F Fannia canicularis (siehe Myiasis) Fasciola Erhard Hinz, Heidelberg Erregerbezeichnung Fasciola spec. (große Leberegel) Morphologie Bis zu 40 mm lange und 13 mm breite Saugwürmer. Dorsoventral abgeplattete Hermaphroditen mit zwei Saugnäpfen (Mund- und Bauchsaugnapf) und blind endendem Gabeldarm. Darm und Testes stark verzweigt. Taxonomie Klasse Digenea, Familie Fasciolidae Arten: Fasciola hepatica, F. gigantica Historie F. hepatica war bereits Linné bekannt (1758) und gehört damit zu den ersten Helminthen, die taxonomisch eingeordnet wurden. Die Erstbeschreibung liegt allerdings deutlich weiter zurück (de Brie 1379). F.hepatica war auch der erste Trematode, dessen Entwicklungszyklus vollständig aufgeklärt wurde (Leuckart 1882, Thomas 1883). F. gigantica wurde erstmals 1855 von Cobbold beschrieben. Erkrankungen/Register Fasciolose: Beide Fasciola-Arten sind als Adultwürmer Bewohner der großen und mittleren Gallengänge, deren Infektionsstadien (Metacercarien) im Duodenum aus der Cystenhülle freigesetzt werden und über Darmwand, Bauchhöhle und Leberkapsel ins Leberparenchym einwandern, sich zu Subadulten entwickeln, die Gallengänge aufsuchen und sich dort zum Adultwurm entwickeln. Migration verursacht Perihepatitis, eosinophile nekrotische Abszesse, Zerstörung des Parenchyms, Hyperplasie des Gallengangepithels, Cholangitis, Cholecystitis, Cholelithiasis. Diagnostik/Symptome Mikroskopie: Durch Nachweis der 130 – 150 × 63 – 90 ? m großen gedeckelten Eier in Stuhl oder Galle, gegebenenfalls auch im Punktat (Cysten, Abszesse). Die Eiausscheidung beginnt ca. 3 – 4 Monate p.i. (Präpatenz). Serologie: Als Nachweisverfahren kommen der indirekte Immunfluoreszenztest und Enzymimmuntests in Frage, die jedoch noch wenig spezifisch sind und nur von Speziallaboratorien ausgeführt werden. Symptome: Akutes Krankheitsbild selten; nur bei starkem gleichzeitigen Befall; dann 2 – 6 Wochen p.i. Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, allergische Erscheinungen. Die chronische Phase beginnt nach einigen Monaten: Kolikartige Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Ikterus, Fieber. Bakterielle Sekundärinfektionen komplizieren das Krankheitsbild. Nicht selten auch ektopische Ansiedlung mit entzündlichen Reaktionen und Abszessbildung der betroffenen Organe. Therapie Praziquantel (Biltricide®) ist unwirksam. Erfolgversprechend scheint eine Behand187 Filoviren lung mit dem in der Veterinärmedizin eingeführten Triclabendazol (Fasinex®). Bisher erprobte Dosierung: 10 mg/kg postprandial, einmalig oder an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Prüfung noch nicht abgeschlossen. Spezifische Merkmale Entwicklungszyklus: Ausscheidung der Eier mit dem Stuhl 1 Schlüpfen der Larve (Miracidium) im Wasser 1 Befall des 1. Zwischenwirts (aquatische oder amphibische Schnecken der Familie Lymnaeidae) 1 Larvenentwicklung (Sporocyste, Redie, Cercarie) in der Schnecke 1 Ausschwärmen der Cercarien und Festsetzen an Pflanzen 1 Encystierung und Umbildung zur Metacercarie 1 Infektion des Endwirts durch orale Aufnahme und Befall der Leber (u. a. Organe). Transmission Infektion des Menschen ausschließlich durch Verzehr von metacercarienbehafteten Pflanzen, unter denen die Brunnenkresse (Nasturtium officinale) die wichtigste ist. Wirtsbereich Die Infektion mit Fasciola ist primär eine Zoonose herbivorer Säugetiere und hat ein weites Wirtsspektrum. Gegenüber den z. T. sehr hohen Prävalenzen bei diesen Tieren tritt die Befallshäufigkeit beim Menschen deutlich zurück. Risikogruppen Personen, die Wasserpflanzen oder in Gewässernähe wachsende Pflanzen in rohem oder ungarem Zustand verzehren. Epidemiologie Der Befall des Menschen mit Fasciola kommt überall dort vor, wo mit Metacercarien behaftete Brunnenkresse oder andere Wasserpflanzen geerntet und verzehrt werden. Dies trifft auf zahlreiche Länder in Europa, Afrika, Asien und Amerika zu, vor allem solche, in denen Rinder und Schafe die Gewässer kontaminieren. In Europa wurden in Frankreich wiederholt kleinere Epidemien beim Menschen beobachtet. 188 Prävention Eine Fasciola-Infektion kann vermieden werden, wenn Brunnenkresse u. a. im oder am Wasser gedeihende Pflanzen nur in abgekochtem Zustand verzehrt werden. Referenzzentren Offizielle Referenzzentren existieren nicht; als fachlich qualifiziert anzusehen sind sämtliche parasitologischen und tropenmedizinischen Institutionen. Schlüsselliteratur 1. Beaver, P. C., R. C. Jung, E. W. Cupp. Clinical Parasitology. 9th Edition. Lea & Febiger Philadelphia, 1984 2. Despommier, D. D., R. W. Gwadz, P. J. Hotez. Parasitic Diseases. 3rd Edition. Springer-Verlag New York etc., 1995 3. Lang, W. (Hrsg.) Tropenmedizin in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1993 4. Mehlhorn, H., D. Eichenlaub, T. Löscher, W. Peters. Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen. 2. Aufl. Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1995 Fasciolopsis buski (siehe Darmegel) Filarien (siehe u.a. Wuchereria bancrofti, Brugia Filariasis, Mansonella) Filoviren Hans-Dieter Klenk, Marburg Erregerbezeichnung Marburg-Virus, Ebola-Virus Morphologie Die Viruspartikel sind filamentös, verzweigt, U-förmig, 6-förmig oder zirkulär. Die Länge kann bis zu 14 ? m erreichen, der Querschnitt beträgt 80nm. Die Viren Filoviren besitzen eine Lipidhülle mit Spikes, die 7nm lang sind und einen Abstand von 10nm voneinander haben. Im Inneren liegt das Nukleokapsid, das eine helikale Struktur mit einer zentralen Axe von 20nm Durchmesser besitzt. Das Virusgenom besteht aus unsegmentierter, linearer, einzelsträngiger RNS mit negativer Polarität. Es kodiert in der Reihenfolge der einzelnen Gene für das Hauptnukleokapsidprotein NP, das vermutlich zum Polymerase-Komplex gehörende VP35, das Matrixprotein VP40, das Oberflächenglykoprotein GP, ein zweites Nukleokapsidprotein VP30, ein zweites Matrixprotein VP24, sowie das Polymeraseprotein L. Taxonomie Marburgvirus und Ebolavirus bilden die Familie Filoviridae, die ein Genus mit den Spezies Ebolavirus Sudan, Ebolavirus Zaire, Ebolavirus Reston und Marburgvirus umfaßt. Historie Marburgvirus wurde 1967 als erstes Filovirus bei einem Ausbruch von hämorrhagischem Fieber, von dem ca. 30 Patienten in Deutschland und Jugoslawien betroffen waren, isoliert. Infektionsquelle waren grüne Meerkatzen (Cercopithecus aethiops), die aus Uganda stammten. Vereinzelte Marburgvirusepisoden traten 1975, 1980 und 1987 in Süd- und Ostafrika auf. Ebolavirus wurde zum ersten Mal 1976 im Sudan und in Zaire beobachtet. In den gleichen Ländern kam es 1977, 1979 und 1995 zu weiteren Ausbrüchen, bei denen jedesmal mehrere hundert Personen betroffen waren. Kleinere Ausbrüche traten an der Elfenbeinküste und in Gabun auf. Das vermutlich nicht humanpathogene Restonvirus wurde 1989 bei Affen entdeckt, die aus den Philippinen stammten. Erkrankungen/Register Mit Ausnahme des Reston-Stammes führen Marburgvirus und Ebolavirus beim Menschen zu schwerem hämorrhagischem Fieber mit Letalitätsraten zwischen 30 % und 90 %. Die klinischen Symptome sind in beiden Fällen ähnlich. Nach einer Inkubationszeit von 3 – 16 Tagen kommt es zum plötzlichen Krankheitsausbruch mit Fieber, Kopfschmerz, Schüttelfrost, Übelkeit und Muskelschmerz. In der Folge treten Schwindel, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall auf. Bei der Mehrzahl der Patienten treten nach 5 – 7 Tagen schwere hämorrhagische Erscheinungsbilder mit multiplen Blutungen auf. Am häufigsten betroffen sind der Gastrointestinaltrakt, die Lunge und das Zahnfleisch. Blutungen sind die Vorboten für einen tödlichen Ausgang, der im allgemeinen nach 7 – 16 Tagen in einem schweren Schockzustand eintritt. Filoviren zeigen einen ausgeprägten Tropismus für Zellen des reticuloendothelialen Systems, Fibroblasten und interstitielles Gewebe. Die Infektion breitet sich über den gesamten Organismus aus, wobei Leber, Niere, Milz und Lunge besonders stark befallen sind. Diagnostik/Symptome Wegen der hohen Pathogenität dieser Viren müssen beim Umgang mit infektiösem Material besondere Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Virus kann aus dem Serum akut erkrankter Patienten in Vero-Zellen angezüchtet werden, sowie aus Leber, Milz, Lympknoten, Niere und Herz von Verstorbenen. Während der virämischen Phase können Viruspartikel elektronenmikroskopisch nachgewiesen werden. Serumantikörper lassen sich durch indirekte Immunfluoreszenz und ELISA nachweisen. Zum Genomnachweis hat sich die RT-PCR bewährt. Therapie Es gibt keine spezifischen immuntherapeutischen oder antiviralen Behandlungsmethoden. Die symptomatische Behandlung richtet sich gegen disseminierte intravaskuläre Koagulopathie, Schock, Hirnödem, Nierenversagen, Superinfektionen, Hypoxie und Hypotonie. Bei der Behandlung ist auf strikte Isolierung der Patienten und Schutz des klinischen Personals (Schutzkleidung, Respiratoren) zu achten. 189 F Flaviviren, seltene humanpathogene Spezifische Merkmale Infektionen mit Marburgvirus und Ebolavirus gehören zu den gefährlichsten übertragbaren Erkrankungen beim Menschen. Arbeiten mit diesen Erregern können deswegen nur in Hochsicherheitslaboratorien (L4) durchgeführt werden. Marburgvirus und Ebolavirus sind typische Vertreter der sog. „emerging viruses“. Transmission Filovirusinfektionen sind Anthropozoonosen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch, vermutlich aber auch vom Tier auf den Menschen, erfolgt in erster Linie über den Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeiten, obwohl Aerosolinfektionen nicht auszuschließen sind. Während der Übertragungsweg nur bei wenigen Primärfällen identifiziert werden konnte, haben Sekundärfälle in der Regel nosokomiale Ursachen oder gehen auf engen Kontakt mit Patienten zurück. In einem Fall wurde die sexuelle Übertragung einer Marburgvirusinfektion 60 Tage nach der Erstinfektion beobachtet. Wirtsbereich Das natürliche Reservoir dieser Viren ist unbekannt, obwohl in Einzelfällen die Übertragung von Primaten (grüne Meerkatzen, Schimpansen) auf den Menschen nachgewiesen werden konnte. Als Tiermodelle dienen Primaten und Meerschweinchen, für die die Infektion, u. U. nach mehreren Passagen, in der Regel tödlich ist. Risikogruppen Hierzu gehören in erster Linie Ärzte, Pflegepersonal und Mitpatienten infizierter Patienten, im weiteren Sinne aber auch allgemein Ärzte und Pflegepersonal in endemischen Gebieten. Nach der Einlieferung infizierter Patienten in ein Krankenhaus kam es dort in der Regel zu massiver Ausbreitung der Krankheit durch kontaminierte ärztliche Instrumente und direkten Blut- und Sekretkontakt. Durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen kam es dann regelmäßig zum Erliegen des Ausbruchs. Prävention Chemotherapie- oder Immunisierungsansätze zur prä- oder postexpositionellen Prophylaxe von Filovirusinfektionen sind nicht bekannt. Isolierung der Patienten und Schutz des behandelnden Personals durch Sicherheitskleidung sind geeignete Mittel gegen die Ausbreitung der Krankheit. Referenzzentren Institut für Virologie, Philipps-Universität, Marburg. Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin, Hamburg Schlüsselliteratur Klenk, H.-D., Slenczka, W., and Feldmann, H.: Encyclopedia of Virology, pp 827 – 832, Academic Press, 1994 Peters, C.J., Sanchez, A., Rollin, P.E., Ksiazek, T.G., and Murphy, F.A.: Filoviridae: Marburg and Ebola Viruses. Fields Virology, Third Edition, pp 1161 – 1176, LippincottRaven, New York, 1996 Flaviviren (siehe Gelbfiebervirus, Hepatitis C Virus Flaviviren, seltene humanpathogene Günther Schönrich, Heidelberg Epidemiologie Ebolavirus und Marburgvirus kommen in Afrika endemisch vor. Durch Affenexport können die Viren in andere Länder übertragen werden. Bei den afrikanischen Ebolavirusausbrüchen wurde die Infektion in der Regel vom Primärfall auf die nächsten Angehörigen übertragen. 190 Erregerbezeichnung Die humanpathogenen Flaviviren mit ihren klinischen und epidemiologischen Eigenschaften sind in Tabelle 1 (durch Zekken übertragene Flaviviren) und Tabelle 2 (durch Moskitos übertragene Flaviviren) Flaviviren, seltene humanpathogene zusammenfassend dargestellt. Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEVirus, s. „Frühsommer-Meningoenzephalitis und Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“), Russisches Frühjahrs-Sommer-(Russian Spring Summer-) Enzephalitis-Virus (RSSE-Virus, s. „Frühsommer-Meningoenzephalitis und Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“), Gelbfiebervirus (s. „Gelbfieber“), Japanisches Enzephalitisvirus (s. „Japanische Enzephalitis“) und Dengueviren (s. „Dengue-Fieber“) werden wegen ihrer herausragenden medizinischen Bedeutung in eigenen Abschnitten abgehandelt. Neben diesen Erregern gibt es seltene humanpathogene Flaviviren, die im folgenden kurz beschrieben werden (mit * gekennzeichnete Viren in Tabelle 1 und 2). Tab. 1: Durch Zecken übertragene humanpathogene Flaviviren. aVakzine ist in Entwicklung. FSME=Frühsommermeningoenzephalitis; RSSE=Russische Frühjahrs-Sommer-(Russian Spring Summer-) Enzephalitis. * Seltene humanpathogene Flaviviren. c Vektor ist Ixodes ricinus; menschliche Infektionen sind äußerst selten (meist infolge eines direkten Kontaktes mit infizierten Schafen). Virus natürlicher Wirt Verbreitungsgebiet Krankheit Vakzine FSME Nager und andere Säugetiere Nager und andere Säugetiere Nager Affen, Nager Nager, Schafe Nager und andere Säugetiere Zentral- und Westeuropa Asiatisches Rußland Enzephalitis ja Enzephalitis neina Enzephalitis Fieber, Enzephalitis Enzephalitis Hämorrhagisches Fieber nein ja nein nein RSSE Powassan* Kyasanur* Louping ill c OmskerhämmorrhagischesFieber* Nordamerika Indien (Karnataka) Großbritannien Westsibirien Tab. 2: Durch Moskitos übertragene humanpathogene Flaviviren. HF=Hämorrhagisches Fieber; SS=Schocksyndrom. * Seltene humanpathogene Flaviviren. Virus natürlicher Wirt Verbreitungsgebiet Krankheit Vakzine Gelbfieber Affe, Mensch Afrika, Südamerika ja Japanische Enzephalitis DengueSerotypen 1–4 St.-LouisEnzephalitis* West-NilFieber* Vögel, Schwein Ostasien Fieber,Gelbsucht, HF, SS Enzephalitis Mensch Vögel Europa, Mittelmeer, Fieber, Exanthem, Ostasien, Westindien, Myalgien, HF, SS Nordafrika Nord- und Südamerika, Enzephalitis Jamaica, Haiti Afrika, Asien, Europa Fieber, Exanthem, Enzephalitis (selten) Australien, Neuguinea Enzephalitis nein unbekannt Schaf Südostbrasilien Afrika, Thailand nein nein Murray Valley Enzephalitis* Rocio* Wesselsbron* Vögel Vögel Enzephalitis Fieber ja nein nein nein 191 F Flaviviren, seltene humanpathogene Morphologie Die seltenen humanpathogenen Flaviviren gleichen morphologisch dem Gelbfiebervirus (siehe „Gelbfieber“). Taxonomie Alle hier erläuterten Viren gehören zum Genus Flavivirus aus der Familie Flaviviridae. Enzephalitis-assoziierte seltene humanpathogene Flaviviren: St.-Louis-Enzephalitis-Virus (abgek. SLE-V) Historie: Im Sommer 1933 wurden Kansas City und St. Louis in den USA von einem Enzephalitis-Erreger heimgesucht. Nach Inokulation von infiziertem Gewebe in Rhesus-Affen und Albino-Mäuse konnte ein Virus isoliert werden, welches als St.-Louis-Enzephalitis-Virus benannt wurde. Erkrankung: Über 99 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Bei klinisch manifester Infektion tritt abrupt Fieber auf, das von anderen unspezifischen Symptomen (Abgeschlagenheit, Schwindelgefühl, Erbrechen und Kopfschmerzen) begleitet wird. Das ZNS kann in Form von aseptischer Meninigitis oder Enzephalitis betroffen sein (Nackensteife, Benommenheit, Ataxie, Verwirrungszustände und Desorientiertheit). Diagnostik: Virusisolationen von Serum oder Liquor ist nicht erfolgreich, kann aber aus Autopsie-Material (Hirngewebe) gelingen. Für die Anzüchtung werden Babymäuse verwendet. Die Diagnose kann serologisch ab dem 3. bis 5. Tag durch den Nachweis von virusspezifischen IgMAntikörpern im ELISA gestellt werden. Nach etwa 2 Monaten sind die viruspezifischen IgM-Antikörper in der Regel wieder verschwunden. In 25 % der Patienten persistieren allerdings die virusspezifischen IgM-Antikörper bis zu 1 Jahr. Andere serologischen Verfahren (HHT, KBR) sind wegen der Kreuzreaktivität mit anderen Flaviviren schwer zu interpretieren. 192 Transmission/Wirtsbereich: Verschiedene Culex-Moskitos sind an der Übertragung beteiligt. Im primären Infektionszyklus spielen Säugetiere keine Rolle. Möglicherweise sind jedoch Fledermäuse für die Vektoren während der Überwinterung wichtige Wirte. Epidemiologie: Die Erkrankung tritt in den Sommermonaten auf. Folgende Gebiete sind betroffen: Ohio-MississippiBecken, Osten von Texas, Florida, Kansas, Colorado und Kalifornien. In Zentral- und Mittelamerika können gelegentlich Fälle von SLE auftreten. Seit 1955 wurden in den USA 5000 SLE-Erkrankungen registriert. Prävention: Zum jetzigen Zeitpunkt steht keine Vakzine zur Verfügung. Die Bekämpfung der Vektoren stellt damit die wichtigste prophylaktische Maßnahme dar. Zur Überwachung werden die Moskitos auf virale Nukleinsäuren mit Hilfe der PCR untersucht. Hühner werden als Indikatoren von Virusverbreitung eingesetzt, um drohende Epidemien unter Menschen vorherzusagen. Murray-Valley-Enzephalitis-Virus gek. MVE-V) (ab- Historie: MVE-V wurde 1917/18 in Queensland und im Murray Valley entdeckt. Erkrankung: Infektionen mit MVE-V verlaufen, wie die meisten Arbovirus-Infektionen, in der Mehrzahl der Fälle asymptomatisch. Die Letalität bei Erkrankung wird mit 20 – 40 % beziffert. Symptome sind Fieber, Schwindelgefühl, Erbrechen und schwere Kopfschmerzen im Frontalbereich. Mild bis schwer verlaufende Enzephalitiden (Koma, Paraplegie, Atemlähmung) können sich entwikkeln. Bei Überlebenden einer schweren Enzephalitis bleiben in der Regel neurologische Defekte zurück. Diagnostik: Virusisolierung von Blut oder Liquor ist nicht erfolgreich. Nach Inokulation von infizierten Gehirngewe- Flaviviren, seltene humanpathogene be in Babymäuse, Hühnerembryonen oder geeigneten Zellkulturen kann Virus isoliert werden. Serologischer Nachweis durch IF, HHT, NT möglich, wobei jedoch Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren (u. a. Dengueviren) auftreten können. Der Nachweis von virusspezifischen IgM-Antikörpern in Serum und Liquor ermöglicht die frühe Diagnose. Transmission/Wirtsbereich: Der Hauptvektor ist Culex annulirostris. Insbesondere große Wasservögel (z. B. Reiher, Pelikane) sind die wichtigsten virämischen Wirte. Epidemiologie: MVE ist eine seltene menschliche Erkrankung (weniger als 1000 Fälle), die bisher nur in Australien und Neuguinea aufgetreten ist. Ausbrüche fanden bisher immer in den Sommermonaten statt. Die letzte Epidemie wurde 1974 registriert; seitdem wurde nur noch über sporadische Fälle berichtet. Historie: ROC-V wurde zuerst 1975 während einer Enzephalitis-Epidemie in der südlichen Küstenregion des Staates Sao Paulo (Brasilien) aus dem Gehirn eines Opfers isoliert. Erkrankung: Die Erkrankung beginnt mit Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen. Darauf können Symptome einer Enzephalitis auftreten. Fulminante Verläufe mit letalem Ausgang sind beschrieben. Die Mortalität beträgt etwa 10 %. In 20 % der Fälle bleiben nach der Infektion schwere neurologische Schäden zurück. Diagnostik: Viren können nur nach Inokulation von infiziertem Hirngewebe in Babymäuse oder geeignete Zellkulturen (z. B. Verozellen) isoliert werden. Bei der Serodiagnose mittels HHT, KBR und NT müssen Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren berücksichtigt werden. Transmission/Wirtsbereich: Der Transmissionszyklus des Virus ist noch nicht aufgeklärt. Prävention: Kein Impfstoff verfügbar. Powassan-Virus: (abgek. POW-V) Epidemiologie: Erkrankungen durch ROC-V traten bisher nur in einem Küstenbereich des südlichen Teils des Staates Sao Paulo in Brasilien auf. Zwischen 1975 und 1978 wurden 821 Fälle registriert. Seit 1980 sind keine weiteren Erkrankungen vorgekommen. Historie: POW-V hat seinen Namen von der Stadt Powassan im nördlichen Ontario. Dort konnte es aus dem Gehirn eines 5-jährigen Jungen, der an Enzephalitis verstorben war, zum ersten Mal isoliert werden. Prävention: Kein Impfstoff verfügbar. Erkrankung: POW-V kann Enzephalitis, Meningoenzephalitis und aseptische Meningitis verursachen. Hauptsächlich mit Fieber, Arthralgie und Exanthem assoziierte seltene humanpathogene Flaviviren: Transmission/Wirtsbereich: Hauptvektor in Nordamerika ist die Schildzecke Ixodes cookei. In der Regel werden Säugetiere infiziert. West-Nil-Virus. (abgek. WN-V) Epidemiologie: Nur weniger als 50 Fälle (in Kananda, USA und Rußland) wurden bisher weltweit bekannt. Erkrankung: Die Inkubationszeit beträgt 3 – 6 Tage. In den meisten Fällen handelt es sich um eine relativ milde verlaufende fiebrige Erkrankung, die plötzlich beginnt. Nach dem Fieber treten Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen auf. Über okuläre Schmerzen und Pha- Prävention: Kein Impfstoff verfügbar. Rocio-Virus: (abgek. ROC-V) Historie: WN-V wurde erstmals in der West-Nil-Provinz von Uganda gefunden. 193 F Flaviviren, seltene humanpathogene ryngitis wird häufig berichtet. Einige Tage nach Fieberbeginn zeigt sich ein makulopapuläres, nicht juckendes Exanthem. Gewöhnlich erscheint das Exanthem zuerst am Stamm, um sich schließlich auch auf Gesicht und Extremitäten auszubreiten. Der Ausschlag kann für eine Woche bestehen bleiben. Kinder erholen sich rasch. Dagegen kann bei Erwachsenen die Rekonvaleszenzphase protrahiert verlaufen. Nur selten ist das Zentralnervensystem am Krankheitsgeschehen beteiligt. Diagnostik: Für die serologische Diagnose werden als Testverfahren HHT, NT, ELISA und IF verwendet. Da Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren auftreten, kann die Interpretation der serologischen Untersuchungen bei Patienten mit früherer Flavivirenexposition Schwierigkeiten bereiten. Die Virusisolierung aus dem Blut in der virämischen Phase kann erfolgreich sein, wenn geeignete Zellen für die Inokulation verwendet werden. Transmission/Wirtsbereich: WN-V wird hauptsächlich in Wildvögeln amplifiziert. Daneben kann das Virus auch eine Reihe anderer Haus- und Wildtiere und den Menschen infizieren. WN-V wird meistens durch Moskitos des Genus Culex übertragen. Epidemiologie: Beim Menschen ist die Virämie nach Infektion wenig ausgeprägt, so daß eine Übertragung von Mensch zu Mensch praktisch nicht vorkommt. Ausbrüche in menschlichen Populationen stellen daher nur ein Überschwappen der ausgeprägten epizoonotischen Aktivität des Virus unter Vögeln dar. In Afrika ist die WN-V-Infektion die weitverbreiteste Arbovirusinfektion. Das WN-Fieber kommt jedoch auch im mittleren Osten (z. B. Israel), in Südosteuropa (Mittelmeerraum, Portugal, Südfrankreich, Zypern und westliche Gebiete der früheren Sowjetunion) und in Indien vor. Ausbrüche der Erkrankung beim Menschen werden, wie bei anderen Arbovirusinfektionen auch, von klimatischen Faktoren stark beeinflußt. Schwere Re194 genfälle und hohe Temperaturen im Sommer führen zu einer dramatischen Zunahme der Aktivität der Culex-Moskitos und einem entsprechend hohen Risiko der Übertragung auf den Menschen. Prävention: Wegen der relativ geringen medizinischen Bedeutung des WN-Fiebers gab es bisher keinen Anreiz für die Entwicklung einer Vakzine. Als biologisches Frühwarnsystem für den Menschen werden oft Tiere (Hamster, Meerschweinchen, Ziegen, Hühner oder Tauben) an strategisch wichtigen Plätzen gehalten. Die Moskitos befallen zuerst die Tiere. Daher wird deren Blut in regelmäßigen Abständen auf virusspezifische Antikörper untersucht. Nach Auftreten von Antikörper in den „Sondentieren“ können die Behörden gezielt prophylaktische Maßnahmen ergreifen (Einsatz von Insektiziden, Vorsichtsmaßnahmen seitens der gefährdeten Bewohner). Wesselsbron Virus (abgek. WSL-V) Historie: WSL-V wurde 1957 aus einem Schaf in dem Dorf Wesselsbron (Südafrika) isoliert. Erkrankung: Nach Infektion mit WSL-V treten plötzlich Fieber, schwere Kopfschmerzen und retroorbitaler Schmerz auf. Lichtphobie und Hyperästhesie der Haut sind weitere Symptome. Nicht selten wird ein Exanthem beobachtet. Arthralgien und Myalgien sind ebenfalls häufig. In schweren Fällen können Zeichen einer Enzephalitis hinzukommen. In der Regel erholen sich die Patienten jedoch ohne bleibende neurologische Defekte. Diagnostik: Die Diagnose wird in der Regel serologisch gestellt. Eine Virusisolierung aus dem Blut des infizierten Patienten kann versucht werden. Transmission/Wirtsbereich: Hauptvektoren sind Aedes-Moskitos. Als Wirte fungieren in der Regel Schafe. Menschen infizieren sich durch Moskitostiche oder durch direkten Kontakt mit infizierten Tierleichen bzw. Gewebeproben. Flaviviren, seltene humanpathogene Epidemiologie: WSL-V tritt außer in Südafrika auch in anderen Teilen Afrikas auf: Simbabwe, Kamerun, Nigeria, Zentralafrikanische Republik, Senegal, Elfenbeinküste, Uganda, Kenia und Madagaskar. Darüberhinaus wurde das Virus in Thailand gefunden. Da WSL-V den Tod von neugeborenen Lämmern verursacht, besitzt es – insbesondere in Südafrika – vetrinärmedizinische Bedeutung. Prävention: Es gibt keine besonderen Empfehlungen, um menschliche Infektionen zu vermeiden. Besondere Vorsicht ist jedoch beim Umgang mit WSL-V im Labor geboten, um Laborinfektionen zu verhindern Mit hämorrhagischem Fieber assoziierte seltene humanpathogene Flaviviren: Kyasanur-Forest-Virus. (abgek. KFD-V) Historie: Die erste Isolierung des Kyasanur-Forest-Virus gelang 1957 aus einem toten Affen, der im Kyasanur-Waldgebiet des heutigen Staates Karnataka in Indien gefunden wurde. Erkrankung: Nach einer Inkubationszeit von 3 – 8 Tagen tritt plötzliches Fieber (bis 40 °C) auf; Kopfschmerzen, Muskelschmerzen (hauptsächlich Rücken, Nakken); im akuten Stadium papulovesikuläre Schleimhautläsionen im Bereich des weichen Gaumens; zervikale und axilläre Lymphadenopathie; hämorrhagische Diathese mit Blutungen aus der Nase und dem Gastrointestinaltrakt; die Mortalität beträgt 5 – 10 %. Diagnostik: Für die serologische Diagnostik werden HHT, KBR und NT eingesetzt. Die Virusisolierung kann durch Inokulation von Babymäusen oder unterschiedlichen Vertebraten-Zellkulturen versucht werden. Transmission/Wirtsbereich: Der Hauptvektor ist die Zecke Haemaphysalis spinigera. Neben Affen können auch andere Vertebraten wie Ratten, Fledermäuse und Vögel infiziert sein. Epidemiologie: Die Krankheit ist bis jetzt auf den indischen Bundestaat Karnataka begrenzt. Es treten jedes Jahr etwa 500 Fälle auf. Laborinfektionen sind in Indien und den USA vorgekommen. Prävention: Eine Formalin-inaktiviertes Virus, welches in Fibroblasten von Hühnerembryonen hergestellt wurde, kann als Vakzine verwendet werden. Omsker-Hämorrhagisches-Fieber-Virus (abgek. OHF-V) Historie: OHF-V konnte 1947 in der Region Omsk (Zentral-Rußland) erstmals nachgewiesen werden. Erkrankung: Plözlicher Beginn mit Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen; hämorrhagische Diathesen (Epistaxis, gastrointestinale Blutungen, Urogenitalblutungen); Bronchopneumonie als häufige Komplikation; seltener Meninigitis mit psychomotorischen Langzeitfolgen; meist gutartiger Verlauf mit einer Letalität von etwa 1 %. Diagnostik: Das Virus kann am Anfang der Fieberphase isoliert werden (aus Blut oder Urin). In der Regel wird die Diagnose jedoch serologisch gestellt, wobei die Verwandtschaft zum FSME- bezw. RSSEVirus (s. „Frühsommer-Meningoenzephalitis und Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis“) Probleme bereiten kann. Transmission/Wirtsbereich: Zecken der Spezies Dermacentor reticulatus werden als Vektor verdächtigt. Als virämische Wirte fungieren in erster Linie Nager, insbesondere die Bisamratte. Menschen infizieren sich durch Zeckenbiß oder durch direkten Kontakt mit Urin, Fäzes oder Blut von infizierten Bisamratten. Epidemiologie: Naturherde kommen hauptsächlich in Westsibirien vor. Die meisten Infektionen betreffen Jäger von Bisamratten und deren Angehörige. 195 F Flavobacterium Prävention: Vermeidung von Zeckenbissen und Vorsicht im Umgang mit infizierten Tierleichen. Vermutlich verleiht die FMSE-Vakzine aufgrund der großen Verwandtschaft beider Viren auch Schutz gegen OHF-V. Speziallabor Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg Schlüsselliteratur 1. Traavik, T. (1994). Tick-borne Encephalitis, Wesselsbron and Simian Haemorrhagic Fever Viruses. In: Webster, R.G. and Granoff, A. (eds.) Encyclopedia of Virology, p. 367. London: Academic Press Limited. 2. Schoub, B.D. and Blackburn, N.K. (1995). Flaviviruses. In: Zuckerman A.J., Banatvala, J.E. and Pattison, J.R. (eds.) Principles and Practice of Clinical Virology (3rd edition), p.485. Chichester: John Wiley & Sons. 3. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1996). Flaviviruses. In: Fields, B.N., Knipe, D.M., Howly, P.M. et al. (eds.) Virology (3rd edition), p.961. Philadelphia: Lippincott-Raven Publishers. 4. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1995). Flaviviruses (Yellow fever, Dengue, Dengue haemorrhagic fever, Japanese encephalitis, St. Louis encephalitis, tick-borne encephalitis). In: Mandell, G.L., Benett, J.E., Dolin, R. (eds.) Principles and practice of Infectious Diseases (4th edition), p.1465. New York: Churchill Livingstone Inc.. Flavobacterium Alexander von Graevenitz, Zürich Erregerbezeichnung „Flavobacterium“ Taxonomie Die Taxonomie der medizinisch wichtigen Flavobakterien ist im Fluss. Bernardet et al. (1994, 1996) unterscheiden die folgenden Gattungen: Chryseobacterium mit den Spezies C. (F.) meningosepticum, C. (F.) indologenes, C. (F.) gleum; Flavo196 bacterium mit F. odoratum; Empedobacter mit E. brevis (F. breve); Sphingobacterium mit S. (F.) thalpophilum, S. (F.) mizutaii, S. (F.) yabuuchiae, S. (F.) spiritivorum und S. (F.) multivorum; Weeksella mit W. virosa; und Bergeyella mit B. (W.) zoohelcum. Historie Das frühere Genus Flavobacterium, das gramnegative, oxidative, gelb pigmentierte gramnegative Stäbchen umfasst, wurde 1923 von Bergey et al. kreiert. Seitdem sind mehrere Spezies (s.o.) definiert worden. Erkrankungen Flavobakterien kommen als Erreger menschlicher Erkrankungen nur selten vor. Am bekanntesten sind Neugeborenen-Meningitiden (auch epidemisch) durch C. (F.) meningosepticum und Kolonisierung/Infektion des Respirationstrakts nach antimikrobieller Therapie, vor allem durch C. (F.) indologenes. Diagnostik Mikroskopie: unbewegliche gramnegative Stäbchen. Chryseobacteria sind oft in den zentralen Abschnitten weniger weit als in den peripheren und können Fäden bilden. Anzüchtung: nur auf aerob bebrüteten festen und flüssigen (nicht auf enterischen) Medien zwischen 20 ° und 37 ° C. Biochemische Differenzierung: durch eine Reihe von Merkmalen wie Pigmentbildung, Beta-Galaktosidase, Indolbildung, Urease, Aeskulinspaltung, oxidative Bildung von Säure aus Zuckern. Alle Flavobakterien sind obligat aerob und Oxidase-positiv. Pathogenitätsmechanismen: bisher nicht bekannt. Typisierung: Serotypisierung von C. (F.) meningosepticum. Therapie Flavobakterien (mit Ausnahme von Bergeyella und Weeksella) sind multiresi- Fliegenmaden (Myiasis) stent. Rifampicin, Sulfamethoxazol-Trimethoprim, Clindamycin, Erythromycin und Ciprofloxazin werden allein und in Kombination verwendet. Spezifische Merkmale Transmission Vorwiegend von der Umgebung (Wasser, Boden) auf den Menschen bei Chryseobacterium, Flavobacterium und Spingobacterium. B. zoohelcum hingegen wird meist durch Biss vom Hund auf den Menschen übertragen. W. virosa kommt vor allem in Urin- und Vaginalproben vor und wird möglicherweise auf sexuellem Weg übertragen. Wirtsbereich Mit Ausnahme von B. zoohelcum (im Respirationstrakt von Hunden), W. virosa (die nur beim Menschen vorkommt) und C. (F.) meningosepticum, das auch bei Vögeln beobachtet wurde, sind Flavobakterien Umgebungskeime. Risikogruppen Neugeborene sowie Patienten im Spital unter Antibiotikatherapie. Epidemiologie S. Typisierung, Transmission, Wirtsbereich. Prävention Bisher keine wirksamen Massnahmen bekannt. Referenzzentren Keine offiziellen Zentren. An Flavobakterien arbeiten vor allem: Laboratorium voor Microbiologie, Universität Gent, B9000 Gent (Drs. P. Vandamme, P. Segers, K. Kersters); National Collection of Type Cultures, Central Public Health Laboratory, London NW9 5HT (U.K.) (Dr. B. Holmes). Schlüsselliteratur 1. Brandis, H., H. J. Eggers, W. Kohler, G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie. 7. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1994 2. Werner, H. (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie und Repetitorium. Walter de Gruyter Verlag Berlin, 1992 3. Burkhardt, F. (Hrsg.) Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1992 Fliegenmaden (Myiasis) F Eberhard Zielke, Neuss Erregerbezeichnung Fliegenmaden Morphologie Maden sind die Larvenstadien der höheren Fliegen. Der Madenkörper ist keiloder spindelförmig und von einem dikken widerstandsfähigen Chitinmantel umgeben. Maden sind fußlos und besitzen keine Kopfkapsel, die Mundöffnung ist mit Chitinhaken als Mundwerkzeug ausgestattet. Das Hinterende des Körpers ist meist breiter als das Vorderende und trägt Afteröffnung und Stigmen. Der Körper ist gewöhnlich in Segmente unterteilt und mit Chitinborsten oder -dornen besetzt. Die Größe der Maden variiert je nach Larvenstadium und Fliegenspezies. Sie kann zwischen wenigen mm bis zu 3 cm Körperlänge messen, wobei die großen Fliegenmaden einen Durchmesser von 5 – 8 mm erreichen. Taxonomie Die als Myiasis-Erreger des Menschen in Frage kommenden Maden gehören der Insektenordnung Diptera an und sind überwiegend in den Familien Muscidae, Calliphoridae, Gastrophilidae, Oestridae, Phoridae, Piophilidae und Syrphidae zu finden. Historie Erkrankungen/Register Maden einiger Fliegenarten können im menschlichen Körper leben und sich dort ernähren. Der Befall des Menschen oder 197 Fliegenmaden (Myiasis) anderer lebender Wirbeltiere mit Fliegenmaden wird Myiasis genannt. Je nach Lokalisation des Befalls wird sie als Urogenitalmyiasis, Analmyiasis, Intestinalmyiasis, Beulenmyiasis, Ophthalmomyiasis etc. bezeichnet. Anal- und Urogenitalmyiasis: Der Befall der Analregion oder des Urogenitalbereiches mit Fliegenmaden erfolgt in Mitteleuropa meistens während der Sommermonate. In wärmeren Gebieten kann dieses ganzjährig geschehen. Gewöhnlich sind es Weibchen der Stubenfliege (Musca domestica) und der mit ihr verwandten Arten (Muscina stabulans und Fannia canicularis), die ihre Eier in der Genitalund Analregion ablegen. Die schlüpfenden Larven dringen dann in die Vagina und die Urethra bis zur Blase oder in das Rektum vor. Exkrete und Stuhl dienen als Nahrung. Innerhalb weniger Tage wachsen die Maden zu einer Größe von 7 – 11 mm heran und lassen sich dann mit dem Eintreten der Verpuppungsreife mit dem Urin oder dem Stuhl ausscheiden. Eine leichte Zystitis und brennende Schmerzen beim Harnlassen sowie Abgeschlagenheit im Allgemeinbefinden sind die Symptome einer Urogenitalmyiasis. Bei der analen (rektalen) Myiasis sind gewöhnlich keine speziellen Symptome außer leichtem Juckreiz im Analbereich und vereinzelt auch Diarrhoen beschrieben worden. Bei der intestinalen Myiasis handelt es sich meistens um eine Analmyiasis. Vereinzelt werden aber Fliegenlarven mit verdorbener Nahrung aufgenommen und überstehen aufgrund des Chitinmantels die Magen-Darm-Passage unbeschadet. Sofern es zu keiner Weiterentwicklung der Larven gekommen ist, wird diese Form des Madenbefalls auch als Pseudomyiasis bezeichnet. Sie ist von der echten Myiasis, die zu einer Weiterentwicklung der Fliegen führt, zu unterscheiden. Dermal-(Beulen-)myiasis: Bei der Beulenmyiasis oder auch furunkeloiden Myiasis hat sich eine junge Fliegenmade zunächst unbemerkt in die Haut des Wirtes 198 eingebohrt und im Laufe der Entwicklung eine furunkelähnliche Hautbeule hervorgerufen. Die durch Fliegenmaden bedingten Hautbeulen weisen stets eine zentral gelegene Öffnung auf, die mit seröser Flüssigkeit gefüllt ist und der Fliegenmade die für die Entwicklung erforderliche Sauerstoffzufuhr gewährleistet. Die Fliegenmade kann je nach Spezies bis zu 2,5 cm groß werden und die Hautbeule kann die Größe einer Walnuß erreichen. Lokal juckende und stechende Schmerzen veranlassen den Patienten zu heftigem Kratzen. Komplikationen sind Sekundärinfektionen. Typische Erreger der Haupt- oder Beulenmyiasis sind Cordylobia anthropophaga (Tumbufliege) aus Afrika und die in Süd- und Mittelamerika beheimatete neotropische Dasselfliege, Dermatobia hominis. Erreger einer Nasalmyiasis (Madenbefall des Nasal- und Rachenraumes) sind meistens obligatorisch parasitisch lebende Larven der Nasenfliegen von Wild- und Haustieren, so z. B. des Schafes (Oestrus ovis). Die Weibchen dieser Arten spritzen ihre Larven während des Fluges in die Nüstern der Wild- oder Haustiere, gelegentlich aber auch in die Nähe der Nasenlöcher oder Augenhöhlen des Menschen. Die Larven wandern in Rachen wie auch in Nasenhöhlen und können schmerzhafte Entzündungen und ein katarrhähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Die Infestation mit Fliegenmaden im Nasen-Rachen-Raum sind in Mitteleuropa seltener, treten in Südeuropa und wärmeren Ländern aber häufiger auf. Touristen von dort sind gelegentlich befallen. Die Dauer des Befalls beschränkt sich auf wenige Tage bis zu 2 Wochen. Bei der Oral- und Dentalmyiasis befallen Maden die Mundhöhle bzw. die Wurzelhaut des Zahnes. Diese Form der Parasitose tritt bei Menschen mit fehlender Mundhygiene, Abszessen in der Mundhöhle bzw. mit faulenden Zähnen auf. Durch den üblen Mundgeruch angelockt setzen die Fliegenweibchen je nach Spezies Eier oder Larven direkt am Mundwinkel ab. Die schnell schlüpfenden jun- Fliegenmaden (Myiasis) gen Maden wandern in die Mundhöhle und penetrieren das eitrige oder faulige Substrat, wobei sie bis zur Zahnwurzel vordringen können. Patienten klagen über stechende und juckende Schmerzen und einen stark verschlimmerten Mundgeruch. Bei der Ophthalmomyiasis externa halten sich die auf den Augapfel gelangten Fliegenmaden (siehe auch Nasalmyiasis) vorwiegend auf der Oberfläche der Augenschleimhäute auf, wo sie zum Teil eine recht schmerzhafte Konjunktivitis hervorrufen können. Die Reizwirkung erklärt sich durch Sekretabsonderung und mechanische Reizungen durch die Mundhaken und Hautdornen der Maden. Gelegentlich kann die Made in die Tränendrüse eindringen und dort eine Dakrozystis hervorrufen. Ophthalmomyiasis interna wird z. B. durch Larven von Dasselfliegen (Hypoderma) hervorgerufen. Normalerweise entwickelt sich diese Fliegenbrut subkutan und im Rückenmarkskanal verschiedener Wild- und Haustiere. Der Mensch ist ein Fehlwirt, bei dem die Maden, sofern sie in die Augenhöhle gelangen, sich durch Bindehaut, Sklera oder Cornea hindurchbohren. Subretinale gangförmige Depigmentierungen oder klumpige Pigmentveränderungen mit toxischen oder mechanischen Schädigungen der Netzhaut und eine Uveitis sind typische Merkmale, die mit dem Parasitenbefall einhergehen. Die Otomyiasis ist relativ selten. Ursache ist meist eine eitrige Ohrinfektion, die bei fehlender Hygiene Fliegenweibchen zur Eiablage am äußeren Gehörgang anlockt, wo sich dann die Maden entwikkeln. In seltenen Fällen kommt es zu malignen Entartungen, d. h. zur Penetration des inneren Gehörgangs. Wundmyiasis. Angelockt durch spezifischen Wundgeruch setzen Fliegenweibchen auf der Wunde oder in unmittelbarer Nähe des Wundgebietes artspezifisch Eier oder auch bereits kleine Maden ab. Die Maden dringen dann in die Wunde oder das Geschwür ein. Aufgrund günstiger Brutbedingungen (hohe Temperaturen bei ausreichendem Nahrungsangebot) wachsen sie innerhalb weniger Tage zu 8 – 15 mm großen Tieren heran. Je nach Spezies begnügen sich die Maden nicht nur mit Wundsubstrat sondern fermentieren auch gesundes Gewebe und können dadurch schwere Zerstörungen bis zum Funktionsverlust des befallenen Organs hervorrufen. Außer Wunden werden auch Gangräne und Ulcera befallen. Länger anhaltende und deshalb gefährliche Wundmyiasis setzt eine Indulenz oder Immobilisation des Patienten und fehlende Wundversorgung voraus. Die Maden einiger Fliegenarten, so z. B. Wohlfahrtia magnifica, sind in der Lage, auch intakte Haut zu durchbohren und Wunden selbst zu erzeugen. Diese sind meist nur knapp 1 cm im Durchmesser, gehen aber bis zu 5 cm tief und sind im Umkreis von 10 cm unterminiert. Der Befall ruft sehr starke Schmerzen hervor und kann zum Verlust des befallenen Organs führen. Diagnostik/Symptome Bei Anal-, Intestinal- und Urogenitalmyiasis ist nur in seltenen Fällen mit einer gezielten Diagnose die Myiasis zu identifizieren. Meistens handelt es sich um Zufallsbefunde, d. h. verpuppungsreife Maden werden mit dem Urin oder dem Stuhl ausgeschieden und dabei entdeckt. Bei der Haut-/Beulenmyiasis wird die Hautbeule nicht selten mit einem Furunkel verwechselt und zunächst antibiotisch behandelt. Die zentrale Öffnung in der Hautbeulung, gefüllt mit seröser Flüssigkeit und den darin zu erkennenden Bewegung der Fliegenmade ermöglichen eine einfache Diagnosestellung. Die Nasalmyiasis wird aufgrund ihrer unspezifischen Beschwerden meist nur zufällig als solche erkannt. Insbesondere, wenn die Maden mit Husten oder Niesen ausgeschieden und vom Patienten entdeckt werden. 199 F Fliegenmaden (Myiasis) Oral- und Dentalmyiasis werden meist nur als Zufallsbefunde diagnostiziert. Extrem fauliger Mundgeruch bei bestehendem Abszeß sollte insbesondere in warmen Regionen mit hoher Fliegendichte auch an eine Myiasis denken lassen. Ein Auswaschen der Abszeßhöhle mit einem Antiseptikum treibt die Larven aus ihrem Versteck. Bei der Ophthalmomyiasis interna weisen die subretinalen gangförmigen Depigmentierungen oder klumpige Pigmentanhäufungen auf den Befall mit einer Hypodermalarve hin, auch wenn die Made im Augenblick nicht sofort im Auge zu erkennen ist. Im Wundbereich sind größere Maden aufgrund ihrer lebhaften Bewegung leicht zu erkennen. Dringen sie aber tief in einen Ulcus ein, weisen nur noch gelegentliche schwache Bewegungen im Eiter auf einen Parasitenbefall hin. Sofern der Patient aus warmen Regionen mit hoher Fliegendichte stammt, sollen schwer heilende Ulcera, die keine ausreichende Wundversorgung erhalten haben, auch auf Befall mit Fliegenmaden überprüft werden. Therapie Sofern die Myiasis als solche erkannt ist, können die Fliegenmaden mechanisch mit einer Pinzette entfernt werden. In den meisten Fällen ist der Fliegenmadenbefall ohnehin zeitlich begrenzt, da die Tiere innerhalb weniger Tage/Wochen den Wirt selbst verlassen, um sich zu verpuppen. Eine Ausnahme stellt die Ophthalmomyiasis interna dar. Die Elimination der gelegentlich sehr mobilen Larve kann Probleme bereiten. Hält die Made sich in der Vorderkammer des Auges auf, ist sie nach einer Inzision zu entfernen, wandert sie jedoch am Fundus oder im Glaskörper, ist möglicherweise eine Lichtkoagulation angeraten, sofern ein Visusverlust bereits aufgetreten ist. Besteht dagegen Symptomfreiheit, kann zunächst auch abgewartet werden, da gelegentlich der Parasit das Auge auch spontan verläßt. 200 Spezifische Merkmale Transmission Bei der Anal- und Urogenitalmyiasis setzen die Fliegenweibchen Eier oder Larven direkt in der Nähe des Befalls ab. Bei der intestinalen Myiasis kann mit Fliegenmaden verunreinigte Nahrung (verdorbener Käse, faulige Früchte etc., die z. B. von kleinen Kindern gegessen werden) und eine unbeschadete MagenDarm-Passage der Fliegenlarve die Ursache des Befalls sein. Bei der Wundmyiasis, Nasalmyiasis, Ophthalmomyiasis und Otomyiasis werden die Eier oder Maden in unmittelbarer Nähe des späteren Befalls von den Fliegenweibchen abgesetzt. Bei der Beulenmyiasis, hervorgerufen durch die afrikanische Tumbufliege (Cordylobia anthropophaga) erfolgt die Eiablage auf mit Schweiß oder Urin verunreinigtem Substrat, z. B. auf Wäsche. Die auf der Wäsche schlüpfenden Larven bohren sich dann beim nächsten Körperkontakt beim Menschen ein. Die neotropische Dasselfliege (Dermatobia hominis) klebt anderen Stechinsekten ihre Eier an, die diese zu einem neuen Wirt tragen, wo die Fliegenmaden sich dann in die Haut dieses Wirtes einbohren. Wirtsbereich Myiasis tritt nicht nur beim Menschen, sondern bei verschiedenen Wirbeltieren, so auch bei Haus- und Wildtieren auf. Risikogruppen Epidemiologie Myiasis kann überall dort auftreten, wo ein enger Kontakt zwischen bestimmten Fliegenpopulationen und Menschen gegeben ist. Prävention Körperhygiene, Wundhygiene und Kleidungshygiene. Referenzzentren Schlüsselliteratur 1. Hall, M.J.R., Smith, K.G.V.. Diptera causing myiasis in man. In: Lane, R.P., Crosskey, Francisella tularensis R.W. (eds) Medical Insects and Arachnids, Chapman & Hall, London 429 – 469, 1993 2. Zumpt, F. Myiasis in Man and Animals in the Old World. Butterworths, London, 1965 Francisella tularensis A. Weber, Nürnberg Erregerbezeichnung Francisella tularensis. Taxonomie Bisher ist die Gattung Francisella, der außer Francisella tularensis auch noch Francisella novicida angehört, noch keiner Familie zugeordnet. Historie Erste Anzüchtung 1912 durch McCoy und Chapin aus Organmaterial von im Bezirk Tulare, Kalifornien, verendeten Erdhörnchen mit pestähnlichen Veränderungen und als Bacterium tularense bezeichnet. 1914 isolierten Wherry, Lamp und Vail in Ohio die gleichen Bakterien aus Konjunktivalabstrichen erkrankter Personen. In den folgenden Jahren wurden durch E. Francis die epidemiologischen Zusammenhänge zwischen den pestähnlichen Erkrankungen bei Nagern und dem „Deer Fly-Fever“ beim Menschen aufgeklärt. Seit 1974 wird diese Bakterienspezies offiziell als Francisella tularensis bezeichnet und gilt als Erreger der Tularämie (syn. in Japan Ohara’s Disease, Yatobyo; in den USA Francis Disease, Market Men’s Disease, Rabbit Fever, Deer Fly Fever, Pahyvant Valley Plaque und in Norwegen Lemming-Fieber). Erkrankungen Erkrankungen durch Francisella tularensis lassen sich in die sog. äußere Form (ca. 85 -90 % der beschriebenen Fälle) und in die sog. innere Form der Tularämie unterscheiden. Äußere Form: Nach einer Inkubationszeit von 3 – 5 Tagen entsteht an der Eintrittspforte des Erregers eine Hautpapel (Primärläsion). Diese nimmt an Größe zu, schmilzt ein und zerfällt geschwürig. Innerhalb von 2 – 4 Tagen Bildung eines Primärkomplexes, begleitet von Fieber. Die regionären Lymphknoten schwellen erheblich an, vereitern u. U. und schmelzen ulzerös ein (=ulzero-glanduläre Form). Bei unbehandelten Fällen eine Letalitätsrate bis zu 5 %. Gelegentlich Fehlen des Primäraffektes möglich, sodaß nur Schwellungen der Axillar- oder Inguinallymphknoten auftreten. Tritt der Erreger über die Konjunktiven ein, dann entsteht das Bild der sog. Parinaudschen Konjunktivitis (=okulo-glanduläre Form). Innere Form: Nach Inhalation des Erregers kann es zum Entstehen einer Lungen- und/oder Rippenfellentzündung (=pulmonale oder thorakale Form) kommen. Dieses Krankheitsbild geht als unproduktiver Husten, mit oder ohne radiologischen Zeichen einer Pneumonie einher. Die orale Aufnahme von Francisella tularensis kann, je nach Organmanifestation, zu Entzündungen der Rachenschleimhaut (=oropharyngeale Form), zu Milzschwellung oder Durchfall, verbunden mit starken Leibschmerzen (=abdominale Form) führen. Bei der Generalisation treten während des langwierigen Verlaufs intermittierende Fieberschübe (=typhöse Form) auf. Bei unbehandelten Fällen beträgt die Letalitätsrate ca. 30 %. In vereinzelten Fällen wurde im Zusammenhang mit einer Francisella tularensis-Infektion das Auftreten von Schmerzen, ähnlich wie bei Angina pectoris, verbunden mit EKG-Veränderungen, beobachtet. Infektionen mit Francisella novicida wurden bislang nur sehr selten, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten, nachgewiesen. 201 F Francisella tularensis Diagnostik Antikörpernachweis: In der Routine erfolgt die Diagnose der Tularämie hauptsächlich serologisch, mittels Serumlangsamagglutination. Hierbei erweist sich die Mikroagglutination, unter Verwendung eines gefärbten Antigens, zuverlässiger als die Röhrchenlangsamagglutination. Frühestens 8 Tage nach Infektionsbeginn fällt die Langsamagglutination positiv aus und die höchsten Titer werden in der 4.-5. Krankheitswoche nachgewiesen. Titer von 1:80 und höher oder ein 4facher Titeranstieg während der serologischen Verfolgsuntersuchung gelten als Hinweis für das Vorliegen einer Infektion mit Francisella tularensis. Weitere serologische Verfahren sind der indirekte Hämagglutinationstest und die Komplementbindungsreaktion. Die getrennte Erkennung von Ig A-, Ig M- und Ig G-Antikörpern ist mittels ELISA möglich, der zunehmend in der Serodiagnostik der Tularämie zur Anwendung kommt. Mikroskopie: In Ausstrichpräparaten oder Gewebeschnitten ist ein Nachweis von Francisella tularensis mittels fluoreszierender Antikörper möglich, nicht dagegen mittels Gram-Färbung. Der kulturelle Erregernachweis erfordert infolge der hohen Infektiosität von Francisella tularensis die strenge Einhaltung besonderer Hygiene-Schutzmaßnahmen von Seiten des Laborpersonals und sollte daher nur in entsprechend eingerichteten Laboratorien durchgeführt werden! Als Untersuchungsmaterial eignen sich, je nach Krankheitsbild Ulkusmaterial der Primärläsion, Eitermaterial, Exzisionsmaterial von vergrößerten Lymphknoten, Konjunktivalsekret, Sputum oder Heparinblut. Die Anzüchtung von Francisella tularensis ist nur unter Verwendung von Blut-Glukose-Zystin-Agar oder koagulierten Eidotternährböden möglich. Nach 2 – 5tägiger aerober Bebrütung bei 37 °C bilden sich 1 – 2mm große, runde, feuchte, milchig-weiße Kolonien. Deren erste Identifizierung erfolgt mittels Gram-Fär202 bung (dicht zusammengelagerte, aber einzeln liegende, schwach angefärbte, gramnegative, zarte, kokkoide Stäbchen) und einer positiven Objektträgeragglutination mit monospezifischem Francisella tularensis-Antiserum. Biochemische Differenzierung: Stämme, die kein Glyzerin spalten – trifft vorwiegend für Isolate in Europa und Japan zu – werden Francisella tularensis, Biovar palearctica (syn. Typ B) zugeordnet, während Stämme, die Glyzerin spalten – trifft hauptsächlich für Isolate in Nordamerika zu – Francisella tularensis, Biovar tularensis (syn. Typ A) angehören. Die serologische Differenzierung erlaubt keine Unterscheidung der beiden Biovare von Francisella tularensis. Diese Bakterienspezies weist allerdings Antigengemeinschaften mit Brucellen und Yersinia enterocolitica O:9 auf, die zu serologischen Kreuzreaktionen führen und u. U. die serologische Diagnostik der Tularämie erschweren können. Pathogenitätsmechanismen: Francisella tularensis bildet neben dem klassischen Endotoxin, das in seiner Wirkung dem der Enterobacteriaceae entspricht, auch ein thermolabiles Toxin. Therapie Mittel der Wahl ist Streptomycin, täglich 0,5 – 1,0 g, mindestens 10 – 14 Tage lang verabreicht. Bewährt hat sich auch eine Kombination mit Doxycyclin, täglich 0,2g oral. Behandlung in jedem Falle bis mindestens 5 Tage nach der Entfieberung durchführen. Spezifische Merkmale Transmission Die Ansteckung des Menschen mit Francisella tularensis erfolgt in den meisten Fällen durch direkten Kontakt mit Ausscheidungen, Blut oder Organen beim Aufbrechen, Zerlegen oder Abhäuten infizierter Tiere (Hasen!). Außerdem ist die Erregerübertragung auf den Menschen Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus durch Biße oder Stiche blutsaugender Arthropoden möglich. Ferner durch Inhalation von erregerhaltigem Staub, z. B. bei Verarbeitung von Getreide, das mit Sekreten und Exkreten infizierter Nager kontaminiert ist. Durch Verzehr von infizierten Hasen oder Wildkaninchen sowie durch Genuß von kontaminiertem Trinkwasser kann es ebenfalls zu einer Infektion mit Francisella tularensis kommen. Wirtsbereich Francisella tularensis wurde bislang außer beim Menschen bei mehr als 125 Säugetierarten, aber auch bei Vögeln, Reptilien, Fischen und insbesondere bei Arthropoden nachgewiesen. Vor allem Hasen, Wildkaninchen, Mäuse, Ratten, Biber und Erdhörnchen gelten als die wichtigsten Erregerreservoire. Risikogruppen Personen, wie z. B. Jäger, Wildbrethändler, die aufgrund ihrer Tätigkeit intensiven Kontakt mit Wildtieren (Hasen!) haben, sind besonders gefährdet, außerdem Menschen in ländlichen Gegenden. Epidemiologie Das Vorkommen der Tularämie beim Menschen entspricht weitgehend der Verbreitung von Francisella tularensis bei Tieren. Die epidemiologisch wichtigsten Naturherde sind derzeit in den USA, in Japan und in Gebieten der ehemaligen UdSSR anzutreffen. Europäische Endemiegebiete sind vor allem in Schweden, in der ehemaligen CSSR, in Österreich, in der Schweiz und in Deutschland (Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Mainfranken) bekannt. Jährlich werden in den USA ca. 300 Erkrankungen beim Menschen (Inzidenzrate 0,6 – 1,3/Million Einwohner) erfasst, in Deutschland sind es 2 – 5 Fälle (Inzidenzrate 0,02 – 0,06/Million Einwohner) pro Jahr. Prävention Personen (s. Risikogruppen), die aufgrund ihrer Tätigkeit besonders gefährdet sind, sollten beim Umgang mit Wildtieren, insbesondere Hasen, stets arbeitshygienische Maßnahmen beachten. Ver- zehr nur von gekochtem bzw. durchgebratenem Hasen- oder Wildfleisch. Bei Untersuchung von tularämieverdächtigem Material müssen im Labor unbedingt die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Schutzimpfungen sind möglich, aber im deutschsprachigen Raum derzeit nicht erforderlich. Bekämpfung: In Deutschland ist aufgrund § 3 des Bundesseuchengesetzes beim Menschen der Krankheitsverdacht, die Erkrankung oder der Tod an Tularämie meldepflichtig. Auch der Nachweis von Tularämie bei Tieren unterliegt der Meldepflicht. Schlüsselliteratur 1. Brandis, H., H.J. Eggers, W. Köhler, G. Pulverer (Hrsg.): Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie. 7.Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1994. 2. Hahn, H., D. Falke, P. Klein (Hrsg.): Medizinische Mikrobiologie. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, 1991. 3. Murray, P.R. (Ed.Chief): Manual of Clinical Microbiology. 6th.ed., ASM Press Washington, 1995. Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus und Russische Frühjahrs-SommerEnzephalitis-Virus Günther Schönrich, Heidelberg Erregerbezeichnung Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (abgek. FSME-Virus), syn. Zentraleuropäisches Enzephalitis-Virus (ZEE-Virus, engl. CEE-Virus) und Russisches Frühjahrs-Sommer-(engl. Russian Spring Summer-) Enzephalitis-Virus (abgek. RSSE-Virus) Morphologie FSME- und RSSE-Virus gleichen morphologisch dem Gelbfiebervirus (s. „Gelbfiebervirus“) 203 F Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus Taxonomie Das FSME- und RSSE-Virus sind Mitglieder des Genus Flavivirus in der Familie der Flaviviridae. Beide Viren unterscheiden sich nur im E-Protein und in einem Nicht-Strukturprotein. Das FSME- und RSSE-Virus gehören zum Zeckenbißenzephalitis-Komplex (engl. Tick Borne Encephalitis, abgek. TBE). Der TBE-Komplex umfaßt eine Untergruppe von Viren innerhalb des Genus Flavivirus: u. a. das FSME-Virus, das RSSE-Virus, das Omsker-hämorrhagisches-Fieber-Virus (s. „Seltene humanpathogene Flaviviren“), das Kyasanur-Forest-Virus (s. „Seltene humanpathogene Flaviviren“), und das Powassan-Fieber-Virus (s. „Seltene humanpathogene Flaviviren“). Diese sind hinsichtlich der Antigendeterminanten enger miteinander verwandt als mit anderen Flaviviren. RSSE- und FSME-Virus können durch monoklonale Antikörper, die gegen das E-Protein der Hülle gerichtet sind, voneinander unterschieden werden. Beide Viren unterscheiden sich auch hinsichtlich der Vektoren und des Verlaufs der im Menschen hervorgerufenen Erkrankung. Historie Im Jahre 1932 kam es im fernöstlichen Teil Rußlands zu einem Ausbruch von Enzephalitis-Fällen. Weitere Fälle traten in den nächsten Jahren auf. Schließlich konnte Silber et al. 1937 das verantwortliche Virus aus mechschlichem Gehirn isolieren und den Übertragungsweg (Zecken) aufklären. Das Virus bekam den Namen Russisches Frühjahrs-Sommer(Russian Spring Summer-) EnzephalitisVirus (RSSE-Virus). In westlichen Teilen Rußlands konnte man aus Zecken ein ähnliches Virus isolieren. Die folgenden Jahre zeigten, daß das zweite Virus für viele Enzephalitis-Fälle in Zentraleuropa und Skandinavien verantwortlich ist. Dieses Virus wurde in Abgrenzung von dem zuerst entdeckten RSSE-Virus als Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME-Virus), syn. Zentraleuropäisches (Zeckenbiß-, engl. tick borne) Enzephalitis-Virus (ZEE-Virus, engl. CEE-Virus) bezeichnet. 204 Klinik Die Inkubationszeit der FSME beträgt 1 bis 2 Wochen. Die Angaben über die Häufigkeit von klinischen Manifestationen schwanken und liegen zwischen 5 % – 30 % der Infizierten. Der Krankheitsverlauf ist biphasisch. Zunächst treten grippeähnliche Symptome auf: Fieber (meist nicht über 38 °C), Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Erbrechen. Gelegentlich gibt es bereits jetzt neurologische Symptome. Insbesondere das Sehvermögen kann dann betrofffen sein (z. B. Diplopie). Diese erste Phase der Krankheit dauert 4 – 6 Tage. Danach lassen die Beschwerden für 2 – 3 Tage nach. Der größte Teil der Patienten (70 – 80 %) macht nur diesen unspezifischen Teil der Erkrankung durch. In der zweiten Phase der Erkrankung, die nur 20 – 30 % der Patienten erleiden, stellen sich meningeale Symptome ein. Es kommen Zeichen der Enzephalitis hinzu (Meningoenzephalitis, in ca. 80 % der Fälle mit einer zweiten Phase). Vor allen Dingen bei älterenn Patienten kann sich zusätzlich eine Myelitis entwicklen (Gefahr der Bulbärparalyse und Phrenikusparese). In diesen schweren Fällen beträgt die Letalität ungefähr 1 – 2 % und die Gefahr von bleibenden Schäden besteht. Extrapyramidale und zerebelläre Symptome können oft noch Monate nach Rekonvaleszenz persistieren. Gewöhnlich kommt es aber selbst bei schweren Verläufen zur völligen Heilung ohne bleibende neurologische Ausfälle. Allerdings muß in 10 %-20 % der schwereren Verläufe mit bleibenden psychomotorischen Defekten gerechnet werden. Insgesamt betrachtet sind die Krankheitsbilder, Paresen und bleibenden Schäden bei Erwachsenen ausgeprägter als bei Kindern. Die RSSE beginnt weniger akut als die FSME. In der Prodromalphase kommt es zu Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Anorexie, Photophobie und Nackensteife. Schließlich können sich unterschiedliche neurologische Symptome entwickeln (sensorische und visuelle Ausfälle, Paresien, Paralysen, Krämpfe). Die Mortalität liegt mit etwa 20 % wesentlich höher als bei der FSME. Einen weiteren Unterschied zur FMSE stellt die Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus Tatsache dar, daß Kinder schwerer erkranken als Erwachsene. Auch die Rate der bleibenden neurologischen Schäden ist mit 30 % bis 60 % höher als bei der FSME. Diagnostik Die Differentialdiagnose der durch Flaviviren hervorgerufenen Enzephalitis umfaßt andere virale Enzephalitiden, insbesondere die therapierbare Herpes-Enzephalitis (s. „Herpes-simplex-Virus“). Epidemiologische Hinweise wie Jahreszeit und Wohnort in einem bekannten Endemiegebiet erleichtern die Diagnose einer Flavivirus-Enzephalitis. Diese wird in der Regel aufgrund des Nachweises von virusspezifischen IgM-Antikörpern in Serum und Liquor durch das ELISA-Verfahren gestellt. Andere serologische Testverfahren wie KBR, HHT und NT spielen keine Rolle mehr. Berücksichtigt werden muß jedoch, daß FSME-Impfungen zu lange Zeit nachweisbaren Spiegeln von FSME-spezifischen IgM-Antikörpern führen können. Die Virusisolierung aus dem Blut von Infizierten ist für die Routinediagnostik bedeutungslos, da diese nur selten gelingt und sehr aufwendig ist. Therapie Es kommen nur supportive Maßnahmen in Betracht, da eine spezifische antivirale Therapie nicht zur Verfügung steht. Spezifische Merkmale Das FSME-Virus und das RSSE-Virus sind sehr eng verwandt und können nur durch spezielle Techniken voneinander unterschieden werden. Transmission und Erkrankungsrisiko Das Auftreten der Infektionen mit FSMEbzw. RSSE-Virus spiegelt die geographische Verteilung der Hauptvektoren wieder. Im Falle des FSME-Virus ist dies die Schildzecke Ixodes ricinus. Das RSSE-Virus wird durch Ixodes persulcatus übertragen. Nach dem Biß der Schildzecken gelangen die Viren über den infizierten Speichel in das Blut des Wirtes. Die Zekken sind besonders im Frühjahr und frühen Sommer aktiv, so daß in dieser Peri- ode auch die meisten Erkrankungen auftreten. In Endemiegebieten der FSME sind etwa 1 % der Vektoren durchseucht. Dagegen wird bei RSSE die Durchseuchungsrate der Zecken auf 20 % geschätzt. Ixodes ricinus, auch Holzbock genannt, hat für jedes Lebensstadium unterschiedliche Wirte (Larvenstadium: Kleinsäuger, Eidechsen, Vögel; Nymphenstadium: Igel, Eichhörnchen, Mäuse, Vögel und der Mensch; adultes Stadium: u. a. Füchse, Ziegen, Schafe, Rehe, Hasen, Rinder). Um einen Wirt zu erreichen, kriechen Zecken an Pflanzen hoch, jedoch in der Regel nicht höher als 50 cm bis 70 cm. Es trifft also nicht zu, daß Zekken sich aus der Höhe von Bäumen auf ihre Opfer fallen lassen. Etwa 10 – 20 % der FSME-Infektionen werden nicht durch Zeckenbiß, sondern über Rohmilchprodukte von infizierten Kühen, Schafen und Ziegen übertragen. Dieser letze Infektionsweg ist jedoch in Deutschland ohne praktische Bedeutung. Laborinfektionen kommen ebenfalls vor. Ungefähr 70 % der Betroffenen bleiben trotz Infektion entweder asymptomatisch oder machen nur die Anfangsphase der Erkrankung mit unspezifischer Symptomatik durch. Bei etwa 30 % treten neurologische Symptome auf (Meningitiden, Meningoenzephalitiden, Meningo-myeloenzephalo-Radikulitiden). Epidemiologie Im Gegensatz zu denjenigen Arboviren, die durch Moskitos übertragen werden, kommen die zum TBE-Komplex gehörenden Arboviren bis auf wenige Ausnahmen nur in Asien, Osteuropa und Westeuropa vor. Das Verbreitungsgebiet der FSME erstreckt sich von Rußland im Osten, über Finnland und Schweden im Norden, nach Deutschland und Frankreich im Westen bis herunter nach Italien, Griechenland und dem ehemaligen Yugoslawien im Süden. Naturherde in Deutschland befinden sich größtenteils in Baden-Württemberg, Bayern und in den östlichen Bundesländern (siehe Tabelle 1). Die RSSE ist vorwiegend in der russischen Taiga und in Westsibirien lokalisiert. FSME und RSSE stellen endemi205 F Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus Tab. 1: Registrierte FSME-Erkrankungen in Deutschland 1994 (nach M. Roggendorf) Wohnsitz der Infizierten Ort der Infektion Anzahl Baden-Württenberg Baden-Württenberg Österreich Sibirien Bayern Österreich Saarlouis Odenwald 239 2 1 50 7 1 6 Bayern Saarland Hessen sche Erkrankungen dar, die hauptsächlich in den Sommermonaten auftreten. Die hier herrschenden Temperaturen und die Feuchtigkeit förderen die Aktivität der Zecken. Besonders waldreiche Flußtäler sind potentielle Zeckengebiete. Oberhalb von 1000 Metern ist keine Zeckengefahr mehr gegeben. In Zentraleuropa gibt es zwei Häufigkeitsgipfel der FSME-Infektion: Mai/Juni und September/Oktober. Der Erkrankungsgipfel hinkt entsprechend etwa 3 – 4 Wochen hinterher. FSME-Fälle treten in geographischen Foci auf, deren Verteilung relativ konstant ist und mit den natürlichen Habitaten der Zecken korrelieren. Besonders Bauern, Forst- und Waldarbeiter sind gefährdet. Prävention Für die Impfung wird ein komplettes, Formol-inaktiviertes Virus verwendet. 3 Impfungen sind für einen vollständigen Impfzyklus notwendig, wobei die Effizienz des Impfschutzes bei 97 % bis 98 % liegt. Die Vakzinierung mit dem FSMEImpfstoff soll auch Schutz vor RSSE-Infektionen verleihen. Früher beobachtete Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit) treten heute nicht mehr auf, da die Vakzine nun durch einen Ultrazentrifugationsschritt hochaufgereinigt wird. Frühzeitige Gabe von FSME-Hyperimmunglobulin innerhalb von 96 Stunden nach Zeckenbiß kann eine Erkrankung verhindern. Da Berichte über schwere Krankheitsverläufe nach postexpositioneller passiver Immunisie206 Gesamtzahl der Infizierten 242 57 1 6 rung vorliegen, sollte die Indikation genau geprüft werden. Speziallabor Prof. Dr. M. Roggendorf, Institut für Virologie der Universität, Gesamtschule Essen, Hufelandstr. 55, D-45122 Essen Schlüsselliteratur 1. Traavik, T. (1994). Tick-borne Encephalitis, Wesselsbron and Simian Haemorrhagic Fever Viruses. In: Webster, R.G. and Granoff, A. (eds.) Encyclopedia of Virology, p. 367. London: Academic Press Limited. 2. Schoub, B.D. and Blackburn, N.K. (1995). Flaviviruses. In: Zuckerman A.J., Banatvala, J.E. and Pattison, J.R. (eds.) Principles and Practice of Clinical Virology (3rd edition), p.485. Chichester: John Wiley & Sons. 3. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1996). Flaviviruses. In: Fields, B.N., Knipe, D.M., Howly, P.M. et al. (eds.) Virology (3rd edition), p.961. Philadelphia: Lippincott-Raven Publishers. 4. Monath, T.P. and Heinz, F.X. (1995). Flaviviruses (Yellow fever, Dengue, Dengue haemorrhagic fever, Japanese encephalitis, St. Louis encephalitis, tick-borne encephalitis). In: Mandell, G.L., Benett, J.E., Dolin, R. (eds.) Principles and practice of Infectious Diseases (4th edition), p.1465. New York: Churchill Livingstone Inc.. Fuchsbandwurm (siehe Echinococcus multilocularis) Fusarium Fusarium Reinhard Kappe, Heidelberg Erregerbezeichnung Fusarium solani, Fusarium oxysporum. Elf weitere, als Infektionserreger weitaus seltenere Fusarium-Arten. Morphologie Im Wirtsgewebe: Radiär wachsende, hyaline, septierte, sich spitzwinklig (30 bis 50 ° verzweigende Myzelien einheitlichen Kalibers (3 bis 4 ? m). Gut anfärbbar mit Grocott-Gomorri-Versilberung oder Perjodsäure-Schiff-Reagenz (PAS). Ohne Immunhistologie nicht von Aspergillus und Pseudallescheria (Scedosporium) unterscheidbar. In der Kultur: Nach 3 bis 5 Tagen auch bei 37 °C auf Sabouraud-Glucose-Agar wachsende, weißliche bis cremefarbene Kolonie mit reichlich Luftmyzel. Die Species-Diagnose bleibt Spezialisten vorbehalten (Speziallaboratorien); sie ist zur Zeit (Juni 1997) nicht einheitlich festgelegt. Fusarium solani: Rückseite der Kultur grün bis bläulich-braun. Mikroskopische Merkmale: Die Traghyphen (Konidiophoren) entspringen seitlich vom Luftmyzel. Schon nach wenigen Tagen finden sich massenhaft kleine, längliche Mikrokonidien (1 × 3 ? m), die jeweils einzeln terminal an einer Traghyphe gebildet werden. Nach 5 bis 10 Tagen treten zahlreiche terminale oder intercalare, glatt- oder rauhwandige, einzeln oder paarweise liegende Chlamydosporen auf. Nach 10 bis 30 Tagen schließlich werden charakteristische Makrokonidien auf kürzeren, verzweigten Konidiophoren gebildet. Diese sind spindelförmig, leicht gebogen, zugespitzt und 3- bis 5-zellig. Fusarium oxysporum: Das weiße Luftmyzel wird gewöhnlich bereits nach wenigen Tagen purpurfarben. Rückseite der Kultur farblos bis dunkelblau oder dunkelpurpurn. Mikroskopische Merkmale: Die Traghyphen (Konidiophoren) sind kurze, einzelne, seitliche Monophialiden am Luftmyzel. Mikrokonidien, Chlamydosporen und Makrokonidien unterscheiden sich nicht von denjenigen bei F. solani. Taxonomie Abteilung: Ascomycota Klasse: Euascomycetes Ordnung: Hypocreales Familie: Hypcreaceae Gattung: Fusarium Auf Species-Ebene ist die Taxonomie zur Zeit (Juni 1997) nicht übereinstimmend definiert. Historie Mykotoxikose: In der ehemaligen UdSSR starben 1944 – 1947 mehr als 100.000 Menschen an einer Nahrungsmittelvergiftung durch verschimmeltes Getreide (Marasas et al. 1984; Fusarium sporotrichoides und Fusarium poae). Invasive Fusariose: Der erste Fall einer disseminierten invasiven Fusariose wurde 1973 von Cho et al. bei einem Kind mit einer akuten lymphatischen Leukämie beschrieben. Erkrankungen/Register Mykotoxikose: Alimentäre, toxische Agranulozytose. Fusarium-Infektionen: Keratitis, Peritonitis, Katheterinfektion. Invasive, disseminierte Fusariose. Diagnostik/Symptome Siehe invasive pulmonale und disseminierte Aspergillose. Die Klärung der Differentialdiagnose wird erst bei erfolgreicher Kultur möglich. Eine spezifische Immunhistologie – obwohl auf der Basis kreuzabsorbierter spezifischer Kaninchenseren gut möglich – wird derzeit weltweit von keinem Referenzlabor angeboten. Es gibt keine kommerziell erhältlichen serologischen Teste. Die Entwicklung molekularer Sonden berücksichtigt die Fusariosen, führte jedoch noch nicht zu klinisch brauchbaren Testsystemen. 207 F Fusobacterium Therapie Amphotericin B hat von allen gängigen Antimykotika noch die größte in vitroAktivität gegenüber Fusarium-Arten. Die klinische Erfolgsrate ist dennoch sehr bescheiden, tatsächlich noch schlechter als bei invasiver Aspergillose. Spezifische Merkmale Die invasive Fusariose bei immunsupprimierten Patienten (z. B. Leukämikern) weist im Vergleich zur invasiven Aspergillose bei der gleichen Risikogruppe keine spezifischen Merkmale auf. Sie ist noch schlechter therapierbar als invasive Aspergillosen. Transmission Alimentäre Mykotoxikose: Verzehr verdorbenen Getreides. Invasive, disseminierte Fusariose: Inhalation aerogen verbreiteter Mikrokonidien. Wirtsbereich Fusarium oxysporum ist ein verbreiteter Pflanzenparasit. Auch die übrigen Fusarium-Arten sind in der Natur weit verbreitet. Sie stellen zusammen mit Cladosporium-, Alternaria- und Aspergillus-Arten einen Großteil des „Myko-Planktons“ der Luft. Risikogruppen Alimentäre Mykotoxikose: Hungernde Bevölkerungsgruppen in der Dritten Welt. Invasive, disseminierte Fusariose: Steroidbehandlung, Agranulozytose, zytotoxische Chemotherapie (siehe auch invasive Aspergillose). Epidemiologie Die alimentäre Mykotoxikose durch Fusarium-Toxine (T-2-Toxin) hat große historische Bedeutung ( G 100.000 Tote in der ehemaligen UdSSR 1945) sowie aktuelle Bedeutung in einigen Entwicklungsländern. Die invasive Fusariose wird in den letzten Jahren zunehmend häufiger beschrieben (1000 Fälle weltweit, Juni 1996). 208 Prävention Mykotoxikose: Vernichtung verschimmelten Getreides. Invasive Fusariose: Siehe invasive Aspergillose. Referenzzentren 1. Centraalbureau voor Schimmelcultures, PO Box 273, NL-3740 AG Baarn, The Netherlands. Phone +31 – 35 – 5481211, fax +31 – 35 – 5416142, email: Info — cbs.knaw.nl. 2. Fusarium Research Center, Department of Plant Pathology, The Pennsylvania State University, University Park, Pennsylvania 16802, USA. Phone +1 – 814 – 865 – 9773, fax +1 – 814 – 863 – 7217. Schlüsselliteratur 1. De Hoog GS, Guarro J. 1995. Atlas of clinical fungi. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Baarn, The Netherlands. 2. Nelson PE, Dignani MC, Anaissie EJ. 1994. Taxonomy, biology, and clinical aspects of Fusarium species. Clin Microbiol Rev 7:479 – 504. Fusobacterium Heinrich K. Geiss, Heidelberg Erregerbezeichnung Fusobacterium spp. Taxonomie Familie: Bacteroidaceae Genus: Fusobacterium Species: F.alocis, F.gonidiaformans, F.mortiferum, F.naviforme, F.necrogenes, F.necrophorum (ssp. necrophorum, ssp. funduliforme), F.nucleatum (ssp. animalis, ssp. fusiforme, ssp. nucleatum, ssp. polymorphum), F.periodonticum, F.russii, F.sulci, F.varium, [F.]prausnitzii, (F.perfoetens, F.simiae). Historie In der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts wurden von zahlreichen Wissenschaftlern (Bang, Löffler, Miller, Plaut, Fusobacterium Schmorl, Vincent, Veillon und Zuber) spindelförmige und fusiforme Stäbchenbakterien aus dem Mund von gesunden und erkrankten Menschen, sowie von verschiedenen Tierarten beschrieben. Die meist pleomorphen Bakterien wurden verschiedenen Species zugeordnet, bis 1923 von Knorr für obligat anaerobe gramnegative fusiforme Stäbchenbakterien der Gattungsname Fusobacterium innerhalb der Familie der Bacteroidaceae vorgeschlagen wurde. Derzeit gehören zu dieser Gattung 12 humanpathogene Arten (F.perfoetens wurde bislang ausschließlich im Stuhl von Schweinen, F.simiae aus dem Mund von Makaken isoliert), wobei allerdings „F.“prausnitzii aufgrund phylogenetischer Studien nicht mehr zur Gattung Fusobacterium gezählt werden wird, allerdings bislang noch nicht endgültig klassifiziert ist (die wahrscheinliche Zuordnung wird zu der Gruppe Clostridium oder Eubacterium erfolgen). Bei den beiden Species F.necrophorum und F.nucleatum sind zudem mehrere Subspecies beschrieben, deren endgültige taxonomische Stellung ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist. Der ursprünglich beschriebene Biotyp C von F.necrophorum, der zwischenzeitlich als eigene Species F.pseudonecrophorum eingeordnet wurde, ist identisch mit F.varians. Erkrankungen Zusammen mit Arten der Bacteroides fragilis- sowie Porphyromonas melaninogenicus-Gruppe ist F.nucleatum das gramnegative anaerobe Bakterium, das am häufigsten bei menschlichen Infektionen isoliert wird. Ebenso ist F.necrophorum eindeutig menschenpathogen, in der Vorantibiotikaära war es ein häufiger Erreger von eitrigen Infektionen der Mundhöhle und des oberen Respirationstraktes. Fusobakterien treten typischerweise bei Infektionen mit Nekrosebildung und Ulcerationen auf. Sie sind am häufigsten bei Infektionen im Kopf- Halsbereich, Hirn- und Leberabszessen, sowie nach Tier- und Menschenbissen nachweisbar. Finegold fand 1977, daß ein Viertel aller Isolate von aneroben pleuropulmonalen Infektionen zur Art F.nucleatum gehörten. Die sicherlich bekannteste Infektion, mit der F.nucleatum assoziiert ist, ist die Angina Plaut-Vincent oder Fusospirochätose. Weiterhin spielt F.nucleatum neben P.gingivalis, P.intermedia, „Bacteroides“ forsythus, E.corrodens, Capnocythophaga spp., A.actinomycetemcomitans und Eubacterium spp. eine herausragende Rolle bei Periodontalerkrankungen. Bei einer ganzen Reihe weiterer Infektionen wurden Fusobakterien als Erreger beschrieben, wie tropische Hautulcerationen (z. B. Noma), Peritonsillarabszesse, Pyomyositis und septische Arthritis, Septikämie und Leberabszesse, intrauterine Infektionen, bakterielle Vaginose, Harnwegsinfektionen, Meningitis, sowie Peri- und Endocarditis. F.necrophorum ist der Verursacher der humanen Nekrobazillose oder Lemierreschen Erkrankung, einer seltenen, aber lebensbedrohlichen Sepsis mit Halsschmerzen, Fieber und septischer Lungenembolie ausgehend von einer akuten Pharyngotonsillitis oder Tonsillarabszeß. F.necrophorum spielt ebenfalls in der Veterinärmedizin eine außerordentlich wichtige Rolle und wird dort häufig isoliert bei nekrotisierenden und gangränösen Infektionen bei Rindern, Schafen und Schweinen, während Carnivore offensichtlich nicht empfänglich für Infektionen durch diese Erregergruppe sind. Die übrigen Fusobakterienarten werden ebenfalls gelegentlich aus humanen klinischen Materialien isoliert, sind aber offensichtlich von untergeordneter Bedeutung. Diagnostik Fusobakterien sind gramnegative, obligat anaerobe, unbewegliche, nicht sporenbildende, schlanke, 0,2 – 0,3 ? m breite, spindelförmige Stäbchen mit einer wechselnden Länge von 0,5 – 10 ? m. F.nucleatum hat spitzzulaufende Enden und zeigt im mikroskopischen Präparat aufgrund zahlreicher intrazelluläre Granula ein gekörntes Aussehen. F.periodonticum hat eine vergleichbare Morphologie, während F.naviforme kahnförmig imponiert. 209 F Fusobacterium Zellen von F.necrophorum sind pleomorph, oft gekrümmt mit teilweise sphärischen Ausstülpungen, es kommt häufig zu filamentösen Formen (bis zu 70 ? m Länge). Zum optimalen Wachstum benötigen Fusobakterien eine Temperatur von 37 °C und nährstoffreiche Medien, speziell mit Trypticase, Pepton oder Hefeextrakt. Sie sind nichtfermentativ bis schwach fermentativ. Glukose kann durch Einbau in zelluläre Komponenten verwertet werden. Die Koloniemorphologie auf Blutagar der einzelnen Arten ist unterschiedlich, wobei diese Unterschiede meist nicht für eine eindeutige Identifizierung ausreichen: F.nucleatum bildet flache, unregelmäßige und glänzende Kolonien, F.necrophorum kreisrunde, flache bis konvex, rauhe und oft g -hämolysierende Kolonien mit einem Durchmesser von 1 – 4 mm, die Koloniefarbe ist je nach Biotyp von metallisch grau (ssp. necrophorum), gelblich (ssp. funduliforme) oder graugelb (Biotyp AB). F.varians bildet nach 3-tägiger Bebrütung knopfförmige, am Rand gewellte, rauhe, gräuliche, durchscheinende Kolonien mit einem Durchmesser von 2 – 3 mm. Kolonien von F.ulcerans haben ebenfalls einen Durchmesser von 2 – 3 mm, sind rund, flach, nichthämolysierend und von cremeweißer Farbe. Metabolische Endprodukte sind vor allem Acetat und Butyrat. Propionat, Succinat, Laktat, Formiat wird in geringeren Mengen und speziesunterschiedlich gebildet. Gemeinsam ist neben dem Vorkommen von geradkettigen, gesättigten und einfach-ungesättigten, langkettigen zellulären Fettsäuren der Aufbau der Peptidoglykanschicht sowie die Glutamatstoffwechsel (Glutamat-dehydrogenasepositiv). Differenzierende biochemische Charakteristika sind u. a. der Indolabbau (nur F.mortiferum und F.russii sind negativ), Wachstum in Gegenwart von 20 % Galle und Äskulinhydrolyse (nur F.mortiferum ist positiv), Nitratreduktion (F.ulcerans ist positiv) sowie die Hippurathydrolyse (F.periodonticum ist positiv). 210 Therapie Fusobakterien sind empfindlich gegen eine Vielzahl von Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine, Penem, Metronidazol, Clindamycin und Chloramphenicol. Resistenz besteht gegen Vancomycin, Aminoglykoside (außer Kanamycin) und Erythromycin. Unterschiedlich ist die Empfindlichkeit gegen Tetrazyklin. Da diese Substanz häufig bei periodontitischen Infektionen eingesetzt wurde, kam es zur zunehmenden Ausbildung von resistenten F.nucleatum-Stämmen, so daß der Einsatz von Tetrazyklinen nicht mehr uneingeschränkt gerechtfertigt ist. F.nucleatum kann eine g -Laktamase produzieren, ist aber dann voll empfindlich auf g -Laktam/ g -Laktamaseinhibitor-Kombinationen. F.varium und F.mortiferum sind resistent gegen Rifampicin. Spezifische Merkmale Natürlich vorkommende Infektionen durch F.necrophorum und F.nucleatum belegen die Infektiosität und Pathogenität für Mensch und Tier. Tierexperimentelle Untersuchungen zeigten die Bedeutung eines synergistischen Mechanismus in der Pathogenese von Mischinfektionen mit Fusobakterien. Bisher sind wenige spezielle Pathogenitäts- bzw. Virulenzfaktoren von Fusobakterien im Detail untersucht und beschrieben. Sie umfassen Zellwandlipopolysaccharide mit Endotoxin-ähnlicher Wirkung, Hämagglutinine (F.nucleatum), Outer-membrane-Proteine (F.nucleatum) und Leukocidin (F.necrophorum). Transmission Es handelt sich meist um endogene Infektionen. Exogene Übertragung möglich durch Tier- und Menschenbiß. Wirtsbereich Fusobakterien kommen natürlicherweise bei Menschen und Warmblütlern vor, jedoch sind auch Fusobakterien-ähnliche Arten im Gastrointestinaltrakt von Wanzen und Heuschrecken beschrieben. Der Standort beim Menschen ist der Oropharynx (F.nucleatum, F.alocis, F.naviforme, Fusobacterium P.periodonticum und F.sulci) und der Gastrointestinaltrakt (F.necrophorum, F.gonidiaformans, F.mortiferum, F.necrogenes, F.russii und F.varium). F.ulcerans wurde bisher lediglich bei chronischen tropischen Ulcera beschrieben, gleichzeitig allerdings auch aus Schlammproben, so daß hier evt. ein Standort außerhalb des Menschen in Betracht kommt. Im Speichel wird die Keimzahl von Fusobakterien auf 5 × 104 geschätzt und in der Zahnplaqueflora machen sie zwischen 0,4 und 7 % der anzüchtbaren Erreger aus. Allerdings liegen erhebliche individuelle Unterschiede vor und besonders bei fortgeschrittenen chronischen Periodontalerkrankungen und akuter ulcerierender Gingivitis kommt es zum Überwiegen von F.nucleatum mit Keimzahlen zwischen 3,3 × 107 bis 9,5 × 107 pro Gramm Feuchtgewicht. In der Darmflora machen Fusobakterien nur einen kleinen Teil aus, der je nach Diät zwischen 1 % und 7 % beträgt. Hauptvertreter sind F.mortiferum, F.russii und „F.“prausnitzii, wobei letztere Art insgesamt der zweithäufigste Keim der Darmflora nach B.fragilis ist. Inwieweit Fusobakterien zur normalen Flora des menschlichen Urogenitaltraktes gehören, ist noch unklar. In verschiedenen Untersuchungen liessen sich F.necrophorum bzw. F.nucleatum intravaginal, in der Klitorisregion als auch in Vorhautsekreten isolieren. In ähnlicher Weise wie beim Menschen kommen Fusobakterien im Oropharynx und Gastrointestinaltrakt von einer Vielzahl von Tierarten vor und spielen dort wohl auch eine ähnliche Rolle als Bestandteil der Normalflora und als Erreger von endogenen Infektionen. Risikogruppen Nicht näher bekannt. Epidemiologie Außer den unter „Wirtsbereich“ gemachten Ausführungen sind keine weiteren Untersuchungen bekannt. Prävention Es sind keine spezifischen Präventionsmaßnahmen bekannt. Referenzzentren Schlüsselliteratur Bolstad, A.K., H.B. Jensen, V. Bakken (1996): Taxonomy, biology, and periodontal aspects of Fusobacterium nucleatum. Clin. Microbiol. Rev. 9:55 – 71. Hofstad, T.: The genus Fusobacterium. In: Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Hrsg.) The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, 1991. Jacobs, J.A., J.J.E. Hendriks, P.D.M.M. Verschure, A.M.. van der Wurff, G. Freling, G.D. Vos, E.E. Stobberingh (1993): Meningitis due to Fusobacterium necrophorum subspecies necrophorum. Case Report and review of the literature. Infection 21:57 – 60. Lawson, P.A., S.E. Gharbia, H.N. Shah, D.R. Clark, M.D. Collins (1991): Intrageneric relationships of members of the genus Fusobacterium as determined by reverse transcriptase sequencing of small-subunit rRNA. Int. J. Syst. Bacteriol. 41:347 – 354. 211 F