragter
des amerikanischen Kriegsministeriums erstmals nach Europa zurück. Nach einer
fünfmonatigen Inspektionsreise schrieb er einen umfangreichen
"Deutschlandbericht", in dem er zahlreiche besatzungspolitische Maßnahmen
kritisierte und eine Reihe konkreter Änderungsvorschläge machte.
Sein 1946 in Zürich uraufgeführtes Stück Des Teufels General war sein größter
Nachkriegserfolg auf dem westdeutschen Theater. Allein in der Spielzeit 1948/49
wurde es 2069 Mal gespielt. Mit Dramen wie "Der Gesang im Feuerofen" (1950)
über Widerstand und Kollaboration in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs
und "Das kalte Licht" (1955) über einen Fall von Atomspionage war Zuckmayer im
Westen auch in den 1950er Jahren der erfolgreichste deutsche Dramatiker. Das
führte auch zu zahlreichen Verfilmungen, u. a. durch Helmut Käutner. Mit Beginn
der 1960er Jahre sank das Interesse an seinen Stücken rapide, weil ihr formaler
Traditionalismus nicht mehr dem Zeitgeschmack von Regisseuren und Intendanten
entsprach. Über die Gründe für diese Entwicklung verständigte sich Zuckmayer in
den 1970er Jahren in einem ebenso kurzen wie aufschlussreichen Briefwechsel mit
Tankred Dorst.
Bis 1957 behielt Zuckmayer, der im Januar 1946 die 1943 von ihm beantragte
amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, seinen Wohnsitz in Woodstock (Vermont)
(USA). Einen Antrag auf Wiedereinbürgerung in Deutschland zu stellen, lehnte er
ab. 1957 erwarb er in Saas-Fee im Schweizer Kanton Wallis ein Haus und
übersiedelte wieder nach Europa. 1966 wurde er Schweizer Staatsbürger.
In diesem Jahr veröffentlichte er auch seine Autobiographie "Als wär’s ein Stück
von mir", die ein Bestseller wurde und sich bis heute weit über eine Million Mal
verkaufte.
Zuckmayers Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am
Neckar. Materialien über die Emigrationszeit befinden sich im Privatarchiv von Dr.
Richard Albrecht in Bad Münstereifel.
Auszeichnungen
* 1925 Kleistpreis
* 1927 Georg-Büchner-Preis
* 1952 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main
* 1957 Ehrendoktor der Universität Bonn
* 1960 Großer österreichischer Staatspreis für Literatur
* 1967 Ehrenbürger der Universität Heidelberg und Wahl in den Orden Pour le
Mérite für Wissenschaft und Kunst
* 1972 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
Werke (Auswahl)
* Kreuzweg, Drama 1921 (UA Dez. 1920)
* Der Eunuch, Drama 1922, veröffentlicht mit einem Beitrag zur Entstehungsund Aufführungsgeschichte von Gunther Nickel, in: Jahrbuch zur Literatur der
Weimarer Republik, Bd. 3 (1997), S. 47–122
* Pankraz erwacht oder Die Hinterwäldler, 1923 (UA 1925)
* Der fröhliche Weinberg, Volksstück 1925
* Der Baum, Gedichte, 1926
* Ein Bauer aus dem Taunus und andere Geschichten, 1927
* Schinderhannes, Drama 1927
* Katharina Knie, Drama 1929
* Kakadu Kakada, Kinderstück 1929
* Der Hauptmann von Köpenick, Drama 1931
* Die Affenhochzeit, Novelle 1932
* Der Schelm von Bergen, Drama 1934
* Eine Liebesgeschichte, Erzählung 1934
* Salwàre oder Die Magdalena von Bozen, Roman 1936
* Ein Sommer in Österreich, Erzählung 1937
* Herr über Leben und Tod, Erzählung 1938
* Bellman, Drama 1938
* Pro Domo, Essay 1938
* Second Wind. The Autobiographie of Carl Zuckmayer, with an Introduction by
Dorothy Thompson, 1941
* Des Teufels General, Drama 1945 (UA 1946)
* Carlo Mierendorff. Porträt eines deutschen Sozialisten, 1947
* Die Brüder Grimm, Essay, 1948
* Der Seelenbräu, Erzählung 1949
* Barbara Blomberg, Drama 1949
* Der Gesang im Feuerofen, Drama 1950
* Herbert Engelmann, aus dem Nachlaß von Gerhart Hauptmann, ausgeführt
von Carl Zuckmayer, Drama 1952
* Ulla Winblad oder Musik und Leben des Carl Michael Bellman, Drama 1953
* Das kalte Licht, Drama 1955
* Die Fastnachtsbeichte, Erzählung 1959
* Die Uhr schlägt eins, Drama 1961
* Der Rattenfänger, Drama 1964
* Als wär's ein Stück von mir, Autobiographie 1966
Veröffentlichungen aus dem Nachlass
* Späte Freundschaft. Carl Zuckmayer, Karl Barth in Briefen, Zürich:
Theologischer Verlag 1977
* Carl Zuckmayer – Paula Wessely, in: Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft,
Jg. 4, H. 4 vom 1. November 1978, S. 124–128
* Carl Zuckmayer und Gustaf Gründgens, mitgeteilt von Rolf Badenhausen, in:
Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft, Jg. 5, H. 4. vom 1. November 1979, S.
214–243
* Carl Zuckmayer und sein Bibliograph. Aus dem Briefwechsel mit Arnold J.
Jacobius (1953–1976), mitgeteilt von Gerald P.R. Martin, in: Blätter der CarlZuckmayer-Gesellschaft, Jg. 6, H. 3 vom 1. August 1980, S. 117–157
* Carl Zuckmayer und die Lindemanns. Aus seiner Korrespondenz mit Louise
Dumont und Gustav Lindemann (1926-1931), mitgeteilt von Winrich Meiszies, in:
Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft, Jg. 8, H. 1 vom 1. Februar 1982, S. 34–48
* „Ganz neu aus meiner Phantasie“. Der Weg zum Rattenfänger, dargestellt an
Carl Zuckmayers Briefwechsel mit Günther Niemeyer in den Jahren 1964–1975,
zusammengestellt von Gerald Martin, in: Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft,
Jg. 8, H. 4 vom 1. November 1982, S. 173–211
* „Wir sind noch dem Wunder begegnet …“ Der Briefwechsel zwischen Carl
Zuckmayer und Fritz Usinger (1919–1976), zusammengestellt von Gerald P. R.
Martin, in: Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft, Jg. 10, 1984, H. 1, S. 7–58
* Carl Zuckmayer und Gottfried von Einem. Aus der Korrespondenz des Autors
mit dem Komponisten der Rattenfänger-Musik. Zusammengestellt von Gerald
Martin. In: Blätter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft, Jg. 8, H. 4 vom 1. November
1982, S. 212–222
* Carl Zuckmayer / Paul Hindemith: Briefwechsel, ediert, eingeleitet und
kommentiert von Gunther Nickel und Giselher Schubert, in: Zuckmayer-Jahrbuch,
Bd. 1, 1998, S. 9–118
* Carl Zuckmayer / Max Frisch: Briefwechsel, ediert, eingeleitet und
kommentiert von Walter Obschlager, in: Zuckmayer-Jahrbuch, Bd. 3, S. 247–279
* Carl Zuckmayer und Friedrich Dürrenmatt – eine Dokumentation, ediert,
eingeleitet und kommentiert von Rudolf Probst und Ulrich Weber, in: ZuckmayerJahrbuch, Bd. 3, S. 273–297
* „Ihnen bisher nicht begegnet zu sein, empfinde ich als einen der grössten
Mängel in meinem Leben“. Der Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Carl
Zuckmayer. Deutsch und Französisch. In: Les Carnets Ernst Jünger (Montpellier),
Nr. 2 (1997), S. 139–165 (dt.) und 167–195 (frz.); erweiterte dt. Fassung in:
Zuckmayer-Jahrbuch, Bd. 2, 1999, S. 515–547
* Carl Zuckmayer – Carl Jacob Burckhardt, Briefwechsel, ediert eingeleitet und
kommentiert von Gunther Nickel und Claudia Mertz-Rychner, in: ZuckmayerJahrbuch, Bd. 3, 2000, S. 11–243
* Der blaue Engel. Die Drehbuchentwürfe (nach dem Roman Professor Unrat von
Heinrich Mann), hrsg. von Luise Dirscherl und Gunther Nickel, St. Ingbert: Röhrig
Universitätsverlag 2000
* Geheimreport (Dossiers über deutsche Künstler, Journalisten und Verleger im
'Dritten Reich'), hrsg. von Gunther Nickel und Johanna Schrön, Göttingen:
Wallstein 2002
* „Ich bange um die Eiszeit ‚als wärs ein Stück von mir‘“. Der Briefwechsel
zwischen Carl Zuckmayer und Tankred Dorst, ediert, eingeleitet und kommentiert
von Heidrun Ehrke-Rotermund, in: Zuckmayer-Jahrbuch, Bd. 5, 2002, S. 11–73
* Carl Zuckmayer, Briefe an Hans Schiebelhuth 1921–1936, ediert, eingeleitet
und kommentiert von Gunther Nickel, in: Zuckmayer-Jahrbuch, Bd. 6, 2003, S. 9–
85
* Alice und Carl Zuckmayer – Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel:
Briefwechsel, ediert, eingeleitet und kommentiert von Hans Wagener, in
Zuckmayer-Jahrbuch, Bd. 6, 2003, S. 89–218
* Carl Zuckmayer / Gottfried Bermann Fischer: Briefwechsel, hrsg. von Irene
Nawrocka, Göttingen: Wallstein 2004
* Carl Zuckmayer / Annemarie Seidel: Briefwechsel, hrsg. von Gunther Nickel,
Göttingen: Wallstein 2003
* Deutschlandbericht für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten von
Amerika [1947], hrsg. von Gunther Nickel, Johanna Schrön und Hans Wagener,
Göttingen: Wallstein 2004
Filmographie
Filme, die nach Werken von Carl Zuckmayer entstanden sind:
* 1926 – Qualen der Nacht – Regie: Kurt Bernhardt (mit Wilhelm Dieterle und
Alexander Granach)
* 1928 – Schinderhannes – Regie: Kurt Bernhardt
* 1929 – Katharina Knie – Regie: Karl Grune (mit Willi Forst, Viktor de Kowa
und Ernst Busch)
* 1931 – Der Hauptmann von Köpenick – Regie: Richard Oswald (mit Max
Adalbert)
* 1945 – I was a Criminal (Hauptm. von Köpenick) – Regie: Richard Oswald (mit
Albert Bassermann)
* 1950 – Der Seelenbräu – Regie: Gustav Ucicky (mit Paul Hörbiger)
* 1952 – Der fröhliche Weinberg – Regie: Erich Engel (mit Gustav Knuth und
Camilla Spira)
* 1955 – Des Teufels General – Regie: Helmut Käutner (mit Curd Jürgens,
Marianne Koch und Viktor de Kowa)
* 1956 – Der Hauptmann von Köpenick – Regie: Helmut Käutner (mit Heinz
Rühmann, Martin Held und Hannelore Schroth)
* 1958 – Der Schinderhannes – Regie: Helmut Käutner (mit Curd Jürgens, Maria
Schell und Siegfried Lowitz)
* 1960 – Die Fastnachtsbeichte – Regie: William Dieterle (mit Hans Söhnker,
Gitty Daruga und Götz George)
* 1997 – Der Hauptmann von Köpenick – Regie: Frank Beyer (mit Harald
Juhnke, Udo Samel, Elisabeth Trissenaar und Katharina Thalbach)
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