Mathematische Logik II - sigma

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Mathematische Logik II
Vorlesung 10
24.05.2005
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Die Gödelschen Unvollständigkeitssätze
2.1
Hilberts Programm
Ausgangspunkt: Grundlagenprobleme der Mathematik (z.B. Antinomien der Mengenlehre)
Hilberts Programm (formalistisches Programm):
• Axiomatisierung der verschiedenen Zweige der Mathematik in der Prädikatenlogik
• Reduktion mathematischer Folgerungen auf syntaktische mechanische Ableitungen (mit einfachen Schritten, deren Korrektheit evident ist)
• Konstruktion effektiver Verfahren (Algorithmen), um die Gültigkeit mathematischer Aussagen zu entscheiden (Entscheidungsproblem)
• Beweis der Widerspruchsfreiheit der Mathematik
Erfolge:
• Axiomatisierung wichtiger Teile der Mathematik durch geeignete Axiomensysteme:
– Peano-Arithmetik
– ZFC (Formalisierung der Mathematik innerhalb der Mengenlehre)
• Präzisierung des Beweisbegriffs durch geeignete formale Systeme:
– Hilbert-Frege-Kalküle
– Sequenzenkalküle
– ...
• Vollständigkeitssatz (Gödel 1931)
Φ |= ψ ⇔ Φ ⊢ ψ
(Φ ⊆ FO, ψ ∈ FO)
• Algorithmische Verfahren, um Erfüllbarkeit/Gültigkeit in gewissen Fragmenten von FO zu entscheiden
(Erfüllbarkeitsproblem für X ⊆ FO: Gegeben: ψ ∈ X, Frage: Ist ψ erfüllbar?)
Fundamentale Resultate der mathematischen Logik in den 30er Jahren zeigten, dass das Hilbertsche Programm
scheitern muss:
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www.sigma-mathematics.de/semester5/malo2/vorlesungen/vorlesung10.pdf
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• 1. Gödelscher Unvollständigkeitssatz:
Jede hinreichende reichhaltige rekursiv axiomatisierbare Theorie ist unvollständig (insbesondere PA, ZFC).
• Satz von Church/Turing:
Erfüllbarkeit/Gültigkeit von FO ist unentscheidbar.
• 2. Gödelscher Unvollständigkeitssatz:
Sei Φ entscheidbares, hinreichend starkes Axiomensystem. Dann ist aus Φ die Widerspruchsfreiheit von Φ
nicht beweisbar (Φ 6⊢ Wf Φ , wobei Wf Φ : Satz der Widerspruchsfreiheit von Φ ausdrückt). Gilt insbesondere
für Φ = ZFC.
Nicht einmal mit der vollen Beweiskraft eines Axiomensystems für die Mathematik kann man dessen
Widerspruchsfreiheit beweisen. Salopp formuliert: Die Widerspruchsfreiheit der Mathematik ist beweisbar
genau dann, wenn sie falsch ist.
2.2
Theorien
Definition. Eine Theorie T ⊆ FO(τ ) ist eine erfüllbare Menge von τ -Sätzen, welche unter |= abgeschlossen ist.
T |= ψ ⇒ ψ ∈ T
T ist vollständig, wenn für jeden Satz ψ ∈ FO(τ ) gilt: ψ ∈ T oder ¬ψ ∈ T . T ist rekursiv axiomatisierbar, wenn
eine entscheidbare Menge Φ ⊆ T von Axiomen existiert, so dass Φ|= = {ψ ∈ FO(τ ) | Φ |= ψ} = T .
Zur Erinnerung: Rekursive Aufzählbarkeit/Entscheidbarkeit A ⊆ Σ∗ . A ist rekursiv aufzählbar genau dann,
wenn eine Turingmaschine M existiert mit L(M ) = A (d.h. für alle x ∈ Σ∗ gilt: M hält auf x ⇒ x ∈ A. A ist
entscheidbar genau dann, wenn A und Σ∗ \ A sind rekursiv aufzählbar.
Satz. Sei T eine vollständige Theorie. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
(a) T ist rekursiv axiomatisierbar.
(b) es gibt ein rekursiv aufzählbares Axiomensystem Φ, so dass T = Φ|= .
(c) T ist rekursiv aufzählbar.
(d) T ist entscheidbar.
Beweis. Wir führen einen Ringschluss:
• (a) ⇒ (b): trivial.
• (b) ⇒ (c): Wenn Φ rekursiv aufzählbar ist, dann auch die Menge aller endlichen Φ0 ⊆ Φ (sei M ein
Algorithmus mit Haltemenge L(M ) = Φ. Gegeben Φ0 = {ϕ1 , . . . , ϕm }, wende M nacheinander auf
ϕ1 , . . . , ϕm an und halte, wenn M auf alle ϕi hält.) Indem man systematisch alle Φ0 ⊆ Φ und alle im Sequenzenkalkül ableitbaren Sequenzen Φ0 ⇒ ψ generiert, erhält man ein Aufzählverfahren für
T = {ψ | Φ |= ψ} = {ψ | es gibt endliches Φ0 ⊆ Φ, so dass Φ0 ⇒ ψ ableitbar}.
• (c) ⇒ (d): T ist vollständig, also ist ψ ∈
/ T ⇔ ¬ψ ∈ T . Mit T ist also auch das Komplement von T rekursiv
aufzählbar. Daraus folgt, dass T entscheidbar ist.
• (d) ⇒ (a): Setze Φ := T .
Wir betrachten die Struktur N = (N, +, ·, 0, 1), die Arithmetik der natürlichen Zahlen. Die Theorie TA :=
Th(N) = {ψ : N |= ψ} wird als (echte) Arithemetik (true arithmetic) bezeichnet. TA ist vollständig. Das
Axiomensystem der Peano-Arithmetik ΦPA besteht aus folgenden Axiomen:
• ∀x¬(x + 1 = 0).
• ∀x∀y(x + 1 = y + 1 → x = y).
• ∀x(x + 0 = x).
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• ∀x∀y(x + (y + 1) = (x + y) + 1).
• ∀x(x · 0 = 0).
• ∀x∀y(x · (y + 1) = (x · y) + x).
Induktionsaxiome: (Schema)
∀y((ϕ(0, ȳ) ∧ ∀x(ϕ(x, ȳ) → ϕ(x + 1, ȳ))) → ∀xϕ(x, ȳ))
für jede Formel ϕ(x, y1 , . . . , yn ) ∈ FO({+, ·, 0, 1}).
Gegenüber dem MSO-Induktionsaxiom
∀X(X(0) ∧ ∀x(X(x) → X(x + 1))∀xX(x))
wird in ΦPA die Induktionseigenschaft nur für definierbare Teilmengen von N gefordert.
|=
Bemerkung. ΦPA ist entscheidbar: PA := ΦPA ist also „rekursiv axiomatisiert“.
Definition. Ein Axiomensystem Φ ist repräsentativ (erlaubt Kodierungen), wenn man zu jeder Zahl n ∈ N
einen Term tn berechnen kann, so dass gilt:
(a) Φ ⊢ ¬tn = tm für n 6= m.
(b) für jede totale berechenbare Funktion f : Nk → N existiert eine Formel ϕf (x̄, y), so dass für alle n1 , . . . , nk , m
gilt:
• Φ ⊢ ∃!yϕf (tn1 , . . . , tnk , y).
• wenn f (n1 , . . . , nk ) = m, dann Φ ⊢ ϕf (tn1 , . . . , tnk , tm ), wenn f (n1 , . . . , nk ) 6= m, dann Φ ⊢
¬ϕf (tn1 , . . . , tnk , tm ).
Bemerkung. Wenn Φ repräsentativ, dann existiert auch für jede entscheidbare Relation R ⊆ Nk eine Formel
/ R ⇒ Φ ⊢ ¬ϕR (tn1 , . . . , tnk ).
ϕR (x1 , . . . , xk ), so dass: (n1 , . . . , nk ) ∈ R ⇒ Φ ⊢ ϕR (tn1 , . . . , tnk ), (n1 , . . . , nk ) ∈
Beweis. Sei f : Nk → N die charakteristische Funktion von R. f totale be. Funktion, also existiert ϕf (x1 , . . . , xk , y).
Setze ϕR (x1 , . . . , xk ) = ϕf (x1 , . . . , xk , t1 ).
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