die sozial-kognitive theorie - FOM-Wiki

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Sozial-kognitive Theorie
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SOZIAL-KOGNITIVE LERNTHEORIE
nach BANDURA
BIOGRAPHIE
ALBERT BANDURA wurde 1925 geboren. Bis 1949 studierte er
an der University of British Columbia und promovierte 1952 an
der State University of Iowa. BANDURA gilt interessanterweise
trotz eines ursprünglich eher orthodox behavioristisch ausgerichteten lernpsychologischen Ansatzes heute als einer der
Hauptkritiker eines reduktionistischen, mechanistischen und assoziativen Lernmodells, wie es durch das Klassische und teils
auch durch das Operante Konditionieren repräsentiert wird.
BANDURA bemühte sich über Jahre um eine Anerkennung
seines Ansatzes als eigenständiges und von traditionell
lerntheoretischen Konzepten unabhängiges Lernmodell.
Tatsächlich vereinigt das Modellernen (neuere Bezeichnung:
Sozial-Kognitive Lerntheorie) Prinzipien des klassischen und
operanten Konditionierens (Lernen durch Kontiguität bzw.
Lernen durch Verstärkung) und verbindet beides mit der Annahme kognitiver Vermittlungsprozesse (Wahrnehmung, Vorstellung, Speicherung, Denken).
Die besondere Bedeutung BANDURA's ist v.a. darin zu sehen, dass er die früheren Ansätze des Imitations- und Nachahmungslernens erweitert und zu einer umfassenden, integrativen, kognitiven Theorie ausgearbeitet hat. Ein wesentliches Verdienst BANDURA's besteht ferner darin, in Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern eine intensive experimentelle Forschung dieser Art des Lernens in Gang gebracht zu haben. Darüber hinaus durchbrach BANDURA ein in der Lernpsychologie jahrzehntelanges Tabu, indem er kognitive
Aspekte und die damit verbundenen Phänomene, wie Motivation, Wille, Bewertung, einer
empirischen Forschung zugänglich machte. Zweifellos waren es auch nicht zuletzt die Forschungsarbeiten BANDURA's, die seit den siebziger Jahren zu einer Flut von Veröffentlichungen und damit zu einer Expansion der kognitiven Psychologie geführt haben.
Für BANDURA ist es erstaunlich, dass die traditionellen Beschreibungen und Erklärungsversuche des Lernens die Vorgänge des "Lernens durch Beobachtung“ kaum oder gar
nicht berücksichtigen, obwohl sie im Leben eminente Bedeutung haben:
BANDURA schildert, wie er sich die Erfahrungen eines Außerirdischen vorstellt,
der den Auftrag hat, die Bewohner seines Planeten über die Denk- und Lebensweise der Erdenbürger zu informieren:
Wenn er die wichtigste Literatur über das Lernen durchsehen würde, käme er
zu dem Schluss, dass es im Prinzip zwei Lernarten gibt:
a) die Menschen werden durch Belohnung und Strafe dazu gebracht, ihr Verhalten zu ändern (Operantes Konditionieren)
b) sie erwerben Gefühle, Einstellungen, Handlungsmuster usw. durch die zeitlich-räumliche Kopplung eines neutralen Reizes mit einem unbedingten Reiz
(Klassisches Konditionieren):
Würden sich die Wesen auf dem fernen Planeten nur auf diese Prinzipien verlassen, dann würden sie ihre Zeit mit langwierigem und anstrengendem Lernen
durch Versuch und Irrtum zubringen, um sich die einfachsten Kenntnisse anzueignen, bis eines Tages einer ihrer Fehler tödlich ausginge.
Sozial-kognitive Theorie
ZUSAMMENFASSENDE KRITIK AM
KLASSISCHEN UND OPERANTEN KONDITIONIEREN
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Sozial-kognitive Theorie
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DIE BEDEUTUNG SOZIAL-KOGNITIVER LERNPROZESSE
(IN ABGRENZUNG ZUM KLASSISCHEN UND OPERANTEN KONDITIONIEREN)
¾ Die Prinzipien des Klassischen und Operanten Konditionierens können das breite
Spektrum menschlicher Verhaltens- und Erlebensweisen (z.B. Erlernen der Sprache,
musische Fähigkeiten, sozial-abweichendes Verhalten) kaum erklären (Kinder lernen
z.B. Worte und Sätze primär nicht dadurch, dass Erwachsene bestimmte Laute im
kindlichen „Geplapper“ selektiv verstärken, sondern indem sie die Sprache von Modellen imitieren)
¾ Die Schwäche des Klassischen und Operanten Konditionierens zeigt sich auch darin,
dass ein Mensch in seiner Umwelt kaum lebensfähig wäre, wenn er das gewaltige
Lernpensum, das er im Laufe seines Lebens absolviert, nur durch gezieltes Bekräftigen
einzelner Handlungen bewältigen müsste.
¾ Das Erlernen komplexer sozialer Einstellungen und Handlungsmuster (ethische Wertvorstellungen; Suche nach Lebenssinn), lässt sich nur bedingt über das Klassische und
Operante Konditionieren erklären.
¾ Nach Auffassung BANDURA's versagen die Erklärungsansätze des Klassischen und
Operanten Konditionierens bei der Erklärung der Entstehung völlig neuer
Verhaltensweisen, die vorher also nie verstärkt werden konnten.
¾ Klassische und operante Lernprinzipien bieten auch keine Erklärung dafür, dass ein
Verhalten erst Tage, Wochen oder Monate nach dem Erlernen auftreten kann.
¾ Von besonderer erzieherischer Relevanz ist nach Auffassung von BANDURA, dass es
außerordentlich mühsam, umständlich und zeitaufwändig wäre, wenn der Erzieher lediglich über den Mechanismus des Bekräftigungslernens Einfluss auf das Kind nehmen
könnte.
¾ Problematisierend kommt hinzu, dass gerade in der alltäglichen Erziehungspraxis (z.B.
im Rahmen der Familie) relativ willkürlich- und kaum an den Prinzipien des Operanten
Konditionierens orientiert- verstärkt und bestraft wird, was ja im strengen Sinne des
Operanten Konditionierens zu chaotischen Persönlichkeitsentwicklungen führen müsste.
¾ Unbestreitbar dürfte auch sein, dass die Vielzahl kultureller Fertigkeiten, das Erlernen
von Einstellungen gegenüber Personen, Dingen oder Objekten, das Erlernen sozialer
Verhaltensweisen wie Aggression und Kooperation, aber auch das Erlernen von Kommunikations- und Denkstilen weitgehend auf Nachahmungsprozessen basiert.
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DIE SOZIAL-KOGNITIVE THEORIE
Ausgangsthesen
)
)
)
Jedes Individuum besitzt die Tendenz, beobachtete
Handlungen, Einstellungen oder Emotionen von Modellen nachzuahmen.
Dabei ist es unerheblich, ob diese Modelle direkt beobachtbar sind oder deren Verhalten nur verbal übermittelt wurde, ob es sich um reale Modelle, Filmmodelle
oder symbolische Modelle (Zeichentrickfiguren) handelt. Der Mensch identifiziert sich mit diesen Modellen
und ahmt sie nach.
Diese Nachahmung vollzieht sich aber bewusst und in
Abhängigkeit von komplexen kognitiven Prozessen der
Wahrnehmung, der Bewertung, des Urteilens, der Entscheidung, der Abwägung von Kosten-Nutzen usw. .
Aus diesem Grunde spricht man auch von „sozialkognitiver Theorie“.
KOGNITIVE UND INNERPSYCHISCHE PROZESSE WIRKEN BEIM LERNEN AM MODELL ZUSAMMEN:
KOGNITIVE PROZESSE
(Wahrnehmung; Speicherung des Wahrgenommenen; Erfassen von Situationen;
Bewertungen wie „subjektive Selbstbewertung“, „Fremdbewertungen“; Urteile; Entscheidungen; vergleichende Analysen usw.)
MOTIVATIONSLAGE
(Bedürfnisse; Motive; Wert eines Ziels; Erfolgswahrscheinlichkeit; Erwartungshaltungen wie „Situationserwartung“, „Ergebniserwartung“, „Konsequenzerwartung“)
INDIVIDUELLE BEREITSCHAFT
(Wille zu reagieren; motorische Verhaltensmöglichkeiten; Geschicklichkeit)
Diese intervenierenden Variablen wirken nicht isoliert, sondern in einem komplizierten
Wechselwirkungsprozess.
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GRUNDANNAHMEN DER SOZIAL-KOGNITIVEN THEORIE
Die Theorie von BANDURA basiert auf einem ganz bestimmten Menschenbild, das sich
von dem Menschenbild der klassischen Behavioristen (Pawlow, Watson, Skinner) erheblich unterscheidet. Folgende vier zentrale Grundannahmen bestimmen die Theorie.
In welchen Aspekten unterscheiden sich diese Grundannahmen von den Ihnen bislang
bekannten Theorien des Klassischen und Operanten Konditionierens?
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GRUNDANNAHMEN DER SOZIAL-KOGNITIVEN THEORIE
- dargestellt anhand des Lernens aggressiven Verhaltens Die Theorie von BANDURA wird im Kern von 4 zentralen Grundannahmen bestimmt.
Diese lassen sich im Hinblick auf die Übernahme aggressiven Verhaltens folgendermaßen
präzisieren:
)DER MENSCH ALS FREIES UND AKTIVES WESEN
Nach BANDURA ist der Mensch von Natur aus ein freies, aktives und sein Handeln autonom und selbst bestimmendes Wesen. Im Verständnis der sozial-kognitiven Lerntheorie entwickelt sich die Persönlichkeit des Menschen nicht einseitig aus Anlagefaktoren
oder Umwelteinflüssen. Menschliche Leistungen resultieren vielmehr aus der wechselseitigen Interaktion genetisch-konstitutioneller Ausgangsbedingungen (Begabungen,
Temperament) und äußerer Umstände (Erziehung, soziale Einflüsse der Familie,
Freundeskreis). Mit zunehmendem Alter bestimmt das Kind seine Eigenentwicklung
selbst. Es steuert sein Handeln aufgrund von Zielen, Bedürfnissen, Interessen, usw.
Kinder und Jugendliche sind ihrem Wesen nach, ebenso wie Erwachsene, frei und aktiv agierende Persönlichkeiten. Sie sind also nicht passiv in ihrem Aggressionsverhalten abhängig von bestimmten Konditionierungen, Verstärkungen oder Bestrafungen,
sondern entscheiden letztlich frei, ob sie aggressive Modelle nun übernehmen wollen
oder nicht.
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)STEUERUNG DURCH KOGNITION
BANDURA kritisiert die These, dass die Steuerung menschlichen Verhaltens nur das
Ergebnis äußerer Belohnungen und Bestrafungen sei. Entscheidend ist vielmehr die
subjektive Bewertung einer Situation durch den Beobachter. Beim Lernen führen Menschen also nicht nur bestimmte Reaktionen aus, sondern sie bemerken auch deren
Wirkungen, die sie hervorrufen. Dabei beobachten sie die verschiedenen Ergebnisse
ihrer Handlungen und entwickeln Hypothesen, die besagen, welche Reaktionen in welcher Situationen am geeignetsten sind.
Zwischen der Wahrnehmung z.B.
aggressiven Verhaltens und der eigenen Hand-
lungsausführung liegen sehr komplexe Prozesse der Wahrnehmung, des Denkens, der
Gedächtnisstrategien, des Urteilens usw. So wird ein Kind, bevor es Aggressionen
zeigt, beispielsweise überlegen,
¾ ob und unter welchen Bedingungen die Handlung erfolgversprechend ist,
¾ ob das eigene Verhaltensrepertoire und die eigenen Kompetenzen zur Durchsetzung der eigenen Interessen mit aggressiven Mitteln ausreichen,
¾ welchen Nutzen (eventuell auch persönlichen Schaden) aggressive
Gegenreaktionen nach sich ziehen,
¾ wie andere vermutlich das Verhalten bewerten usw.
Diese gewonnenen Informationen dienen als Anleitung für das weitere Handeln.
)FÄHIGKEIT ZUR ANTIZIPATION
Die kognitive Fähigkeit zur Antizipation (gedankliche Vorwegnahme eines Ereignisses)
ist nach BANDURA eine Voraussetzung dafür, dass Menschen durch die Aussicht auf
zukünftige positive Konsequenzen motiviert werden können. Vergangene Erlebnisse
schaffen die Erwartung, dass bestimmte Handlungen hoch eingeschätzte Vorteile
erbringen, dass andere ohne nennenswerte Wirkung bleiben und dass wieder andere
künftige Unannehmlichkeiten abwenden werden.
Durch die "symbolische Repräsentation" absehbarer Ereignisse können Menschen künftig erwartete Konsequenzen gedanklich vorwegnehmen und sich in
ihrem Handeln zukunftsbezogen, vorausschauend steuern.
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)STELLVERTRETENDES BEKRÄFTIGUNGSLERNEN
Zentral bestimmend war für die Sozial-Kognitive Theorie die Erkenntnis von Bandura,
dass Kinder und Jugendliche nicht wie beim Operanten Konditionieren unmittelbar
selbst Verstärkungen und Bestrafungen erfahren müssen. Es genügt die Beobachtung
der Selbstverstärkung oder Fremdverstärkung bzw. Bestrafung von Modellen, also die
stellvertretende Bekräftigung. So gesehen kommt auch dem aggressiven Verhalten
anderer Kinder eine wichtige modellierende Funktion zu.
)INTERAKTIONISTISCHER STANDPUNKT
Während Lernprozesse des Klassischen Konditionierens auch ohne zwischenmenschliche Bezüge ablaufen können, vollzieht sich Modelllernen vorrangig in einem sozialen
Gefüge zwischen Menschen. So ist in der Regel eine unmittelbare räumliche Nähe, eine sozial-emotionale Beziehung oder ein interaktiver Kontakt zwischen Modellperson
und Beobachter gegeben.
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GRUNDPROZESSE DES MODELLERNENS
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MERKMALE
DES MODELLS
DES BEOBACHTERS
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DER SITUATION
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DER REIZQUALITÄT
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GRUNDPROZESSE DES MODELLERNENS
Soll ein Modellverhalten (z.B. Aggressionen) übernommen werden, so muss ein bestimmter Reiz (z.B. Bobachtung eines aggressiven Modells im Fernsehen) zuerst in den Aufmerksamkeitsbereich eines Beobachters fallen und anschließend im Gedächtnis gespeichert werden (=ANEIGNUNGSPHASE). Ob das aggressive Verhalten aber tatsächlich
nachgeahmt wird, hängt entscheidend von der Motivation des Beobachters und seiner Fähigkeit zur motorischen Wiedergabe ab (= AUSFÜHRUNGSPHASE)
ANEIGNUNGSPHASE
AUFMERKSAMKEITSPROZESS
AUSFÜHRUNGSPHASE
BEHALTENSPROZESS
MOTORISCHER
REPRODUKTIONSPROZESS
MOTIVATIONSPROZESS
REIZQUALITÄT:
Reizintensität; Neuigkeit bzw. Häufigkeit der
Reizdarbietung; Deutlichkeit und Komplexität
des Reizes (einfache, leicht durchschaubare
Verhaltensmuster können leichter behalten
werden);
Darbietungsform (lebendige und dynamische
Darstellung; optisch, akustisch, taktile Darstellung; Filmmodell oder Karikatur;)
Funktionaler Wert (Aufmerksamkeit erregen
solche Handlungen, mit denen das Modell seine
Handlungsziele erfolgreich verwirklicht);
Affektive Valenz (Reiz spricht mich emotional
an);
MERKMALE DES MODELLS:
Selbstsicherheit; Attraktivität und Ausstrahlung;
Hoher sozialer Status; Prestige; Fachkompetenz; Stabiles Einstellungsgefüge; Offenheit;
Sozial erwünschte Verhaltensweisen; Soziale
Anerkennung; Durchsetzungskraft;
MERKMALE DES BEOBACHTERS:
Fähigkeit zur selektiven Aufmerksamkeit; Wahrnehmungsleistung; Wahrnehmungs-Einstellung
(was Menschen zu sehen erwarten); Individuelle
Interessen (Präferenzen); Individuelles Erregungsniveau; Autoritative Abhängigkeiten; Unsicherheit; Geringes Selbstwertgefühl; Orientierungslosigkeit; Macht- und Anerkennungsbedürfnis;
SITUATIVE MERKMALE:
Entspannte Atmosphäre; Geringer Stress; Positives Beziehungsgefüge; Mittlere Ähnlichkeit mit
Persönlichkeitsmerkmalen des Modells; Ungewohnte Umgebung;
Fähigkeit zur selektiven
Auswahl des Modellver-
Aufmerksamkeit;
haltens auf der kogniti-
Häufigkeit der Darbie-
ven Ebene;
tung des Modellreizes;
Realistische Verfügbar-
Wahrnehmungstyp;
keit der
Fähigkeit zur symboli-
Teilreaktionen (ein kör-
schen Codierung (bild-
perlich
lich/sprachlich) des Mo-
wird einzelne aggressive
dellverhaltens;
Verhaltensmuster
Außer-
erforderlichen
robustes
Kind
eher
gewöhnliche Reizquali-
nachahmen können);
tät;
Fähigkeit,
Gedächtniskapazität
in innere Vorstellungs-
und Gedächtnisorgani-
bilder umzusetzen;
sation;
Bereitschaft und Fähig-
Handlungen
keit zur Selbstbeobachtung;
Konsequenzerwartung
Erwartete direkte Fremdverstärkung oder stellvertretende Verstärkung;
Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Selbstverstärkung;
Kompetenzerwartung:
Subjektive Kontrollüberzeugung; eigene und
stellvertr. Handlungserfahrung; Verstärkungen;
Situationserwartung;
Momentane
Befindlichkeit; Persönlichkeit; Interessen; Vorerfahrungen
mit ähnlichen Situationen;
Instruktionen über die
Situation;
Subjektive
Kompetenzeinschätzung;
Ergebniserwartung:
Bezieht sich auf die
Überzeugung, dass eine
Handlung auch zu einem
bestimmten
Ergebnis
führt. Abhängig von erfahrenen Verstärkungen;
Schwierigkeitsgrad
der
Aufgabe; erwartete Konsequenzen; Instruktionen;
Selbstüberzeugung;
direkte eigene Handlungserfahrung; verbale
Beeinflussung
durch
Dritte.
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ENTSTEHUNG UND VERÄNDERUNG VON SELBSTWIRKSAMKEITSERWARTUNGEN
Bandura nennt vier entscheidende Quellen von Selbstwirksamkeitserwartungen:
a) die direkte, das heißt eigene Handlungserfahrung:
Hierbei handelt es sich um die wichtigste, weil überzeugendste Informationsquelle.
Wenn man die konkrete Erfahrung gemacht hat, dass man ein bestimmtes Verhalten
erfolgreich ausführen kann, wird man in der Regel davon ausgehen, dieses Verhalten
auch zukünftig erfolgreich ausführen zu können.
Informationen über die eigene Leistung werden nicht unmittelbar in Selbstwirksamkeitskognitionen übersetzt, sondern in aller Regel durch attributive Prozesse vermittelt. Eine Situation erfolgreich gemeistert zu haben, ist allein nicht ausreichend, um
Selbstwirksamkeitserwartungen zu erhöhen. Wird der Erfolg nämlich auf externale
Ursachenfaktoren zurückgeführt (z.B. die Tatsache, dass die Aufgabe leicht war oder
dass jemand anderer geholfen hat), kann er nicht mehr der eigenen Kompetenz zugeschrieben werden und wird somit auch irrelevant für eine Veränderung der Selbstwirksamkeitserwartung sein. Umgekehrt bedeutet dies auch, dass ein Misserfolg, der
als nicht selbstverschuldet erlebt wird (weil die Aufgabe zu schwierig war oder die
Umstände extrem hinderlich waren), keine oder nur geringe Auswirkungen auf die
Selbstwirksamkeit hat.
b) stellvertretende Erfahrungen durch Beobachtung von Modellen:
Die Beobachtung eines erfolgreichen Modells wird dazu führen, dass die Erfahrung
dieses Modells auf die eigene Person übertragen wird (siehe Brown & Inouye,1978).
Wie stark diese Generalisierung ist, hängt im Wesentlichen von der wahrgenommenen Ähnlichkeit des Modells mit der eigenen Person ab. Dies bezieht sich sowohl auf
persönliche Attribute (wie Alter, Geschlecht, Bildung etc.) als auch auf den Kompetenzgrad, mit dem die jeweilige Person das Verhalten vorher ausgeübt hat.
c) verbale Beeinflussung:
Hierbei geht es sowohl um Aussagen anderer Personen zur eigenen Leistungsfähigkeit als auch um Selbstinstruktionen. Das heißt, andere können einen z.B. aufmuntern und die Überzeugung äußern, dass man das Ziel, das man sich gesetzt hat, auch
erreichen werde. Ebenso kann man sich selbst instruieren und aufmuntern bzw. bestätigen. Dieser Typ der Erfahrung ist angesichts von Distress oder Versagen leicht
auslöschbar, das bedeutet, er ist wesentlich weniger resistent als z.B. die direkte Erfolgserfahrung.
d) Information aus der wahrgenommenen körperlichen Erregung:
Aus der Selbstbeobachtung des eigenen emotionalen Zustandes kann auf die Kompetenz rückgeschlossen werden. Wenn Personen z.B. wahrnehmen, dass sie in bestimmten Situationen aufgeregt reagieren, werden sie aus dieser Information den
Schluss ziehen, dass sie eventuell nicht genügend Kompetenz haben werden, die
Handlung erfolgreich auszuführen.
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Merkmale der Selbstwirksamkeitserwartungen
Nach Bandura (1986) können Selbstwirksamkeitserwartungen vor allem anhand von drei
verschiedenen Merkmalen charakterisiert werden: ihrem Niveau, ihrer Stärke und ihrem
Allgemeinheitsgrad.
a) Niveau
Wie groß die Rolle ist, die Selbstwirksamkeitserwartungen bei der erfolgreichen Ausführung von Handlungen spielen können, ist einmal abhängig vom Niveau (Level) der Selbstwirksamkeit. Gemeint ist hiermit das Verhältnis zwischen der Ausprägung der Selbstwirksamkeit und dem spezifischen Anforderungs- oder Komplexitätsgrad der Aufgaben, mit
denen sich ein Individuum konfrontiert sieht. Dies bedeutet, dass die Selbstwirksamkeit
angesichts einer leichten Aufgabe wahrscheinlich höher sein wird als angesichts einer
sehr schwierigen.
b) Stärke
Ein weiteres Kriterium ist die Stärke (strength oder certainty) der Selbstwirksamkeit, die
sich auf das Vertrauen oder die Sicherheit bezieht, mit der Personen annehmen, Aufgaben
eines bestimmten Schwierigkeitsgrads bewältigen zu können. Dies impliziert auch eine
Stabilitätsannahme. Schwache Erwartungen können durch widersprüchliche Erfahrungen
leicht gelöscht werden, während starke Erwartungen auch gegen Misserfolgserfahrungen
relativ resistent sind.
c) Allgemeinheitsgrad
Darüber hinaus ist der Allgemeinheitsgrad (generality) der Selbstwirksamkeitserwartungen
von entscheidender Bedeutung. Selbstwirksamkeitserwartungen können sowohl situationsspezifisch als auch bereichsspezifisch (Situationstyp) oder generell ausgeprägt sein.
Dieser Aspekt bezieht sich also auf die Breite des Anwendungsbereichs für Kompetenzerwartungen. Im Verlauf von Lernprozessen bilden sich zuerst punktuelle Kontingenzen
zwischen eigenem Verhalten und einer Bekräftigung, hier also der erfolgreichen Bewältigung eines Problems, aus. Hierdurch wird eine Erwartung geschaffen, diese Art von Situation auch in Zukunft bewältigen zu können, und gleichzeitig wird das allgemeine Selbstwertgefühl gestärkt. Hierdurch wiederum entsteht eine Motivation, solche und ähnliche
Situationen erneut aufzusuchen. Je nach den konkreten Lernerfahrungen in der individuellen Lerngeschichte entstehen so Annahmen über eigene Kompetenzen oder Inkompetenzen auf bestimmten Gebieten. Solche Generalisierungs- und Habitualisierungsprozesse
führen dazu, dass Personen - aufgrund einer erworbenen Disposition - auch auf neue und
andersartige Aufgaben mit einer höheren oder niedrigeren Selbstwirksamkeit reagieren.
Sozial-kognitive Theorie
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GRUNDEFFEKTE DES MODELLERNENS
Nach BANDURA hat die Beobachtung des Verhaltens einer Modellperson formal betrachtet auf den Beobachter folgende drei allgemeine Effekte:
a) Sie dient dem Erwerb neuer Reaktionsmuster,
b) hat hemmende und enthemmende Auswirkungen hinsichtlich der Ausführung
von Handlungen
c) und besitzt schließlich noch einen reaktionserleichternden Effekt.
MODELLIERENDER
HEMMENDER UND ENT-
AUSLÖSENDER
EFFEKT
HEMMENDER
EFFEKT
EFFEKT
BANDURA versteht darunter den Erwerb "neuer" Verhaltensmuster, die bisher
nicht zum Verhaltensrepertoire des Beobachters gezählt haben. In der Regel
werden jedoch nicht völlig
neue Verhaltensmuster gelernt, sondern diese enthalten bereits bekannte Verhaltenselemente.
Aus den aktuell beobachteten Konsequenzen des
Verhaltens der Modellpersonen ergeben sich für den
Beobachter hemmende,
aber auch enthemmende
Effekte hinsichtlich "bereits
vorhandener" Verhaltensweisen.
Eine solche Enthemmung
tritt beispielsweise dann
auf, wenn der Beobachter
ein Verhalten der Modellperson sieht, das nicht belohnt oder bei sozial unerwünschten Verhaltensweisen nicht bestraft wird.
Hemmende Effekte treten
häufig dann ein, wenn der
Beobachter Verhaltensweisen wahrnimmt, für die das
Modell negative Konsequenzen (z.B. Bestrafungen) erfährt oder die mit
„ängstlichen“ Reaktionen
des Modells verbunden
sind.
BANDURA versteht darunter die Möglichkeit, dass die
Beobachtung des Verhaltens einer Modellperson
beim Beobachter eine bereits gelernte Verhaltensweise auslösen kann.
(So wird beispielsweise die Beobachtung, dass eine Person einer
Passantin zu Hilfe kommt, als
diese angegriffen wird, zur Auslösung führen, dass ich ebenfalls
Hilfestellung leiste).
Die Verhaltensweise ist weder neu (siehe modelllierender Effekt) noch ergeben
sich besondere Konsequenzen (siehe Bedingungen beim hemmenden und
enthemmenden Effekt);
trotzdem erleichtert die Beobachtung einer Modellperson die Auslösung des entsprechenden eigenen Verhaltens.
Sozial-kognitive Theorie
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ERZIEHERISCHE RELEVANZ DER SOZIAL-KOGNITIVEN THEORIE
DAS KIND ALS FREIES, AKTIVES WESEN
Erziehung basiert wesentlich auf dem Verständnis, dass sich
Kinder weniger durch Fremdsteuerung, als vielmehr durch
"Selbsttätigkeit", durch Respektierung ihrer Bedürfnisse und
durch Unterstützung ihrer Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu stabilen und "reifen" Persönlichkeiten entwikkeln.
KOGNITIVE SELBSTSTEUERUNG
Sehr früh bedarf es der Förderung der kognitiven Selbststeuerungsfähigkeit. Wesentliche Bedingungen hierfür sind:
• Kinder frühzeitig zur bewussten und reflektierten Auseinandersetzung mit ihrer
Umwelt (Spiel, Freunde, Interessen) herausfordern.
• Kinder müssen motiviert werden, ihr Handeln differenziert zu begründen. Dies
gilt selbstverständlich auch für die erwachsenen Bezugspersonen.
• Kinder mit Entscheidungskonflikten und Situationen konfrontieren, die die Urteilsfähigkeit unterstützen.
• Kinder in ihrer sozialen Wahrnehmung sensibilisieren.
ABLEITUNG AUS DEM PHASENMODELL
a) AUFMERKSAMKEITSPROZESS
Eltern und Erzieher müssen
¾ sich ihrer Rolle als Erziehungsmodell bewusst sein,
(Dies bedeutet auch die ständige Auseinandersetzung mit eigenen Stärken und
Schwächen)
¾ sich als Erzieher bewusst machen, welche Modelle das Kind als attraktiv und
nachahmenswert erlebt (und warum),
Sozial-kognitive Theorie
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¾ sensibel die Persönlichkeit des Kindes berücksichtigen und in Abhängigkeit von
kindlichen Schwächen bewusst das eigene Modellverhalten steuern (Kind kann
schwer ein ruhiges Gespräch führen - Erzieher beachtet eine ruhige Gesprächsführung ganz bewusst bei sich selbst)
¾ aufmerksam registrieren, welche Modelle im sozialen Umfeld auf ein Kind Einfluss nehmen,
¾ sich für Kinder als Modell immer wieder attraktiv machen,
¾ sich bewusst werden, dass seine Bedeutung als Modell ganz entscheidend von
seiner Beziehungsqualität zum Kind, von seiner erzieherischen Kompetenz, seiner psychischen Stabilität und Berechenbarkeit aber auch von einer persönlichen Attraktivität abhängt.
b) BEHALTENSPROZESS UND MOTORISCHE REPRODUKTION
¾ Durch eine konstantes Erziehungsverhalten wird der Erzieher glaubwürdiger.
Gleichzeitig steigt durch ein gleichmäßig wiederholtes erzieherisches Verhalten
die Behaltensleistung des Kindes und die Möglichkeit zur motorischen Reproduktion.
¾ Kinder müssen immer wieder motiviert und aufgefordert werden, sich in ihren
Reaktionen selbst zu beobachten, aus dieser Selbstbeobachtung heraus eigene
Verhaltensziele zu entwickeln und das eigene aktuelle Verhalten selbstkritisch
zu bewerten (alle modernen kognitionsorientierten Therapien basieren auf diesem Ansatz der Selbstbeobachtung, der eigengesteuerten Zielanalyse und Bewertung des Handelns sowie der anschließenden Selbstverstärkung).
c) MOTIVATIONSPHASE
¾ Zur realistischen Einschätzung der Situationserwartung ist es notwendig, Kinder
frühzeitig mit neuartigen Erfahrungen und Situationen zu konfrontieren (durch
die gesammelten Erfahrungen wird eine realistische Ergebniserwartung aufgebaut). Wichtig sind hierbei ergänzende Instruktionen über mögliche Folgen bestimmter Handlungen. Gerade im Jugendalter erfordert dies aber eine wertschätzende, stressfreie und vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre ohne moralischen Druck, ständige Psychologisierungen oder gar Drohungen.
¾ Erfahrungen müssen auch dann unterstützt und zugestanden werden, wenn die
möglichen Folgen negativ oder belastend sind (Problem der Festlegung der verantwortbaren Grenzen - siehe Clique, Alkohol- oder leichter Drogenkonsum, eigenständige schulische Entscheidungen usw.).
Sozial-kognitive Theorie
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¾ Entscheidend ist, dass der Erzieher selbst als Vorbild in der Lage ist, seine
Handlungen an langfristigen Lebenszielen auszurichten, verantwortungsbewusst
zu handeln und sein Handeln auch rational zu begründen.
Die Kompetenzerwartung eines Kindes ist unmittelbar gekoppelt mit dem Vertrauen zu sich selbst und zur eigenen Entscheidungsfähigkeit. Dies wiederum steht
im Zusammenhang mit der Überzeugung eines Kindes , die eigenen Handlungen
und persönlichen Leistungen selbst steuern zu können, also mit der subjektiven
Kontrollüberzeugung.
Voraussetzungen der Entwicklung einer positiven Kompetenzerwartung und Kontrollüberzeugung sind:
¾ Aufbau einer stabilen vertrauensvollen Bindung (hieraus resultiert Lebensoptimismus; Zutrauen in die Stabilität von Beziehungen, Frustrationsfähigkeit und
Belastbarkeit),
¾ Frühzeitige Auseinandersetzung des Kindes mit konflikthaften Entscheidungen
und Situationen,
¾ Realistische Anerkennung und angemessenes Lob,
¾ Ausgleich zwischen Freiraum und Grenzsetzung, zwischen Entspannung und
Frustration.
Unterstützung eines stabilen ICH (siehe Ergebnis- und Kompetenzerwartung)
Folgen:
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Aufbau eines stabilen ÜBER-ICH (siehe Standards)
Folgen:
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Prüfungsfrage:
ERSTELLEN SIE AUF DER GRUNDLAGE DER EINZELFALLHILFE
EIN HANDLUNGSKONZEPT, WIE UNTER BEACHTUNG DER SOZIALKOGNITIVEN THEORIE AGGRESSIVES VERHALTEN AUFGEBAUT
UND REDUZIERT WERDEN KANN
Einleitung
Seit einigen Jahren wird eine rapide Zunahme der Zahl aggressiver und gewalttätiger Kinder und Jugendlicher nicht nur in öffentlichen Medien sondern auch von berufsmäßig tätigen Erziehern in Institutionen (Kindergarten und Schule) beklagt. Aggressionen werden insofern als hoch belastend erlebt, als aggressives Verhalten
von Kindern und Jugendlichen die Erzieher in ihrem beruflichen Selbstverständnis
trifft, der Umgang mit Aggressionen allgemein eine hohe emotionale Belastung darstellt und Aggressionen zu den am stabilsten und am wenigsten veränderbaren Auffälligkeiten (Störungen) zählen. Es ist deshalb wichtig, sich eingehender mit der
Frage der Veränderungsmöglichkeiten von Aggressionen auseinanderzusetzen.
Wissenschaftliches Vorgehen
orientiert sich im Vergleich zu einer naiv-psychologischen Betrachtungsweise von
Problemen immer an einem wissenschaftlichen Handlungskonzept. Dabei versteht
man unter Konzept eine systematische, strukturierte, wissenschaftlich gestützte
Vorgehensweise, in der Ziele, Inhalte, Mittel und Methoden in einem logischen,
sinnhaften Zusammenhang stehen. Im strengen Sinne ist konzeptorientiertes Vorgehen auch Ziel-Mittel-Denken. Ein solches systematisches Ziel-Mittel orientiertes
Vorgehen ist insbesondere charakteristisch für alle lernpsychologischen Konzepte,
zu denen auch im weitesten Sinne die Sozial-Kognitive Lerntheorie von Bandura
zählt.
Konzeptorientiertes Vorgehen
kann sich sowohl auf die Einzelfallhilfe als auch auf die soziale Gruppenarbeit und
schließlich auf die gemeinwesenorientierte Sozialarbeit beziehen. Trotz hervorragender Erfolge der sozialen Gruppenarbeit entstehen Aggressionen bei Kindern
und Jugendlichen dennoch oftmals aus einer ganz speziellen individuellen belastenden Familienbiographie, die zumindest in der Einstiegsphase eine am Einzelfall
orientierte Hilfe rechtfertigt.
Unter Einzelfallhilfe
verstehen wir eine systematische Methode, bei der wissenschaftliche Erkenntnisse
von Menschen zur besseren Gestaltung von individuellen Beziehungen benutzt
werden. Primäres Ziel ist es dabei, psychische Belastungen aufzuarbeiten und die
Fähigkeit des einzelnen Kindes/Jugendlichen zu mobilisieren, um ihn zu einer autonomen, selbstbestimmten Lebensführung, frei von aggressiv bedingten Spannungen und Belastungen befähigen zu können. Analog zur sozialen Gruppenarbeit und
Gemeinwesenorientierten Arbeit ist auch die Einzelfallhilfe insofern wissenschaftlich
orientiert, als sie sich durch eine systematische Vorgehensweise auszeichnet. Diese Systematik zeigt sich in einer Stufenfolge einzelner methodischer Teilschritte.
Diese Stufenfolge ist gekennzeichnet durch die systematische Beschreibung, Erklärung, Prognose, Maßnahme und letztlich Kontrolle dieser Maßnahmen.
Sozial-kognitive Theorie
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1. EBENE DER BESCHREIBUNG
(Achtung: Es kann ein Fallbeispiel vorgegeben sein, aus dem heraus konkrete Formen der
Aggression eines Kindes beschrieben werden können; es kann aber auch eine freie Beschreibung sein, wie im vorliegenden Fall)
Kinder und Jugendliche zeigen in der Regel vielfältige Formen aggressiven Verhaltens,
wobei z.B. körperliche Aggressionen (Boxen, Schlagen) von verbalen Aggressionen (Beschimpfen, Ärgern, Bloßstellen) als häufigste Formen abgegrenzt werden können. Darüber
hinaus lassen sich offene (für den Gegner erkennbare) und verdeckt “hinterhältige Aggressionen (z.B. Gerüchte in die Welt setzen) unterscheiden. Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit wäre die aktiv-ausübende versus passiv erfahrene Aggression (beschimpft werden, angegriffen werden). Nicht selten zeigen Kinder indirekte oder verdeckte
Formen bzw. verlagerte Aggressionen (z.B. Gegenstand zerschlagen statt den Erzieher
attackieren). Gleichzeitig lassen sich nach außen gerichtete und nach innen gerichtete
Aggressionen unterscheiden. Insbesondere Mädchen zeigen ausgeprägtere Formen der
innen-gerichteten Aggression in Form von Selbstaggressionen (Lippen beißen, Haare ausreißen, Fingernägel beißen, Glasscherben ritzen usw.). Da Aggressionen immer auch einen positiven Aspekt beinhalten (Durchsetzungsvermögen, Realisierung eigener Ziele,
Signalisieren persönlich für wichtig erachteter Grenzen usw.) kann man auch zwischen
pro- und antisozialer Aggression unterscheiden.
2. EBENE DER ERKLÄRUNG
ÜBERTRAGUNG DES PHASENMODELLS VON BANDURA AUF DEN ERWERB AGGRESSIVEN VERHALTENS
Die Aneignung aggressiven Verhaltens und Handelns anhand von Modellen läuft nach
Bandura über 4 Teilprozesse ab:
a)
b)
c)
d)
Aufmerksamkeitsprozess
Behaltensprozess
Motorischer Reproduktionsprozess
Motivationsprozess
a) AUFMERKSAMKEITSPROZESS
Damit ein Kind aggressives Verhalten übernimmt, muss dieses Verhalten zuerst vom Kind
als solches wahrgenommen werden und die Aufmerksamkeit eines Kindes erregen. Wie
schnell und intensiv ein aggressives Modellverhalten in den Aufmerksamkeitsbereich eines Kindes/Jugendlichen gelangt ist abhängig von der Reizqualität, von spezifischen
Merkmalen des Modells und des Beobachters sowie von situativen Merkmalen. Besondere
Aufmerksamkeit erzeugen aggressive Verhaltensweisen, die für das Kind einen hohen
Neuigkeitsgrad und eine ausgeprägte Intensität haben (z.B. verbale Formen der Aggressi-
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vität für Kleinkinder). Deutliche, weniger komplexe und leicht durchschaubare aggressive
Verhaltensmuster (Boxen, ins Gesicht schlagen usw.) fallen leichter in den Aufmerksamkeitsbereich. Da es sich bei Aggressionen um lebendige, dynamische und sensorisch
komplexe (optisch, akustisch, taktile) Verhaltensmuster handelt, aggressive Modelle
gleichzeitig im sozialen Lebensumfeld eines Kindes sehr häufig vorkommen und Kinder
durch aggressive Reize ihre Handlungsziele sehr schnell realisiert sehen, ist gerade die
Aufmerksamkeitsleistung bezüglich aggressiver Handlungen bei Kindern und Jugendlichen besonders hoch.
Empirische Untersuchungen belegen, dass insbesondere Kinder mit einem allgemein höheren Erregungsniveau, mit einer autoritativen Abhängigkeit, mit einem schwächeren
Selbstwerterleben, einer höheren Orientierungslosigkeit usw. sehr stark zur Nachahmung
aggressiver Modelle neigen. Problematisch ist dabei, dass Kinder, die selbst Opfer von
Gewalterfahrungen geworden sind, eine schwächere Ich-Persönlichkeit und ein geschwächtes Über-Ich ausbilden und diese Kinder und Jugendlichen dann wiederum empfänglicher für aggressive Reize sind.
Bandura konnte darüber hinaus nachweisen, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch
Kinder sich insbesondere bei der Übernahme von Aggressionen an den Modellen orientieren, die Selbstsicherheit und Attraktivität ausstrahlen, einen höheren sozialen Status und
Prestige besitzen, ihre aggressiven Handlungen konsequent begründen können, selbst
über eine hohe Durchsetzungskraft verfügen und die mit ihrer Aggression in ihrem sozialen Umfeld (z.B. in der Gleichaltrigengruppe) besondere Anerkennung finden. (Hierin dürfte begründet liegen, warum Kinder mit steigendem Bildungsgrad und höherer Sozialschicht weniger Aggressionen zeigen, da aggressive Modelle in deren sozialem Kontext
weniger Beachtung und Anerkennung finden als in einem sozial schwachen Milieu).
b) GEDÄCHTNISPROZESS
Allein die aufmerksame Wahrnehmung aggressiven Verhaltens genügt noch nicht zur Übernahme eines solchen Verhaltens. Vielmehr ist es nun bedeutsam, dass dieses aggressive Verhalten vom Kind auch kodiert und im Gedächtnis mittel bzw. langfristig gespeichert
wird. Phantasiebegabte, intelligentere Kinder mit einer differenzierten Gedächtnisfähigkeit,
aber auch Kinder mit der Fähigkeit zur konzentrierteren Aufmerksamkeit gegenüber einem
aggressiven Modell zeigen eine höhere Behaltensleistung in Bezug auf Aggressionen
(was nicht heißt, dass es auch zur Handlungsausführung kommt).
Oftmals bewegen sich aggressive Kinder in einem bestimmten subkulturellen Milieu, das
ebenfalls durch häufige Aggressionen von anderen Kindern gekennzeichnet ist. Auch diese häufige und teils sehr einseitige Wahrnehmung der Aggressionen ohne alternative
Handlungsmöglichkeit steigert die Behaltensleistung. Aktivere Kinder fühlen sich eher als
passive von aggressiven Reizen fasziniert, was wiederum sowohl die Aufmerksamkeit als
auch die Behaltensleistung steigert.
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c) MOTORISCHER REPRODUKTIONSPROZESS
Auch eine noch so differenzierte Fähigkeit, aggressive Verhaltensmuster zu speichern
führt noch nicht zwingend zur Anwendung dieser Aggressionen. Unmittelbar vor der Handlungsausführung spielen Kinder und Jugendliche in aller Regel das aggressive Modellverhalten nochmals auf der kognitiven Ebene durch. Dabei werden komplexere Aggressionsmuster (z.B. zynisch verbale und herabsetzende Äußerungen) vereinfacht, in einzelne
Handlungsschritte zerlegt und in innere Vorstellungsbilder umgesetzt. (Dies ist auch ein
Grund, warum intellektuell einfach strukturierte Kinder aggressives Verhalten leichter
übernehmen, da derartige Verhaltensmuster in der Regel einfacher und weniger komplex
strukturiert sind als prosoziale Konfliktlösungen). Bei der gedanklichen Reproduktion reflektiert ein Kind automatisch, ob es auch über die notwendigen körperlich-motorischen
Fähigkeiten und Teilreaktionen zur Ausführung der aggressiven Handlung verfügt. Körperlich robuste Kinder kommen so eher zu einer positiven Einschätzung. Sowohl bei der
Übernahme als auch bei der Veränderung aggressiver Verhaltensmuster ist es weiter entscheidend, ob ein Kind auch die Fähigkeit zur kritischen Selbstwahrnehmung – Eigenbeobachtung verfügt. Speziell bei hoch impulsiven und leicht erregbaren Kindern ist diese Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und damit auch zur Veränderung von aggressiven Verhaltensmustern stark reduziert.
d) MOTIVATIONSPROZESS
Entscheidend für die Ausführung einer Handlung ist nun die Motivation und Bereitschaft
des Kindes, aggressives Verhalten tatsächlich zu realisieren. Genau in dieser Phase spielen nun kognitive Beurteilungsprozesse allgemein, Kompetenz-, Situations- und Ergebniserwartungen im Speziellen eine entscheidende Rolle. Schätzen Kinder und Jugendliche
mögliche negative Konsequenzen auf ihre Aggressionen (z.B. Bestrafungen, Isolierungen)
gering, positive Konsequenzen (Anerkennung durch die Gruppe, Realisierung eigener Ziele) und die damit erwartete direkte Fremd- und Selbstverstärkung dagegen hoch ein, so
steigt die Motivation und damit die Wahrscheinlichkeit der Ausführung einer aggressiven
Handlung. Gleichzeitig ist es aber auch denkbar, dass für ein Kind die erwarteten Konsequenzen positiv und damit die Motivation hoch ist, gleichzeitig aber das Kind zur Beurteilung kommt, dass es ihm an der möglichen Kompetenz (verbal, motorisch) fehlt, seine Bedürfnisse in dieser ganz bestimmten Situation (Situationserwartung) auf aggressivem Wege durchzusetzen. Ist die Konsequenzerwartung hoch, aber die Kompetenzerwartung
niedrig, so wird ein aggressives Verhalten eher unterbleiben, (z.B. aus Angst, sich lächerlich zu machen, bei nicht erfolgreicher Aggression noch weiter an Kompetenz zu verlieren
usw.). Die Kompetenzerwartung wird dabei mitbestimmt von der subjektiven Kontrollüberzeugung. Hierbei handelt es sich um eine in der Lebensbiographie des Kindes erworbene
Einstellung, herausfordernde und schwierige Lebenssituationen erfolgreich meistern zu
können. Die subjektive Kontrollüberzeugung ist wiederum unmittelbar abhängig vom
Selbstbild und Selbstwertgefühl sowie von bisherigen Erfahrungen bei der Bewältigung
schwieriger Lebenssituationen.
DIE BESONDERE BEDEUTUNG SOGENANNTER „STANDARDS“
Selbst wenn die Konsequenzerwartung positiv, die Kompetenzerwartung und die subjektive Kontrollüberzeugung hoch und die Situationserwartung realistisch ist, muss es noch
nicht zur Ausführung aggressiver Handlungen kommen. Entscheidend ist nun, ob ein
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aggressives Verhalten mit den Norm- und Wertvorstellungen eines Kindes, mit seiner Bedürfnis- und Interessenslage, also mit seinem Standard in Einklang steht.
Lehnen Kinder aufgrund ihrer Gesamterziehung Aggression zur Durchsetzung von Zielen
und Bedürfnissen innerlich ab, so werden sie auch dann nicht zu aggressiven Mitteln der
Durchsetzung greifen, wenn sie sich selbst für fähig und kompetent halten, einen Konflikt
aggressiv lösen zu können oder wenn sie glauben, von einer Gruppe Zuwendung für eine
Aggression zu erhalten. (Voraussetzung ist hier allerdings wieder ein relativ stabiles
Selbstwertgefühl).
Achtung:
Es handelt sich hier um die theoriebezogene Darstellung des Erwerbs aggressiven Verhaltens über sozial-kognitive Prozesse. In einer Fallanalyse oder in einem praktischen Therapieverlauf ist nun im Einzelfall zu überprüfen, welche Aufmerksamkeits-, Behaltens- und
motorischen Reproduktionsprozesse beim Kind gegeben sind und wie seine Motivationslage (also die Analyse seiner speziellen Konsequenz-, Kompetenz- und Situationserwartungen, die Einschätzung seiner Standards oder seiner subjektiven Kontrollüberzeugungen) aussieht.
3. EBENE DER PROGNOSE
Vor der Einleitung von Maßnahmen ist nun zu prognostizieren, mit welchen Mitteln und
Methoden ganz individuell auf ein Kind bezogen die Aggressionen am leichtesten reduziert
werden können. Spezielle Fragen wären hier:
- Sind im Umfeld des Kindes positive und attraktive Modelle vorhanden ?
- Besteht beim Kind überhaupt eine Bereitschaft zur Veränderung des Verhaltens (gibt
es attraktive Bedingungen, die die Aggression aufrecht erhalten) ?
- Wäre evtl. die Herausnahme des Kindes aus dem sozialen Lebensumfeld und die
Überbringung in eine anderen Gruppe eine sinnvolle Lösung ? Welchen Konsequenzen sind hier zu erwarten ?
- Können negative aggressive Modelle im Lebensumfeld des Kindes positiv beeinflusst
werden, so dass daraus eine positive Rückkopplung für das betroffene Kind resultiert ?
- Wäre für das spezielle Kind eine gruppentherapeutische Intervention attraktiver und
wirksamer usw. ?
4. EBENE DER MASSNAHMEN
Entsprechend der Theorie von Bandura müssen Verhaltensänderungen nun wiederum
durch den Einsatz positiver, aggressionsfreier und attraktiver Modelle erzielt werden.
Denkbar wäre folgende abgestufte Vorgehensweise
1. Schritt:
Aufbau einer grundlegenden positiven emotionalen Bindung zum Kind
(Erhöhte Bereitschaft zur Akzeptanz des Erziehers als Modell. Dies macht
den Erzieher glaubwürdiger mit seinen Vorschlägen; auch strengere Maßnahmen, z.B. Sanktionen bei Aggressionen, können ausgehalten werden).
2. Schritt:
Steigerung der Selbstwahrnehmung und Selbstbeobachtungsfähigkeit
des Kindes bezüglich seiner eigenen Aggression
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(Meditationsübungen, Ausfüllen von Beobachtungsbögen, Führen eines Tagebuches, regelmäßige Gespräche ohne moralischen Druck und Anschuldigungen (bereits die systematische Schulung der Selbstwahrnehmung kann
eine Reduzierung der Häufigkeit aggressiven Verhaltens zur Folge haben).
3. Schritt:
Aufbau und Festigung eines stabilen Selbstwertgefühls
(siehe hierzu auch Möglichkeiten der Steigerung des ICH z.B. durch die Übertragung von bewältigbaren Aufgaben mit Verstärkungsmöglichkeit; Ermunterung, Lob und Unterstützung als zentrale erzieherische Kriterien; Bewusstmachen der Zusammenhänge zwischen der persönlichen Biographie
und dem Selbstwerterleben; Kinder häufig mit neuen Erfahrungen konfrontieren und diese Erfahrungen im persönlichen Gespräch im Hinblick auf Vorund Nachteile bewerten lassen; Kinder aktiv zur Durchsetzung eigener Interessen und Bedürfnisse auf sozial positivem Wege ermutigen
4. Schritt:
Veränderung der Funktionen und Bedeutung der Aggression
Verstärkung prosozialer Verhaltensweisen; Bedingungen schaffen, durch die
das Kind bzw. der Jugendliche auch über prosoziale, kooperative Verhaltensweisen gleiche Anerkennung von der Gruppe erhält (notfalls durch Verlegung in eine andere Gruppe); aktive Verstärkung aller, auch noch so kleiner prosozialer Verhaltensmuster;
Steigerung der Aufmerksamkeit des Kindes für prosoziales Verhalten und
gleichzeitige Schwächung der Aufmerksamkeit für aggressives Verhalten
(z.B. direktes Bewusstmachen, dass sich prosoziale Verhaltensweisen in vielen Situationen erheblich erfolgreicher erweisen als Aggressionen)
5. Schritt:
Paralleles Einüben durch ein modellunterstütztes Rollentraining
Denkbar wären hier
• Rollenspiele (Kinder wählen die z zeigenden Verhaltensweisen selbst
aus, entscheiden sich für eine prosoziale Rolle, spielen diese und bewerten anschließend ihr Verhalten (sinnvoll ist auch ein wiederholter Rollentausch),
• der Einsatz von Videofilmen (Kindern werden Filme gezeigt, in denen
Modelle in sehr unterschiedlicher Weise (prosozial, offen oder verdeckt
aggressiv) Konflikte lösen. Gespräche oder auch das Nachspielen einzelner Szenen bieten vielfältige Möglichkeiten der Veränderung aggressiven
Verhaltens durch ein modellunterstütztes Training.
aus: Medien-Impuls, 1996, 62
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