Buchstabe F - Extras Springer

Werbung
F
Fannia canicularis (siehe Myiasis)
Fasciola
Erhard Hinz, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Fasciola spec. (große Leberegel)
Morphologie
Bis zu 40 mm lange und 13 mm breite
Saugwürmer. Dorsoventral abgeplattete
Hermaphroditen mit zwei Saugnäpfen
(Mund- und Bauchsaugnapf) und blind
endendem Gabeldarm. Darm und Testes
stark verzweigt.
Taxonomie
Klasse Digenea, Familie Fasciolidae
Arten: Fasciola hepatica, F. gigantica
Historie
F. hepatica war bereits Linné bekannt
(1758) und gehört damit zu den ersten
Helminthen, die taxonomisch eingeordnet wurden. Die Erstbeschreibung liegt
allerdings deutlich weiter zurück (de Brie
1379). F.hepatica war auch der erste Trematode, dessen Entwicklungszyklus vollständig aufgeklärt wurde (Leuckart 1882,
Thomas 1883). F. gigantica wurde erstmals 1855 von Cobbold beschrieben.
Erkrankungen/Register
Fasciolose: Beide Fasciola-Arten sind als
Adultwürmer Bewohner der großen und
mittleren Gallengänge, deren Infektionsstadien (Metacercarien) im Duodenum
aus der Cystenhülle freigesetzt werden
und über Darmwand, Bauchhöhle und Leberkapsel ins Leberparenchym einwandern, sich zu Subadulten entwickeln, die
Gallengänge aufsuchen und sich dort
zum Adultwurm entwickeln. Migration
verursacht Perihepatitis, eosinophile
nekrotische Abszesse, Zerstörung des
Parenchyms, Hyperplasie des Gallengangepithels, Cholangitis, Cholecystitis, Cholelithiasis.
Diagnostik/Symptome
Mikroskopie: Durch Nachweis der
130 – 150 × 63 – 90 ? m großen gedeckelten
Eier in Stuhl oder Galle, gegebenenfalls
auch im Punktat (Cysten, Abszesse). Die
Eiausscheidung beginnt ca. 3 – 4 Monate
p.i. (Präpatenz).
Serologie: Als Nachweisverfahren kommen der indirekte Immunfluoreszenztest
und Enzymimmuntests in Frage, die jedoch noch wenig spezifisch sind und nur
von Speziallaboratorien ausgeführt werden.
Symptome: Akutes Krankheitsbild selten;
nur bei starkem gleichzeitigen Befall;
dann 2 – 6 Wochen p.i. Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, allergische
Erscheinungen. Die chronische Phase beginnt nach einigen Monaten: Kolikartige
Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Ikterus,
Fieber. Bakterielle Sekundärinfektionen
komplizieren das Krankheitsbild. Nicht
selten auch ektopische Ansiedlung mit
entzündlichen Reaktionen und Abszessbildung der betroffenen Organe.
Therapie
Praziquantel (Biltricide®) ist unwirksam.
Erfolgversprechend scheint eine Behand187
Filoviren
lung mit dem in der Veterinärmedizin
eingeführten Triclabendazol (Fasinex®).
Bisher erprobte Dosierung: 10 mg/kg
postprandial, einmalig oder an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Prüfung noch
nicht abgeschlossen.
Spezifische Merkmale
Entwicklungszyklus: Ausscheidung der
Eier mit dem Stuhl 1 Schlüpfen der Larve (Miracidium) im Wasser 1 Befall des
1. Zwischenwirts (aquatische oder amphibische Schnecken der Familie Lymnaeidae) 1 Larvenentwicklung (Sporocyste,
Redie, Cercarie) in der Schnecke 1 Ausschwärmen der Cercarien und Festsetzen
an Pflanzen 1 Encystierung und Umbildung zur Metacercarie 1 Infektion des
Endwirts durch orale Aufnahme und Befall der Leber (u. a. Organe).
Transmission
Infektion des Menschen ausschließlich
durch Verzehr von metacercarienbehafteten Pflanzen, unter denen die Brunnenkresse (Nasturtium officinale) die wichtigste ist.
Wirtsbereich
Die Infektion mit Fasciola ist primär eine
Zoonose herbivorer Säugetiere und hat
ein weites Wirtsspektrum. Gegenüber
den z. T. sehr hohen Prävalenzen bei diesen Tieren tritt die Befallshäufigkeit beim
Menschen deutlich zurück.
Risikogruppen
Personen, die Wasserpflanzen oder in
Gewässernähe wachsende Pflanzen in rohem oder ungarem Zustand verzehren.
Epidemiologie
Der Befall des Menschen mit Fasciola
kommt überall dort vor, wo mit Metacercarien behaftete Brunnenkresse oder andere Wasserpflanzen geerntet und verzehrt werden. Dies trifft auf zahlreiche
Länder in Europa, Afrika, Asien und
Amerika zu, vor allem solche, in denen
Rinder und Schafe die Gewässer kontaminieren. In Europa wurden in Frankreich wiederholt kleinere Epidemien
beim Menschen beobachtet.
188
Prävention
Eine Fasciola-Infektion kann vermieden
werden, wenn Brunnenkresse u. a. im oder
am Wasser gedeihende Pflanzen nur in
abgekochtem Zustand verzehrt werden.
Referenzzentren
Offizielle Referenzzentren existieren
nicht; als fachlich qualifiziert anzusehen
sind sämtliche parasitologischen und
tropenmedizinischen Institutionen.
Schlüsselliteratur
1. Beaver, P. C., R. C. Jung, E. W. Cupp. Clinical Parasitology. 9th Edition. Lea & Febiger
Philadelphia, 1984
2. Despommier, D. D., R. W. Gwadz, P. J. Hotez. Parasitic Diseases. 3rd Edition. Springer-Verlag New York etc., 1995
3. Lang, W. (Hrsg.) Tropenmedizin in Klinik
und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart,
1993
4. Mehlhorn, H., D. Eichenlaub, T. Löscher, W.
Peters. Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen. 2. Aufl. Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1995
Fasciolopsis buski (siehe Darmegel)
Filarien
(siehe u.a. Wuchereria bancrofti, Brugia
Filariasis, Mansonella)
Filoviren
Hans-Dieter Klenk, Marburg
Erregerbezeichnung
Marburg-Virus, Ebola-Virus
Morphologie
Die Viruspartikel sind filamentös, verzweigt, U-förmig, 6-förmig oder zirkulär.
Die Länge kann bis zu 14 ? m erreichen,
der Querschnitt beträgt 80nm. Die Viren
Filoviren
besitzen eine Lipidhülle mit Spikes, die
7nm lang sind und einen Abstand von
10nm voneinander haben. Im Inneren
liegt das Nukleokapsid, das eine helikale
Struktur mit einer zentralen Axe von
20nm Durchmesser besitzt. Das Virusgenom besteht aus unsegmentierter, linearer, einzelsträngiger RNS mit negativer
Polarität. Es kodiert in der Reihenfolge
der einzelnen Gene für das Hauptnukleokapsidprotein NP, das vermutlich zum Polymerase-Komplex gehörende VP35, das
Matrixprotein VP40, das Oberflächenglykoprotein GP, ein zweites Nukleokapsidprotein VP30, ein zweites Matrixprotein
VP24, sowie das Polymeraseprotein L.
Taxonomie
Marburgvirus und Ebolavirus bilden die
Familie Filoviridae, die ein Genus mit
den Spezies Ebolavirus Sudan, Ebolavirus Zaire, Ebolavirus Reston und Marburgvirus umfaßt.
Historie
Marburgvirus wurde 1967 als erstes Filovirus bei einem Ausbruch von hämorrhagischem Fieber, von dem ca. 30 Patienten
in Deutschland und Jugoslawien betroffen waren, isoliert. Infektionsquelle waren grüne Meerkatzen (Cercopithecus aethiops), die aus Uganda stammten. Vereinzelte Marburgvirusepisoden traten
1975, 1980 und 1987 in Süd- und Ostafrika auf. Ebolavirus wurde zum ersten Mal
1976 im Sudan und in Zaire beobachtet.
In den gleichen Ländern kam es 1977,
1979 und 1995 zu weiteren Ausbrüchen,
bei denen jedesmal mehrere hundert Personen betroffen waren. Kleinere Ausbrüche traten an der Elfenbeinküste und in
Gabun auf. Das vermutlich nicht humanpathogene Restonvirus wurde 1989 bei
Affen entdeckt, die aus den Philippinen
stammten.
Erkrankungen/Register
Mit Ausnahme des Reston-Stammes führen Marburgvirus und Ebolavirus beim
Menschen zu schwerem hämorrhagischem Fieber mit Letalitätsraten zwischen 30 % und 90 %. Die klinischen
Symptome sind in beiden Fällen ähnlich.
Nach einer Inkubationszeit von 3 – 16 Tagen kommt es zum plötzlichen Krankheitsausbruch mit Fieber, Kopfschmerz,
Schüttelfrost, Übelkeit und Muskelschmerz. In der Folge treten Schwindel,
Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall auf. Bei der Mehrzahl der Patienten
treten nach 5 – 7 Tagen schwere hämorrhagische Erscheinungsbilder mit multiplen Blutungen auf. Am häufigsten betroffen sind der Gastrointestinaltrakt, die
Lunge und das Zahnfleisch. Blutungen
sind die Vorboten für einen tödlichen
Ausgang, der im allgemeinen nach 7 – 16
Tagen in einem schweren Schockzustand
eintritt. Filoviren zeigen einen ausgeprägten Tropismus für Zellen des reticuloendothelialen Systems, Fibroblasten
und interstitielles Gewebe. Die Infektion
breitet sich über den gesamten Organismus aus, wobei Leber, Niere, Milz und
Lunge besonders stark befallen sind.
Diagnostik/Symptome
Wegen der hohen Pathogenität dieser Viren müssen beim Umgang mit infektiösem Material besondere Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Virus kann
aus dem Serum akut erkrankter Patienten in Vero-Zellen angezüchtet werden,
sowie aus Leber, Milz, Lympknoten, Niere und Herz von Verstorbenen. Während
der virämischen Phase können Viruspartikel elektronenmikroskopisch nachgewiesen werden. Serumantikörper lassen
sich durch indirekte Immunfluoreszenz
und ELISA nachweisen. Zum Genomnachweis hat sich die RT-PCR bewährt.
Therapie
Es gibt keine spezifischen immuntherapeutischen oder antiviralen Behandlungsmethoden. Die symptomatische Behandlung richtet sich gegen disseminierte intravaskuläre Koagulopathie, Schock, Hirnödem, Nierenversagen, Superinfektionen, Hypoxie und Hypotonie. Bei der Behandlung ist auf strikte Isolierung der Patienten und Schutz des klinischen Personals (Schutzkleidung, Respiratoren) zu
achten.
189
F
Flaviviren, seltene humanpathogene
Spezifische Merkmale
Infektionen mit Marburgvirus und Ebolavirus gehören zu den gefährlichsten übertragbaren Erkrankungen beim Menschen.
Arbeiten mit diesen Erregern können deswegen nur in Hochsicherheitslaboratorien
(L4) durchgeführt werden. Marburgvirus
und Ebolavirus sind typische Vertreter
der sog. „emerging viruses“.
Transmission
Filovirusinfektionen sind Anthropozoonosen. Die Übertragung von Mensch zu
Mensch, vermutlich aber auch vom Tier
auf den Menschen, erfolgt in erster Linie
über den Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten, obwohl Aerosolinfektionen
nicht auszuschließen sind. Während der
Übertragungsweg nur bei wenigen Primärfällen identifiziert werden konnte,
haben Sekundärfälle in der Regel nosokomiale Ursachen oder gehen auf engen
Kontakt mit Patienten zurück. In einem
Fall wurde die sexuelle Übertragung einer Marburgvirusinfektion 60 Tage nach
der Erstinfektion beobachtet.
Wirtsbereich
Das natürliche Reservoir dieser Viren ist
unbekannt, obwohl in Einzelfällen die
Übertragung von Primaten (grüne Meerkatzen, Schimpansen) auf den Menschen
nachgewiesen werden konnte. Als Tiermodelle dienen Primaten und Meerschweinchen, für die die Infektion, u. U.
nach mehreren Passagen, in der Regel
tödlich ist.
Risikogruppen
Hierzu gehören in erster Linie Ärzte,
Pflegepersonal und Mitpatienten infizierter Patienten, im weiteren Sinne aber
auch allgemein Ärzte und Pflegepersonal
in endemischen Gebieten.
Nach der Einlieferung infizierter Patienten in ein Krankenhaus kam es dort in
der Regel zu massiver Ausbreitung der
Krankheit durch kontaminierte ärztliche
Instrumente und direkten Blut- und Sekretkontakt. Durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen kam es dann regelmäßig zum Erliegen des Ausbruchs.
Prävention
Chemotherapie- oder Immunisierungsansätze zur prä- oder postexpositionellen
Prophylaxe von Filovirusinfektionen sind
nicht bekannt. Isolierung der Patienten
und Schutz des behandelnden Personals
durch Sicherheitskleidung sind geeignete
Mittel gegen die Ausbreitung der Krankheit.
Referenzzentren
Institut für Virologie, Philipps-Universität,
Marburg.
Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin,
Hamburg
Schlüsselliteratur
Klenk, H.-D., Slenczka, W., and Feldmann, H.:
Encyclopedia of Virology, pp 827 – 832, Academic Press, 1994
Peters, C.J., Sanchez, A., Rollin, P.E., Ksiazek,
T.G., and Murphy, F.A.: Filoviridae: Marburg and Ebola Viruses. Fields Virology,
Third Edition, pp 1161 – 1176, LippincottRaven, New York, 1996
Flaviviren
(siehe Gelbfiebervirus, Hepatitis C Virus
Flaviviren, seltene humanpathogene
Günther Schönrich, Heidelberg
Epidemiologie
Ebolavirus und Marburgvirus kommen
in Afrika endemisch vor. Durch Affenexport können die Viren in andere Länder
übertragen werden. Bei den afrikanischen Ebolavirusausbrüchen wurde die
Infektion in der Regel vom Primärfall auf
die nächsten Angehörigen übertragen.
190
Erregerbezeichnung
Die humanpathogenen Flaviviren mit ihren klinischen und epidemiologischen Eigenschaften sind in Tabelle 1 (durch Zekken übertragene Flaviviren) und Tabelle 2
(durch Moskitos übertragene Flaviviren)
Flaviviren, seltene humanpathogene
zusammenfassend dargestellt. Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEVirus, s. „Frühsommer-Meningoenzephalitis und Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“), Russisches Frühjahrs-Sommer-(Russian Spring Summer-) Enzephalitis-Virus (RSSE-Virus, s.
„Frühsommer-Meningoenzephalitis und
Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“), Gelbfiebervirus (s. „Gelbfieber“),
Japanisches Enzephalitisvirus (s. „Japanische Enzephalitis“) und Dengueviren (s.
„Dengue-Fieber“) werden wegen ihrer
herausragenden medizinischen Bedeutung in eigenen Abschnitten abgehandelt.
Neben diesen Erregern gibt es seltene
humanpathogene Flaviviren, die im folgenden kurz beschrieben werden
(mit * gekennzeichnete Viren in Tabelle 1
und 2).
Tab. 1: Durch Zecken übertragene humanpathogene Flaviviren. aVakzine ist in Entwicklung.
FSME=Frühsommermeningoenzephalitis; RSSE=Russische Frühjahrs-Sommer-(Russian Spring
Summer-) Enzephalitis. * Seltene humanpathogene Flaviviren. c Vektor ist Ixodes ricinus;
menschliche Infektionen sind äußerst selten (meist infolge eines direkten Kontaktes mit infizierten Schafen).
Virus
natürlicher Wirt
Verbreitungsgebiet
Krankheit
Vakzine
FSME
Nager und
andere Säugetiere
Nager und
andere Säugetiere
Nager
Affen, Nager
Nager, Schafe
Nager und
andere Säugetiere
Zentral- und Westeuropa
Asiatisches Rußland
Enzephalitis
ja
Enzephalitis
neina
Enzephalitis
Fieber, Enzephalitis
Enzephalitis
Hämorrhagisches
Fieber
nein
ja
nein
nein
RSSE
Powassan*
Kyasanur*
Louping ill c
OmskerhämmorrhagischesFieber*
Nordamerika
Indien (Karnataka)
Großbritannien
Westsibirien
Tab. 2: Durch Moskitos übertragene humanpathogene Flaviviren. HF=Hämorrhagisches Fieber;
SS=Schocksyndrom. * Seltene humanpathogene Flaviviren.
Virus
natürlicher Wirt
Verbreitungsgebiet
Krankheit
Vakzine
Gelbfieber
Affe, Mensch
Afrika, Südamerika
ja
Japanische
Enzephalitis
DengueSerotypen
1–4
St.-LouisEnzephalitis*
West-NilFieber*
Vögel, Schwein
Ostasien
Fieber,Gelbsucht, HF,
SS
Enzephalitis
Mensch
Vögel
Europa, Mittelmeer,
Fieber, Exanthem,
Ostasien, Westindien, Myalgien, HF, SS
Nordafrika
Nord- und Südamerika, Enzephalitis
Jamaica, Haiti
Afrika, Asien, Europa Fieber, Exanthem,
Enzephalitis
(selten)
Australien, Neuguinea Enzephalitis
nein
unbekannt
Schaf
Südostbrasilien
Afrika, Thailand
nein
nein
Murray Valley
Enzephalitis*
Rocio*
Wesselsbron*
Vögel
Vögel
Enzephalitis
Fieber
ja
nein
nein
nein
191
F
Flaviviren, seltene humanpathogene
Morphologie
Die seltenen humanpathogenen Flaviviren gleichen morphologisch dem Gelbfiebervirus (siehe „Gelbfieber“).
Taxonomie
Alle hier erläuterten Viren gehören zum
Genus Flavivirus aus der Familie Flaviviridae.
Enzephalitis-assoziierte seltene humanpathogene Flaviviren:
St.-Louis-Enzephalitis-Virus
(abgek. SLE-V)
Historie: Im Sommer 1933 wurden Kansas City und St. Louis in den USA von einem Enzephalitis-Erreger heimgesucht.
Nach Inokulation von infiziertem Gewebe in Rhesus-Affen und Albino-Mäuse
konnte ein Virus isoliert werden, welches
als St.-Louis-Enzephalitis-Virus benannt
wurde.
Erkrankung: Über 99 % der Infektionen
verlaufen asymptomatisch. Bei klinisch
manifester Infektion tritt abrupt Fieber
auf, das von anderen unspezifischen
Symptomen (Abgeschlagenheit, Schwindelgefühl, Erbrechen und Kopfschmerzen) begleitet wird. Das ZNS kann in
Form von aseptischer Meninigitis oder
Enzephalitis betroffen sein (Nackensteife,
Benommenheit, Ataxie, Verwirrungszustände und Desorientiertheit).
Diagnostik: Virusisolationen von Serum
oder Liquor ist nicht erfolgreich, kann
aber aus Autopsie-Material (Hirngewebe)
gelingen. Für die Anzüchtung werden Babymäuse verwendet. Die Diagnose kann
serologisch ab dem 3. bis 5. Tag durch
den Nachweis von virusspezifischen IgMAntikörpern im ELISA gestellt werden.
Nach etwa 2 Monaten sind die viruspezifischen IgM-Antikörper in der Regel wieder verschwunden. In 25 % der Patienten
persistieren allerdings die virusspezifischen IgM-Antikörper bis zu 1 Jahr. Andere serologischen Verfahren (HHT,
KBR) sind wegen der Kreuzreaktivität
mit anderen Flaviviren schwer zu interpretieren.
192
Transmission/Wirtsbereich: Verschiedene Culex-Moskitos sind an der Übertragung beteiligt. Im primären Infektionszyklus spielen Säugetiere keine Rolle. Möglicherweise sind jedoch Fledermäuse für
die Vektoren während der Überwinterung wichtige Wirte.
Epidemiologie: Die Erkrankung tritt in
den Sommermonaten auf. Folgende Gebiete sind betroffen: Ohio-MississippiBecken, Osten von Texas, Florida, Kansas, Colorado und Kalifornien. In Zentral- und Mittelamerika können gelegentlich Fälle von SLE auftreten. Seit 1955
wurden in den USA 5000 SLE-Erkrankungen registriert.
Prävention: Zum jetzigen Zeitpunkt
steht keine Vakzine zur Verfügung. Die
Bekämpfung der Vektoren stellt damit
die wichtigste prophylaktische Maßnahme dar. Zur Überwachung werden die
Moskitos auf virale Nukleinsäuren mit
Hilfe der PCR untersucht. Hühner werden als Indikatoren von Virusverbreitung
eingesetzt, um drohende Epidemien unter Menschen vorherzusagen.
Murray-Valley-Enzephalitis-Virus
gek. MVE-V)
(ab-
Historie: MVE-V wurde 1917/18 in
Queensland und im Murray Valley entdeckt.
Erkrankung: Infektionen mit MVE-V
verlaufen, wie die meisten Arbovirus-Infektionen, in der Mehrzahl der Fälle
asymptomatisch. Die Letalität bei Erkrankung wird mit 20 – 40 % beziffert.
Symptome sind Fieber, Schwindelgefühl,
Erbrechen und schwere Kopfschmerzen
im Frontalbereich. Mild bis schwer verlaufende Enzephalitiden (Koma, Paraplegie, Atemlähmung) können sich entwikkeln. Bei Überlebenden einer schweren
Enzephalitis bleiben in der Regel neurologische Defekte zurück.
Diagnostik: Virusisolierung von Blut
oder Liquor ist nicht erfolgreich. Nach
Inokulation von infizierten Gehirngewe-
Flaviviren, seltene humanpathogene
be in Babymäuse, Hühnerembryonen
oder geeigneten Zellkulturen kann Virus
isoliert werden. Serologischer Nachweis
durch IF, HHT, NT möglich, wobei jedoch Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren (u. a. Dengueviren) auftreten können. Der Nachweis von virusspezifischen
IgM-Antikörpern in Serum und Liquor
ermöglicht die frühe Diagnose.
Transmission/Wirtsbereich: Der Hauptvektor ist Culex annulirostris. Insbesondere große Wasservögel (z. B. Reiher, Pelikane) sind die wichtigsten virämischen
Wirte.
Epidemiologie: MVE ist eine seltene
menschliche Erkrankung (weniger als
1000 Fälle), die bisher nur in Australien
und Neuguinea aufgetreten ist. Ausbrüche fanden bisher immer in den Sommermonaten statt. Die letzte Epidemie
wurde 1974 registriert; seitdem wurde
nur noch über sporadische Fälle berichtet.
Historie: ROC-V wurde zuerst 1975 während einer Enzephalitis-Epidemie in der
südlichen Küstenregion des Staates Sao
Paulo (Brasilien) aus dem Gehirn eines
Opfers isoliert.
Erkrankung: Die Erkrankung beginnt
mit Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen. Darauf können Symptome einer
Enzephalitis auftreten. Fulminante Verläufe mit letalem Ausgang sind beschrieben. Die Mortalität beträgt etwa 10 %. In
20 % der Fälle bleiben nach der Infektion
schwere neurologische Schäden zurück.
Diagnostik: Viren können nur nach Inokulation von infiziertem Hirngewebe in
Babymäuse oder geeignete Zellkulturen
(z. B. Verozellen) isoliert werden. Bei der
Serodiagnose mittels HHT, KBR und NT
müssen Kreuzreaktionen mit anderen
Flaviviren berücksichtigt werden.
Transmission/Wirtsbereich: Der Transmissionszyklus des Virus ist noch nicht
aufgeklärt.
Prävention: Kein Impfstoff verfügbar.
Powassan-Virus: (abgek. POW-V)
Epidemiologie: Erkrankungen durch
ROC-V traten bisher nur in einem Küstenbereich des südlichen Teils des Staates Sao Paulo in Brasilien auf. Zwischen
1975 und 1978 wurden 821 Fälle registriert. Seit 1980 sind keine weiteren Erkrankungen vorgekommen.
Historie: POW-V hat seinen Namen von
der Stadt Powassan im nördlichen Ontario. Dort konnte es aus dem Gehirn eines
5-jährigen Jungen, der an Enzephalitis
verstorben war, zum ersten Mal isoliert
werden.
Prävention: Kein Impfstoff verfügbar.
Erkrankung: POW-V kann Enzephalitis,
Meningoenzephalitis und aseptische Meningitis verursachen.
Hauptsächlich mit Fieber, Arthralgie
und Exanthem assoziierte seltene humanpathogene Flaviviren:
Transmission/Wirtsbereich: Hauptvektor in Nordamerika ist die Schildzecke
Ixodes cookei. In der Regel werden Säugetiere infiziert.
West-Nil-Virus. (abgek. WN-V)
Epidemiologie: Nur weniger als 50 Fälle
(in Kananda, USA und Rußland) wurden
bisher weltweit bekannt.
Erkrankung: Die Inkubationszeit beträgt
3 – 6 Tage. In den meisten Fällen handelt
es sich um eine relativ milde verlaufende
fiebrige Erkrankung, die plötzlich beginnt. Nach dem Fieber treten Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen
auf. Über okuläre Schmerzen und Pha-
Prävention: Kein Impfstoff verfügbar.
Rocio-Virus: (abgek. ROC-V)
Historie: WN-V wurde erstmals in der
West-Nil-Provinz von Uganda gefunden.
193
F
Flaviviren, seltene humanpathogene
ryngitis wird häufig berichtet. Einige Tage nach Fieberbeginn zeigt sich ein makulopapuläres, nicht juckendes Exanthem. Gewöhnlich erscheint das Exanthem zuerst am Stamm, um sich schließlich auch auf Gesicht und Extremitäten
auszubreiten. Der Ausschlag kann für eine Woche bestehen bleiben. Kinder erholen sich rasch. Dagegen kann bei Erwachsenen die Rekonvaleszenzphase protrahiert verlaufen. Nur selten ist das Zentralnervensystem am Krankheitsgeschehen beteiligt.
Diagnostik: Für die serologische Diagnose werden als Testverfahren HHT, NT,
ELISA und IF verwendet. Da Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren auftreten,
kann die Interpretation der serologischen
Untersuchungen bei Patienten mit früherer Flavivirenexposition Schwierigkeiten
bereiten. Die Virusisolierung aus dem
Blut in der virämischen Phase kann erfolgreich sein, wenn geeignete Zellen für
die Inokulation verwendet werden.
Transmission/Wirtsbereich: WN-V wird
hauptsächlich in Wildvögeln amplifiziert.
Daneben kann das Virus auch eine Reihe
anderer Haus- und Wildtiere und den
Menschen infizieren. WN-V wird meistens durch Moskitos des Genus Culex
übertragen.
Epidemiologie: Beim Menschen ist die
Virämie nach Infektion wenig ausgeprägt, so daß eine Übertragung von
Mensch zu Mensch praktisch nicht vorkommt. Ausbrüche in menschlichen Populationen stellen daher nur ein Überschwappen der ausgeprägten epizoonotischen Aktivität des Virus unter Vögeln
dar. In Afrika ist die WN-V-Infektion die
weitverbreiteste Arbovirusinfektion. Das
WN-Fieber kommt jedoch auch im mittleren Osten (z. B. Israel), in Südosteuropa
(Mittelmeerraum, Portugal, Südfrankreich, Zypern und westliche Gebiete der
früheren Sowjetunion) und in Indien vor.
Ausbrüche der Erkrankung beim Menschen werden, wie bei anderen Arbovirusinfektionen auch, von klimatischen
Faktoren stark beeinflußt. Schwere Re194
genfälle und hohe Temperaturen im
Sommer führen zu einer dramatischen
Zunahme der Aktivität der Culex-Moskitos und einem entsprechend hohen Risiko der Übertragung auf den Menschen.
Prävention: Wegen der relativ geringen
medizinischen Bedeutung des WN-Fiebers gab es bisher keinen Anreiz für die
Entwicklung einer Vakzine. Als biologisches Frühwarnsystem für den Menschen
werden oft Tiere (Hamster, Meerschweinchen, Ziegen, Hühner oder Tauben) an
strategisch wichtigen Plätzen gehalten.
Die Moskitos befallen zuerst die Tiere.
Daher wird deren Blut in regelmäßigen
Abständen auf virusspezifische Antikörper untersucht. Nach Auftreten von Antikörper in den „Sondentieren“ können die
Behörden gezielt prophylaktische Maßnahmen ergreifen (Einsatz von Insektiziden, Vorsichtsmaßnahmen seitens der
gefährdeten Bewohner).
Wesselsbron Virus (abgek. WSL-V)
Historie: WSL-V wurde 1957 aus einem
Schaf in dem Dorf Wesselsbron (Südafrika) isoliert.
Erkrankung: Nach Infektion mit WSL-V
treten plötzlich Fieber, schwere Kopfschmerzen und retroorbitaler Schmerz
auf. Lichtphobie und Hyperästhesie der
Haut sind weitere Symptome. Nicht selten
wird ein Exanthem beobachtet. Arthralgien und Myalgien sind ebenfalls häufig.
In schweren Fällen können Zeichen einer
Enzephalitis hinzukommen. In der Regel
erholen sich die Patienten jedoch ohne
bleibende neurologische Defekte.
Diagnostik: Die Diagnose wird in der
Regel serologisch gestellt. Eine Virusisolierung aus dem Blut des infizierten Patienten kann versucht werden.
Transmission/Wirtsbereich: Hauptvektoren sind Aedes-Moskitos. Als Wirte fungieren in der Regel Schafe. Menschen infizieren sich durch Moskitostiche oder
durch direkten Kontakt mit infizierten
Tierleichen bzw. Gewebeproben.
Flaviviren, seltene humanpathogene
Epidemiologie: WSL-V tritt außer in
Südafrika auch in anderen Teilen Afrikas
auf: Simbabwe, Kamerun, Nigeria, Zentralafrikanische Republik, Senegal, Elfenbeinküste, Uganda, Kenia und Madagaskar. Darüberhinaus wurde das Virus in
Thailand gefunden. Da WSL-V den Tod
von neugeborenen Lämmern verursacht,
besitzt es – insbesondere in Südafrika –
vetrinärmedizinische Bedeutung.
Prävention: Es gibt keine besonderen
Empfehlungen, um menschliche Infektionen zu vermeiden. Besondere Vorsicht ist
jedoch beim Umgang mit WSL-V im Labor geboten, um Laborinfektionen zu
verhindern
Mit hämorrhagischem Fieber assoziierte
seltene humanpathogene Flaviviren:
Kyasanur-Forest-Virus. (abgek. KFD-V)
Historie: Die erste Isolierung des Kyasanur-Forest-Virus gelang 1957 aus einem
toten Affen, der im Kyasanur-Waldgebiet
des heutigen Staates Karnataka in Indien
gefunden wurde.
Erkrankung: Nach einer Inkubationszeit
von 3 – 8 Tagen tritt plötzliches Fieber
(bis 40 °C) auf; Kopfschmerzen, Muskelschmerzen (hauptsächlich Rücken, Nakken); im akuten Stadium papulovesikuläre Schleimhautläsionen im Bereich des
weichen Gaumens; zervikale und axilläre
Lymphadenopathie;
hämorrhagische
Diathese mit Blutungen aus der Nase und
dem Gastrointestinaltrakt; die Mortalität
beträgt 5 – 10 %.
Diagnostik: Für die serologische Diagnostik werden HHT, KBR und NT eingesetzt. Die Virusisolierung kann durch
Inokulation von Babymäusen oder unterschiedlichen
Vertebraten-Zellkulturen
versucht werden.
Transmission/Wirtsbereich: Der Hauptvektor ist die Zecke Haemaphysalis spinigera. Neben Affen können auch andere
Vertebraten wie Ratten, Fledermäuse und
Vögel infiziert sein.
Epidemiologie: Die Krankheit ist bis
jetzt auf den indischen Bundestaat Karnataka begrenzt. Es treten jedes Jahr etwa
500 Fälle auf. Laborinfektionen sind in
Indien und den USA vorgekommen.
Prävention: Eine Formalin-inaktiviertes
Virus, welches in Fibroblasten von Hühnerembryonen hergestellt wurde, kann
als Vakzine verwendet werden.
Omsker-Hämorrhagisches-Fieber-Virus
(abgek. OHF-V)
Historie: OHF-V konnte 1947 in der Region Omsk (Zentral-Rußland) erstmals
nachgewiesen werden.
Erkrankung: Plözlicher Beginn mit Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen;
hämorrhagische Diathesen (Epistaxis,
gastrointestinale Blutungen, Urogenitalblutungen); Bronchopneumonie als häufige Komplikation; seltener Meninigitis
mit psychomotorischen Langzeitfolgen;
meist gutartiger Verlauf mit einer Letalität von etwa 1 %.
Diagnostik: Das Virus kann am Anfang
der Fieberphase isoliert werden (aus Blut
oder Urin). In der Regel wird die Diagnose jedoch serologisch gestellt, wobei die
Verwandtschaft zum FSME- bezw. RSSEVirus (s. „Frühsommer-Meningoenzephalitis und Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“) Probleme bereiten
kann.
Transmission/Wirtsbereich: Zecken der
Spezies Dermacentor reticulatus werden
als Vektor verdächtigt. Als virämische
Wirte fungieren in erster Linie Nager,
insbesondere die Bisamratte. Menschen
infizieren sich durch Zeckenbiß oder
durch direkten Kontakt mit Urin, Fäzes
oder Blut von infizierten Bisamratten.
Epidemiologie: Naturherde
kommen
hauptsächlich in Westsibirien vor. Die
meisten Infektionen betreffen Jäger von
Bisamratten und deren Angehörige.
195
F
Flavobacterium
Prävention: Vermeidung von Zeckenbissen und Vorsicht im Umgang mit infizierten Tierleichen. Vermutlich verleiht die
FMSE-Vakzine aufgrund der großen Verwandtschaft beider Viren auch Schutz gegen OHF-V.
Speziallabor
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
Schlüsselliteratur
1. Traavik, T. (1994). Tick-borne Encephalitis,
Wesselsbron and Simian Haemorrhagic Fever Viruses. In: Webster, R.G. and Granoff,
A. (eds.) Encyclopedia of Virology, p. 367.
London: Academic Press Limited.
2. Schoub, B.D. and Blackburn, N.K. (1995).
Flaviviruses. In: Zuckerman A.J., Banatvala,
J.E. and Pattison, J.R. (eds.) Principles and
Practice of Clinical Virology (3rd edition),
p.485. Chichester: John Wiley & Sons.
3. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1996). Flaviviruses. In: Fields, B.N., Knipe, D.M., Howly, P.M. et al. (eds.) Virology (3rd edition),
p.961. Philadelphia: Lippincott-Raven Publishers.
4. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1995). Flaviviruses (Yellow fever, Dengue, Dengue
haemorrhagic fever, Japanese encephalitis,
St. Louis encephalitis, tick-borne encephalitis). In: Mandell, G.L., Benett, J.E., Dolin,
R. (eds.) Principles and practice of Infectious Diseases (4th edition), p.1465. New York:
Churchill Livingstone Inc..
Flavobacterium
Alexander von Graevenitz, Zürich
Erregerbezeichnung
„Flavobacterium“
Taxonomie
Die Taxonomie der medizinisch wichtigen Flavobakterien ist im Fluss. Bernardet et al. (1994, 1996) unterscheiden die
folgenden Gattungen: Chryseobacterium
mit den Spezies C. (F.) meningosepticum,
C. (F.) indologenes, C. (F.) gleum; Flavo196
bacterium mit F. odoratum; Empedobacter mit E. brevis (F. breve); Sphingobacterium mit S. (F.) thalpophilum, S. (F.) mizutaii, S. (F.) yabuuchiae, S. (F.) spiritivorum und S. (F.) multivorum; Weeksella
mit W. virosa; und Bergeyella mit B. (W.)
zoohelcum.
Historie
Das frühere Genus Flavobacterium, das
gramnegative, oxidative, gelb pigmentierte gramnegative Stäbchen umfasst,
wurde 1923 von Bergey et al. kreiert. Seitdem sind mehrere Spezies (s.o.) definiert
worden.
Erkrankungen
Flavobakterien kommen als Erreger
menschlicher Erkrankungen nur selten
vor. Am bekanntesten sind Neugeborenen-Meningitiden (auch epidemisch)
durch C. (F.) meningosepticum und Kolonisierung/Infektion des Respirationstrakts nach antimikrobieller Therapie,
vor allem durch C. (F.) indologenes.
Diagnostik
Mikroskopie: unbewegliche gramnegative Stäbchen. Chryseobacteria sind oft in
den zentralen Abschnitten weniger weit
als in den peripheren und können Fäden
bilden.
Anzüchtung: nur auf aerob bebrüteten
festen und flüssigen (nicht auf enterischen) Medien zwischen 20 ° und 37 ° C.
Biochemische
Differenzierung: durch
eine Reihe von Merkmalen wie Pigmentbildung, Beta-Galaktosidase, Indolbildung, Urease, Aeskulinspaltung, oxidative Bildung von Säure aus Zuckern. Alle
Flavobakterien sind obligat aerob und
Oxidase-positiv.
Pathogenitätsmechanismen: bisher
nicht bekannt.
Typisierung: Serotypisierung von C. (F.)
meningosepticum.
Therapie
Flavobakterien (mit Ausnahme von Bergeyella und Weeksella) sind multiresi-
Fliegenmaden (Myiasis)
stent. Rifampicin, Sulfamethoxazol-Trimethoprim, Clindamycin, Erythromycin
und Ciprofloxazin werden allein und in
Kombination verwendet.
Spezifische Merkmale
Transmission
Vorwiegend von der Umgebung (Wasser,
Boden) auf den Menschen bei Chryseobacterium, Flavobacterium und Spingobacterium. B. zoohelcum hingegen wird
meist durch Biss vom Hund auf den Menschen übertragen. W. virosa kommt vor
allem in Urin- und Vaginalproben vor
und wird möglicherweise auf sexuellem
Weg übertragen.
Wirtsbereich
Mit Ausnahme von B. zoohelcum (im Respirationstrakt von Hunden), W. virosa
(die nur beim Menschen vorkommt) und
C. (F.) meningosepticum, das auch bei
Vögeln beobachtet wurde, sind Flavobakterien Umgebungskeime.
Risikogruppen
Neugeborene sowie Patienten im Spital
unter Antibiotikatherapie.
Epidemiologie
S. Typisierung, Transmission, Wirtsbereich.
Prävention
Bisher keine wirksamen Massnahmen
bekannt.
Referenzzentren
Keine offiziellen Zentren. An Flavobakterien arbeiten vor allem: Laboratorium
voor Microbiologie, Universität Gent, B9000 Gent (Drs. P. Vandamme, P. Segers,
K. Kersters); National Collection of Type
Cultures, Central Public Health Laboratory, London NW9 5HT (U.K.) (Dr. B. Holmes).
Schlüsselliteratur
1. Brandis, H., H. J. Eggers, W. Kohler, G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie.
7. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart,
1994
2. Werner, H. (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie und Repetitorium. Walter de Gruyter
Verlag Berlin, 1992
3. Burkhardt, F. (Hrsg.) Mikrobiologische
Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart,
1992
Fliegenmaden (Myiasis)
F
Eberhard Zielke, Neuss
Erregerbezeichnung
Fliegenmaden
Morphologie
Maden sind die Larvenstadien der höheren Fliegen. Der Madenkörper ist keiloder spindelförmig und von einem dikken widerstandsfähigen Chitinmantel
umgeben. Maden sind fußlos und besitzen keine Kopfkapsel, die Mundöffnung
ist mit Chitinhaken als Mundwerkzeug
ausgestattet. Das Hinterende des Körpers
ist meist breiter als das Vorderende und
trägt Afteröffnung und Stigmen. Der
Körper ist gewöhnlich in Segmente unterteilt und mit Chitinborsten oder -dornen
besetzt. Die Größe der Maden variiert je
nach Larvenstadium und Fliegenspezies.
Sie kann zwischen wenigen mm bis zu
3 cm Körperlänge messen, wobei die großen Fliegenmaden einen Durchmesser
von 5 – 8 mm erreichen.
Taxonomie
Die als Myiasis-Erreger des Menschen in
Frage kommenden Maden gehören der
Insektenordnung Diptera an und sind
überwiegend in den Familien Muscidae,
Calliphoridae, Gastrophilidae, Oestridae,
Phoridae, Piophilidae und Syrphidae zu
finden.
Historie
Erkrankungen/Register
Maden einiger Fliegenarten können im
menschlichen Körper leben und sich dort
ernähren. Der Befall des Menschen oder
197
Fliegenmaden (Myiasis)
anderer lebender Wirbeltiere mit Fliegenmaden wird Myiasis genannt. Je nach
Lokalisation des Befalls wird sie als Urogenitalmyiasis, Analmyiasis, Intestinalmyiasis, Beulenmyiasis, Ophthalmomyiasis etc. bezeichnet.
Anal- und Urogenitalmyiasis: Der Befall
der Analregion oder des Urogenitalbereiches mit Fliegenmaden erfolgt in Mitteleuropa meistens während der Sommermonate. In wärmeren Gebieten kann dieses ganzjährig geschehen. Gewöhnlich
sind es Weibchen der Stubenfliege (Musca domestica) und der mit ihr verwandten Arten (Muscina stabulans und Fannia
canicularis), die ihre Eier in der Genitalund Analregion ablegen. Die schlüpfenden Larven dringen dann in die Vagina
und die Urethra bis zur Blase oder in das
Rektum vor. Exkrete und Stuhl dienen als
Nahrung. Innerhalb weniger Tage wachsen die Maden zu einer Größe von 7 – 11
mm heran und lassen sich dann mit dem
Eintreten der Verpuppungsreife mit dem
Urin oder dem Stuhl ausscheiden. Eine
leichte Zystitis und brennende Schmerzen beim Harnlassen sowie Abgeschlagenheit im Allgemeinbefinden sind die
Symptome einer Urogenitalmyiasis. Bei
der analen (rektalen) Myiasis sind gewöhnlich keine speziellen Symptome außer leichtem Juckreiz im Analbereich
und vereinzelt auch Diarrhoen beschrieben worden.
Bei der intestinalen Myiasis handelt es
sich meistens um eine Analmyiasis. Vereinzelt werden aber Fliegenlarven mit
verdorbener Nahrung aufgenommen und
überstehen aufgrund des Chitinmantels
die Magen-Darm-Passage unbeschadet.
Sofern es zu keiner Weiterentwicklung
der Larven gekommen ist, wird diese
Form des Madenbefalls auch als Pseudomyiasis bezeichnet. Sie ist von der echten
Myiasis, die zu einer Weiterentwicklung
der Fliegen führt, zu unterscheiden.
Dermal-(Beulen-)myiasis: Bei der Beulenmyiasis oder auch furunkeloiden Myiasis hat sich eine junge Fliegenmade zunächst unbemerkt in die Haut des Wirtes
198
eingebohrt und im Laufe der Entwicklung eine furunkelähnliche Hautbeule
hervorgerufen. Die durch Fliegenmaden
bedingten Hautbeulen weisen stets eine
zentral gelegene Öffnung auf, die mit seröser Flüssigkeit gefüllt ist und der Fliegenmade die für die Entwicklung erforderliche Sauerstoffzufuhr gewährleistet.
Die Fliegenmade kann je nach Spezies bis
zu 2,5 cm groß werden und die Hautbeule kann die Größe einer Walnuß erreichen. Lokal juckende und stechende
Schmerzen veranlassen den Patienten zu
heftigem Kratzen. Komplikationen sind
Sekundärinfektionen. Typische Erreger
der Haupt- oder Beulenmyiasis sind Cordylobia anthropophaga (Tumbufliege)
aus Afrika und die in Süd- und Mittelamerika beheimatete neotropische Dasselfliege, Dermatobia hominis.
Erreger einer Nasalmyiasis (Madenbefall
des Nasal- und Rachenraumes) sind meistens obligatorisch parasitisch lebende
Larven der Nasenfliegen von Wild- und
Haustieren, so z. B. des Schafes (Oestrus
ovis). Die Weibchen dieser Arten spritzen
ihre Larven während des Fluges in die
Nüstern der Wild- oder Haustiere, gelegentlich aber auch in die Nähe der
Nasenlöcher oder Augenhöhlen des Menschen. Die Larven wandern in Rachen
wie auch in Nasenhöhlen und können
schmerzhafte Entzündungen und ein katarrhähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Die Infestation mit Fliegenmaden im
Nasen-Rachen-Raum sind in Mitteleuropa seltener, treten in Südeuropa und wärmeren Ländern aber häufiger auf. Touristen von dort sind gelegentlich befallen.
Die Dauer des Befalls beschränkt sich auf
wenige Tage bis zu 2 Wochen.
Bei der Oral- und Dentalmyiasis befallen
Maden die Mundhöhle bzw. die Wurzelhaut des Zahnes. Diese Form der Parasitose tritt bei Menschen mit fehlender
Mundhygiene, Abszessen in der Mundhöhle bzw. mit faulenden Zähnen auf.
Durch den üblen Mundgeruch angelockt
setzen die Fliegenweibchen je nach Spezies Eier oder Larven direkt am Mundwinkel ab. Die schnell schlüpfenden jun-
Fliegenmaden (Myiasis)
gen Maden wandern in die Mundhöhle
und penetrieren das eitrige oder faulige
Substrat, wobei sie bis zur Zahnwurzel
vordringen können. Patienten klagen
über stechende und juckende Schmerzen
und einen stark verschlimmerten Mundgeruch.
Bei der Ophthalmomyiasis externa halten sich die auf den Augapfel gelangten
Fliegenmaden (siehe auch Nasalmyiasis)
vorwiegend auf der Oberfläche der Augenschleimhäute auf, wo sie zum Teil eine recht schmerzhafte Konjunktivitis
hervorrufen können. Die Reizwirkung erklärt sich durch Sekretabsonderung und
mechanische Reizungen durch die Mundhaken und Hautdornen der Maden. Gelegentlich kann die Made in die Tränendrüse eindringen und dort eine Dakrozystis
hervorrufen.
Ophthalmomyiasis interna wird z. B.
durch Larven von Dasselfliegen (Hypoderma) hervorgerufen. Normalerweise
entwickelt sich diese Fliegenbrut subkutan und im Rückenmarkskanal verschiedener Wild- und Haustiere. Der Mensch
ist ein Fehlwirt, bei dem die Maden, sofern sie in die Augenhöhle gelangen, sich
durch Bindehaut, Sklera oder Cornea
hindurchbohren. Subretinale gangförmige Depigmentierungen oder klumpige
Pigmentveränderungen mit toxischen
oder mechanischen Schädigungen der
Netzhaut und eine Uveitis sind typische
Merkmale, die mit dem Parasitenbefall
einhergehen.
Die Otomyiasis ist relativ selten. Ursache
ist meist eine eitrige Ohrinfektion, die
bei fehlender Hygiene Fliegenweibchen
zur Eiablage am äußeren Gehörgang anlockt, wo sich dann die Maden entwikkeln. In seltenen Fällen kommt es zu malignen Entartungen, d. h. zur Penetration
des inneren Gehörgangs.
Wundmyiasis. Angelockt durch spezifischen Wundgeruch setzen Fliegenweibchen auf der Wunde oder in unmittelbarer Nähe des Wundgebietes artspezifisch
Eier oder auch bereits kleine Maden ab.
Die Maden dringen dann in die Wunde
oder das Geschwür ein. Aufgrund günstiger Brutbedingungen (hohe Temperaturen bei ausreichendem Nahrungsangebot) wachsen sie innerhalb weniger Tage
zu 8 – 15 mm großen Tieren heran. Je
nach Spezies begnügen sich die Maden
nicht nur mit Wundsubstrat sondern fermentieren auch gesundes Gewebe und
können dadurch schwere Zerstörungen
bis zum Funktionsverlust des befallenen
Organs hervorrufen. Außer Wunden werden auch Gangräne und Ulcera befallen.
Länger anhaltende und deshalb gefährliche Wundmyiasis setzt eine Indulenz
oder Immobilisation des Patienten und
fehlende Wundversorgung voraus. Die
Maden einiger Fliegenarten, so z. B.
Wohlfahrtia magnifica, sind in der Lage,
auch intakte Haut zu durchbohren und
Wunden selbst zu erzeugen. Diese sind
meist nur knapp 1 cm im Durchmesser,
gehen aber bis zu 5 cm tief und sind im
Umkreis von 10 cm unterminiert. Der Befall ruft sehr starke Schmerzen hervor
und kann zum Verlust des befallenen Organs führen.
Diagnostik/Symptome
Bei Anal-, Intestinal- und Urogenitalmyiasis ist nur in seltenen Fällen mit einer
gezielten Diagnose die Myiasis zu identifizieren. Meistens handelt es sich um Zufallsbefunde, d. h. verpuppungsreife Maden werden mit dem Urin oder dem
Stuhl ausgeschieden und dabei entdeckt.
Bei der Haut-/Beulenmyiasis wird die
Hautbeule nicht selten mit einem Furunkel verwechselt und zunächst antibiotisch
behandelt. Die zentrale Öffnung in der
Hautbeulung, gefüllt mit seröser Flüssigkeit und den darin zu erkennenden Bewegung der Fliegenmade ermöglichen eine einfache Diagnosestellung.
Die Nasalmyiasis wird aufgrund ihrer
unspezifischen Beschwerden meist nur
zufällig als solche erkannt. Insbesondere,
wenn die Maden mit Husten oder Niesen
ausgeschieden und vom Patienten entdeckt werden.
199
F
Fliegenmaden (Myiasis)
Oral- und Dentalmyiasis werden meist
nur als Zufallsbefunde diagnostiziert. Extrem fauliger Mundgeruch bei bestehendem Abszeß sollte insbesondere in warmen Regionen mit hoher Fliegendichte
auch an eine Myiasis denken lassen. Ein
Auswaschen der Abszeßhöhle mit einem
Antiseptikum treibt die Larven aus ihrem
Versteck.
Bei der Ophthalmomyiasis interna weisen die subretinalen gangförmigen Depigmentierungen oder klumpige Pigmentanhäufungen auf den Befall mit einer Hypodermalarve hin, auch wenn die
Made im Augenblick nicht sofort im Auge zu erkennen ist.
Im Wundbereich sind größere Maden
aufgrund ihrer lebhaften Bewegung leicht
zu erkennen. Dringen sie aber tief in einen Ulcus ein, weisen nur noch gelegentliche schwache Bewegungen im Eiter auf
einen Parasitenbefall hin. Sofern der Patient aus warmen Regionen mit hoher
Fliegendichte stammt, sollen schwer heilende Ulcera, die keine ausreichende
Wundversorgung erhalten haben, auch
auf Befall mit Fliegenmaden überprüft
werden.
Therapie
Sofern die Myiasis als solche erkannt ist,
können die Fliegenmaden mechanisch
mit einer Pinzette entfernt werden. In
den meisten Fällen ist der Fliegenmadenbefall ohnehin zeitlich begrenzt, da die
Tiere innerhalb weniger Tage/Wochen
den Wirt selbst verlassen, um sich zu verpuppen. Eine Ausnahme stellt die Ophthalmomyiasis interna dar. Die Elimination der gelegentlich sehr mobilen Larve
kann Probleme bereiten. Hält die Made
sich in der Vorderkammer des Auges auf,
ist sie nach einer Inzision zu entfernen,
wandert sie jedoch am Fundus oder im
Glaskörper, ist möglicherweise eine Lichtkoagulation angeraten, sofern ein Visusverlust bereits aufgetreten ist. Besteht dagegen Symptomfreiheit, kann zunächst
auch abgewartet werden, da gelegentlich
der Parasit das Auge auch spontan verläßt.
200
Spezifische Merkmale
Transmission
Bei der Anal- und Urogenitalmyiasis setzen die Fliegenweibchen Eier oder Larven direkt in der Nähe des Befalls ab. Bei
der intestinalen Myiasis kann mit Fliegenmaden verunreinigte Nahrung (verdorbener Käse, faulige Früchte etc., die
z. B. von kleinen Kindern gegessen werden) und eine unbeschadete MagenDarm-Passage der Fliegenlarve die Ursache des Befalls sein. Bei der Wundmyiasis, Nasalmyiasis, Ophthalmomyiasis und
Otomyiasis werden die Eier oder Maden
in unmittelbarer Nähe des späteren Befalls von den Fliegenweibchen abgesetzt.
Bei der Beulenmyiasis, hervorgerufen
durch die afrikanische Tumbufliege (Cordylobia anthropophaga) erfolgt die Eiablage auf mit Schweiß oder Urin verunreinigtem Substrat, z. B. auf Wäsche. Die auf
der Wäsche schlüpfenden Larven bohren
sich dann beim nächsten Körperkontakt
beim Menschen ein. Die neotropische
Dasselfliege (Dermatobia hominis) klebt
anderen Stechinsekten ihre Eier an, die
diese zu einem neuen Wirt tragen, wo die
Fliegenmaden sich dann in die Haut dieses Wirtes einbohren.
Wirtsbereich
Myiasis tritt nicht nur beim Menschen,
sondern bei verschiedenen Wirbeltieren,
so auch bei Haus- und Wildtieren auf.
Risikogruppen
Epidemiologie
Myiasis kann überall dort auftreten, wo
ein enger Kontakt zwischen bestimmten
Fliegenpopulationen und Menschen gegeben ist.
Prävention
Körperhygiene, Wundhygiene und Kleidungshygiene.
Referenzzentren
Schlüsselliteratur
1. Hall, M.J.R., Smith, K.G.V.. Diptera causing
myiasis in man. In: Lane, R.P., Crosskey,
Francisella tularensis
R.W. (eds) Medical Insects and Arachnids,
Chapman & Hall, London 429 – 469, 1993
2. Zumpt, F. Myiasis in Man and Animals
in the Old World. Butterworths, London,
1965
Francisella tularensis
A. Weber, Nürnberg
Erregerbezeichnung
Francisella tularensis.
Taxonomie
Bisher ist die Gattung Francisella, der außer Francisella tularensis auch noch
Francisella novicida angehört, noch keiner Familie zugeordnet.
Historie
Erste Anzüchtung 1912 durch McCoy und
Chapin aus Organmaterial von im Bezirk
Tulare, Kalifornien, verendeten Erdhörnchen mit pestähnlichen Veränderungen
und als Bacterium tularense bezeichnet.
1914 isolierten Wherry, Lamp und Vail in
Ohio die gleichen Bakterien aus Konjunktivalabstrichen erkrankter Personen.
In den folgenden Jahren wurden durch E.
Francis die epidemiologischen Zusammenhänge zwischen den pestähnlichen
Erkrankungen bei Nagern und dem
„Deer Fly-Fever“ beim Menschen aufgeklärt. Seit 1974 wird diese Bakterienspezies offiziell als Francisella tularensis bezeichnet und gilt als Erreger der Tularämie (syn. in Japan Ohara’s Disease, Yatobyo; in den USA Francis Disease, Market
Men’s Disease, Rabbit Fever, Deer Fly Fever, Pahyvant Valley Plaque und in Norwegen Lemming-Fieber).
Erkrankungen
Erkrankungen durch Francisella tularensis lassen sich in die sog. äußere Form
(ca. 85 -90 % der beschriebenen Fälle)
und in die sog. innere Form der Tularämie unterscheiden.
Äußere Form: Nach einer Inkubationszeit von 3 – 5 Tagen entsteht an der Eintrittspforte des Erregers eine Hautpapel
(Primärläsion). Diese nimmt an Größe
zu, schmilzt ein und zerfällt geschwürig.
Innerhalb von 2 – 4 Tagen Bildung eines
Primärkomplexes, begleitet von Fieber.
Die regionären Lymphknoten schwellen
erheblich an, vereitern u. U. und schmelzen ulzerös ein (=ulzero-glanduläre
Form). Bei unbehandelten Fällen eine Letalitätsrate bis zu 5 %. Gelegentlich Fehlen des Primäraffektes möglich, sodaß
nur Schwellungen der Axillar- oder
Inguinallymphknoten auftreten.
Tritt der Erreger über die Konjunktiven
ein, dann entsteht das Bild der sog. Parinaudschen Konjunktivitis (=okulo-glanduläre Form).
Innere Form: Nach Inhalation des Erregers kann es zum Entstehen einer Lungen- und/oder Rippenfellentzündung
(=pulmonale oder thorakale Form) kommen. Dieses Krankheitsbild geht als unproduktiver Husten, mit oder ohne
radiologischen Zeichen einer Pneumonie
einher.
Die orale Aufnahme von Francisella tularensis kann, je nach Organmanifestation,
zu Entzündungen der Rachenschleimhaut (=oropharyngeale Form), zu Milzschwellung oder Durchfall, verbunden
mit starken Leibschmerzen (=abdominale Form) führen. Bei der Generalisation
treten während des langwierigen Verlaufs
intermittierende Fieberschübe (=typhöse
Form) auf. Bei unbehandelten Fällen beträgt die Letalitätsrate ca. 30 %.
In vereinzelten Fällen wurde im Zusammenhang mit einer Francisella tularensis-Infektion das Auftreten von Schmerzen, ähnlich wie bei Angina pectoris, verbunden mit EKG-Veränderungen, beobachtet.
Infektionen mit Francisella novicida wurden bislang nur sehr selten, insbesondere
bei immunsupprimierten Patienten,
nachgewiesen.
201
F
Francisella tularensis
Diagnostik
Antikörpernachweis: In der Routine erfolgt die Diagnose der Tularämie hauptsächlich serologisch, mittels Serumlangsamagglutination. Hierbei erweist sich
die Mikroagglutination, unter Verwendung eines gefärbten Antigens, zuverlässiger als die Röhrchenlangsamagglutination. Frühestens 8 Tage nach Infektionsbeginn fällt die Langsamagglutination
positiv aus und die höchsten Titer werden in der 4.-5. Krankheitswoche nachgewiesen. Titer von 1:80 und höher oder ein
4facher Titeranstieg während der serologischen Verfolgsuntersuchung gelten als
Hinweis für das Vorliegen einer Infektion
mit Francisella tularensis.
Weitere serologische Verfahren sind der
indirekte Hämagglutinationstest und die
Komplementbindungsreaktion. Die getrennte Erkennung von Ig A-, Ig M- und
Ig G-Antikörpern ist mittels ELISA möglich, der zunehmend in der Serodiagnostik der Tularämie zur Anwendung
kommt.
Mikroskopie: In Ausstrichpräparaten
oder Gewebeschnitten ist ein Nachweis
von Francisella tularensis mittels fluoreszierender Antikörper möglich, nicht dagegen mittels Gram-Färbung.
Der kulturelle Erregernachweis erfordert
infolge der hohen Infektiosität von Francisella tularensis die strenge Einhaltung
besonderer Hygiene-Schutzmaßnahmen
von Seiten des Laborpersonals und sollte
daher nur in entsprechend eingerichteten
Laboratorien durchgeführt werden! Als
Untersuchungsmaterial eignen sich, je
nach Krankheitsbild Ulkusmaterial der
Primärläsion, Eitermaterial, Exzisionsmaterial von vergrößerten Lymphknoten,
Konjunktivalsekret, Sputum oder Heparinblut. Die Anzüchtung von Francisella
tularensis ist nur unter Verwendung von
Blut-Glukose-Zystin-Agar oder koagulierten Eidotternährböden möglich. Nach
2 – 5tägiger aerober Bebrütung bei 37 °C
bilden sich 1 – 2mm große, runde, feuchte, milchig-weiße Kolonien. Deren erste
Identifizierung erfolgt mittels Gram-Fär202
bung (dicht zusammengelagerte, aber
einzeln liegende, schwach angefärbte,
gramnegative, zarte, kokkoide Stäbchen)
und einer positiven Objektträgeragglutination mit monospezifischem Francisella
tularensis-Antiserum.
Biochemische Differenzierung: Stämme,
die kein Glyzerin spalten – trifft vorwiegend für Isolate in Europa und Japan zu –
werden Francisella tularensis, Biovar palearctica (syn. Typ B) zugeordnet, während Stämme, die Glyzerin spalten – trifft
hauptsächlich für Isolate in Nordamerika
zu – Francisella tularensis, Biovar tularensis (syn. Typ A) angehören.
Die serologische Differenzierung erlaubt
keine Unterscheidung der beiden Biovare
von Francisella tularensis. Diese Bakterienspezies weist allerdings Antigengemeinschaften mit Brucellen und Yersinia
enterocolitica O:9 auf, die zu serologischen Kreuzreaktionen führen und u. U.
die serologische Diagnostik der Tularämie erschweren können.
Pathogenitätsmechanismen: Francisella
tularensis bildet neben dem klassischen
Endotoxin, das in seiner Wirkung dem
der Enterobacteriaceae entspricht, auch
ein thermolabiles Toxin.
Therapie
Mittel der Wahl ist Streptomycin, täglich
0,5 – 1,0 g, mindestens 10 – 14 Tage lang
verabreicht. Bewährt hat sich auch eine
Kombination mit Doxycyclin, täglich 0,2g
oral. Behandlung in jedem Falle bis mindestens 5 Tage nach der Entfieberung
durchführen.
Spezifische Merkmale
Transmission
Die Ansteckung des Menschen mit Francisella tularensis erfolgt in den meisten
Fällen durch direkten Kontakt mit Ausscheidungen, Blut oder Organen beim
Aufbrechen, Zerlegen oder Abhäuten infizierter Tiere (Hasen!). Außerdem ist die
Erregerübertragung auf den Menschen
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
durch Biße oder Stiche blutsaugender
Arthropoden möglich. Ferner durch Inhalation von erregerhaltigem Staub, z. B.
bei Verarbeitung von Getreide, das mit
Sekreten und Exkreten infizierter Nager
kontaminiert ist. Durch Verzehr von infizierten Hasen oder Wildkaninchen sowie
durch Genuß von kontaminiertem Trinkwasser kann es ebenfalls zu einer Infektion mit Francisella tularensis kommen.
Wirtsbereich
Francisella tularensis wurde bislang außer beim Menschen bei mehr als 125 Säugetierarten, aber auch bei Vögeln, Reptilien, Fischen und insbesondere bei Arthropoden nachgewiesen. Vor allem Hasen, Wildkaninchen, Mäuse, Ratten, Biber und Erdhörnchen gelten als die wichtigsten Erregerreservoire.
Risikogruppen
Personen, wie z. B. Jäger, Wildbrethändler, die aufgrund ihrer Tätigkeit intensiven Kontakt mit Wildtieren (Hasen!) haben, sind besonders gefährdet, außerdem
Menschen in ländlichen Gegenden.
Epidemiologie
Das Vorkommen der Tularämie beim
Menschen entspricht weitgehend der Verbreitung von Francisella tularensis bei
Tieren. Die epidemiologisch wichtigsten
Naturherde sind derzeit in den USA, in
Japan und in Gebieten der ehemaligen
UdSSR anzutreffen. Europäische Endemiegebiete sind vor allem in Schweden,
in der ehemaligen CSSR, in Österreich, in
der Schweiz und in Deutschland (Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Mainfranken) bekannt. Jährlich werden in den
USA ca. 300 Erkrankungen beim Menschen (Inzidenzrate 0,6 – 1,3/Million Einwohner) erfasst, in Deutschland sind es
2 – 5 Fälle (Inzidenzrate 0,02 – 0,06/Million Einwohner) pro Jahr.
Prävention
Personen (s. Risikogruppen), die aufgrund ihrer Tätigkeit besonders gefährdet sind, sollten beim Umgang mit Wildtieren, insbesondere Hasen, stets arbeitshygienische Maßnahmen beachten. Ver-
zehr nur von gekochtem bzw. durchgebratenem Hasen- oder Wildfleisch. Bei
Untersuchung von tularämieverdächtigem Material müssen im Labor unbedingt die gesetzlich vorgeschriebenen
Schutzmaßnahmen eingehalten werden.
Schutzimpfungen sind möglich, aber im
deutschsprachigen Raum derzeit nicht
erforderlich.
Bekämpfung: In Deutschland ist aufgrund § 3 des Bundesseuchengesetzes
beim Menschen der Krankheitsverdacht,
die Erkrankung oder der Tod an Tularämie meldepflichtig. Auch der Nachweis
von Tularämie bei Tieren unterliegt der
Meldepflicht.
Schlüsselliteratur
1. Brandis, H., H.J. Eggers, W. Köhler, G. Pulverer (Hrsg.): Lehrbuch der Medizinischen
Mikrobiologie. 7.Auflage, Gustav Fischer
Verlag Stuttgart, 1994.
2. Hahn, H., D. Falke, P. Klein (Hrsg.): Medizinische Mikrobiologie. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, 1991.
3. Murray, P.R. (Ed.Chief): Manual of Clinical
Microbiology. 6th.ed., ASM Press Washington, 1995.
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
und Russische Frühjahrs-SommerEnzephalitis-Virus
Günther Schönrich, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
(abgek. FSME-Virus), syn. Zentraleuropäisches Enzephalitis-Virus (ZEE-Virus,
engl. CEE-Virus) und Russisches Frühjahrs-Sommer-(engl. Russian Spring
Summer-) Enzephalitis-Virus (abgek.
RSSE-Virus)
Morphologie
FSME- und RSSE-Virus gleichen morphologisch dem Gelbfiebervirus (s.
„Gelbfiebervirus“)
203
F
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
Taxonomie
Das FSME- und RSSE-Virus sind Mitglieder des Genus Flavivirus in der Familie
der Flaviviridae. Beide Viren unterscheiden sich nur im E-Protein und in einem
Nicht-Strukturprotein. Das FSME- und
RSSE-Virus gehören zum Zeckenbißenzephalitis-Komplex (engl. Tick Borne Encephalitis, abgek. TBE). Der TBE-Komplex umfaßt eine Untergruppe von Viren
innerhalb des Genus Flavivirus: u. a. das
FSME-Virus, das RSSE-Virus, das Omsker-hämorrhagisches-Fieber-Virus
(s.
„Seltene humanpathogene Flaviviren“),
das Kyasanur-Forest-Virus (s. „Seltene
humanpathogene Flaviviren“), und das
Powassan-Fieber-Virus (s. „Seltene humanpathogene Flaviviren“). Diese sind
hinsichtlich der Antigendeterminanten
enger miteinander verwandt als mit anderen Flaviviren. RSSE- und FSME-Virus
können durch monoklonale Antikörper,
die gegen das E-Protein der Hülle gerichtet sind, voneinander unterschieden werden. Beide Viren unterscheiden sich auch
hinsichtlich der Vektoren und des Verlaufs der im Menschen hervorgerufenen
Erkrankung.
Historie
Im Jahre 1932 kam es im fernöstlichen
Teil Rußlands zu einem Ausbruch von
Enzephalitis-Fällen. Weitere Fälle traten
in den nächsten Jahren auf. Schließlich
konnte Silber et al. 1937 das verantwortliche Virus aus mechschlichem Gehirn
isolieren und den Übertragungsweg
(Zecken) aufklären. Das Virus bekam den
Namen Russisches Frühjahrs-Sommer(Russian Spring Summer-) EnzephalitisVirus (RSSE-Virus). In westlichen Teilen
Rußlands konnte man aus Zecken ein
ähnliches Virus isolieren. Die folgenden
Jahre zeigten, daß das zweite Virus für
viele Enzephalitis-Fälle in Zentraleuropa
und Skandinavien verantwortlich ist.
Dieses Virus wurde in Abgrenzung von
dem zuerst entdeckten RSSE-Virus als
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
(FSME-Virus), syn. Zentraleuropäisches
(Zeckenbiß-, engl. tick borne) Enzephalitis-Virus (ZEE-Virus, engl. CEE-Virus)
bezeichnet.
204
Klinik
Die Inkubationszeit der FSME beträgt 1
bis 2 Wochen. Die Angaben über die
Häufigkeit von klinischen Manifestationen schwanken und liegen zwischen 5 %
– 30 % der Infizierten. Der Krankheitsverlauf ist biphasisch. Zunächst treten
grippeähnliche Symptome auf: Fieber
(meist nicht über 38 °C), Kopfschmerzen,
Schwindelgefühl, Erbrechen. Gelegentlich gibt es bereits jetzt neurologische
Symptome. Insbesondere das Sehvermögen kann dann betrofffen sein (z. B. Diplopie). Diese erste Phase der Krankheit
dauert 4 – 6 Tage. Danach lassen die Beschwerden für 2 – 3 Tage nach. Der größte
Teil der Patienten (70 – 80 %) macht nur
diesen unspezifischen Teil der Erkrankung durch. In der zweiten Phase der Erkrankung, die nur 20 – 30 % der Patienten
erleiden, stellen sich meningeale Symptome ein. Es kommen Zeichen der Enzephalitis hinzu (Meningoenzephalitis, in
ca. 80 % der Fälle mit einer zweiten Phase). Vor allen Dingen bei älterenn Patienten kann sich zusätzlich eine Myelitis entwicklen (Gefahr der Bulbärparalyse und
Phrenikusparese). In diesen schweren
Fällen beträgt die Letalität ungefähr
1 – 2 % und die Gefahr von bleibenden
Schäden besteht. Extrapyramidale und
zerebelläre Symptome können oft noch
Monate nach Rekonvaleszenz persistieren. Gewöhnlich kommt es aber selbst bei
schweren Verläufen zur völligen Heilung
ohne bleibende neurologische Ausfälle.
Allerdings muß in 10 %-20 % der schwereren Verläufe mit bleibenden psychomotorischen Defekten gerechnet werden.
Insgesamt betrachtet sind die Krankheitsbilder, Paresen und bleibenden
Schäden bei Erwachsenen ausgeprägter
als bei Kindern. Die RSSE beginnt weniger akut als die FSME. In der Prodromalphase kommt es zu Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Anorexie, Photophobie
und Nackensteife. Schließlich können
sich unterschiedliche neurologische Symptome entwickeln (sensorische und visuelle Ausfälle, Paresien, Paralysen, Krämpfe). Die Mortalität liegt mit etwa 20 %
wesentlich höher als bei der FSME. Einen
weiteren Unterschied zur FMSE stellt die
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
Tatsache dar, daß Kinder schwerer erkranken als Erwachsene. Auch die Rate
der bleibenden neurologischen Schäden
ist mit 30 % bis 60 % höher als bei der
FSME.
Diagnostik
Die Differentialdiagnose der durch Flaviviren hervorgerufenen Enzephalitis umfaßt andere virale Enzephalitiden, insbesondere die therapierbare Herpes-Enzephalitis (s. „Herpes-simplex-Virus“). Epidemiologische Hinweise wie Jahreszeit
und Wohnort in einem bekannten Endemiegebiet erleichtern die Diagnose einer
Flavivirus-Enzephalitis. Diese wird in der
Regel aufgrund des Nachweises von virusspezifischen IgM-Antikörpern in Serum und Liquor durch das ELISA-Verfahren gestellt. Andere serologische Testverfahren wie KBR, HHT und NT spielen
keine Rolle mehr. Berücksichtigt werden
muß jedoch, daß FSME-Impfungen zu
lange Zeit nachweisbaren Spiegeln von
FSME-spezifischen
IgM-Antikörpern
führen können. Die Virusisolierung aus
dem Blut von Infizierten ist für die Routinediagnostik bedeutungslos, da diese nur
selten gelingt und sehr aufwendig ist.
Therapie
Es kommen nur supportive Maßnahmen
in Betracht, da eine spezifische antivirale
Therapie nicht zur Verfügung steht.
Spezifische Merkmale
Das FSME-Virus und das RSSE-Virus
sind sehr eng verwandt und können nur
durch spezielle Techniken voneinander
unterschieden werden.
Transmission und Erkrankungsrisiko
Das Auftreten der Infektionen mit FSMEbzw. RSSE-Virus spiegelt die geographische Verteilung der Hauptvektoren wieder. Im Falle des FSME-Virus ist dies die
Schildzecke Ixodes ricinus. Das RSSE-Virus wird durch Ixodes persulcatus übertragen. Nach dem Biß der Schildzecken
gelangen die Viren über den infizierten
Speichel in das Blut des Wirtes. Die Zekken sind besonders im Frühjahr und frühen Sommer aktiv, so daß in dieser Peri-
ode auch die meisten Erkrankungen auftreten. In Endemiegebieten der FSME
sind etwa 1 % der Vektoren durchseucht.
Dagegen wird bei RSSE die Durchseuchungsrate der Zecken auf 20 % geschätzt. Ixodes ricinus, auch Holzbock genannt, hat für jedes Lebensstadium unterschiedliche Wirte (Larvenstadium:
Kleinsäuger, Eidechsen, Vögel; Nymphenstadium: Igel, Eichhörnchen, Mäuse,
Vögel und der Mensch; adultes Stadium:
u. a. Füchse, Ziegen, Schafe, Rehe, Hasen,
Rinder). Um einen Wirt zu erreichen,
kriechen Zecken an Pflanzen hoch, jedoch in der Regel nicht höher als 50 cm
bis 70 cm. Es trifft also nicht zu, daß Zekken sich aus der Höhe von Bäumen auf
ihre Opfer fallen lassen. Etwa 10 – 20 %
der FSME-Infektionen werden nicht
durch Zeckenbiß, sondern über Rohmilchprodukte von infizierten Kühen,
Schafen und Ziegen übertragen. Dieser
letze Infektionsweg ist jedoch in Deutschland ohne praktische Bedeutung. Laborinfektionen kommen ebenfalls vor. Ungefähr 70 % der Betroffenen bleiben trotz
Infektion entweder asymptomatisch oder
machen nur die Anfangsphase der Erkrankung mit unspezifischer Symptomatik durch. Bei etwa 30 % treten neurologische Symptome auf (Meningitiden, Meningoenzephalitiden,
Meningo-myeloenzephalo-Radikulitiden).
Epidemiologie
Im Gegensatz zu denjenigen Arboviren,
die durch Moskitos übertragen werden,
kommen die zum TBE-Komplex gehörenden Arboviren bis auf wenige Ausnahmen nur in Asien, Osteuropa und Westeuropa vor. Das Verbreitungsgebiet der
FSME erstreckt sich von Rußland im
Osten, über Finnland und Schweden im
Norden, nach Deutschland und Frankreich im Westen bis herunter nach Italien, Griechenland und dem ehemaligen
Yugoslawien im Süden. Naturherde in
Deutschland befinden sich größtenteils
in Baden-Württemberg, Bayern und in
den östlichen Bundesländern (siehe Tabelle 1). Die RSSE ist vorwiegend in der
russischen Taiga und in Westsibirien lokalisiert. FSME und RSSE stellen endemi205
F
Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus
Tab. 1: Registrierte FSME-Erkrankungen in Deutschland 1994 (nach M. Roggendorf)
Wohnsitz
der Infizierten
Ort der Infektion
Anzahl
Baden-Württenberg
Baden-Württenberg
Österreich
Sibirien
Bayern
Österreich
Saarlouis
Odenwald
239
2
1
50
7
1
6
Bayern
Saarland
Hessen
sche Erkrankungen dar, die hauptsächlich in den Sommermonaten auftreten.
Die hier herrschenden Temperaturen und
die Feuchtigkeit förderen die Aktivität
der Zecken. Besonders waldreiche Flußtäler sind potentielle Zeckengebiete.
Oberhalb von 1000 Metern ist keine
Zeckengefahr mehr gegeben. In Zentraleuropa gibt es zwei Häufigkeitsgipfel der
FSME-Infektion: Mai/Juni und September/Oktober. Der Erkrankungsgipfel
hinkt entsprechend etwa 3 – 4 Wochen
hinterher. FSME-Fälle treten in geographischen Foci auf, deren Verteilung relativ konstant ist und mit den natürlichen
Habitaten der Zecken korrelieren. Besonders Bauern, Forst- und Waldarbeiter
sind gefährdet.
Prävention
Für die Impfung wird ein komplettes,
Formol-inaktiviertes Virus verwendet. 3
Impfungen sind für einen vollständigen
Impfzyklus notwendig, wobei die Effizienz des Impfschutzes bei 97 % bis 98 %
liegt. Die Vakzinierung mit dem FSMEImpfstoff soll auch Schutz vor RSSE-Infektionen verleihen. Früher beobachtete
Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit) treten heute nicht
mehr auf, da die Vakzine nun durch einen Ultrazentrifugationsschritt hochaufgereinigt wird. Frühzeitige Gabe von
FSME-Hyperimmunglobulin innerhalb
von 96 Stunden nach Zeckenbiß kann eine Erkrankung verhindern. Da Berichte
über schwere Krankheitsverläufe nach
postexpositioneller passiver Immunisie206
Gesamtzahl
der Infizierten
242
57
1
6
rung vorliegen, sollte die Indikation genau geprüft werden.
Speziallabor
Prof. Dr. M. Roggendorf, Institut für Virologie der Universität, Gesamtschule Essen, Hufelandstr. 55, D-45122 Essen
Schlüsselliteratur
1. Traavik, T. (1994). Tick-borne Encephalitis,
Wesselsbron and Simian Haemorrhagic Fever Viruses. In: Webster, R.G. and Granoff,
A. (eds.) Encyclopedia of Virology, p. 367.
London: Academic Press Limited.
2. Schoub, B.D. and Blackburn, N.K. (1995).
Flaviviruses. In: Zuckerman A.J., Banatvala,
J.E. and Pattison, J.R. (eds.) Principles and
Practice of Clinical Virology (3rd edition),
p.485. Chichester: John Wiley & Sons.
3. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1996). Flaviviruses. In: Fields, B.N., Knipe, D.M., Howly, P.M. et al. (eds.) Virology (3rd edition),
p.961. Philadelphia: Lippincott-Raven Publishers.
4. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1995). Flaviviruses (Yellow fever, Dengue, Dengue
haemorrhagic fever, Japanese encephalitis,
St. Louis encephalitis, tick-borne encephalitis). In: Mandell, G.L., Benett, J.E., Dolin,
R. (eds.) Principles and practice of Infectious Diseases (4th edition), p.1465. New York:
Churchill Livingstone Inc..
Fuchsbandwurm
(siehe Echinococcus multilocularis)
Fusarium
Fusarium
Reinhard Kappe, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Fusarium solani, Fusarium oxysporum.
Elf weitere, als Infektionserreger weitaus
seltenere Fusarium-Arten.
Morphologie
Im Wirtsgewebe: Radiär wachsende, hyaline, septierte, sich spitzwinklig (30 bis
50 ° verzweigende Myzelien einheitlichen
Kalibers (3 bis 4 ? m). Gut anfärbbar mit
Grocott-Gomorri-Versilberung oder Perjodsäure-Schiff-Reagenz (PAS). Ohne Immunhistologie nicht von Aspergillus und
Pseudallescheria (Scedosporium) unterscheidbar.
In der Kultur: Nach 3 bis 5 Tagen auch
bei 37 °C auf Sabouraud-Glucose-Agar
wachsende, weißliche bis cremefarbene
Kolonie mit reichlich Luftmyzel. Die Species-Diagnose bleibt Spezialisten vorbehalten (Speziallaboratorien); sie ist zur
Zeit (Juni 1997) nicht einheitlich festgelegt.
Fusarium solani: Rückseite der Kultur
grün bis bläulich-braun. Mikroskopische
Merkmale: Die Traghyphen (Konidiophoren) entspringen seitlich vom Luftmyzel.
Schon nach wenigen Tagen finden sich
massenhaft kleine, längliche Mikrokonidien (1 × 3 ? m), die jeweils einzeln terminal an einer Traghyphe gebildet werden.
Nach 5 bis 10 Tagen treten zahlreiche terminale oder intercalare, glatt- oder rauhwandige, einzeln oder paarweise liegende
Chlamydosporen auf. Nach 10 bis 30 Tagen schließlich werden charakteristische
Makrokonidien auf kürzeren, verzweigten Konidiophoren gebildet. Diese sind
spindelförmig, leicht gebogen, zugespitzt
und 3- bis 5-zellig.
Fusarium oxysporum: Das weiße Luftmyzel wird gewöhnlich bereits nach wenigen
Tagen purpurfarben. Rückseite der Kultur farblos bis dunkelblau oder dunkelpurpurn. Mikroskopische Merkmale: Die
Traghyphen (Konidiophoren) sind kurze,
einzelne, seitliche Monophialiden am
Luftmyzel. Mikrokonidien, Chlamydosporen und Makrokonidien unterscheiden sich nicht von denjenigen bei F. solani.
Taxonomie
Abteilung: Ascomycota
Klasse: Euascomycetes
Ordnung: Hypocreales
Familie: Hypcreaceae
Gattung: Fusarium
Auf Species-Ebene ist die Taxonomie zur
Zeit (Juni 1997) nicht übereinstimmend
definiert.
Historie
Mykotoxikose: In der ehemaligen UdSSR
starben 1944 – 1947 mehr als 100.000
Menschen an einer Nahrungsmittelvergiftung durch verschimmeltes Getreide
(Marasas et al. 1984; Fusarium sporotrichoides und Fusarium poae).
Invasive Fusariose: Der erste Fall einer
disseminierten invasiven Fusariose wurde 1973 von Cho et al. bei einem Kind mit
einer akuten lymphatischen Leukämie
beschrieben.
Erkrankungen/Register
Mykotoxikose: Alimentäre, toxische Agranulozytose.
Fusarium-Infektionen: Keratitis, Peritonitis, Katheterinfektion.
Invasive, disseminierte Fusariose.
Diagnostik/Symptome
Siehe invasive pulmonale und disseminierte Aspergillose. Die Klärung der Differentialdiagnose wird erst bei erfolgreicher Kultur möglich. Eine spezifische Immunhistologie – obwohl auf der Basis
kreuzabsorbierter spezifischer Kaninchenseren gut möglich – wird derzeit
weltweit von keinem Referenzlabor angeboten. Es gibt keine kommerziell erhältlichen serologischen Teste. Die Entwicklung molekularer Sonden berücksichtigt
die Fusariosen, führte jedoch noch nicht
zu klinisch brauchbaren Testsystemen.
207
F
Fusobacterium
Therapie
Amphotericin B hat von allen gängigen
Antimykotika noch die größte in vitroAktivität gegenüber Fusarium-Arten. Die
klinische Erfolgsrate ist dennoch sehr bescheiden, tatsächlich noch schlechter als
bei invasiver Aspergillose.
Spezifische Merkmale
Die invasive Fusariose bei immunsupprimierten Patienten (z. B. Leukämikern)
weist im Vergleich zur invasiven Aspergillose bei der gleichen Risikogruppe keine spezifischen Merkmale auf. Sie ist
noch schlechter therapierbar als invasive
Aspergillosen.
Transmission
Alimentäre Mykotoxikose: Verzehr verdorbenen Getreides.
Invasive, disseminierte Fusariose: Inhalation aerogen verbreiteter Mikrokonidien.
Wirtsbereich
Fusarium oxysporum ist ein verbreiteter
Pflanzenparasit. Auch die übrigen Fusarium-Arten sind in der Natur weit verbreitet. Sie stellen zusammen mit Cladosporium-, Alternaria- und Aspergillus-Arten
einen Großteil des „Myko-Planktons“ der
Luft.
Risikogruppen
Alimentäre Mykotoxikose: Hungernde Bevölkerungsgruppen in der Dritten Welt.
Invasive, disseminierte Fusariose: Steroidbehandlung, Agranulozytose, zytotoxische Chemotherapie (siehe auch invasive
Aspergillose).
Epidemiologie
Die alimentäre Mykotoxikose durch Fusarium-Toxine (T-2-Toxin) hat große historische Bedeutung ( G 100.000 Tote in
der ehemaligen UdSSR 1945) sowie aktuelle Bedeutung in einigen Entwicklungsländern.
Die invasive Fusariose wird in den letzten
Jahren zunehmend häufiger beschrieben
(1000 Fälle weltweit, Juni 1996).
208
Prävention
Mykotoxikose: Vernichtung verschimmelten Getreides.
Invasive Fusariose: Siehe invasive Aspergillose.
Referenzzentren
1. Centraalbureau voor Schimmelcultures, PO
Box 273, NL-3740 AG Baarn, The Netherlands. Phone +31 – 35 – 5481211, fax
+31 – 35 – 5416142,
email:
Info — cbs.knaw.nl.
2. Fusarium Research Center, Department of
Plant Pathology, The Pennsylvania State
University, University Park, Pennsylvania
16802, USA. Phone +1 – 814 – 865 – 9773, fax
+1 – 814 – 863 – 7217.
Schlüsselliteratur
1. De Hoog GS, Guarro J. 1995. Atlas of clinical fungi. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Baarn, The Netherlands.
2. Nelson PE, Dignani MC, Anaissie EJ. 1994.
Taxonomy, biology, and clinical aspects of
Fusarium species. Clin Microbiol Rev
7:479 – 504.
Fusobacterium
Heinrich K. Geiss, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Fusobacterium spp.
Taxonomie
Familie: Bacteroidaceae
Genus: Fusobacterium
Species:
F.alocis,
F.gonidiaformans,
F.mortiferum, F.naviforme, F.necrogenes,
F.necrophorum (ssp. necrophorum, ssp.
funduliforme), F.nucleatum (ssp. animalis, ssp. fusiforme, ssp. nucleatum, ssp.
polymorphum), F.periodonticum, F.russii, F.sulci, F.varium, [F.]prausnitzii,
(F.perfoetens, F.simiae).
Historie
In der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts wurden von zahlreichen Wissenschaftlern (Bang, Löffler, Miller, Plaut,
Fusobacterium
Schmorl, Vincent, Veillon und Zuber)
spindelförmige und fusiforme Stäbchenbakterien aus dem Mund von gesunden
und erkrankten Menschen, sowie von
verschiedenen Tierarten beschrieben.
Die meist pleomorphen Bakterien wurden verschiedenen Species zugeordnet,
bis 1923 von Knorr für obligat anaerobe
gramnegative fusiforme Stäbchenbakterien der Gattungsname Fusobacterium
innerhalb der Familie der Bacteroidaceae
vorgeschlagen wurde. Derzeit gehören zu
dieser Gattung 12 humanpathogene Arten (F.perfoetens wurde bislang ausschließlich im Stuhl von Schweinen, F.simiae aus dem Mund von Makaken isoliert), wobei allerdings „F.“prausnitzii
aufgrund phylogenetischer Studien nicht
mehr zur Gattung Fusobacterium gezählt
werden wird, allerdings bislang noch
nicht endgültig klassifiziert ist (die wahrscheinliche Zuordnung wird zu der
Gruppe Clostridium oder Eubacterium
erfolgen). Bei den beiden Species F.necrophorum und F.nucleatum sind zudem
mehrere Subspecies beschrieben, deren
endgültige taxonomische Stellung ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist. Der
ursprünglich beschriebene Biotyp C von
F.necrophorum, der zwischenzeitlich als
eigene Species F.pseudonecrophorum
eingeordnet wurde, ist identisch mit F.varians.
Erkrankungen
Zusammen mit Arten der Bacteroides
fragilis- sowie Porphyromonas melaninogenicus-Gruppe ist F.nucleatum das
gramnegative anaerobe Bakterium, das
am häufigsten bei menschlichen Infektionen isoliert wird. Ebenso ist F.necrophorum eindeutig menschenpathogen, in der
Vorantibiotikaära war es ein häufiger Erreger von eitrigen Infektionen der Mundhöhle und des oberen Respirationstraktes. Fusobakterien treten typischerweise
bei Infektionen mit Nekrosebildung und
Ulcerationen auf. Sie sind am häufigsten
bei Infektionen im Kopf- Halsbereich,
Hirn- und Leberabszessen, sowie nach
Tier- und Menschenbissen nachweisbar.
Finegold fand 1977, daß ein Viertel aller
Isolate von aneroben pleuropulmonalen
Infektionen zur Art F.nucleatum gehörten. Die sicherlich bekannteste Infektion,
mit der F.nucleatum assoziiert ist, ist die
Angina Plaut-Vincent oder Fusospirochätose. Weiterhin spielt F.nucleatum neben P.gingivalis, P.intermedia, „Bacteroides“ forsythus, E.corrodens, Capnocythophaga spp., A.actinomycetemcomitans und Eubacterium spp. eine herausragende Rolle bei Periodontalerkrankungen.
Bei einer ganzen Reihe weiterer Infektionen wurden Fusobakterien als Erreger
beschrieben, wie tropische Hautulcerationen (z. B. Noma), Peritonsillarabszesse, Pyomyositis und septische Arthritis,
Septikämie und Leberabszesse, intrauterine Infektionen, bakterielle Vaginose,
Harnwegsinfektionen, Meningitis, sowie
Peri- und Endocarditis. F.necrophorum
ist der Verursacher der humanen Nekrobazillose oder Lemierreschen Erkrankung, einer seltenen, aber lebensbedrohlichen Sepsis mit Halsschmerzen, Fieber
und septischer Lungenembolie ausgehend von einer akuten Pharyngotonsillitis oder Tonsillarabszeß.
F.necrophorum spielt ebenfalls in der Veterinärmedizin eine außerordentlich
wichtige Rolle und wird dort häufig isoliert bei nekrotisierenden und gangränösen Infektionen bei Rindern, Schafen und
Schweinen, während Carnivore offensichtlich nicht empfänglich für Infektionen durch diese Erregergruppe sind.
Die übrigen Fusobakterienarten werden
ebenfalls gelegentlich aus humanen klinischen Materialien isoliert, sind aber offensichtlich von untergeordneter Bedeutung.
Diagnostik
Fusobakterien sind gramnegative, obligat
anaerobe, unbewegliche, nicht sporenbildende, schlanke, 0,2 – 0,3 ? m breite, spindelförmige Stäbchen mit einer wechselnden Länge von 0,5 – 10 ? m. F.nucleatum
hat spitzzulaufende Enden und zeigt
im mikroskopischen Präparat aufgrund
zahlreicher intrazelluläre Granula ein gekörntes Aussehen. F.periodonticum hat
eine vergleichbare Morphologie, während F.naviforme kahnförmig imponiert.
209
F
Fusobacterium
Zellen von F.necrophorum sind pleomorph, oft gekrümmt mit teilweise sphärischen Ausstülpungen, es kommt häufig
zu filamentösen Formen (bis zu 70 ? m
Länge).
Zum optimalen Wachstum benötigen Fusobakterien eine Temperatur von 37 °C
und nährstoffreiche Medien, speziell mit
Trypticase, Pepton oder Hefeextrakt. Sie
sind nichtfermentativ bis schwach fermentativ. Glukose kann durch Einbau in
zelluläre Komponenten verwertet werden.
Die Koloniemorphologie auf Blutagar der
einzelnen Arten ist unterschiedlich, wobei diese Unterschiede meist nicht für eine eindeutige Identifizierung ausreichen:
F.nucleatum bildet flache, unregelmäßige
und glänzende Kolonien, F.necrophorum
kreisrunde, flache bis konvex, rauhe und
oft g -hämolysierende Kolonien mit einem Durchmesser von 1 – 4 mm, die Koloniefarbe ist je nach Biotyp von metallisch grau (ssp. necrophorum), gelblich
(ssp. funduliforme) oder graugelb (Biotyp AB). F.varians bildet nach 3-tägiger
Bebrütung knopfförmige, am Rand gewellte, rauhe, gräuliche, durchscheinende
Kolonien mit einem Durchmesser von
2 – 3 mm. Kolonien von F.ulcerans haben
ebenfalls einen Durchmesser von 2 – 3
mm, sind rund, flach, nichthämolysierend und von cremeweißer Farbe.
Metabolische Endprodukte sind vor allem Acetat und Butyrat. Propionat, Succinat, Laktat, Formiat wird in geringeren
Mengen und speziesunterschiedlich gebildet. Gemeinsam ist neben dem Vorkommen von geradkettigen, gesättigten
und einfach-ungesättigten, langkettigen
zellulären Fettsäuren der Aufbau der Peptidoglykanschicht sowie die Glutamatstoffwechsel (Glutamat-dehydrogenasepositiv). Differenzierende biochemische
Charakteristika sind u. a. der Indolabbau
(nur F.mortiferum und F.russii sind negativ), Wachstum in Gegenwart von 20 %
Galle und Äskulinhydrolyse (nur F.mortiferum ist positiv), Nitratreduktion (F.ulcerans ist positiv) sowie die Hippurathydrolyse (F.periodonticum ist positiv).
210
Therapie
Fusobakterien sind empfindlich gegen eine Vielzahl von Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine, Penem, Metronidazol, Clindamycin und Chloramphenicol.
Resistenz besteht gegen Vancomycin,
Aminoglykoside (außer Kanamycin) und
Erythromycin. Unterschiedlich ist die
Empfindlichkeit gegen Tetrazyklin. Da
diese Substanz häufig bei periodontitischen Infektionen eingesetzt wurde, kam
es zur zunehmenden Ausbildung von resistenten F.nucleatum-Stämmen, so daß
der Einsatz von Tetrazyklinen nicht mehr
uneingeschränkt gerechtfertigt ist. F.nucleatum kann eine g -Laktamase produzieren, ist aber dann voll empfindlich auf
g -Laktam/ g -Laktamaseinhibitor-Kombinationen. F.varium und F.mortiferum
sind resistent gegen Rifampicin.
Spezifische Merkmale
Natürlich vorkommende Infektionen
durch F.necrophorum und F.nucleatum
belegen die Infektiosität und Pathogenität für Mensch und Tier. Tierexperimentelle Untersuchungen zeigten die Bedeutung eines synergistischen Mechanismus
in der Pathogenese von Mischinfektionen
mit Fusobakterien.
Bisher sind wenige spezielle Pathogenitäts- bzw. Virulenzfaktoren von Fusobakterien im Detail untersucht und beschrieben. Sie umfassen Zellwandlipopolysaccharide mit Endotoxin-ähnlicher Wirkung, Hämagglutinine (F.nucleatum),
Outer-membrane-Proteine (F.nucleatum)
und Leukocidin (F.necrophorum).
Transmission
Es handelt sich meist um endogene Infektionen. Exogene Übertragung möglich
durch Tier- und Menschenbiß.
Wirtsbereich
Fusobakterien kommen natürlicherweise
bei Menschen und Warmblütlern vor, jedoch sind auch Fusobakterien-ähnliche
Arten im Gastrointestinaltrakt von Wanzen und Heuschrecken beschrieben. Der
Standort beim Menschen ist der Oropharynx (F.nucleatum, F.alocis, F.naviforme,
Fusobacterium
P.periodonticum und F.sulci) und der
Gastrointestinaltrakt
(F.necrophorum,
F.gonidiaformans, F.mortiferum, F.necrogenes, F.russii und F.varium). F.ulcerans
wurde bisher lediglich bei chronischen
tropischen Ulcera beschrieben, gleichzeitig allerdings auch aus Schlammproben,
so daß hier evt. ein Standort außerhalb
des Menschen in Betracht kommt.
Im Speichel wird die Keimzahl von Fusobakterien auf 5 × 104 geschätzt und in der
Zahnplaqueflora machen sie zwischen 0,4
und 7 % der anzüchtbaren Erreger aus.
Allerdings liegen erhebliche individuelle
Unterschiede vor und besonders bei fortgeschrittenen chronischen Periodontalerkrankungen und akuter ulcerierender
Gingivitis kommt es zum Überwiegen
von F.nucleatum mit Keimzahlen zwischen 3,3 × 107 bis 9,5 × 107 pro Gramm
Feuchtgewicht.
In der Darmflora machen Fusobakterien
nur einen kleinen Teil aus, der je nach
Diät zwischen 1 % und 7 % beträgt.
Hauptvertreter sind F.mortiferum, F.russii und „F.“prausnitzii, wobei letztere Art
insgesamt der zweithäufigste Keim der
Darmflora nach B.fragilis ist.
Inwieweit Fusobakterien zur normalen
Flora des menschlichen Urogenitaltraktes
gehören, ist noch unklar. In verschiedenen Untersuchungen liessen sich F.necrophorum bzw. F.nucleatum intravaginal,
in der Klitorisregion als auch in Vorhautsekreten isolieren.
In ähnlicher Weise wie beim Menschen
kommen Fusobakterien im Oropharynx
und Gastrointestinaltrakt von einer Vielzahl von Tierarten vor und spielen dort
wohl auch eine ähnliche Rolle als Bestandteil der Normalflora und als Erreger
von endogenen Infektionen.
Risikogruppen
Nicht näher bekannt.
Epidemiologie
Außer den unter „Wirtsbereich“ gemachten Ausführungen sind keine weiteren
Untersuchungen bekannt.
Prävention
Es sind keine spezifischen Präventionsmaßnahmen bekannt.
Referenzzentren
Schlüsselliteratur
Bolstad, A.K., H.B. Jensen, V. Bakken (1996):
Taxonomy, biology, and periodontal aspects
of Fusobacterium nucleatum. Clin. Microbiol. Rev. 9:55 – 71.
Hofstad, T.: The genus Fusobacterium. In: Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Hrsg.) The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer Verlag, New York,
Berlin, Heidelberg, 1991.
Jacobs, J.A., J.J.E. Hendriks, P.D.M.M. Verschure, A.M.. van der Wurff, G. Freling, G.D.
Vos, E.E. Stobberingh (1993): Meningitis
due to Fusobacterium necrophorum subspecies necrophorum. Case Report and review of the literature. Infection 21:57 – 60.
Lawson, P.A., S.E. Gharbia, H.N. Shah, D.R.
Clark, M.D. Collins (1991): Intrageneric relationships of members of the genus Fusobacterium as determined by reverse transcriptase sequencing of small-subunit
rRNA. Int. J. Syst. Bacteriol. 41:347 – 354.
211
F
Herunterladen