156 IV. Kontexttheorie Context Theory 9. 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6. Kontextabhängigkeit Die klassische Theorie Extension und Intension Intension und Charakter Arten der Referenz Arten der Kombination Varianten und Alternativen Parametrisierung Extensionalisierung Zweidimensionale Modallogik Tokenanalyse Erkenntnistheoretische Umdeutung Aspekte des Kontexts Standardaspekte unter der Lupe Demonstrativa Einschlägiges Probleme Bindung Perspektivische Verschiebungen Skopismus, Holismus und quantifizierte Kontexte Mißbrauch Historisch-bibliographische Anmerkungen Zur klassischen Theorie Zu den Varianten und Alternativen Zu den Aspekten des Kontexts Zu den Problemen Zu den historisch-bibliographischen Anmerkungen Literatur (in Kurzform) Die in diesem Artikel besproc henen semantisc hen Phänomene könnte man — statt unter Kontextabhängigkeit — ebensogut unter den Begriffen Deixis oder direkte Referenz abhandeln. Es geht jedenfalls um eine bestimmte Art der Situationsabhängigkeit der Bedeutung sprac hlic her Ausdrüc ke. Um allerdings diese Situationsabhängigkeit genauer fassen zu können, bedarf es eines allgemeinen theoretisc hen Rahmens für die Besc hreibung des Verhältnisses der Sprac he zur Welt. Ein solc her Rahmen wird von der in Teil 1 dargestellten allgemeinen Referenztheorie bereitgestellt, die zugleic h auc h die klassische Theorie der Kontextabhängigkeit ist. Andere, größtenteils mit der klassisc hen Theorie eng ver- wandte Bezugsrahmen werden im darauffolgenden Teil kurz vorgestellt. Erst danac h gibt es (im dritten Teil) einen Überblic k über den Phänomenbereic h; dabei sollen vor allem die deskriptive Spannweite und Flexibilität der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten erkennbar werden. Ihre Grenzen sind Gegenstand von Teil 4. 1. Die klassische Theorie Die hier zum Ausgangspunkt erkorene klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit läßt sic h nur verstehen, wenn man sie auf dem Hintergrund eines bestimmten Bildes des Zusammenhangs zwisc hen Sprac he und Welt sieht. Als grobe Skizze steht dieses Bild am Anfang der folgenden Darstellung. Nac h dem Begriff ‘Kontext’ wird man in dieser Darstellung der klassisc hen Theorie übrigens vergeblic h suc hen: er gehört — in der hier bevorzugten Terminologie — zu einer erst in Absc hnitt 2.1 zu besprec henden Variation des klassischen Rahmens. 1.1 Extension und Intension Durc h die Verwendung sprac hlic her Ausdrüc ke beziehen sic h Sprec her oft auf Personen oder Dinge. Wenn z. B. Erwin den Satz: (1) Ich bin Vertreter. äußert, so bezieht er sich mit dem Subjekt ich auf sic h selbst, also Erwin. In dieser Situation ist Erwin der Referent oder, wie man auc h sagt, die Extension des Wortes ich. Für das Substantiv Vertreter läßt sic h ebenfalls eine Extension angeben, wenn auc h nic ht in so naheliegender Weise. Ist die von Erwin aufgestellte Behauptung wahr, so könnte man zunäc hst vermuten, daß dieses Substantiv genau wie das Subjekt auf den Sprec her Erwin verweist. Doc h worauf soll sic h das Wort Vertreter beziehen, wenn Erwin Unrec ht hat? Eine möglic he Antwort wäre, daß es sic h in diesen Fällen auf unbestimmte Weise auf alle 9. Kontextabhängigkeit beliebigen Vertreter bezieht oder — was auf dasselbe hinausläuft — auf die Gesamtheit aller Vertreter. Die Extension des Substantivs Vertreter ist nac h der letzteren Sic htweise, der wir uns hier ansc hließen, die Menge der Vertreter, also etwas Abstraktes. Diese Sic htweise erlaubt es auc h, für die Verwendung der Kopula bin eine Extension anzugeben: Erwins Behauptung besagt, daß er ein Element der Extension von Vertreter ist, so daß man als Kopula-Extension die Elements c haftsbeziehung ansehen kann. In ähnlic her Weise kann man jetzt versuc hen, für beliebige Verwendungen beliebiger sprac hlic her Ausdrüc ke Extensionen zu finden. Eine notorisc he Sc hwierigkeit bereiten dabei vor allem Sätze. Auf den ersten Blic k sc heint es hier keine intuitiv vorgegebenen Referenten zu geben. Eine Überlegung aus der Prädikatenlogik zeigt aber, daß man über Umwege auc h Satz-Extensionen bekommen kann. Betrac htet man nämlic h Satzsc hemata wie: (2) x liebt y. oder — in prädikatenlogisc her Notation — (offene) Formeln wie: (2′) LIEBEN(x,y), so liegt es nahe, als ihre Extension die Menge aller geordneten Paare 〈a,b〉 festzulegen, die (2) bzw. (2′) erfüllen, für die also gilt: a liebt b. Bei mehr als zwei freien Variablen bekommt man dementsprec hend Mengen von Tripeln, Quadrupeln etc . als Extensionen. Im allgemeinen ist dann die Extension einer Formel φ mit n freien Variablen die Menge aller n-Tupel 〈a1,..., an〉, die φ erfüllen. Da nun das einzige 0-Tupel die leere Menge ∅ ist, bleibt für eine Formel φ ohne freie Variablen als Extension entweder die Einermenge {∅} — falls φ wahr ist — oder aber die leere Menge ∅ (für ein falsc hes φ). Natürlic hsprac hlic he (Aussage-)Sätze entspre c hen insofern gesc hlossenen Formeln, als sie offenbar keine freien Variablen enthalten. Als Extensionen von Sätzen kämen somit die mengentheoretisc hen Objekte {∅} und ∅ infrage: {∅} ist die gemeinsame Extension der wahren Aussagen, die falsc hen haben alle ∅ zur Extension. Diese beiden abstrakten Objekte bezeic hnet man auc h als die beiden Wahrheitswerte. In der Mengenlehre und im folgenden werden sie überdies mit den Zahlen 0 (= ∅) und 1 (= {∅}) identifiziert. Mit den bisher getroffenen Festlegungen über die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke 157 ergibt sic h unmittelbar eine interessante Konsequenz für einfac he Sätze wie (1): ihre Extensionen lassen sic h aus den Extensionen ihrer jeweiligen Teilausdrüc ke ermitteln. Sie erfüllen also ein Naives Kompositionalitätsprinzip Die Extension eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus den Extensionen seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Dieses Kompositionalitätsprinzip für Extensionen läßt sic h aber nic ht auf beliebige Sätze ausdehnen. Typisc he Gegenbeispiele sind vor allem Sätze mit eingebetteten daß-Sätzen: (3) Monika vermutet, daß Erwin Vertreter ist. Aus dem Naiven Kompositionalitätsprinzip und der Annahme, daß die Extension des Teilsatzes Erwin Vertreter ist gleic h dem Wahrheitswert dieses Satzes ist, folgt sofort, daß man ihn durc h jeden beliebigen deutsc hen (Neben-)Satz mit demselben Wahrheitswert ersetzen könnte, ohne daß sic h am Wahrheitswert der Gesamtaussage (3) etwas änderte. Doch das ist natürlich absurd. Um die im Zusammenhang mit (3) auftretenden Sc hwierigkeiten zu umgehen, muß man entweder das Naive Kompositionalitätsprinzip oder die Annahme, daß Satzextensionen Wahrheitswerte sind, aufgeben. Hier wird nur die erste Alternative weiterverfolgt. (Für die zweite siehe den Artikel 6.) Eine minimale Absc hwäc hung des Naiven Kompositionalitätsprinzips besteht nun darin, für solc he Problemfälle wie die Satzeinbettung in (3) eine Art ‘Ersatzextension’ vorzusehen: der Wahrheitswert von (3) hängt dann nic ht vom Wahrheitswert des eingebetteten Satzes, wohl aber von der durc h ihn ausgedrüc kten Proposition (dem Satzinhalt) ab, und letztere übernimmt die Rolle der Ersatzextension bei einer kompositionellen Besc hreibung der Extension von (3). Statt von ‘Ersatzextensionen’ spric ht man üblic herweise von Intensionen. Propositionen sind also Satzintensionen. Die entsprec hende Abänderung des Naiven Kompositionalitätsprinzip lautet dann: Fregesches Kompositionalitätsprinzip Die Extension eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus den Extensionen bzw. den Intensionen seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Syntaktisc he Konstruktionen, bei denen (wie etwa bei den meisten Anwendungen der Subjekt-Prädikatsregel) die Extensionen der Teilausdrüc ke zur Ermittlung der Extension des 158 Gesamtausdruc ks ausreic hen, nennt man extensional, die anderen heißen dementsprec hend intensional. Satzeinbettungen wie in (3) sind also intensionale Konstruktionen. Andere intensionale Konstruktionen sind z. B. der Ansc hluß des direkten Objekts bei Verben wie suchen oder schulden sowie die Attribution gewisser Adjektive wie angeblich oder vorsätzlich. Es ist bemerkenswert, daß sic h die meisten dieser intensionalen Konstruktionen (wenn nic ht sogar alle) durc h geeignete Paraphrasen auf Satzeinbettungen zurüc kführen lassen. Propositionen sind also möglic herweise die einzigen Intensionen, die man tatsächlich braucht. Aber was sind Propositionen? Die bisherige Charakterisierung als Satzinhalte ist ausgesproc hen vage. Eine traditionelle, aber (wie sic h noc h herausstellen wird) nic ht ganz hinreic hende Präzisierung des Propositions- und allgemein des Intensionsbegriffs besteht in einer Gleic hsetzung von Inhalt und Information: die Intension eines Ausdruc ks ist danac h die Information, die benötigt wird, um seine Extension zu bestimmen. Da die Extension eines sprac hlic hen Ausdruc ks im allgemeinen von den Umständen seiner Äußerung abhängt, kann man sic h die Intension als ein Verfahren vorstellen, das unter beliebig gegebenen Umständen eine Spezifikation der jeweiligen Extension liefert. Oder, abstrakter und allgemeiner: als eine Funktion (durc haus im mathematisc hen Sinne des Wortes), die sic h auf möglic he Situationen anwenden läßt und deren Werte stets Extensionen sind. Die Intension eines Substantivs wie S pion läßt sic h etwa auf die Situation der Bundesrepublik Deutsc hland in den frühen siebziger Jahren anwenden und liefert eine Menge, deren prominentestes Mitglied wohl Günter Guillaume ist (wer weiß?), während der Wert derselben Intension für die Romanwelten von Ian Fleming eine häufig von Roger Moore und Sean Connery verkörperte Gestalt enthält: in jedem Falle ist der Wert der Intension die Menge der Geheimagenten. Insbesondere ist also in diesem Beispiel die Intension stets dieselbe Zuordung von Situation zu Extension, selbst wenn erstere nic ht von dieser Welt und letztere nur in den seltensten Fällen vollständig bekannt ist. 1.2 Intension und Charakter Propositionen sind also charakteristische Funktionen, d. h. Funktionen von Situationen in Wahrheitswerte, oder, was praktisc h auf dasselbe hinausläuft: Mengen von Situatio- IV. Kontexttheorie nen — vorausgesetzt, man identifiziert c harakteristisc he Funktionen jeweils mit den Mengen der Argumente, für die sie den Wert 1 ergeben. Demnac h besagt Satz (3), daß Monika in der durc h das Verb vermuten ausgedrüc kten Einstellung V zu einer gewissen Menge p steht; dabei ist p die Menge derjenigen Situationen, in denen Erwin Vertreter ist, und die Beziehung V läßt sic h ungefähr so besc hreiben: x steht in V zu p, falls x eine Vermutung hegt, bei deren Zutreffen eine Situation aus p vorliegt. Das Zutreffen der Beziehung V ist natürlic h selbst wieder situationsabhängig, so daß sic h als Intension des Verbs vermuten eine Funktion ergibt, die Situationen Relationen zwisc hen Personen und Propositionen zuordnet. Unter der (in diesem Zusammenhang harmlosen) vereinfac henden Annahme, daß die Gesamtheit aller von einer Person gehegten Vermutungen selbst wieder eine Vermutung dieser Person bildet, gelangt man zu der folgenden (provisorisc hen) Bedeutungsregel: (R*) Die Intension des Verbs vermuten ist eine Funktion V, die jeder Situation s eine zweistellige Relation Vszuordnet, so daß für beliebige Individuen x und Propositionen p gilt: (*) x steht zu p in der Relation Vs, falls p in jeder Situation s’ gilt, die mit den von x in s gehegten Vermutungen vereinbar ist. (R*) ist eine typisc he Regel für die Deutung einer intensionalen Konstruktion. Wendet man sie auf Sätze wie (3) an, verweist die Variable s auf die Situation, an der der betreffende Ausdruc k geäußert wird und für die seine Extension ermittelt werden soll; s’ bezieht sic h dagegen auf Situationen, die für die Ermittlung der Intension eines der Teilausdrüc ke zu Rate gezogen werden müssen. Es empfiehlt sic h für das folgende, diesen Untersc hied in der Rolle von s und s’ festzuhalten: man sagt, daß sic h s bei einer (einfac hen) Anwendung von (R*) auf eine Äußerungssituation bezieht, während s’ für Auswertungssituationen steht. (R*) ist ein Beispiel für eine rec ht gängige Analyse von Einstellungsverben wie vermuten. Es ist bekannt, daß diese Analyse wegen der logisc hen Inkonsequenz propositionaler Einstellungen zu Sc hwierigkeiten führt, die sic h durc h einen logisc h feineren (aber komplizierteren) Propositionsbegriff umgehen lassen. (Vgl. dazu Artikel 34.) Dieses Phänomen ist jedoc h weitgehend (genauer: abgesehen 9. Kontextabhängigkeit von einem in Absc hnitt 4.2 noc h anzusprec henden möglic hen Zusammenhang) unabhängig von Fragen der Kontextabhängigkeit. Wir werden uns deshalb weiter auf (R*) beziehen und stillsc hweigend voraussetzen, daß die gleic h zu diskutierenden Probleme auc h im Zusammenhang mit logisc h strukturierten Propositionen auftreten und sic h dann in analoger Weise lösen lassen. Wenden wir nun (R*) auf das folgende Beispiel an: (4) Monika vermutet, daß ich in Radolfzell bin. Um das Problem, das sic h für eine Analyse von (4) nac h (R*) ergibt, klar zu sehen, sei hier eine bestimmte (etwas verquere) Äußerungssituation s0 von (4) betrac htet, deren Vorgesc hic hte sic h folgendermaßen abgespielt hat: Erwin ruft aus Sc hwäbisc h-Hall Monika an, um ihr mitzuteilen, daß er nac h Radolfzell fahren will. Unterwegs überlegt er es sic h jedoc h anders und fährt stattdessen nac h Konstanz, wo Monika — die beiden führen dort einen gemeinsamen Haushalt — an ihrem Sc hreibtisc h im Arbeitszimmer sitzt, während ihre Eltern im Wohnzimmer fernsehen. Bei seiner Ankunft trifft Erwin als erstes Monikas Eltern und äußert nun (4). Monika hört dies zwar durc h ein Loc h in der Wand zwisc hen Wohn- und Arbeitszimmer, hält es jedoc h für eine (etwas abwegige) Äußerung ihres Vaters; die Stimmen der beiden ähneln sic h nämlic h, und Monika wähnt Erwin in Radolfzell. So weit die Besc hreibung der uns interessierenden Äußerungssituation s0 von (4). Versuc hen wir nun, (R*) zur Ermittlung des Wahrheitswertes von (4) in s0 heranzuziehen. Die Bedingung (*) läuft in diesem Falle darauf hinaus, daß in jeder (Auswertungs-) Situation s’, die mit den von Monika in s0 gehegten Vermutungen vereinbar ist, die durch (5) ausgedrückte Proposition wahr ist: (5) Ich bin in Radolfzell. (5) ist aber offenbar in einer Situation s’ gerade dann wahr, wenn sic h (in s’) die in s’ sprec hende Person in Radolfzell aufhält. Damit (4) gemäß (R*) in s0 wahr ist, müßten also Monikas Vermutungen darauf hinauslaufen, daß sic h der Äußerer von (4) in Radolfzell befindet. Doc h das ist natürlic h absurd: Monika ist in Konstanz, und sie kann ja hören, daß der Sprec her nebenan ist. (R*) sagt also die Falsc hheit von (4) in s0 voraus, wo doch Erwin ganz offensichtlich recht hat. Es ist klar, was hier sc hiefgelaufen ist: Er- 159 win behauptet mit seiner Äußerung von (4) nämlic h keineswegs, daß Monika vermute, die Person, die jetzt gerade im Nebenzimmer sprec he, sei in Radolfzell. Die Vermutung, die Erwin meint, bezieht sic h vielmehr auf ihn selbst, den augenblic klic hen Sprec her; es handelt sic h also um eine sog. singuläre Proposition, eine Proposition über ein bestimmtes Individuum. Die bisherigen Festlegungen zur Bestimmung von Intension und Extension tragen dieser Tatsac he offenbar nic ht Rec hnung. Eine Revision tut not. Es bieten sic h hier im Prinzip zwei Möglic hkeiten an, diese im Zusammenhang mit (4) aufgetretenen Sc hwierigkeiten aus dem Weg zu räumen: (A) entweder man ändert die Deutung (R*) des Verbs vermuten und besc hränkt sic h in der Klausel (*) auf solc he Auswertungssituationen, in denen dieselbe Person spric ht wie in der Äußerungssituation; (B) oder man gibt die Voraussetzung auf, daß (5) ausdrüc kt, daß sic h der (jeweilige) S precher in Radolfzell aufhält und nimmt stattdessen an, (5) besage, daß sic h Erwin in Radolfzell aufhalte. Wir werden beiden Möglic hkeiten nac hgehen und dabei feststellen, daß (A) wieder zu neuen Problemen führt, während man mit (B) zu einem neuen Intensions-Begriff gelangt, der es dann erlaubt, diese Probleme zu umgehen. Später (in Absc hnitt 2.1) wird sic h allerdings herausstellen, daß sic h die Alternative (A) bei einer abstrakteren Betrachtungsweise wieder retten läßt. Untersuc hen wir also zunäc hst die Alternative (A). Dabei handelt es sic h lediglic h um eine leic hte Verfeinerung der Regel (R*); die Klausel (*) müßte ersetzt werden durch: () x steht zu p in der Relation Vs, falls p in jeder Situation s’ gilt, die mit s den Sprecher gemeinsam hat und die mit den von x in s gehegten Vermutungen vereinbar ist. (+) ist natürlic h noc h etwas unfertig: variiert man nämlic h das Beispiel (5) ein wenig, so stellt sic h sc hnell heraus, daß die in (+) herangezogenen Auswertungssituationen s’ neben dem Sprec her auc h beispielsweise die Gespräc hspartner, den Äußerungstag, den Ort der Handlung u. a. m. von der Äußerungssituation s übernehmen müssen: ihr, heute, hier etc . verhalten sic h in dieser Hinsic ht nämlic h ganz analog zu ich. Die Aspekte der Äußerungssituation, die in dieser Weise von den Auswertungssituationen übernommen werden, nennen wir hier einmal die [für (R+)] festen Situationsaspekte, während wir die anderen Aspekte als [durch (R+)] verschiebbar 160 bezeic hnen. (Man beac hte, daß Aspekte von Situationen gewissen Eigensc haften derselben entsprec hen: s und s’ stimmen im Aspekt ‘Sprec her’ überein, falls sowohl s als auc h s’ die Eigensc haft zukommt, daß eine gewisse Person X in ihr spric ht; Genaueres zu diesem Aspekt-Begriff erfährt man in Absc hnitt 2.1.) Die Revision (A) besagt also einfac h, daß (R+) bestimmte Aspekte der Äußerungssituation festhält. Um welc he Aspekte handelt es sic h dabei? Das Beispiel (4) legt nahe, daß der Sprec her auf jeden Fall dabei ist: nac h (+) müssen ja Äußerungs- und Auswertungssituation den Sprec her gemeinsam haben. Doc h das ist nur die halbe Wahrheit, wie eine kleine Erweiterung des obigen Beispiels zeigt. Erwin könnte nämlic h seiner Äußerung von (4) durc haus wahrheitsgemäß folgendes hinzufügen: (6) Monika vermutet, daß nicht ich spreche, sondern jemand anders. Nac h (R+) würde aber Erwin mit (6) im wesentlic hen behaupten, daß es keine Situation gibt, die mit Monikas Vermutungen vereinbar ist und in der Erwin spric ht: die durc h den in (6) eingebetteten Satz ausgedrüc kte Proposition besteht aus den Situationen s, in denen jemand spric ht, dieser Jemand aber nic ht Sprec her in s ist; solc he s kann es offenbar nic ht geben, so daß die Bedingung (+) in diesem Falle darauf hinausläuft, daß es keine Situation s’ gibt, die mit Monikas Vermutungen vereinbar ist und die mit s0 den Sprec her Erwin gemein hat. Doc h Monika mag in der skizzierten Situation s0 sogar der Meinung sein, daß Erwin gerade etwas sagt; auf jeden Fall widerspric ht diese Annahme nic ht ihren Vermutungen über Erwin, so daß die besc hriebenen Situationen s’ doc h existieren. Sie glaubt eben nur nic ht, daß Erwin der Sprec her ist, den sie gerade, also in s0, hört — aber in irgendwelc hen anderen Situationen kann sie ihn sic h durc haus als Sprec her vorstellen. (R+) funktioniert also auch nicht. Wie ist es nun um die Alternative (B) bestellt? Danac h ist (R*) vollkommen in Ordnung, und der Fehler ist in der Voraussetzung zu suc hen, daß der in (4) eingebettete Satz (5) die Proposition ausdrüc ke, nac h der sic h der (jeweilige) Sprec her in Radolfzell aufhält: nehmen wir nämlic h stattdessen an, die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition bestünde aus den Situationen, in denen Erwin in Radolfzell ist, so würde (4) laut (R*) besagen, daß sic h Erwin in allen mit Monikas Annahmen kompatiblen Situationen in Radolfzell aufhält; IV. Kontexttheorie und genauso ist es ja wohl auc h. Eine Komplikation bei dieser Lösung besteht nun allerdings darin, daß die Annahme, (5) besage, daß Erwin in Radolfzell sei, vollkommen ad hoc ist und sc hon in der näc hstbesten Situation s1, in der jemand anders als Erwin spric ht, zu offenkundigem Unsinn führt: hier kann ja die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition unmöglic h besagen, daß Erwin in Radolfzell ist, sondern allenfalls, daß sic h eine gewisse Person, die in s1 Sprec her ist, in Radolfzell befindet. Damit würde aber (5) in s1 eine andere Proposition ausdrüc ken als in s0, d. h. die Intension von (5) hinge von der Äußerungssituation ab. Die Alternative (B) läuft also letztlic h darauf hinaus, die Intension eines Ausdruc ks — ähnlic h wie die Extension — als etwas mit der Äußerungssituation Variierendes aufzufassen: (5) drüc kt — je nac h dem, wer diesen Satz gebrauc ht — einmal diese, einmal jene (singuläre) Proposition aus, wie auc h der Wahrheitswert dieses Satzes von Situation zu Situation sc hwanken kann. Um zu gewährleisten, daß die durc h (5) ausgedrüc kte Proposition in der gewünsc hten Art und Weise von der Äußerungssituation abhängt, müssen die oben dargestellten Prinzipien zur Bestimmung von Extension und Intension verfeinert werden. Was man brauc ht, ist ein Sc hema, nac h dem ein Satz wie (5) in jeder Äußerungssituation s eine für s c harakteristisc he Intension bekommt — oder, anders ausgedrüc kt: Festlegungen für die Bestimmung der funktionalen Abhängigkeit der Intension von der jeweiligen Äußerungssituation. Diese Abhängigkeit werden wir von nun an den Charakter des betreffenden sprac hlic hen Ausdruc ks nennen. Der Charakter χ5 von (5) ist also eine Funktion, die jeder Äußerungssituation s die Menge derjenigen Situationen s’ zuordnet, für die gilt: der Sprec her in s befindet sic h in der Situation s’ in Radolfzell. Um den Charakter χ5 systematisc h mit dem Aufbau von (5) in Verbindung zu bringen, muß sc hon unterhalb der Satzebene zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation untersc hieden werden. Denn die Extension des Subjekts ich in (5) wird in der Äußerungssituation bestimmt, während sic h die Extension des Prädikats (bin in Radolfzell) nac h der Auswertungssituation ric htet. Dieser Untersc hied in der Gewic htung von Äußerungs- und Auswertungssituation liegt nic ht an den Rollen von Subjekt und Prädikat, sondern an dem Wort ich. (Das läßt sic h z. B. anhand von 9. Kontextabhängigkeit Sätzen mit mich in Objektsposition oder Eigennamen als Subjekt unmittelbar einsehen.) Soll also die Extension e des Subjekts ich angegeben werden, so muß bekannt sein, welc he Situation s Äußerungssituation ist, während die Auswertungssituation keine Rolle spielt: e ist der Sprec her in s. Der Charakter χich von ich läßt sic h dann als eine Funktion auffassen, die für beliebige Äußerungssituationen s und Auswertungssituationen s’ als Wert stets den Sprec her in der Situation s liefert. χich ist also wie χ5 eine Funktion, die auf Äußerungssituationen angewandt wird und deren Werte Intensionen sind, d. h. Funktionen von Auswertungssituationen in Extensionen. Dies gilt für Charaktere im allgemeinen. Es ergibt sich somit das folgende Bild: Die Pfeile sind dabei in folgendem Sinne zu lesen: ‘[am Ursprung des Pfeils] legt in [rec hts vom Pfeil] eindeutig [am Ziel des Pfeils] fest’. ‘K’ steht für die Klassisc he Kontexttheorie von David Kaplan aus Kalifornien. (K) ist natürlic h nur dort anwendbar, wo überhaupt sinnvoll zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation unters c hieden werden kann, also bei intensionalen Konstruktionen. Doc h läßt sic h das Sc hema leic ht auf extensionale Konstruktionen ausweiten: dazu überlegt man sic h z. B., was passiert, wenn ein Satz wie (5), dessen Charakter χ5 wir ja jetzt ungefähr kennen, als solc her behauptet wird. Zunäc hst kann natürlic h χ5 auf die Äußerungssituation s unmittelbar angewandt werden; das Ergebnis ist die durc h (5) in s ausgedrüc kte Proposition χ5(s), die aus den Situationen besteht, in denen die Person, die (5) in s äußert, in Radolfzell ist. Was aber ist die Extension, der Wahrheitswert von (5) in s? Das Sc hema (K) sagt, daß man zur Beantwortung dieser Frage noc h eine Auswertungssituation hinzuziehen müßte; eine solc he sc heint aber zunäc hst gar nic ht gegeben zu sein. Andererseits ist klar, daß (5) in der Äußerungssituation s natürlic h genau dann wahr ist, wenn die Person, die (5) in s äußert, in der Situation s selbst in Radolfzell ist, wenn also s zu χ5(s) gehört. Die durc h (5) in der Äußerungssituation ausgedrü c kte Proposition muß in diesem Fall also im Hinblic k auf die Äußerungssituation selbst ausgewertet 161 werden. Um das Sc hema (K) allgemein anwendbar zu mac hen, kann man somit einfac h vereinbaren, daß — falls keine Auswertungssituation als solc he deklariert wurde — immer die Äußerungssituation als Default-Wert herhalten muß: (D) Außerhalb intensionaler Konstruktionen fungiert die Äußerungssituation als Auswertungssituation. Anhand von (D) läßt sic h ein interessanter Aspekt des Untersc hiedes zwisc hen den beiden weiter oben betrac hteten Möglic hkeiten (A) und (B) zur Deutung eingebetteter daßSätze aufzeigen. Nac h (D) zeic hnen sic h nämc li h intensionale Konstruktionen dadur c h aus, daß man bei ihnen neben der Äußerungssituation noc h weitere Situationen zur Extensionsbestimmung heranzieht: die Auswertungssituation kann hier gegenüber dem Ausgangspunkt verschoben werden. Dies erinnert an die nac h der verworfenen Alternative (A) postulierte Vers c hiebung situationeller Aspekte. Nac h (D) werden sogar (innerhalb intensionaler Konstruktionen) Situationen als ganze versc hoben. Daß dies aber nic ht wieder zu den im Zusammenhang mit (6) angetroffenen Sc hwierigkeiten führt, liegt daran, daß durc h die Untersc heidung zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation der Ausgangspunkt der Versc hiebung, die Äußerungssituation, immer erhalten bleibt: wenn auc h das Hauptverb vermutet in (6) bewirkt, daß der eingebettete Nebensatz in diversen Auswertungssituationen betrac htet wird, so kann sic h sein Subjekt ich dennoc h nac h der Äußerungssituation des Gesamtsatzes ric hten. Normalerweise wird (D) nur für den speziellen Fall eines nic ht eingebetteten Aussagesatzes φ gefordert; auf die allgemeine Version kann man dann mit irgendwelc hen Hilfsannahmen sc hließen. In jedem Falle erhält man auf diese Weise ein einfac hes Rezept zur Ermittlung der Extension (des Wahrheitswertes) v von φ in einer Äußerungssituation s0: v = χφ(s0)(s0), wobei χφ der Charakter von φ ist. Stellt man sic h Charaktere als Tabellen vor, in denen für jede Kombination von Äußerungs- und Auswertungssituation die jeweilige Extension eingetragen ist, so besagt also (D), daß für extensionale Konstruktionen (insbesondere auc h für Sätze in Isolation) nur die Einträge auf der Diagonalen von Interesse sind. Dieses Bild von Charakteren als Tabellen sollte man für das folgende stets im Auge behalten. An ihm wird besonders deutlic h, daß der ursprünglic h (in einem in Ab- 162 IV. Kontexttheorie sc hnitt 2.3 noc h zu vertiefenden Sinne) zweidimensionale Wahrheitsbegriff der klassisc hen Theorie durc h (D) auf eine Dimension reduziert und somit überhaupt erst wieder mit dem vortheoretisc hen Wahrheitsbegriff vergleichbar wird. Die Untersc heidung zwisc hen Äußerungsund Auswertungssituation markiert einen Untersc hied in der Rolle, die Situationen bei der Bestimmung der Extension sprac hlic her Ausdrüc ke spielen können. Doc h während offenbar jede nur denkbare Situation in einer Regel wie (R*) als Auswertungssituation herangezogen werden kann sind Äußerungssituationen nur solc he, in denen eine sprac hlic he Äußerung stattfindet; sie bilden nur einen kleinen Teil der möglic hen Situationen. Diese Beobac htung ist insofern interessant, als sie zeigt, daß das obige Sc hema (K) keineswegs dazu geeignet ist, die Extension von Ausdrüc ken bezüglic h beliebiger Paare 〈s,s’〉 von Situationen zu ermitteln, wobei dann s als Äußerungssituation fungiert und s’ als Auswertungssituation. (Solc he Paare 〈s,s’〉 werden wir ab jetzt als Referenzpunkte bezeichnen.) Wenn in s beispielsweise kein Sprec her (oder Äußerer) zugegen ist, ist (K) überhaupt nic ht anwendbar. Charaktertabellen sind also ni c ht quadratis c h, und ihre Diagonalen durc hkreuzen nur die den Äußerungssituationen vorbehaltene Hälfte: 1.3 Arten der Referenz Äußerungssituation keine Rolle. Auf diese Weise ergibt sic h eine natürlic he Klassifikation sprac hlic her Ausdrüc ke nac h ihren ‘Charaktereigenschaften’: Definition: (a) Ein sprachlicher Ausdruck a referiert direkt, falls für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt: χα(s0)(s) = χα(s0)(s’). (b) Ein Ausdruck α referiert absolut, falls für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt: χα(s0)(s) = χα(s1)(s). Die Extension eines sprac hlic hen Ausdruc ks a ergibt sic h nac h (K) aus seinem Charakter χα, einer Äußerungssituation s0 und einer Auswertungssituation s. Wie die bisher betrac hteten Beispiele sc hon zeigen, genügt in einigen Fällen neben χα bereits die Kenntnis einer der beiden Situationen, um die Extension χα(s0)(s) eindeutig festzulegen. So ist es beispielsweise für das Wort ich vollkommen gleic hgültig, was s ist, da χich(s0)(s) stets der Sprec her in der (Äußerungs-) Situation s0 ist; ganz analog spielt für die Ermittlung der Extension eines Substantivs wie Vertreter die Direkt referentielle Ausdrüc ke sind also solc he, bei denen man die Auswertungssituation 9. Kontextabhängigkeit im Sc hema (K) überspringen kann: sie beziehen sic h direkt, ohne Vermittlung einer Inhalts- oder Intensionsebene, auf die Welt. Absolute Ausdrüc ke sind hingegen solc he, die inhaltlic h, also auf der Intensionsebene, stets dasselbe besagen, und zwar unabhängig davon, zu welc her Gelegenheit sie geäußert werden. Da beide Begriffe nur den Charakter χα eines Ausdruc ks a betreffen, kann man sie auc h direkt auf χα beziehen, was wir gelegentlich tun werden. Die obigen Begriffsbestimmungen sc hließen nic ht aus, daß ein und derselbe Ausdruc k a sowohl direkt als auc h absolut referiert. Allerdings muß a dann per definitionem eine konstante Charaktertabelle besitzen, seine Extension muß also an allen Referenzpunkten gleich sein: χα(s0)(s) = χα(s1)(s’), für beliebige s0, s1, s und s’. Ausdrüc ke, die dieser harten Bedingung genügen, sind nic ht gerade häufig, aber es gibt sie: logisc he Wörter wie und, oder, nicht, jedes etc . sowie tautologisc he Sätze (wie es regnet oder es regnet nicht) gehören zumindest nac h landläufiger Auffassung dazu; auc h Eigennamen werden oft als absolut und direkt analysiert; wir sc hließen uns dieser Praxis an. Beide Auffassungen sind allerdings nic ht ganz unumstritten. (Siehe Absc hnitt 4.4 bzw. Artikel 16.) Es sei darauf hingewisen, daß die Definition (a) nur verlangt, daß die Extension des betreffenden Ausdruc kes nicht von der Auswertungssituation abhängt, woraus aber natürlic h nic ht folgt, daß sie von der Äußerungssituation ec ht abhängt. Diese Konsequenz läßt sic h aber erreic hen, wenn (a) um die Zusatzklausel erweitert wird: (a’) für irgendwelche Äußerungssituationen s0 und s1: χα(s0) ≠ χα(s1). Direkt referentielle Ausdrüc ke a, die zusätzlic h der Bedingung (a’) genügen, heißen deiktisch. Typisc he deiktisc he Wörter sind du, gestern und hier. Die in (a) und (b) definierten Begriffe sind gänzlic h unabhängig voneinander. Ein Ausdruc k kann nic ht nur (a) und (b) zugleic h erfüllen oder (wie die deiktisc hen Ausdrüc ke) direkt referentiell sein, ohne absolut zu referieren. Auc h das Umgekehrte ist möglic h, wie ‘rein inhaltlic he’ Wörter wie essen oder Vertreter zeigen. Und sc hließlic h gibt es eine ganze Reihe von Ausdrüc ken, die weder direkt noc h absolut referieren. Sc hon bei einem einfachen Satz wie (7) ist das der Fall: (7) Ich bin ein Berliner. 163 Einerseits hängt der Wahrheitswert von (7) immer von der Auswertungssituation ab. So war die bislang bekannteste Äußerung von (7) sic herlic h falsc h, denn der Sprec her stammte aus Brookline (Mass.). Dennoc h ist es natürlic h vorstellbar und insofern in einer möglic hen Situation s der Fall, daß John F. Kennedy in Berlin zur Welt gekommen ist. Das beweist, daß (7) nic ht direkt referentiell ist, denn χ7(s0)(s0) ≠ χ7(s0)(s), wenn s0 die entsprec hende tatsäc hlic he Situation vor dem Sc höneberger Rathaus ist und s so ist wie besc hrieben. Andererseits ist (7) natürlic h auc h kein absoluter Ausdruc k. Äußert nämlic h etwa Arnim von Stec how den Satz (7), so drüc kt er damit offenbar eine andere Proposition aus als der US-amerikanisc he Präsident seinerzeit; findet die Äußerung in dieser Welt statt, wird sie sic h sogar im Wahrheitswert von ihrer berühmten Vorgängerin unterscheiden. Es sollte beac htet werden, daß (7) ein komplexer Ausdruc k ist. Eindeutige Fälle von Wörtern, die weder (a) noc h (b) erfüllen, sind weitaus sc hwieriger zu finden. Es gibt allerdings gewisse Verwendungsweisen absoluter Wörter, die eine Abhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation nac h sic h ziehen. So kann man bei zweistelligen, also auf Relationen oder Funktionen bezogenen Substantiven wie Bruder oder Mutter das Argument weglassen, das dann aus der Äußerungssituation ergänzt werden muß: (8) a. Bevor er zum Familientreffen fuhr, rasierte sich Karl Marx. Nicht einmal die Brüder haben ihn daraufhin erkannt. (8) b. Vor der Schwarzwaldklinik wurde ein Säugling gefunden. Die Mutter ist nach wie vor unbekannt. Bei einer Äußerung von (8a) versteht man zumindest normalerweise Brüder im Sinne von Brüder von Karl Marx; ebenso bezieht sic h Mutter in (8b) natürlic h auf die Mutter des Findelkindes, von dem gerade die Rede war. Genauer: die durc h den zweiten Satz von (8a) in einer Äußerungssituation s0 ausgedrüc kte Proposition χ8(s0) besteht aus den (zeitlic h vor s0 liegenden) Situationen s, in denen die Brüder der in s0 nahegelegten Person den Referenten von ihn (also Karl Marx) nic ht erkennen; genauso besteht in einer Äußerungssituation s1 die durc h den zweiten Satz von (8b) ausgedrüc kte Proposition aus den Situationen s’, in denen die Mutter des in s1 zur Debatte stehenden Kindes unbekannt ist. 164 In beiden Fällen muß also das fehlende Argument aus der Äußerungssituation erschlossen werden. Wie dies genau gesc hieht, soll an dieser Stelle nic ht weiter verfolgt werden (siehe aber Absc hnitt 3.3). Hier sei lediglic h darauf hingewiesen, daß fehlende Argumente nic ht immer aus der Äußerungssituation ergänzt werden können und dürfen. Oft bleibt das Argument nämlich unbestimmt: (9) Vater werden ist nicht schwer. Hier wird Vater wie Vater von jemand oder Vater eines Kindes benutzt und eben nic ht im Sinne von Vater von x, wobei x dann eine durc h die jeweilige Äußerungssituation nahegelegte Person ist. (Zu Sätzen wie (9) vgl. Abschnitt 4.3). Ein anderer Fall, in dem die Extension eines einzelnen Wortes von Äußerungs- und Auswertungssituation zugleic h abhängt, liegt bei flektierten Verbformen wie schläfst vor: anders als bei dem absoluten Wort schlafen hängt die Extension der finiten Form von der Äußerungszeit (und möglic herweise auc h vom Sprec her) ab. Doc h dieses Wort läßt sic h als Produkt einer syntaktisc hen Regel bzw. eines morphologisc hen Prozesses und nic ht als ‘nac ktes Lexem’ einstufen; unter Verwendung der grammatisc hen Terminologie: schläfst zerlegt sic h in V + INFL, wobei letzteres deiktisc h, ersteres aber absolut referiert. Ähnlic h kann man das Possessivpronomen mein in das deiktisc he Wort ich und ein possessives Element zerlegen (vgl. dazu Absc hnitt 3.3). Wir haben damit Anlaß zu der folgenden Hypothese über das Lexikon: (L) Lexikalische Grundeinheiten sind immer deiktisch oder absolut. Von den Extensionen gewisser Adjektive wird gelegentlic h eine doppelte situationelle Abhängigkeit behauptet. Ein einsc hlägiges Beispiel ist das Adjektiv aus (9). In Verbindung mit einem Substantiv verweist es in seiner Grundform (Positiv) auf eine Menge, deren genaue Zusammensetzung von vielerlei Faktoren abhängt. Ob ein bestimmter Gegenstand in der durc h schweres Lehrbuch denotierten Menge liegt, hängt unter anderem davon ab, auf welc he Dimension sic h der Sprec her mit schwer bezieht: also etwa auf den Sc hwierigkeitsgrad der Lektüre oder einfac h auf das Gewic ht des Papiers; und innerhalb derselben Dimension gibt es untersc hiedlic he Standards: die Standards für Lesbarkeit sc hwanken mit der vom Sprec her ins Auge gefaßten Lesersc haft, und die Gewic htskriterien haben auc h etwas damit zu tun, ob von IV. Kontexttheorie Lehrwerken für das Chemiestudium oder von Lesefibeln die Rede ist. Sowohl den von einigen Adjektiven unterdeterminierten Dimensionen als auc h den bei allen steigerbaren Adjektiven zu beobac htenden sc hwankenden Standards wird gelegentlic h eine Abhängigkeit von der Äußerungssituation nac hgesagt. Andererseits ist unbestritten, daß der Auswertungssituation bei der Bestimmung der Extension von Adjektiven immer eine zentrale Rolle zukommt: sie liefert die einsc hlägigen Fakten. Betrac hten wir dazu ein Beispiel. Bei einer Äußerung von (10) Die Studenten meinen, daß das Handbuch Semantik ein zu schweres Buch ist. kann die Sprec herin irgendeiner Gruppe von Studenten entweder eine Meinung über das Gewic ht des vorliegenden Werkes zusc hreiben oder aber eine Einstellung zu dessen intellektueller Zumutbarkeit; doc h sie kann damit nic ht zum Ausdruc k bringen, daß die besagten Studenten dieses Buc h für in jedem Sinne zu sc hwer halten. Die Proposition, zu der in (10) eine Einstellung konstatiert wird, besteht also (in erster Annäherung) entweder aus denjenigen (Auswertungs-) Situationen, in denen das Handbuch S emantik mehr wiegt als man tragen kann, oder sie ist die Menge der Situationen, in der dasselbe Buc h von der Lesersc haft zu viel abverlangt. Um welc he Proposition es sic h handelt, hängt dabei offenbar davon ab, auf welc he Dimension sic h die Sprec herin mit schweres bezieht; und das wiederum wird vom Thema des Gespräc hs und insofern von der Äußerungssituation zumindest beeinflußt. Auf ähnlic he Weise argumentiert man dafür, daß auc h die Wahl des Vergleic hsstandards der Äußerungssituation obliegt. Doc h stehen Dimension und Standard erst einmal fest, so hängt die Extension von schwer immer noc h von der Auswertungssituation ab: ob etwa eine Auswertungssituation s zur Menge der Situationen gehört, in denen das Handbuch S emantik ein größeres Gewic ht hat als Barwise (ed.) (1977) (oder ein anderer akzeptierter Standard), hängt von den Fakten in s selbst ab und nic ht von dem, was in der Äußerungssituation der Fall ist. Wir müßten demnac h für schwer folgenden Typ von Bedeutungsregel ansetzen: (Rschwer) Es sei s0 eine Äußerungssituation, s eine Auswertungssituation, und X sei diejenige Vergleichsdimension aus der Menge {Gewicht, Schwierigkeitsgrad, ...}, die in s0 am wichtigsten ist. Dann ist χschwer(s0)(s) eine Funktion, 9. Kontextabhängigkeit die einer beliebigen Menge M diejenigen Gegenstände y zuweist, für die gilt: y ist in M, und in s kommt y bezüglich X ein höherer Wert zu als dem in s0 einschlägigen X-Standardwert. (M ist die Extension des Bezugsnomens.) Adjektive wie schwer sc heinen also auf doppelte Weise gegen die Hypothese (L) zu sprec hen. Doc h so einfac h ist die Sac he wiederum auc h nic ht. Wie wir im näc hsten Absc hnitt sehen werden, wird die unterdeterminierte Dimension keineswegs immer von der Äußerungssituation beigetragen. Und was den Standard angeht, so wird er bei der Extensionsbestimmung des Positivs stets vergleic hend herangezogen: ein Lehrbuc h ist sc hwer (in welc hem Sinne auc h immer), wenn es (in diesem Sinne) schwerer ist als der situationell vorgegebene Standard. Damit wird offensic htlic h der Positiv des Adjektivs auf den Komparativ (bzw. ein allen Steigerungsfomen zugrundeliegendes Grundlexem mit komparativis c her Bedeutung) zurüc kgeführt. Und der Komparativ referiert absolut. Der Positiv ließe sic h also auc h als das Ergebnis eines morphologisc hen Prozesses auffassen und fiele damit nic ht in den Zuständigkeitsbereic h von (L). (Siehe die Artikel 31 und 32.) (L) ist so gemeint, daß sic h das Lexikon einigermaßen einfac h und plausibel so darstellen und interpretieren läßt, daß (L) gilt; es soll keineswegs behauptet werden, daß (L) ein zwingendes Prinzip ist, ohne das keine empirisc h korrekte Besc hreibung des Deutsc hen auskommen kann. Weiterhin sei beac htet, daß sic h (L) definitionsgemäß nur auf die Frage der Extensionsbestimmung bezieht und keine anderen semantisc hen Dimensionen wie Stil, Präsuppositionen etc . erfaßt. Es ist z. B. klar, daß bei einem pejorativ gefärbten Wort wie Köter die Extension nur von der Auswertungssituation abhängt, während die Färbung von dem in der Äußerungssituation zu bestimmenden Sprec her beigesteuert wird, wie man sic h an einem einfac hen Beispiel klarmachen kann: (11) Hermann weiß, daß Hellas Hund gestorben ist. (11′) Hermann weiß, daß Hellas Köter gestorben ist. In (11) und (11′) wird über den Träger des Namens Hermann jeweils dasselbe ausgesagt, daß er nämlic h zu einer gewissen Proposition p†, die aus den Situationen besteht, in denen Hellas Hund gestorben ist, in der durc h das 165 Verb wissen ausgedrüc kten Relation steht. Der Untersc hied zwisc hen den beiden Varianten besteht lediglic h darin, daß in letzterem der Sprec her zusätzlic h zu verstehen gibt, daß er selbst das betreffende Tier nic ht gerade verehrt. Doc h dieser Untersc hied spielt keine Rolle bei der Ermittlung der Intension p† des eingebetteten Satzes und insofern auc h nic ht für den Charakter der in ihm vorkommenden Wörter. Hund und Köter sind c haraktergleic h und referieren absolut; sie bestätigen somit die Hypothese (L). Die Färbung gehört offenbar einer vom Charakter unabhängigen semantischen Dimension an. Die Hypothese (L) sagt etwas darüber aus, wie sic h die kleinsten sprac hlic hen Bedeutungsträger auf die Welt beziehen. Im Falle eines deiktisc hen Wortes wird die Extension direkt aus Merkmalen (Aspekten) der Äußerungssituation ermittelt. Dies gilt auc h dann, wenn das Wort in eine intensionale Konstruktion eingeht: der Beitrag, den ein deiktisc hes Wort zur Bestimmung der Intension eines Ausdruc ks leistet, in dem es vorkommt, erschöpft sich in seiner Extension: (12) Caroline hätte fast übersehen, daß heute die Sonne scheint. Mit einer Äußerung dieses Satzes am 26. 12. 1953 wird beispielsweise gesagt, daß Caroline in einer bestimmten Relation (des ‘Beinahe-Übersehens’) zu der Menge p der Situationen steht, in denen am 26. 12. 1953 die Sonne sc heint. Das deiktisc he Wort heute bringt in die Proposition p lediglic h den Tag der Äußerung ein; p ist also eine singuläre Proposition über den 26. 12. 1953. Im Gegensatz dazu trägt z. B. das Verb scheint zu p wie zur Intension des Gesamtsatzes auc h einen Inhalt, eine Intension, bei: die bloße Kenntnis der Extension von scheint in der Äußerungssituation reic ht zur Bestimmung von p nicht aus. Die Fähigkeit, Extensionen direkt in den Aufbau von Intensionen (wie p) einfließen zu lassen, ist das semantisc he Hauptc harakteristikum deiktisc her Wörter und motiviert die Redeweise von der ‘direkten Referenz’. Gelegentlic h wird sogar gesagt, daß deiktisc he Wörter wie heute dafür sorgen, daß ihr Referent — aufgrund der Singularität — ein Teil der ausgedrüc kten Proposition ist. Dieser Redeweise werden wir uns nic ht ansc hließen, da sie auf Sc hwierigkeiten bei der Präzisierung stößt; der Begriff der singulären Proposition ist, nebenbei bemerkt, schon heikel genug. Der Beitrag deiktisc her Wörter zum Inhalt der Ausdrüc ke, in denen sie vorkommen, be- IV. Kontexttheorie 166 steht also lediglic h in ihrem jeweiligen Referenten. Aber mit der Angabe des Referenten ist natürlic h nic ht die Bedeutung oder Funktion eines deiktisc hen Wortes hinreic hend besc hrieben. Denn die Extension variiert von (Äußerungs-) Situation zu Situation, und die Art und Weise der Variation mac ht gerade den Charakter eines solc hen Wortes aus: die Ebene der Auswertungssituation kann ja bei direkter Referenz getrost übersprungen werden. Bei dieser Betrac htungsweise stellt sic h der Charakter eines deiktisc hen Wortes als eine Art Mini-Intension dar: als eine partielle Funktion von Situationen in Extensionen, aber eben als eine solc he Funktion, die nur für Äußerungssituationen definiert ist. Die so durc h Überspringen der redundanten Auswertungs-Ebene aus dem Charakter χα eines direkt referentiellen Ausdruc ks a gewonnene Mini-Intension nennen wir den deskriptiven Gehalt δα von α: für direkt referentielle α, beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s und s’ gilt also: δα(s0) = χα(s0)(s) = χα(s0)(s’). Der deskriptive Gehalt eines deiktisc hen Ausdruc ks entspric ht meistens mehr oder weniger der Intension irgendeines absoluten Ausdruc ks. So ist die Intension von der Angesprochene ungefähr gleich dem deskriptiven Gehalt von du: χder Angesproc hene(s0) ≈ δdu, für beliebige Äußerungssituationen s0. In diesem Falle nennt man den absoluten Ausdruc k eine Umschreibung des entsprec henden deiktisc hen Ausdruc ks: der Angesprochene ist also eine Umsc hreibung von du. Man beac hte, daß deiktisc he Ausdrüc ke und ihre Umsc hreibungen niemals [!] c haraktergleic h sind. Die Umsc hreibung hebt lediglic h die Variabilität des deiktisc hen Charakters auf eine begrifflic he Ebene. Oder, etwas prosaisc her: die Abhängigkeit der Extension eines deiktisc hen Ausdruc ks von der Äußerungssituation wird in der Umsc hreibung zu einer Abhängigkeit von der Auswertungssituation. Der Zusammenhang zwisc hen deiktisc hem Charakter und Umsc hreibung kann als das Werk eines an der sprac hlic hen Oberfläc he unsi c htbaren Operators aufgefaßt werden, der alle Situationsabhängigkeiten auf die Äußerungssituation bezieht. Dieser Operator hat den etwas umständlic hen und sc hwer zu artikulierenden Namen dthat [phonetisch: d∂æt]. Die Extension eines Ausdruc ks der Gestalt dthat(α) bestimmt sic h für Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s wie folgt: χdthat(α)(s0)(s) = χα(s0)(s0). Die Ar- beitsweise von dthat mac ht man sic h am besten anhand metasprac hlic her Besc hreibungen der Charaktere absoluter Ausdrüc ke klar: angenommen, χder Angesprochene(s0)(s) sei die in s angespro c hene Person. Dann ergibt si c h dthat(der Angesprochene) als die in s0 angesproc hene Person. Das Ergebnis des dthatOperators läßt sic h immer als eine solc he Einsetzung von Äußerungs- für Auswertungssituationen darstellen. Mehr dazu erfährt man in Abschnitt 2.3. 1.4 Arten der Kombination Das Sc hema (K) führt nic ht nur zu einer natürlic hen Klassifikation sprac hlic her Ausdrüc ke nac h ihren referentiellen Eigensc haften. Man kann es auc h benutzen, um versc hiedene Typen syntaktisc her Konstruktionen zu untersc heiden. Dafür ist es nützlic h, sic h der Begriffsbildungen der algebraisc hen Semantik zu bedienen [vgl. dazu auc h Artikel 7] und diese Konstruktionen als Operationen über sprac hlic hen Ausdrüc ken oder ihren Tiefenstrukturen aufzufassen. Danac h gibt es z. B. im Deutsc hen eine Operation R, die aus einem Nomen und einem (kongruenten) Relativsatz ein komplexes Nomen erstellt: R(Kind,das weint) = Kind, das weint, etc . Im allgemeinen nimmt eine syntaktisc he Konstruktion F eine bestimmte Anzahl n von Ausdrüc ken (oder Tiefenstrukturen) α1,...,αn als Argumente und liefert als Ergebnis wieder einen Ausdruc k (bzw. eine Tiefenstruktur). Im Rahmen der hier favorisierten kompositionellen Semantik geht man davon aus, daß sic h der Charakter des Ergebnisses F(α1,...,αn) aus den Charakteren der Argumente mit Hilfe einer der Konstruktion F entsprec henden semantischen Operation ΣF bestimmen läßt. Wir haben also ein: Allgemeines Kompositionalitätsprinzip Der Charakter eines komplexen Ausdruc ks ergibt sic h aus dem Charakter seiner Teile und der Art ihrer Kombination. Im Falle der Relativsatzanbindung R ist die entspre c hende semantis c he Operation die c S hnittmengenbildung: ΣR(χ1, χ2)(s0)(s) = χ1(s0)(s) ⋂ χ2(s0)(s). Dabei wird vorausgesetzt, daß die Extension eines Relativsatzes wie die eines Nomens eine Menge ist. R ist also (im Sinne des Absc hnitts 1.1) extensional, da an jedem Referenzpunkt die Kenntnis der Extensionen der beiden Argumente ausreic ht, um die Extension des Ergebnisses festzulegen. Im allgemeinen ist eine n-stellige syntaktisc he Konstruktion F extensional, falls extensionsgleic he Teilausdrüc ke stets zu extensionsglei- 9. Kontextabhängigkeit c hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1, χ’1 ..., χn, χ’n und Referenzpunkte 〈s0,s〉 gilt: χ1(s0)(s) = χ’1(s0)(s), ..., χn(s0)(s) = χ’n(s0)(s) impliziert ΣF(χ1, ..., χn)(s0)(s)(s) = ΣF(χ’1, ..., χ’n)(s0)(s). Natürlic h ist nac h dieser Definition eine solc he Konstruktion F genau dann extensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also an jedem Referenzpunkt 〈s0,s〉, in dem Sinne auf eine Operation Σ über Extensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1, ...,χn, gilt: ΣF(χ1, ..., χn) (s0) (s) = Σ (χ1, (s0) (s), ..., χn(s0) (s)). Bei dem Relativsatz-Beispiel ist natürlic h Σ immer die Sc hnittbildung ⋂ und hängt somit insbesondere nic ht vom Referenzpunkt ab. F ist in diesem Sinne kanonisch extensional; möglic herweise ist jede (tatsäc hlic he) extensionale Konstruktion kanonisch. Wie wir bereits in Absc hnitt 1.1 am Beispiel der Satzeinbettung unter Einstellungsverben gesehen haben, kommt man mit dem Naiven Kompositionalitätsprinzip ni c ht aus: ni c ht alle tatsäc hlic h vorkommenden syntaktisc hen Konstruktionen sind extensional. Manc hmal muß man auc h die Intensionen der beteiligten Ausdrüc ke kennen, um die Extension des Gesamtausdru c ks zu bestimmen. Immerhin brauc ht man aber im Falle einer intensionalen Konstruktion nic ht die gesamten Charaktere der Teilausdrüc ke zu kennen, um die Extension des Ergebnisses zu ermitteln. Im allgemeinen ist eine n-stellige syntaktisc he Konstruktion F intensional, falls jeweils intensionsgleic he Teilausdrüc ke stets zu extensionsgleic hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1,χ’1, ...,χn,χ’n und Referenzpunkte 〈s0,s〉 gilt: χ1(s0) = χ’1(s0), ..., χn(s0) = χ’n (s0) impliziert ΣF(χ1, ..., χn) (s0) (s) = ΣF(χ’1, ..., χ’n) (s0) (s). Natürlic h ist nac h dieser Definition eine solc he Konstruktion F genau dann intensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also in jeder Äußerungssituation s0, in dem Sinne auf eine Operation Σ über Intensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1,...,χn gilt: ΣF(χ1, ..., χn) (s0) = Σ (χ1(s0), ..., χn(s0)). Im Falle der erwähnten Satzeinbettung entspri c ht die semantis c he Operation stets einer bestimmten Art von (intensionaler) Funktionalapplikation; die genaue Spezifikation dieser Operation und ihrer intensionalen Entsprec hung wird der Leserin überlassen. Sie wird dabei auc h hier eine gewisse Kanonizität beobac hten, die jedoc h nic ht so leic ht zu definieren ist wie im Falle 167 der Relativsatz-Anbindung. Der Grund dafür liegt in dem untersc hiedlic hen Verhalten von Einstellungsverb und Nebensatz: während letzterer seine gesamte Intension besteuert, interessiert bei ersterem lediglic h die Extension. Die Konstruktion ist damit sozusagen ex-intensional. Auf solc he gemisc hten Konstruktionen läßt sic h der Begriff der Kanonizität dann übertragen, wenn man sie immer auf dieselbe Operation über Extensionen (von Einstellungsverben) und Intensionen (von Sätzen) reduzieren kann. Dieser Art von Kanonizität genügen wiederum möglic herweise alle in diesem Sinne gemisc hten Konstruktionen. Man kann sic h leic ht überlegen, daß jede extensionale Konstruktion auc h intensional ist; das Umgekehrte gilt natürlic h nic ht. Aber gibt es eigentlic h Konstruktionen, die nic ht einmal intensional sind? Die bisherigen Definitionen sc hließen das nic ht aus. Dennoc h geht allein die Idee einer nic ht-intensionalen Konstruktion gegen den Geist der hier dargestellten Theorie, weswegen man semantisc he Operationen, bei denen die Extension des Ergebnisses nic ht durc h die Intensionen der Argumente festgelegt wird, als Monster bezeic hnet. Die klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit legt das folgende Prinzip nahe: (M) In der natürlichen Sprache gibt es keine Monster: syntaktische Konstruktionen sind immer (höchstens) intensional. (M) ist lediglich eine Reformulierung des Fregesc hen Kompositionalitätsprinzips im Rahmen des Sc hemas (K) und als Einsc hränkung des Allgemeinen Kompositionalitätsprinzips. Aus den bisherigen Betrac htungen läßt sic h (M) etwa folgendermaßen motivieren: ein Monster müßte für mindestens eines seiner Argumente die Abhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation in Betrac ht ziehen; die Äußerungssituation wird damit aber hypothetisc h versc hoben, durc h eine andere Situation ersetzt, womit sie letztlic h zur Auswertungssituation wird: das vermeintli c he Monster entpuppt sic h so als falsc h verstandene intensionale Konstruktion. Dieses Argument, das sic h weiter ausbauen und präzisieren ließe (vgl. Artikel 7), mutet sc hon fast wie eine definitorisc he Wegerkärung jeglic her Monster an. Daß sic h die Sac he dennoc h nic ht so einfac h verhält, kann man anhand eines Beispiels einsehen. Wir kommen dazu auf die im vorhergehenden Absc hnitt erwähnten dimensionell unterbestimmten Adjektive zurüc k. Auc h wenn die fehlende Dimension IV. Kontexttheorie 168 oft irgendwie aus der Äußerungssituation ersc hlossen werden kann, kann es passieren, daß keine der vom Adjektiv her denkbaren Dimensionen in einer gegebenen Sprec hsituation sonderlic h naheliegt. Um nic ht mißverstanden zu werden, muß sic h der Sprec her in so einer Situation klarer ausdrüc ken, als es das betreffende Adjektiv erlaubt. Dazu kann er auf ein expliziteres Adjektiv zurüc kgreifen: neben schwer gibt es z. B. das dimensionell determinierte schwierig bzw. das (in der einsc hlägigen Lesart) etwas angestaubte gewichtig. Oft besteht auc h die Möglic hkeit, die fehlende Dimension durc h Hinzufügung eines Adverbs zu explizieren: (13) Der zeitlich kürzeste Weg nach Paris führt über Landau. Wenn allerdings die von kurz unterbestimmte Dimension (Dauer, Länge, ...) von der Äußerungssituation abhängen soll, dann wäre die in (13) eingesetzte Konstruktion der Modifikation eines Adjektivs durc h ein (Dimensions-) Adverb ein Monster! Denn wird (13) z. B. in einer Situation s0 geäußert, in der die Längendimension näher liegt als die Dauer, so bezieht sic h nac h dieser Analyse das bloße Adjektiv kürzeste in s0 auf die Längenskala; in der komplexen Adjektivphrase zeitlich kürzeste wird die Länge dann aber durc h die Dauer ersetzt: χkürzeste(s0)(s) bezeic hnet in Verbindung mit einem Nomen a die Menge derjenigen Gegenstände aus der Extension χα(s0)(s) von α, denen bezüglic h der durc h s0 bestimmten Dimension der geringste Wert zukommt, die also von minimaler Länge sind; χzeitlich kürzeste (s0)(s) liefert dagegen (in Verbindung mit a) die Menge derjenigen Gegenstände aus der Extension χα(s0)(s) von α, denen bezüglic h der durc h die Bedeutung von zeitlich bestimmten Dimension der geringste Wert zukommt, die also von minimaler Dauer sind. Das Adverb zeitlich operiert somit in der Weise auf dem Adjektivc harakter, daß — statt der eigentlic hen Extension am betrac hteten Referenzpunkt — die Extension des (eingebetteten) Adjektivs an einem anderen Referenzpunkt ermittelt wird, nämlic h an einem solc hen, dessen Äußerungssituation für das eingebettete Adjektiv die Dimension der Dauer nahelegt: die fraglic he Kombintion Σ aus χzeitlichund χkürzeste liefert also für den Punkt 〈s0,s〉 die Extension χkürzeste(s1)(s), wobei s1 wie s0 ist — außer daß die für kurz näc hstliegende Dimension in s1 die Dauer ist. Diese Bestimmung von s1 ist möglic herweise etwas unklar und ließe sic h im Rahmen einer gewissen (in Absc hnitt 2.1 zu besprec henden) Variante der gegenwärtigen Theorie auf befriedigendere Art und Weise geben. Doc h wie immer s1 genau ermittelt wird: es handelt sic h dabei um eine von s0 versc hiedene Situation, und diese Versc hiebung der Äußerungssituation macht Σ zum Monster. Das gerade diskutierte Beispiel ist ein Vertreter eines Typs montröser Konstruktionen, wie sie in der Literatur vorgesc hlagen wurden. Weitere möglic he Monster werden wir noc h kennenlernen. Auc h die Frage, ob und wie sic h zumindest einige von ihnen vermeiden lassen, wird uns noc h besc häftigen. Sc hon in Absc hnitt 2.1 werden wir eine Möglic hkeit kennenlernen, dem soeben bes c hriebenen Monster Σ durc h einen theoretisc hen Sc hlenker zu entkommen. 2. Varianten und Alternativen Die klassisc he Theorie ist nic ht konkurrenzlos. Vieles, was man mit ihr mac hen kann, läßt sic h ebensogut oder sogar noc h besser im Rahmen anderer Theorien erreic hen, deren Begriffsbildungen zwar teilweise mit den klassisc hen verwandt sind, die aber dennoc h andere Sic htweisen einbringen. Die folgende Synopse soll den Leserinnen einen groben Überblic k über die wic htigsten möglic hen Abweic hungen von der klassisc hen Perspektive vermitteln. Aus Platzgründen ist die Darstellung allerdings weniger ausführlic h als in Teil 1; mitunter kommt sie nic ht einmal über den Rang einer groben Skizze hinaus. Für tiefere Einsic hten muß daher auf die in Absc hnitt 5.2 genannte Literatur verwiesen werden. 2.1 Parametrisierung Aus den bisher betrac hteten Beispielen wird deutlic h, daß sic h die Rolle der Äußerungssituation s0 bei der Extensionsbestimmung (durc h den Charakter) jeweils auf den Beitrag gewisser Aspekte besc hränkt: für ich benötigt man den Produzenten der in s0 getätigten Äußerung, gestern verweist auf den Vortag des Tages von s0, hier bezieht sic h auf den Ort, an dem sic h s0 abspielt, etc . Was sind nun Aspekte von (Äußerungs-) Situationen im allgemeinen? Diese Frage läßt sic h wohl auf mehrere äquivalente Arten beantworten. Wir werden jedenfalls situationelle Aspekte als Werte gewisser Funktionen auffassen, die (konkreten) Situationen irgendetwas zuordnen; die Funktionen selbst bezeic hnen wir dabei als situationelle Parameter. So verstehen wir unter dem Orts-Parameter eine Funktion, 9. Kontextabhängigkeit die jeder Situation ihren Ort zuweist, der Vortags-Parameter liefert für ein gegebenes s den Tag vor dem Tag von s, der Sprecher-Parameter ist eine partielle Funktion, die nur für Äußerungssituationen definiert ist und mac ht, was man von ihr erwartet, usw.; und Sprec her, Vortag und Ort einer (Äußerungs-) Situation s0 sind als Werte der entsprec henden Parameter Aspekte von s0. Nac h dieser Definition besitzt natürlic h jede Situation eine Unzahl von abwegigen und uninteressanten Aspekten, von denen nur einige für die Bestimmung von Extensionen relevant sind. Welc he dies ungefähr sind, wird uns noc h in Teil 3 besc häftigen. Im folgenden werden wir erst einmal so tun, als sei die Liste der einsc hlägigen Parameter wohlbekannt; die Parameter selbst werden wir sogar gelegentlic h mit ihrer Stelle in dieser Liste identifizieren: wenn also der Sprec her-Parameter die erste Stelle einnehmen sollte, so werden wir ihn als Parameter 1 bezeichnen etc. Diejenigen situationellen Aspekte, die (in einer bestimmten Sprac he) für die Bestimmung von Intension und Extension als Beitrag der Äußerungssituation herangezogen werden, heißen kontextuell; wir werden diesen Begriff ebenso auf die entsprec henden situationellen Parameter anwenden. Im Sc hema (K) könnte man also die Äußerungssituation getrost durc h die Gesamtheit ihrer kontextuellen Aspekte ersetzen, ohne daß sic h am Kern der klassisc hen Theorie irgendetwas änderte. Man könnte sogar Charaktere als Funktionen auffassen, die Listen (also n-Tupeln oder Folgen) c von kontextuellen Aspekten Intensionen zuordnen. Solc he c bezeichnet man üblic herweise als Kontexte. Jeder Äußerungssituation entspric ht demnac h genau ein von ihr determinierter Kontext, aber derselbe Kontext kann im Prinzip einer Unzahl von Äußerungssituationen entsprec hen — wieviele es genau sind, hängt natürlic h von Anzahl und Art der kontextuellen Aspekte ab: wäre der Sprec her der einzige kontextuelle Parameter, so bestünden Kontexte im wesentlic hen aus Personen, und alle Äußerungen Ronald Reagans fänden in diesem Sinne im selben Kontext statt. Die Tatsac he, daß die Determination nic ht unbedingt eine ein-eindeutige Beziehung ist, zeigt, daß der soeben eingeführte Kontextbegriff nic ht immer ganz dem intuitiven entspric ht — das ist wohl eher bei dem Begriff der Äußerungssituation der Fall — doc h gerade dieser Kontextbegriff ist der in der logisc hen Semantik heutzutage übliche. 169 So wie die Äußerungssituation auf ihre kontextuellen Aspekte reduziert werden kann, läßt sic h auc h die Auswertungssituation im Prinzip auf das wesentlic he zurec htstutzen und somit als Liste von (für die Bestimmung der Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke wesentlic hen) situationellen Aspekten auffassen. Aus der Auswertungssituation wird dann ein Index. Ganz analog zu dem soeben Gesagten gilt natürlic h auc h hier, daß eine Auswertungssituation s im allgemeinen mehreren Indizes entspric ht, wobei die Frage, wieviele es sind, vor allem wieder davon abhängt, welc he situationellen Parameter und Aspekte indexikalisch sind. Die allgemeine Referenztheorie gibt darüber keine Auskunft: ein Index könnte ebensogut nur aus einem einzigen Aspekt (etwa einer möglic hen Welt) bestehen wie aus einer Vielzahl von Aspekten, die in ihrer Gesamtheit die Auswertungssituation jeweils eindeutig festlegen. (Natürlic h ist die Anzahl der Aspekte nic ht entsc heidend für diese Möglic hkeit der eindeutigen Festlegung: der ‘Aspekt’, mit s identisc h zu sein, legt s ganz allein eindeutig fest; es ist allerdings fraglic h, ob und wann ein dermaßen spezieller Aspekt bei der Bestimmung einer Extension jemals wirklic h benötigt wird.) Allerdings sei im folgenden stets vorausgesetzt, daß indexikalisc he Parameter und Aspekte automatisc h als kontextuell gelten. Diese Annahme ist sowohl theoretisc h sinnvoll als auc h empirisc h gerec htfertigt. Was den theoretisc hen Sinn angeht, so wird man im näc hsten Absatz sowie im Absc hnitt 2.3 einige Hinweise finden; die empirisc he Rec htfertigung wird auf Absc hnitt 3.1 vertagt. Kontextuelle Parameter und Aspekte, die nic ht zugleic h auc h indexikalisc h sind, heißen echt kontextuell. Ec ht kontextuelle Aspekte sind naturgemäß solc he, deren Existenz mit der Tatsac he zusammenhängt, daß in der betrac hteten Situation eine Äußerung stattfindet. Das typisc he Beispiel ist einmal mehr der Sprecher. So wie sic h die Äußerungssituation in (K) durc h den von ihr determinierten Kontext ersetzen läßt, kann natürlic h die Rolle der Auswertungssituation von dem ihr entsprec henden Index gespielt werden; entsprec hend muß man dann Intensionen als Funktionen von Indizes statt von (Auswertungs-)Situationen in Extensionen definieren. Diese Ersetzung ist allerdings für die klassisc he Theorie nic ht ganz so folgenlos wie der Übergang von Äußerungssituationen zu Kontexten. Denn nic ht alle kontextuellen Parameter tauc hen auc h im Index auf, wodurc h letzterer stets 170 weniger spezifisc h ist. Während also die Auswertungssituation — wie in der Darstellung (X) in Absc hnitt 1.2 eigens hervorgehoben wurde — gelegentlic h selbst eine Äußerungssituation sein kann, ist eine solc he Übereinstimmung zwisc hen Kontext und Index prinzipiell unmöglic h. Insbesondere gibt es in der Kontext-Index-Variante der klassis c hen Theorie keine Diagonale im eigentlic hen Sinne. Allerdings entspric ht natürlic h (weiterhin unter der Annahme, daß indexikalisc he Aspekte auc h immer kontextuell sind) jedem Kontext c eindeutig ein durc h Streic hung der rein kontextuellen Aspekte entstehender Index i(c). Diese Entsprec hung kann als Diagonalen-Ersatz zur Reformulierung des Prinzips (D) herangezogen werden: Default-Wert für die Auswertung in s0 ist dann nic ht der Punkt 〈s0,s0〉, sondern 〈c(s0),i(c(s0))〉, wobei c(s0) der von s0 determinierte Kontext ist. Doc h nic ht alle Funktionen der Diagonalen können in dieser Theorie-Variante simuliert werden; wir werden das in Absc hnitt 2.3 nac hweisen. Die Ersetzung von Auswertungssituationen durc h Indizes ließe sic h natürlic h auc h unter Beibehaltung der Abhängigkeit der Intension von der Äußerungssituation vornehmen, wodurc h sic h nic hts Wesentlic hes gegenüber der Kontext-Index-Variante änderte. Für eine solc he Beibehaltung der konkreten Äußerungssituationen könnte der Umstand angeführt werden, daß die Gesamtheit der kontextuellen Parameter prinzipiell offen und insofern nic ht durc h Auflistung darstellbar ist. Ob dem allerdings wirklic h so ist, hängt nic ht zuletzt von der bis zu einem gewissen Grade frei zu wählenden Parametrisierung der Äußerungssituation ab, über die in Teil 3 noc h einiges zu sagen sein wird. Die Einführung von Kontexten und Indizes kann auc h als Ausgangspunkt für eine ec hte Erweiterung des in Absc hittt 1 dargestellten Rahmens genutzt werden. Denn nac h den obigen Festlegungen sind Kontexte und Indizes Listen von situationellen Aspekten. Bisher sind wir zwar davon ausgegangen, daß die einzelnen Aspekte eines Kontexts oder Index in dem Sinne aufeinander abgestimmt sind, als sie jeweils Aspekte ein und derselben (Äußerungsbzw. Auswertungs-)Situation sind; prinzipiell besteht aber natürlic h die Mögli c hkeit, neben derartigen stimmigen Kontexten und Indizes auc h solc he Aspektlisten zu berüc ksic htigen, die jeweils keine möglic he Situation determinieren. Und daß dies Sinn mac ht, zeigen Beispiele wie (14), bei IV. Kontexttheorie denen sich die klassische Theorie schwertut: (14) Vor hundert Billionen Jahren hat es hier geregnet. Um zu sehen, wo hier die Schwierigkeit liegt, stellen wir uns eine reale Äußerungssituation s0 von (14) vor, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit stattfand. (14) ist dann sic herlic h — insbesondere aufgrund des Alters unseres Universums — falsc h. Doc h was sagt die klassisc he Theorie dazu? Nac h (D) ist zunäc hst die Auswertungssituation mit s0 gleic hzusetzen. Die den restlic hen Satz einbettende Präpositionalphrase vor hundert Billionen Jahren sorgt nun offenbar dafür, daß man sic h bei der Auswertung auf Situationen besc hränken soll, deren Zeit 1014 Jahre zurüc kliegt. Da der Satz jedoc h keine Aussage über eine andere Welt o. ä. mac ht, muß man offenbar die restlic hen Aspekte von s0 beibehalten. Aufgrund dieser Überlegung müßte man die Konstruktion ‘vor n Jahren + φ’ im Rahmen der klassisc hen Theorie so deuten, daß das Ganze wahr wird, wenn die durc h φ ausgedrüc kte Proposition für diejenige Auswertungssituation den Wahrheitswert 1 liefert, deren Zeit vor n Jahren liegt, die aber ansonsten mit s0 übereinstimmt. Da es nun für unser s0 keine solc he Situation gibt, käme (14) — wie erwünsc ht — als falsc h heraus. Doc h leider erginge es (15) in derselben Situation nicht anders: (15) Vor einer Billiarde Jahren hat es hier nicht geregnet. Denn es gab (zumindest nac h landläufiger physikalisc her Auffassung) keine Situation, die sic h zu dem in (15) angegebenen Zeitpunkt tatsäc hlic h hier zugetragen hat; insbesondere gab es dann auc h keine solc he regenfreie Situation. (15) wäre also nac h dieser klassisc hen Analyse falsc h. Diese sic herlic h unerwünsc hte Konsequenz ließe sic h wohl nur durc h die unabhängig nur sc hwer zu motivierende Annahme vermeiden, daß die Negation in (15) den gesamten Restsatz in ihren Skopus nehmen müsse. Versc höbe man stattdessen den Zeitaspekt in der Bedeutungsregel für ‘vor n Jahren + φ’ unabhängig vom Rest der Auswertungssituation, käme zwar ein Index heraus, der keiner realen oder fiktiven Situation entspric ht — weil er unter dem Aspekt Welt unsere harte Realität liefert, andererseits aber vor Big Bang liegt; doc h die Wahrheitsbedingungen von (14) und (15) könnten dann korrekt erfaßt werden: da der besagte Index keiner Si- 9. Kontextabhängigkeit tuation entspric ht, kann man davon ausgehen, daß es an ihm auc h nic ht regnet, womit (15) — im Gegensatz zu (14) — wahr würde. Wie man leic ht nac hprüft, spielt für diese Analyse der Skopus der Negation in (15) keine Rolle; die betreffende Äußerung würde in jedem Falle als wahr bewertet. Das spric ht offenbar für eine Erweiterung des IndexBegriffs auf Listen von indexikalis c hen Aspekten, die möglic herweise untereinander nicht stimmig sind. Die obige Argumentation ist nic ht absolut stic hhaltig. Wir haben nur angedeutet, daß eine bestimmte Anwendung der klassisc hen Theorie auf Beispiele wie (14) und (15) zu Sc hwierigkeiten führt. Es ist natürlic h denkbar, daß sic h diese Sc hwierigkeiten durc h Rüc kgriff auf andere Ebenen der Semantik (wie etwa eine Präsuppositions-Ebene) oder andere semantisc he Regeln im Rahmen der klassisc hen Theorie prinzipiell lösen ließen. Diesen Punkt wollen wir hier allerdings offenlassen. Das Beispiel (15) ist natürlic h weit hergeholt, doc h läßt sic h an ihm die Grundidee hinter den unstimmigen Aspektlisten gut einsehen. Eine etwas realistisc here, aber dafür weniger durc hsic htige Anwendung derselben Tec hnik kann den zu Ende von Teil 1 aufgezeigten Konflikt um den Status der Dimensions-Adverbien (bzw. der sie einführenden syntaktis c hen Konstruktion) lösen. Man brauc ht dazu nämlic h nur die relevante Dimension als eigenen indexikalisc hen Parameter zu führen, der von den genannten Adverbien (aber nic ht durc h satzeinbettende Verben) versc hoben wird. Das Ergebnis der Versc hiebung ist dann oft ein Index, der nic ht genau eine Situation determiniert (sondern zumeist mehrere), womit die Frage der Bestimmung dieser Situation gegenstandslos würde. Diese Lösung des Problems der Dimensions-Adverbien ist allerdings nic ht die einzige Möglic hkeit der Vertreibung des Monsters aus Absc hnitt 1.4; eine Alternative ergibt sic h durc h Adaption der in Absc hnitt 3.3 zu diskutierenden Beschreibungstechniken. Die Ersetzung von Auswertungssituationen durc h unstimmige Indizes erlaubt es übrigens auc h, intensionale Konstruktionen im Sinne der Alternative (A) aus Absc hnitt 1.2, also durc h Versc hiebung einzelner Aspekte, zu deuten, ohne daß man auf die dort angetroffenen Sc hwierigkeiten stößt: der Tric k besteht darin, daß das Ergebnis der Versc hiebung nic ht notwendigerweise eine (Auswertungs-)Situation ist (bzw. von einer solc hen 171 determiniert wird). Doc h gilt hier wie stets beim Umgang mit der Tec hnik der unstimmigen Indizes: man sollte sie nur im äußersten Notfall anwenden, wenn wirklic h keine andere Besc hreibungsmethode mehr faßt. Sie kann nämlic h allzu leic ht dazu verleiten, jeden Konflikt mit dem Monsterverbot durc h eine steigende Zahl von unabhängig variierenden indexikalisc hen Aspekten zu umgehen. Das Ergebnis wäre einerseits eine anekdotisc h anmutende und unbegrenzt erweiterbare Auflistung von zufällig gefundenen situationellen Parametern — anstelle der klaren klassisc hen Trennung in Äußerungs- und Auswertungssituation. Zugleic h würde der Untersc hied zwisc hen Index und Kontext (bzw. Äußerungssituation) immer mehr verwisc ht oder zumindest graduell: ein Aspekt wie die näc hstliegende Dimension ist natürlic h beinahe kontextuell, weil die ihn versc hiebenden Konstruktionen sehr selten und äußerst gesuc ht sind, und vielleic ht ist es nur eine Frage der Zeit, bis man für einen beliebig gegebenen kontextuellen Aspekt eine entsprec hende Versc hiebungs-Konstruktion findet. Wir werden uns deshalb im folgenden bemühen, möglic hst ohne Unstimmigkeiten in den Indizes auszukommen und uns stattdessen im Rahmen der klassisc hen Theorie von Teil 1 (bzw. einer ihrer zu Anfang des gegenwärtigen Absc hnitts angedeuteten Varianten) bewegen. Auf die grundsätzlic he Frage der Tragweite dieser Strategie werden wir erst am Ende des Kapitels (in Abschnitt 4.3) zurückkommen. Für den Kontextbegriff mac ht die Erweiterung auf unstimmige Aspektlisten keinen guten Sinn. Zumindest läßt sic h in diesem Falle kein Argument nac h dem obigen Stric kmuster vorbringen, da ja kontextuelle Aspekte niemals versc hoben oder abgewandelt werden. Und der Ausgangspunkt entspringt stets der Äußerungssituation; er ist daher von Natur aus stimmig. Diese Überlegung kann — gemeinsam mit den Beobac htungen zu (14) und (15) — dazu benutzt werden, eine Kontexttheorie zu favorisieren, die auf Äußerungssituationen und teilweise unstimmigen Indizes basiert, in der also die Intension mit Hilfe einer konkreten Situation ermittelt wird, während man zur Bestimmung der Extension ein abstraktes Merkmals-Bündel, den Index, heranziehen muß. Andererseits werden wir in Absc hnitt 2.3 einige sehr elegante semantisc h-pragmatisc he Tec hniken kennenlernen, die ohne eine Aufspaltung der Äußerungssituation in Aspekte nic ht auskommen. 172 Bevor wir uns nac h weiteren Alternativen zur klassisc hen Theorie der Kontextabhängigkeit umsehen, sei darauf hingewiesen, daß es sic h bei dem soeben diskutierten Problem nic ht um die Frage der unstimmigen Referenzpunkte handelt, also darum, ob man vielleic ht gelegentlic h mit Kontext-Index-Kombinationen arbeiten muß, die keiner gemeinsamen Situation entsprec hen; denn das passiert ja bereits im Prinzip sc hon in der klassisc hen Theorie: die meisten Referenzpunkte liegen nic ht auf der Diagonalen (der Charaktertabellen), doc h brauc ht man sie zur Ermittlung der Intension. Die durc h (14) und (15) aufgeworfene Frage läßt sic h überhaupt erst sinnvoll stellen, wenn man die klassisc he Theorie zu verlassen bereit ist und auf jeden Fall Situationen durc h entsprec hende Aspektlisten ersetzt. Auf die in diesem Absc hnitt vorgenommene Zerlegung von Situationen in Aspekte werden wir im Rest dieses Kapitels immer dann zurüc kgreifen, wenn es aus darstellungstec hnisc hen Gründen ratsam ersc heint. Wir gehen dann — solange nic hts Gegenteiliges gesagt wird — stets von einer Zerlegung sowohl der Äußerungs- als auc h der Auswertungssituation aus. Die so entstehende Variante der klassisc hen Theorie bezeic hnen wir von nun als Parametrisierung. 2.2 Extensionalisierung Die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke hängen von irgendwelc hen Situationen bzw. situationellen Aspekten ab. Um die Art und Weise dieser Abhängigkeit im konkreten Fall anzugeben, haben wir uns mit Hilfe metasprac hlic her Variablen auf die jeweils beteiligten Situationen bezogen: der Charakter χichdes Personalpronomens ich wurde z. B. als eine Funktion besc hrieben, die für beliebige Äußerungssituationen s0 und Auswertungssituationen s die in s0 sprec hende (oder sc hreibende) Person liefert. Um die Extension von ich festzustellen, bedarf es demnac h der Funktion χich, die ihrerseits gewisse Argumente benötigt, um ein Ergebnis zu liefern. Stattdessen könnte man das Wort ich selbst als Namen der Funktion χich auffassen, deren Argumente auf der sprac hlic hen Oberfläc he unausgesproc hen bleiben. Anstatt also das Wort ich vermittels seines Charakters zu deuten, würde man ihm dann eine logische Form der Gestalt ICH(x)(y) zugrundelegen, wobei ICH ein Funktionssymbol ist und die Variablen x und y mit der Äußerungs- bzw. der Auswertungs- IV. Kontexttheorie situation belegt werden. Man beac hte, daß auf diese Weise die Untersc heidung zwisc hen Charakter, Intension und Extension als versc hiedene Ebenen der semantisc hen Analyse überflüssig wird: ICH(x)(y) benennt einfac h die Extension des Wortes ich, während ICH(x) und ICH Namen für seine Intension bzw. seinen Charakter sind; für die zugrundeliegende logisc he Form gibt es also nur die Ebene der Benennung, der Extension. Die Darstellung der Situationsabhängigkeit der Extension natürli c hspra c hli c her Ausdrü c ke mit Hilfe von nur in der logisc hen Form sic htbaren Variablen bezeic hnet man daher als Extensionalisierung. Bereits an der Deutung eines einzelnen Wortes läßt sic h verdeutlic hen, daß der Untersc hied zwisc hen der klassisc hen Charakteranalyse (K) und der Tiefenanalyse vermittels Extensionalisierung nic ht so haarspalterisc h ist, wie er zunäc hst wirken mag: anstatt nämlic h dem Pronomen ich analog zu (K) eine Funktion zugrundezulegen, für die dann gezeigt werden kann, daß eines ihrer Argumente (die Auswertungssituation) leerläuft, hat man im Rahmen der Extensionalisierung die Möglic hkeit, dieses Argument einfac h wegzulassen und das Wort auf eine einstellige Funktion zurüc kzuführen. Ganz allgemein läßt sic h dann der in Absc hnitt 1.3 eingeführte Begriff der direkten Referenz als Fehlen der der Auswertungssituation entspre c henden Variablen in der logisc hen Form darstellen; und ganz analog zeic hnet sic h absolute Referenz durc h die Abwesenheit der Äußerungssituation aus. Die so gewonnenen logisc hen Formen erlauben also eine redundanzfreie und durc hsic htige Darstellung der Situationsabhängigkeit der Extension eines natürli c hspra c hli c hen Ausdruc ks. Dies zahlt sic h besonders im Falle komplexer Ausdrüc ke mit gemisc hten Referenzweisen (direkt, absolut etc .) aus: der Satz ich bin Vertreter wird dann nic ht als eine Kombination der jeweils von zwei Argumenten abhängigen Charaktere analysiert, sondern — wenn man einmal das Tempus vernachlässigt — etwa so: (16) VERTRETER(s)(ICH(s0)) Dabei sind s und s0 wie bereits in den bisherigen Ausführungen Variablen, die für die Auswertungs- bzw. die Äußerungssituation stehen. Neu ist nur, daß in der extensionalisierten Darstellung (16) der Charakterbegriff eliminiert worden ist und die untersc hiedlic hen Referenzweisen von Pronomen und Substantiv direkt durc h die versc hiedenen Variablen zum Ausdruc k gebrac ht werden. Die 9. Kontextabhängigkeit Beibehaltung der Notationskonventionen soll betonen, daß die zur Formulierung der Bedeutungsregeln benutzte Metasprac he in derselben expliziten Weise auf Situationen Bezug nimmt wie die (extensionalisierten) logisc hen Formen. (16) ist nic ht nur eine logisc he Form, sondern auc h eine Formel der Logik — oder genauer gesagt: eine notationelle Variante einer prädikatenlogisc hen Formel. Die Variation besteht lediglic h darin, daß man in der (erststufigen) Prädikatenlogik normalerweise keine Ausdruc ksmöglic hkeiten für Funktionen besitzt, deren Werte wieder Funktionen sind; stattdessen hat man Namen für Relationen, was aber in unserem Fall auf dasselbe hinausläuft. Wir werden deshalb die Form (16) für das folgende mit der aus der Logik vertrauteren Darstellung (16′) identifizieren: (16′) VERTRETER(s, ICH(s0)) Abgesehen von der nic ht besonders aufregenden Reduktion der Stellenzahl für die Charaktere direkt oder absolut referierender Ausdrüc ke verhilft die Extensionalisierung noc h zu einer anderen Einsic ht in das Zusammenspiel der zentralen Begriffe der klassisc hen Kontexttheorie. Die Rede ist von der Untersc heidung zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation sowie dem in diesem Zusammenhang besonders wic htigen Prinzip (M) der Monsterfreiheit. Wie wir gesehen haben, zeic hnen sic h intensionale Konstruktionen dadurc h aus, daß in ihnen die Extensionen der beteiligten Ausdrüc ke in ihrer Variation über vers c hiedene Auswertungssituationen betrac htet werden. Bezieht man dies auf die Darstellung vermittels extensionalisierter logisc her Formen, so heißt das nic hts anderes, als daß man bei diesen Konstruktionen von der konkreten Belegung der entsprec henden Variablen abstrahieren muß, daß also diese Variablen gebunden werden. (Abstraktion vom konkreten Wert ist die allgemeinste Form der Variablenbindung.) Das Prinzip (M) wiederum besagt, daß sic h Äußerungssituationen in dieser Hinsic ht grundsätzlic h anders verhalten: es kann danac h keine Konstruktionen geben, die eine Versc hiebung der konkret vorgegebenen Äußerungssituation verlangen. Dieser von (M) postulierte Untersc hied in der Rolle von Äußerungs- und Auswertungssituation läßt sic h auf die folgende griffige Formulierung bringen: (EM) Die Äußerungssituation ist ein freier Parameter: die ihr in der logischen Form entsprechenden Variablen dürfen nicht gebunden werden. 173 Was diese Reformulierung des Monsterverbots besonders attraktiv mac ht, ist ihre große Ansc haulic hkeit und die Tatsac he, daß mit ihr die zunäc hst etwas ungewohnten und abstrakten Betrac htungen aus Absc hnitt 1.4 auf die altvertraute Unters c heidung zwis c hen freien und gebundenen Variablen zurüc kgeführt werden. Die Tatsac he, daß (EM) eine Darstellung in einer extensionalisierten logisc hen Form voraussetzt, sollte man dabei übrigens nic ht überbewerten: worauf es in (EM) ankommt, ist das Verhalten gewisser Variablen, und das kann man — wenn man den Umweg über die logisc he Form vermeiden möc hte — natürlic h genausogut in den metaspra c hli c hen Bedeutungsregeln studieren. Die obige Formulierung (EM) spielt sic h im klassisc hen Rahmen (K) ab. Eine analoge Formulierung läßt sic h für die in Absc hnitt 2.1 diskutierten Parametrisierungen finden, insbesondere auc h dann, wenn von unstimmigen Aspektlisten Gebrauc h gemac ht wird. In allen diesen Fällen muß man versc hiedene Sorten von Variablen für kontextuelle und indexikalisc he Aspekte einführen und in dem (EM) entsprec henden Prinzip von den kontextuellen Variablen (anstatt von solc hen für die Äußerungssituation) sprechen. Prädikatenlogisc he Formeln wie (16′) lassen sic h bekanntlic h rein formal, also als Aussagen über einen beliebigen Individuenbereic h, interpretieren. Auf diese Weise gelangt man zu einer abstrakten Referenztheorie, in der die versc hiedenen Situationstypen (oder Aspekte) lediglic h die Rolle von zunäc hst nic ht weiter spezifizierten Individuen spielen. In einer solc hen Theorie untersc heidet man zwar normalerweise versc hiedene Sorten von Individuen (Objekte, Situationen etc .), doc h mac ht man über die Vertreter der einzelnen Sorten so wenig Annahmen wie möglic h. Auf diese Weise ist man gezwungen, alle für die logis c h-semantis c he Analyse wesentli c hen Voraussetzungen in der Argumentation explizit zu nennen. Darin liegt ein Vorteil dieser abstrakten Betra c htungsweise. Zu ihren Nac hteilen gehört, daß sie den Untersc hied zwisc hen Situationen und Aspekten derselben allzu leic ht verwisc hen kann: die Werte der entsprec henden Variablen sind eben beliebig. Diese Beliebigkeit kann sogar den Nebeneffekt haben, daß sic h das für die klassisc he Theorie wesentlic he Prinzip (D) nic ht mehr 174 ohne weiteres formulieren läßt; dafür muß dann erst der Begriff der Diagonalen axiomatisiert werden. 2.3 Zweidimensionale Modallogik Geht man von der Darstellung (X) in Absc hnitt 1.2 aus, dann lassen sic h Charaktere als Funktionen auffassen, welc he Referenzpunkten, also Paaren 〈s0,s〉 aus Äußerungsund Auswertungssituationen, irgendwel c he Objekte zuordnen. Wenn man außerdem einmal für einen Augenblic k von dem Umstand absieht, daß nic ht jede beliebige (Auswertungs-) Situation zugleic h auc h eine Äußerungssituation ist, dann ersc heinen die Denotate sprac hlic her Ausdrüc ke einfac h als in doppelter Weise situationell abhängig. Dieser Art Doppelabhängigkeit von Extensionen begegnet man auc h in der zweidimensionalen Modallogik, wo einerseits logisc he Formeln relativ zu Paaren von möglic hen Welten gedeutet werden und wo andererseits gewisse Modaloperatoren über diese Weltenpaare quantifizieren. Die klassisc he Theorie der Kontextabhängigkeit läßt sic h also auc h als angewandte zweidimensionale Modallogik verstehen: die Rolle der Welten wird hier von den Situationen übernommen, und als Modaloperatoren hat man beispielsweise die satzeinbettenden intensionalen Konstruktionen, deren Aufgabe es ist, von den jeweils betrac hteten Auswertungssituationen zu abstrahieren. Zu den wic htigsten in der zweidimensionalen Modallogik untersuc hten Operatoren gehören die sog. Diagonaloperatoren, die den Auswertungspunkt auf die Diagonale (die Menge der Weltenpaare der Gestalt 〈w,w〉) versc hieben: diagonalisiert man einen Ausdruc k a der zweidimensionalen Modallogik — d. h. wendet man einen Diagonaloperator auf ihn an — so ist die Extension des resultierenden Gesamtausdruc ks an einem Weltenpaar 〈w,w’〉 einfac h as Extension am entsprec henden Punkt auf der Diagonalen. Es gibt demnac h genau zwei Diagonaloperatoren, von denen der eine den Auswertungspunkt auf 〈w,w〉 projiziert, während der andere auf 〈w’,w’〉 versc hiebt. Ersetzt man nun Welten durc h (Auswertungs-)Situationen, so stellt sic h heraus, daß wir einen dieser beiden Diagonaloperatoren bereits kennengelernt haben: es handelt sic h um den in Absc hnitt 1.3 eingeführten Operator dthat, der es gestattet, einen deiktisc hen Charakter aus dem einer entsprec henden absoluten Umsc hreibung zu gewinnen. Orientiert man sic h an der IV. Kontexttheorie Darstellung (X), so ersc heint dthat als waagerechter Diagonaloperator, denn die Auswertungssituation wird unter dthat in waagerec hter Ric htung auf die Diagonale versc hoben. Das senkrec hte Pendant zu dthat haben wir indes noc h nic ht kennengelernt. Kein Wunder: ein solc her Operator versc hiebt die Äußerungssituation und ist damit ein nac h (M) geäc htetes Monster. Über die Rolle dieses Monsters in der logisc hen Sprac hanalyse wird noc h in den Absc hnitten 2.5 und 4.2 zu verhandeln sein. Hier sei zunäc hst einmal nur festgehalten, daß sic h im Vergleic h zwisc hen waagerec hter und senkrec hter Diagonalisierung die in der klassisc hen Theorie postulierte Asymmetrie zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation offenbart: nur die letztere kann auf die Diagonale versc hoben werden. Eine solc he Asymmetrie wird in der zweidimensionalen Modallogik normalerweise nic ht angenommen; sie ist ein zusätzlic hes, für diese Anwendung charakteristisches Merkmal. Die Asymmetrie zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation ist nic ht nur eine Folge des Monsterverbots (M). Sie besteht ohnedies aufgrund der Tatsac he, daß die Charaktertabellen (X) nic ht quadratisc h sind, weil die Äußerungssituationen nur einen Teil aller (Auswertungs-) Situationen darstellen. Insbesondere durc hkreuzt die Diagonale nic ht die gesamte Tabelle, so daß es strenggenommen nic ht nur einen, sondern eine ganze Reihe von senkrec hten Diagonaloperatoren, aber nur einen waagerec hten, nämlic h dthat, gibt: senkrec hte Diagonalisierung sagt nur etwas über das Verhalten eines Operators auf der linken, von der Diagonalen durc hzogenen Seite von (X) aus; versc hiedene senkrec hte Diagonaloperatoren könnten sic h in der rec hten Hälfte verschieden verhalten. Die Analogie zwisc hen der zweidimensionalen Modallogik und der Theorie der Kontextabhängigkeit wird interessanter, wenn man von der klassisc hen Version zu der in Absc hnitt 2.1 skizzierten Parametrisierung übergeht. Nimmt man nämlic h — wie dort bereits vorgesc hlagen — an, daß indexikalisc he Aspekte immer auc h zugleic h kontextuell sind, so ergibt sich eine natürliche Aufspaltung 〈i,i’,c〉 der (durc h Aspektlisten vertretenen) Referenzpunkte: in i sind die von der Auswertungssituation determinierten Aspekte 〈i1,...,in〉 aufgelistet, i’ umfaßt die indexikalisc hen Aspekte 〈i’1,...,i’n〉 der Äußerungssituation, und c besteht aus den rein kontextuellen Aspekten 〈c1,...,cm〉 derselben. Bei dieser Aufspaltung der Referenzpunkte erge- 9. Kontextabhängigkeit ben sic h diverse Diagonalen und dementsprec hend versc hiedene Möglic hkeiten, Diagonaloperatoren zu definieren. Zunäc hst einmal gibt es natürlic h nac h wie vor den dthat-Operator, der am aufgespaltenen Referenzpunkt 〈i,i’,c〉 die Extension an 〈i’,i’,c〉 liefert. Doc h daneben kann man noc h für jeden indexikalisc hen Parameter j die entsprec hende kleine Diagonale δj betrac hten, die aus den Punkten (bzw. Listen) besteht, für die ij = i’j, bei denen also Auswertungs- und Äußerungssituation im Aspekt j übereinstimmen. Für jede solc he kleine Diagonale gibt es dann entsprec hende Operatoren, die die Auswertung vom vorgegebenen Referenzpunkt 〈i,i’,c〉 auf den entsprec henden δj-Punkt versc hieben — und zwar entweder (in waagerec hter, zulässiger c Ri htung) auf 〈〈i1,...,i’j,...,in〉,i’,c〉 oder (senkre c ht und ungeheuerli c h) auf 〈i,〈i’1,...,ij,...,i’n〉,c〉. Während also durc h Anwendung von dthat ein komplexer absoluter Ausdruc k wie am Ort und zur Zeit auf hier und jetzt hinausläuft, vermag eine (kleine) Orts-Diagonalisierung die Bezüge auf die Äußerungssituation feiner zu differenzieren; das Ergebnis käme inhaltlic h dem Ausdruc k hier und zur Zeit gleic h. Ein weniger gekünsteltes Beispiel ist die waagerec hte Weltenversc hiebung, also das auf den Weltenparameter eingesc hränkte dthat. Sein Effekt auf Sätze entspric ht in etwa einer Modifikation durc h das Satzadverb tatsächlich. Man beac hte übrigens, daß Versc hiebungen vermittels kleiner Diagonalisierungen im allgemeinen auf unstimmige Aspektlisten führen. Die in c enthaltenen ec ht kontextuellen Aspekte entbehren offensic htlic h jeder Möglic hkeit zur Diagonalisierung. Daraus folgt, daß sic h deiktisc he Wörter im Rahmen der Kontext-Index-Variante der klassisc hen Theorie im allgemeinen nic ht nac h der gegen Ende von Absc hnitt 1.3 angedeuteten Methode durc h waagerec hte Diagonalisierung entspre c hender absoluter Ums c hreibungen gewinnen lassen. Der tiefere Grund dafür liegt in dem untersc hiedlic hen Spezifikationsgrad von Kontext und Index. Durc h Streic hung der rein kontextuellen Aspekte können z. B. zwei sic h im Sprec her untersc heidende Kontexte c und c’ zusammenfallen: Sprec her(c ) ≠ Sprec her(c’), aber i(c) = i(c’). Damit entspric ht dem Index i(c) ein s, das mehrere Äußerungen versc hiedener Sprec her enthält. Wegen dieser ‘Überbesetzung’ der Sprec herRolle führt von i(c) kein Weg zurüc k zum Sprec her von c: die Auswertung der Umsc hreibung der Sprecher liefert an i(c) kein 175 eindeutiges Resultat. Die klassisc he Theorie vermeidet dieses Problem, weil sie auc h die lokaleren, c und c’ determinierenden Äußerungssituationen als Auswertungssituationen zuläßt. Diese Unums c hreibbarkeit einiger deiktisc her Ausdrüc ke läßt sic h offenbar nur dann vermeiden, wenn kontextuelle und indexikalisc he Parameter zusammenfallen. Dies läßt sic h dadurc h erzwingen, daß man einfac h jeden kontextuellen Parameter für indexikalisc h erklärt und jeden aufgespaltenen Referenzpunkt 〈〈i1,...,in〉, 〈i’1,...,i’n〉, 〈c1,...,cm〉〉 c dur h das längere 〈〈i1,...,in,c1,...,cm〉, 〈i’1,...,i’n,c1,...,cm〉,∅〉 ersetzt. (∅ ist die leere Liste.) Wir bezeic hnen diese künstlic he Aufblähung der Indizes und Referenzpunkte als Quadratur, weil sie die Charaktertabellen in eine quadratisc he Form bringt. In Absc hnitt 2.5 kommen wir darauf zurück. Aus der Aspektlisten-Sic ht lassen sic h außer den großen und kleinen Diagonalisierungen auc h noc h mittelsc hwere Operatoren definieren, die simultane Vers c hiebungen mehrerer, aber nic ht aller Aspekte auf die Diagonale bewirken. In der Praxis kann man diese sehr umständlic h zu definierenden Operatoren immer meiden, indem man z. B. mehrere Aspekte zu einem neuen vereinigt. Die in Absc hnitt 2.2 skizzierte Tec hnik der Extensionalisierung läßt sic h auc h auf Systeme der zweidimensionalen Modallogik anwenden. Man erhält dann eine zweisortige Logik, deren Ausdrüc ke die Eigentümlic hkeit aufweisen, daß in ihnen höc hstens zwei (bestimmte) Variablen der Sorte ‘Situation’ frei vorkommen dürfen. Und die Diagonaloperatoren entpuppen sic h dann als spezielle Ersetzungsoperatoren, also solche, die alle freien Vorkommen einer (bestimmten) Variablen durc h solc he einer anderen Variablen ersetzen. Der waagere c hten Diagonalisierung durc h dthat entspric ht z. B. ein Operator DTHAT, der die Situationsvariable s bindet und sic h mit beliebigen Ausdrüc ken α verbindet; die Extension von (DTHAT s) α hängt dann von der Variablenbelegung g ab und ist dieselbe wie die von α an der Belegung g’, die wiederum so ist wie g, außer daß sie für die Variable s als Wert g(s0) liefert. Danac h hat (DTHAT s) α stets dieselbe Extension wie das durc h Ersetzung aller freien Vorkommen von s durc h s0 aus a hervorgehende α[s/s0]. In der Aspektlisten-Variante bewirkt DTHAT entsprec hend eine Ersetzung der indexikalisc hen Variablen durc h ihre kontextuellen Gegenstüc ke: aus der Auswertungswelt wird die Realität, die Zeit wird zum Jetzt etc . Per Ana- 176 logie könnte man jetzt erwarten, daß α[s0/s] einer senkre c hten Diagonalisierung entspric ht. Das stimmt jedoc h nur ungefähr: das ursprünglic he a kann nämlic h Bedingungen enthalten, die wesentlic h voraussetzen, daß sic h die Variable s0 auf eine Äußerungssituation bezieht — etwa wenn in a vom Sprec her in s0 die Rede ist. Beim Übergang zu α[s0/s] mac hen diese Bedingungen dann nic ht mehr für jede Belegung von s einen Sinn; α[s0/s] definiert also nur eine partielle Funktion. Doc h jede Ausweitung dieser Funktion auf den gesamten Bereic h der Auswertungssituationen ist eine Diagonalisierung im Sinne der obigen Festlegung. In der Extensionalisierung zeigt sic h übrigens eine elementare logisc he Eigensc haft, die allen Diagonalisierungen — ob groß, ob klein oder mittelsc hwer — gemeinsam ist: indem sie alle von irgendwelc hen situationellen Aspekten abstrahieren, mac hen sie dieselben überflüssig. Das soll heißen, daß ein Ausdruc k, dessen Extension von einem gewissen Aspekt abhängt, diese Abhängigkeit durc h Diagonalisierung verlieren kann. In gewisser Weise haben wir diesen Effekt bereits kennengelernt: das in Absc hnitt 1.2 eingeführte Prinzip (D) läuft mit seiner Einsetzung der Äußerungs- für die Auswertungssituation auf eine waagerec hte Diagonalisierung, also ein unsic htbares dthat, hinaus und bewirkt so eine Unabhängigkeit der Extension von der Auswertungssituation — womit letztere für den Extensionsbegriff (und speziell auc h für die Wahrheit) entbehrlic h wird. In Absc hnitt 2.5 werden wir uns diesen Abstraktions-Effekt der senkre c hten Diagonalisierung zunutze machen. 2.4 Tokenanalyse Die klassisc he Theorie geht in der in Teil 1 dargestellten Form davon aus, daß die Äußerungssituation die Extension eines deiktisc hen Wortes wie du jeweils eindeutig festlegt. Oft sc heint dies aber gar nic ht der Fall zu sein. Betrac hten wir z. B. einmal eine für den Kindergartenalltag typisc he Auseinandersetzung zwisc hen Alain und Fabian, bei der (absolut gleic hzeitig) die folgenden Vorwürfe zu hören sind: (17) Du hast mein schönes Haus kaputt gemacht. (18) Du hast meinen Flitzer versteckt. Es ist offenbar unsinnig, von einer solc hen Situation zu behaupten, sie determiniere eindeutig einen Referenten für das Wort du: in IV. Kontexttheorie Alains Äußerung von (17) bezieht sic h die Anrede auf Fabian, der im selben Moment mit seiner Äußerung desselben Pronomens seinen Freund Alain anspric ht. Die ganze Szene ist allerdings in dem Sinne vielleic ht gar keine Äußerungssituation, als in ihr mehr als eine Äußerung stattfindet und wir bisher (zumindest implizit) immer davon ausgegangen waren, daß sic h Äußerungssituationen gerade dadurc h auszeic hnen, daß in ihnen genau eine sprac hlic he Äußerung stattfindet. Man kann nun vielleic ht die beiden Äußerungen von (17) und (18) in versc hiedenen Situationsausschnitten ansiedeln: Fabians Äußerung findet danac h in einem anderen Aussc hnitt derselben Situation statt als Alains, und die jeweiligen Charaktere werden dann als Funktionen über diesen Auss c hnitten definiert. Allerdings funktioniert diese Strategie nic ht immer so glatt. Die gerade betrac htete Situation könnte nämlic h etwa durc h den klärenden Auftritt der Erzieherin Doris bereic hert werden, die im Verlaufe ihrer Äußerung von (19) zunäc hst auf Fabian und anschließend auf Alain zeigt: (19) Während du das Haus wieder aufbaust, kannst du ja den Flitzer holen. Auc h hier besitzt du offensic htlic h zwei Extensionen, nämlic h dieselben wie in den vorher betrac hteten Äußerungen von (17) und (18). Wollte man nun die beiden Teiläußerungen deshalb an versc hiedenen Situationsaussc hnitten a und a’ auswerten, bräuc hte man noc h zusätzlic he (der klassisc hen Theorie eher fremde) Prinzipien zur Deutung komplexer Ausdrüc ke. Denn was immer der relevante Situationsaussc hnitt für den Gesamtsatz (19) sein soll — er kann nic ht sowohl mit a als auch mit a’ zusammenfallen. Beispiele wie (17)—(19) legen den Verdac ht nahe, daß die kleinsten deutungsrelevanten Situationsaussc hnitte aus Äußerungen einzelner Wörter bestehen; man kann sie sogar mit solc hen Wortäußerungen identifizieren. Was aber sind (Wort-) Äußerungen? Eine naheliegende und üblic he Antwort auf diese Frage lautet: Äußerungen bestehen aus Ausdrüc ken und (Äußerungs-) Situationen. Dieser Äußerungsbegriff nützt uns hier allerdings nic ht viel, weil er gerade in den eben diskutierten Fällen nic ht anwendbar ist: hier gab es ja pro Situation mehr als eine Äußerung von du. Eine Alternative ergibt sic h, wenn man die bisher als Grundeinheiten fungierenden sprac hlic hen Ausdrüc ke als (disjunkte) Klassen von Äußerungen, ihren Realisierungen oder Token, auffaßt. Danac h wären etwa 9. Kontextabhängigkeit die vier in den obigen Kindergarten-Situationen geäußerten Anreden d1 — d4 allesamt Realisierungen desselben Wortes: {d1,d2,d3,d4} ⊂ du. Die untersc hiedlic hen Extensionen ließen sic h dann dadurc h erklären, daß der Charakter χdu jedem dieser vier Token einen eigenen Wert zuordnet. Charaktere wären nac h dieser Auffassung Funktionen, die jeder Realisierung (d. h. jedem Element) eines Ausdrucks eine Intension zuweisen. In diesem Sinne lassen sic h alle bisher eingeführten lexikalis c hen Bedeutungsregeln leic ht modifizieren. Für absolute Lexeme ändert sic h dadurc h nic ht viel; die Unabhängigkeit der Extension von der Äußerungssituation wird lediglic h durc h eine Unabhängigkeit vom Token ersetzt. Aber auc h bei direkt referentiellen Wörtern bereitet diese neue Betrac htungsweise keine Sc hwierigkeiten. So läßt sic h z. B. χich (I)(s) als Produzentin des Tokens I ∈ ich c harakterisieren, χheute(D)(s) ist der Tag, an dem die Äußerung D (∈ du) stattfindet, usw. Dabei ist s immer eine beliebige (Auswertungs-) Situation; auf der Intensionsebene bleibt also alles beim Alten. Da Bedeutungsregeln für deiktisc he Wörter (nac h dieser Auffassung) auf die Realisierungen derselben Bezug nehmen, werden diese Wörter auc h als tokenreflexiv bezeic hnet. Die diskutierte Ersetzung von Äußerungssituationen durc h Äußerungen läuft also auf eine Analyse der Deixis als Tokenreflexivität (kurz: Tokenanalyse) hinaus. Daß die Tokenanalyse keine triviale Variation der klassisc hen Theorie ist, wird deutlic h, wenn man von lexikalisc hen zu komplexen Ausdrüc ken übergeht. Wie wir bereits im Zusammenhang mit (19) gesehen haben, benötigt man dafür eine zusätzlic he Theorie-Komponente, die den Zusammenhang zwisc hen versc hiedenen Teiläußerungen herstellt. Theorien dieser Art zeic hnen sic h in der Regel durc h ein großes Mißverhältnis zwisc hen begrifflic her Komplexität und Erkenntnisgewinn aus; wir werden uns diesen Teil der Tokenanalyse deshalb ersparen. Es fällt auf, daß auc h bei der Tokenanalyse die Extensionen immer nur von bestimmten Eigensc haften oder Aspekten des Tokens abhängen. Um dem Rec hnung zu tragen, kann man nac h dem Vorbild des Absc hnitts 2.1 Aspekte von Realisierungen definieren und Charaktere auf den entsprec henden Aspektlisten operieren lassen; auc h hier gibt es dann die Möglic hkeit einer Theorie-Erweiterung dur c h Hinzunahme unstimmiger Aspektlisten. Die in Absc hnitt 2.2 besc hriebene Tec h- 177 nik der Extensionalisierung läßt sic h ebenfalls mit der Tokenanalyse kombinieren. In diesem Fall benötigt man allerdings eine weitere Sorte von Variablen für Realisierungen sprac hlic her Ausdrüc ke, was man als Indiz dafür werten kann, daß die Parallelität zur klassisc hen Theorie doc h rec ht oberfläc hlic h ist. Während nämlic h nac h klassisc her Auffassung die Äußerungssituationen einen Teil der Gesamtheit aller Auswertungssituationen ausmac hen, verlangt die Tokenanalyse zwei unabhängige Sorten von Variablen für Realisierungen und Situationen. Insbesondere sind alle mit dem Begriff der Diagonalen — und somit auc h die aus der zweisortigen Modallogik entlehnten — Betrac htungen nic ht ohne weiteres auf die Tokenanalyse übertragbar; dasselbe gilt für die in Absc hnitt 2.1 gemac hte Annahme, indexikalisc he Aspekte seien zugleic h auc h immer kontextuell. (Auf einen weiteren substantiellen Unters c hied zwisc hen der klassisc hen Theorie und der Tokenanalyse werden wir in Absc hnitt 2.5 hinweisen.) Angesic hts dieser durc h die Tokenanalyse eingebrac hten theoretisc hen Komplikationen und ihrer (teilweise noc h zu demonstrierenden) Defizite stellt sic h die Frage, ob sic h die Vorzüge der klassisc hen Theorie nic ht doc h irgendwie mit einer (nic ht allzu komplexen oder künstlic hen) Lösung der mit (17)—(19) angesproc henen Probleme vereinbaren lassen. Dies ist in der Tat der Fall. Denn die klassisc he Theorie läßt sic h als Spezialfall einer geeignet formulierten Tokenanalyse auffassen. Zunäc hst kann man sehen, daß die Tokenanalyse für die Mehrzahl der diskutierten Beispiele in dem Sinne zu fein ist, als bei ihnen eine Differenzierung nac h versc hiedenen Realisierungen desselben Ausdruc ks nic ht nötig ist: die betra c hteten Äußerungssituationen waren meist so gewählt, daß sie die Extensionen der in ihnen geäußerten deiktisc hen Wörter eindeutig festlegten. Solc he Äußerungssituationen bezeic hnen wir als homogen. Der klassisc hen Theorie (in der in Teil 1 dargestellten Form) liegt die Idealisierung zugrunde, alle Äußerungssituationen seien homogen. Wenn es nun gelingt, diesen Homogenitätsbegriff im Rahmen der Tokenalyse zu rekonstruieren, dann sollte eine Besc hränkung auf homogene Äußerungssituationen gerade auf die klassisc he Theorie hinauslaufen. Eine begrifflic he Zurüc kführung der homogenen Äußerungssituationen auf Token setzt nun allerdings voraus, daß der Zusammenhang zwisc hen Realisierungen komplexer 178 Ausdrüc ke und denen ihrer Teile bereits präzisiert ist. Unter dieser Voraussetzung kann man eine homogene Äußerungssituation als eine Äußerung a eines komplexen Ausdruc ks auffassen, für dessen Teilausdrüc ke β stets gilt: wenn die Realisierungen b und b’ von β Teile von a sind, so sind b und b’ intensionsgleic h. Die restlic he Rekonstruktion der klassisc hen Theorie im Rahmen der Tokenanalyse ist eine mühselige Arbeit am Begriff. Eine ganz andere Möglic hkeit der Rettung der klassisc hen Theorie basiert auf der Beobac htung, daß Inhomogenität versc hiedene Ursac hen haben kann. Einmal kann sie wie in (17) und (18) auftreten, wenn in einer gegebenen Situation mehr als eine Gesamtäußerung eines Satzes, Textes etc . vorliegt. In diesem Fall kann man die Situation in mehrere Situationsaussc hnitte aufspalten, mit denen man dann jeweils klassisc h verfährt. Diese Aufspaltung mag in manc hen Fällen künstlic h ersc heinen, ist aber offenbar immer möglic h und erspart eine Tokenanalyse. Die zweite Art der Inhomogenität wird durc h (19) vertreten: hier liegt eine mehrfac he Realisierung eines deiktisc hen Lexems innerhalb derselben Gesamtäußerung vor. Nun ist zunäc hst einmal festzustellen, daß diese Art der Inhomogenität nic ht von jedem deiktisc hen Wort hervorgerufen werden kann. Wenn z. B. (20) als Satz geäußert wird, referieren die beiden Vorkommen von ich niemals auf versc hiedene Personen: (20) Wenn ich noch ein Bier trinke, kann ich nicht mehr fahren. Hier hilft auch kein Gestikulieren wie im Falle von du: ich bezieht sic h jeweils auf den Produzenten der Äußerung von (20). Deiktisc he Wörter, bei denen Gesten etwas ausric hten können, heißen auc h Demonstrativa. Der Tric k ist nun der folgende: für Demonstrativa läßt sic h ein kontextueller Parameter annehmen, der das Problem der Extensionsfindung auf eine begleitende Zeigehandlung verweist; nic ht das Token ist aussc hlaggebend, sondern die Demonstration. (Natürlic h bedarf es dann noc h einer Sonderregelung für die vielen Fälle, in denen die Zeigehandlung weggelassen wird.) Es sollte klar sein, daß diese Methode zur Darstellung inhomogener Äußerungssituationen die vom klassisc hen Standpunkt aus einfac hste ist. (Weiteres über Demonstrativa in Abschnitt 3.2.) 2.5 Erkenntnistheoretische Umdeutung Dieser letzte Absc hnitt fällt insofern etwas aus dem thematisc hen Rahmen, als die gleic h zu IV. Kontexttheorie eröffnenden philosophis c hen Perspektiven strenggnommen nic ht die Semantik der natürlic hen Sprac he betreffen; andererseits passen sie gerade deshalb hierher, denn sie zeigen, daß der Anwendungsbereic h der klassisc hen Theorie weit über die deskriptive Semantik hinausgeht. Ähnlic h wie die Russellsc he Kennzeic hnungstheorie [vgl. dazu Artikel 22] oder die Davidsonsc he Adverbialsemantik [s. Artikel 36] läßt sic h nämlic h auc h die Kaplansc he Theorie der Kontextabhängigkeit zur Darstellung und Untermauerung bestimmter philosophisc her Thesen und Positionen heranziehen. Diese philosophisc he Dimension mac ht einen Großteil der ursprünglic hen Motivation hinter dem Begriffsapparat dieses Kapitels aus, und ihr Studium trägt auf jeden Fall zu dessen besserem Verständnis bei. Darüberhinaus spielen einige der in diesem Zusammenhang zu diskutierenden Beispiele und Analysen durc haus eine wic htige Rolle in der linguistisc hen Anwendung der klassisc hen Theorie; doc h darüber wird erst in Abschnitt 4.2 zu reden sein. Als Einstieg mag eine Rüc kbesinnung auf die Einführung des Intensionsbegriffs in Absc hnitt 1.1 dienen. Dort haben wir gesagt, daß man sic h die Intension eines Ausdruc ks im wesentlic hen als eine Methode zur Bestimmung seiner Extension vorstellen kann: angewandt auf eine beliebig vorgegebene Situation oder Tatsac henkonstellation liefert die Intension die jeweilige Extension. Im Falle eines Satzes ist die Extension ein Wahrheitswert, womit die Intension — in diesem Falle auc h Proposition genannt — als eine Menge von (Auswertungs-)Situationen aufgefaßt werden kann. Solc he Mengen möglic her Tatsac henkonstellationen lassen sic h wiederum in naheliegender Weise als Informationen verstehen: eine Menge entspric ht der Information, daß alle ihre Elemente in dem Sinne möglic h sind, daß ihr Bestehen nic ht ausgesc hlossen werden kann, daß also die Wirklic hkeit zu ihr gehört. (Genauere Ausführungen zu dieser Betrac htungsweise findet man in Artikel 2.) Damit liegt nun der Verdac ht nahe, daß die durc h einen Satz (in einer Äußerungssituation) ausgedrüc kte Proposition — also seine Intension — gerade die durc h ihn übermittelte Information ist. Halten wir dies in Form einer Hypothese fest: (F) Der Informationsgehalt eines Satzes ist seine Intension. Ein Großteil dieses Absc hnittes wird der Widerlegung und Modifikation der Hypothese (F) gewidmet sein; danac h werden wir uns 9. Kontextabhängigkeit endlic h den philosophisc hen Implikationen zuwenden. Um besser zu verstehen, wie (F) überhaupt gemeint ist, ist es nützlic h, einige naheliegende, hier aber nic ht intendierte Interpretationen dieser Hypothese zu verwerfen. Mit (F) ist z. B. nic ht gemeint, daß ein (in einer bestimmten Situation geäußerter) Satz der Hörersc haft genau die durc h ihn ausgedrüc kte Proposition als Information übermittelt. Welc he Information tatsäc hlic h übermittelt wird, hängt von vielerlei, insbesondere auc h pragmatisc hen Faktoren ab, die uns hier nic ht weiter interessieren: die Äußerung kann z. B. ironisc h gemeint sein und im wesentlic hen nur Informationen über die Einstellung des Sprec hers vermitteln; sie kann — etwa in einer Prüfung — die Wohlinformiertheit des Sprec hers oder — bei einer Parlamentsrede — dessen Sc hlagfertigkeit unter Beweis stellen und insofern sehr aufsc hlußreic h sein; sie kann zeigen, ob es sic h bei der Sprec herin um eine Muttersprac hlerin handelt usw. In all diesen Fällen wird jedoc h die im engeren Sinne vom Satz übermittelte Information durc h andere, die Äußerung begleitende Umstände ergänzt oder überlagert. Doc h nur um erstere geht es in (F): um die gemäß der wörtlichen Bedeutung des betreffenden Satzes übermittelte Information. [Siehe Artikel 3.] Selbst wenn man sic h strikt an die wörtlic he Bedeutung hält, ist (F) nic ht ganz eindeutig. Denn was ein Satz im wahrsten Sinne des Wortes in einer Äußerungssituation besagt, kann für die Hörersc haft je nac h deren Vorwissen mehr oder weniger informativ sein. Die korrekte Antwort auf eine Frage im mündlic hen Staatsexamen sollte dem Prüfer bekannt sein, dem ministeriellen Beisitzer vermittelt sie vielleic ht neue Erkenntnisse: in diesem Sinne ist ihr Informationsgehalt stark hörerabhängig. Doc h darum geht es nic ht. Wir werden idealerweise von solc hen Untersc hieden in der Informiertheit abstrahieren und für die Diskussion des Prinzips (F) keinerlei Voraussetzungen über den Informationsstand der Kommunikationsteilnehmer mac hen. Insofern interessieren wir uns hier nur für den maximalen Informationsgehalt eines Satzes — also diejenige Information, die er bei wörtlic her Interpretation einer gänzlic h desinformierten und desorientierten Hörersc haft übermitteln würde. Es ist natürlic h fraglic h, ob man dieser Art von Hörersc haft überhaupt irgendwelc he Informationen übermitteln kann; doc h soll uns diese rein heuristisc he Idealisierung nic ht bis in die letzten Verästelungen des Details 179 interessieren. Nac h diesen Vorklärungen sind wir in der Lage, die Hypothese (F) anhand einiger Beispiele zu überprüfen. (F) fällt j a nic ht vom Himmel, und so erstaunt es wenig, daß sic h dieses Prinzip bei vielen Beispielen gar nic ht schlecht ausnimmt. So etwa bei: (21) Tom pennt. Der Einfac hheit halber nehmen wir an, daß es sic h bei (21) um einen absoluten Satz handelt, dessen Intension p also nic ht von der Äußerungssituation abhängt; p besteht also aus den Situationen, in denen der Referent des Eigennamens Tom der durc h das Prädikat pennt bezeic hneten Tätigkeit nac hgeht. Nac h (F) besteht dann der Informationsgehalt von (21) gerade in dieser als Information verstandenen singulären Proposition p: wer über keine weiteren Informationen außer p verfügt, weiß damit nur, daß nic ht ausgesc hlossen werden kann, daß Tom sc hläft. Dies ist offenbar eine korrekte Aussage über den maximalen Informationsgehalt der wörtlic hen Interpretation von (21). Betrac hten wir als näc hstes einen Satz, der in versc hiedenen Äußerungssituationen verschiedene Propositionen ausdrücken kann: (22) Ich bin müde. Um (F) zu testen, benötigen wir zumindest eine Information über die Äußerungssituation: wir müssen wissen, wer (22) äußert. Nehmen wir also an, es handele sic h um Tom. Dann drüc kt (22) im wesentlic hen die Propostion aus, die aus allen Situationen besteht, in denen Tom müde ist. Was den Informationsgehalt angeht, so hätte Tom also ebensogut (22′) äußern können: (22′) Tom ist müde. Dabei setzen wir voraus, daß Tom ein Standardname ist — ein Name, der sic h per sprac hlic her Konvention direkt und absolut auf Tom bezieht. Diese Voraussetzung ist nic ht ganz unproblematisc h (siehe Absc hnitt 1.3). Doc h dient (22′) hier lediglic h der Illustration einer Inadäquatheit von (F): nac h (F) ist der Informationsgehalt einer Äußerung von (22) durc h Tom gleic h dem Informationsgehalt, den (22′) hätte, wenn man Tom als Standardnamen versteht. Natürlic h ist eine Äußerung von (22′) aus Toms Mund etwas befremdlic h oder allenfalls babyhaft. Doc h könnte man — und sei es nur zur Aufrec hterhaltung von (F) — annehmen, daß der Grund für diese Abweic hung stilisti- 180 sc her oder pragmatisc her, nic ht jedoc h semantisc her Natur ist: (22) und (22′) besagen zwar in dieser Situation dasselbe, ihr Informationsgehalt ist damit nac h (F) auc h gleic h, aber sie unterliegen untersc hiedlic hen Gebrauc hsbedingungen, die dafür sorgen, daß (22′) einigermaßen inakzeptabel ist. (F) scheint damit fürs erste gerettet. Ganz so einfac h ist es nic ht. Denn (22) und (22′) übermitteln nur dem dieselbe Information, der über die Identität des Sprec hers informiert ist, der also weiß, daß sic h der Name Tom auf den Sprec her von (22) bezieht. Dieses Wissen ist aber keine notwendige Vorbedingung für das Verständnis der beiden Sätze: (F) verlangt hier offensic htlic h zu viel vom Hörer. Daß es sic h hierbei nic ht nur um einen marginalen Sc hönheitsfehler, sondern um eine substantielle Inadäquatheit der Hypothese (F) handelt, sieht man besser, wenn man vom Sprec her-Parameter auf Beispiele mit anderen Kontextabhängigkeiten übergeht, bei denen Desinformiertheit an der Tagesordnung ist: (23) Morgen ist Nikolaustag. (23′) Am 6. Dezember 1985 ist Nikolaustag. In diesem Falle sc heinen stilistisc he Untersc hiede oder Zweifel am Standardnamen-Status des Datums weniger angebrac ht als bei den vorherigen Beispielen. Bei einer Äußerung von (23) am 5. 12. 1985 wird aber im allgemeinen eine andere Information übermittelt als durc h eine Äußerung von (23′). In unsererm Kulturkreis ist die in (23) enthaltene Information für die Eltern kleiner Kinder ungleic h wic htiger als der relativ banale Inhalt von (23′): erstere könnte sie zu einem PanikKauf von Äpfeln, Nüssen und Mandelkernen veranlassen, während letztere in der Regel ihr Verhalten kaum beeinflussen dürfte. Dieser banale Inhalt von (23′) — daß am 6. 12. 1985 der Nikolaus kommt — ist aber gerade die durc h beide Sätze am 5. 12. 1988 ausgedrüc kte (singuläre) Proposition μ23. (23) sc heint aber darüberhinaus noc h mehr zu besagen. Und dieses Mehr an Information, dieser Untersc hied im Informationsgehalt zwisc hen (23) und (23′), wird von (F) nic ht erfaßt. Worin besteht nun eigentlic h die Information, die (23) gegenüber (23′) so interessant ersc heinen läßt? Und was mac ht sie so interessant? Der Untersc hied zwisc hen den beiden Sätzen hat offenbar etwas damit zu tun, daß die von beiden ausgedrüc kte Proposition durc h (23) unmittelbar in Beziehung zur Äußerungssituation gesetzt wird und gerade deshalb einen Einfluß auf das Verhalten der IV. Kontexttheorie Informierten ausüben kann. Diese Unmittelbarkeit der Information geht (23′) ab: was dieser Satz besagt, ist sommers wie winters dasselbe (nämlic h μ23) und hilft vor allem denen nic ht weiter, denen das Datum der Äußerung nic ht gegenwärtig ist, die also die Äußerung zeitlic h nic ht genau genug lokalisieren können. In (23) wird das Kommen des Nikolaus aus der Äußerungssituation heraus, also vom Standort des Sprec hers aus, besc hrieben und insofern mit sprac hlic hen Mitteln lokalisiert; die Besc hreibung in (23′) entbehrt dieser Perspektive. Diese zusätzlic he lokalisierende Dimension im Informationsgehalt ist nun offenkundig ein Effekt der Variabilität der Intension von (23), die wiederum auf die direkte Referentialität des Temporaladverbs morgen zurüc kgeführt werden kann, das dazu beiträgt, den der Äußerungszeit folgenden Tag — und insofern auc h die Äußerungszeit selbst — relativ zum Nikolaustag zu lokalisieren. Während also (23′) lediglic h eine absolute Information μ23 über die Besc haffenheit der Welt liefert, setzt (23) dieselbe Information zum Standort des Sprec hers in Beziehung. Dieser Untersc hied in der Perspektive, aus der die durc h die beiden Sätze ausgedrüc kte Proposition präsentiert wird, wird in (F) übergangen. Eine Modifikation von (F) muß also die durc h möglic he deiktisc he Teilausdrüc ke eingeführte Perspektive der übermittelten Information berüc ksic htigen. Eine sic h aus diesen Betrac htungen nahelegende Verbesserung von (F) besteht somit in einer Differenzierung des Informationsgehalts in einen absoluten, von der Intension beigesteuerten Teil und die durc h den Charakter verliehene lokalisierende Perspektive. In dem soeben diskutierten Beispiel ergibt sic h dann für (23) einerseits die auc h durc h (23′) ausgedrüc kte Information μ23 und andererseits die lokalisierende Information ε23, daß der Nikolaustag dem Tag der Äußerung folgt, d. h. die Menge der Situationen s, die sic h an einem 5. Dezember abspielen. Diese Proposition ε23 ergibt sic h wiederum einfac h aus dem Charakter χ23 von (23) durc h Einsetzung der Auswertungssituation s für die Äußerungssituation so: χ23 liefert ja für den Referenzpunkt 〈so,s〉 gerade dann den Wahrheitswert 1, wenn am Tag nac h so (in s) der Nikolaus kommt. Nac h einer am Sc hluß von Absc hnitt 2.3 gemac hten Beobac htung ergibt sic h somit ε23 aus χ23 durc h senkrec hte Diagonalisierung. Wir erhalten damit die folgende Modifikation von (F): 9. Kontextabhängigkeit (S) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch senkrechte Diagonalisierung seines Charakters kodierten Lokalisierung. Man beac hte, daß die Monstrosität der senkrec hten Diagonalisierungen an dieser Stelle keine Rolle spielt: (S) dient ja nic ht der Interpretation einer bestimmten syntaktisc hen Konstruktion. Mit (S) wird klar, warum man in Beispielen wie (23′) keine Zweiteilung der Information findet: bei absoluten Ausdrüc ken läuft die Diagonalisierung leer — ihr Charakter kann ja unabhängig von der Äußerungssituation besc hrieben werden, womit diese auc h nic ht durc h die Auswertungssituation ersetzt werden kann: ε23’ = μ23’ (= μ23). Wir haben in Absc hnitt 2.3 festgestellt, daß senkrec hte Diagonalisierungen nic ht in jeder Referenztheorie möglic h sind. (S) mac ht nur für die klassisc he Theorie aus Teil 1 sowie für die in Absc hnitt 2.3 skizzierte Quadratur der Parametrisierung Sinn. Will man ein zu (S) analoges Prinzip im Rahmen der nic htquadratis c hen Parametrisierung aus Abs c hnitt 2.1 formulieren, so muß man berüc ksic htigen, daß die ansonsten durc h Diagonaliserung erhältlic he Information nic ht in dem Sinne aus dem Charakter herausdestilliert werden kann, daß sie — wie das Ergebnis einer senkrec hten Diagonalisierung — wieder einer Proposition entspric ht. Wenn einige kontextuelle Aspekte (nac h dieser Theorie-Variante) unumsc hreibbar sind, sollte man für die lokalisierende Information also lieber den vollen Charakter veranschlagen. Wir erhalten damit: (E) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch seinen Charakter kodierten Lokalisierung. Im Untersc hied zu (S) postuliert (E) einen kategorialen Untersc hied zwisc hen den beiden Informationskomponenten. Der Untersc hied zwisc hen Perspektivelosigkeit und Lokalisierung ist nac h (E) nic ht nur einer des Inhalts, sondern auc h ein Untersc hied in der Form der Information: erstere entspric ht einer Menge von Indizes, während letzterer ein Charakter, also eine Funktion von Kontexten in Intensionen ist. (S) ist dagegen durc haus mit der Annahme verträglic h, daß jede Information propositional ist. 181 Der in (E) für die Kodierung der lokalisierenden Information geforderte volle Charakter ist eigentlic h etwas zu viel des Guten. Das sieht man am besten anhand einer Extensionalisierung im Stil von Absc hnitt 2.2 ein. Charaktere lassen sic h dann durc h Formeln besc hreiben, die — entsprec hend der Referenzpunkt-Aufspaltung aus Absc hnitt 2.3 — im wesentlic hen drei Typen von Variablen enthalten: indexikalis c he, indexikalis c h-kontextuelle (kurz: mittlere) und rein kontextuelle. Die Charakterformel für Ich schlafe jetzt enthält beispielsweise eine indexikalisc he Variable für die Auswertungswelt (wegen der Faktenabhängigkeit der Extension von schlafen), eine mittlere (von jetzt eingeführte) Variable für die Äußerungszeit und eine rein kontextuelle Variable für den Sprec her. Welc he (lokalisierende) Information beinhaltet nun der Charakter χ dieses Satzes? Grob gesproc hen informiert χ darüber, daß der Sprec her in der Äußerungswelt zur Äußerungszeit cs hläft. Insbesondere gibt es also in dieser Hinsic ht keinen Untersc hied zwisc hen indexikalisc hen und mittleren Variablen: beide dürfen — dem Prinzip (D) gemäß — direkt auf die Äußerungssituation bezogen werden. Für die Ermittlung der lokalisierenden Information ist also die Untersc heidung zwisc hen den Aspekten der Auswertungssituation und den indexikalisc hen Aspekten des Kontexts überflüssig. (Das äußert sic h übrigens auc h darin, daß das Wort jetzt in diesem Falle nic ht zur lokalisierenden, wohl aber zur absoluten Information beiträgt.) Der Charakter χ läßt sic h damit in (E) insoweit reduzieren, als man (in der extensionalisierten Darstellung) indexikalis c he und mittlere Variablen miteinander identifiziert. Von der Formulierung (S) ausgehend liegt es nun nahe, diese Identifikation durc h eine senkrec hte Diagonalisierung vorzunehmen und dementsprec hend die mittleren Variablen durc h indexikalisc he zu ersetzten. Doc h führt natürlic h der umgekehrte Weg zum selben Ziel: eine Ersetzung der indexikalisc hen Variablen durc h mittlere, also kontextuelle. Das ist aber nic hts anderes als eine Anwendung des DTHAT-Operators! Natürlic h ist das Ergebnis einer solc hen waagerec hten Diagonalisierung strenggenommen immer noc h ein Charakter χ’, so daß auf den ersten Blic k gegenüber (E) nic hts gewonnen sc heint. Dieser Sc hein trügt aber. Denn das durc h DTHAT modifizierte χ’ ist direkt referentiell und läßt sic h daher auf eine Funktion von Kontexten in Wahrheitswerte oder äquivalenterweise als Menge von Kontexten auffassen. 182 Da ein Kontext nic hts anderes ist als eine nstellige Liste von Aspekten, entspric ht diese Menge von Kontexten wiederum einer n-stelligen Relation !χ; in unserem Beispiel ist !χ die Relation, die zwisc hen einem Individuum x (dem Sprec her), einem Zeitpunkt z und einer Welt w besteht, wenn x in w zu z schläft. (E’) Der Informationsgehalt eines Satzes besteht aus zwei Komponenten: a) seiner perspektivelosen Intension und b) einer durch die der waagerechten Diagonalisierung seines Charakters entsprechende Relation kodierten Lokalisierung. Wir werden zwar im folgenden von der klassisc hen Formulierung (E) ausgehen, dabei aber diese Reduktion (E’) von χ auf die Relation !χ nic ht ganz aus den Augen verlieren: in Absc hnitt 4.2 wird sie uns gute Dienste leisten. Was hat das nun alles mit Philosophie zu tun? Der Zusammenhang ergibt sic h aus einer Verallgemeinerung bzw. Umdeutung einiger zentraler Begriffe der Referenztheorie. Zunäc hst nehmen wir zur Kenntnis, daß sic h das Analyse-Instrumentarium der klassisc hen Theorie ohne große Verrenkungen von der Besc hreibung öffentlic her Äußerungen auf innere Monologe übertragen läßt. Die Rolle des Sprec hers wird dann von der den inneren Monolog führenden Person gespielt — sie ist ja die intendierte Referentin des Wortes ich und zählt (in einem in Absc hnitt 3.1 noc h näher zu untersuc henden Sinn) als Sprecherin — und statt einer intersubjektiv zugänglic hen Äußerungssituation mit in der Regel mehreren Kommunikationsteilnehmern haben wir es lediglic h mit dem inneren Zustand zu tun, in dem sic h die betreffende Person befindet. Innere Monologe finden allerdings nur sehr selten in dem Sinne statt, daß sic h eine Person den Wortlaut einer an sie selbst geric hteten fiktiven Äußerung vergegenwärtigt. In der Regel begegnet man dieser asozialen Form von Kommunikation wohl eher in Romanen, Beric hten und anderen Texten, wo sie als Kunstgriff angewandt wird, um den Bewußtseinszustand einer Person zu besc hreiben: der innere Monolog soll auf plastisc he Weise verdeutlic hen, was dem Protagonisten gerade durc h den Kopf geht. Die sprac hlic he Formulierung steht also für ihren Inhalt als Denkinhalt oder — allgemeiner — als (momentanen) Bewußtseinsinhalt, der neben dem Gedankengut auc h Wahrnehmung (und even- IV. Kontexttheorie tuell sogar emotional gefärbte Einstellungen) umfaßt. Aus dem Sprec her wird so ein wahrnehmendes und denkendes Wesen oder — philosophisc her ausgedrüc kt — ein erkennendes Subjekt; und die Äußerungssituation wird zum kognitiven (bzw. epistemischen) Zustand. Das ist die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassischen Theorie. Es ist nützlic h, sic h an dieser Stelle einige terminologisc he und inhaltlic he Subtilitäten einzuprägen. Zunäc hst sollte man sic h den Untersc hied zwisc hen Bewußtseinsinhalt und epistemisc hem Zustand klarmac hen. Ersterer ist abstrakter Natur; es handelt sic h um eine bestimmte (perspektivis c he) Information. Prinzipiell — aber wohl nic ht praktisc h — ist es möglic h, daß die Bewußtseinsinhalte zweier Personen miteinander identisc h sind. Doc h befinden sic h diese Personen niemals im selben epistemisc hen Zustand. Denn letzterer ist die tatsäc hlic he Situation, in der sic h das jeweilige erkennende Subjekt befindet; und wenn es sic h um zwei versc hiedene Subjekte handelt, dann hat diese Versc hiedenheit definitionsgemäß einen Untersc hied im epistemisc hen Zustand zur Folge — eben einen Untersc hied im Subjekts-Aspekt. Der Bewußtseinsinhalt entspric ht also dem subjektiven Bild, das sic h die jeweilige Person von ihrer Situation, also von ihrem epistemisc hen Zustand, mac ht. Dazu gehört dann insbesondere eine Lokalisierung von sic h selbst als Subjekt in Raum, Zeit und Welt. Ob diese Lokalisierung korrekt ist oder etwa das Subjekt einem Irrtum oder einer Täusc hung unterliegt, hängt dann davon ab, ob der tatsäc hlic he epistemisc he Zustand des Subjekts mit dem Bewußtseinsinhalt verträglic h ist — ob also der Charakter für diese Situation eine in dieser Situation wahre Proposition liefert. Bei der Bestimmung und Bewertung dieser Proposition werden die kontextuellen und indexikalisc hen Parameter an der Wirklic hkeit (und nic ht etwa am subjektiven Bild derselben) ausgewertet. Wir können diese philosophisc he Interpretation auf einige der oben besproc henen Beispiele anwenden, indem wir diese als innere Monologe deuten. Wenn sic h Tom (22) sagt — oder wenn man von Tom zu Rec ht sagen kann, er sage zu sic h (22) — dann klassifiziert sic h Tom als müde Person. Das heißt natürlic h nic ht unbedingt, daß Tom sic h damit in einem (körperlic hen) Zustand von Müdigkeit befindet: er könnte ja einem Irrtum unterliegen. Es heißt, daß sic h Tom in einem (kognitiven) Zustand des sic h für müde Haltens 9. Kontextabhängigkeit befindet — ein Zustand, in dem sein Bewußtseinsinhalt dem erkennendem Subjekt eine bestimmte Eigensc haft (Müdigkeit) zusc hreibt. Damit befindet sic h Tom nic ht notwendigerweise auc h in einem Zustand, in dem Tom als Individuum diese Eigensc haft zugesc hrieben wird. Dieser subtile Untersc hied kommt vor allem im Falle einer (in der einsc hlägigen philosophisc hen Literatur deshalb auc h gerne diskutierten) Identitätskrise zum Tragen. (23) ist in dieser Hinsic ht durc hsic htiger. Wenn (23) in einem von Caroline geführten inneren Monolog auftauc ht, dann ordnet Caroline ihren momentanen Zustand zeitlic h in den Tag unmittelbar vor dem Nikolaustag 1985 ein. Selbstverständlic h ist damit nic ht unbedingt der 5. Dezember angebroc hen; ein Irrtum ist hier wesentlic h leic hter möglic h als beim vorhergehenden Beispiel. I n Carolines Bewußtsein besitzt lediglic h der Tag ihres momentanen Zustandes eine gewisse Eigensc haft (direkter Vorgänger des Nikolaustages zu sein). Nehmen wir einmal an, sie irrt sic h tatsäc hlic h: in Wirklic hkeit haben wir bereits den 8. Dezember. Heißt das, daß Caroline — und sei es auc h nur momentan — den 8. Dezember für den Vorgänger des Nikolaustages hält? Wohl kaum. Oder eben nur: insofern sie den 8. Dezember als Tag ihres momentanen epistemisc hen Zustands, als Heute, klassifiziert. Im momentanen Weltbild ihres Bewußtseinszustands liegt also der Tag des momentanen Zustands vor dem Nikolaustag; und in Wirklic hkeit ist der Tag ihres momentanen Zustands der 8. Dezember. Die Differenz zwisc hen Carolines Perspektive auf den 8. Dezember als Heute und der Tatsac he, daß es sic h in Wirklic hkeit um den ac hten Tag des Monats Dezember handelt, entspric ht natürlic h genau dem zuvor diskutierten Untersc hied zwisc hen lokalisierender und perspektiveloser Information. Der im inneren Monolog (23) besc hriebene kognitive Zustand Carolines ist das epistemisc he Analogon zum Charakter in (E) bzw. zur Diagonalisierung desselben in (S). Für den Vergleic h der Carolinesc hen Vorstellungswelt mit der Wirklic hkeit muß die in (23) gemac hte Aussage als Aussage über die Wirklic hkeit gewertet werden. Aus dem Heute der Carolinesc hen Perspektive wird dann der Tag, an dem sic h der innere Monolog (bzw. die ihm entsprec hende Überlegung) tatsäc hlic h abspielt — gerade so, wie sonst aus dem Charakter durc h Auffüllung der kontextuellen Aspekte die Intension wird. Der (möglic her- 183 weise diagonalisierte) Charakter von (23) besc hreibt also, wie Caroline die Welt sieht; die — sic h am tatsäc hlic hen Zustand Carolines ergebende — Intension dagegen besc hreibt, wie die Welt ist. Der Untersc hied zwisc hen (diagonalisiertem) Charakter und Intension bzw. der zwisc hen lokalisierender und absoluter Information wird so, in der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie, zu einem Untersc hied zwisc hen epistemischer und metaphysischer Perspektive. Hält man sic h nun an die diagonalisierungsfreie Variante (E), so ist dieser Untersc hied wieder kategorialer Natur. Der Bewußtseinsinhalt des erkennenden Subjekts kann dann prinzipiell nic ht als Information im Sinne des zu Anfang des gegenwärtigen Absc hnitts thematisierten propositionalen Wissens aufgefaßt werden. Bei der Caroline im Falle des inneren Monologes vorliegenden Information χ23 handelt es sic h nic ht nur um eine andere als die, daß der 8. Dezember 1985 dem Nikolaustag vorangeht (μ23) — es handelt sic h um einen anderen Typ von Information, nämlic h um lokalisierende Information, um Information aus der Sic ht des Subjekts in seinem momentanen kognitiven Zustand. Die Alternative (S) ist in dieser Hinsic ht weniger radikal: nac h ihr ist der Untersc hied zwisc hen epistemisc her und metaphysisc her Perspektive rein inhaltlic her Natur. Caroline befindet sic h zwar nic ht im Besitz der perspektivelosen Information μ23, sie vertraut aber wohl einer anderen, ebenso propositionalen Information, nämlic h ε23. Heißt das, daß nac h (S) Carolines Bewußtseinsinhalt jeglic her epistemisc hen Perspektive entbehrt? Natürlic h nic ht! Die Perspektive ist bei ε23 nur ein Teil des Inhalts: an die Stelle des kontextuellen Zeit- (bzw. Tages-) Parameters in χ23 tritt in ε23 die Zeit der Auswertungssituation. Der Untersc hied zwisc hen lokalisierender und absoluter Information läßt sic h am eindruc ksvollsten am Grenzfall der Nullinformation oder Trivialität illustrieren. Triviale Informationen sind solc he, die unter beliebigen Umständen zutreffen, deren Kenntnisnahme also nic hts lehrt. Die in (E) geleistete Präzisierung der Untersc heidung zwisc hen Lokalisierung und Perspektivelosigkeit läßt nun prinzipiell zwei Trivialitätsbegriffe zu: Trivialität eines Charakters versus Trivialität einer Proposition. Im Lic hte der erkenntnistheoretis c hen Umdeutung der klassis c hen Theorie entsprec hen diese Begriffe c( um 184 grano salis) zwei alten Bekannten aus der Philosophie: Definition: (a) Eine epistemische Information χ gilt a priori, falls für beliebige kognitive Situationen s0 gilt: χ(s0)(s0) = 1. (b) Eine metaphysische Information p gilt notwendig, falls für beliebige Situationen s gilt: p(s) = 1. Wir haben diese Begriffe hier im Rahmen der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie gegeben, doc h werden sie häufig auc h direkt für Charaktere und Propositionen im üblic hen Sinne definiert. Den Untersc hied zwisc hen den beiden Begriffen mac ht man sic h am besten an drei einfac hen Beispielen klar: (24) Es regnet oder es regnet nicht. (25) Ich existiere. (26) Renatus Cartesius sum. (24) ist eine Tautologie und insofern — im Sinne von (D) — in allen Äußerungssituationen wahr. Also gilt χ24 a priori. In einer Äußerungsituation (bzw. relativ zu einem Bewußtseinsinhalt) s0 ist aber die durc h (24) ausgedrüc kte Proposition χ24(s0) ebenfalls trivial: sie trifft auf eine Situation s zu, falls es in s regnet oder nic ht regnet. (24) drüc kt somit immer eine notwendige Wahrheit aus. Die Untersc heidung zwisc hen a priorisc her und notwendiger Geltung greift also in diesem Falle nicht. Ganz anders bei (25). Wird nämlic h (25) in einer Situation s0 von einem beliebigen Individuum geäußert, so existiert diese Person insbesondere auc h in s0. Also gilt χ25 a priori. Daran ändert sic h auc h nic hts, wenn man von der Äußerung zum Denken übergeht und ich auf das Subjekt desselben bezieht: die Existenz läßt sic h hier mit Hilfe eines altehrwürdigen Desc artesc hen Arguments nac hweisen. Andererseits sind für jeden Äußerer oder Denker Situationen s denkbar, in denen er nic ht existiert. Für solc he s ist aber χ25(s0)(s) = 0 und somit die durc h (25) ausgedrüc kte Proposition keine notwendige Wahrheit. Man beac hte, daß in diesem Falle s0 ≠ s sein muß; zum Nac hweis der A Priorizität genügte aber die Wahrheit an allen diagonalen Referenzpunkten. Der Charakter von (25) ist also ein kontingentes A Priori: χ25 gilt a priori, aber es gibt Referenzpunkte, an denen sic h der Wahrheitswert 0 ergibt. IV. Kontexttheorie An der Analyse von (25) wird bei näherem Hinsehen deutlic h, wie man mit Hilfe der klassisc hen Theorie weitere a priorisc he und zuglei c h kontingente Wahrheiten konstruieren kann: geht man von einer extensionalen Darstellung des Charakters im Stil von Absc hnitt 2.2 aus, so liegt A Priorizität dann vor, wenn die Einsetzung von s0 für s, also das Ergebnis der Anwendung des Operators DTHAT zu einer für Äußerungs- bzw. Erkenntnissituationen s0 allgemeingültigen Aussage führt; Kontingenz wiederum ergibt sic h, wenn zumindest für eine Belegung von s und s0 etwas Falsc hes herauskommt. Diese Beobac htung läßt sic h auf eine griffige Formulierung bringen: wenn ein Charakter als Eigensc haft (von Äußerungssituationen), nic ht aber als Relation (zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituationen) trivial ist, so liegt ein kontingentes A Priori vor. (Man beac hte nebenbei, daß bei Parametrisierung der als Eigensc haft von Äußerungssituationen aufgefaßte Charakter nic hts anderes ist als die in (E’) erwähnte, ihm entsprec hende Relation.) Im vorliegenden Fall ergab sic h der Effekt durc h eine Interaktion des deiktisc hen Subjekts mit dem absoluten Prädikat: erst die Ersetzung des Auswertungs-Parameters im Prädikat läßt die Aussage für Äußerungssituationen trivial werden. Prinzipiell ist jedoc h auc h A Priorizität möglic h, ohne daß Deixis vorliegt — wenn nämlic h die durc h den Charakter über die Auswertungssituation gemac hte Aussage für alle Äußerungssituationen trivial ist; und kontingent ist ein solc hes A Priori dann, wenn diese Trivialität nic ht auf beliebige Situationen zutrifft. Ein Beispiel für so ein deixisfreies kontingentes A Priori ist etwa der Charakter des Satzes Es gibt ein denkendes Wesen. Wie nic ht anders zu erwarten, verhält sic h (26) genau entgegengesetzt zu (25). Denn einerseits kann dieser Satz heutzutage nic ht mehr wahrheitsgemäß geäußert werden: χ26(s0)(s0) = 0 für alle (diesseitigen) s0 nac h dem 11. Februar 1650. Damit gilt (26) auc h nic ht a priori. Andererseits besteht die mit einer Äußerung von (26) durc h Desc artes hö c hstpersönli c h ausgedrü c kte Proposition aus den Situationen s, für die gilt: der Sprec her, also Desc artes, ist mit dem Träger des (hier wieder als Standardnamen verstandenen) latinisierten Namens Renatus Cartesius, also mit Desc artes, identisc h. Diese Bedingung wird offensic htlic h von allen s erfüllt. Desc artes konnte also mit (26) eine notwendige Wahrheit ausdrücken. 9. Kontextabhängigkeit Wir haben die obige Definition auf dem Hintergrund der These (E) getroffen. Die Begriffsbildungen sowie die Analyse der Beispiele lassen sic h jedoc h auc h sinngemäß auf (S) übertragen. Die erkenntnistheoretis c he Wendung der klassisc hen Theorie führt somit auf das aus traditioneller philosophisc her Sic ht zumindest überrasc hende Ergebnis, daß A Priori und Notwendigkeit zwei voneinander unabhängige Begriffe sind. Dies ist die eingangs dieses Abs c hnittes angekündigte philosophisc he Implikation der klassisc hen Theorie. Die in (a) und (b) definierten Begriffe lassen sic h im Prinzip auf Charaktere beliebiger Ausdrüc ke (im Gegensatz zu Sätzen) übertragen. Dazu bedarf es lediglic h der Einsic ht, daß in beiden Fällen eine Invarianz der Extension über gewisse Referenzpunkte hinweg gefordert wird. Eine natürlic he Verallgemeinerung (a’) des A Priori auf beliebige Charaktere χ ergibt sic h demnac h aus der Bedingung, daß für Äußerungssituationen s0 und s1 stets gilt: χ(s0)(s0) = χ(s1)(s1). Zur Illustration des A Priori in diesem weiteren Sinne mag der Charakter der Kennzeic hnung die S prache dieser Äußerung dienen: jede Äußerung dieses Ausdruc ks referiert auf das Deutsc he, doc h ist es in praktisc h jeder Äußerungssituation zumindest denkbar und insofern (metaphysisc h) möglic h, daß das Gespräc h auf Altisländisc h geführt wird. Die entsprec hende Verallgemeinerung (b’) des Notwendigkeitsbegriffs führt auf einen der Kernbegriffe von Absc hnitt 1.3, direkte Referenz: eine Intension χ(s0) ist notwendig, wenn χ(s0)(s) = χ(s0)(s’) = 1 (für beliebige s und s’), wenn also der betreffende Ausdruc k direkt auf den Wahrheitswert 1 referiert und die Auswertungssituation keine Rolle spielt. Als weiterer begrifflic her Zusammenhang zwisc hen den oben gegebenen Definitionen und den Referenzarten sprac hlic her Ausdrüc ke sei hier noc h die Unverträglic hkeit von Deixis und A Priorizität — auc h im erweiterten Sinne (b’) — erwähnt, deren Nac hweis eine Fingerübung ist. Die direkte Referenz bedarf im Rahmen der erkenntnistheoretis c hen Deutung der klassisc hen Theorie besonderer Aufmerksamkeit. Direkte Referenz führt bekanntlic h auf der Intensions-Ebene zu singulärer Information, Information über den Referenten. Da es sic h dabei um perspektivelose Information handelt, ist damit nic hts über die Art des Gegebenseins, d. h. die Identifikation des Referenten aus Sic ht des Subjekts gesagt: es 185 kann sic h um einen unmittelbar gegebenen kontextuellen Aspekt (Ego, Hic , Nunc ), eine kausal vermittelte Bekanntsc haft (Wahrnehmung, Erinnerung) oder einen im wesentlic hen deduktiv ersc hlossenen Sac hbezug handeln. Letzterer liegt etwa vor, wenn ein Detektiv aufgrund der Inspektion eines Tatorts auf die Existenz eines Einzeltäters sc hließt und diesen einer bestimmten Personengruppe zuordnet. Die entsprec hende perspektivelose Information ist dann eine singuläre Proposition über den tatsächlichen Übeltäter; in einem gewissen, trivialen Sinn weiß der Detektiv, um wen es sic h dabei handelt, nur reic ht diese sc hwac he Identifikation nic ht für eine Festnahme aus. Das Beispiel — und für andere Arten der direkten Referenz lassen sic h analoge Fälle konstruieren — soll veransc haulic hen, daß direkte Referenz und Singularität von der praktisc hen Identifizierbarkeit des Referenten durc h das Subjekt unabhängige Eigens c haften des objektivierten (= am epistemisc hen Zustand ausgewerteten) Bewußtseinsinhalts sind. Der objektivierende Sc hritt von der perspektivisc hen Information zur singulären Propositon ist im allgemeinen mit einem Informationsverlust verbunden: mehreren Arten des Gegebenseins entspric ht in Wirklic hkeit oft dasselbe Individuum. Es kann daher leic ht passieren, daß dasselbe Subjekt dieselbe perspektivelose Information mehrfac h vorliegen hat, ohne dies merken zu können; oder es liegen widersprüc hlic he singuläre Informationen über dasselbe Individuum vor, das aber dem Subjekt jeweils auf versc hiedene Art gegeben ist. (Im zweiten Fall können natürlic h nic ht alle Informationen ric htig sein.) In dieser Differenz zwisc hen epistemisc her und entsprec hender (d. h. objektivierter) metaphysisc her Information liegt ein Großteil des Erklärungspotentials der erkenntnistheoretis c hen Deutung der klassischen Theorie. Eine der in diesem Teil diskutierten Alternativen zur klassisc hen Theorie widersetzt sic h einer erkenntnistheoretisc hen Umdeutung. Die Rede ist von der in Absc hnitt 2.4 skizzierten Tokenanalyse. Der Grund dieser Unverträglic hkeit mit der im vorliegenden Absc hnitt eingenommenen Perspektive wird deutlic h, wenn wir ein typisc hes Beispiel einer Äußerung betrac hten, für die sic h die Tokenanalyse besonders gut eignet: (27) Jetzt ist es siebenundzwanzig Sekunden früher als jetzt. Offensic htlic h kann man (27) so verzögert aussprec hen, daß in dem Sinne etwas Wahres IV. Kontexttheorie 186 herauskommt, daß das zweite Token von jetzt exakt siebenundzwanzig Sekunden nac h dem ersten geäußert wird. Mit der Tokenanalyse bereitet die Deutung dieser selbsterfüllenden Äußerung auc h keine Sc hwierigkeiten: jedes Token von jetzt wird an seinem Zeitpunkt und als auf diesen verweisend gedeutet. Versuc ht man jedoc h, (27) als inneren Monolog aufzufassen — was ja nic ht sonderlic h sc hwierig ist — versagt die in diesem Absc hnitt dargestellte Umdeutung. Zumindest ist es nic ht mehr ohne weiteres möglic h, den Charakter von (27) als Momentaufnahme eines entsprec henden Bewußtseinsinhalts aufzufassen. Denn einerseits führt die klassisc he Auffassung des Charakters zu einer offenkundig falsc hen Deutung: dem Wort jetzt entspricht ein einziger kontextueller Parameter, so daß sic h beide Token auf das eine Jetzt des kognitiven Zustands bezögen. Andererseits ist aber die von der Tokenanalyse vorgenommene Aufspaltung in zwei Jetzt-Zeiten nic ht mit der Auffassung verträglic h, daß χ27 einem in diesem Zustand gefaßten Gedanken entspric ht, der vermöge der in (27) vorkommenden deiktisc hen Wörter irgendeinen propositionalen Inhalt aus der Perspektive des Subjekts in dieser Situation besc hreibt: der Witz an (27) ist ja gerade, daß er seinen mehr oder weniger trivialen Inhalt portionenweise aus der Sic ht zweier versc hiedener Situationen präsentiert. Ein möglic her Ausweg ist hier die am Ende des vorhergehenden Abs c hnitts angesproc hene Deutung einiger deiktisc her Wörter als Demonstrativa mit unsic htbarer (’innerer’) Zeigehandlung. Ob diese Strategie generell genug ist, müssen wir dahingestellt sein lassen. Um jedenfalls die Tokenanalyse für die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassisc hen Theorie fruc htbar zu mac hen und damit auc h die Charaktere solc her Sätze wie (27) als Bewußtseinsinhalte aufzufassen, bedarf es möglic herweise einer subtileren Entsprec hung zwisc hen Charakter und epistemisc her Information, als wir sie hier angedeutet haben. Wir besc hließen unseren philosophisc hen Exkurs mit einer Reihe von Warnungen. Zunäc hst einmal ist aus den obigen Betrac htungen hoffentlic h klar geworden, daß die mit der klassisc hen Theorie in Verbindung gebrac hten philosophisc hen Thesen strenggenommen auf einer Umdeutung derselben beruhen. Diese Umdeutung ist für sic h genommen noc h keine Begründung dieser Thesen. Dafür müßte vor allem erst einmal gezeigt werden, daß die aus der Idee des inneren Monologs gewonnene Auffassung von Be- wußtseinsinhalten als Charakteren überhaupt tragfähig ist. Weiterhin müßte die obige Definition auf ihre Brauc hbarkeit als Rekonstruktion entsprec hender klassisc her Begriffsbildungen überprüft werden. Sonst hätte man mit (25) und (26) vielleic ht nur eine These belegt, die zwar im Wortlaut, aber nic ht im Inhalt gängigen philosophisc hen Positionen widerspric ht. Und sc hließlic h ist auc h dann noc h nic ht gezeigt, daß diese Art von Untermauerung der umstrittenen These für das Unterfangen überhaupt wesentlic h ist: vielleic ht läßt sic h der Nac hweis ja auc h ganz unabhängig von dem aus der Referenztheorie übernommenen Begriffsapparat führen. In diesem Falle wäre die erkenntnistheoretisc he Umdeutung bestenfalls ein irreführender Umweg. Von der klassisc hen Theorie der Kontextabhängigkeit zur sprac hanalytisc hen Fundierung der Unabhängigkeit von A Priorizität und Notwendigkeit — und insbesondere des durc h (25) angeblic h illustrierten kontingenten A Priori — ist also noc h ein weiter Weg, dem zu folgen für uns hier allerdings nic ht in Frage kommt. 3. Aspekte des Kontexts Dieser Teil soll in erster Linie einen Eindruc k von den Anwendungsweisen und -möglic hkeiten der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten vermitteln. Ein dafür geeigneter Rahmen ist die in Absc hnitt 2.1 skizzierte Aufcs hlüsselung der Äußerungssituationen in eine Liste semantisc h relevanter Aspekte. Dabei werden zunäc hst, im ersten Absc hnitt, diejenigen Parameter näher untersuc ht, die uns oben sc hon öfters begegnet sind: neben den für die erste und zweite Person zuständigen, kommunikative Rollen c bes hreibenden Aspekten gehören dazu vor allem auc h die für jede Situation definierten, sie lokaliserenden Eigensc haften: Welt, Zeit und Ort. Der darauffolgende Absc hnitt ist solc hen deiktisc hen Ausdrüc ken gewidmet, die in der Regel auf eine die Äußerung begleitende Zeigehandlung Bezug nehmen und insofern von einem ‘Zeige-Aspekt’ abhängen. Im letzten Absc hnitt dieses Teils werfen wir noc h einen kleinen Blic k in den Abgrund derjenigen sprac hlic hen Ausdruc ksmittel, die — anstatt von einem konkret faßbaren Aspekt des Kontexts abzuhängen — sic h etwas diffus auf durc h die Äußerungssituation Nahegelegtes zu beziehen scheinen. Wir haben zu Beginn des Absc hnitts 2.1 festgestellt, daß der dort definierte Aspekt- 9. Kontextabhängigkeit Begriff extrem liberal ist. So läßt sic h beispielsweise eine Funktion definieren, die jeder Situation s das näc hste Sc haltjahr nac h s zuordnet, ohne daß es in irgendeiner Sprac he einen Ausdruc k gibt, dessen Extension von diesem Aspekt abhängt; ein Gleic hes gilt für konstante Aspekte wie den, der jeder Situation die Kreiszahl π zuweist. Die Charaktere sprac hlic her Ausdrüc ke sind eben nic ht für alle Aspekte von Äußerungssituationen sensibel. Welc he Aspekte semantisc h einsc hlägig sind, ist überdies keine absolut zu beantwortetende Frage, sondern hängt zum Teil von metatheoretisc hen Faktoren (Einfac hheit der semantis c hen Bes c hreibung, Kompatibilität mit anderen Theorien, ...) ab. So gibt es keinen zwingenden Grund dafür, die Extension von ich als vom Sprec her-Aspekt abhängig zu besc hreiben: man könnte stattdessen beispielsweise eine Funktion f heranziehen, die jedem s0 Geburtsort und -datum des Produzenten der Äußerung zuweist. Die Extension von ich läßt sic h dann in s0 als die Person besc hreiben, die (in der Welt von s0) an dem von f(s0) spezifizierten räumlic h-zeitlic hen Koordinatenpunkt geboren wurde; nur sc heint es keinen vernünftigen Grund dafür zu geben, den für ich naheliegenden Sprec herAspekt durc h das bizarre f zu ersetzen. Doc h sc hon bei gestern ist es einigermaßen zweifelhaft, was denn nun der für die Extensionsbestimmung einsc hlägige situationelle Aspekt ist: statt des Vortags könnte man ebensogut den Tag der Äußerung selbst nehmen und dann in einer für gestern zuständigen semantisc hen Regel festlegen, wie die Abhängigkkeit von diesem Tages-Aspekt genau aussieht. Auf diese Weise könnte man gestern, heute und morgen als auf jeweils untersc hiedlic he Weise von demselben Aspekt abhängig besc hreiben. Ja, man kann noc h einen Sc hritt weitergehen und die genannten Ausdrüc ke lediglic h von dem für jetzt und gleich benötigten Aspekt des Sprechzeitpunkts abhängen lassen: morgen bezieht sic h auf den Tag nac h dem Sprec hzeitpunkt etc . Die Betrac htungen in Absc hnitt 2.4 legen sc hließlic h nahe, daß sic h ein Großteil der kontextuellen Aspekte ohne große Verrenkungen auf den Token- Aspekt reduzieren läßt, der einfac h jedem s0 die in s0 gemac hte Äußerung zuweist. Sc hließlic h lassen sic h sogar alle Aspekte auf einen einzigen reduzieren, nämlic h den Identitäts-Aspekt, der jeder Situation s einfac h s selbst zuordnet; doc h diese Reduktion trivialisiert den AspektBegriff und führt zu einer unnötig komplizierten Variante der klassisc hen Theorie. Wie 187 auc h immer: der Entsc heidung zugunsten eines bestimmten kontextuellen Parameters in der semantisc hen Besc hreibung wird immer etwas Willkürlic hes anhaften. Das sollte bei der folgenden exemplarisc hen Auswahl stets bedacht werden. 3.1 Standardaspekte unter der Lupe Das aus der Sic ht der klassisc hen Theorie typisc he deiktisc he Wort sc hlec hthin ist das Personalpronomen der ersten Person Singular. Es tauc ht in praktisc h allen Darstellungen und Anwendungen der klassisc hen Theorie auf. Auc h wir haben es zur Motivierung der Untersc heidung von Äußerungs- und Auswertungssituation herangezogen. Wir werden deshalb den Sprec her-Aspekt als erstes unter die Lupe nehmen. Zunäc hst ist zu vermerken, daß das Wort ich — da es auc h in sc hriftlic hen Äußerungen vorkommen kann — nic ht immer wirklic h auf den Sprecher verweist. Etwas neutraler könnte man vom Äußereraspekt sprec hen (bzw. sc hreiben), der den Produzenten des (in der Äußerungssituation eindeutig bestimmten) sprac hlic hen Ausdruc ks herausgreift. Doc h auc h das ist möglic herweise nic ht allgemein genug, will man etwa den in Absc hnitt 2.5 bereits thematisierten Gebrauc h von ich in inneren Monologen oder sonstigen Denk-Zitaten auf einigermaßen plausible Weise erklären: (28) ‘Habe ich heute eigentlich schon gefrühstückt?’ fragte sich Wolfgang. Auch wenn man in Beispielen wie (28) für die Ermittlung der Extension von ich die Äußerungssituation in Ri c htung Auswertungssituation versc hiebt, ist immer noc h nic ht gesagt, wie man denn den Referenten genau bestimmt: der besc hriebene Denkakt ist ja nic ht notwendigerweise der einzige in der betra c hteten Situation stattfindende. (Allerdings ist der Gedanke, der in dem Satz umsc hrieben wird, in dem das fraglic he Pronomen vorkommt, eindeutig bestimmbar: man sieht, daß man hier auf ähnlic he Probleme stößt wie im Zusammenhang mit der Tokenanalyse.) Doc h abgesehen davon, daß ich nic ht unbedingt auf den Urheber eines gewissen sprachlichen Produktes verweist, muß es sic h auc h nic ht unbedingt um den Urheber des betreffenden sprac hlic hen Produktes handeln: (29) Nimm’ mich mit! Diese eindeutige Aufforderung soll man in Kürze auf in öffentlic hen Herrentoiletten bereitgestellten Präservativpa c kungen lesen 188 können. Wer aber ist der Urheber dieser sc hriftlic hen Äußerungen? Das jeweilige Token wird zweifellos von einer Masc hine erstellt; die Aufsc hrift gleic ht also in dieser Hinsic ht einem Gesc häftsbrief, wo sic h ich auf den Chef als den geistigen Urheber und nic ht auf die Sekretärin als Produzentin des tatsäc hlic hen Briefes bezieht. Doc h (29) ist wohl kaum als zweideutige Aufforderung seitens der Bundesgesundheitsministerin gemeint. Das Wort mich bezieht sic h vielmehr auf den von ihrer Behörde bereitgestellten Gummisc hutz. Der wiederum kommt wohl kaum als Produzent der genannten Äußerung in Frage. Dennoc h ist klar, daß er in diesem Falle als Referent von ich verstanden wird: das Kondom zählt als Sprecher. Der Sprec her-Parameter liefert also einfac h das, was immer in dieser Situation als Sprec her zählt. Analoges wird für alle im folgenden zu besprec henden kontextuellen Parameter gelten. Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß diese Aufweic hung der Aspekte kein rein semantisc hes Phänomen ist, sondern größtenteils in der Pragmatik unter dem Stic hwort Akkomodationsregeln abgehandelt werden kann: in einer Situation, in der überhaupt niemand spric ht, muß die Hörerin — will sie das Ausgesagte verstehen — das Wort ich eben auf irgendjemand (oder irgendetwas) anderes beziehen; und beim Ausfindigmac hen dieses ‘Sprec her-Ersatzes’ helfen ihr die genannten Regeln. Solc he Regeln bewirken offenbar eine Versc hiebung eines rein kontextuellen Aspekts, womit sie auf den ersten Blic k das in Absc hnitt 1.4 verhängte Monsterverbot zu unterlaufen cs heinen. Doc h handelt es sic h bei den Akkomodationsregeln nic ht um semantisc he Operationen: solc he Versc hiebungen kommen nur vor, wenn die im engeren Sinne semantisc hen Regeln versagen. Um das zu unterstreic hen, werden wir in solchen Fällen von pragmatischen Verschiebungen der entsprec henden Aspekte sprechen. Mehr wollen wir an dieser Stelle über den Sprec her-Aspekt nic ht sagen, da wir ihn sc hon ausführlic h kennengelernt haben. Es sollte nur erwähnt werden, daß dieser Aspekt im Deutsc hen wie in vielen (wenn nic ht sogar allen) anderen Sprac hen rein kontextueller Natur ist, sic h also stets auf die Äußerungssituation bezieht und nic ht versc hoben werden kann. Ausgehend von der ersten Person Singular liegt natürlic h die erste Person Plural, das wir, nahe. Blendet man einmal sämtlic he Unweg- IV. Kontexttheorie barkeiten der Pluralsemantik aus [diese sind Gegenstand des Artikel 19], so sc heint wir keine sonderlic h interessanten Probleme aufzugeben: es bezieht sic h offenbar auf eine in der Äußerungssituation naheliegende Gruppe, die den Sprec her (oder den, der als Sprec her zählt) und mindestens eine andere Person (oder ein anderes als Person geltendes Wesen) umfaßt. Bei nährerem Hinsehen stellt sic h dann heraus, daß (i) nic ht alle Mitglieder dieser Gruppe in der Außerungssituation zugegen oder (ii) überhaupt am Leben sein müssen, daß (iii) die Bestimmung der wir-Gruppe in der Praxis oft eine rec ht vage Angelegenheit ist und daß es (iv) nebenbei auc h andere, ebenso naheliegende, den Sprec her umfassende Personengruppen geben kann. Das folgende Beispiel dient als Illustration von (i) — (iv): (30) Wir sind wieder wer. Bei einer Äußerung von (30) durch einen bundesdeutsc hen Ric hter in der Nac hkriegszeit konnte sic h dieser mit wir natürlic h auf die Gruppe der Deutsc hen beziehen. Wenn diese Äußerung im engsten Kollegenkreis stattfindet, ist (i) erfüllt. (ii) gilt auc h, wenn man einmal unterstellt, daß sic h der Sprec her auf die Deutsc hen als Gesamtheit und nic ht auf die Überlebenden bezieht. Eine Vagheit kommt ins Spiel, wenn man sic h fragt, ob zu dieser Gesamtheit etwa auc h alle kurz vor Ende des zweiten Weltriegs geborenenen Deutsc hen gehören. Und unter den genannten Umständen hätte der Jurist natürlic h ebensogut sic h und seine Kollegen vom Volksgeric htshof meinen können. Man erkennt an diesem Beispiel auc h, daß die gelegentlic h vorgesc hlagene (und in manc hen Sprac hen markierte) Aufspaltung des wir in eine die Hörersc haft umfasssende und eine sie aussc hließende Lesart nic ht immer weiterhilft. Das Gleic he gilt für andere Disambiguierungsversuc he: die konkrete Auswahl der Gruppe, auf die sic h wir bezieht, ist eine hoc hgradig situationsabhängige Angelegenheit. Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, für die erste Person Plural einen eigenen kontextuellen Parameter anzusetzen. Ebensogut könnte man die Extension von wir unter Rüc kgriff auf den Sprec her-Aspekt und eine (in Absc hnitt 3.3 noc h näher zu erläuternde) situationsabhängige Ordnung der Dinge nac h ihrer Prominenz (oder Einsc hlägigkeit) besc hreiben: wir bezieht sic h dann auf die im Sinne dieser Ordnung ranghöc hste Gruppe, der der Sprecher angehört. 9. Kontextabhängigkeit Wenden wir uns den Personalpronomina der zweiten Person zu. Einige der Phänomene, die man hier beobac hten kann, sind den der ersten Person gleic h oder analog: Ansprec hpartner werden oft nic ht wirklic h angesproc hen, sondern lediglic h als solc he gedac ht (wie etwa im Selbstgespräc h oder bei einer Anrufung der Götter), der tatsäc hlic he Leser oder Hörer muß nic ht der Angesproc hene sein (wie beim Abhören eines Telefongespräc hs), die Bestimmung der im Plural angesproc henen Gruppe ist nic ht immer ganz eindeutig usw. An grundsätzlic h Neuem gegenüber der ersten Person kommt wohl nur die im Deutsc hen (und vielen anderen Sprac hen) vorgenommene Untersc heidung zwisc hen Familiarund Höflic hkeitsform hinzu. Die wiederum spielt für die Extensionsbestimmung in der Regel keine Rolle, sondern gehört — ähnlic h wie die in Absc hnitt 1.3 angesproc hene Färbung — einer anderen semantisc hen Ebene, dem Register, an; der (durc haus häufige) Fall, in dem die Referentin von du aufgrund der Tatsac he ermittelt wird, daß es sic h um die einzige Anwesende handelt, die vom Sprec her geduzt wird, läßt sic h im Rahmen pragmatisc her Überlegungen abhandeln — und zwar analog zu der Situation, in der jemand eine Aufforderung in französisc her Sprac he auf sic h bezieht, wenn ihm und der auffordernden Person klar ist, daß er der einzige weit und breit ist, der des Französisc hen mäc htig ist. Die Register-Untersc hiede bei den Personalpronomina der zweiten Person sc hlagen sic h also nic ht in den Charakteren nieder: du und S ie im Singular sind ebenso c haraktergleic h wie das Personalpronomen ihr und das pluralische Sie. Neben den Produzenten und Rezipienten der Äußerungen spielen Ort, Zeit und Welt der Äußerungssituation eine wic htige Rolle bei der Extensionsbestimmung. Der aus Sic ht der Referenztheorie wic htigste Untersc hied zwisc hen diesen Situationsparametern einerseits und den für die Deutung der Personalpronomina der ersten und zweiten Person zuständigen besteht darin, daß letztere rein kontextuell sind, während Ort, Zeit und Welt jeweils verschoben werden können: (31) Sicherlich hat es in Rottweil geregnet. Wir gehen davon aus, daß (31) das Ergebnis einer sukzessiven Modifikation des Verbs regnen durc h das Vergangenheitstempus Perfekt, das komplexe Ortsadverb in Rottweil und das Satzadverb sicherlich ist; das Subjekt spielt semantisc h offenbar keine Rolle. Es liegt dann nahe, regnen selbst etwa im Sinne von es 189 regnet zu deuten, also durc h einen Charakter χ:, der an einem Referenzpunkt 〈s0,s〉 den Wahrheitswert 1 ergibt, falls es in s regnet. Die in (31) angewandten Modifikatoren versc hieben dann die Auswertungssituation: das Perfekt führt auf ein vergangenes s’, mit der Präpositionalphrase gelangt man in ein s” in Rottweil, und für den gesamten Satz (31) werden dann möglic he Auswertungssituationen herangezogen, die nic ht mit Sic herheit ausgesc hlossen werden können. Im Rahmen einer Parametrisierung (im Sinne von Absc hnitt 2.1) sieht dann die gesamte Extensionsbestimmung einer Äußerung von (31) in einer Situation s0 also ungefähr so aus: Man beac hte, daß bei dieser Auswertung von (31) von s0 als Äußerungssituation nur im ersten Sc hritt wesentlic her Gebrauc h gemac ht wird — nämlic h dort, wo s0 in den Index eingeführt wird. Man hätte also (31) ebensogut im Rahmen einer prä-klassisc hen Theorie deuten können, die lediglic h zwisc hen Extension und Intension untersc heidet, wobei erstere von letzterer und einem in Aspekte aufgesc hlüsselten Index abhängt. Das liegt daran, daß die von den intensionalen Operatoren in (31) — also von sicherlich, in Rottweil und dem Perfekt — tangierten indexikalisc hen Aspekte nic ht gleic hzeitig durc h deiktisc he Ausdrüc ke belegt werden. Aber warum sollten sie auc h? Warum wollte man z. B. den ursprünglic h (über (D)) kontextuell gegebenen Ortsaspekt zunäc hst ersetzen und 190 dann wieder zurüc kversc hieben? In der Tat sc heint ein Nebeneinander von absolutem (in Rottweil) und deiktisc hem Adverbial (hier) nur dann angemessen zu sein, wenn sc hon eines von beiden ausreic hen würde. Allerdings mac hen solc he Hin- und Herversc hiebungen von indexikalisc hen Aspekten dann durc haus Sinn, wenn einer der beteiligten intensionalen Operatoren in dem Sinne undifferenziert ist, als er auf mehr als einen Aspekt Bezug nimmt: der undifferenzierte Operator versc hiebt dann vielleic ht zunäc hst den gesamten Index, was durc h gezielte Bindung einzelner Aspekte teilweise wieder rüc kgängig gemac ht werden kann. Das typisc he Beispiel für so einen undifferenzierten Operator ist das satzeinbettende daß. Denn es mac ht einen Untersc hied, ob etwa Angela (32) oder (32′) äußert — es sei denn, sie befindet sich gerade in Rottweil: (32) Die Leute in Rottweil ärgern sich darüber, daß es ständig regnet. (32′) Die Leute in Rottweil ärgern sich darüber, daß es hier ständig regnet. In beiden Fällen verschiebt das daß den WeltAspekt im eingebetteten Satz auf die Welt der jeweiligen Auswertungssituation. Doc h während in (32) der eingebettete Nebensatz — ebenfalls aufgrund des daß — auc h am Ort der Auswertungssituation bewertet wird, wird dieser Nebeneffekt in (32′) gerade durc h das hier wieder rüc kgängig gemac ht: der Auswertungs-Ort ist der Ort der Äußerung. Was für den Ort gilt, gilt nic ht für die Zeit. Entgegen den obigen Behauptungen sind nämlic h im Falle des Zeitparameters Doppeltbelegungen durc haus möglic h: neben ein Vergangenheitstempus wie dem Perfekt in (31) kann z. B. noc h ein Temporaladverb treten, ohne daß eine der beiden Zeitbestimmungen für sich allein ausreichte: (33) Heute hat es in Rottweil geregnet. Deutet man (wie oben) das Perfekt als Quantor über vor der Sprec hzeit Vergangenes, so kommt heraus, daß (33) besagt, daß es (irgendwann) vor der Äußerung in Rottweil geregnet hat; das Adverb heute wäre dann redundant. Auc h eine Vertausc hung des Skopus von Tempus und Zeitadverb hilft hier nic ht weiter: danac h wäre das Perfekt überflüssig, und (33) würde bedeuten, daß es in Rottweil am Tag der Äußerung irgendwann regnet. Das ist jedoc h nic ht korrekt; der Regen muß vor der Äußerung von (33) fallen, damit diese wahr ist. Um die Interaktion von Tempus und Zeitadverb zu erfassen, müssen offenbar die bisher betrac hteten Deutungs- IV. Kontexttheorie tec hniken noc h etwas verfeinert werden. Eine naheliegende, aber in die Irre führende Strategie besteht in einer Abänderung der PerfektSemantik — nämlic h, indem man das Tempus (prä-klassisc h) auf die Zeit vor der Auswertungszeit bezieht. Das besc hert uns zwar — mit der angedeuteten Skopus-Vertausc hung — eine andere Lesart für (33), aber noc h lange nic ht die erwünsc hte: der Satz würde besagen, daß es irgendwann vor dem Tag der Äußerung geregnet hat. (Ohne Skopus-Vertausc hung erhielte man wieder die alte, unerwünsc hte Lesart.) Die Quantifikation muß dagegen ric htigerweise über die Zeit vor der Äußerung, aber am Tage derselben, also im Rahmen der Auswertungszeit, laufen: An dieser exemplarisc hen und stark vereinfac hten Darstellung der semantisc hen Interaktion von Tempus und Temporaladverb kann man gleic h mehreres auf einmal erkennen. Erstens setzt das Perfekt die Zeit der Auswertungssituation (oft auc h Betrachtzeit genannt) zu der der Äußerungssituation (= Sprechzeit) in Bezug. Zweitens müssen offenbar diese Zeiten Intervalle und nic ht etwa Zeitpunkte sein; sonst könnnte man ja nic ht die eine Auswertungszeit in die andere einbetten. Und drittens verhält sic h der Zeitparameter komplizierter, als man vielleic ht zunäc hst erwartet hätte; dies wird besonders deutlic h, wenn man sic h an die Analyse komplexerer Beispiele mit anderen Tempora oder anderen Typen von Zeitadverbien (insbesondere Frequenzadverbien) heranwagt. [Dafür muß jedoc h auf den Artikel 35 verwiesen werden.] 9. Kontextabhängigkeit Neben Ort und Zeit ist in unsere Musteranalyse von (31) noc h der Weltparameter eingegangen, der zur Deutung des Modaladverbs sicherlich benutzt wurde. Die allgemeine Idee hinter diesem Umgang mit möglic hen Welten ist bereits in Absc hnitt 1.2, bei der Darstellung der Deutung satzeinbettender Verben, dargestellt worden. (Die obige Deutung von sicherlich ging natürlic h davon aus, daß es sic h bei der Einbettung unter dieses Adverb um ein vergleic hbares Phänomen handelt.) Genauere Ausführungen zum Weltenbegriff, von denen alle Versionen der klassisc hen Theorie Gebrauc h mac hen, würden leider den Rahmen des vorliegenden Artikels sprengen. Es sei lediglic h darauf hingewiesen, daß in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber herrsc ht, daß jede möglic he Welt alle Fakten vollständig determiniert — wenn auc h jede auf ihre Weise: vielleic ht gibt es eine Welt, in der die Anzahl der Haare auf David Lewis’ Kopf doppelt so groß ist wie tatsäc hlic h, aber es gibt keine, in der sie unbestimmt ist. Uneinigkeit herrsc ht dagegen unter den Metaphysikern über die Frage, ob man sic h nic htreale Welten als konkrete Universen oder als abstrakte Mögli c hkeiten vorzustellen hat. Von der Beantwortung dieser Frage hängt unter anderem ab, ob etwa ein und dieselbe Person in einer nic ht-realen Welt existieren kann und ob es strenggenommen überhaupt Sinn mac ht, fiktive Welten zu betrac hten, in denen diese Person Eigensc haften besitzt, die ihr in Wirklic hkeit nic ht zukommen. Solange diese und ähnlic he philosophisc he Fragen zum Weltenbegriff noc h ungeklärt sind, steht natürlic h die klassisc he Theorie auf rec ht wackligen Füßen. Für Ort, Zeit und Welt gelten wieder ähnlic he Vorbehalte wie für den Sprec herparameter. Solange keine lokalen Angaben den Auswertungsort versc hieben, gilt der Äußerungsort als solc her; doc h letzterer ist oft nur sehr vage umrissen. In versc hiedene Äußerungen von (34) kann man sic h bei versc hiedenen Gelegenheiten jeweils auf das Zimmer, in dem man sic h befindet, auf die Region in einem Umkreis von etwa 150 Kilometern oder sogar auf den gesamten Kontinent beziehen, in dem die Äußerung stattfindet: (34) Im Frühjahr wird es nur selten wärmer als 34° Celsius. Diese Art von Vagheit läßt sic h auc h beim Welt- oder Zeitparameter nac hweisen. Und auc h vor pragmatisc hen Versc hiebungen sind die genannten Aspekte nic ht sic her. Ein all- 191 gemein bekannter Fall ist das sog. historische Präsens, das dem Gymnasiasten gerne als Grammatikfehler, dem Literaten indes als Stilmittel ausgelegt wird. Eine Versc hiebung des Ortsaspekts sc heint allerdings nur möglic h zu sein, wenn die Zeit mitversc hoben wird. Versc hiebungen der Welt findet man sc hließlic h dort, wo gleic h die gesamte Äußerungssituation ‘ausgetausc ht’ wird, wie etwa bei einer Opernaufführung: als Sprec her zählt die (in der Regel fiktive) Person, die vom jeweiligen Sänger dargestellt wird, als Sprec hzeit die Zeit, in der die Oper spielt, und die Welt ist auch nicht die, in der wir leben. Die Analyse der Beispiele (31)—(33) hatte gezeigt, daß die drei betrac hteten Parameter Ort, Zeit und Welt jeweils (semantisc h) versc hiebbar, d. h. indexikalisc h, sind. Damit sind sie zunäc hst nur aufgrund einer in Abcs hnitt 2.1 vereinbarten Konvention auc h kontextuelle Parameter. Doc h sind sie auc h echte kontextuelle Parameter? Gibt es m. a. W. Wörter oder Konstruktionen, deren semantisc hes Verhalten man nur unter der Annahme besc hreiben kann, daß sie auf jeweils einen der drei genannten Aspekte des Kontexts Bezug nehmen? Angesic hts der Relativität der Zerlegung von Situationen in Aspekte muß wohl die Antwort auf diese beiden Fragen strenggenommen negativ ausfallen. Dennoc h lohnt es sic h, nac h Ausdrüc ken und Konstruktionen zu suc hen, die sic h auf natürlic he und naheliegende Weise durc h einen Bezug auf Ort, Zeit und/oder Welt der Äußerungssituation besc hreiben lassen. Und in der Tat haben wir zumindest für den Zeitparameter ein solc hes Beispiel kennengelernt: bei der Deutung von (33) hat es sic h ja herausgestellt, daß das Perfekt auc h dann auf die Äußerungszeit Bezug nimmt, wenn die Auswertungszeit bereits (in diesem Falle durc h ein Zeitadverb) versc hoben wurde. Damit ist die Kontextualität der Zeit auc h empirisc h untermauert. Für den Ortsaspekt sind eindeutig deiktisc he Ausdrüc ke sc hon sc hwieriger zu finden. Das bereits erwähnteWort hier ist natürlic h ein guter Kandidat, doc h werden wir in Absc hnitt 3.3 noc h sehen, daß es keineswegs unbedingt durc h Bezug auf den Ortsaspekt gedeutet werden muß. Bei Orientierungsangaben wie links und unten ist zumindest zu beac hten, daß sie eher die Perspektive des Sprec hers (und insofern allenfalls den Sprec her-Aspekt) als den Ort der Äußerung berüc ksic htigen. Doc h könnte man den Begriff des Ortsparameters dahingehend präzisieren, daß er sic h auf den Sprec her mit dessen 192 Orientierung bezieht; dafür spric ht auc h, daß bei Telefongespräc hen als Ort der Äußerung der Ort gilt, an dem sic h die Sprec herin befindet. Was sc hließlic h die Welt angeht, so wurde bereits im Zusammenhang mit der zweidimensionalen Modallogik (in Absc hnitt 2.3) bemerkt, daß der waagerec hte Diagonaloperator (dthat) in der Anwendung auf Sätze dem Modaladverb tatsächlich entspricht. Eine Lupe ist kein Mikroskop, und so können diese Bemerkungen nur einen Eindruc k von den Problemen vermitteln, die sic h der klassisc hen Theorie bei ihrer Anwendung auf die Besc hreibung versc hiedener Typen von Kontextabhängigkeit stellen. Die Details sind oft ungleich komplexer. 3.2 Demonstrativa Den im vorangehenden Absc hnitt diskutierten kontextuellen Aspekten ist eine gewisse Äußerlic hkeit gemeinsam: sie alle betreffen objektive, mehr oder weniger leic ht feststellbare Merkmale konkreter Situationen. Doc h die Extensionen sprac hlic her Ausdrüc ke hängen nic ht immer nur von solc hen einfac hen Aspekten des Kontexts ab. Deixis ist das griec hisc he Wort für ‘Zeigen’, und viele deiktisc he Ausdrü c ke werden c harakteristis c herweise von Zeigehandlungen begleitet. Ganz typisc h ist die Verwendung von Zeigegesten im Zusammenhang mit den (wohl auc h deshalb so genannten) Demonstrativa: (35) Das mag ich nicht! Wer einen Satz wie (35) äußert, kann dabei mit dem Finger auf irgendetwas zeigen, und genau dieses Objekt ist dann in der Regel die Extension des Demonstrativpronomens das. Natürlic h ist die Zeigegeste oft nic ht eindeutig. So kann z. B. unklar sein, ob das Kleinkind bei seiner Äußerung von (35) den häßlic hen Plastikteller oder den darauf liegenden lec keren Spinatbrei meint. Geht man nun davon aus, daß sic h der Charakter von das (im wesentlic hen) durc h die Kennzeic hnung dasjenige Ding, auf welches der S precher zeigt umsc hreiben läßt, so liegt es nahe, das Ziel der Zeigehandlung als kontextuellen Parameter anzusehen; Demonstrativa würden auf diese Weise insofern einheitlic h behandelt, als ihre Extension dann jeweils von diesem ZeigeAspekt abhängt. Was nun aber diesen ZeigeAspekt von den in Absc hnitt 3.1 betrac hteten ‘harten’ Aspekten untersc heidet, ist das für mögli c he Mißverständnisse verantwortli c he subjektive Moment: worauf sic h ein Demonstrativpronomen bezieht, hängt davon ab, IV. Kontexttheorie worauf der Sprec her zeigt, und das ist den Umstehenden nic ht immer klar, wohl aber dem Sprec her. Was mit einem Satz wie (35) in einer Situation s0 gesagt wird, was also die durc h ihn ausgedrüc kte Proposition ist, hängt teilweise davon ab, was die Sprec herin in s0 mit das meint. Allerdings kann sie mit ihrer Äußerung (plus Zeigegeste) nic ht Beliebiges meinen; sie muß sic h sc hon an die bei Zeigehandlungen üblic hen Gepflogenheiten halten: ein substantieller Teil des Gegenstandes sollte also in angemessener Entfernung auf einer als Verlängerung des zeigenden Fingers gedac hten Linie liegen; Abweic hungen von dieser Regel sollten zumindest durc h besondere Umstände gerec htfertigt sein. Weiterhin gilt, daß es natürlic h im eigenen Interesse der Sprec herin liegt, Formulierung und Zeigehandlung so eindeutig wie möglic h zu gestalten. Man kann also davon ausgehen, daß das Ziel der ZeigeGeste für den Adressatenkreis als solc hes identifizierbar sein muß und im Normalfall auc h ist. Dem Zeige-Aspekt kommt somit ein gewisses Maß an Intersubjektivität zu. Um die Nac hvollziehbarkeit ihrer Intention auc h wirklic h sic herzustellen, kann die Sprec herin zur Unterstützung ihrer Zeigehandlung zusätzlic he sprac hlic he Mittel einsetzen. So kann sie beispielsweise das Demonstrativpronomen in Artikelfunktion verwenden und mit einem Nomen versehen. Eine solc hermaßen gebildete, im folgenden als demonstrativ bezeic hnete Nominalphrase (wie diesen Fraß) hilft dann, eventuell beim nac kten Demonstrativum (plus Zeigegeste) zu befürc htenden Mißverständnissen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Eine aus theoretisc her Sic ht interessante Frage betrifft nun die Referenzweise demonstrativer Nominalphrasen: wie bestimmt sic h etwa die Extension von diesen Fraß? Wenn wir einmal davon ausgehen, daß es sic h bei diesen in der Tat um ein ec ht deiktisc hes Wort (mit Bezug auf einen Zeige-Aspekt) handelt, reduziert sic h die Frage nac h der Referenzweise der Gesamt-NP auf die nac h dem Einfluß des Artikels auf die Auswertung des Nomens: Substantive referieren normalerweise nic ht deiktisc h, und so würde man für diesen Fraß zunäc hst eine gemisc hte Referenzweise erwarten; eine Auswertung an der Äußerungssituation wäre also nur durc h einen Einfluß des deiktisc hen Artikels erklärbar. Wegen des Prinzips (D) kann man diese Frage natürlic h nur unter Heranziehung intensionaler Konstruktionen klären. Und in der Tat sc heint dann einiges für die Annahme zu sprec hen, 9. Kontextabhängigkeit daß Nominalphrasen mit deiktisc hem Artikel selbst wieder deiktisc h sind, wie die näc hsten Beispiele zeigen werden: (36) Vor fünf Minuten war dieser Wassertropfen noch gefroren. In (36) versc hieben die temporale Präpositionalphrase und das Tempus gemeinsam die Auswertungszeit vor die Äußerungszeit. Die Extension des Subjekts sollte eigentlic h dementsprec hend für diesen vergangenen Zeitpunkt ermittelt werden. Doc h offenkundig bezieht sic h die Spezifikation der Form der besagten Flüssigkeitsmenge auf die Zeit der Äußerung von (36): ob diese sc hon im gefrorenem Zustand in Tropfenform war, spielt für die mit Hilfe von (36) gemac hte Ausssage offenbar gar keine Rolle. Im Gegenteil: wer statt (36) den Satz (36′) äußert und dabei auf einen Wassertropfen verweist, sagt selbst dann nic hts Ric htiges, wenn selbiger erst 5 Minuten vor der Äußerung aufgetaut ist; es ist sogar fraglic h, ob unter diesen Umständen mit (36′) überhaupt eine Behauptung aufgestellt wird. (36′) Vor fünf Minuten war dieses Eisstückchen noch gefroren. Diese Beobac htungen lassen sic h auc h auf andere Typen intensionaler Konstruktionen übertragen: der in (37) eingebettete daß-Satz muß an den mit des Paten Vorstellungen vereinbaren Situationen ausgewertet werden: (37) Der Pate geht davon aus, daß dieser von uns eingeschleuste Mann absolut vertrauenswürdig ist. Doch wenn etwa ein Polizeiinspektor (37) benutzt, um seinen Kollegen einen neuen Under-Cover-Agenten vorzustellen, sollte — im Interesse der Polzeibehörden — der besagte Mafioso gerade nic ht auf die Idee kommen, daß es sic h um einen Maulwurf handelt. Umgekehrt hätte der Polizeibeamte keine lediglic h aus Sic ht des Gangster-Bosses korrekte Charakterisierung der vorgestellten Person mit einem deiktisc hen Artikel versehen können. Wenn es sic h bei dem Spitzel um einen tessinisc hen Bauernsohn handelt, wäre (37′) auf ähnlic he Weise unangemssen wie sc hon zuvor (36′): (37′) Der Pate geht davon aus, daß dieser ehemalige sizilianische Chorknabe absolut vertrauenswürdig ist. Weitere Beispiele würden den Verdac ht, daß sic h die Eigensc haft, deiktisc h zu referieren, vom Artikel auf die gesamte Nominalphrase 193 überträgt, nur noch erhärten. Die dem Zeige-Aspekt inhärente Subjektivität haftet auc h demonstrativen Nominalphrasen an — allerdings in weit geringerem Maße: im Normalfall determinieren nämlic h die Zeige-Geste und die durc h das Nomen ausgedrüc kte Eigensc haft gemeinsam gerade einen Gegenstand bzw. (im Plural) eine Gruppe von Gegenständen. Aber es gibt auc h Fälle, in denen das Nomen nic ht die erwünsc hte Disambiguierung der Zeigehandlung bewirkt. Wer etwa auf die Frage des Kellners, welc hes der Getränke denn für ihn bestimmt sei, etwas vage auf das Tablett weist und dabei: (38) Dieses Bier! artikuliert, drüc kt sic h möglic herweise deshalb nic ht eindeutig aus, weil sic h auf dem Tablett drei Biergläser versc hiedenen Inhalts befinden. Die Ungenauigkeit kann versc hiedene Ursac hen haben. Zum einen kann der Gast übersehen haben, daß sic h mehrere Biere auf dem Tablett befinden; andererseits ist es aber auc h möglic h, daß ihm lediglic h die Zeigegeste mißlungen ist. Im ersten Fall referiert (38) auf nic hts. Im zweiten Fall hängt die Frage, ob (38) eine Extension besitzt von den Referenzbedingungen für Zeigehandlungen ab. Da für letztere die Absic hten des Sprec hers eine wic htige Rolle spielen, überträgt sic h die Intentionsabhängigkeit der Zeigehandlung auf die Extensionsbestimmung von (38). Das ist das subjektive Element in der Deutung demonstrativer Nominalphrasen. Man beac hte, daß es sic h dabei um einen subjektiven Aspekt in der Bestimmung der Extension c na h allgemeinverbindli c hen sprac hlic hen Regeln handelt und nic ht etwa um die Absic ht des Sprec hers, sic h auf ein bestimmtes Ding zu beziehen. Es ist nützlic h, diesen Untersc hied terminologisc h festzuhalten. Den vom Sprec her angenommenen Bezug eines Ausdruc ks auf einen Gegenstand werden wir als subjektive Referenz bezeichnen. Der den Sprac hregeln gemäße tatsäc hlic he Bezug heißt objektive Referenz. Letztere ist gemeint, wenn von der Extension und ihren subjektiven Aspekten die Rede ist. Fassen wir nun unsere Betrac htungen zur Extensionsbestimmung demonstrativer Nominalphrasen im Singular in Form einer Regel zusammen: (R Es sei β ein Nomen, s0 eine Äußerungs) situation und s eine Auswertungssituation. Dann ist χdieses β(s0)(s) dasjenige Ding x, für das gilt: 194 x wird in s0 (durch den Sprecher in s0) gezeigt, und x ist in χβ(s0)(s0). Mit der für den definiten Artikel in der Logik üblic hen Notation ι läßt sic h (RΔ) auc h so paraphrasieren: (R') Es sei β ein Nomen. Dann läßt sich dieses β auch so paraphrasieren: dthat(ιx (x wird gezeigt & x ist ein β)). Gibt es neben den traditionell als demonstrativ bezeic hneten Artikeln und Pronomina (dieses und jenes) noc h weitere sprac hlic he Ausdrüc ke, die sic h auf den kontextuellen Zeigeparameter beziehen? Prinzipiell kann natürlic h jede sprac hlic he Äußerung von einer Zeigegeste begleitet werden. Doc h das mac ht den betreffenden Ausdruc k deshalb noc h nic ht zum Demonstrativum. Wenn Rumpelstilzchen auf sich selbst zeigt und dabei (39) Ich bin der Schönste im ganzen Land! ruft, spric ht er nic ht deshalb von der eigenen Person, weil er auf sic h zeigt, sondern weil er das Personalpronomen der ersten Person Singular verwendet; würde er stattdesssen auf der Königin Kind zeigen, könnte er dadurc h allenfalls Verwirrung stiften, keineswegs aber die (objektive) Referenz des Subjekts von (39) versc hieben. Wenn sic h jemand auf die Stirn tippt und dabei sein Gegenüber mit den Worten Du hast sie wohl nicht alle! beleidigt, so mag der Fingerzeig vielleic ht zur Verdeutlic hung der Mitteilung beitragen, doc h hängt weder die Extension der Gesamtäußerung (0 oder 1) noc h die einer ihrer Teile vom Ziel der Zeigegeste (Stirn? Hirn? Vogel?) ab. Andererseits kann eine die zweite Person begleitende Zeigegeste durc haus zur Klärung der Referenz beitragen, wie wir in Absc hnitt 2.4 (im Zusammenhang mit der Tokenanalyse) gesehen haben. Das legt den Verdac ht nahe, daß der für die zweite Person einsc hlägige Aspekt des Angesproc henen unter Berüc ksic htigung eventueller, die jeweilige Äußerung (das Token) begleitender Zeigegesten bestimmt werden muß. Noc h stärker sc heint hier vom Zeige-Parameter abzuhängen: solange auf nic hts gezeigt wird, verweist hier offensic htlic h immer auf den Ort der Äußerung — also auf irgendeine, von diversen Situationsfaktoren abhängige Umgebung des Sprec hers. Tritt eine Zeigegeste hinzu, fungiert aber der Ort des Ziels derselben als Referent von hier. Ein besonders beac htenswerter Fall liegt vor, wenn diese Zeigegeste auf einen Stellvertreter des gemeinten Gegenstands (ein Symbol im weitestmöglic hen Sinne) geric htet ist — wie etwa der berühmte IV. Kontexttheorie Finger auf der Landkarte, der bewirkt, daß mit einer Äußerung von (40) nic ht unbedingt etwas Wahres gesagt wird: (40) Wir sind jetzt hier. Dieses, in der Literatur gelegentlich als Deixis am Phantasma bezeic hnete Phänomen kann mitunter Verwirrung stiften. Denn zum einen kann es passieren, daß in einer konkreten Situation einmal tatsäc hlic h unklar ist, ob auf das Symbol oder auf das symbolisierte Objekt verwiesen wird; und zum anderen kann, durc h diese Art von Mißverständnis angeregt, der Theoretiker auf die abwegige Idee kommen, es handele sic h hier um eine sprac hlic he Ambiguität — wo doc h die Unbestimmtheit im Akt des Zeigens liegt. Die zuletzt diskutierten Beispiele sollten verdeutlic hen, daß begleitende Zeigegesten bei der Extensionsbestimmung für sprac hlic he Äußerungen oft eine wic htige Rolle spielen, die Ausübung dieser Rolle aber ganz offensic htlic h durc h semantisc he Faktoren beschränkt und kontrolliert wird. 3.3 Einschlägiges Ein Großteil der soeben im Zusammenhang mit demonstrativen Nominalphrasen beobac hteten Phänomene läßt sic h ebensogut anhand (singularisc her) Kennzeichnungen, also definiter Nominalphrasen des Typs der/die/ das + Nomen, illustrieren. Auc h diese können bekanntlic h mit Zeigehandlungen verknüpft werden, und sie weisen dann — wie man leicht durc h Variation der obigen Beispiele sieht — dieselben referentiellen Eigensc haften wie demonstrative Nominalphrasen auf. Man kann also von einem demonstrativen Gebrauch der betreffenden Kennzeic hnungen sprec hen. Demonstrativ gebrauc hte Kennzeic hnungen sind insbesondere immer deiktisc h. Eine naheliegende Frage ist nun, ob man mit einer Kennzeic hnung auc h dann deiktisc h referieren kann, wenn man nic ht gleic hzeitig auf irgendetwas zeigt. Man kann. Um das zu sehen, brauc ht man lediglic h eines der obigen Beispiele etwas abzuwandeln: (37″) Der Pate geht davon aus, daß der von uns eingeschleuste Mann absolut vertrauenswürdig ist. Der Kriminalinspektor kann (37″) seinem Vorgesetzten gegenüber äußern, ohne daß der besagte Agent anwesend ist; er brauc ht also nic ht auf ihn zu zeigen. Doc h wie sc hon bei einer Äußerung von (37) sind für die Kenn- 9. Kontextabhängigkeit zeic hnung der von uns eingeschleuste Mann nic ht die Auswertungssituationen des Nebensatzes einsc hlägig, sondern die Äußerungssituation selbst. Die Kennzeic hnung wird also deiktisch gebraucht. Gegen diesen etwas flotten Nac hweis des deiktisc hen Gebrauc hs von Kennzeic hnungen läßt sic h einwenden, daß (37″) möglic herweise bloß ein Beispiel für flexibles Skopusverhalten (und nic ht deiktisc hen Gebrauc h) ist und daß obendrein diese Art Rüc kbezug auf die Äußerungssituation (in der einen oder anderen Form) bei jeder Nominalphrase beobac htet werden kann. Wir werden darauf in Absc hnitt 4.3 zurückkommen. Wenn nun der Referent einer wie in (37″) gebrauc hten Kennzeic hnung nic ht das Ziel einer Zeigehandlung ist, woher bekommt dann die Nominalphrase ihre Extension? Oder anders ausgedrüc kt: wie sieht der für die deiktisc h, aber ohne Zeigehandlungen benutzten Kennzeic hnungen zuständige kontextuelle Parameter aus? Eine Antwort besteht darin, solc he Kennzeic hnungen auf die Form dthat(α) zu bringen (siehe Absc hnitt 1.3) und dann jeweils die deskriptiven Gehalte a miteinander zu vergleic hen: was ihnen gemeinsam ist, besc hreibt den gesuc hten Parameter. Bei der von uns betrac hteten Äußerung von (37″) ist a sc hnell gefunden: der Inspektor bezieht sic h auf diejenige Person x, für die in der Äußerungssituation gilt: x wurde von der Polizei in die Organisation eingesc hleust. α ist somit die Kennzeic hnung der von uns eingeschleuste Mann selbst. Genauer gesagt: der Charakter der in (37″) deiktisc h gebrauc hten Kennzeic hnung läßt sic h mit der Intension derselben bei normalem, nic ht-deiktisc hem Gebrauc h umsc hreiben. Der Inspektor verwendet (37″) also so, als wäre die besagte Kennzeic hnung in ein unsic htbares dthat eingebettet. Ist (37″) in dieser Hinsic ht ein Einzelfall? Oder können deiktisc he Verwendungen von Kennzeic hnungen a stets mit dthat(α) paraphrasiert werden? Diese einfac he Analyse kann zumindest dann nic ht zutreffen, wenn die Kennzeic hnung von einer Zeigehandlung begleitet wird; in diesem Falle muß nämlic h der Zeige-Aspekt bei der Extensionsbestimmung hinzugezogen werden. Nimmt man etwa für α die Kennzeic hnung der Wassertropfen, so ergibt die Übertragung von (R’Δ) als Paraphrase statt dthat(α) das kompliziertere dthat(ιx (x wird gezeigt & x ist ein Wassertropfen)). 195 Auc h wenn keine Zeigehandlung vorliegt, muß die deiktisc he Verwendung einer Kennzeic hnung a nic ht unbedingt auf dthat(α) hinauslaufen. Bemühen wir noc h einmal das Beispiel (37″)! Selbstverständlic h kann bei Äußerung dieses Satzes zu den genannten Umständen noc h die Voraussetzung treten, daß die Polizeibehörden dem organisierten Verbrec hen mit einer ganzen Riege von Spitzeln beizukommen versuc hen. Nur einer von ihnen — so wollen wir außerdem annehmen — ist aber ganz neu, und über ihn erstattet jetzt der Inspektor Beric ht. Es ist klar, daß sic h die Kennzeic hnung der von uns eingeschleuste Mann auf den besagten Agenten bezieht, daß dieser aber kaum als dasjenige Individuum bezeic hnet werden kann, dem in der Äußerungssituation die Eigensc haft, Agent zu sein, zukommt; eher läßt sic h die Person, von der die Rede ist, als einziger Agent, der in der betreffenden Situation zur Debatte steht, c harakterisieren, also als dasjenige einschlägige Individuum, das die durc h durc h das Nomen ausgedrüc kte Eigensc haft besitzt. Als Faustregel für die Deutung deiktisc h gebrauc hter Kennzeichnungen ergibt sich somit:: (R Es sei a eine deiktisch gebrauchte Kenn) zeichnung der Gestalt δβ, wobei δ ein definiter singularischer Artikel und β die kongruente Form eines Nomens ist. Dann läßt sich α folgendermaßen paraphrasieren: dthat (ιx (x ist einschlägig & x ist ein β)). Statt x ist einschlägig hätte die Bedingung ebensogut x ist relevant, x steht zur Debatte oder ähnlic h lauten können. Auf die genaue Wortwahl kommt es uns hier nic ht an. Der Inhalt der Bedingung ist allerdings wic htig; um ihn geht es im folgenden. Eine Sc hwac hstelle der Regel (Rδ) ist der Begriff der Einsc hlägigkeit, den wir hier als kontextuellen Aspekt auffassen wollen. Da es sic h dabei um einen ausgesproc hen vagen, aber — wie wir gleic h noc h sehen werden — vielseitig einsetzbaren Begriff handelt, sollte sic h eine Theorie der Kontextabhängigkeit um Klärung oder Präzisierung bemühen. Was also mac ht in einer Äußerungssituation den einen oder anderen Gegenstand einsc hlägig und hebt ihn gegebenenfalls aus dem Meer der anderen seiner Art hervor? In dem zuvor diskutierten Beispiel war es der Umstand, daß von der betreffenden Person bereits seit längerem die Rede war. Doc h kann es auc h ganz andere Ursac hen geben. Wenn z. B. ein Babysitter mit seiner Freundin telefoniert und 196 dabei (41) äußert, so kann er sic h mit dem Subjekt des Nebensatzes auf die ihm anvertrauten Kinder beziehen, ohne daß von denen vorher die Rede war: (41) Brunners denken natürlich, daß die Gören schon längst schlafen. Was die betreffenden Kinder hier besonders einsc hlägig mac ht, könnte z. B. der Lärm sein, den sie verursac hen — oder ganz einfac h die den beiden Gespräc hspartnern wohlvertraute und für sie wic htige Tatsac he, daß der Sprec her sie hütet. Etwaige andere, den beiden bekannte Kinder können dagegen vernac hlässigt werden: Brunners Kinder liegen den Kommunikationsteilnehmern in der gesc hilderten Situation am nächsten. Einsc hlägig kann also alles sein, was auffällig ist oder sonstwie besonders naheliegt. Dazu genügt es dann im allgemeinen nic ht, daß der betreffende Gegenstand (bzw. die betreffende Person) jedem einzelnen Gespräc hsteilnehmer naheliegt. Wenn sic h nämlic h der besagte Babysitter — etwa zu Anfang des Telefonats — unsic her ist, ob seine Freundin überhaupt weiß, was er gerade treibt, dann wird er so etwas wie (41) gar nic ht äußern — selbst wenn die Freundin sehr wohl über die von ihm ausgeübte Tätigkeit unterric htet ist. Er wird sic h nur dann der Kennzeic hnung die Gören bedienen, wenn er weiß, daß auc h die Freundin weiß, von wem die Rede ist. Einsc hlägigkeit basiert demnac h auf einem Fundus den Kommunikationspartnern gemeinsamer oder gemeinsam zugänglicher Informationen. Einsc hlägigkeit ist kein absoluter Begriff — und das im dreifac hen Sinne. Neben (i) seiner Relativität zu einer betrac hteten Situation hängt sein Umfang in der Regel auc h von (ii) einer Bezugs-Eigensc haft ab: in der eben betrac hteten Situation bildet vielleic ht der Brunner-Na c hwu c hs eine eins c hlägige Gruppe G von Kindern — doc h ist G damit nic ht in jedem Sinne einsc hlägig: wenn etwa unmittelbar vor dem Telefongespräc h — aber ohne Wissen des Babysitters oder seiner Freundin — das Ehepaar Brunner an den Folgen eines Unfalls gestorben ist, so würde sic h die Kennzeic hnung die Erben jedenfalls nic ht auf G beziehen. Sc hließlic h ist Einsc hlägigkeit auc h in dem Sinne relativ, als es sic h um eine (iii) graduelle Eigensc haft handelt: vielleic ht sind auc h die Gesc hwister der Freundin des Babysitters irgendwie einsc hlägig, aber eben nic ht so einsc hlägig wie der Nac hwuc hs der Familie Brunner. Der Relativität (i) wird in (Rδ) Rec hnung getragen, als IV. Kontexttheorie das Adjektiv einschlägig dort im Skopus eines dthat ersc heint, wodurc h seine Extension relativ zur Äußerungssituation ermittelt wird. (ii) und (iii) sind in (Rδ) nic ht berüc ksic htigt. Eine entsprec hende Änderung der Regel wäre zwar prinzipiell möglic h, würde aber in viele tec hnisc he Details führen, die mit dem Stoff dieses Kapitels nic ht viel zu tun haben. Wir belassen es also bei der obigen Formulierung und behalten notfalls immer im Auge, daß sie noc h einiger Korrekturen bedarf. Der Rest des vorliegenden Absc hnitts ist einer weiteren Vertiefung und Erklärung des Einsc hlägigkeits-Begriffs anhand einsc hlägiger Beispiele gewidmet. Besonders naheliegend und insofern einsc hlägig sind natürlic h die Dinge, auf die die Sprec herin zeigt. Damit dec kt die Regel (Rδ) prinzipiell auc h demonstrative Verwendungen singularisc her Kennzeic hnungen ab. Dennoc h kann der Einsc hlägigkeits-Aspekt den ZeigeAspekt nic ht immer ersetzen: rein demonstrative Ausdrüc ke wie das da bedürfen im Normalfall eines zeigenden Hinweises und können nic ht einfac h auf irgendwelc he naheliegenden Referenten bezogen werden. Rein demonstrative Ausdrüc ke sind deshalb auc h in der Sc hriftsprac he in der Regel nic ht zu finden; Ausnahmen von dieser Regel sind allenfalls Vorkommen in Bilderläuterungen oder in der direkten Rede. Ebenfalls besonders naheliegend ist der Ort, an dem sic h die Sprec herin befindet. Das läßt vermuten, daß der Orts-Aspekt zumindest prinzipiell durc h ein Zusammenspiel der kontextuellen Einsc hlägigkeit mit der absoluten Eigensc haft, ein Ort zu sein, simuliert werden kann. Was die Deutung des lokal deiktisc hen Wortes par exc ellenc e, nämlic h hier, betrifft, so spric ht einiges für diese Vermutung. Zunäc hst ist festzustellen, daß sic h hier demonstrativ verwenden läßt, also mit Bezug auf das Ziel einer die Äußerung begleitenden Zeigegeste. Interpretiert man hier also im Sinne von dthat(ιx x ist einschlägig & x ist ein Ort), so ergibt sic h dieser Bedeutungsaspekt ganz von selbst: solange kein anderer Ort im Mittelpunkt des Interesses steht, kann man getrost den Ort der Äußerung als den einzig einsc hlägigen ansehen; doc h wenn die Sprec herin auf einen bestimmmten Ort (oder auf ein Symbol für einen bestimmten Ort) zeigt, so verdrängt dieser den Ort der Sprec hhandlung von seiner herausragenden Position. Darüberhinaus kann — wie bei den Kennzeic hnungen — neben dem Zeigen auc h das Erwähnen einen Ort nahelegen, wodurc h 9. Kontextabhängigkeit sic h ebenfalls die Extension von hier ändert. Sol c he Veränderungen können oft sehr sc hnell und unvermittelt gesc hehen, wie der folgende Typ von Beispiel zeigt: (42) Im Alter von sechsundsechzig Jahren reiste Karl erstmals nach Amerika: hier fand er endlich jene Freiheit, der er hier so sehr entbehrt hatte. Das erste hier in (42) bezieht sic h offensic htlic h auf Amerika, während das zweite Vorkommen desselben Wortes im selben Satz auf Europa, Deutsc hland oder jedenfalls eine Umgebung des Äußerungs-Ortes verweist. Man könnte diesen plötzlic hen Wec hsel der Extension in einer pragmatisc hen Verlegung des Ortes sehen — in Analogie zu dem in Absc hnitt 3.1 angesproc henen historisc hen Präsens. Ansonsten bleibt — wollte man unbedingt das auf den Äußerungs-Ort bezogene hier auf einen Orts-Aspekt zurüc kführen — die Annahme einer ec hten Ambiguität von hier; allerdings müßten selbst dann die übrigen Lesarten unter Rüc kgriff auf andere kontextuelle Aspekte (Gezeigtes, Vorerwähntes, ...) gedeutet werden. Die Einsc hlägigkeitsAnalyse hat gegenüber diesen Alternativen den Vorteil der Einfac hheit. Hinzu kommt, daß die Referenten deiktisc her Kennzeic hnungen unter ähnlic hen Umständen und ähnlic h sc hnell wec hseln können wie die Extension von hier. Ein wegen der ungesc hic kten (vom Sprec her aber vielleic ht beabsic htigten) Wiederholung stilistisc h etwas mißglüc ktes Beispiel ist: (43) Auf unser letzten Neuseeland-Rundreise ist uns der Rolls-Royce nach zwei Tagen verreckt, aber in Europa haben wir mit dem Rolls-Royce bisher Glück gehabt. Geht man davon aus, daß es sic h bei dem in (43) ersterwähnten Luxus-Gefährt um einen Mietwagen handelt, während der zweite zum Wagenpark des Äußerers gehört, so verändert sic h in (43) die Extension der NP der RollsRoyce etwa so sc hnell wie der in (42) thematisierte Ort. Daß so etwas wie Einsc hlägigkeit im Redekontext eine Rolle spielt, ist also kaum zu bezweifeln; und diese Einsc hlägigkeit ist es, die so rasant mit der Rede-Zeit geht. Insgesamt sprec hen diese Beobac htungen für eine Deutung des Hier als Ort der Einschlägigkeit. Wenn sc hon der sc heinbar direkte Bezug von hier durc h Einsc haltung des Einsc hlägigkeits-Aspekts zerlegt werden kann, wie steht es dann um die anderen, zunäc hst ebenso irreduzibel anmutenden Parameter? Sind z. B. 197 Sprec her und Hörer die in ihren Rollen als Kommunikationspartner einsc hlägigsten Personen der Äußerungssituation? Wenn dem so wäre, müßte allerdings die Referenz von ich und du durc h ähnlic he Ablenkungsmanöver wie in (42) und (43) manipuliert werden können. Ein entsprec hendes Beispiel sc heint auc h schnell gefunden: (44) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ In der Tat verweisen die beiden Vorkommmen des Personalpronomens der ersten Person Singular bei einer Äußerung von (44) in der Regel auf versc hiedene Personen. Der dadurc h möglic herweise nahegelegte Verdac ht, daß die Erwähnung einer anderen Äußerungssituation einen no c h eins c hlägigeren Sprec her als den tatsäc hlic hen und somit einen neuen Referenten von ich sc hafft, läßt sic h jedoc h rasc h wieder zerstreuen: die Ersetzung der direkten durc h indirekte Rede ändert offenbar so gut wie nic hts an der Aussage — aber nur, wenn mit dem Modus auc h die Person gewechselt wird: (44′) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte, daß er ihm das nächste Mal vielleicht nicht mehr helfen könne. (44″) Ich weiß noch, wie der Arzt zu meinem Schwager sagte, daß ich ihm das nächste Mal vielleicht nicht mehr helfen könne. Anders als in (44) muß sich in (44″) das zweite ich wie das erste auf den Sprec her der Gesamt-Äußerung beziehen; und anders als (44′) ist also (44″) auc h keine ungefähre Paraphrase von (44). Aus dieser banalen Beobac htung werden wir gleic h zwei wic htige Sc hlußfolgerungen ziehen: erstens ist (44) kein Indiz für eine Einsc hlägigkeits-Analyse von ich; und zweitens ist die direkte Rede ein weites Feld. Die erste Folgerung ziehen wir indirekt: wenn die Versc hiedenheit der Extensionen der ich-Vorkommen in (44) dadurc h erklärt werden soll, daß hier durc h die Erwähnung einer anderen Äußerungssituation mit anderem Sprec her letzterer einsc hlägiger wird als der tatsäc hlic he Produzent der Äußerung, so wäre eine Übertragung der Argumentation auf (44″) kaum zu verhindern; das ist aber — wegen unserer simplen Beobac htung — unerwünsc ht. Wir werden ohne weitere Argumentation die etwas kühnere, in der Literatur aber selten ernsthaft bezweifelte Folgerung ziehen, daß sic h durc h Themenwec hsel, Ablenkung und andere für die Änderung der 198 Einsc hlägigkeit einsc hlägige Methoden die Extension von ich nic ht verändern läßt; der Einsc hlägigkeits-Parameter ist also für die Deutung der ersten Person nic ht einsc hlägig. Insbesondere ist er damit auc h nic ht in dem Sinne trivial, daß sic h jede deiktisc he Referenz mit ihm erklären ließe. Und was für die erste Person ric htig ist, gilt ebenso für die zweite. Was Zeit und Welt der Äußerung angeht, so wollen wir allerdings im folgenden offenlassen, ob auc h diese Parameter durc h entsprec hende Eins c hlägigkeits-Analysen ersetzt werden können. Daß die direkte Rede ein Thema für sic h ist, sieht man gerade daran, daß sie die ansonsten unmöglic he Versc hiebung von ich zuläßt oder sogar erzwingt. Doc h ist dies keineswegs die einzige oder auc h nur die auffälligste Eigentümlic hkeit der direkten Rede. Im Gegenteil: bei genauerem Hinsehen entpuppt sic h die vermeintlic he Versc hiebung der Extension in (44) als Nebeneffekt einer allgemeinen Umdeutung aller in der direkten Rede vorkommenden (= angeführten) Ausdrüc ke. Bei geeigneter Variation des Beispiels sieht man nämlic h, daß sic h ein angeführtes ich nic ht nur auf einen anderen Sprec her, sondern auc h auf mehrere Sprec her oder auf niemanden beziehen kann: (45) Schon oft hat ein Arzt zu meinem Schwager gesagt: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ (45′) Es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn einmal ein Arzt zu meinem Schwager sagt: ‘Das nächste Mal kann ich Ihnen vielleicht nicht mehr helfen.’ Die einfac hste Erklärung für dieses auf den ersten Blic k etwas verwirrende Verhalten des angeführten ich ist, daß es sic h bei der direkten Rede um eine metasprac hlic he Redeweise handelt, daß also die Extension des angeführten ich strenggenommen das Wort ich selbst ist, und daß der Eindruc k einer anderen, ‘sekundären’ Extension nur von der im jeweiligen Satz über dieses Wort gemac hten Aussage herrührt. Für diese Erklärung spric ht unter anderem auc h die Tatsac he, daß zumindest unter gewissen Umständen angeführte Ausdrüc ke einer anderen Sprac he entstammen können. Wir werden jedoc h diese Betrac htung hier nic ht weiter vertiefen, weil sie vom Thema abführt. Es sei nur angemerkt, daß die eigentlic h sehr naheliegende metasprac hlic he Aufassung der direkten Rede im Detail zahlrei c he, teilweise überras c hende IV. Kontexttheorie Probleme aufwirft. Neben den notorisc hen Sc hwierigkeiten des Verhältnisses zwisc hen Sprac he und Metasprac he im allgemeinen ist hier vor allem die in der natürlic hen Sprac he oft nur mangelhaft durc hgehaltene Trennung der beiden Ebenen zu nennen. Wenn auc h nic ht jede Kontextabhängigkeit mit Einsc hlägigkeit in Beziehung gebrac ht werden kann, so gilt dies doc h für die meisten Arten der Bezugnahme auf die Äußerungssituation. Zum Absc hluß dieses Absc hnitts soll dies anhand einer skizzierten Fallstudie, der Deutung von Genitivattributen, gezeigt werden. Grundsätzlic h kann man im Deutsc hen zwei Arten von Genitivattributen untersc heiden: solc he, die gemeinsam mit einem (möglic herweise syntaktisc h komplexen) Nomen wieder ein Nomen bilden, und solc he, die sic h syntaktisc h wie (definite) Artikel verhalten und ein Nomen zu einer Nominalphrase vervollständigen. Wegen ihrer Stellung innerhalb der NP wegen werden wir sie als rechte bzw. linke Attribute bezeic hnen. Zunäc hst zu den rechten Attributen: (46) Guinivere ist die Gemahlin Arthurs. (47) Lancelot ist ein Getreuer Arthurs. (48) Excalibur ist das Schwert Arthurs. Von Details abgesehen ist die Deutung von (46) unproblematisc h: es handelt sic h um die Behauptung der Identität zwisc hen der durc h das Subjekt bezeic hneten Guinivere und derjenigen Person, die mit dem durc h das Genitivattribut Arthurs benannten König vermählt ist. Gemahlin läßt sic h in diesem Zusammenhang als Bezeic hnung für eine Funktion auffassen, deren Argumente und Werte jeweils Mensc hen sind. Substantive wie Gemahlin bezeic hnen wir daher als funktionale Substantive. Nur die wenigsten Substantive sind funktional. Fälle wie in (47) sind weitaus häufiger: was ein ordentlic her König ist, hat eine große Sc har von Fans. Als Funktionswert brauc ht man also eine Menge, was auf eine Deutung von Getreuer als Relation zwisc hen Personen hinausläuft. Derartige Substantive heißen deshalb auc h relationale Substantive. Natürlic h läßt sic h Funktionalität als Spezialfall von Relationalität auffassen, womit (46) und (47) durc h eine einzige Regel interpretiert werden können: in beiden Fällen wird der Extension eines Substantivs a durc h ein Genitivattribut ein Argument zugeführt. Genauer: (G) Es sei α ein relationales Nomen, β ein Eigenname im Genitiv, s0 eine Äuße- 9. Kontextabhängigkeit rungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χαβ(s0)(s) = {x xχα(s0)(s)χβ(s0)(s)} Notation und Idee dieser Regel sind anhand der Beispiele (46) und (47) leic ht erläutert: für Getreuer Arthurs liefert (GQ) als Extension die Menge der (Personen) x, für die gilt: x G a, wobei G die Extension von Getreuer ist und a der Träger des Namens Arthur; ein Getreuer Arthurs muß demnac h jemand sein, der in einem gewissen (Treue-) Verhältnis zu Arthur steht. Für die Deutung von Gemahlin Arthurs müssen wir natürlic h die Ehe als Relation auffassen, die zwisc hen x und y genau dann besteht, wenn x die Ehefrau von y ist. (GQ) liefert dann die Menge der Ehefrauen von a; Aufgabe des bestimmten Artikels muß es sein, das einzige Element dieser Menge herauszugreifen und zur Extension der gesamten Nominalphrase zu machen. Was hat das nun mit Kontextabhängigkeit im allgemeinen und Einsc hlägigkeit im besonderen zu tun? Nic ht immer werden die Argumente relationaler Substantive so explizit genannt wie in (46) und (47). Häufig findet man sie auch in Sätzen wie: (49) Arthur fühlte sich einsam: die Gemahlin war unpäßlich, und die Getreuen hatten ihn verlassen. Keines der beiden relationalen Substantive ist hier mit einer anderen Argumentangabe versehen. Das ist allerdings auc h nic ht nötig: aus der Tatsac he, daß kein Argument genannt wird, kann man in (49) sc hließen, daß es sic h bei dem Gesuc hten in beiden Fällen um Arthur handelt. Warum? Weil er gerade erwähnt wurde und insofern naheliegt. Arthur ist also einsc hlägig. Wir gelangen damit zu folgender Ellipsenregel: (G) Es sei α ein relationales Nomen, ∅ eine leere genitivische Nominalphrase, s0 eine Äußerungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χα∅(s0)(s) = {x x χα(s0)(s)y}, wobei y (in seiner Eigenschaft als Argument von α) einschlägig in s0 ist. (G∅) setzt eine syntaktisc he Analyse voraus, nac h der relationale Nomina eines GenitivAttributs bedürfen, dessen Fehlen irgendwie strukturell (hier durc h eine leere NP) markiert wird. Offen bleibt, ob jede Weglassung eines Genitiv-Attributs bei einem relationalen Nomen im Sinne von (G∅), also definit, gedeutet werden muß. Immerhin ist — wie sc hon in Absc hnitt 1.3 erwähnt — eine weitere indefi- 199 nite Regel denkbar, die die entsprec hende Argumentstelle existentiell abbindet. Wir wenden uns nun der vermutlic h häufigsten Art von rec hten Attributen zu, die in (48) exemplifiziert wird. S chwert hat so gar nic hts Relationales: offenbar drüc kt dieses Substantiv einfac h nur eine Eigensc haft aus. Es gehört somit zur großen Gruppe der gesättigten Nomina, die ebenso wie relationale Substantive mit rec hten Attributen versehen werden können. Sehr viele dieser Beispiele legen ein Besitzverhältnis nahe. S chwert Arthurs kann sic h aber auc h auf Sc hwerter beziehen, die Arthur leihweise benutzt, oder solc he, die er im Auftrag des Britisc hen Museums präpariert. Die Relation, die zwisc hen den Trägern der durc h das gesättigte Substantiv ausgedrüc kten Eigensc haft und die Extension der Nominalphrase hergestellt wird, muß also nic ht unbedingt ein Besitzverhältnis sein. Im Interesse des Sprec hers sollte jedoc h stets klar sein, welc he Relation R gemeint ist. R muß also einsc hlägig sein. Hier ist eine entsprechende Deutung: (G) Es sei α ein gesättigtes Nomen, β ein Eigenname im Genitiv, s0 eine Äußerungs- und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χαβ(s0)(s) = {x x ∈ χα(s0)(s) & x R (s) χβ(s0)(s)}, wobei R (in ihrer Eigenschaft als Relation zwischen Elementen der Extension von α und der Extension von β) einschlägig in s0 ist. Unter der Annahme, daß Besitz solange einsc hlägig ist, bis etwas dagegen spric ht, dec kt (GR) auc h die vielen Fälle ab, bei denen der Genitiv eine im engeren Sinne possessive Funktion ausübt. Besitz ist dann der DefaultWert für Einschlägigkeit von Relationen. Nac h (GR) hängt das Bestehen der von der Äußerungssituation beigesteuerten Relation R von der Auswertungssituation ab. Warum ist das so? Die Rec htfertigung ergibt sic h wieder durc h Einbettung in intensionale Umgebungen: (50) Lancelot glaubt, daß der Becher Arthurs Gift enthält. Nac h einer naheliegenden Interpretation besagt (50), daß zu den mit Lanc elots Glauben vereinbaren Situationen nur solc he s gehören, für die gilt: der Bec her, aus dem Arthur in s trinkt, enthält in s Gift. Besitz ist für diese Deutung offenbar nic ht einsc hlägig, vielmehr muß das gesuc hte R die Relation zwisc hen Zec her und Bec her sein. Diese Relation ist 200 aber nur insofern einsc hlägig, als sie in den Glaubens-Welten von Lanc elot besteht. Daher die in (GR) postulierte Abhängigkeit von R von der Auswertungssituation. Der Effekt von (GR) läßt sic h auc h als eine situationsabhängige Umdeutung des betreffenden Substantivs auffassen: das normalerweise gesättigte Becher wird in den einsc hlägigen Äußerungssituationen im Sinne eines relationalen BecherRgedeutet. Man könnte deshalb daran denken, die auf den Einsc hlägigkeits-Parameter zurü c kgreifende Regel (GR) durc h eine Mehrdeutigkeits-Analyse des betreffenden Nomens zu ersetzen, wobei dann die häufigste Lesart von der Besitz-Interpretation geliefert wird. Gegen eine solc he lexikalisc he Ambiguität spric ht die Tatsac he, daß die Zahl der potentiellen Lesarten im Prinzip unbesc hränkt ist. Es handelt sic h hier um eine Art Polysemie, eine systematisc he Ambiguität im Lexikon, und (GR) dient zur Besc hreibung dieser Polysemie. Wir kommen hierauf in Abschnitt 4.4 zurück. Auc h die Strategie einer ersatzlosen Streic hung von (GQ) zugunsten einer Verallgemeinerung von (GR) auf beliebige Substantive ist denkbar: der problematis c hen Unters c heidung zwisc hen relationalen und nic ht-relationalen Nomina könnte man aus dem Weg gehen, indem man Wörter wie Gemahlin im Sinne des gesättigten Gemahlin von jemanden deutet und dem Einsc hlägigkeitsparameter die Arbeit überläßt, die ric htige Relation (Ehe) zu liefern. Dieses Vorgehen würde auc h erklären, warum selbst in Verwendungen typisc her relationaler Substantive gelegentlic h andere, vom Kontext offenbar stärker forc ierte Relationen ins Spiel kommen: in einem Gespräc h unter Psyc hotherapeuten kann sic h der Äußerer von (51) beispielsweise auf einen Teil der weiblic hen Patientensc haft seines geschätzten Kollegen beziehen: (51) Die Ehefrauen des Dr. Leid sind allesamt hysterisch. Doc h die inhärente Relationalität einiger Substantive läßt sic h nic ht so leic ht wegerklären. Die angedeutete Strategie könnte etwa den einfac hen und offenkundigen Bedeutungsunters c hied zwis c hen Vorabend und Abend gar nic ht oder nur auf sehr gezwungene Weise erklären: der Vorabend eines Tages ist zugleic h auc h der Abend eines (freilic h anderen) Tages. Die ‘Sättigung’ der beiden Wörter führt also jeweils zum gleic hen Resultat. Warum sollte dann für dieses Resultat einmal IV. Kontexttheorie die eine, einmal die andere Relation einsc hlägig sein? Beispiele wie (51) sind durc haus im Geiste der oben diskutierten Regeln erklärbar. Zunäc hst kann man das relationale Substantiv Ehefrauen mit Hilfe der Regel (GQ) kontextuell sättigen; dafür benötigt man allerdings eine pluralisc he Version von (GQ), die dann eine Gruppe einsc hlägiger Ehemänner an die Argumentstelle setzt. Bei akutem Mangel an solc hen Männern müßte man auf die oben nur angedeutete indefinite Sättigungsregel zurüc kgreifen. Das Resultat dieser Umkategorisierung ist ein gesättigtes Nomen, womit (GR) anwendbar wird und die einsc hlägige Therapeut-Patient-Beziehung ins Spiel bringt. Kommen wir nun noc h kurz auf die linken Genitivattribute zu sprec hen. Zunäc hst wieder ein paar Beispiele: (46′) Queenie Vera ist Atzes Braut. (47′) Latzehos ist Atzes Kumpel. (48′) Exknallibus ist Atzes Knarre. Offensic htlic h führt das linke Attribut stets ein definites Element in die Nominalphrase ein: Atzes Braut heißt soviel wie die Braut Atzes, Atzes Kumpel bedeutet der Kumpel Atzes etc . Im wesentlic hen läßt sic h also das linke Attribut als eine Kombination zwisc hen rec htem Attribut und definiten Artikel auffassen. Die Rolle des Einsc hlägigkeitsparameters ist damit — von etwaigen Eingriffen in die Deutung des Artikels abgesehen — dieselbe wie in den oben diskutierten Fällen. Erwähnenswert ist die Konstruktion, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang zu der in Absc hnitt 1.3 genannten Deutung der Possessivpronomina steht. Der Zusammenhang ist folgender: die Position, die das linke GenitivAttribut innerhalb der NP einnimmt, ist die des Artikels. Man könnte diese Konstruktion also als eine Umkategorisierung der GenitivNP zum (genus- und kasusneutralen) Artikel ansehen. Wir bezeic hnen diese Umkategorisierung hier einmal als Possessivierung. Es fällt dann auf, daß dieselbe Konstruktion für Personalpronomina tabu ist: *seiner Getreuer. An die Stelle der zu erwartenden GenitivForm des Personalpronomens tritt hier das Possessivpronomen. Damit ergibt sic h das Possessivpronomen als Resultat der Possessivierungs-Regel (linkes Attribut) in Anwendung auf das Personalpronomen; es liegt somit nic ht im Einflußbereic h der Hypothese (L). Wie sie beim Genitiv-Attribut fehlende Argumente und Relationen einführt, so kommt 9. Kontextabhängigkeit die Einsc hlägigkeit oft dann zu Hilfe, wenn es in der logisc hen Form irgendwelc he Löc her zu stopfen gilt. Damit läßt sic h vor allem die Anzahl der nötigen kontextuellen Aspekte radikal reduzieren. Insbesondere lassen sic h auf diese Weise allerlei abstruse vorgeblic he Kontextparameter ausmerzen wie beispielsweise die in der Literatur gelegentlic h erwähnte Previous Drink Coordinate (PDC), die dafür sorgen soll, daß die an den Ober geric htete Aufforderung Noch so eins! nic ht nur von diesem, sondern auc h von der Theorie korrekt interpretiert wird. Grob gesproc hen benötigt man anstelle der an den Haaren herbeigezogenen PDC lediglic h eine ähnlic he Strategie der Ellipsendeutung wie im Falle des Genitivattributs sowie eine vom Einsc hlägigkeitsaspekt abhängige Deutung des Wortes so: erstere führt die kontextuell einsc hlägige Eigensc haft, vom Gast gewünsc ht zu werden, ein, während so auf die für diese Eigensc haft einsc hlägige Getränkesorte verweist. Natürlic h stec kt auc h hier wieder der Teufel im Detail, doc h ist diese Art der Ausnutzung von Einsc hlägigkeiten intuitiv und theoretisc h befriedigender als eine Kollektion von ‘Ad-Hoc ereien’ wie der PDC. Selbst bei optimaler Ausnutzung des Becs hreibungs-Potentials des Eins c hlägigkeitsParameters bleiben noc h einige zusätzlic he, irreduzible Aspekte übrig: zumindest der Sprec her-Parameter sc heint sic h einer Zurüc kführung auf Einsc hlägiges zu widersetzen. Ein weiterer, bisher nic ht erwähnter Aspekt des Kontexts, der in diesem Sinne ebenso irreduzibel ist, ist der Präzisionsgrad der Aussage. Dabei handelt es sic h um denjenigen Parameter, der für eine großzügige Deutung solc her Angaben wie zwei Millionen Einwohner verantwortlic h ist und der durc h gewisse Gradadverbien wie ungefähr oder haargenau versc hoben werden kann (und sic h damit als indexikalisc h erweist). Die Nic htReduzierbarkeit des Präzisionsgrads auf in der Äußerungssituation Einsc hlägiges mac ht man sic h analog zu den oben im Zusammenhang mit (44) angestellten Überlegungen zur Irreduzibilität des Sprechers klar. Wir wollen das Thema ‘Einsc hlägigkeit’ nic ht verlassen, ohne auf eine der Sc hattenseiten dieses sehr nützlic hen Parameters aufmerksam zu mac hen. Aus der Vielfalt der in diesem Absc hnitt diskutierten Beispiele sollte bereits hervorgegangen sein, daß sic h eine Präzisierung des Begriffs der Einsc hlägigkeit extrem sc hwierig gestalten dürfte. Vor allem aber gilt dies dann, wenn man um eine zirkelfreie Erklärung bemüht ist, wenn also die 201 in einer Situation (hinsic htlic h beliebiger Eigensc haften) einsc hlägigen Gegenstände, Relationen usw. ohne Bezugnahme auf die — aufgrund dieser ja erst zu ermittelnden — Extensionen der in ihr gemac hten Äußerung bestimmt werden sollen. Daß dies vielleic ht nic ht einmal immer möglic h ist, belegt das folgende Beispiel: (52) Beim Überschreiten des Innenhofes hat sich Martin das Bein gebrochen. Selbst wenn man annimmt, daß Martin die für die Relation des Bein-Besitzes beim Äußern von (52) einsc hlägigste Person ist, bleibt die Tatsac he, daß er ein ungefiederter Zweibeiner ist. Was aber das Interesse auf eine der beiden Extremitäten lenkt, sc heint nun gerade die in (52) selbst zur Sprac he gebrac hte Fraktur zu sein. Einsc hlägig — so sc heint es jedenfalls — wird das gebroc hene Bein dadurch, daß von ihm geredet wird. 4. Probleme Dieser Teil dient dazu, ein wenig an den Wurzeln der klassisc hen Theorie und ihrer Varianten zu nagen. Die Probleme, um die es in den folgenden vier Absc hnitten geht, sind rec ht untersc hiedlic her Natur. Gemeinsam ist ihnen, daß sie dazu beitragen, das in den ersten drei Teilen dieses Kapitels vermittelte heile Weltbild etwas ins Sc hwanken zu bringen. Nebenbei werden wir auc h einige weitere Anwendungen der klassisc hen Theorien kennenlernen. 4.1 Bindung Wir beginnen mit der Frage, ob die Personalpronomina der dritten Person Singular der Hypothese (L) aus Absc hnitt 1.3 genügen. Hier ist ein harmloses Beispiel: (53) Er ist ein Genie. Wir nehmen einmal an, (53) werde auf einem Filmkritikertreffen in einer Diskussion über Wim Wenders geäußert. In diesem Zusammenhang ist klar, daß sic h das Pronomen er auf den Regisseur von Paris-Texas bezieht: Wim Wenders ist das in dieser Diskussion (hinsic htlic h Genialität) einsc hlägigste Individuum. Das legt die folgende einfac he Interpretationsregel für er nahe: (R) Es sei s0 eine Äußerungssituation und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χer (s0)(s) ist das in s0 einschlägigste Individuum. 202 (Rer) ist alles andere als perfekt. Sc hon für die Analyse von (53) reic ht die Regel nic ht ganz aus, weil sie die Relativierung auf die Genialität vernac hlässigt. Wenn nämlic h gerade vom jüngsten Opus des Meisters die Rede ist, so ist dieser Film ebenso einsc hlägig wie sein Regisseur. Aber als Eigensc haft eines Film ist Geniehaftigkeit gänzlic h unpassend; sie ist das Attribut des Künstlers. Deshalb ist Wim Wenders in der genannten Situation hinsic htlic h der über den Subjekts-Referenten in (53) gemac hten Aussage einsc hlägiger als sein Werk. Um diese Überlegungen in eine Reformulierung von (Rer) einzubeziehen, bedarf es offenkundig einer sorgfältigen Tokenanalyse. Eine ähnlic he, aber leic hter zu behebende Unzulänglic hkeit betrifft das Genus des Pronomens. Es ist denkbar, daß Wim Wenders nic ht die einzige zur Debatte stehende sc höpferisc h tätige Person ist. Vielleic ht war ebensosehr von Doris Dörrie die Rede. Dennoc h ist klar, daß man sic h mit er in (53) oder sonstwo kaum auf diese Regisseurin beziehen kann — und sei sie als Gespräc hsthema und Genie-Kandidatin noc h so einsc hlägig: ihr natürlic hes Gesc hlec ht gebietet es, möglic hst mit Pronomina femininen Generis auf sie zu verweisen. Zur thematisc hen Einsc hlägigkeit in der Situation tritt also beim deutsc hen Personalpronomen in der dritten Person Singular noc h eine sprac hlic he Nebenbedingung: das Genus des Pronomens muß zum Referenten passen. Im Falle von Personen heißt dies in der Regel, daß männlic hes Gesc hlec ht mit Maskulinum, weiblic hes aber mit Femininum korreliert. Doc h das ist nur die halbe Wahrheit. Denn erstens kann man bekanntlic h auf eine zuvor mit dem Attribut Mädchen oder Fräulein versehene Person unter Umständen mit neutralem es referieren; und auc h der Fall, daß eine Person männlic hen Gesc hlec hts ist und ein feminines Pronomen auf sie verweist, ist gar nic ht so selten. Zweitens gibt es viele Lebewesen und Gegenstände, die gar kein natürlic hes Gesc hlec ht besitzen oder deren natürlic hes Gesc hlec ht für die Auswahl des Pronomens oft unerheblic h ist. Dies gilt z. B. für Kater, auf die man sic h mit dem femininen Substantiv Katze und in der Folge mit femininen Pronomina beziehen kann, oder auc h für als Tasse bezeic hnete Trinkgefäße. Insgesamt spielen damit für die Entsc heidung des Genus natürlic he Eigensc haften der Referentin ebenso eine Rolle wie die üblic herweise oder unmittelbar vorher in der Äußerungssituation bereits auf sie bezogene Bezeic hnungen. Ohne alle Details zu rec htfertigen oder IV. Kontexttheorie zu kommentieren, geben wir hier eine hinsic htlic h der beiden eben genannten Unzulänglichkeiten verbesserte Version von (Rer): (R) Es sei x ein Vorkommen des Personalpronomens er in dem in der Situation s0 geäußerten Satz α und s eine Auswertungssituation. Dann gilt: χer(s0)(s) ist das in s0 bezüglich [λxα] einschlägigste Individuum, auf das entweder (a) in s0 kurz vor der Äußerung von x mit einer maskulinen Nominalphrase referiert wurde oder das (b) (für alle an der Kommunikation in s0 Beteiligten offensichtlich) in der Extension eines gängigen maskulinen Nomens liegt. Dabei ist [λxα] diejenige Eigenschaft, die ein Individuum y in einer Situation s’ besitzt, falls die Ersetzung von x durch einen Standardnamen von y zu einem am Referenzpunkt 〈s0,s’〉 wahren Satz führt. Die Rolle der Eigenschaft [λxα] in (R2) besteht darin, potentielle Referenten von er hinsichtlic h der durc h a ausgedrüc kten Eigensc haft miteinander zu vergleic hen. Wie die Notation andeuten soll, entspric ht dieser Bestimmung einer Eigensc haft durc h hypothetisc he Substitution potentieller Alternativen zum Vorkommen eines Pronomens gerade die Abstraktion vom konkreten Wert einer Variablen. Bei der Definition von [λxα] wird — wie in der sog. substitutionellen Deutung der Variablenbindung üblic h — vorausgesetzt, daß jedes überhaupt infrage kommende y einen (Standard-) Namen besitzt; diese Voraussetzung ließe sic h auf versc hiedene Weisen umgehen, würde aber die Regel (R2) nur noc h umständlic her mac hen, als sie ohnehin sc hon ist. Auf die Rolle der Bindung von x in (R2) kommen wir gleic h wieder zurüc k. Zuvor überzeugen wir uns aber noc h davon, daß diese Bedeutungsregel tatsäc hlic h der Beschränkung (L) genügt. Natürlic h bestätigt (R2) die Hypothese (L). Da nämlic h im Definiens der Extension von er die (metasprac hlic he) Variable s gar nic ht ersc heint, führt die Anwendung von χer(s0) auf vers c hiedene Auswertungssituationen stets zum selben Ergebnis. er ist demnac h direkt referentiell. Da sic h weiterhin Äußerungssituationen hinsic htlic h der Einsc hlägigkeit einzelner Individuen stark untersc heiden können, ist die Gleic hung χer(s0) = χer(s1) nic ht allgemeingültig. er ist nac h (R2) also deiktisch und erfüllt damit insbesondere (L). 9. Kontextabhängigkeit Wenn nun er deiktisc h ist, dann läuft die für die Bestimmung der Eigensc haft [χxα] vorgenommene Bindung auf eine Abstraktion von der Äußerungssituation hinaus. Unterläuft damit (R2) das Monsterverbot (M)? Nein. Denn (R2) ist ja nic ht für die Bestimmung der Extension des metasprac hlic hen Ausdruc ks [λxα] zuständig. Diese wird zwar am Rande auc h definiert, was aber nur eine Erläuterung der Notation ist. Die Abstraktion von der Äußerungssituation findet also bei [λxα] in der Metasprac he statt; und daß sie dort zulässig — ja sogar unumgänglic h — ist, steht außer Zweifel: jede in diesem Kapitel diskutierte Bedeutungsregel nimmt auf Äußerungssituationen im allgemeinen Bezug und abstrahiert somit von ihnen. Sic herlic h könnte man (R2) noc h in versc hiedener Hinsic ht verfeinern. Wie auc h immer die Details dazu aussehen mögen: an der Bestätigung von (L) aufgrund der direkten Referentialität der Personalpronomina wird sic h wohl nic hts ändern. Damit steht die Szenerie für das hier zu diskutierende Problem. Nun heißt es: Vorhang auf! Eintritt: (54) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß er ein Genie ist. Zunäc hst ist festzustellen, daß (54) die eingebettete Nebensatz-Variante von (53) als Teil enthält. Was zu (53) gesagt wurde, sollte auc h für (54) gelten. In einer Situation, in der von Wim Wenders die Rede ist, wäre (54) folgendermaßen zu paraphrasieren: (55) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß Wim Wenders ein Genie ist. Natürlic h ist diese Deutung möglic h. Doc h besitzt (54) noc h eine andere Lesart, nac h der sic h das Pronomen er auf das Subjekt des Gesamt-Satzes zurüc kbezieht. Dieser Rückbezug ist nic ht so zu verstehen, daß das Pronomen als Abkürzung für das Subjekt steht; denn (55″) untersc heidet sic h deutlic h von dieser (und überhaupt jeder) Lesart von (54): (55′) Jeder Kritiker läßt gerne einfließen, daß jeder Kritiker ein Genie ist. (54) ist in der rückbeziehenden, anaphorischen Lesart möglic herweise wahr, (55′) mit Sic herheit falsc h. Damit kommt eine auf quantifizierende Nominalphrasen erweiterte Einsc hlägigkeits-Analyse nac h dem Vorbild von (R2) für diese Lesart nic ht infrage. Was man brauc ht, ist eher eine Tec hnik der Variablenbindung, wie man sie aus der Logik kennt. Üblic herweise werden anaphorisc he Bezüge 203 durc h Bindung unsic htbarer Variablen in einer zugrundeliegenden Struktur dargestellt. Für die einsc hlägige Lesart von (54) müßte man den Satz in sein Subjekt jeder Kritiker und eine sog. Matrix oder offene Formel der Gestalt x läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist zerlegen. Um nun aus Subjekt und Matrix den erwünsc hten Satz (54) zu konstruieren, bedarf es einer speziellen syntaktisc hen Operation Q namens Quantorenbindung, deren semantisc hes Pendant ΣQ denselben Effekt wie ein (auf die Extension des Nomens relativierter) die Variable x bindender Quantor hat. ΣQ ist also eine zweistellige Operation über Charakteren mit dem folgenden Effekt: (QS) ∑Q(χjeder Kritiker, χx läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist) (s0)(s) = 1, falls für jede Einsetzung eines (Standard-) Namens k für ein Individuum aus der Extension χKritiker(s0)(s) gilt: χk läßt gerne einfließen, daß k ein Genie ist (s0)(s) = 1. ΣQ ist in dieser Form nic ht kompositionell [vgl. dazu Artikel 7]. Eine sic h an das Kompositionalitätsprinzip haltende Reformulierung muß statt der Einsetzungen von Standardnamen für Kritiker untersc hiedlic he Belegungen, also Benennungen der Kritiker durc h Variablen, heranziehen, von denen die Extension der Matrix dann jeweils abhängt. Aus (QS) wird damit: (QB) ΣQ(χjeder Kritiker, χx läßt gerne einfließen, daß x ein Genie ist) (s0)(s) = 1, falls für alle Belegungen b von x durch ein Individuum aus der Extension χKritiker(s0)(s) gilt: χk läßt gerne einfließen, daß k ein Genie ist (s0)(s) = 1, bei der Belegung b. Auc h diese Formulierung ist strenggenommen nic ht kompositionell, weil sie (für die Relativierung) eine Zerlegung des Subjekts vornimmt. Dieses Kompositionalitätsproblem hat aber nic hts mit den gegenwärtigen Betrac htungen zu tun und läßt sic h auf leic hte und befriedigende Weise mit den üblic hen Methoden der Quantorensemantik [s. Artikel 21] lösen. Uns interessiert an (QB) vor allem die Nebenbedingung bei der Belegung b. Damit die vom Charakter zugewiesene Extension überhaupt von einer Belegung abhängt, muß diese im Definitionsbereic h dieses Charakters auftauc hen. Das kann sie prinzipiell an drei Stellen: (i) als Bestandteil der Außerungssituation, also kontextuell; (ii) als Bestandteil der Auswertungssituation, also indexikalisc h; (iii) als weiteres Argument neben Äußerungsund Auswertungssituation, also eigenständig. 204 Alle drei Lösungen haben jedoc h ihre Tüc ken. Das werden wir jetzt der Reihe nach zeigen. Ad (i): Faßt man Belegungen als kontextuelle Parameter auf, gelangt man zu einer Aufweichung des Monsterverbots (M). Wie man an (QB) sieht, ist es gerade der Sinn (der kompositionellen Deutung) der Quantorenbindung, daß man von irgendeiner festen Benennung abstrahiert und somit bei der Extensionsbestimmung auc h andere Benennungsmöglic hkeiten untersuc ht als etwa eine einzige, zufällig vom Kontext gegebene (in der Äußerungssituation akute?) Belegung. (QB) würde somit zu einer Versc hiebung der Äußerungssituation führen, womit ΣQ ein Monster wäre. Ad (ii): Die Indexikalisierung der Belegungen läßt zwei Varianten zu, die sic h in der Besc hreibung des Zusammenhangs zwisc hen gebundener Variable in der Matrix und Personalpronomen an der sprac hlic hen Oberfläche unterscheiden. (ii-a) Die den gebundenen Variablen entsprec henden Pronomina werden als Reflexe der Quantorenbindung aufgefaßt, die in Lautform und syntaktisc h-morphologisc hem Verhalten zufällig mit den ec hten Personalpronomina in Sinne der Analyse (R2) übereinstimmen. Während letztere als deiktisc he Ausdrüc ke analysiert werden, ist das gebundene Pronomen im wesentlic hen ein anderes Wort (oder syntaktisc hes Phänomen), das nic hts mit direkter Refererenz zu tun hat, sondern mit Intensionalität — denn nic hts anderes wäre die durc h Quantorenbindung verursac hte Index-Versc hiebung. Es handelt sic h um eine Mehrdeutigkeits- Analyse der Pronomina der dritten Person. Gegen eine solc he Auffassung spric ht die durc h sie hervorgerufene Redundanz oder Umständlic hkeit in der Sprac hbesc hreibung: jedes in Funktion einer gebundenen Variablen auftretende Pronomen müßte entweder im Lexikon doppelt klassifiziert und besc hrieben werden; oder die Operation F führt diese Pronomina synkategorematisch (d. h. ohne Lexikonzugriff) ein, womit die für die Kongruenz zur Bezugs-NP benötigten morphologis c hen Informationen bei der Formulierung dieser Regel reproduziert werden müßten. Zudem bedürfte es einer Erklärung, warum diese Art von Mehrdeutigkeit in sehr vielen Sprachen auftritt. (ii-b) Man faßt die gebundenen Vorkommen von Variablen in der Matrix als gewöhnlic he Pronomina auf. Allerdings kann dann die korrekte Semantik der Pronomina unmöglic h wie in (R2) aussehen. Denn einerseits IV. Kontexttheorie hängt nac h (R2) die Extension des Pronomens nic ht vom Index, sondern vom Kontext ab; und andererseits ist von einer Belegung in dieser Regel sowieso nic ht die Rede. Letzteres ist allerdings ein leic ht zu behebender Makel: die in (R2) besc hriebene Abhängigkeit der Extension des Vorkommens eines Pronomens von der Äußerungssituation kann ja als Funktion von Äußerungen in (möglic he) Extensionen umgedeutet werden. Die so aufgefaßte Belegung müßte dann allerdings noc h in den Index gesc hoben werden — sonst wären wir ja über die monströse Lösung (i) des Problems ni c ht hinausgekommen. Gegen diese indexikalisc he Auffassung der variierenden Extension von Pronomina spric ht nun aber eine Grundannahme der klassisc hen Theorie, nämlic h das den Zusammenhang zwisc hen Intension und Information postulierende Prinzip (F) oder eine seiner Differenzierungen (siehe Absc hnitt 2.5). Es ist auf jeden Fall so, daß die in einer Äußerungssituation s0 von einem Satz übermittelte Information — also das, was der S atz in der S ituation besagt — mit seiner Intension (in s0) übereinstimmt. Diese Identifizierung ist unvereinbar mit der Annahme (ii-b), die impliziert, daß Pronomina absolut gedeutet werden. Um dies einzusehen, kann man einen beliebigen Satz mit ‘freiem’ Personalpronomen betrachten: (56) Sie hat einen Holzkopf. Nehmen wir an, (56) werde in einer Situation geäußert, in der sic h das Subjekt auf eine sic h in der erhobenen Hand der Sprec herin befindlic he Handpuppe bezieht. Die so übermittelte Information ist dann dieselbe wie die durch (57) ausgedrückte: (57) Diese Puppe hat einen Holzkopf. Die Intensionen wären aber — wenn das Pronomen als absolut gedeutet wird — versc hieden: (56) würde das Verfahren zur Feststellung des Referenten des Subjekts in die Intension miteinbeziehen, während die durc h (57) ausgedrüc kte Proposition direkt von der gezeigten Puppe als Gegenstand handelt. An dieser Stelle wird die Tiefe des Problems der Quantorenbindung wohl am deutlic hsten: es weist auf eine in der klassisc hen Theorie bestehende Spannung zwisc hen der Charakterisierung der Intension als absoluter Information einerseits und der Unversc hiebbarkeit der Äußerungssituation andererseits hin. Die Rolle der Pronomina als direkt referentielle, die Intensionsebene überspringende Ausdrüc ke steht in einem klassisc h nic ht befrie- 9. Kontextabhängigkeit digend zu lösenden Konflikt mit ihrer Funktion als quantifizierte, also durc h Abstraktion oder Versc hiebung gedeutete Variablen. Solange dieser Konflikt auf einen eng begrenzten Bereic h wie den des Einflußbereic hs der Quantorenbindung besc hränkt ist, mag man geneigt sein, Ad-hoc -Lösungen wie (ii-a) für den besten Ausweg zu halten. In Absc hnitt 4.3 werden wir jedoc h sehen, daß sic h Bindungen einer erheblic h weiteren Verbreitung erfreuen, als man es aufgrund des bisherigen Diskussionsstandes erhoffen könnte. Ad (iii): Dem soeben besc hriebenen Konflikt kann man durc h Einführung einer dritten Komponente des Referenzpunktes aus dem Wege gehen: neben Kontext und Index beherbergt dieser dann gleic hberec htigt noc h eine Belegung der Pronomina, die auf diese Weise — wie sc hon in der Variante (ii-b) — als eindeutige Wörter aufgefaßt werden können. Gegen diese Vermeidungsstrategie läßt sic h zweierlei einwenden. Erstens liefert sie keine Garantie dafür, daß nic ht irgendwann einmal weitere, der Quantorenbindung vergleic hbare Phänomene entdec kt werden, die dann analog zu einer Vier-, Fünf- oder Sec hsteilung des Referenzpunktes führen würden. Außerdem sollte man ein über das bloße Aufzeigen hinausgehendes Identifikationskriterium für das Phänomen der Quantorenbindung haben, das es von der üblic hen, als Index-Vers c hiebung aufgefaßten Intensionalität untersc heidet; daß die Angabe eines solc hen Kriteriums keine Trivialität ist, ersieht man sc hon aus der Tatsac he, daß sic h nac h dem in Absc hnitt 2.2 besc hriebenen Verfahren auc h letztere prinzipiell als Variablenbindung darstellen läßt. 4.2 Perspektivische Verschiebungen In Absc hnitt 2.5 haben wir gesehen, daß im Rahmen der erkenntnistheoretisc hen Umdeutung der klassisc hen Theorie Charakteren momentane Bewußtseinsinhalte entsprec hen. Da man sic h sprac hlic h auf die Gedanken und Wahrnehmungen von Personen mit satzeinbettenden Verben wie glauben, befürchten, hoffen, ahnen etc . beziehen kann, liegt der Verdac ht nahe, daß eine adäquate Semantik diese Verben als charakterielle Einstellungen, also als (indexabhängige) Relationen zwisc hen Individuen und Charakteren analysieren sollte. Eine solc he Klassifikation satzeinbettender Verben widerspric ht nun allerdings nic ht nur der in Absc hnitt 1.2 (und andernorts) gemac hten gängigen Annahme, daß es sic h hier um propositionale Einstellungen 205 handelt; sie sc heint auc h mit dem Monsterverbot (M) unvereinbar zu sein. Wir wollen deshalb näher untersuc hen, welc he Rolle c harakterielle Einstellungen in der logisc hen Sprachanalyse spielen. Zunäc hst muß betont werden, daß die erkenntnistheoretisc he Deutung der klassisc hen Theorie eine Interpretation satzeinbettender Verben als propositionale Einstellungen nic ht aussc hließt; denn selbst wenn die Funktion eines Einstellungsverbs darin besteht, einem Individuum einen Bewußtseinsinhalt eines bestimmten, im Komplementsatz näher c harakterisierten Typs zu unterstellen, so könnte diese Charakterisierung immer noc h durc h eine Proposition erfolgen. Konkreter läßt sic h diese Möglic hkeit an der folgenden aus Sic ht der erkenntnistheoretisc hen Deutung nic ht ganz unplausiblen Bedeutungsregel verdeutlichen: (Rmeinen) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint daß φ, wobei φ ein (Neben-) Satz ist; s0 und s seien Außerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: die durch φ ausgedrückte Proposition χφ(s0) folgt aus dem Bewußtseinsinhalt χx,s von x in s. Das Meinen wird hier als emotionslose, den Bewußtseinsinhalt c harakterisierende Einstellung aufgefaßt. Man beac hte nebenbei, daß (Rmeinen) der Hypothese (L) genügt: meinen referiert danach absolut. Die in (Rmeinen) aufgestellte Bedingung soll in dem Sinne verstanden werden, daß nac h ihr der (als Charakter aufgefaßte) Bewußtseinsinhalt χx,s von x (in der Welt und zur Zeit der Auswertungssituation s) so besc haffen ist, daß die ihm entsprec hende (als Proposition aufgefaßte) perspektivelose Information χx,s(sx) — also (in der Terminologie von Absc hnitt 2.5) der objektivierte Bewußtseinsinhalt — nur Situationen umfaßt, in denen auc h p gilt; sxist dabei der kognitive Zustand von x, also die von x aus gesehene Situation s: sxund s stimmen weitestmöglic h überein, aber x ist das Ego, das erkennende Subjekt, in sx. Um Motivation und Arbeitsweise dieser Regel zu verstehen, kann man (Rmeinen) auf ein einfaches Beispiel ansetzen: (58) Martin meint, daß ich lisple. Äußert Maria in einer Situation s0 diesen Satz, bestimmt sic h der Wahrheitswert mit (Rmeinen) wie folgt: 206 Nac h der so reduzierten Wahrheitsbedingung besagt Marias Äußerung von (58) also, daß Maria in jeder mit Martins Bewußtseinsinhalt (zur Zeit der Äußerungssituation) vereinbaren Situation lispelt. Das ist sic herlic h kein unerwünsc htes Ergebnis. Uns interessiert hier vor allem, wie es zustande kommt. Denn einerseits deutet (Rmeinen) das satzeinbettende Verb als propositionale Einstellung, doc h andererseits faßt diese Regel den Bewußtseinsinhalt des erkennenden Subjekts als Charakter auf. Der Tric k besteht lediglic h in der perspektivischen Verschiebung: der Charakter des Nebensatzes wird zunäc hst — den Grundprinzipien der klassisc hen Theorie gemäß — an der Äußerungssituation ausgewertet; das Resultat ist eine gewisse (in diesem Falle singuläre) Proposition. Dann wird die Auswertungssituation leic ht versc hoben, zur entsprec henden epistemisc hen Perspektive des Subjekts hin, aus der heraus die (singuläre) Proposition betrac htet wird. Die der Äußerungssituation eigene Perspektive wird also zur Ermittlung der durc h den Nebensatz ausgedrüc kten Propositon benutzt; doc h für die Feststellung der Einstellung des Subjekts wird sie ignoriert. Dieses Vorgehen entspric ht natürlic h genau der bereits in Absc hnitt 1.2 skizzierten Deutung von Einstellungsverben. Neu ist hier lediglic h, daß dem Subjekt der Einstellung eine epistemisc he Perspektive unterstellt wird. Mit der epistemisc hen Perspektive ist es in (Rmeinen) nic ht allzu weit her. Ein zweiter Blic k zeigt nämlic h, daß diese prinzipiell nic ht in die Deutung von Einstellungssätzen einbezogen wird. Intuitiv gesehen liegt das daran, daß die Regel ohnehin nur auf einen Vergleic h IV. Kontexttheorie zweier perspektiveloser Propositionen hinausläuft: die erste ist die Intension v des eingebetteten Nebensatzes in der Äußerungssituation, die zweite der seiner ihm eigenen Perspektive beraubte, objektivierte Bewußtseinsinhalt μ des Subjekts, und verglic hen werden die beiden hinsic htlic h der Frage, ob der erste den zweiten (im Sinne einer Mengeninklusion) umfaßt. Sowohl die dem Charakter des eingebetteten Nebensatzes innewohnende Perspektive als auc h insbesondere der epistemisc he Blic kwinkel des Subjekts werden in (Rmeinen) übergangen. Wir haben bereits in Absc hnitt 2.5 festgestellt, daß der Verlust der epistemisc hen Perspektive durc h Objektivierung einen Informationsverlust nac h sic h ziehen kann: versc hiedene Individuen können dem Subjekt auf versc hiedene Arten gegeben sein. Dieser Informationsverlust spiegelt sic h in konkreten semantisc hen Effekten der Regel (Rmeinen) wider. Der erste, harmlose Effekt mac ht sic h dann bemerkbar, wenn sic h etwa Martin und Maria in s0gegenüber sitzen, Martins Bewußtseinsinhalt χMartin,s0 den Charakter χDu lispelstumfaßt, Martin aber nic ht nur sein Gegenüber, sondern auc h seine Vermieterin für eine Lisplerin hält, die beiden allerdings nic ht miteinander in Beziehung bringt, obwohl es sic h in beiden Fällen um Maria handelt. Unter diesen Annahmen mac ht (Rmeinen) Marias Äußerung von (58) sozusagen aus zwei unabhängigen Gründen wahr: die Intension des eingebetteten Nebensatzes ist dieselbe singuläre Proposition p wie die in Martins epistemisc hen Zustand durc h Du lispelst bzw. Meine Vermieterin lispelt ausgedrückte. Der erste Effekt von (Rmeinen) besteht also ganz einfac h darin, daß zwei voneinander unabhängige Meinungen Martins durc h ein und dieselbe Besc hreibung Marias abgedec kt werden, daß also Marias Aussage (58) eine gewisse Unbestimmtheit unterstellt wird. Ein umgekehrter Effekt ergibt sic h, wenn Martin — vielleic ht aufgrund einer neuen Frisur oder einer Wahrnehmungsstörung — sein Gegenüber nic ht als seine Lebensgefährtin erkennt, von der er gerade annimmt, daß sie nic ht lispelt. Ein in etwa dem Satz Meine Lebensgefährtin lispelt nicht entsprechender Charakter gehört demnac h ebenfalls zu Martins aktuellem Bewußtseinsinhalt. Da Maria Martins tatsä c hli c he Lebensgefährtin ist, folgt nun, daß der objektivierte Bewußtseinsinhalt χMartin,s0(s0Martin) auc h das Gegenteil von p impliziert. χMartin,s0 (s0Martin) ist damit widersprüc hlic h und impliziert — wie man sic h leicht überlegt — überhaupt jede Proposition. 9. Kontextabhängigkeit Maria hätte also auc h behaupten können, daß es nac h Martins Meinung in Kreuzlingen Zebras gibt und damit — nac h (Rmeinen) — auf jeden Fall rec ht gehabt. Dieser Defekt von (Rmeinen) läßt sic h nun relativ leic ht ausmerzen, ohne daß sic h an der Idee der Regel Wesentlic hes ändert: anstatt Bewußtseinsinhalte als Charaktere aufzufassen, könnte man — intuitiv etwa entsprec hend den vom Subjekt für wahr befundenen Sätzen — dieselben adäquater durc h Mengen von Charakteren repräsentieren. Die absurde Konsequenz um (59) würde auf diese Weise vermieden; allerdings wäre dann immer noc h Marias Äußerung von (58′) wahr, was angesic hts der Umstände — insbesondere Martins unersc hütterlic hen Glaubens an die reine Artikulation seiner Lebensgefährtin Maria — jedoc h gar nicht einmal unerwünscht ist: (58′) Martin meint, daß ich nicht lisple. Diese Tec hnik der Widerspruc hs-Vermeidung — im wesentlic hen eine Adaption der sog. Umgebungs- Semantik für propositionale Einstellungen — hat ihre Grenzen, die sic h besonders deutlic h zeigen, wenn der eingebettete Satz oder seine Negation notwendig wahr ist, ohne zugleic h a priorisc h zu sein. Ein typisc her Fall liegt etwa vor, wenn Maria unter Anspielung auf ihre perfekte Verkleidung die folgende zutreffende Behauptung aufstellt: (59) Martin meint, daß ich Maja bin. Zumindest unter der Annahme, daß es sic h bei Maja um einen Standard-Namen (von Marias Freundin) handelt, drüc kt der in (59) eingebettete daß-Satz eine widersprüc hlic he Proposition aus. Damit folgt sofort, daß nac h (Rmeinen) unter den gegebenen Umständen jede Äußerung wahr ist, die Martin eine widersprüc hlic he Meinung unterstellt — also auc h etwa: (59′) Martin meint, daß ich Ruth Rendell bin. Der Sc hluß von (59) auf (59′) ist nun allerdings sehr gewagt, zumal zwisc hen Marias Freundin und der großen britisc hen Kriminalsc hriftstellerin keinerlei äußerlic he Ähnlichkeit besteht. Die Grenzen, an die die Regel (Rmeinen) hier stößt, sind natürlic h auc h die Grenzen des der klassisc hen Theorie zugrundeliegenden und bereits in Absc hnitt 1.1 als bekanntermaßen zu grobmasc hig eingesc hätzten Propositionsbegriffs. Der Sc hluß von einem Widerspruc h auf einen beliebigen anderen (klassisc h: denselben!) bzw. von einer Einstellung zu einem Widerspruc h auf die Einstellung zu jedem Wi- 207 derspruc h läßt sic h völlig unabhängig von der hier betrac hteten Regel — einfac h aufgrund des Propositionsbegriffs und des Monsterverbots — vorführen. Eine Kritik an (Rmeinen) unter Hinweis auf die offensic htlic h inadäquate Erfassung solc her Beispiele wie (59) und (59′) könnte damit im gegenwärtigen Zusammenhang als thematisc h verfehlt empfunden werden. Wir werden zwar noc h sehen, daß der Zusammenhang zwisc hen der Feinheit des Propositions-Begriffs und der Einbeziehung epistemisc her Perspektiven in die Deutung von Einstellungsberic hten enger ist (oder jedenfalls enger konstruiert werden kann), als es hier den Ansc hein haben mag. Im Interesse einer skeptisc hen Lesersc haft tun wir jedoc h vorerst einmal so, als handele es sic h hier um zwei vollkommen unabhängige Phänomene. Von solc hen Problemen einmal abgesehen, lassen sic h also Einstellungsberic hte vermittels satzeinbettender Verben einigermaßen befriedigend mit Hilfe der bezüglic h epistemisc her Arten des Gegebenseins unspezifisc hen Regel (Rmeinen) besc hreiben. Das unspezifisc he Element ist aber nic ht bei allen Typen von Einstellungsberichten erwünscht: (60) Bettina meint, mit Eddy Merckx verheiratet zu sein. Im Untersc hied zu den bisher betrac hteten Beispielen liegt hier (oberfläc hlic h) keine Satz-Einbettung vor. Daß hier eine gegenüber den bisherigen Beispielen neue Dimension eröffnet wird, sieht man, wenn man versuc ht, (60) mit Hilfe von (Rmeinen) zu deuten und den Infinitiv als Ausdruc k einer unvollständigen, um das Matrix-Subjekt zu ergänzenden Proposition aufzufassen: (60′) Bettina meint, daß sie mit Eddy Merckx verheiratet ist. Das im eingebetteten Satz ergänzte Personalpronomen müßte dann natürlic h als durc h das Matrix-Subjekt (im Sinne des vorhergehenden Absc hnitts) gebunden gedeutet werden. (Daß hier eine bloße, auf kontextuelle Eins c hlägigkeit zurü c kgehende extensionale Übereinstimmung nic ht ausreic ht, sieht man an analogen Beispielen mit quantifizierendem Subjekt; es liegt also — syntaktisc h gesproc hen — Kontrolle durc h das Matrix-Subjekt vor.) Aber ansonsten könnte ja die Deutung im Stil von (Rmeinen) vonstatten gehen. Da im Falle von (Standard-) Namen Bindung und Ersetzung auf intensionaler Ebene keinen Untersc hied mac hen — in beiden Fällen kommt eine singuläre Proposition über den Referen- 208 ten heraus — und nur die Intension für (Rmeinen) von Belang ist, könnten wir die Probleme aus Absc hnitt 4.1 verdrängen und (60′) einfach durch (60″) ersetzen: (60″) Bettina meint, daß Bettina mit Eddy Merckx verheiratet ist. Dabei gehen wir natürlic h davon aus, daß die beiden Vorkommen des Namens Bettina in (60″) auf ein und dieselbe Person, Bettina, verweisen.) Nac h (Rmeinen) besagen also (60) und (60″) genau dasselbe. Doc h ist das korrekt? Unter den meisten Umständen werden wohl die beiden Sätze in der Tat auf dasselbe hinauslaufen, doc h möglic herweise nic ht in allen. Eine Situation, in der (60) falsc h, aber (60″) wahr ist, könnte sic h etwa so abspielen: Bettina findet auf dem Speic her ein altes Hoc hzeitsfoto von sic h und ihrem Gatten Wendelin. Das Foto zeigt Wendelin halb verdec kt in seiner Sportausrüstung; sie selbst ist nur von hinten zu sehen, aber unsc hwer als seine Braut zu identifizieren. Den Rest kann man sic h denken: Bettina glaubt, daß es sic h bei dem abgebildeten Athleten um den großen belgisc hen Radfahrer handelt und dementsprec hend bei der nic ht zu erkennenden Braut um dessen Gattin. Nac h (Rmeinen) ist der Fall dann klar: die (in einer beliebigen Äußerungssituation) durc h den in (60″) eingebetteten Nebensatz ausgedrüc kte singuläre Proposition folgt in der besc hriebenen Situation aus Bettinas objektivierten Bewußtseinsinhalt: die von Bettina auf dem Foto betrac htete Frau ist ihrer Meinung nac h mit Eddy Merc kx verheiratet, und in Wirklic hkeit ist die so besc hriebene Frau Bettina selbst. Die Falsc hheit von (60) sc heint jedoc h durc h diese Gesc hic hte unberührt: von sic h selbst glaubt Bettina nic hts dermaßen Falsc hes, wie ihr in (60) unterstellt wird. Es sc heint, als müsse Bettina im Falle der Wahrheit von (60) das Subjekt der Einstellung als S ubjekt gegeben sein; die durc h den eingebetteten Satz (in einer entspre c henden Äußerungssituation) ausgedrüc kte Proposition muß sic h also nic ht — wie in (Rmeinen) gefordert — irgendwie durch Objektivierung einer Meinung von Bettina ergeben, sondern auf eine ganz bestimmte Art und Weise, nämlic h durc h Auswertung des Sprec her- oder Subjekt-Parameters (in einem gewissen epistemisc hen Zustand Bettinas). Die in (60) von Bettina behauptete Einstellung muß eben — in einer gängigen Terminologie — eine Meinung de se sein. Und genau diese Nebenbedingung wird durc h die Zurüc kführung von (60) auf die Paraphrase (60′) IV. Kontexttheorie übersehen; die Sc huld daran trägt natürlic h die weiter oben beobac htete Unbestimmtheit von (Rmeinen). Mehreres läßt sic h gegen diese Betrac htungen einwenden. Zum einen ist es gar nic ht so klar, ob (60″) — oder auc h (60′) — unter den genannten Umständen wirklic h in irgendeinem Sinne wahr wäre. Dies würde nun allerdings auf eine Kritik der Regel (Rmeinen) hinauslaufen, die bei dieser bereits die Sensitivität gegenüber der epistemisc hen Perspektive des Subjekts vermißt. In diesem Falle hätten wir also gar nic ht erst die infinitivisc he Variante zu bemühen brauc hen. Diese Kritik wollen wir dahingestellt sein lassen, weil einerseits die Frage des Wahrheitswerts der genannten Sätze möglic herweise nic ht ganz theorieunabhängig beantwortet werden kann und andererseits eine Ablehnung von (Rmeinen) aufgrund mangelnder Rüc ksic htnahme auf epistemisc he Perspektiven unserem Argumentationsgang ohnehin entgegenkommt. Ein zweiter Einwand könnte natürlic h genau dem umgekehrten Weg folgen und sc hlic htweg die Falsc hheit von (60) infrage stellen. Die Infinitiveinbettung wäre dann mit (Rmeinen) korrekt gedeutet. Immerhin müßte man unter dieser Annahme zunäc hst (etwa pragmatisc h) erklären, warum denn (60) in der besc hriebenen Situation zumindest falsch wirkt. Die prinzipielle Möglic hkeit einer solc hen Erklärung können wir hier nic ht bezweifeln; wir gehen jedoc h davon aus, daß die Falsc hheit von (60) ein semantisc hes, die wörtlic he Bedeutung dieses Satzes betreffendes Phänomen ist. Weitere Einwände könnten die spezielle Art des Gegebenseins Bettinas durc h Vermittlung einer Fotographie betreffen. In so einem Falle ist der Leser angehalten, sic h ein besseres Beispiel auszudenken. An dieser Stelle erhebt sic h natürlic h die Frage, ob man nic ht den subtilen Bedeutungsuntersc hied zwisc hen (60) und (60′) durc h eine genauere Paraphrase besc hreiben kann. Also etwa durch: (60) Bettina meintde se, daß sie mit Eddy Merckx verheiratet ist. Wir wollen einmal dahingestellt sein lassen, was wohl der genaue Zusammenhang zwisc hen den beiden Verben meinen und meinende sesein könnte. Stattdessen zeigen wir, daß eine kompositionelle Deutung der Paraphrase (60s) keineswegs eine triviale Angelegenheit ist. Betrac hten wir zunäc hst die intendierte Deutung von meinende se: 9. Kontextabhängigkeit (Rmeinen de se) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meintde se daß φ, wobei φ ein (Neben-) Satz ist; s0 und s seien Äußerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Bewußtseinsinhalt χx, s von x in s impliziert denjenigen Charakter x, der an einem Referenzpunkt 〈s1,s’〉 den Wahrheitswert 1 liefert, falls der Sprecher von s1 die durch φ ausgedrückte Proposition χφ(s0) in s’ erfüllt. Den bislang undefinierten Implikationsbegriff für Charaktere kann man entweder — in Analogie zu dem in Absc hnitt 2.5 eingeführten A Priori — als Folgerung an allen diagonalen Referenzpunkten oder — wenn man Bewußtseinsinhalte durc h Mengen von Charakteren rekonstruiert — als Elementschaftsbeziehung auffassen. Wie (Rmeinen de se) gemeint ist, mac ht man sic h am besten anhand des Beispiels (60s) klar. In diesem Falle verlangt die Regel (von einer Auswertungssituation), daß Bettinas Bewußtseinsinhalt (in dieser Situation) den Charakter des Satzes Ich bin mit Eddy Merckx verheiratet impliziert; denn dieser ist gerade an einem Punkt 〈s1,s’〉 wahr, falls die Sprec herin in s1 die durc h sie mit Eddy Merckx verheiratet ist ausgedrüc kte Proposition erfüllt. (Rmeinen de se) sc heint uns also in der Tat die intendierte Deutung de se für (60) zu geben. Bei der Formulierung von (Rmeinen de se) haben wir an entsc heidender Stelle gemogelt. Wir haben nämlic h vergessen zu sagen, was es für ein Individuum x bedeutet, eine Proposition zu erfüllen. Auf den ersten Blic k sc heint es sic h hier um ein harmloses Versehen zu handeln. Denn wir sind ja in diesem Falle nur an singulären Propositionen p interessiert, die jeweils aus genau den Situationen bestehen, in denen ein bestimmtes, festes Individuum xp eine bestimmte, feste Eigensc haft Ep hat; und in (Rmeinen de se) ist natürlic h in diesem Falle mit der Erfüllung von p durc h x (in s) gemeint, daß x (in s) die Eigensc haft Epbesitzt. Diese Definition mac ht nun allerdings offensic htlic h nur dann Sinn, wenn sic h aus dem singulären p die Eigensc haft Epeindeutig ermitteln läßt. Das kann man im allgemeinen jedoc h nic ht erwarten: sc hon in unserem Beispiel sc hlägt nämlic h diese Bestimmung fehl, handelt doc h die zur Debatte stehende Proposition genausogut von Eddy Merc kxs wie 209 von Bettina, wobei allerdings den beiden ganz vers c hiedene Eigens c haften zugespro c hen werden. Nac h (Rmeinen de se) müßte also (60s) noc h eine Lesart besitzen, nac h der Bettina meint, mit Bettina verheiratet zu sein. Doc h das ist offenkundig absurd. Die Situation ist nic ht hoffnungslos. Denn (Rmeinen de se)läßt sic h dann retten, wenn es nur gelingt, den Gegenstand der durc h den Nebensatz ausgedrüc kten Proposition eindeutig als die Stelle zu bestimmen, an der das auf das Einstellungssubjekt zurüc kbezogene Pronomen steht. Neben einer Markierung der Einstellung als Meinung de se benötigt die Paraphrase also auc h noc h eine Markierung des Pronomens als an die Sprec her-Perspektive gebundenes Pronomen: (60) Bettina meintde se, daß sie* mit Eddy Merckx verheiratet ist. Der Stern deutet dabei gerade an, daß das Pronomen das Thema der durc h den Satz ausgedrüc kten Proposition ist. Dabei muß natürlic h der Themenbegriff irgendwie präzisiert werden. Das kann z. B. dadurc h gesc hehen, daß man die gesamte Proposition p in Thema und Rest (= Rhema) strukturiert, indem man sie etwa als Paar 〈xp,Ep〉 auffaßt. Die Details einer solc hen Verfeinerung des Propositionsbegriffs sind äußerst tric kreic h und können an dieser Stelle unmöglic h vorgeführt werden. [Siehe dazu Artikel 34.] Wir erwähnen hier lediglic h die prinzipielle Möglic hkeit einer Präzisierung von (Rmeinen de se) mit Hilfe thematisch strukturierter Propositionen. Die Version (60C) weist den Weg zu einer ganz anderen Möglic hkeit der Deutung von (60) im Rahmen der klassisc hen Theorie, aber ohne Verfeinerung des Propositionsbegriffs. Denn wenn die gesternten Pronomina in jedem Falle als Ausdruc k der Subjekts-Perspektive gedeutet werden, sind sie selbst — solange nur irgendwie die Stellen markiert werden, an die sie gehören — vollkommen redundant. Statt auf (60C) könnte man (60) also genausogut auf (60*) zurückführen: (60.) Bettina meint, daß * mit Eddy Merckx verheiratet ist. Der Untersc hied zwisc hen (60C) und (60*) ist nun, daß bei letzterem ein unvollständiger, lüc kenhafter Satz eingebettet ist; dem eingebetteten Satz fehlt das Subjekt, womit er (zumindest semantisc h gesehen) eine Art VP ist. Statt wie in (R*meinen) könnte man also die Extension der Konstruktion ‘meinen + Infinitiv’ auf den Charakter dieser VP zurüc kführen. In der Tat: nic hts liegt oberfläc hlic h 210 näher; diese VP ist ja — von der Finitheit des Verbs abgesehen — der eingebettete Infinitiv! Die entsprec hende Regel kann dann (Rmeinen de se) ersetzen. Und so sieht sie aus: (Rmeinen + INF) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint φ, wobei φ ein Infinitiv (mit zu) ist; s0und s seien Äußerungs- bzw. Auswertungssituationen. Dann ist χψ(s0)(s) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Bewußtseinsinhalt χx, s von x in s impliziert denjenigen Charakter χ, der an einem Referenzpunkt 〈s1,s’〉 den Wahrheitswert 1 liefert, falls der Sprecher von s1 in s’ die durch φ ausgedrückte Eigenschaft χφ(s0) besitzt, falls also gilt: χich(s1)(s’) ∈ χφ(s0)(s’). Die Überprüfung von (Rmeinen + INF) am Beispiel (60) überlassen wir diesmal der Leserin. Wir weisen zudem darauf hin, daß nac h dieser Regel die Infinitiveinbettung unter meinen kein Monster ist. Das wiederum ersieht man unmittelbar aus dem Umstand, daß in der obigen Bedingung zur Festlegung der Extension der Verbalphrase vom Charakter des eingebetteten Infinitivs nur insofern die Rede ist, als seine Intension in der Äußerungssituation betrac htet wird. Für zwei intensionsgleic he Infinitive kommt also jeweils dieselbe Menge meinender Individuen heraus. Die geneigte Leserin möge auc h diese Behauptung am Beispiel (60) und unter Heranziehung etwa des durc h Eddy Merc kx geäußerten Satze (61) überprüfen: (61) Bettina meint, mit mir verheiratet zu sein. Meinungen de se sind nac h (Rmeinen + INF) Selbstzuschreibungen von Eigensc haften. Da im Falle von (60) die zugesc hriebene Eigensc haft gerade die Intension des eingebetteten Infinitvs ist, ist die Deutung nac h (Rmeinen + INF) sehr direkt und elegant. So besehen ist sie der nur um den Preis einer Verfeinerung des Propositions-Begriffs präzisierbaren Zurüc kführung (Rmeinen de se) der Infinitiveinbettung auf eine Satzeinbettung überlegen. Andererseits ist die Deutung der perspektivisc hen Bindung mit Hilfe strukturierter Propositionen eine universeller einsetzbare Strategie als die oberfläc hennahe Deutung der Infinitiveinbettung als Selbstzusc hreibung, läßt sic h doc h auf diese Weise auc h das im Zusammenhang mit (59) und (59′) angesproc hene Problem der IV. Kontexttheorie Einstellung zum Widerspruch lösen. Die Deutung des Meinens de se als Selbstzusc hreibung einer gewissen Eigensc haft läßt sic h mit der in Absc hnitt 2.5 angesproc henen Version (E’) der Untersc heidung von perspektiveloser und lokalisierender Information in Verbindung bringen. Den Zusammenhang erkennt man am klarsten im Rahmen einer Parametrisierung von Äußerungs- und Auswertungssituationen (im Sinne von Absc hnitt 2.1). Um ihn herzustellen, bedarf es allerdings der Annahme, daß es genau einen rein kontextuellen Parameter gibt, und zwar den des Sprec hers. Dann läßt sic h mit (E’) die Regel (Rmeinen + INF) folgendermaßen äquivalent umformulieren: (R’meinen + INF) Es sei ψ eine Verbalphrase der Gestalt meint φ, wobei φ ein Infinitiv (mit zu) ist; c sei ein Kontext, i ein Index. Dann ist χψ(c)(i) die Menge derjenigen Individuen x, für die gilt: der Sprecher jedes Kontexts c’ aus !χx,i ist in χφ(c)(i(c’)). Unter den gegebenen Annahmen läßt sic h die Äquivalenz dieser Formulierung mit der Ausgangsregel leic ht nac hweisen. (E’) lag ja die Idee zugrunde, daß die lokalisierende Information eines Charakters χ bereits in der als Menge von Kontexten aufgefaßten waagerec hten Diagonalisierung !χ derselben stec kt. Insbesondere müssen also Folgerungen aus Bewußsteinsinhalten χx,s als Folgerungen aus !χx,i darstellbar sein (wobei i die Parametrisierung von s als Auswertungssituation ist). Was soll es aber heißen, daß ein Charakter χ aus der Menge !χx,i von Kontexten folgt? Hier hilft ein beliebig gewähltes Beispiel weiter: offenbar impliziert Alains Bewußtseinsinhalt etwa den Charakter χmir ist kalt, falls sic h Alain in einer Situation zu befinden meint, deren Ego zu deren Zeit an deren Ort in deren Welt etc . friert, falls also χmir ist jetzt hier tatsäc hlic h kalt an allen Kontexten in !χx,i — im Sinne des Default-Prinzips (D) — wahr ist. Letzteres heißt aber gerade, daß !χx,i eine Teilmenge von χmir ist kalt ist. In dem uns interessierenden Fall wird so aus der in (Rmeinen + INF) geforderten Implikation zwisc hen χx,s und χ eine Teilmengenbeziehung zwisc hen !χx,i und der Menge der Kontexte c’, für die χich(c ’)(i(c ’)) in χφc( )(i( c ’)) liegt. Damit ist klar, daß (Rmeinen + INF) in der Tat nur eine Reformulierung von (Rmeinen + INF) auf der Basis von (E’) ist. 9. Kontextabhängigkeit Die Formulierung (R’meinen + INF) ist dann besonders aufsc hlußreic h, wenn der eingebettete Infinitiv φ keinerlei deiktisc he Elemente enthält. In diesem Falle besagt die Regel, daß alle indexikalisc hen Parameter durc h die durc h einen Kontext c’ repräsentierte epistemisc he Situation des Subjekts besetzt werden. Unserer Annahme gemäß ist der einzige zusätzlic he kontextuelle Parameter der des Sprec hers; und dieser wird nac h (R’meinen + INF) ebenfalls von c’ determiniert. Die durc h einen Satz wie (62) beric htete Einstellung läuft also auf eine Lokalisierung der epistemisc hen Situation des Subjekts hinaus: der Satz ist wahr, falls Alain seine eigene Situation als eine solc he begreift, zu deren Zeit, an deren Ort, in deren Welt etc. das Subjekt friert: (62) Alain meint zu frieren. Der Beitrag des in (62) eingebetteten Infinitivs zur Extensionsbestimmung reduziert sic h somit auf die Menge der Kontexte c’, deren Sprec her die durc h das Verb ausgedrüc kte Eigensc haft besitzen. Das dem Infinitiv fehlende Subjekt wird also nac h (R’meinen + INF) implizit als Aspekt eines Kontexts aus dem Bewußtseinsinhalt des Einstellungssubjekts aufgefaßt. Der eingebettete Infinitiv ersc heint so als unmittelbarer Ausdruc k einer gewissen lokalisierenden Information im Sinne der Untersc heidung (E’). Dabei ist freilic h zu beac hten, daß diese Lokalisierung nic ht durc h den !-Operator aus dem infinitivisc hen Charakter, sondern lediglic h durc h eine (in der metasprac hlic hen Erläuterung gegebene) Deutung der unbesetzten Subjekts-Stelle gewonnen werden kann. Aber immerhin: (R’meinen + INF) liefert in der Anwendung auf Beispiele wie (62) eine gute Illustration für (E’): lokalisierende Informationen kann man sic h als die durc h absolut referierende Infinitive ausgedrückten Eigenschaften vergegenwärtigen. Bevor wir das Thema ‘Einstellungsverben’ endgültig verlassen, sei noc h darauf hingewiesen, daß sic h die anhand infinitiveinbettender Verben dargestellte Deutung von Einstellungen de se durc h Selbstzusc hreibung prinzipiell auc h auf satzeinbettende Verben übertragen läßt. Die für diese Übertragung erforderlic he semantisc he Tec hnik ist die aus der Kategorialgrammatik entlehnte Lückenvererbung, deren Darstellung hier allerdings zu weit führen würde. (Eine ausführlic he Würdigung enthält Artikel 7.) Dieser Hinweis mag jenen Rest von Skepsis gegenüber der weiter oben vorgeführten Deutung (Rmeinen) satzeinbettender Verben zerstreuen, der an- 211 gesic hts eventueller Lesarten de se noc h verblieben sein könnte. Daß die Details sehr kompliziert sind, wird der geduldige Leser spätestens dann merken, wenn er selbst einmal versuc ht, den subtilen Bedeutungsuntersc hied zwisc hen (63) und (63′) den einsc hlägigen Regeln gemäß zu beschreiben: (63) Lakoff träumte, daß er Brigitte Bardot war und ihn selbst küßte. (63′) Lakoff träumte, daß er Brigitte Bardot war und sich selbst küßte. In (63) soll dabei das akkusativisc he Personalpronomen auf das Matrix-Subjekt Lakoff zurüc kbezogen sein, während das Reflexivum in (63′) an das Subjekt er des eingebeteten Satzes gebunden werden soll. Selbst wer (wie der Verfasser dieser Zeilen an allen Tagen mit ungeradem Datum) für (63) die Lesart, nac h der Lakoff in seinem Traum die Welt aus BBs Augen sieht und aus dieser Perspektive einen bedeutenden Linguisten küßt, nic ht so rec ht nac hempfinden kann, ist herzlic h dazu eingeladen, diesem Satz einmal zu Übungszwekken ebendiese Interpretation zu unterstellen. Den bisher in diesem Absc hnitt betrac hteten Beispielen ist gemeinsam, daß die in ihnen enthaltenen deiktisc hen Elemente — ganz im Sinne der klassisc hen Theorie — stets unmittelbar auf die Äußerungssituation bezogen waren und daß andere, dieser Situation fremde Perspektiven niemals zur Ermittlung der Intensionen irgendwelc her Teilausdrüc ke herangezogen werden mußten: in (Rmeinen) wurden die für das Einstellungs-Subjekt einsc hlägigen Arten des Gegebenseins der Referenten direkt referentieller Ausdrüc ke offengelassen und somit insbesondere nic ht von den im Einstellungs-Beri c ht verwendeten Ausdrüc ken determiniert; und in (Rmeinen + INF) wird zwar für das implizite Subjekt des Infinitivs eine ganz bestimmte Perspektive gefordert, doc h wird dieses Subjekt synkategorematisc h gedeutet und gerade nic ht als sprac hlic her Ausdruc k, dessen Charakter die betreffende Einstellung als de se kennzeic hnet. Um nun aber im Beric h der Einstellungsberic hte die klassisc he Theorie aufs Glatteis zu führen, bedarf es offenbar mehr als nur solc her Beispiele, für deren Deutung andere Äußerungssituationen oder epistemisc he Zustände herangezogen werden müssen. Wie ein potentielles Gegenbeispiel zur klassisc hen Theorie besc haffen sein könnte, mac ht man sic h vielleic ht an dieser Stelle anhand einer abwegigen Deutung des eingebetteten Infinitivs klar, nac h der einfac h das dem Infinitiv implizite 212 Subjekt durc h ich besetzt wird, wobei gleic hzeitig gefordert wird, daß die Extension dieses nic ht realisierten ich am epistemisc hen Zustand des Einstellungs-Subjekts bestimmt wird. Eine solc he systematisc h versc hobene Deutung des ich hat offenbar denselben Effekt wie die oben angegebene Interpretation der Infinitiv-Einbettung; doc h diese der klassisc hen Theorie fremde Ersetzung der Äußerungssituation ist natürlic h einigermaßen ad hoc und — wie die äquivalente Regel (Rmeinen + INF) beweist — vermeidbar. (Sie führt obendrein zu syntaktisc hen Komplikationen.) Die Frage aber bleibt, ob es nic ht Beispiele gibt, bei denen eine solc he Ersetzung der Äußerungssituation durc h eine andere epistemisc he Perspektive die einzige Möglic hkeit ist. Dies wäre natürlic h insbesondere dann der Fall, wenn das entsprec hende deiktisc he Element an der sprac hlic hen Oberfläc he ersc heint und nic ht — wie das vorgeblic he ich des Infinitivs — durc h grammatisc he Analyse hin- oder wegerklärt werden kann. Hier ist so ein Fall: (64) Schweißgebadet wachte Tom mitten in der Nacht auf: morgen war Heiligabend, und er hatte völlig vergessen, dem Weihnachtsmann seinen Wunschzettel zu schicken. Das Problem ist das Temporaladverb morgen, das sic h für gewöhnlic h auf den Tag nac h der Äußerungssituation bezieht (und somit deiktisc h ist). Im vorliegenden Fall ist zunäc hst nic ht hundertprozentig klar, worauf morgen überhaupt verweist: ist es der auf die besc hriebene (Auswertungs-) Situation folgende Tag, oder handelt es sic h um den näc hsten Tag aus Toms Sic ht? Wie dem auc h sei: die Äußerungssituation spielt — zumindest in der näc hstliegenden Lesart von (64) — für die Bestimmung der Extension von morgen gar keine Rolle. Es sc heint, als müsse sie für den kurzen Moment der Äußerung von morgen durc h eine andere Situation ersetzt werden. Wir haben also unser Gegenbeispiel gefunden. Oder etwa nic ht? Immerhin basierte die Argumentation des vorhergehenden Absatzes auf der Voraussetzung, daß morgen deiktisch ist und also seine Extension aus der Äußerungssituation bezieht. Nun zeigt aber doc h (64) gerade, daß das nic ht der Fall sein kann. Statt der gesamten klassisc hen Theorie sollten wir vielleic ht einfac h nur die Annahme aufgeben, daß morgen deiktisc h ist, und (64) im Gegenteil als Indiz dafür werten, daß es sic h IV. Kontexttheorie um ein absolutes Wort zur Kennzeic hnung des auf die Auswertungssituation folgenden Tages handelt. Wenn wir dann noc h annehmen, daß der Satz morgen war Heiligabend in (64) unter ein unsic htbares Einstellungsprädikat (mit unsic htbarem Subjekt Tom) eingebettet ist, kämen wir der intendierten Deutung von (64) offenbar rec ht nahe. Gegen diese bequeme Lösung spric ht der Umstand, daß Beispiele wie (64) sehr selten sind und in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle das Wort morgen eben doc h auf die Äußerungssituation bezug nimmt, was zumindest irgendwie erklärt werden müßte. Für eine absolute Deutung spric ht wiederum die Tatsac he, daß eine analoge Versc hiebung der Äußerungssituation für die Bestimmung der Extension eines so klar deiktisc hen Wortes wie ich unmöglic h zu sein sc heint: (64′) besagt etwas ganz anderes als (64). (64′) Schweißgebadet wachte Tom mitten in der Nacht auf: morgen war Heiligabend, und ich hatte völlig vergessen, dem Weihnachtsmann meinen Wunschzettel zu schicken. Es ist natürlic h fraglic h, ob sic h aus der Existenz solc her isolierter Beispiele irgendein entsc heidender Einwand gegen die klassisc he Theorie konstruieren läßt. Sätze wie (64) muten ohnehin irgendwie metasprac hlic h an oder sind jedenfalls sonstwie markiert. Die Gesuc htheit solc her vermeintlic her Gegenbeispiele ist vielleic ht gerade ein Hinweis darauf, daß die klassisc he Theorie mit ihrer Analyse des Normalfalls nicht so ganz schief liegt. 4.3 Skopismus, Holismus und quantifizierte Kontexte In diesem Absc hnitt dreht es sic h weniger um einen Phänomenbereic h, der sic h im Rahmen der klassisc hen Theorie nic ht oder nur auf unbefriedigende Weise besc hreiben ließe, als vielmehr um einen weiteren Ansatz zur Semantik deiktisc her Ausdrüc ke: den Skopismus. Aus zweierlei Gründen handeln wir diese Alternative erst hier und nic ht sc hon im zweiten Teil ab: einerseits hat nämlic h offenbar niemand jemals eine ernstgemeinte skopistisc he Analyse des Phänomens der Deixis geliefert; die Möglic hkeit geistert lediglic h als Sc hrec kgespenst durc h die klassisc h geprägte Literatur. Andererseits ergeben sic h aus der Kritik des Skopismus aus klassisc her Sic ht wiederum tiefe Einsic hten in und möglic herweise sc hwerwiegende Einwände gegen die klassische Theorie selbst. 9. Kontextabhängigkeit Um überhaupt zu sehen, daß und wie der Skopismus ursprünglic h motiviert ist, führen wir zunäc hst ein Beispiel vor, bei dem man die für den Skopismus zentrale Skopus-Analyse auf gewisse absolut referierende Ausdrücke anwendet: (65) Anfang der siebziger Jahre war in der National-Zeitung zu lesen, in schwerer Zeit habe der Kanzler das Vaterland im Stich gelassen. Uns interessiert an (65) nur ein ganz spezieller semantisc her Aspekt, nämlic h der Beitrag, den die Kennzeic hnung der Kanzler zur Extensionsbestimmung leistet; und bei dieser Nominalphrase ist es vor allem die Zeitabhängigkeit ihrer Extension, der unsere Aufmerksamkeit gilt. Zunäc hst einmal müssen wir aber die Grobstruktur von (65) irgendwie in den Griff bekommen. Wir gehen davon aus, daß es sic h bei war in der National-Zeitung zu lesen um ein subjektloses EinstellungsPrädikat handelt, dessen Extension (in einer Auswertungssituation) die Propositionen umfaßt, die durc h die in der National-Zeitung (in derselben Situation) behaupteten Sätze ausgedrüc kt werden. Die adverbialen Bestimmungen Anfang der siebziger Jahre und in schwerer Zeit dagegen quantifizieren (existentiell) über die Auswertungs-Zeiten jeweils ganz bestimmter Zeiträume. Der gesamte Satz besagt damit, daß es einen Zeitpunkt z am Anfang der 70er Jahre gibt, so daß in der zu z ersc hienenen Ausgabe der National-Zeitung eine Behauptung aufgestellt wurde, die dann zutrifft, falls es eine Zeit z’ zwisc hen 1933 und 1945 gibt, zu dem die durc h den Satz der Kanzler hat das Vaterland im S tich gelassen ausgedrüc kte Proposition p wahr ist. Nac h der in Absc hnitt 3.3 skizzierten Semantik der Kennzeic hnungen hängt nun die Identität von p davon ab, ob die Kennzeic hnung der Kanzler deiktisc h oder absolut verstanden werden soll; der eingebettete Satz ist gerade in dieser Hinsic ht mehrdeutig. Nac h der ersten Lesart würde zur Zeit der Abfassung dieses Kapitels die Intension des eingebetteten Satzes pdgerade die (fiktiven und realen) Situationen umfassen, in denen Helmut Kohl das Vaterland im Stic h läßt; die zweite Lesart padagegen besteht aus den Situationen s, in denen der Kanzler in s das Vaterland im Stic h läßt. Im einen Falle würde also (65) auf die Behauptung hinauslaufen, daß die National-Zeitung zu Beginn der 70er Jahre Helmut Kohls Vergangenheit unter die Lupe genommen hätte; im zweiten Falle würde dem Blättc hen unter- 213 stellt, es werfe dem Reic hskanzler Adolf Hitler Vaterlandsverrat vor. Es ist nic ht zu bestreiten, daß (65) in der Tat diese beiden — offenkundig falschen — Lesarten besitzt. Das Problem ist natürlic h, daß (65) in gewisser Weise stimmt. Doc h hatte es die rec htsradikale Presse zum genannten Zeitpunkt natürlic h weder auf den pfälzisc hen Konservativen noc h auf den Braunauer Rassisten abgesehen. Zielsc heibe der Angriffe war vielmehr der damals amtierende Bundeskanzler Willy Brandt. Neben pdund pasc heint also der eingebettete Satz auc h noc h die Proposition pmausdrüc ken zu können, die gerade in den Situationen zutrifft, in denen derjenige, der zum einsc hlägigen Ersc heinungsdatum z der National-Zeitung Kanzler war, im Dritten Reic h das Vaterland im Stic h gelassen hat. Diese dritte (oder mittlere) Lesart, die man mit der Auflösung der Kennzeic hnung der Kanzler in zwei Lesarten offensic htlic h nic ht bekommen kann, ergibt sic h nun auf natürliche Weise mit einer Skopus-Analyse. Wir führen das Verfahren hier nur sehr grob vor; die Details können an anderer Stelle nac hgelesen werden. Wir verweisen auf die Artikel 22 und 7. In der Tat haben wir die Tec hnik sc hon in Absc hnitt 4.1 kennengelernt, wo wir für den Zwec k der Quantorenbindung Sätze in Nominalphrasen und offene Formeln zerlegt haben. Entsprec hende Zerlegungen können wir nun auc h bei (65) und seinen Teilsätzen vornehmen, obwohl dort natürlic h gar kein Pronomen gebunden werden muß. Drei dieser Zerlegungen interessieren uns hier besonders, da sie — wie wir sogleic h sehen werden — den drei beobac hteten Lesarten entsprec hen. Zunäc hst einmal kann man (65) in die (absolut zu deutende) Nominalphrase der Kanzler und die verbleibende Matrix md (Anfang der siebziger Jahre war in der National-Zeitung zu lesen, in schwerer Zeit habe x das Vaterland im S tich gelassen) zerlegen; diese Zerlegung läßt sic h dann so deuten, daß die Extension von mddie Menge Md der Individuen ist, die die Matrix (anstelle von x) erfüllen und daß der ganze Satz wahr ist, wenn die Extension der Kennzeic hnung ein Element von Mdist. Eine zweite Möglic hkeit ergibt sic h, wenn wir lediglic h den eingebetteten Satz in der Kanzler und die Matrix mm (in schwerer Zeit habe x das Vaterland im S tich gelassen) zerlegen und das Ganze analog deuten. Drittens und letztens können wir den eingebetteten Satz ‘unterhalb’ des Temporaladverbs in der Kanzler und eine Matrix ma (x habe das Vaterland im S tich gelassen) se- 214 zieren. Wie man nun leic ht nac hweist (und die Notation sc hon andeutet), entsprec hen diesen drei Zerlegungen gerade die drei vorher ausgemac hten Lesarten. Das war die SkopusAnalyse von (65). Es ist bemerkenswert, daß die SkopusAnalyse ohne die Annahme einer Ambiguität in der Kennzeic hnung der Kanzler auskommt. Daraus könnte man an dieser Stelle die (freilic h voreilige) Konsequenz ziehen, genau diese Annahme sei überflüssig. Wir lassen diesen Punkt vorerst offen und wenden uns zunäc hst einer weit radikaleren Spekulation zu, die sic h an dieser Stelle ebenso aufzudrängen sc heint. Dazu sc hauen wir uns noc h einmal genauer an, wie die direkt referentielle Lesart der Kennzeic hnung der Kanzler durc h die Skopus-Analyse von (65) abgedec kt wird. Wir haben bereits erwähnt, daß der gewünsc hte Effekt dadurc h erreic ht wird, daß der gesamte Satz (65) in die betreffende Nominalphrase plus Rest-Matrix zerlegt wird: die Extension der NP wird dann an der für die Auswertung dieses Gesamtsatzes einsc hlägigen Situation vorgenommen, und das ist — aufgrund des Prinzips (D) — gerade die Äußerungssituation. Dieser Effekt ist natürlic h von Einzelheiten des Beispiel (65) unabhängig: sobald ein Satz in eine NP plus Rest-Matrix zerlegt und im angedeuteten Sinne interpretiert wird, hängt die Extension der NP — eben wegen (D) — nur von der Äußerungssituation ab. In diesem Sinne läßt sic h direkte Referentialität durc h Skopus simulieren. Da man den komplexen Apparat der Skopus-Analyse — wie (65) zeigt — ohnehin zu benötigen sc heint, ist es nur billig zu fragen, warum man ihn dann nic ht auc h auf dem Terrain der klassisc hen Theorie, der Semantik deiktisc her Ausdrüc ke, zum Einsatz bringen sollte. Genau diese Übertragung der soeben besc hriebenen skopusanalytis c hen Te c hniken auf deiktisc he Ausdrüc ke bezeic hnen wir hier als Skopismus. Sc hauen wir uns genauer an, wohin diese Spekulation führt. Zunäc hst einmal muß klargestellt werden, daß eine Skopus-Analyse für deiktisc he Ausdrüc ke nic ht genau nac h dem Muster des eben diskutierten Beispiels vorgenommen werden darf. Denn der Witz an solc hen Ausdrüc ken wie ich und jetzt ist es ja gerade, daß sie sic h immer auf die Äußerungssituation beziehen und nic ht — wie der Kanzler in (65) — je nac h Lesart (Zerlegung) auf sie bezogen werden können oder nic ht. Eine Übertragung der Skopus-Analyse auf deiktis c he Ausdrü c ke müßte also sämtlic he Lesarten bloc kieren, bei IV. Kontexttheorie denen diese nic ht in Abhängigkeit von der Äußerungssituation gedeutet würden. Daß die Durc hführung einer solc hen Bloc kade kein triviales Unternehmen sein kann, sieht man vielleic ht sc hon daran, daß eine einfac he Regelung, nac h der jedes deiktisc he Element a zu einer Zerlegung des Gesamtsatzes φ(α) in a plus Rest-Matrix φ(x) Anlaß geben soll, sc hon deshalb nic ht funktionieren kann, weil der Gesamtsatz mehr als ein deiktisc hes Element enthalten könnte. Von diesem tec hnisc hen Detail abgesehen, würde eine Zurüc kführung der Deixis auf Skopus-Verhalten in einen ernsthaften Konflikt mit jeder Art von Kompositionalitätsprinzip führen. Ein Satz, der Deiktisc hes enhält, könnte nämlic h nac h dieser Analyse so gut wie nie in einen anderen Satz eingebettet werden, ohne daß sic h durc h diese Einbettung nic ht auc h seine Bedeutung ändern würde: durc h die Einbettung ergibt sic h ein neuer Gesamtsatz und somit auc h eine neue Zerlegung, die im allgemeinen nic ht zur ursprünglic hen Zerlegung äquivalent ist. In gewisser Weise liegt genau hier der Angriffspunkt der klassisc hen Theorie gegen den Skopismus; doc h davon später mehr. Sc hauen wir uns zunäc hst einmal an, was durc h die Besc hreibung der Deixis mit Hilfe der Skopus-Analyse gegenüber der klassisc hen Theorie gewonnen sein könnte. Was den Skopismus gegenüber der klassisc hen Theorie so attratkiv mac ht, ist leic ht gesagt: er kommt ohne eine Untersc heidung von Äußerungs- und Auswertungssituation und somit ohne den Charakter als zu Extension und Intension zusätzlic her semantisc her Ebene aus. Da die Untersc heidung von Charakter und Intension ja gerade durc h die klassisc he Analyse deiktisc her Ausdrüc ke in intensionalen Umgebungen motiviert war, ist das nic ht weiter verwunderlic h. Dennoc h lohnt es sic h, einmal genau nac hzusc hauen, was eigentlic h im Rahmen einer skopistisc hen Analyse aus dem ursprünglic hen Situationenpaar wird. Dazu ziehen wir eine Variante eines Beispiels zurate, das uns einmal (in Absc hnitt 1.2) zur Motivation der Dualität von Äußerungs- und Auswertungssituation gedient hat: (66) Monika vermutet, daß ich nicht spreche. Der klassisc hen Theorie gemäß sieht die logisc he Form von (66) — in der extensionalisierten Notation von Absc hnitt 2.2 — in etwa folgendermaßen aus: (66′) VERMUTEN(s, Monika, {s SPRECHEN(s, ICH(s0))}) 9. Kontextabhängigkeit In (66′) haben wir die in der Metasprac he übli c he Notation für Mengenabstraktion durc h gesc hweifte Klammern benutzt. Man beac hte, daß die zwisc hen ‘{’ und ‘’ stehende Variable s im Mengenterm gebunden ist und sic h in dieser Hinsic ht von dem ersten, freien Vorkommen von s in (66′) untersc heidet; wir haben dieselbe Variable gewählt, um hervorzuheben, daß es sic h um dieselbe Art der Bezugnahme auf Auswertungssituationen handelt. Weniger verwirrend ist jedoc h diese — vollkommen äquivalente -Notation: (66) VERMUTEN(s, Monika, {s’ ﹁ SPRECHEN(s’, ICH(s0))}) Vergleic hen wir nun diese Formel mit dem Ergebnis der entsprec henden Skopus-Analyse! Dafür müssen wir (66) zunäc hst in das deiktisc he ich und die Restmatrix vermutet, daß x nicht spricht zerlegen. (Morphologisc he Feinheiten übergehen wir wieder einmal.) Letztere enthält keine deiktisc hen Elemente — zumindest wenn wir die Finitheit ignorieren — und besitzt demnac h die folgende absolut referierende Form: (67) VERMUTEN(s, Monika, {s ﹁ SPRECHEN(s,x)}) Die Skopus-Analyse bildet jetzt aus (67) eine Menge und weist (66) die Aussage zu, daß die Extension von ich ein Element derselben ist. Wir erhalten damit: (66′) ICH(s0) ∈ {x VERMUTEN(s, Monika, {s ﹁ SPRECHEN(s, x)}) Wir haben wie in der klassisc hen Theorie die Extension von zwei Situationen abhängig gemac ht, obwohl wir ja zeigen wollen, daß nac h skopistisc her Auffassung eine einfac he Situationsabhängigkeit vollkommen ausrei c ht. Das in (66′) freie Vorkommen von s (das die Auswertungssituation für das Prädikat VERMUTEN andeutet) und das (für die Extensionsbestimmung von ICH zuständige) s0 müßten also durc h dieselbe Variable ersetzt werden können, wenn unsere Vermutung ric htig ist; und da der Sprec her-Parameter ICH nur in Bezug auf Äußerungssituationen Sinn mac ht, sollte diese eine Variable gerade s0sein. Wir erhalten somit aus (66′) eine Formel, die sic h — wieder unter Rüc kgriff auf eine gebundene Umbenennung — auf die folgende kompaktere Form bringen läßt: (66) VERMUTEN (s0, Monika, {s’ ﹁ SPRECHEN (s’, ICH(s0))}) Wir sehen also, daß das bei der klassisc hen Analyse (66k) herangezogene Paar aus Äuße- 215 rungs- und Auswertungssituation in der Skopus-Analyse (66s) durc h den entsprec henden waagerec hten Diagonalpunkt ersetzt wurde: die Skopus-Analyse ist damit zur waagerec hten Diagonalisierung der klassisc hen Analyse äquivalent. Zwisc hen den beiden besteht somit durc haus ein kleiner Untersc hied. Ist damit unsere Vermutung, der Skopismus könne die klassisc he Theorie ohne Charaktere simulieren, widerlegt? Nicht ganz. Der Sc hlüssel zur Klärung des Verhältnisses der beiden Ansätze zueinander liegt in dem der klassisc hen Theorie eigentümlic hen Default-Prinzip. Denn das Prinzip (D) besagt, daß ein Satz genau in den (Äußerungs-)Situationen wahr ist, in denen auc h seine waagerec hte Diagonalisierung wahr ist. Der von Haus aus zweidimensionale Wahrheitsbegriff der klassisc hen Theorie wird auf diese Weise eindimensional. Mit Hilfe der soeben an (66) gemac hten Beobac htungen — die sic h bei einer geeigneten Präzisierung auf beliebige Sätze verallgemeinern ließen — sc hließen wir, daß der Skopismus auf denselben eindimensionalen Wahrheitsbegriff führt wie die klassisc he Theorie. Soweit sic h die zentralen semantisc hen Begriffsbildungen auf den (auf Äußerungssituationen relativierten) Wahrheitsbegriff zurüc kführen lassen, ist also der Skopismus — seine Mac hbarkeit einmal vorausgesetzt — zumindest in deskriptiver Hinsic ht der klassisc hen Theorie ebenbürtig. Eine klassisc he Kritik der Gleic hsetzung von direkter Referenz und weitem Skopus muß damit entweder (a) über die deskriptive Adäquatheit hinausgehende externe Kriterien für die Bevorzugung semantisc her Theorien angeben oder aber (b) wenigstens einen nur klassisc h (im Gegensatz zu: skopistisc h) definierbaren Begriff nennen, der nic ht nur innerhalb der klassisc hen Theorie selbst von Interesse ist. Vertreter der klassisc hen Theorie versuc hen in der Regel, den Forderungen (a) und (b) auf einen Sc hlag nac hzukommen. Wir haben ja sc hon gesehen, daß der Skopismus mit dem Makel einer inhärenten Nic ht-Kompositionalität behaftet ist. Kompositionalität ist dann auc h das klassisc herweise angeführte externe Kriterium. Der Skopismus erfüllt es nic ht; die klassisc he Theorie hingegen — Durc hführbarkeit des Programms wieder einmal außen vor — erfüllt das Monsterverbot (M) und damit eine relativ strenge Kompositionalitats-Anforderung: Kompositionalität gilt nic ht nur auf Charakter-, sondern sogar auf Intensions-Ebene. Die Intension ist zu- 216 gleic h auc h der wic htigste gegen vermeintlic he Skopisten als Beleg zu (b) ins Felde geführte klassisc he Begriff: in der Skopus-Analyse verwisc ht sic h der Untersc hied zwisc hen Charakter und Intension. Wir können uns diese klassisc he Kritik leic ht anhand des obigen Analyse-Beispiels klarmac hen. Der kleine Untersc hied zwisc hen (66k) und (66s) besteht ja gerade darin, daß nur in der klassisc hen Variante (durc h die Wahl untersc hiedlic her Variablen) zwisc hen Äußerungs- und Auswertungssituation differenziert wird. Bei der Defintion der Intension aus der Charakterformel (66k) mac ht man sic h diesen Untersc hied zunutze, indem man erstere, nic ht aber letztere mit einem konkreten Wert belegt. Eine solc he differenzierte Belegung ist aber in (66s) unmöglic h, da es hier nur eine freie Variable gibt, deren Vorkommen alle (zu)gleic h belegt werden müssen. Die Nic ht-Definierbarkeit der Intension erklärt das Sc heitern der Kompositionalität: die Intension wird gerade für eine Einbettung in intensionale Umgebungen benötigt. Daß Intensionen über ihre Rolle für eine kompositionelle Deutung hinaus irgendein Interesse haben können, muß freilic h erst noc h gezeigt werden. Dazu genügt es, sic h auf einen speziellen Typ von Intensionen, die Propositionen, zu konzentrieren. Bereits bei ihrer intuitiven Motivierung (in Absc hnitt 1.1) sind Propositionen als Satzinhalte, als das, was S ätze besagen, eingeführt worden. Sie haben somit eine — wenn auc h etwas vage — außertheoretisc he Charakterisierung erfahren. Genauer: der klassisc he Propositionsbegriff beanspruc ht, ein vortheoretisc h gegebenes Phänomen zu erfassen. Dieser Anspruc h der klassisc hen Theorie, die mit Sätzen (in Äußerungssituationen) gemac hten Aussagen durc h die von ihnen ausgedrüc kten Propositionen zu erfassen, manifestiert sic h in der Aufspaltung (E) des Informationsgehalts in zwei Komponenten. Und hier versagt der Skopismus: da mit ihm der Propositionsbegriff nic ht definierbar ist, ist er auc h nic ht in der Lage, ein Analogon zu (E) zu liefern. Damit ist er insbesondere auc h als Ausgangspunkt für die in Absc hnitt 2.5 angedeuteten erkennntistheoretis c hen Betra c htungen ungeeignet. Die die Kompositionalität betreffende klassisc he Kritik (a) des Skopismus wollen wir hier nic ht weiter diskutieren, weil sie offenkundig gerec htfertigt ist. Uns interessiert hier mehr der Einwand (b), der klassisc he Propositions-Begriff sei von unabhängigem Interesse. Wir haben bereits darauf hingewie- IV. Kontexttheorie sen, daß der ihm entsprec hende vortheoretisc he Begriff des Besagten ein wenig vage ist. Machen wir uns das an einem Beispiel klar: (68) Ich bin jetzt in Grasse. Was (68) besagt, hängt offensic htlic h davon ab, unter welc hen Umständen der Satz geäußert wird. Günter Grass hätte mit einer Äußerung von (68) anno 1959 etwas anderes gesagt, als es Patric k Süskind mit demselben Satz im Jahre 1989 vermag: im ersten Fall läuft die Äußerung auf die Behauptung hinaus, daß sic h der bekannte Sozialdemokrat zu einem gewissen Zeitpunkt der fünfziger Jahre in der Parfümstadt befindet, während die zweite Äußerung von einem gewissen Gegenwartsautoren besagt, er weile zu einer bestimmten späteren Zeit in der Provenc estadt. So jedenfalls lehrt es uns die klassisc he Theorie. Doc h stimmt das auc h? Stellen wir uns einmal vor, die beiden Äußerungen von (68) wären Texte auf Ansic htskarten, die die Autoren jeweils an ihre Verleger gesc hic kt hätten. Auf der Buc hmesse treffen sic h nun diese beiden Verleger, wobei der eine die Karte des anderen sieht und dieselbe mit folgenden Worten kommentiert: (69) Das hat Grass damals auch geschrieben; in Wirklichkeit hat er sich dann in Godesberg herumgetrieben. Uns interessieren die ersten drei Buc hstaben von (69), mit denen sic h der Sprec her auf die in Süskinds Ansic htskarte aufgestellte Behauptung bezieht. Da er nac h unserer Gesc hic hte zumindest mit dem ersten Teilsatz von (69) rec ht hat, kann die Extension des das in dieser Lesart (A) unmöglic h die (nac h der klassisc hen Theorie) auf Süskinds Ansi c htskarte ausgedrü c kte Proposition sein; denn über seines zukünftigen Kollegen zukünftigen Aufenthaltsort hat sic h Günter Grass zur Zeit des Parteitags sic herlic h keine Gedanken gemac ht. In einem gewissen Sinne ist also das, was mit der von uns betrac hteten Äußerung von (68) gesagt wird, nic ht dasselbe wie die Intension dieses Satzes. Natürlic h kann man den Begriff auc h in dieser Situation im Sinne der klassisc hen Theorie verstehen: wenn Süskinds Verleger ein Witzbold ist, kann er vielleic ht auf die Äußerung seines Kollegen mit seiner Bewunderung der Weitsic ht des Autoren der Blechtrommel kontern — oder seiner Verwunderung darüber Ausdruc k geben, daß sic h der von ihm selbst verlegte Erfolgsautor sc hon in so jungen Jahren für Politik interessierte. Im ersten Falle (B) hätte er dann das das im Sinne von daß 9. Kontextabhängigkeit S üskind zur Zeit der Abfassung seiner Karte in Grasse sei, also der Intenison der betreffenden Äußerung von (68), verstanden; im zweiten Falle (C) hätte er offenbar das Demonstrativum auf die durc h S üskind befindet sich 1959 in Grasse ausgedrüc kte Proposition bezogen. Wohlgemerkt: alle drei Möglic hkeiten des Verständnisses von das sind in dieser Situation legitim — wenn auc h zwei von ihnen aus inhaltlic hen Gründen abwegig ersc heinen; und alle drei Möglic hkeiten ergeben sic h aus der waagerec hten Diagonalisierung des Charakters von (68) durc h Bezug jeweils versc hiedener situationeller Parameter auf die Äußerungssituation — aber es ist keineswegs klar, daß eine dieser drei Möglic hkeiten in einem besonderen, von den anderen beiden verfehlten Sinne das mit dem Satz (in der Situation) Gemeinte trifft. In der sc hon weiter oben benutzten Notation der Extensionalisierung kann man die drei Verständnisse des in der betreffenden Situation durc h (68) Besagten so darstellen: (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0), Zeit(s0), ICH(s0), Grasse) (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0),1989, Süskind, Grasse) (68) LOKALISIERUNG(Welt(s0), Zeit(s0), Süskind, Grasse) Die von der klassischen Theorie beanspruchte Rekonstruktion eines vortheoretisc hen Begriffs ist also alles andere als offenkundig: das Beispiel legt eher den Verdac ht nahe, daß das vage alltagssprac hlic he Verständnis vom Gesagten zwisc hen der Intension (68B) im klassisc hen Sinne und anderen Möglic hkeiten der Abstraktion von Aspekten der Äußerungssituation c hangiert. Bei der vermeintlic hen Rekonstruktion handelt es sic h also allenfalls um einen normativen Eingriff in die Alltagssprac he: verwende den Begriff des Gesagten stets im Sinne des klassisc hen PropositionsBegriffs. Die Äußerung (69) des Verlegers von Grass zeugt dann von laxem Sprachgebrauch. Natürlic h waren Intensionen und speziell Propositionen in der klassisc hen Theorie und ihren Vorläufern in erster Linie herangezogen worden, um den Beitrag zu bestimmen, den ein sprac hlic her Teilausdruc k in einer nic htextensionalen Umgebung zur Bestimmung der Extension des Gesamtausdruc ks leistet. Diese Bestimmung des Propositions-Begriffs ist gegen die soeben vorgebrac hten kritisc hen Betrac htungen immun. Doc h mit ihr allein läßt sic h auc h kein wesentlic h über den Vor- 217 wurf der Nic ht-Kompositionalität hinausgehender Einwand gegen den Skopismus konstruieren — allenfalls der, daß der Begriff des (kompositionellen) Beitrags zur Extension von unabhängigem (empirisc hen?) Interesse sei. Versuc ht die klassisc he Theorie, mit ihrem Intensions-Begriff irgendeinen weitergehenden Anspruc h zu stellen, bleibt ihr nur die Flucht in eine zweifelhafte Normativität. Wie die Intension in der klassisc hen Theorie aufgefaßt wird, gerät sie nic ht nur häufig mit dem vortheoretisc hen Begriff vom Gesagten in Konflikt, sondern ebensooft auc h mit einem sic h durc h einfac he Plausibilitäts-Überlegungen aufdrängenden umgebungsrelativen Begriff des Beitrags zur Extension. Das gilt zumindest im Rahmen einer Parametrisierung. Wie wir sc hon in Absc hnitt 2.3 gesehen haben, läuft eine Parametrisierung (immer unter der Annahme, daß jeder kontextuelle Parameter zugleic h auc h indexikalisc h ist) auf eine Aufspaltung 〈i,i’,c〉 jedes Referenzpunkts in die Aspekte i der Auswertungssituation, die indexikalisc hen Aspekte i’ der Äußerungssituation und die rein kontextuellen Aspekte c der Äußerungssituation hinaus. In welc her Aspektliste sic h ein Parameter P niedersc hlägt, hängt von seiner Verschiebbarkeit ab: wenn es eine (intensionale) Konstruktion gibt, die die Extension eines Gesamtausdruc ks von den Extensionen seiner Teile an solc hen Situationen abhängig mac ht, die sic h von der Äußerungssituation in P unterscheiden, dann ist P indexikalisc h; sonst ist P rein kontextuell. Man beac hte, daß die Einordnung von P ein für allemale und insbesondere unabhängig von der für die Versc hiebbarkeit verantwortli c hen Konstruktion ges c hieht: wenn es auc h nur eine einzige solc he den Parameter P betreffende Versc hiebung gibt, dann ist P grundsätzlic h indexikalisc h; die Abhängigkeit der Extension von Ps Wert muß in diesem Falle bei jeder intensionalen Konstruktion — und sei es auc h nur pro forma — berüc ksic htigt werden. In dieser Unflexibilität in der Aufspaltung der Referenzpunkte läßt sic h die Ursac he einiger Unplausibilitäten der klassischen Theorie erkennen. Ein paar Beispiele zeigen hoffentlic h, was gemeint ist. Bei ihrer Analyse werden wir uns noc h weiter von jeglic hen Standards der deskriptiven Semantik entfernen, als wir es ohnehin sc hon in diesem Kapitel getan haben. Möge der didaktisc he Zwec k, einen allgemein-theoretis c hen Punkt aufzuhellen, die Skrupellosigkeit gegenüber den Daten und ihrer Beschreibung rechtfertigen! 218 Ein Modaladverb wie möglicherweise bezieht sic h — jedenfalls nac h einer naheliegenden semantisc hen Analyse — auf den Weltparameter und auf keinen anderen: (70) Möglicherweise war alles umsonst. Wenn Fritz nac h Verspeisen eines opulenten Mahls in einem Restaurant mehrere Male vergeblic h nac h der Rec hnung verlangt und dann seiner Gemahlin gegenüber die Hoffnung (70) äußert, so bringt er damit zum Ausdruc k, daß es zumindest in gewissen, wohl eher irrealen Situationen s so ist, daß der unter das Modaladverb eingebettete Satz es war alles umsonst in s wahr ist. Nic ht von jedem überhaupt denkbaren s ist jedoc h dabei die Rede, sondern lediglic h von solc hen, die sic h zur selben Zeit am selben Ort, aber nic ht unbedingt in der Wirklic hkeit abspielen. Versc hoben wird also nur der Weltaspekt. Als Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes bietet sic h somit diese Abhängigkeit vom Weltaspekt an. Ein Lokaladverb wie nirgends bezieht sic h — ebenfalls nac h einer naheliegenden semantisc hen Analyse — auf den Ortsparameter und auf keinen anderen: (71) Nirgends gibt es einen für diese Zwecke geeigneteren Ort. Wenn ein Sc hüler auf die Anordnung seiner Lehrerin, sc hleunigst den auf ihrem Stuhl befindlic hen Reißbrettstift zu entfernen, (71) erwidert, so bringt er damit zum Ausdruc k, daß keine Situation s so ist, daß der unter das Lokaladverb eingebettete Satz es gibt einen für diese Zwecke geeigneteren Ort in s wahr ist. Nic ht von jedem überhaupt denkbaren s ist jedoc h dabei die Rede, sondern lediglic h von solc hen, die sic h zur selben Zeit in derselben Welt, aber nic ht unbedingt am Ort der Äußerung abspielen. Versc hoben wird also nur der Ortsaspekt. Als Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes bietet sic h somit diese Abhängigkeit vom Ortsaspekt an. Die im Zusammenhang mit (70) und (71) angestellten Betrac htungen sind mit der klassisc hen Theorie nic ht hundertprozentig vereinbar. Wenn nämlic h die Analyse von (70) zeigt, daß der Weltparameter versc hiebbar ist und die Analyse von (71) auf die Versc hiebbarkeit des Ortsparameters hinweist, dann muß in jedem der beiden Fälle die im jeweils anderen Fall beobac htete Versc hiebbarkeit in den globalen, von der einzelnen Konstruktion unabhängigen Intensions-Begriff eingehen. Beitrag des eingebetteten Satzes zur Extension des Gesamtsatzes muß also in beiden IV. Kontexttheorie Fällen die Abhängigkeit von der Welt, vom Ort und von weiteren, in anderen Umgebungen beobac heten Aspekten sein. Was der Beitrag eines Teils zur Extension des Ganzen ist, hängt also nac h der klassisc hen Theorie strenggenommen von allen nic ht-extensionalen Konstruktionen der jeweiligen Sprac he bzw. von deren Besc hreibung ab. In diesem Sinne haftet der klassisc hen Theorie (bei einer Parametrisierung der Auswertungssituationen) ein holistisches Element an. Eine Alternative zu diesem Holismus könnte sic h durc h eine etwas flexiblere Auffassung von Referenzpunkten ergeben. Wir skizzieren hier nur ein denkbares Vorgehen; ob es wirklic h zu intuitiveren Resultaten führt als die klassisc he Theorie, steht in den Sternen am Ideenhimmel. Für die Skizze setzen wir eine feste Parametrisierung voraus. Für eine beliebige Menge M von indexikalisc hen Parametern ist dann ein M-Referenzpunkt ein Paar, bestehend aus einem Kontext sowie einem M-Index, d. h. einer Liste von indexikalisc hen Aspekten, die nur für jedes Element von M einen Wert enthält. Ein M-Index m läßt sic h in der Weise in einen gewöhnlic hen Index i einarbeiten, daß alle M-Aspekte in i durch die entsprec henden Aspekte von m ersetzt werden; das Resultat notieren wir als i/m. Jeder gewöhnlic he Charakter χ determiniert dann in natürlic her Weise an jedem — parametrisierten, ungespaltenen und möglic herweise unstimmigen — Referenzpunkt 〈c,i〉 eine MIntension namens χ(c)(i-M), also eine Funktion von M-Indizes in Extensionen: χ(c)(i-M) liefert für einen beliebigen M-Index m als Wert χ(c)(i/m). Ganz analog zu den in Abcs hnitt 1.4 eingeführten Begriffsbildungen kann man nun eine n-stellige syntaktisc he Operation F als M- intensional bezeichnen, falls jeweils M-intensionsglei c he Teilausdrüc ke stets zu extensionsgleic hen Gesamtausdrüc ken führen, falls also für alle Charaktere χ1, χ1’,..., χn, χn’ und alle Referenzpunkte 〈c,i〉 gilt: χ1(c)(i-M) = χ1’(c)(i-M), ..., χn(c)(i-M) = χn’(c)(i-M) impliziert ΣF(χ1, ..., χn)(c)(i) = ΣF(χ1, ..., χn)(c)(i). Und ganz analog ist eine solc he syntaktisc he Konstruktion F genau dann M-intensional, wenn sic h die entsprec hende semantisc he Operation ΣF jeweils, also an jedem Kontext c, in dem Sinne auf eine Operation ΣFc über M-Intensionen zurüc kführen läßt, daß für beliebige Charaktere χ1, ..., χn und Indizes i gilt: 9. Kontextabhängigkeit ΣF(χ1,..., χn)(c) = ΣFc(χ1(c)(i-M),...,χn(c)(iM)). Wären die für (70) und (71) skizzierten Beispielsanalysen korrekt, so wäre die Hinzufügung eines Modal- bzw. Lokaladverbs {Welt}- bzw. {Zeit}-intensional. Die Angabe der entsprec henden M-intensionalen Operationen überlassen wir — wieder in Analogie zu Absc hnitt 1.4 — der Leserin. Auf die sinngemäße Übertragung der dort im Zusammenhang mit intensionalen und gemisc hten Konstruktionen angestellten Überlegungen zur Kanonizität verzichten wir hier. Ziel der ganzen Sophisterei ist es, einen begrifflic hen Rahmen für eine Aufweic hung der klassisc hen Theorie bereitzustellen. Die Idee dabei ist zunäc hst, für jede syntaktisc he Operation F eine (im Sinne der Inklusion) möglic hst kleine Menge M indexikalischer Parameter zu finden, so daß F M-intensional ist. Sind solc he minimalen Parameter-Mengen erst einmal gefunden — in der Regel dürfte dies keine allzu großen Sc hwierigkeiten bereiten — so kann man die klassisc he Dic hotomie von Intensionalität und Extensionalität in der Grammatik durc h ein ganzes Spektrum von M-Intensionalitäten wie Temporalität (M = {Zeit}), Modalität (M = {Welt}), Propositionalität (M = {Zeit, Welt}) etc . ersetzen. Das ist zunäc hst nur eine Verfeinerung der klassisc hen Theorie. Die Situation ändert sic h aber dann, wenn die M-Intensionen nic ht nur zur Klassifikation syntaktisc her Konstruktionen herangezogen werden, sondern auc h in andere Bereic he der Theorie vordringen, wie es etwa der Fall wäre, wenn man in dem Prinzip (E) als perspektivelose Information jeweils das ganze Spektrum der M-Intensionen berüc ksic htigte, die sic h in einer Äußerungssituation durc h Abstraktion von einigen indexikalisc hen Aspekten bei gleic hzeitiger Besetzung der anderen durc h den Kontext ergeben. Sieht man einmal von der — zumeist angenommenen — reinen Kontextualität des Sprec her-Parameters ab, so hätte man hier einen Ausgangspunkt zur Erfassung des im Zusammenhang mit (68) beobac hteten Changierens des Besagten; die angesproc hene Lüc ke läßt sic h dann entweder durc h Quadratur oder durc h Erweiterung des Begriffs der M-Intensionaltitäten schließen. Die obigen Andeutungen sind zugegebenermaßen sehr vage und unfertig, können aber als Anregung für eine weitere Besc häftigung mit dem neuerlic h im klassisc hen Rahmen aufgetauc hten, leic ht beunruhigenden Phänomen der quantifizierten Kontexte verstanden werden. Das Phänomen besteht 219 darin, daß gestandene kontextuelle Parameter urplötzlic h dabei erwisc ht werden, wie sie durc h sprac hlic he Operatoren gebunden, also versc hoben, werden. Hier zunäc hst ein harmloses, weil klassisc h erklärbares Beispiel, das wir bereits in Absc hnitt 1.3 angesproc hen haben: (72) Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Immer unter der Annahme, daß es sic h bei Vater um ein funktionales Substantiv handelt und daß weiterhin ein fehlendes Argument stets durc h den Kontext beigesteuert wird, gibt es hier ein ernsthaftes Problem. Offensic htlic h besagt ja (72) in seiner näc hstliegenden Lesart nic ht, daß die Vatersc haft eines ganz bestimmten, vielleic ht unmittelbar vor Äußerung des Satzes erwähnten Kindes eine Bürde ist; gemeint ist offenbar vielmehr eine Aussage über die Vatersc haft im allgemeinen. Je nac h Skopus der Negation ist also die Argumentposition existentiell oder universell abquantifiziert. In jedem Falle müßte man dann aber von der für kontextuelle Auffüllung vorgesehenen Stelle abstrahieren, was nac h den Regeln der klassisc hen Theorie nic ht möglich ist. Das Problem mit (72) kann man auf versc hiedene Weisen lösen. Zunäc hst sei darauf hingewiesen, daß die betreffende deiktisc he Position unsic htbar ist und insofern — ähnlic h wie das fehlende Subjekt des Infinitivs im vorhergehenden Absc hnitt — relativ beliebig manipuliert werden kann: vielleic ht handelt es sic h bei der für die quantifizierte Lesart verantwortlic hen Konstruktion um eine andere, nic ht deiktisc he Possessivierung als die in Absc hnitt 3.3 diskutierte. Eine andere Möglic hkeit der Erklärung ist rein pragmatisc her Natur: (72) hat so etwas Spric hwörtlic hes. Und bei allgemeinen Lebensweisheiten abstrahiert man sc hon einmal vom Kontext. So z. B. auch in: (73) Ich kann doch nicht einerseits andauernd Nächstenliebe predigen und andererseits sämtliche Nachbarn verklagen. Das ich wird in (73) weniger als Bezeichnung des Sprec hers, sondern eher als Stellvertreter für dessen Perspektive oder Rolle (moralisc hes Subjekt) verstanden, über die durc h den Einleitungssatz quantifiziert wird. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß man derartige Quantifikationen in die Art des Sprec hakts und somit in die Pragmatik absc hieben kann. Und was bei (73) geht, könnte auc h bei (72) funktionieren. 220 Die näc hsten beiden Beispiele zeigen, daß die Fluc ht in die Pragmatik keine Erlösung vom Übel der quantifizierten Kontexte bringt: (74) Die meisten Unternehmen sprechen die Preisgestaltung mit der Konkurrenz ab. (75) Jeder Gast ist mir willkommen — und sei es nur, damit wir über den Rest der Welt lästern können. Es sollte klar sein, daß eine Deutung von (74) als Spruc h über die Konkurrenten im allgemeinen zu einer abwegigen Lesart führt. Allerdings besteht natürlic h hier wieder die Möglic hkeit einer Wegerklärung der KontextVersc hiebung durc h eine weitere Possessivierungs-Konstruktion, bei der weder durc h den Kontext aufgefüllt noc h existentiell (oder sonstwie) quantifiziert wird, sondern eine unsic htbare Variable für spätere Bindungen (im Sinne von Abschnitt 4.1) eingeführt wird. (75) ist härter. Das Problem ist, daß das Wort wir nic ht auf eine bestimmte, in der Äußerungssituation besonders wic htige, den Sprec her umfassende Gruppe verweist, wie wir das von den Betrac htungen zu Beginn des Absc hnitts 3.1 her erwarten würden. Vielmehr sc heint sic h das Wort wie eine durc h das Subjekt des Hauptsatzes gebundene Variable für relevante, den tatsächlichen Sprec her umfassende Gruppen zu handeln: wir heißt so viel wie ich und der jeweilige Gast. Damit wird aber der für die Bestimmung der ric htigen Gruppe zuständige Eins c hlägigkeits-Aspekt gebunden; nac h der klassisc hen Theorie erweist er sic h damit als indexikalisc h. Doc h damit widerspric ht das Pronomen ich der Hypothese (L); denn der Sprec her-Aspekt wird für die Bestimmung der Extension von wir in (75) nac h wie vor vom Kontext beigesteuert. Alle diese Beispiele weisen offenbar darauf hin, daß die Untersc heidung von indexikalics hen (vers c hiebbaren) und kontextuellen Aspekten nic ht in der von der klassisc hen Theorie postulierten Weise funktioniert. Ob eine Aufweic hung der Theorie hier wirklic h weiterhilft, ist allerdings unklar. In jüngster Zeit werden stattdessen auc h Möglic hkeiten einer radikalen Revision oder sogar Ersetzung der klassisc hen Theorie der Deixis untersuc ht. Ausgangspunkt einiger dieser Untersuc hungen sind gewisse Inadäquatheiten der SkopusAnalyse von Kennzeic hnungen und quantifizierenden Nominalphrasen. So kann man mit der Skopus-Analyse beispielsweise nic ht so rec ht erkären, warum (76) (auc h) in dem Sinne zu verstehen ist, daß der besagte Alt- IV. Kontexttheorie Nazi lediglic h in der Zeit vor den im zweiten Satz beric hteten Aktivitäten Bürgermeister war: (76) Nach dem Krieg blieben viele der Parteimitglieder ohne Gesinnungswechsel im Amt. Der Bürgermeister, der freilich inzwischen hatte zurücktreten müssen, wurde noch Jahre später auf NPDKundgebungen gesehen. Als Ersatz für die Skopus-Analyse werden deshalb oft Strategien zur Verteilung von Referenzpunkten (genauer: Variablen für solc he) für die Extensionsbestimmung von absoluten Teilausdrüc ken vorgesc hlagen. Diese Strategien lassen sic h dann wieder zur Analyse der Deixis heranziehen. Ob sic h damit die in diesem Absc hnitt genannten Probleme der klassisc hen Theorie lösen lassen und welc he neuen Probleme sic h aus einer solc hen Vorgehensweise ergeben, steht natürlic h auf einem anderen Blatt. Aber eine neue Perspektive ergibt sich allemale. 4.4 Mißbrauch Zum Absc hluß des Artikels stellen wir zwei Erweiterungen der klassisc hen Theorie vor, die sic h zwar teilweise nac h dem Buc hstaben derselben ric hten, ihrem Geist jedoc h fremd sind. Die erste dieser Erweiterungen ergibt sic h aus der sc hon zu Beginn von Teil 3 angesproc henen und von der Theorie nur sc hwer auszus c hließenden Mögli c hkeit abwegiger Parametrisierungen; die zweite ist eine Revision, die die in Absc hnitt 2.5 betrac hteten Konsequenzen der erkenntnistheoretis c hen Umdeutung noc h einmal neu interpretiert. Die Tatsac he, daß die klassisc he Theorie nic ht in der Lage ist, sic h vor diesen — keineswegs fiktiven — Mißbräuc hen zu sc hützen, muß natürlic h besonders heutzutage jeden verantwortungsbewußten Wissens c haftler c na hdenklich stimmen. Für den ersten Mißbrauc h genügt es, sic h eine auffällige Eigentümlic hkeit deiktisc her Wörter vor Augen zu halten. Ein Charakteristikum von ich ist es beispielsweise, daß es in versc hiedenen Situationen versc hiedene Extensionen annehmen kann. Darin untersc heidet sic h das deiktisc he Wort nic ht von den meisten absoluten Wörtern. Der Untersc hied besteht — wenn die klassisc he Theorie rec ht hat — darin, daß die Situationsabhängigkeit beim absoluten, nic ht aber beim deiktisc hen Wort einen Beitrag zur Extensionsbestimmung leisten kann. Untersc hiedlic he Extensionen in versc hiedenen Situationen trifft man 9. Kontextabhängigkeit aber auc h aus offensic htlic h ganz anderen Gründen an. Vom sc hwierigen Sonderfall der Eigennamen [die Gegenstand von Artikel 16 sind] einmal abgesehen, begegnen wir wec hselnden Extensionen insbesondere dort, wo auc h die Intensionen wec hseln, nämlic h bei Ambiguitäten. Und ganz wie beim deiktisc hen Ausdruc k leistet der Intensionswec hsel als solc her keinen Beitrag zur Extensionsbestimmung. So wie sic h ich stets auf den Sprec her der Außerungssituation bezieht, bezieht sic h auc h ein mehrdeutiges Wort wie S chloß stets auf das, was in der Äußerungssituation mit S chloß gemeint ist. Mac hen wir uns diese elementare Tatsac he anhand eines einigermaßen beliebigen Beispiels klar: (77) Caroline hat vor, sich morgen ein Schloß zu kaufen. (77) hat (mindestens) vier Lesarten, die sic h durc h Ausmultiplikation einer uns hier nic ht weiter interessierenden strukturellen (Skopus-) Mehrdeutigkeit — beliebiges versus bestimmtes Sc hloß — mit der lexikalisc h bedingten Ambiguität von S chloß ergeben. Nac h einer dieser vier Lesarten plant etwa Caroline (im Sinne einer in Absc hnitt 4.2 dargestellten Analyse), die Eigensc haft zu besitzen, die ein Individuum x in einer Welt w genau dann hat, wenn es in w ein Herrsc haftsgebäude gibt, welc hes x (in w) am Tag nac h der Äußerung von (77) käuflic h erwirbt. Eine Lesart, die (77) nic ht besitzt, ist die, nac h der sic h Carolines Trac hten auf einen beliebigen Zeitpunkt ric htet, an dessen darauffolgenden Tag sie sic h dann das Sc hloß kauft: morgen rec hnet vom Tag der Äußerung an. Ebenso gibt es keine Lesart, nac h der Caroline am Tag nac h der Äußerung etwas kaufen will, das entweder eine Sc hließvorric htung oder ein Gebäude ist — je nac hdem, wie in der Kaufsituation S chloß verstanden würde: die Disambiguierung findet also in der Äußerungssituation statt. Die Tatsac he, daß lexikalisc he Disambiguierungen in der Äußerungssituation stattfinden, könnte man nun als Indiz für einen Bezug mehrdeutiger Lexeme auf die Äußerungssituation werten. Lexikalisc he Ambiguität wäre demnac h ein Spezialfall von direkter Referenz. Damit ließen sic h die Begriffsbildungen der klassisc hen Theorie von der Referenzbestimmung auf die — für gewöhnlic h als davorgesc haltet aufgefaßte — Disambiguierung übertragen. Alles, was man dazu benötigt, ist offenbar ein Bezug auf die durc h ein (mehrdeutiges) Lexem in einer Äuße- 221 rungssituation ausgedrüc kte Lesart bzw. — im Rahmen einer Parametrisierung — einen (rein kontextuellen) Disambiguierungsparameter. Die Einführung eines solc hen Parameters stellt den ersten von uns angekündigten Mißbrauc h der klassisc hen Referenztheorie dar. Mac hen wir uns einige Konsequenzen dieses sträflichen Vorgehens klar. Ein erster Grund für Skepsis gegenüber einem Disambiguierungsparameter ist, daß mit ihm das Prinzip (L) von der Zweiteilung des Lexikons zerstört wird. Das können wir uns wieder anhand des Beispiels (77) klar mac hen. Carolines Vorhaben ric htet sic h bei der von uns ins Auge gefaßten Lesart ja nic ht auf die Objekte, die zum Zeitpunkt der Äußerung Sc hlösser sind: was heute ein Sc hloß ist, kann in unserer sc hnellebigen Zeit sc hon morgen eine Ruine sein. Die Extension von Schloß wird also für die Auswertungssituation ermittelt. Damit besitzt aber das Lexem S chloß eine gemisc hte Referenzweise: die Extension hängt — wegen der Disambiguierung — sowohl von der Äußerungs- als auc h von der Auswertungssituation ab. Mehr Unbehagen gegen eine Disambiguierung durc h die Äußerungssituation stellt sic h ein, wenn man bedenkt, daß diese zu einer Erweiterung des Einflußbereic hs der Tokenanalyse führt: (78) In Carolines Schloß muß das Schloß am Hauptportal erneuert werden. Eine einzige Äußerungssituation für (78) würde für die beiden Vorkommen von Schloß ein und dieselbe Lesart determinieren. Um das zu verhindern, müßte man also die Situation im Sinne einer Tokenanalyse aufspalten. Ohne Disambiguierungsparameter wäre das nicht nötig. Damit nic ht genug. Wenn man dem Kontext sc hon die Arbeit aufbürdet, (78) zu disambiguieren, sollte man eigentlic h (79) gleic h dazutun: (79) Ein Wechsel der Bank bewirkt keinen Unterschied im Gehalt. (79) besitzt (mindestens) ac ht Lesarten, von denen die meisten freilic h aus inhaltlic hen Gründen rec ht eigenartig sind. Der Untersc hied zu (78) ist, daß die Mehrdeutigkeiten in (79) nic ht auf Mehrdeutigkeiten der beteiligten Wörter, sondern auf das Zusammenfallen von Wortformen zurüc kzuführen sind. Wechsel kann ein Austausc h oder ein Zahlungsmittel bezeic hnen, aber nur im zweiten Fall kann man auc h einen Plural bilden. (Bei der Bewertung dieses Beispiels mag es dialek- 222 tale Untersc hiede geben!) Die Pluralbildung entlarvt auc h die beiden Lesarten der Wortform Bank als zu versc hiedenen Wörtern gehörig. Bei Gehalt ist es noc h einfac her: hier gibt es (neben anderen morphologisc hen Untersc hieden) zwei Genera. Wollte man nun (79) mit Hilfe der Charaktere der betreffenden Wörter disambiguieren und etwa ein einziges Wort Bank mit kontextabhängiger Intension unterstellen, so könnte man sc hlec ht erklären, warum dann der Plural einmal Banken, ein anderes Mal Bänke lautet und wieso obendrein die Intension von der Wahl der Pluralform abhängt. Wenn man andererseits den Formen selbst Charaktere zuweist, gibt man damit den Wortbegriff für semantis c he Zwec ke auf und könnte nic ht mehr erklären, warum beispielsweise in der überragenden Zahl der Fälle morphologisc h eng verwandte Formen auc h die gleic hen Charaktere besitzen. Will man derartig absurde Konsequenen vemeiden, muß man den Aktionsradius des Disambiguierungsparameters auf ec hte lexikalisc he Ambiguitäten — unsystematisc he Mehrdeutigkeiten auf der Wortebene — wie in (78) einsc hränken. Da aber auc h für Mehrdeutigkeiten auf der Formebene in aller Regel Disambiguierungen vorgenommen werden, muß man diese auf andere Mec hanismen — etwa auf pragmatisc h erklärbare Verstehensstrategien — zurüc kführen. Die Annahme solc her zusätzlic hen, über den Disambiguierungsparameter hinausgehenden Strategien mac ht aber ebendiesen überflüssig: die Auflösung einer Ambiguität wie (79) sc heint kein prinzipiell anderes Unternehmen zu sein als die Disambiguierung von (78) und so werden sic h Strategien zur Lösung des ersten Problems auch auf das zweite übertragen lassen. Au c h bei strukturellen Ambiguitäten dürfte die Annahme eines Disambiguierungsparameters zu Sc hwierigkeiten führen. Denn die Bestimmung der Extension komplexer Ausdrüc ke gesc hieht zumindest nac h landläufiger Meinung anhand der syntaktisc hen Struktur, die also für diese Zwec ke bereits vorausgesetzt wird. Nac h einer ebenso verbreiteten Ansic ht werden strukturelle Ambiguitäten aber durc h die syntaktisc he Struktur aufgelöst, weswegen die Identifikation der korrekten Lesart über einen kontextuellen Parameter — wie auc h immer diese vonstatten gehen mag — wieder überflüssig zu sein scheint. Wenig einwenden gegen eine Disambiguierung durc h Kontextabhängigkeit läßt sic h dagegen bei einer Besc hränkung auf Polysemien, IV. Kontexttheorie also Mehrdeutigkeiten auf der Wortebene mit erkennbarem, systematis c hen Zusammenhang zwisc hen den Lesarten. Ein typisc hes Beispiel ist die Möglic hkeit, mit Bezeic hnungen für Institutionen, die in einem Gebäude untergebrac ht sind, zugleic h auc h auf die Gebäude zu verweisen: (80) Die Universität ist vollkommen uninteressant. Wenn ein Baumeister (80) in einem Vortrag über die Bodenseestadt Konstanz äußert, kann er damit (a) ein fac hlic h-ästhetisc hes Urteil über ein gewisses Bauwerk ausdrüc ken oder aber zu verstehen geben, daß (b) Arc hitektur nic ht zu den an der dortigen Universität gelehrten Fäc hern gehört. Wollte man diese Mehrdeutigkeit unter Rüc kgriff auf einen Disambiguierungsparameter auflösen, so ließen sic h dagegen dieselben Bedenken vorbringen wie in den anderen bisher betrac hteten Fällen. Das Systematisc he an dieser Zweideutigkeit eröffnet aber zugleic h eine ganz andere Möglic hkeit, die klassisc he Analyse der Kontextabhängigkeit zum Einsatz zu bringen. So könnte man etwa der Lesart (a) eine komplexere logisc he Form unterlegen, in der dem Subjekt von (80) eine Besc hreibung wie ‘das der Universität entsprec hende Gebäude’ oder (falls die Polysemie Ausdruc k eines allgemeineren Phänomens sein sollte) ‘das der Universität entsprec hende konkrete Ding’ entspric ht. Die einsc hlägige Entsprec hungs-Relation beizusteuern wäre dann Aufgabe eines Kontext-Parameters. Wenn dieses Vorgehen hier auc h etwas gezwungen wirken mag, so wollen wir zumindest auf die prinzipielle Möglic hkeit einer solc hen semantisc hen Auflösung von Polysemien und den prinzipiellen Untersc hied zur Annahme eines Disambiguierungsparameters hinweisen: die hier skizzierte — und sc hon in Absc hnitt 3.3 angesproc hene — Zurüc kführung von Polysemien auf unsic htbare Kontextvariablen setzt einen hohen Grad von systematisc her Vorhersagbarkeit der Lesarten voraus. Insbesondere ist also keineswegs gesagt, daß man alle in der Literatur als Polysemien abgehandelten Phänomene in dieser Weise behandeln könnte oder sollte. Daß die klassisc he Theorie nic ht zur Auflösung lexikalisc her Ambiguitäten herangezogen werden sollte, heißt natürlic h nic ht, daß jeglic he Besc hreibung oder Erklärung dieses alltäglic hen Vorgangs mit der klassisc hen Theorie unvereinbar ist. Die Bestimmung der korrekten Lesart ist nur nic ht Gegenstand der 9. Kontextabhängigkeit Semantik, sondern der Pragmatik. Die Frage, welc he Lesart eines Ausdruc ks in einer bestimmten Äußerung gemeint ist, hat für die klassisc he Theorie also weniger mit der Extensionsbestimmung zu tun als etwa mit der Frage, was der Sprec her mit seiner Äußerung wohl bezwec ken will, welc her Sprac he diese Äußerung entstammt und ob er überhaupt etwas aussagt oder nic ht vielmehr nur hustet oder nachplappert. Über das Verhältnis von Kontextabhängigkeit und Mehrdeutigkeit ließe sic h noc h einiges mehr sagen, doc h interessiert uns hier eigentlic h nur der Aspekt der Pervertierung der klassisc hen Theorie durc h Hinzunahme eines Disambiguierungsparamters. Wir weisen noc h einmal darauf hin, daß es — abgesehen von der Hypothese (L) — keine theorieinternen Gründe für den Aussc hluß eines solc hen Parameters zu geben sc heint und sehen darin zumindest eine unerfreulic he Lüc ke der klassischen Theorie. Der Ausgangspunkt des zweiten TheorieMißbrauc hs ist die gegen Ende von Absc hnitt 2.5 notierte und dort philosophisc h gewendete Beobac htung, daß die klassisc he Theorie zwei voneinander unabhängige Trivialitätsbegriffe bereitstellt: das auf Charaktere bezogene A Priori und die Notwendigkeit als Eigensc haft von Propositionen. Der erste Begriff spielt dabei eine der Gültigkeit aus der Logik analoge Rolle: eine gültige Formel ist eine solc he, die — als alleinstehende Formel und nic ht als Teilformel betrac htet — stets (in allen Modellen) wahr ist; ebenso ist ein Satz a priori wahr, wenn er in Isolation — also nic ht eingebettet — geäußert stets (in allen Äußerungssituationen) wahr ist. Da es einen Untersc hied mac ht, ob ein Satz in diesem Sinne logisc h trivialerweise wahr ist oder ob er eine notwendige Proposition ausdrü c kt, könnte man hier einen neuen Ansatzpunkt für das Problem der mangelnden Feinheit des Propositions-Begriffs suc hen, das sic h ja — wie wir in Absc hnitt 4.2 gesehen haben — vor allem darin äußert, daß äquivalente Sätze im Rahmen der klassisc hen Theorie allzu leic ht füreinander ersetzbar ersc heinen. Doc h a priorische Äquivalenz — also Extensionsgleic hheit in allen Äußerungssituationen — impliziert ja nic ht unbedingt intensionale Äquivalenz, d. h. (im Falle von Sätzen) Gleic hheit der ausgedrüc kten Proposition. So sind zwar (81) und (81′) a priori äquivalent, drüc ken aber — nac h klassisc her Auffassung — niemals dieselbe Proposition aus: 223 (81) Alain geht zur Schule. (81′) Alain geht jetzt zur Schule. Der intensionale Untersc hied zwisc hen diesen beiden Sätzen erklärt dann auc h — ebenfalls nac h klassisc her Auffassung — warum sie sic h z. B. bei Einbettung unter die temporale Präpositionalphrase nächstes Jahr verschieden verhalten. Könnte man da nic ht einen ebenso feinen Untersc hied zwisc hen (81) und dem logisc h äquivalenten (81″) annehmen, der sic h dann ganz analog erst bei Einbettung unter, sagen wir einmal, Einstellungsverben bemerkbar macht? (81″) Wenn Alain nicht zur Schule geht oder Tom den Kindergarten besucht, dann geht Alain zur Schule. (Wir nehmen selbstverständlic h an, daß in (81″) wenn — dann, nicht und oder im Sinne der klassisc hen Aussagenlogik zu verstehen sind; wer Skrupel hat, möge das Beispiel austausc hen.) Die Annahme möglic her intensionaler Untersc hiede zwisc hen logisc h äquivalenten Sätzen stellt den zweiten hier betrac hteten Mißbrauc h der klassisc hen Referenztheorie dar. Mac hen wir uns einige Voraussetzungen für dieses sträfliche Vorgehen klar. Wir wollen hier nic ht infrage stellen, daß logisc he Äquivalenz auc h Äquivalenz a priori nac h sic h zieht. Demnac h müssen Satzpaare wie (81) und (81″) in allen Äußerungssituationen denselben Wahrheitswert zugewiesen bekommen. Die näc hstliegende (und hier einzig betrac htete) Methode, um das zu garantieren, besteht ganz einfac h darin, dem in solc hen Sätzen auftretenden logisc hen Material (in unserem Falle: den Junktoren) eben an allen entsprec henden Referenzpunkten die von der Logik her zu erwartende Extension zuzuweisen: nicht denotiert danac h an beliebigen Punkten der Gestalt 〈s0,s0〉 die Umkehrung der Wahrheitswerte etc . Die a priorisc he Äquivalenz von (81) und (81″) ist dann im wesentlic hen das Werk der Kompositionalität. Natürlic h dürfen wir jetzt nic ht — wie sonst in der klassisc hen Theorie üblic h — diese Annahme des Standardverhaltens des logisc hen Materials auf beliebige Referenzpunkte übertragen; denn auf diese Weise würden — wie man leic ht nac hprüft — die entsprec henden Sätze auc h stets intensional gleic h, was wir ja verhindern wollen. Also benötigen wir Punkte 〈s0,s〉, an denen beipielsweise nicht nic ht die Wahrheitswertumkehrfunktion denotiert. Wir nennen solc he 〈s0,s〉 einmal Nonstandard-Punkte. Mit der Annahme von Nonstandard-Punkten sind 224 nun zwei Probleme verbunden, die sic h beide nic ht auf befriedigende Weise lösen zu lassen sc heinen. Diese Tatsac he und der Umstand, daß zwisc hen dem Kontrast (81) versus (81′) einerseits und dem Untersc hied zwisc hen (81) und (81″) andererseits keine intuitive Parallele besteht, läßt uns die hier angedeutete Möglic hkeit zur Verfeinerung des PropositionsBegriffs als Irrweg erscheinen. Die beiden Probleme deuten darauf hin, daß der Begriff des Nonstandard-Punkts rec ht dunkel ist; die Annahme eines intensionalen Untersc hieds zwisc hen (81) und (81″) impliziert also die Existenz von höc hst zweifelhaften Objekten. Problem Nummer Eins ist sc hlic ht: wie soll ein Nonstandard-Punkt 〈s0,s〉 überhaupt aussehen, was ist seine interne Struktur? Wir können lediglic h sagen, daß es sic h bei s0und s nic ht um dieselbe Situation handeln kann. Unklar aber ist, ob die beiden überhaupt etwas gemeinsam haben oder haben können (die Welt oder die Zeit etwa), ob s eine Äußerungssituation sein kann, ob s unstimmig sein kann oder gar muß etc . Das Problem ist nic ht, daß diese Fragen nic ht so zu beantworten wären, daß sc hließlic h irgendeine Verfeinerung des Propositionsbegriffs herauskäme. Das Problem ist, daß offenbar jede Beantwortung dieser Fragen willkürlic h zu sein sc heint. Ein NonstandardPunkt ist einfac h ein Referenzpunkt, an dem die Logik nic ht mehr stimmt. Warum das so ist und wie der Referenzpunkt ansonsten aussieht, ist egal — solange er nur nic ht auf der Diagonalen liegt. Und diese letzte, einzig von dem Bestreben, die A Priorizität der logisc hen Wahrheit zu garantieren, geleitete Einsc hränkung ersc heint noc h besonders willkürlic h. Problem Nummer Zwei betrifft das Nonstandardverhalten der logisc hen Ausdrüc ke: wenn die üblic he, von der Logik her zu erwartende Extension tabu ist, was ist dann die Extension eines logisc hen Ausdruc ks an einem Nonstandard-Punkt? Bezeic hnet also etwa das Wort nicht stets entweder die Umkehrfunktion oder eine ganz bestimmte, andere Funktion — oder variiert die Extension der NegationsPartikel von einem Nonstandard-Punkt zum näc hsten? Kann die Extension eines ansonsten extensionalen Junktors an einem Nonstandard-Punkt intensional sein? Wieviele logisc he Ausdrüc ke können an einem Nonstandard-Punkt von ihrem Standardverhalten abweic hen: alle, fünf oder nur einer zur Zeit? Auc h bei diesen Fragen besteht nic ht das Problem, daß man sie nic ht irgendwie beantwor- IV. Kontexttheorie ten könnte; aber man muß sie eben irgendwie beantworten. Die gemeinsame Ursac he dieser Probleme ist offensic htlic h, daß man sic h unter einem Referenzpunkt, an dem die Logik versagt, nic hts Rec htes vorstellen kann. Lediglic h die Idee, eine spezielle Eigensc haft der klassisc hen Theorie zur Verfeinerung des PropositionsBegriffs heranzuziehen, hat überhaupt erst zur Annahme der Existenz dieser Punkte geführt. Oder waren sie vielleic ht sc hon vorher da, ohne daß sie jemand bemerkt hat? War vielleic ht die in Absc hnitt 1.3 erwähnte, für gewöhnlic h als Selbstverständlic hkeit hingenommene Annahme, logisc he Wörter seien sowohl deiktisc h wie auc h referentiell und hätten mithin stets dieselbe Extension, sc hlic htweg falsc h? In der Tat: ist denn nic ht sc hon eine fiktive Situation, in der eine andere Sprac he gesproc hen wird, die sic h vom Deutsc hen lediglic h in der Semantik einiger (bei uns) logisc her Wörter untersc heidet, ein geeigneter Ausgangspunkt zur Konstruktion eines Nonstandard-Punkts? Nein. Denn die Extensionsbestimmung mit Hilfe klassisc her Charaktere erfolgt ja nic ht nac h den Regeln der Sprac he, die in einer betrac hteten Situation gesproc hen wird. Wäre dies so, könnten wir mit klassisc hen Mitteln nic ht einmal Sätze deuten, in denen von der Frühzeit der Erde die Rede ist; und Sätze über fremde Länder und Kulturen bekämen haufenweise falsc he Lesarten zugewiesen. Außerdem hätte die Hinzunahme und entsprec hende Deutung solc her Äußerungssituationen unmittelbar zur Folge, daß A Priori und Notwendigkeit leere Begriffe würden. Die Tatsac he, daß wir auc h an exotisc hen Referenzpunkten die Extensionsbestimmung nac h den tatsäc hlic hen Regeln des Deutsc hen vornehmen müssen, zeigt also gerade, daß es im Rahmen der klassisc hen Theorie keine Nonstandard-Punkte geben kann. Aus der Not der Unbekanntheit von Nonstandard-Punkten könnte man natürlic h eine Tugend der Unterdeterminiertheit mac hen. Wie das geht, zeigt eine Analogie zu einem in der logisc hen Semantik durc haus üblic hen (in Abschnitt 1.2 als abstrakt und formal bezeichneten) Vorgehen bei der Deutung sprac hlic her Ausdrüc ke. Anstatt ihnen nämlic h einfac h — bei lexikalisc hen Ausdrüc ken durc h Auflistung und ansonsten über Regeln — Charaktere zuzuordnen, wird normalerweise nur gesagt, wie so eine Zuordnung im allgemeinen auszusehen hat. Das läßt dann allerhand, für semantisc he Zwec ke in der Regel uninteres- 9. Kontextabhängigkeit santen Spielraum für die konkrete Ausführung. Diesen Spielraum könnte man durc h definitorisc he Setzung einfac h auf die Hinzunahme beliebiger Nonstandard-Punkte erweitern. Die Konsequenz wäre, daß jede Beantwortung der Fragen des vorletzten Absatzes zu einer theoretisc h möglic hen Interpretation führt. Auf diese Weise könnte man zwar peinlic hen Fragen nac h der Natur der Sac he gesc hic kt aus dem Weg gehen, hätte aber keine Einsic ht in das tatsäc hlic he Funktionieren der Sprac he gewonnen, sondern nur ein Wohlverhalten des zur Modellierung herangezogenen formalen Apparats erzwungen. Und soll das der Zwec k des ganzen Unternehmens sein? 5. Historisch-bibliographische Anmerkungen Die Literatur zum Thema ‘Kontextabhängigkeit’ ist ausgesproc hen umfangreic h und dem Verfasser dieser Zeilen nur zu einem Bruc hteil bekannt. Die folgenden Hinweise erheben daher keinen Anspruc h auf Vollständigkeit, nic ht einmal auf Repräsentativität. Genannt werden lediglic h die wic htigsten Quellen, auf denen der Text basiert, ein paar Klassiker sowie ausgewählte Werke, die tiefer ins Detail gehen. Die Bemerkungen sc hließen sic h in Aufbau und Reihenfolge in etwa an den Haupttext an; Absc hnitte entsprec hen Teilen (1—4), Absätze Abschnitten (1.1 etc.). 5.1 Zur klassischen Theorie Die Beobac htung, daß sic h sprac hlic he Ausdrüc ke gelegentlic h auf die Welt beziehen und insofern Extensionen haben, ist zu offensic htlic h, um historisc h belegt zu werden. Ein früher Versuc h, auf systematisc he Weise Extensionen (’Bedeutungen’) für beliebige sprachlic he Ausdrüc ke zu finden, ist Frege (1892). Aus demselben Werk stammt auc h die Idee des Wahrheitswertes als Satzextension sowie die Einführung von Ersatzextensionen (’Sinnen’) zur Rettung eines (impliziten) Kompositionalitätsprinzips. Die mengentheoretisc he Bestimmung der Wahrheitswerte und ihre prädikatenlogisc he Motivation findet man allerdings erst in Tarski (1936). Die Charakterisierung von Intensionen als extensionsbestimmende Funktionen geht letztlic h auf Carnap (1947) zurüc k, wo jedoc h (in § 29) ausdrüc klic h auf die Untersc hiede zum Fregeschen Sinn-Begriff hingewiesen wird. Deutungen von Satzeinbettungen wie in 225 (R*) gehören — ausgehend von Hintikka (1969b) — zum logisc h-semantisc hen Allgemeingut; der Begriff der singulären Proposition geht auf Kaplan (1975) zurüc k, wo er mit der Russellsc hen Ontologie in Zusammenhang gebrac ht wird. Daß deiktisc he Ausdrüc ke sic h nic ht nahtlos in das durc h die Untersc heidung von Extension und Intension gewonnene Bild fügen, ist sc hon in Frege (1918) gesehen worden. Die im Text gegebene Darstellung sc hließt sic h im Geiste Kaplan (1977) an, dem Urtext der hier als ‘klassisc h’ bezeic hneten Referenztheorie. Die Ursprünge dieser Theorie sind nic ht ganz eindeutig zu ermitteln, sc heinen aber in Kalifornien zu liegen: Kamp (1971) und Vlac h (1973) gelten als erste Vorläufer; Montague (1968: Absc hnitt 3) und Montague (1970: Absc hnitt 4) sind weitere frühe (freilic h wenig explizite) Zeugnisse. Einen guten und ausführlic hen Einstieg bietet das erste Kapitel von Kratzer (1978). Die Untersc heidung versc hiedener Referenzweisen liegt im Rahmen der klassisc hen Theorie zu nahe, um irgendjemandem zugesc hrieben werden zu können. Die Hypothese (L) ist wahrsc heinlic h neu (aber ebenfalls nic ht besonders originell). Auf den Zusammenhang zwisc hen (L) und die in der generativen Syntax üblic he Abspaltung der Finitheit vom lexikalisc hen Verb hat Arnim von Stec how (in einem Kommentar zu einem Vorläufer dieses Kapitels) hingewiesen. Die Auffüllung unterdeterminierter Dimensionen durc h die Äußerungssituation ist in Bartsc h (1986) vorgesc hlagen worden; eine entsprec hende Einbeziehung von Standards findet man in E. Klein (1980). Der Operator dthat ist prä-klassisc h und stammt aus Kaplan (1978); vgl. auch Kaplan (1977: Kapitel XII). Das Allgemeine Kompositionalitätsprinzip findet man in Montague (1970: Absc hnitte 3 und 4), wo Monster explizit zugelassen werden. Für das Monsterverbot (M) wird erstmalig in Kaplan (1977: VIII) plädiert; hier kommt auc h die Bezeic hnung ‘Monster’ her. Die monströse Analyse der Dimensions-Adverbien folgt von der Idee her wieder Bartsc h (1986). Auf weitere im Bereic h der Modifikatoren-Semantik heimisc he Monster mac ht Pinkal (1977: Kapitel 6) aufmerksam. 5.2 Zu den Varianten und Alternativen Situationelle Parameter und Aspekte tauc hen sc hon in den frühesten Formulierungen der klassisc hen Theorie und davor auf: vgl. z. B. S c ott (1970) (prä-klassis c h) und Kaplan IV. Kontexttheorie 226 (1979) (klassisc h). In der Tat: einiges spric ht dafür, daß die ‘offizielle’ Version der klassisc hen Theorie in Kaplan (1977) die Parametrisierung ist und daß das, was wir hier als ‘klassisc h’ bezeic hnen, allenfalls heuristisc hen und illustrativen Charakter hat. (Daneben gibt es noc h eine weitere terminologisc he Falle in unserer Darstellung: das englisc he Adjektiv indexical entspric ht nicht unserem indexikalisch; letzteres leitet sic h von Index — im Englisc hen auc h meist index — her, während ersteres dem deutsc hen Wort deiktisch entspric ht und somit so ziemlic h das Gegenteil bedeutet!) Für unstimmige indexikalisc he Aspektlisten wird in Lewis (1980a: Absc hnitt 6) argumentiert; dort wird auc h für die Beibehaltung der Äußerungssituationen plädiert, um dem in Cresswell (1972: Absc hnitt 4) beklagten Wildwuc hs der kontextuellen Parameter Einhalt zu gebieten. In Kaplan (1977) wird diese Frage nur am Rande (in Fußnote 16) berührt (und offengelassen). Ein früher Verfec hter extensionalisierter logisc her Formen ist Tic hý (1971). Neuere Arbeiten haben sic h allerdings eher von Gallin (1975: § 8) inspirieren lassen. Die Reformulierung (EM) des Monsterverbots gehört zur logisc h-semantisc hen Folklore. Die klassisc he Theorie ist bereits in ihren frühesten Darstellungen als abstrakte Referenztheorie aufgefaßt worden: vgl. z. B. Kaplan (1979). Eine Version, in der sic h nic ht einmal (D) ohne axiomatis c he Zusatzannahmen formulieren läßt, ist Montague (1970: Absc hnitt 4); die Diagonale tritt dort in Gestalt der Menge der ‘ausgezeichneten Referenzpunkte logis c h möglic her Modelle’ [’designated points of referenc e of logic ally possible models’] (ebd., 382) auf. Der Urtext der zweidimensionalen Modallogik ist Segerberg (1973); der Zusammenhang zur Kontextabhängigkeit wird dort bereits erwähnt. Die aufgrund der Asymmetrie der ‘Dimensionen’ bestehenden Untersc hiede zwisc hen zweidimensionaler Modallogik und klassisc her Referenztheorie sind vor allem in Kapitel VIII von Kaplan (1977) herausgestellt worden. Die Idee zur Quadratur der Charaktere, um die Umsc hreibbarkeit beliebiger deiktisc her Ausdrüc ke zu garantieren, kann man in Stalnaker (1981: Absc hnitt IV) hineinlesen, wo die Kontexte und Indizes verwirrenderweise als ‘Welten’ (’worlds’) bezeic hnet werden. Die Analyse der Deixis als Tokenreflexivität ist älter als die klassisc he Theorie und geht auf Reic henbac h (1947: 50) zurüc k. Als eine dem Wesen der Sprac he näherkommende Al- ternative zur klassisc hen Theorie ist sie in Cresswell (1973: Kapitel 8) propagiert und präzisiert worden. Die für die klassisc he Theorie wic htige Rolle von Zeigehandlungen wurde sc hon in Kaplan (1977: Kapitel II) gesehen. Eine detaillierte klassisc he Behandlung inhomogener Äußerungssituationen findet man in von Stechow (1979b). Die Analogie zwisc hen der Semantik deiktisc her Ausdrüc ke und der Analyse epistemisc her Situationen hat eine mindestens auf Russell (1940) zurü c krei c hende Vorgesc hic hte; der moderne Klassiker ist Castañeda (1966). Eine ausführlic here Diskussion der philosophisc hen Aspekte (und weitere Literaturhinweise) bietet Forbes (1989). Die Identifikation (F) von Informationsgehalt und Intension stammt aus Frege (1892). Der Begriff des Standard-Namens geht auf Kaplan (1969: § VIII) zurüc k. Die Version (S) der Gewinnung der epistemisc hen Perspektive enspric ht dem Vorgehen in Stalnaker (1978); die Formulierung folgt einem Vorsc hlag aus Lewis (1980a: 94). (E) findet man in Kaplan (1977: Kapitel XVII). Das Resultat der Reduktion (E’) ist gerade die (dort unabhängig motivierte) Charakterisierung der Selbstlokalisierung in Lewis (1979b) — abzüglic h der (nur in der dort propagierten Ontologie möglic hen) Identifikation von Individuen und Kontexten (einer bestimmten Parametrisierung). Identitätskrisen werden vor allem seit Perry (1977), einem weiteren modernen Klassiker, gerne diskutiert. Die im Text gegebene Gegenüberstellung von (einem Typ von) A Priorizität und (metaphysisc her) Notwendigkeit gibt die auf Kaplan (1977: Kapitel XVII) zurüc kgehende Rekonstruktion einer geistesverwandten Untersc heidung aus Kripke (1972) wieder. Der Beweis für die Existenz jedes denkenden Subjekts findet sic h in Desc artes (1641: Meditatio II,3). Das Beispiel (27) zur Illustration der Unverträglic hkeit der Tokenanalyse mit der erkenntnistheoretisc hen Deutung der klassisc hen Theorie hat Jean Yves Lerner (in einer Diskussion mit dem Autoren) vorgesc hlagen. Daß die erkenntnistheoretisc he Umdeutung zunäc hst nur eine Analogie ist, wird sc hon in Kaplan (1977: Kapitel XX) angedeutet. Ein von deiktisc hen Bezügen freies Beispiel für ein kontingentes A Priori liefert Williamson (1986). 5.3 Zu den Aspekten des Kontexts Ausführli c here Überlegungen zur Bestimmung des Sprec hers in einer gegebenen Äußerungssituation sowie weitere Beispiele im Stil 9. Kontextabhängigkeit von (29) findet man in Kratzer (1978: 17— 27). Die Idee, solc he Phänomene teilweise mit pragmatis c hen Akkomodationsregeln (’rules of ac c omodation’) zu besc hreiben, stammt aus Lewis (1979a) und ist eine Verallgemeinerung des Vorgehens in Stalnaker (1973). (Mehr dazu bringt Artikel 10.) Ein Versuc h, der notorisc hen Vagheit der Personalpronomina der ersten und zweiten Person Plural durc h Disambiguierung Herr zu werden, ist etwa Gardies (1985: 127—134); eine einheitlic he Deutung von wir findet man dagegen in Kratzer/von Stec how (1977: 109—115). Mehr über den im Text reic hlic h vernac hlässigten Ortsparameter erfährt man etwa bei Fillmore (1975a), W. Klein (1978) oder von Stec how (1982b). (Vgl. auc h Artikel 37.) Die Literatur zum Zeitparameter ist dermaßen umfangreic h, daß eine Nennung einzelner Titel nur irreführend sein kann; die obige Diskussion wurde von Bäuerle (1979b) inspiriert, wo man eine genaue Darstellung der Interaktion von Tempus und Temporaladverb findet. (Zum Tempus vgl. auc h Artikel 35.) Wic htige Beiträge zum Wesen möglic her Welten sind Kripke (1972: Lec ture 1), Kaplan (1975) und Lewis (1986). Der Zeige-Parameter spielt in Kaplan (1977: Kapitel II) die Rolle des typisc hen kontextuellen Parameters und dient sogar zur Motivation der Untersc heidung von Intension und Charakter. Etwaige subjektive Züge des Zeige-Parameters werden in Kaplan (1978: 239 f.) als für die objektive Referenz irrelevant zurü c kgewiesen; Kaplans Argumentation wird in Bac h (1987: 182—186) überzeugend widerlegt. Die Untersc heidung zwisc hen subjektiver und objektiver Referenz wird in Castañeda (1977) und Kripke (1977) vertieft. Der Begriff ‘Deixis am Phantasma’ geht auf Bühler (1934: § 8) zurüc k, ist dort aber weiter gefaßt. Einer der ersten und einflußreic hsten Beiträge zum deiktisc hen Gebrauc h von Kennzeic hnungen ist Donnellan (1966); mindestens ebenso wic htig ist die Kritik in Kripke (1977). Der Einsc hlägigkeitsbegriff wird von Lewis (1979a: Example 3) ins Spiel gebrac ht. Bei Satz (42) hat ein Beispiel aus W. Klein (1978: 26) Pate gestanden. Das sc hwierige Verhältnis zwisc hen direkter Rede und Kontextabhängigkeit wird in Grabski (1981) unter die Lupe genommen. Die Darstellung der Possessivierung gibt wohl die gängige (und sic herlic h auc h irgendwo anders besc hriebene) Sic htweise dieses Phänomenbereic hs wieder. Die PDC ist ein Buhmann aus Cresswell (1972: 227 8). Den Präzisionsgrad als kontextuellen Parameter findet man in Lewis (1980a: Absc hnitt 5). Irene Heim hat (vor einigen Jahren, beim Kaffeetrinken) den Autor dieses Kapitels erstmals mit Beispielen wie (52) bekanntgemac ht; sie gehören inzwisc hen zu den alten Bekannten jedes Semantikers. 5.4 Zu den Problemen Eine Präzisierung der Deutung von Personalpronomina mit Hilfe einer Einsc hlägigkeitshierarc hie findet man in Smaby (1979: Absc hnitt 2). Die Darstellung der Quantorenbindung gibt die Idee hinter der gängigsten, auf Montague (1973) zurüc kgehenden Behandlung der Quantifikation wieder. Weitere Details entnimmt man dem Artikel 21. Die Monster in Kauf nehmende Lösung (i) des StatusProblems von Belegungen wird in Montague (1970: Absc hnitte 6 und 7) vertreten. Die Mehrdeutigkeits-Analyse (ii-a) wird bei Bennett (1978) und Janssen (1980) vorgesc hlagen; bei der Absc hiebung (ii-b) der Belegung in den Index handelt es sic h um einen Buhmann, der wohl von keinem Anhänger der klassics hen Referenztheorie ernsthaft vertreten wird und dessen Widerlegung durc h die entsprec henden Passagen in Kaplan (1977: Kapitel II) inspiriert wurde. Belegungen mit Eigenstatus (iii) sind der ratlose Ausweg von Kaplan (1979). Die Diskussion um die korrekte Semantik der Einstellungsberic hte wird in der sprac hanalytisc hen Literatur naturgemäß nic ht immer klar getrennt von der Diskussion um die ric htige Theorie der kognitiven, epistemisc hen etc . Einstellungen; die meisten der zu Absc hnitt 2.5 gegebenen Literaturhinweise lassen sic h somit ohne weiteres auc h auf Absc hnitt 4.2 übertragen. Die Regel (Rmeinen) ist die offenkundige Übersetzung der in Absc hnitt 1.2 gegebenen üblic hen Semantik der Einstellungsverben im Rahmen der klassisc hen Theorie (und ihrer erkenntnistheoretisc hen Deutung); eine ähnlic he Regel (für say) findet man z. B. in Kaplan (1977: Kapitel XX). Die mangelhafte Behandlung der Einstellung zum Widerspruc h wird in von Stec how (1984c : Absc hnitt 2) zum Hauptangriffspunkt gegen (Rmeinen) gemac ht. Die (auc h dort implizite) Umgebungs-Semantik geht letztlic h auf Montague (1968: Absc hnitt 1) zurüc k. Genaueres erfährt man in Artikel 34. Die Bezeic hung ‘Einstellung de se’ stammt aus Lewis (1979b); einen Stern am Pronomen zur Andeutung derselben findet man bereits in Castañeda (1966). Das Phänomen als sol- 228 c hes hat sc hon Geac h (1957) problematisiert. Die Aufspaltung der Proposition in Thema und Rhema wird — im Rahmen der Möglic he-Welten-Semantik — in Cresswell/von Stec how (1982) präzisiert und in von Stec how (1984c ) erstmals zur Besc hreibung von Einstellungen de se ausgenutzt. Der Satz (63) ist eine Übertragung eines (im Deutsc hen so nic ht wiederzugebenden) noc h raffinierteren Beispiels aus Lakoff (1970c : 245), wo das Problem allerdings — wohl zu Unrec ht — als ontologisc hes dargestellt wird. Passagen wie (64) werden gerne von Feinden der systematisc hen Grammatik (am Biertisc h) als Belege für die Naturwüc hsigkeit der Sprac he angeführt — nic ht ganz zu Unrec ht, wie man aus Sic ht der klassisc hen Theorie wohl sagen muß! Die Erklärung gewisser durc h Kennzeic hnungen hervorgerufener Ambiguitäten vermittels Skopus-Analyse wird üblic herweise Bertrand Russell zugesc hrieben; ein Loc us c lassic us ist Whitehead/Russell (1910: 69— 71). Daß eine an der Nominalphrase selbst ansetzende Disambiguierung für solc he Fälle wie (65) nic ht ausreic ht, kann man an vielen Stellen nac hlesen — so z. B. bei Kripke (1977: Absc hnitt 2). Der klassisc he, auf die ausgedrü c kte Proposition bezugnehmende Einwand gegen eine Skopus-Analyse der Deixis findet sic h (in seiner Anwendung auf Demonstrativa) in Kaplan (1977: Kapitel IX); hier besteht wieder eine enge Analogie zu der Argumentationsweise in Kripke (1972: Lec ture 1). Die feste Rolle, die dem — in Wirklic hkeit eher vagen — vortheoretisc hen PropositionsBegriff dabei zugesc hrieben wird, wird in Lewis (1980a: Absc hnitt 11) klar gesehen; in Evans (1979: 164) findet man eine ähnlic he Betrac htung zur Kripkesc hen Namens-Theorie. Für einen situationsabhängigen Propositions-Begriff wird dagegen in Stalnaker (1981: Absc hnitt IV) plädiert. Die Untersc heidung versc hiedener Typen von Intensionalität ist gängige, aber für gewöhnlic h nic ht eigens thematisierte Praxis in der logisc hen Semantik. Ein Beispiel im Stil von (72) und (73) wird in Kaplan (1977: Fußnote 13.2) angesproc hen und Ri c hmond Thomason zuges c hrieben; Kaplan kommentiert: ‘What shall one say about this?’ Von quantifizierten Kontexten und Beispielen wie (74) und (75) ist in Partee (1989) die Rede. Kritiken an der SkopusAnalyse und Spekulationen zu ihrer Überwindung enthalten Bäuerle (1983), Enç (1986) und Dalrymple (1988). IV. Kontexttheorie Die prominenteste Stelle, an der ein Disambiguierungsparameter vorgesc hlagen wurde, ist wohl Bennett (1978: 9 f.), wo auc h mit einem ähnlic hen Beispiel wie (78) auf die Notwendigkeit einer Tokenanalyse hingewiesen wird. Die Bemerkungen zum pragmatisc hen (’vor-semantisc hen’) Status der Disambiguierung sc hließen sic h an Kaplan (1977: Kapitel XXII) an. Den Vorsc hlag zur Ausnutzung der klassisc hen Theorie zur Verfeinerung des Propositions-Begriffs findet man in Montague (1970: Absc hnitt 4). Die Kritik ist von Cresswell (1975: Absc hnitt 1) inspiriert. Auf die Tatsac he, daß die Sprac hregeln nic ht mit der Auswertungssituation wec hseln, wird z. B. in Kripke (1972: Lec ture 2) hingewiesen. Die abstrakte, formale Modellierung ist c harakteristisc h für fast die gesamte Montaguesc he Tradition; wir sind in diesem Kapitel — vor allem aus darstellungstec hnisc hen Gründen — ähnlic h wie Cresswell (1973) naiv und direkt vorgegangen. 5.5 Zu den historisch-bibliographischen Anmerkungen Jahreszahlen hinter den Autorennamen beziehen sic h nac h Möglic hkeit auf das jeweilige Datum der Erstveröffentlichung. In einigen Fällen sind die Texte etwas älter. So wurde der prä-klassisc he Text Kaplan (1978) bereits im Herbst 1970 verfaßt. Der Klassiker Kaplan (1977) ist inzwisc hen in dem Band Almog et al. (eds.) (1989) mit aktuellen Kommentaren Kaplans und anderer erschienen. Danksagung Im Verlaufe der erstaunlic h langwierigen Arbeiten an diesem Handbuch-Artikelhabe ic h mit zahlreic hen Freunden und Kollegen über das eine oder andere oben angesc hnittene Thema diskutiert. Namentlic h erwähnen möc hte ic h an dieser Stelle Rainer Bäuerle, Manfred Krifka, Jean-Yves Lerner, Kjell Johan Sæbø, Arnim von Stec how, Dieter Wunderlic h und Sandro Zuc c hi, denen ic h entsc heidende Hinweise, Anregungen und Einwände verdanke. Mein Dank gilt aber auc h vielen Ungenannten sowie Astrid Wahlert für Korrekturen an der letzten Version des Manuskripts. 6. Literatur (in Kurzform) Almog et al. (eds.) 1989 · Bac h 1987 · Bartsc h 1986 · Barwise (ed.) 1977 · Bäuerle 1979b · Bäuerle 1983 · Bennett 1978 · Bühler 1934 · Castañeda 1966 · Castañeda 1977 · Carnap 1947 · Cresswell 1972 · Cresswell 1973 · Cresswell 1975 · Cresswell/ von Stec how 1982 · Dalrymple 1988 · Desc artes 10. Kontextveränderung 1641 · Donnellan 1966 · Enç 1986 · Evans 1979 · Fillmore 1975a · Forbes 1989 · Frege 1882 · Frege 1918 · Gallin 1975 · Gardies 1985 · Geac h 1957 · Grabski 1981 · Hintikka 1969b · Janssen 1980 · Kamp 1971 · Kaplan 1969 · Kaplan 1975 · Kaplan 1977 · Kaplan 1978 · Kaplan 1979 · Klein 1978 · Klein 1980 · Kratzer 1978 · Kratzer/von Stec how 1977 · Kripke 1972 · Kripke 1977 · Lakoff 1970c · Lewis 1979a · Lewis 1979b · Lewis 1980a · Lewis 1986 · Montague 1968 · Montague 1970b · Mon- 229 tague 1973 · Partee 1989 · Perry 1977 · Pinkal 1977 · Reic henbac h 1947 · Russell 1940 · Sc ott 1970 · Segerberg 1973 · Smaby 1979 · Stalnaker 1973 · Stalnaker 1978 · Stalnaker 1981 · von Stec how 1979b · von Stec how 1982b · von Stec how 1984c · Tarski 1936 · Tic hý 1971 · Vlac h 1973 · Whitehead/Russell 1905 · Williamson 1986 Thomas Ede Zimmermann, Stuttgart, (Bundesrepublik Deutschland) 10. Kontextveränderung 1. 2. 3. 4. 5. 1. Einleitung Pragmatische Folgerungen Redekontext und Äußerungssituation Anaphora Literatur (in Kurzform) Einleitung Was ein Satz aussagt, welc hen Inhalt oder welc he Proposition er ausdrüc kt, hängt davon ab, unter welc hen Umständen, in welc her Situation er geäußert wird — jedenfalls dann, wenn der Satz indexikalisc he Elemente enthält. Die Bedeutung indexikalisc her Ausdrüc ke und damit die Abhängigkeit der Wahrheitsbedingung eines Satzes von möglic hen Kontexten seiner Äußerung wird von der indexikalisc hen Semantik oder der Theorie der Kontextabhängigkeit, wie sie im vorangehenden Artikel dargestellt wurde, untersuc ht. Ihr zentraler Begriff ist der des Charakters. Der Charakter eines Satzes ist eine semantisc he Regel, die für jeden Kontext angibt, welc hen Inhalt der Satz in diesem Kontext ausdrüc kt. Kontexte hat man sic h in diesem Zusammenhang als möglic he Äußerungssituationen vorzustellen, als begrenzte Weltaussc hnitte, die für die Zwec ke der Semantik jedenfalls so weit spezifiziert sein müssen, daß sie den Bezug der indexikalisc hen Ausdrüc ke festlegen. Was jedoc h die Äußerung eines Satzes einem Hörer sagt, welc he Information sie ihm vermittelt, hängt nic ht nur von der Bedeutung des geäußerten Satzes, von seinem Charakter ab, sondern auc h vom Hörer selbst, von seinen Überzeugungen — über die Umstände der Äußerung und über vieles andere mehr. Die Äußerung eines Satzes kann dem Hörer etwas ganz anderes sagen, als der Satz als solc her aussagt — etwa dann, wenn er sic h über die Umstände der Äußerung täusc ht. Sie kann ihm auc h mehr sagen als das, was der Satz tatsäc hlic h aussagt — weil er das, was der Satz sagt, zu anderem, was er glaubt, in Beziehung setzt, und seine Sc hlüsse daraus zieht. Oder sie kann ihm gar nic hts sagen, ihm überhaupt keine Information liefern — dann nämlic h, wenn der Inhalt des Satzes dem Hörer bereits bekannt ist. Besc hränkt man sic h auf die Betrac htung von Gespräc hssituationen, in denen die Vermittlung von Information im Vordergrund steht, so ist es eine sinnvolle Idealisierung vorauszusetzen, daß die Überzeugungen der Gespräc hsteilnehmer in den für die Zwec ke des Gespräc hs relevanten Hinsic hten übereinstimmen. Solc he gemeinsamen Annahmen von Gespräc hsteilnehmern — die Prämissen sozusagen, unter denen neue Äußerungen interpretiert werden — werden wir einen Redehintergrund oder Redekontext nennen. Es ist wic htig, diese beiden Kontextbegriffe — Kontext als Äußerungssituation und Kontext als Redehintergrund — auseinanderzuhalten. Denn wenn wir uns im folgenden mit Theorien der Kontextveränderung besc häftigen, so wird es zunäc hst immer nur um Kontexte im zweiten Sinn gehen. Änderungen von Kontexten im ersten Sinn, d. h. von Äußerungssituationen, werden wesentlic h von Faktoren bestimmt, deren Besc hreibung außerhalb der Zuständigkeit der Linguistik liegt. Die Änderung eines Redekontextes sollte hingegen linguistisc h besc hreibbar sein; denn sc hon allein dadurc h, daß auf einem gewissen Redehintergrund eine Äußerung fällt und von den Hörern interpretiert wird, ändert sic h dieser Redehintergrund — geeignete Aufric htigkeits- und Vertrauensannahmen vorausgesetzt. So sollte sic h auc h die Information, die