Ausarbeitung zum Seminarvortrag Neutrinomischung Theoretischer Hintergrund von Sebastian Arrenberg Seminar: Neutrinos – Rätselhafte Bausteine des Mikrokosmos Tutor : Dr. K. Hoepfner 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Die Diracgleichung 3 3 Links- und rechtshändige Diracspinoren 3 4 Das Standardmodell als Eichtheorie 4 5 Empirische Hinweise auf Quarkmischung 5 6 Modifikation des Massenterms der Lagrangedichte des Standardmodells im Hinblick auf Quarkmischung 5 7 Auswirkungen der Quarkmischung auf Teilchenumwandlungen – Cabibbo-Theorie 7 8 Einleitung zur Leptonenmischung 9 9 Massenterme für Neutrinos 9 10 Neutrinooszillationen – Allgemeiner Formalismus 10 11 Neutrinooszillationen am Beispiel von zwei Familien 13 12 Bemerkungen zu Neutrinooszillationen bei drei Familien 14 13 Einleitung zur CP-Verletzung 15 14 Das CPT-Theorem 15 15 Das System der neutralen K-Mesonen 16 16 Analyse der Zerfälle der neutralen K-Mesonen 17 17 Erklärung der CP-Verletzung mit Hilfe der Mischungsmatrix 23 2 1 Einleitung Unter Neutrinooszillationen versteht man die periodische Umwandlung von Neutrinos zwischen verschiedenen Flavoureigenzuständen. Hier sollen die theoretischen Grundlagen dieses Phänomens erläutert werden, wobei neben der eigentlichen Mischung der Zustände ein besonderes Augenmerk auf die Erklärung von CP-Verletzungen gelegt werden soll. Es gibt zwei notwendige Bedingungen dafür, dass es überhaupt zu Neutrinooszillationen kommen kann. Zunächst dürfen nicht alle Neutrinos die gleiche Masse haben, was impliziert dass sie insbesondere nicht alle masselos sein dürfen. Darüber hinaus dürfen die verschiedenen Leptonenflavourzahlen nicht streng erhalten sein, was bedeutet, dass die Neutrinos untereinander mischen können. Nach dem Standardmodell sind Neutrinos masselos was allerdings ein empirischer Befund ist. Neutrinos mit Masse widersprechen keinem fundamentalen physikalischen Prinzip. Dies ist zum Beispiel bei Photonen anders. Spin 1- Teilchen mit Masse genügen nicht den Maxwell- sondern den Procagleichungen. Diese erzwingen die Lorentzeichung und sind daher nicht eichinvariant. Die hier eingeführten Begriffe werden natürlich im Folgenden noch eingehend erläutert. 2 Die Diracgleichung Quarks und Leptonen sind bekanntlich Spin ½ Teilchen und genügen daher der Diracgleichung i ∂ −m=0 . Man erhält sie mit Hilfe der Euler-Lagrangegleichungen aus der Lagrangedichte ∂ ∂L = ∂L ∂ x ∂ r , ∂r L= i ∂ −m Der Index r in den Euler-Lagrangegleichungen bezeichnet verschiedene Komponenten eines Feldes. Hier ist also = wobei dann r die vier Spinorkomponenten durchnumeriert. Bei der Diskussion von Neutrinooszillationen ist besonders der Massenterm von Interesse. Lm =−m 3 Links- und rechtshändige Diracspinoren Im Standardmodell wird prinzipiell zwischen links- und rechtshändigen Komponenten eines Spinors unterschieden. Man erhält sie indem man auf einen Spinor die entsprechenden 3 Projektionsoperatoren PL , R = 1∓5 2 anwendet. Es gilt also L , R =P L, R . An dieser Stelle ist anzumerken, dass die L , R offensichtlich Eigenzustände zum Chiralitätsoperator 5 sind was aber im Folgenden nicht benötigt wird. Darüber hinaus kann man zeigen, dass sie nur zwei unabhängige Komponenten haben. Weiterhin gelten die beiden folgenden Beziehungen: = 15 1 −5 = R L 2 2 = L R R L Aus der ersten Formel erkennt man, dass man offenbar einen beliebigen Spinor in einen rechtshändigen und einen linkshändigen Anteil zerlegen kann. Die zweite Formel verdeutlicht dagegen, dass man für einen (Dirac-)Massenterm der Form Lm =−m =−m L R R L sowohl linkshändige als auch rechtshändige Teilchen benötigt. Im Standardmodell gibt es zunächst einmal nur linkshändige Neutrinos was zu einem Problem bei der Definition eines Massenterms führt. 4 Das Standardmodell als Eichtheorie Im Standardmodell werden die linkshändigen Komponenten der Leptonen bzw. Quarks einer Familie zu Isospinoren zusammengefasst, gegenüber denen Invarianz der Lagrangedichte bezüglich SU(2) - Transformationen gefordert wird. Außerdem muß die Lagrangedichte gegenüber lokalen Eichtransformationen der Gruppe U(1) für alle Teilchen einer Familie invariant sein. (Die SU(3) - Transformationen im Farbraum der Quarks werden hier nicht benötigt.) Die Forderungen für die Fermionen führen zur Ankopplung an die Austauschteilchen der elektroschwachen Wechselwirkung. Diese macht Teilchenumwandlungen innerhalb einer Familie möglich (z.B. u d ). Ebenso wie die Masselosigkeit der Neutrinos ist auch die „Tatsache“, dass es nur linkshändige Neutrinos gibt, ein empirischer Befund. Die eben besprochene Gruppierung der Quarks und Leptonen soll hier am Beispiel der 1. Familie verdeutlicht werden. e , u L Isospindubletts: eL dL Isospinsinguletts: eR , uR , d R 4 5 Empirische Hinweise auf Quarkmischung Da es im Standardmodell Probleme mit Massentermen für Neutrinos gibt soll nun zunächst die Quarkmischung untersucht werden. Danach können die wesentlichen Ergebnisse unmittelbar auf die Neutrinos übertragen werden. Experimentell können u.a. die folgenden Teilchenumwandlungen beobachtet werden: - ne- e - 0 - K sdd udd e- e = - s uu u = Man erkennt, dass Quarks der einen Familie in Quarks einer anderen Familie umgewandelt werden können (hier s u ). Diese Übergänge sind allerdings etwa um einen Faktor 1/5 weniger wahrscheinlich als Umwandlungen innerhalb einer Familie. Es ist festzuhalten, dass das bisherige Standardmodell diese Umwandlungen nicht beschreiben kann. 6 Modifikation des Massenterms der Lagrangedichte des Standardmodells im Hinblick auf Quarkmischung Zunächst wird erneut der Massenterm der Lagrangedichte der Diracgleichung betrachtet. Lm =−m =−m L R R L Dieser Ausdruck ist ohne Probleme auf die Quarks anwendbar. So ergibt sich zum Beispiel für die 1. Familie: Lm =−mu u L u R u R u L −md d L d R d R d L Dieser Term ist sowohl lorentzinvariant als auch hermitesch. Durch Ankopplung an ein Higgs-Feld, das als SU(2) - Duplett angesetzt wird, wird dieser Term gewöhnlich in eine U(1) - und SU(2) invariante Form gebracht. (Diese Ankopplung ist bei den Fermionen anders als bei den Bosonen allerdings nicht zwingend erforderlich um die beiden Invarianzeigenschaften zu erreichen.) Die Forderungen nach Eichinvarianz sind also erfüllt. Nun definiert man u' 1=u , u ' 2 =c , u ' 3 =t , d ' 1=d , d ' 2 =s , d ' 3 =b und Li = u' iL d ' iL u mit i = 1, 2, 3 also z.B. L1 = L dL . Mit diesen Definitionen nimmt der gesamte Ruhemassenterm der Quarks in der Lagrangedichte die folgende Form an: 3 Lm =−∑ [mui u' iL u' iR u ' iR u ' iL mdi d ' iL d ' iR d ' iR d ' iL ] i=1 Nun kann man allerdings noch einen etwas allgemeineren Ansatz wählen: 5 3 Lm =− ∑ C uij u ' iL u ' jRC uij * u ' jR u ' iL C dij d ' iL d ' jR Cdij * d ' jR d ' iL i , j=1 u d wobei C ij und C ij beliebige komplexe Koeffizienten sind. Das hier jeweils die komplex konjugierten Koeffizienten auftauchen liegt daran, dass man an die Lagrangedichte die Forderung nach Hermitizität stellt. Jetzt wird verwendet, dass jede komplexe n×n Matrix C mit Hilfe zweier unitärer Matrizen U 1 und U 2 in der Form C=U 1 M U 2 dargestellt werden kann, wobei M eine Diagonalmatrix mit reellen u u d d nicht negativen Diagonalelementen ist. Es existieren also unitäre Matrizen U 1 , U 2 , U 1 , U 2 so dass gilt: u u u u C =U 1 M U 2 u u mit M ij =m i ij d d d d C =U 1 M U 2 , M dij =mdi ij und m ui ≥0 , m di ≥0 . , Das bedeutet in Komponenten 3 3 3 u u u u* u u C uij = ∑ U 1uik M ukl U u2 lj =∑ U 1 ik m k U 2kj =∑ U 1ki m k U 2kj k , l=1 k=1 u mk kl und analog k=1 u* U1ki 3 C = ∑ U d1ki* mdk U d2 kj . k , l=1 d ij Dies kann man nun in den verallgemeinerten Ansatz für den Massenterm einsetzen. Es gilt zum Beispiel: 3 ∑C i , j =1 3 u ij 3 u' iL u' jR = ∑ ∑ U i , j=1 k=1 3 u* 1ki u k m U u 2 kj 3 u ' iL u ' jR =∑ m ∑ U k=1 u k 3 u* 1ki u' iL ∑ U u2 kj u ' jR i=1 j=1 :=ukL :=ukR Es werden also folgende Definitionen getroffen: 3 3 ukL =∑ U u ' jL j=1 ukR =∑ U u2kj u ' jR u 1kj j=1 3 3 d kL =∑ U d ' jL j=1 d kR =∑ U d2kj d ' jR d 1kj j=1 Mit diesen neuen Definitionen nimmt der Massenterm die einfache Form 3 Lm =−∑ [mui uiL u iR uiR u iL mdi d iL d iR d iR d iL ] i=1 an in der den Zuständen unmittelbar Massen zugeordnet werden können. Daher nennt man die neuen ungestrichenen Zustände Masseneigenzustände wohingegen die ursprünglichen Zustände als Flavoureigenzustände bezeichnet werden. Bei diesen gibt es keine Familienmischung unter der schwachen Wechselwirkung. In der Diracschreibweise, die später bei den Neutrinos benutzt wird gilt: 6 Flavoureigenzustände: La | b >=ab | b > , La | b >=− ab | b > Masseneigenzustände: < i | M | j >=mi ij Die gerade abgeleiteten Zusammenhänge zwischen Massen- und Flavoureigenzustände lassen sich besonders übersichtlich in Matrixschreibweise darstellen. u1L uL u =U u2L 1 cL u3L tL u1R uR u =U u2R 2 cR u3R tR d 1L dL d =U d 2L 1 sL d 3L bL d 1R dR d =U d 2R 2 sR d 3R bR Hier sieht man noch einmal deutlich, dass die Flavour- und Masseneigenzustände durch unitäre 3×3 Matrizen verknüpft sind. Wichtig ist – und das sollte an dieser Stelle erwähnt werden – dass eine Unterscheidung nur für nicht verschwindende Massen sinnvoll ist. 7 Auswirkungen der Quarkmischung auf Teilchenumwandlungen – Cabibbo-Theorie Nun werden die Auswirkungen der Quarkmischung auf die Lagrangedichte des Standardmodells untersucht. Diese Untersuchung erfolgt mit der Beschränkung auf zwei Quarkfamilien. Außerdem werden nur die Wechselwirkungen mit den W-Bosonen betrachtet, da die Wechselwirkungen mit den Z-Bosonen und den Photonen invariant unter Quarkmischung ist. (Dies zu zeigen geht analog zu der nun folgenden Rechnung.) Der relevante Teil der Lagrangedichte lautet (für die ersten beiden Quarkfamilien): L' =− e u L d L c L s L w- h. k. 2 sin W Aufgrund der Ergebnisse des vorherigen Abschnittes werden nun die Ansätze u L =U u u1L cL u 2L d L =U d d 1L sL d 2L und für Quarkmischungen betrachtet wobei die Matrizen U u und U d unitäre 2×2 Matrizen sind. Wenn man dies in die Lagrangedichte L' einsetzt erhält man L' =− e e u L d L c L s L w- h. k.=− u L c L d L w- h. k. sL 2 sin W 2 sin W 7 =− e e u1L u2L U u + U d d 1L w- h. k.=− u1L u 2L U d 1L w- h. k. d 2L d 2L 2 sin W 2 sin W mit der unitären Matrix U =U u + U d . Man kann sich also zum Beispiel mit U u :=I und U d : =U auf die Mischung der beiden „unteren“ Quarks beschränken. Der allgemeine Ansatz für eine unitäre 2×2 lautet U= cos e i sin e i −sin e i cos e i − wobei die Unitaritätsbedingung U U + =I verwendet wurde. Sie hängt offensichtlich von 22 =4 Parametern ab. Hier ist anzumerken, dass Matrizen der Gruppe U(n) allgemein von n2 Parametern abhängen. Die Matrix U hat insbesondere nicht-reelle Einträge. Damit erhält man: u L = u 1L cL u 2L i sin ei d L = cos e sL −sin e i cos ei − und d 1L d 2L Die letzte Matrixgleichung kann man in d L e−i = cos −sin s L e−i sin cos d 1L d 2L ei − umformen und dann die Phasen in die Definitionen der Quarkzustände hineinziehen, also z.B. −i dL e dL . Daraus erhält man dann unmittelbar d L = cos sin d 1L −sin cos d 2L sL U . Die Matrix U wird als Cabibbo-Matrix und der Winkel als Cabibbo-Winkel bezeichnet. Sie ist reell, was zur Folge hat, dass es nicht zum Phänomen der CP-Verletzung kommen kann, was später noch betrachtet wird. Die soeben erhaltene Transformation wird nun in die Lagrangedichte L' eingesetzt. L' =− =− e u1L u2L cos −sin 2 sin W sin cos d 1L w- h. k. d 2L e a a a a ( u1L d 1L cosu2L d 2L cos u1L d 2L sin −u2L d 1L sin ) w h.k. 2 sin W Die ersten beiden Sumanden des Ergebnisses entsprechen der ursprünglichen Lagrangedichte. Sie beschreiben Teilchenumwandlungen innerhalb einer Familie, die allerdings wegen dem Faktor cos 8 weniger wahrscheinlich geworden sind. Die neu hinzugekommenen letzten beiden Summanden repräsentieren dagegen Teilchenumwandlungen von einer Familie in eine andere. Experimentell erhält man den Cabibbo-Winkel aus der Beobachtung der relativen Häufigkeiten von Teilchenumwandlungen. Es ergibt sich: ≈13 ° Jetzt soll noch kurz der realistischere Fall von drei Quarkfamilien betrachetet werden. Dann muß die 2×2 Cabibbo-Matrix durch eine von vier Parametern abhängende 3×3 Matrix, die als KobayashiMaskawa (KM)-Matrix bezeichnet wird, ersetzt werden. Zahlreiche Experimente liefern: U= 0.9739 to 0.9751 0.221 to 0.227 0.0048 to 0.014 0.221 to 0.227 0.0029 to 0.0045 0.9730 to 0.9744 0.039 to 0.044 0.037 to 0.043 0.9990 to 0.9992 Wie zu erwarten sind die Diagonalelemente mit Abstand am größten. 8 Einleitung zur Leptonenmischung Konsequenterweise muß man sich nun auch Gedanken über eine Mischung bei den Leptonen machen. Wie gerade erläutert genügt es z.B. nur die „oberen“ Leptonen, also die Neutrinos zu mischen. Im Standardmodell sind diese aber masselos so dass man sie nicht durch ihre Ruhemassen, sondern nur mit Hilfe der schwachen Wechselwirkung unterscheiden kann. Also macht das Konzept der Superposition von Flavoureigenzuständen aus Masseneigenzuständen unter der Annahme der Gültigkeit des Standardmodells für Leptonen keinen Sinn. Es stellt sich aber dann die Frage was passiert wenn Neutrinos doch Masse haben. Diese Frage soll im Folgenden erörtert werden. 9 Massenterme für Neutrinos Zunächst muß man sich überlegen, wie denn ein Massenterm für die Neutrinos in der Lagrangedichte aussehen könnte. Wenn sie Diracteilchen wären müßte dieser von der Form L Dm=−m =−m L R R L sein. Hier taucht wie gesagt das Problem auf, dass es im Standardmodell nur linkshändige Neutrinos gibt. (Allerdings wären rechtshändige auch nur extrem schwer nachzuweisen, da sie weder an der elektroschwachen noch an der starken Wechselwirkung teilnehmen würden.) Wenn die Neutrinos dagegen Majorana-Teilchen wären, also Teilchen die gleich ihrem Antiteilchen sind, gäbe es noch eine andere Möglichkeit zur Definition eines Massenterms ohne rechtshändige Zustände. Dazu betrachte man die Superposition X = L L C 9 mit dem ladungskonjugierten Dirac-Spinor 2 * C =i . Offensichtlich gilt X c =X . (Hier ist anzumerken, dass es sich bei der betrachteten Superposition nicht um die allgemeine Definition eines Majorana-Teilchens handelt.) Darüber hinaus besteht folgender Zusammenhang: L C =i 2 L * =i 2 1 −5 * 1−5 * 1 5 2 * 15 =i 2 = i = C =C R 2 2 2 2 Daraus folgt dann mit X = L C R L Mm =−m X X =−m[ L C R C R L ] . Dieser Term ist analog zum Diracmassenterm. Er kann durch die Ankopplung an ein Higgs-Feld in eine SU(2) - invariante Form gebracht werden. Die U(1)-Invarianz geht dabei allerdings verloren was aber in über das Standardmodell hinausgehenden Theorien akzeptiert werden kann. Allgemeinere Ansätze benutzen Kombinationen von Dirac- und Majoranamassentermen. 10 Neutrinooszillationen – Allgemeiner Formalismus Nun soll mit der Beschreibung von Neutrinooszillationen fortgefahren werden wobei eine Menge von der Betrachtung der Quarks übernommen werden kann. Dabei wird die Annahme gemacht, dass Neutrinos eine irgendwie beschreibbare Ruhemasse haben. Es werden im folgenden orthonormierte Flavoureigenzustände | a > und Masseneigenzustände | i > betrachtet für die gilt: Flavoureigenzustände: La | b >=ab | b > , La | b >=− ab | b > Masseneigenzustände: < i | M | j >=mi ij Außerdem wird angenommen, dass diese wie bei den Quarks durch eine unitäre Transformation U verknüpft sind. Es soll nun zunächst der allgemeine Fall von n Flavour- und n Masseneigenzuständen betrachtet werden. Die Transformation lautet also: | a >=∑ U ai | i > i bzw. mit und für Antineutrinos | i >=∑ U +ia | a >=∑ U * ai | a > a U + U =I d.h. a ∑i U ai U * bi= ab , | a >=∑ U *ai | i > i 10 ∑a U ai U *aj =ij Die 2n-1 relativen Phasen der 2n Neutrinozustände können so festgelegt werden, dass von den n2 Parametern der unitären n×n Matrix nur (n-1)2 übrig bleiben. Dies wurde ja schon am Fall der 2×2 Matrix explizit vorgeführt. Die restlichen Parameter legt man gewöhnlich folgendermaßen fest: 1 n n−1 2 schwache Mischungswinkel einer n-dimensionalen Rotationsmatrix 1 n−1 n−2 2 CP-verletzende Phasen Was diese Phasen mit CP-Verletzung zu tun haben wird später noch erläutert. Man erkennt aber schon hier, dass nur für n=1, 2 keine CP-verletzende Phase auftritt. Die Diracgleichung enthält explizit die Masse. Daher beschreiben deren Lösungen die Masseneigenzustände. Man kann daher ansetzen: | i x , t >=e i pi x−E i t | i > mit E i = mi2 p i2 Dabei wurde die Annahme gemacht, dass sich alle Neutrinos in dieselbe Richtung ausbreiten. Darüber hinaus wird nun noch zusätzlich gefordert, dass alle Neutrinos mit dem gleichen Impuls p erzeugt werden, also dass pi = p gilt. Allerdings können sie dann wegen den unterschiedlichen Massen nicht die gleichen Energien haben. Daher sind wiederum die durch Überlagerung gebildeten Flavoureigenzustände Impulseigenzustände aber keine Energieeigenzustände. Außerdem wird angenommen, dass die Neutrinos extrem relativistisch sind. Dann kann man entwickeln... mi2 2 2 2 2 E i= mi pi = mi p ≈ p 2p Und mit x≈t folgt (c=1, relativistische Teilchen) 2 i pi x− Ei t | i x , t >=e | i >≈e i p x− p mi x 2 p 2 −i | i >≈e mi x 2p | i > Gewöhnlich wird jetzt noch der Impuls p durch den Mittelwert E der verschiedenen Masseneigenzustände der Neutrinos ausgedrückt. Es gilt näherungsweise E≈ p woraus man schließlich folgendes Ergebnis erhält: 2 −i | i x>=e mi x 2E | i > U ai | i > Nun soll untersucht werden, wie sich ein bei x=0 reiner Flavourzustand | a >=∑ i verhält. Unter Verwendung der Formeln für die Transformationen zwischen Massen- und Flavoureigenzuständen erhält man: 2 −i | x >=∑ U ai | i x>=∑ U ai e i i mi x 2E 2 −i | i >=∑ U ai e i mi x 2E 2 U ∑ c * ci | c >=∑ U ai U i,c −i * ci e mi x 2E Mit diesem Ergebnis ist es nun leicht die Übergangsamplitude A für den Übergang | a > | b > auszurechnen. 11 | c > 2 Aa b , x =< b | x >=∑ U ai U −i * ci i,c e mi x 2E 2 < b | c > =∑ U ai U i bc −i * bi e mi x 2E Für Antineutrinos gilt analog: 2 −i Aa b , x =∑ U U bi e * ai i mi x 2E Hier sieht man, dass offensichtlich der Zusammenhang Aa b , x =Ab a , x besteht. Dies folgt auch unmittelbar aus dem CPT-Theorem, welches später noch im Zusammenhang mit diskreten Symmetrietransformationen etwas genauer untersucht wird. Außerdem erkennt man, dass wenn die Matrix U ausschließlich reelle Einträge hat (was gleichbedeutend mit CP-Invarianz ist) auch noch der folgende Zusammenhang gilt: Aa b , x =Aa b , x =Ab a , x =A b a , x Der Vergleich der Wahrscheinlichkeiten der entsprechenden Übergänge liefert also Hinweise für oder gegen eine CP-Verletzung. Nun kann man die Übergangswahrscheinlichkeit P für den Übergang | a > | b > berechnen. 2 Pa b , x =∣Aa b , x ∣ =∣∑ U ai U 2 −i * i bi e 2 mi x 2E 2 ∣ =∑ U ai U * aj i,j U 2 = ∑ ∣U ai U bi∣ 2 Re * i 2 ∑ U ai U * i , ji aj U −i * bi U bj e −i * bi U bj e 2 mi −m j x 2E 2 mi −m j x 2E Der erste Term beschreibt eine mittlere Übergangswahrscheinlichkeit wohingegen der zweite Oszillationen darstellt. Mittelung liefert: < P a b , x >=∑ ∣U ai U * bi∣2 i Man erhält also durch Messung der gemittelten Übergangswahrscheinlichkeiten keine Informationen über die Differenzen der Massenquadrate, sondern nur über die Parameter der Mischungsmatrix. Für die weitere Betrachtung kann man das Ergebnis für die Übergangswahrscheinlichkeiten noch mit Hilfe der Unitaritätsrelation U U + =I auf die Form 2 Pa b , x =ab −2 Re ∑ U ai U i , ji * aj U −i * bi U bj 1 −e 2 mi −mj x 2E bringen woraus im Falle von CP-Invarianz (U reell) mi2 −m j2 Pa b , x =ab −4 ∑ U ai U aj U bi U bj sin x 4E i , ji 2 folgt. 12 11 Neutrinooszillationen am Beispiel von zwei Familien Jetzt soll noch kurz wie bei den Quarks der spezielle Fall der Mischung zweier Familien betrachtet werden. Wie bereits erwähnt gibt es hier keine CP-verletzende Phase, sondern nur einen Mischungswinkel. Die unitäre Matrix U hat die gleiche Form wie die Cabibbo-Matrix bei der Quarkmischung. Dort wurde ja schon gezeigt, wie man die (ursprünglich vorhandene) Phase eliminieren kann. Daher wird von dem Ansatz a = cos sin 1 −sin cos 2 b U ausgegangen. Damit kann man nun leicht die Wahrscheinlichkeit für den Übergang | a > | a > , also dafür dass der Flavourzustand erhalten bleibt, berechnen. Man erhält: 2 2 mi2 −m j 2 2 2 2 m1 −m 2 P| a > | a > , x =1−4 ∑ U U sin x =1−4 U a1 U a2 sin x 4E 4E i , ji 2 ai 2 aj 2 2 2 m12 −m22 2 2 m 1 −m 2 =1−4 cos sin sin x=1−sin 2 sin x 4E 4E 2 2 2 Analog findet man für den Übergang | a > | b > : m12 −m22 P| a > | b > , x =sin 2 sin x 4E 2 2 Offensichtlich gilt wie zu erwarten P|a > | a > , x P| a > | b > , x=1 Man sieht hier, dass der Mischungswinkel die Amplitude und die Differenz der Massenquadrate die Frequenz der Oszillationen bestimmen. Außerdem zeigt sich hier nochmal, dass nur dann Oszillationen auftreten, wenn diese Massenquadratdifferenz sowie der Mischungswinkel ungleich Null ist. Bildet man nun noch die Mittelwerte, so erhält man: 1 2 < P| a > | a > , x >=1 − sin 2 2 1 2 < P| a > | b > , x>= sin 2 2 Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Übergangswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von mit m 2 −m22 m2 x sowie die gemittelten Wahrscheinlichkeiten für den Wert = 1 x= 2 E 2E sin2 2 =0.4 . 13 Abbildung 1 : Verlauf der Übergangswahrscheinlichkeiten für den einfachen Fall von zwei Familien. Aufgetragen ist P gegen . Erläuterungen zu Abbildung 1: rot: blau: schwarz: grün: P|a > | a > , x P|a > | b > , x < P| a > | a > , x > < P| a > | b > , x> 12 Bemerkungen zu Neutrinooszillationen bei drei Familien Abschließend sollte erwähnt werden, dass man im realistischeren Fall von drei Neutrinofamilien natürlich eine unitäre 3×3 Matrix verwenden muß, die dann von vier Parametern abhängt und in der die CP-verletzenden Phasen nicht mehr komplett eliminiert werden können. Diese ist das Analogon zur Kobayashi-Maskawa-Matrix bei der Quarkmischung. Üblich ist die folgende Parametrisierung mit drei Mischungswinkeln und einer CP- verletzenden Phase sowie den Abkürzungen cij =cosij und sij =sin ij . c12 c13 U = −s12 c 23−c12 s 23 s13 e i s 12 s23 −c 12 c23 s13 e −i 13 s12 c13 i 13 13 c12 c 23 −s12 s 23 s13 e s13 e i 13 i 13 −c12 s23 −s12 c23 s 13 e s 23 c13 c23 c 13 Im Spezialfall 23 = 13 =0 , 12 : = ist die dritte Familie entkoppelt und man erhält die Cabibbo-Matrix: 14 cos U = −sin 0 sin cos 0 0 0 1 13 Einleitung zur CP-Verletzung Die folgenden Kapitel befassen sich mit der sogenannten CP-Verletzung. Dabei wird dieses Phänomen zunächst am Beispiel des Zerfalls neutraler K-Mesonen erläutert an dem es auch erstmals beobachtet wurde. Danach wird versucht diese CP-Verletzung mit Hilfe der KM-Matrix zu erklären. Bekanntlich verletzt die schwache Wechselwirkung im Gegensatz zur elektromagnetischen und starken Wechselwirkung die drei diskreten Symmetrien Parität P, Ladungskonjugation C und Zeitumkehr T. Insbesondere wird auch die Kombination von Parität und Ladungsumkehr verletzt. Man spricht von der CP-Verletzung. Die Verletzung der CP-Symmetrie ist u.a. für die Erklärung der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie während der Baryogenese im Universum von fundamentaler Bedeutung. So stellte der russische Physiker Sacharow bereits in den 60er Jahren drei Bedingungen für eine derartige Asymmetrie auf: – – – Die zugrundeliegende Theorie, die die Wechselwirkungen der Elementarteilchen untereinander beschreibt, muss baryonenzahlverletzende Prozesse ermöglichen. Eine Baryonen-Antibaryonenasymmetrie kann aus einem symmetrischen Zustand nur durch thermische Nichtgleichgewichtsprozesse entstanden sein. Weiterhin muss CP-Verletzung in dieser Theorie möglich sein. 14 Das CPT-Theorem Ob eine der drei diskreten Symmetrien erhalten oder gebrochen ist kann nur experimentell entschieden werden. Für die Kombination dieser drei, die sogenannte CPT-Transformation, gibt es allerdings eine allgemeingültige Aussage, die als CPT-Theorem bezeichnet wird. Es lautet: Jede lokale Quantenfeldtheorie, die durch eine hermitesche und lorentzinvariante Lagrangedichte L beschrieben wird und deren Feldoperatoren dem Spin-Statistik-Theorem genügen ist CPT invariant. Die gestellten Voraussetzungen sind so allgemein, dass das Theorem praktisch immer gilt. Eine Ausnahme bildet z.B. die Stringtheorie, da sie u.a. keine lokale Theorie ist. Die wichtigsten Folgerungen dieses Theorems sind die Gleichheit von Massen und Lebensdauern von Teilchen und Antiteilchen. 15 15 Das System der neutralen K-Mesonen Im Folgenden werden die beiden neutralen K-Mesonen K0 und K0 , die beide Eigenzustände des Hamiltonoperators der starken Wechselwirkung sind betrachtet. Ihr Aufbau aus Quarks K0 = s d K0 = s d zeigt, dass sie ein zueinander konjugiertes Teilchenpaar bilden. (Obwohl beide elektrisch neutral sind.) Sie unterscheiden sich insbesondere in der Quantenzahl Strangeness, die für das K0 den Wert +1 und für das K0 den Wert -1 annimmt. Nun weiß man, dass die Strangeness von der schwachen Wechselwirkung verletzt wird, so dass diese beiden Teilchen auf dem Niveau der starken Wechselwirkung absolut verschiedene Teilchen darstellen, es aber keinen Grund gibt warum sie nicht durch die schwache Wechselwirkung ineinander übergehen können sollten. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass beide Teilchen in die gleichen Teilchen z.B. + - -Paare zerfallen können. Beide Zerfallsprozesse, die sich störungstheoretisch in erster Ordnung der schwachen Wechselwirkung behandeln lassen werden in Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 2 : Mögliche Zerfälle der neutralen K-Mesonen Dies impliziert, dass sich in Prozessen zweiter Ordnung ein K0 in ein K0 umwandeln kann und umgekehrt wie es in Abbildung 3 veranschaulicht wird. Abbildung 3 : Umwandlung zwischen und K0 K0 16 Dieser Umwandlungsprozess kann noch etwas differenzierter wie in Abbildung 4 oder schematischer wie in Abbildung 5 dargestellt werden. Abbildung 4 : Detailierte Darstellung der Umwandlung zwischen Abbildung 5 : Boxdiagramm zur Umwandlung zwischen K 0 und K 0 K0 und K0 16 Analyse der Zerfälle der neutralen K-Mesonen Im Folgenden soll das Verhalten der neutralen Kaonen bei Zerfällen untersucht werden. Gerade wurde erläutert, dass sich diese ineinander umwandeln können weshalb man die Zerfälle von K0 und K0 nicht separat betrachten kann, sondern das Zweizustandsystem als ganzes behandeln muß. Ein geeigneter Formalismus um den Zerfall eines Mehrzustandssystems zu beschreiben wurde schon um 1930 von Weisskopf und Wigner entwickelt. Diese störungstheoretische Behandlung wird hier nicht nachvollzogen, sondern nur kurz die gemachten Voraussetzungen und Ergebnisse zusammengestellt. Es soll ein Zustand der folgenden Form untersucht werden: | t >=ct | K0 >c t | K0 >∑ an | n > n Dabei sind die n die Zustände in die die Kaonen zerfallen können, also insbesondere + - Paare. Die Beschreibung dieses an sich recht komplizierten Zustandes kann wesentlich vereinfacht werden, wenn man die folgenden Annahmen macht: – – – Für t=0 sind nur c t und c t ungleich null wohingegen alle ai =0 sind, d.h. zu Anfang gibt es nur Kaonen und noch keine Zerfallsprodukte. Es soll nur die Dynamik von c t und c t berechnet werden, d.h. man interessiert sich nur für die Kaonen und nicht für die Zerfallsprodukte. Die Zeitskalen, die man untersuchen will sind wesentlich größer als die typische Zeitskala der starken Wechselwirkung. 17 – Die Wechselwirkungen der Zerfallsprodukte untereinander werden vernachlässigt. Nun wird noch der Hamiltonoperator H für die störungstheoretische Behandlung in der folgenden Form aufgespalten: H =H 0 H W Dabei bezeichnet H 0 den Anteil der starken und elektromagnetischen Wechselwirkung, der K0 und K0 als Eigenzustände hat, und H W den Anteil der schwachen Wechselwirkung. Schlußendlich erhält man das Ergebnis, dass der Zustandsvektor | t >=ct | K0 >c t | K0 > in dem von K0 und K0 aufgespannten Hilbertraum durch eine „effektive“ Schrödinger-Gleichung der folgenden Form beschrieben wird: i < K0 | H Weff | K0 > < K 0 | H Weff | K0 > d c t = dt c t < K0 | H Weff | K0 > < K 0 | H Weff | K0 > c t c t R Die Matrix R ist nicht hermitesch. Ansonsten würden die Mesonen auch nur oszillieren und nicht zerfallen. Man kann R aber wie jede Matrix in einen hermiteschen und einen antihermiteschen Anteil zerlegen. Daher kann man den Ansatz i R=M − 2 machen wobei die Forderungen M=M + und =+ gestellt werden. Man erhält unmittelbar die Zusammenhänge: 1 + M = RR 2 =i R−R+ eff Der Vollständigkeit halber wird nun noch der Operator H W bis zu zweiter Ordnung angegeben, obwohl er im Folgenden nicht mehr explizit benutzt wird. H W =H W ∑ H w | n >< n | H W [P eff n 1 −i m K −E n ] mK −E n Dabei bezeichnet m K die Masse der Kaonen und P die Bildung des Cauchy-Hauptwertes. Nun soll zunächst die Matrix R im Hinblick auf Invarianzen unter diskreten Symmetrietransformationen und damit verbundenen Vereinfachungen untersucht werden. Wie bereits besprochen gilt: 18 i M 11 − 11 <K |H | K > <K |H | K > i 2 R= =M − = 0 0 0 0 2 i <K |H |K > <K |H | K > M 21 − 21 2 0 eff W eff W 0 0 eff W eff W 0 i M 12 − 12 2 i M 22 − 22 2 Nach dem „allgemeingültigen“ CPT-Theorem verhalten sich Teilchen und Antiteilchen gleich woraus man die Gleichheit der Diagonalelemente der Matrix R folgern kann. M 11 =M 22 :=M 0 11 =22 : =0 Für die beiden Nichtdiagonalelemente kann man unter der Annahme von CP-Invarianz dieselbe Schlußfolgerung ziehen. Um das zu zeigen betrachtet man die Wirkung der unitären Operatoren C und P auf die Teilchenzustände | K0 > , | K0 > und die Zerfallsprodukte am Beispiel des + - | > -Paares. Sowohl die Kaonen als auch die Pionen sind pseudoskalare Mesonen, d.h. P| + >=−| + > P| - >=−| - > P| K0 >=−| K0 > 0 0 P| K >=−| K > Die Ladungskonjugation verwandelt nun jedes Teilchen in sein Antiteilchen. CP| + >=−| - > CP| - >=−| + > CP| K0 >=−| K0 > 0 0 CP| K >=−| K > Da die Kaonen Spin-0 Teilchen sind können die beiden Pionen beim Zerfall nur in einen Zustand mit Drehimpulsquantenzahl l=0 emitiert werden. Es folgt: CP| + - >=P P −1 l | - +>=| + - > + - Damit kann man nun eine nützliche Beziehung für das Übergangsmatrixelement < + - | S | K 0 > herleiten. < + - | S | K 0 >=CP| + - > |CPS CP−1 CP| K0 > = −< + - | CPS CP−1 | K0 > + 0 - −| K > | > Setzt man nun CP-Invarianz voraus, also S =S ' =CPS CP−1 so erhält man + 0 + 0 < | S | K >=−< | S | K > . Damit folgt direkt die Beziehung < K0 | S | K0 >≈ ∑ + - < K 0 | S | + - >< + - | S | K 0 > | > =−1 2 ∑ + - | > < K 0 | S |+ - >< + - | S | K 0 >≈< K 0 | S | K0 > . Zu der Summe tragen natürlich noch andere Zwischenzustände bei was aber an der Argumentation nichts ändert. 19 Wendet man diese Beziehung nun auf die Matrix R an so folgt daraus unmittelbar dass im Fall von CPInvarianz auch die beiden Nichtdiagonalelemente gleich sind. M 12 =M 21 :=M 1 12 =21 : =1 * * Aus M ij =M ji und ij = ji , also der Unitarität der Matrizen M und , folgt dann auch noch unmittelbar, dass M 0 , 0 , M 1 und 1 reell sind. Damit erhält man schließlich für die Matrix R die Form i i M 0 − 0 M 1 − 1 2 2 R= i i M 1 − 1 M 0 − 0 2 2 in der alle auftretenden Koeffizienten reell sind. Zur Lösung der effektiven Schrödinger-Gleichung i d c t =R c t dt c t c t ist es nun wie üblich zweckmäßig die Matrix R zu diagonalisieren. Da dies kein wesentliches Problem darstellt soll hier nur die Lösung angegeben werden: Man gelangt von der Darstellung | t >=ct | K0 >c t | K0 > durch Diagonalisierung zu der Darstellung 0 0 | t >=c L t | K L >c S t | K S > wobei die hier auftretenden Größen auf die folgende Weise mit den ursprünglichen verknüpft sind. c L t = 1 [c t c t] 2 | K L >= cS t = 1 [c t −c t] 2 | KS >= 0 0 1 0 0 [| K >| K >] 2 1 0 0 [| K >−| K >] 2 In dieser Darstellung nimmt die effektive Schrödinger-Gleichung die einfache Form d c L t i = dt cS t i M 0 M 1 − 0 1 2 0 0 an deren Lösungen offensichtlich durch −i M 0 M 1 t c L t ∝ e 20 c L t i M 0 −M 1 − 0−1 cS t 2 1 − 0 1 t 2 e und −i M 0− M 1 t cS t ∝e gegeben sind. 1 − 0− 1 t 2 e Definiert man nun L : =0 1 und S :=0 −1 von denen man zeigen kann, dass S ≫ L 0 gilt (bis zu 2.Ordnung gilt sogar L =0 ), so erhält man, dass der Zustand 0 | KL> mit der Funktion − L t | c L t | 2 ∝e und der Zustand 0 | KS > mit der Funktion −S t | cS t | 2 ∝ e zerfällt. Offensichtlich kann man S und L als die Zerfallsbreiten der beiden Kaonenzustände 0 0 interpretieren. Außerdem sieht man, dass der Zustand | KS > kürzer lebt als der Zustand | K L > woher auch die Bezeichnungen „S“ für „Short“ und „L“ für „Long“ herrühren. Experimentell werden allerdings bei Reaktionen wie zum Beispiel - p K0 , die in der 0 0 Abbildung 6 dargestellt ist nicht die Zustände KS und K L erzeugt, sondern die ursprünglichen Zustände K0 und K0 . Abbildung 6 : Erzeugung eines Reaktion K0 -Mesons mit der - p K0 Stellt man nun z.B. den Zustand K0 in der Form 21 0 | K >= 1 0 0 [| K L >| KS >] 2 dar, so erkennt man, dass er offensichtlich aus einer kurzlebigen und einer langlebigen Komponente besteht. Experimentell findet man die beiden Lebensdauern S = 1 −10 =0.8953 ±0.0006 10 s S und L = 1 −8 =5.18 ±0.04 10 s . L Die unterschiedlichen Lebensdauern führen u.a. zu Phänomenen wie der sogenannten Strangeness-Oszillation auf die aber nicht näher eingegangen werden soll. Die unterschiedlichen Lebensdauern kann man unter der gemachten Annahme der CP-Invarianz noch genauer begründen. Dazu kann man zunächst die Feststellung machen, dass die beiden Eigenvektoren der Matrix R auch Eigenzustände des CP-Operators sind. 0 CP| KS >=CP 0 CP| K L >=CP 1 1 0 0 0 0 0 [| K >−| K > ]= [−| K >| K >]=| KS > 2 2 1 1 0 0 0 0 0 [| K >| K > ]= [−| K >−| K >]=−| K L > 2 2 Außerdem wurde schon gezeigt: CP| + - >=| + - > Analog erhält man z.B.: CP| 0 0 0 >=−| 0 0 0 > 0 Insgesamt erhält man unter der Annahme von CP-Invarianz, dass nur der Zustand K S in zwei Pionen 0 zerfallen kann wohingegen der Zustand K L nur in drei Pionen zerfallen kann. Der 2-Pionenzerfall geht natürlich viel schneller, da ein Teilchen weniger erzeugt werden muß und mehr Energie frei wird. 0 Experimentell findet man in der Tat, dass z.B. der Zustand K L hauptsächlich wie folgt zerfällt: 0 + - 0 K L 0 0 0 0 KL 0 +- -+ K L K0L +- e -+ e 12.55 % 21.13 % 27.18 % 38.78 % Allerdings wurde in dem fundamentalen Experiment von Christensen, Cronin, Fitch und Turlay (Nobelpreis für Cronin und Fitch) herausgefunden, dass auch die langlebigen K-Mesonen mit einer allerdings sehr geringen Wahrscheinlichkeit in zwei Pionen zerfallen können. K0L + K0L 0 0 0.203 % 0.094 % 22 Nach dem was bisher besprochen wurde ist dies ein klarer Hinweis auf CP-Verletzung. Bei der Untersuchung der effektiven Schrödingergleichung wurde aus der vorausgesetzten CP-Invarianz gefolgert, dass die Nichtdiagonalelemente der Matrix R gleich sind und dass darüber hinaus alle in der folgenden Darstellung verwendeten Koeffizienten reell sind. Diese Annahme ist offenbar nur eine Näherung. Man muß daher für R statt den allgemeineren Ansatz i M 0 − 0 2 R= i M 1 − 1 2 i M 1 − 1 2 i M 0− 0 2 i M 0 − 0 2 R= i * * M 1 − 1 2 i M 1− 1 2 i M 0− 0 2 machen wobei M 0 und 0 aber immer noch reell sind. Auch hier muß man die Matrix R wieder diagonalisieren, was auf die Eigenvektoren 0 und mit den Parametern und führt. 0 0 | KS >=N [| K >−q | K >] | K0L >=N [| K 0 >q | K0 >] i M *1 − *1 2 q= i M 1 − 1 2 i i M *1 − *1 M 1 1 1 2 2 =1 2 i i N M 1 − 1 M *1 *1 2 2 Man erkennt, dass sich im Fall von CP-Invarianz, also reellwertigen Koeffizienten M 1 und 1 , wieder die alten Resultate ergeben und die neuen Eigenvektoren erwartungsgemäß keine Eigenzustände des CP-Operators sind. Auf eine weitergehende Analyse wird hier verzichtet. 17 Erklärung der CP-Verletzung mit Hilfe der Mischungsmatrix In diesem letzten Kapitel soll versucht werden die CP-Verletzung mit der Mischung der Teilchenzustände zu erklären. Dazu betrachte man nochmals das Quarkdiagramm in Abbildung 7 23 das den Übergang zwischen den beiden Kaonenzuständen K0 und K0 veranschaulicht. K Abbildung 7 : Boxdiagramm zur Umwandlung zwischen 0 und K 0 ohne Quarkmischung Wie aber schon von der Diskussion der Quarkmischung bekannt ist kann dieses Diagramm nicht vollständig sein. Es müßte stattdessen wie in Abbildung 8 dargestellt erweitert werden. K0 und K0 unter Abbildung 8 : Boxdiagramm zur Umwandlung zwischen Berücksichtigung von Quarkmischung Zur Untersuchung der Frage, ob die Mischung der Teilchenzustände die CP-Verletzung erklären kann muß man sich zunächst einmal mit dem Verhalten von Diracspinoren unter einer CP-Transformation beschäftigen. Es gilt: P x P+ =0 x ' mit x= t , x und x' =t ,−x C x C +=i2 * x =i 2 0 T x Daraus erhält man 0 2 0 CP x CP+ =ie i T x '=−i e i 2 T x ' −2 . wobei noch eine beliebige Phase ist. Adjungiert man diese Gleichung so erhält man für das Transformationsverhalten des adjungierten Spinors CP x CP+ =ie−i T x' 2 . Jetzt wird untersucht ob die Lagrangedichte des Standardmodells unter derartigen Transformationen invariant ist. Eine kurze Betrachtung zeigt, dass fast alle Teile der Lagrangedichte unmittelbar CP-invariant sind. Nur der Anteil der geladenen schwachen Ströme bedarf noch einer genaueren Analyse was im Folgenden durchgeführt werden soll. Dieser Teil ist genau der, der schon bei der Betrachtung der Quark- bzw. Leptonenmischung näher betrachtet wurde. Die Analyse wird dabei ebenfalls auf den Quarksektor beschränkt. Der relevante Anteil der Lagrangedichte lautet (diesmal für alle drei Familien) wobei nun die Spinoren die Masseneigenzustände beschreiben sollen: 24 L' =- dL uL e e u L , c L , t L U s L w- − d L , s L , b L U + c L w+ =L1 L2 2 sin W 2 sin W bL tL Hierbei bezeichnet U die KM-Matrix. Jetzt wird die CP-Transformation durchgeführt wobei nur der 1. Term betrachtet wird ( L1 und L2 sind zueinander hermitesch konjugiert!) und die Ergebnisse für Transformationen der Diracspinoren benutzt werden. Man beachte darüber hinaus dass alle Größen nach der Transformation von x' und nicht mehr von x abhängen. CP L1 CP+ =− −i e i d 2 d TL e −i −i −i = ie uTL 2 , i e c TL 2 , ie t TL 2 U −i ei 2 s TL w+ 2 sin W i −i e 2 b TL u c t s b i d e d TL e −i T −i T −i T 2 2 =− e u L , e c L , e t L U e i sTL w+ 2 sin W i e bTL u c t s T b −i u e uL e i i i T −i =− e d L , e s L , e b L U e c L w+ 2 sin W −i e tL d s b c t i d e e =− d L , s L , b L 0 2 sin W 0 0 i e 0 s −i u 0 e T 0 U 0 i e 0 b 0 0 0 −i c e 0 −i t e uL + cL w tL Dieser Term sieht (abgesehen von Phasenfaktoren) so ähnlich aus wie L2 =− uL e d L , s L , b L U + c L w+ (s.o.). 2 sin W tL Wenn die Lagrangedichte invariant unter CP-Transformationen sein soll so muß der transformierte Term auch in der untransformierten Lagrangedichte vorkommen oder einem dort vorkommenden Term äquivalent sein. Wie gerade gesehen bietet sich dafür L2 an. Daher wird die Forderung CP L1 x CP+=e i L 2 x ' gestellt, wobei eine beliebige Phase ist. Daraus resultiert unmittelbar i d e 0 0 0 i e 0 s −i u 0 e T 0 U 0 i e 0 b 25 0 0 0 −i c e 0 −i t e =e i U + oder nach transponieren −i u e 0 0 0 0 0 −i c e −i t 0 e e U i d − 0 0 0 e 0 0 i s − 0 e i b− =U * . Auf der linken Seite wird die KM-Matrix mit zwei unitären Diagonalmatrizen transformiert. Man kann nun die komplette linke Seite der obigen Bedingungsgleichung als KM-Matrix interpretieren woraus * U =U erhalten wird. Das man die KM-Matrix mit derartigen Transformationen auf „Normalgestalt“ bringen kann wurde ja schon ausgenutzt um zu zeigen, dass man bei 2 Familien (also 2×2 Matrizen) alle komplexen Phasen aus der Matrix U eliminieren kann. Dabei wurde die Multiplikation mit den beiden Matrizen allerdings als „Umdefinition“ der Phasen der Spinoren in i i sin e cos ei − d L = cos e sL −sin e i eingeführt. Es ergab sich d L = cos −sin sL sin cos d 1L d 2L d 1L d 2L . Man erhält also das Ergebnis, dass die Lagrangedichte nur invariant unter CP-Transformationen ist, wenn die KM-Matrix reell ist. Wie bereits erläutert wurde ist diese Bedingung für zwei Familien immer erfüllbar. Für drei Familien ist sie es allerdings nur, wenn die in der Parametrisierung auftauchende komplexe Phase den Wert 0 oder annimmt. Abschließend noch zwei Bemerkungen: 1) Man kann zeigen das die hier hergeleitete notwendige Bedingung U =U * für CP-Invarianz auch hinreichend ist. 2) Wie besprochen kann es bei nur 2 Familien keine CP-Verletzung geben. Aus der experimentell beobachteten CP-Verletzung folgerten Kobayashi und Maskawa daher 1973 dass es mehr als 2 Familien geben müsse. Dies wurde inzwischen ja auch bestätigt. 26 Literatur [1] N. Schmitz: Neutrinophysik [2] F. Boehm & P. Vogel: Physics Of Massive Neutrinos [3] E. Rebhan: Theoretische Physik II [4] W. Greiner & B. Müller: Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung [5] O. Nachtmann: Elementarteilchenphysik – Phänomene und Konzepte [6] Particle Physics Booklet [7] C. Berger: Elementarteilchenphysik [8] Branco, Lavoura & Silva: CP-Violation 27