Der Hilbert-Raum

Werbung
Kapitel 3
Der Hilbert-Raum
Ausgearbeitet von Wilfried Otto Köhler, Michael Jäger und Carl-Peter Fitting
3.1
Lineare, selbstadjungierte Operatoren
Wir benutzen in diesem Kapitel die Dirac-Notation. Eine Wellenfunktion ψu (~r) ≡ |ni wird als Ket (von braket)
R
R
~ m dτ = hn|L|mi
~
abgekürzt. Das Integral R3 ψu∗ (~r) ψm (~r)dτ ≡ hn|mi und ψu∗ Lψ
wird dann wie angegeben
durch ein Bra hn| und ein Ket |mi gegeben.
In der klassischen Physik werden Observable als Funktion der Impulse und Orte, die ihrerseits von der Zeit
abhängen, L(p(t), q(t)) angegeben. Wollen wir in der Quantenmechanik eine Aussage über den Ausgang einer
Messung machen, so bildet man den Erwartungswert des Operators der betreffenden Größe.
Z
def
dτ ψn∗ L̂ψn
L̄ = hn|L̂|ni ≡
R3
hn| ≡ bra; |ni ≡ ket
(3.1)
Dieser Ausdruck gibt nur den Mittelwert sehr vieler Messungen wieder.
Die Operatoren L̂
L̂|ui = |υi
(3.2)
ordnen jedem Zustand einen anderen zu.
Beispiele für Operatoren:
L̂ =
√
; x;
∂
~ ∂
; px =
∂x
i ∂x
(3.3)
Wir stellen nun zwei Forderungen an in der Quantenmechanik zulässige Operatoren, die wir anschließend plausibel machen wollen.
Forderung 1: Die in der Quantenmechanik zulässigen Operatoren sollen linear sein.
Definition eines linearen Operators:
L̂(C1 |ui + C2 |υi) = C1 L̂|ui + C2 L̂|υi
Aus den Operatoren (3.3) ist die Wurzel daher nicht zulässig. Die Forderung nach Linearität liegt nahe aufgrund
der Tatsache, dass die Operatoren in der Schrödinger-Gleichung linear sind.
41
Hψ = i~
∂
ψ
∂t
(3.4)
Hieraus ergibt sich, dass mit zwei Lösungen auch eine beliebige Superposition ebenfalls eine Lösung ist. Soll
dieses Superpositions- oder Überlagerungsprinzip durch die Anwendung anderer Operatoren nicht verletzt werden, müssen sie linear sein.
Forderung 2: Messwerte und damit auch deren Mittelwerte sind reelle Größen.
Hieraus folgt:
L̄ = hu|L̂|ui = L̄∗ = hu|L̂|ui∗
(3.5)
Spezialisiert auf den Fall eines Teilchens mit nur einer Ortskoordinate:
Z
u∗ L̂ u dτ =
Z
(L̂∗ u∗ )u dτ
(3.6)
Allgemein:
hu|L̂ui = hL̂u|ui
(3.7)
Hieraus folgt, dass L̂ ein selbstadjungierter Operator sein muss1 . Generell lautet die Defintion eines selbstadjungierten (oder hermiteschen) Operators:
hu|L̂|υi = hυ|L̂|ui∗ = hu|L̂+ |υi
(3.8)
oder
L̂ = L̂+
Beispiele:
∂
∂x ist nicht hermitesch:
∂
∂x
!+
=−
∂
∂x
Beweis:
*
∂
ψ|
|Ψ
∂x
+
Z +∞
∂
+∞
∗
=
ψ
Ψ dx = ψ Ψ|−∞ −
∂x
−∞
−∞
*
!∗
Z +∞
∂
ψ Ψ dx = −
= (0 − 0) −
∂x
−∞
Z
∞
∗
!
∂ ∗
ψ Ψ dx
∂x
+
∂
ψ|Ψ
∂x
∂
i ∂x
ist hermitesch:
Beweis:
*
1 vgl.
∂
Ψ
ψ|i
∂x
+
*
∂
= i ψ|
Ψ
∂x
+
= −i
*
Hirzebruch-Scharlau: Funktionalanalysis B.I, Seite 96
42
∂
ψ|Ψ
∂x
+
=
*
∂
i
ψ|Ψ
∂x
+
∂
hermitesch)
(also ist auch −~i ∂x
x ist hermitesch:
hψ|x|Ψi =
Z
+∞
ψ ∗ xΨ dx =
−∞
Z
+∞
xψ ∗ Ψ dx =
−∞
Z
+∞
−∞
(xψ)∗ Ψ dx = hxψ|Ψi
Die Summe hermitescher Operatoren  und B̂ ist hermitesch:
hψ|Â + B̂|Ψi =
=
=
Z
∗
dτ ψ (ÂΨ + B̂Ψ) =
Z
∗
dτ ψ ÂΨ +
Z
dτ ψ ∗ B̂Ψ
hψ|Â|Ψi + hψ|B̂|Ψi = hÂψ|Ψi + hB̂ψ|Ψi
(Â + B̂)ψ|Ψ
Im Allgemeinen ist die Hintereinanderausführung zweier hermitescher Operatoren nicht wieder hermitesch:
∂
, dann ist für einen Zustand ψ der Messwert L̂ · M̂ nicht reell:
Sei z.B. L̂ = x; M̂ = i ∂x
Z
∂
∂
ψ dx = i xψ ∗
ψ dx =
ψ ix
∂x
∂x
!
Z
∂
Prd.-Regel
ψ∗ ψ + x
ψ ∗ ψ dx =
=
−i
∂x
Z
∗
!
∂
∗
−i
(xψ ) ψ dx
∂x
!
Z
∂ ∗
−i + i x
ψ ψ dx
∂x
Z
∂
aber
Das liegt wesentlich an der Anwendung der Produktregel, d.h. an der Tatsache, dass L̂ · M̂ = x ∂x
∂
M̂ · L̂ = i + ix ∂x ist, die beiden Operatoren also nicht kommutieren. Es gilt sogar der SATZ: Hermitesche Operatoren Â, B̂ kommutieren genau dann, wenn  · B̂ wieder hermitesch ist. Wir geben zwei Beweise (notwendig
und hinreichend):
Behauptung 1:
 · B̂ = B̂ ·  und  und B̂ hermitesch, dann ist ÂB̂ = ( · B̂)+ hermitesch.
Erster Beweis:
Es ist (Â · B̂)+ = B̂ + · Â+ , denn
hψ|Â · B̂|ψi =
=
=
,→ Â+ B̂ +
=
hψ|Â+ B̂ + |ψi
hÂψ|B̂ + |ψi = hB̂ Âψ|ψi
hψ|(B̂ Â)+ |ψi
(B̂ Â)+
Nun ist:
ÂB̂ =
1
1
ÂB̂ + B̂ Â +
ÂB̂ − B̂ Â
2
2
Sei:
Ĝ =
1
2
ÂB̂ + B̂ Â ;
Û =
Ĝ ist selbstadjungiert:
43
1
ÂB̂ − B̂ Â
2
1
Ĝ =
2
+
+
1
ÂB̂ + B̂ Â
B̂ Â + ÂB̂ = Ĝ
=
2
Analog zeigt man Û + = −Û. Da nun ÂB̂ − B̂ Â = 0 ist, ist Û = 0; also ÂB̂ = Ĝ hermitesch. Q.E.D.
Behauptung 2:
Wenn ÂB̂ = ( · B̂)+ = B̂ + Â+ und  und B̂ hermitesch, dann vertauscht  mit B̂:  · B̂ = B̂ · Â.
Zweiter Beweis:
 · B̂ = ( · B̂)+ = B̂ + Â+ = B̂ · Â
q.e.d.
Der längere erste Beweis liefert ein zusätzliches Ergebnis:
SATZ: Seien  und B̂ hermitesche Operatoren, dann ist ihr Kommutator [Â, B̂] = ÂB̂ − B̂  antihermitesch
und der Operator ÂB̂ + B̂ Â hermitesch. (Zur Erinnerung: Ein Operator Ĉ heißt anithermitesch genau dann,
wenn Ĉ = −Ĉ + ist.)
Sei L̂ ein Quantenmechanik-Operator; wir haben in einem normierten Zustand |ui den Erwartungswert L =
hu|L̂|ui, der uns den Mittelwert vieler Messungen gibt. Wenn wir die Zahl der Messungen pro vorgegebenem
Intervall oder pro Eigenwert (je nachdem, ob man ein kontinuierliches oder diskretes Eigenwertspektrum von L̂
hat) gegen die gemessenen Werte auftragen, so erhalten wir z.B. folgende Diagramme:
N (L)
N (L)
L
L
L
L
Abb. 3.1: (links) für diskretes Spektrum L̂ / (rechts) für kontinuierliches Spektrum von L̂
Ziel ist es nun, aus Kenntnis des Operators L̂ und des Zustands |ui allein schon die Verteilungskurve ausrechnen
zu können. Dazu ist der erste Schritt, ein Maß für die Unschärfe unserer Messwertvorhersage zu definieren.
3.1.1
Mittleres Schwankungsquadrat:
Ein Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert
L̄ = hu|L̂|ui
(3.9)
ist das mittlere Schwankungsquadrat:
¯ L¯2
∆
def
=
=
u|(L̂ − L̄)2 |u
u|L̂2 − L̄2 |u ≥ 0
(3.10)
Die letzte Ungleichung gilt, da das mittlere Schwankungsquadrat auch wie folgt geschrieben werden kann:
44
¯ L¯2
∆
def
=
Z
=
(L̂ − L̄) u|(L̂ − L̄) u
|(L̂ − L̄) u(~r)|2 dτ
(3.11)
Der letzte Ausdruck muss hier natürlich entsprechend modizifiziert werden, wenn die Wellenfunktion u nicht
nur von einer Ortsvariablen abhängt. Aus den Gl. (3.10) und (3.11) folgt:
L̂
2
≥ L̄2
(3.12)
Ist ein Messwert “scharf“ und verschwindet damit das mittlere Schwankungsquadrat, so folgt aus (3.11), dass
der Integrand verschwinden muss:
L̂|ui = L̄|ui
(3.13)
|ui ist dann Eigenfunktion zu L̂ und L̄ ein Eigenwert.
Eigenwertprobleme sind in der Quantenmechanik von großer Bedeutung; wir haben einige bereits gelöst. Beim
harmonischen Oszillator waren die Zustände
√
2
E
1
|ni = ψn (x, t) = Cn · Hn ( λ x) · e− 2 λx · e− ~ t
Eigenzustände des Energieoperators H zum jeweiligen Eigenwert:
1
En = ~ω n +
2
!
Diese Zustände waren auch orthonormal zueinander; dies ist eine Erscheinung, die wir noch genauer untersuchen
werden:
hm|ni =
Z
+∞
−∞
∗
ψm
(x, t)ψn (x, t)dx
= δm,n =
1
0
m=n
m 6= n
Beim freien Teilchen hatten wir für jedes reelle k einen Eigenzustand |ki = ψk (x) =
tors Ĥ|ki =
2
~k
2m
|ki. Gleichzeitig (wegen Ĥ =
p̂x
2m )
√1
2x
eikx des Energieopera-
waren es Eigenzustände des Impulses:
p̂x |ki = ~k · |ki
Bei Fällen wie dem harmonischen Oszillator, in denen nur für diskrete Werte n ein Eigenzustand existiert,
spricht man von einem diskreten Spektrum. Bei den ebenen Wellen liegt dagegen ein kontinuierliches Spektrum
vor. Auch diese Eigenzustände unterliegen einer Orthonormalitätsrelation, die nur eine kontinuierliche Fassung
der Relation für diskrete Spektren darstellt:
hk|k 0 i = δ(k − k 0 )
(Hier zeigt es sich, dass unsere bisherige Formulierung diesen Fall nicht adäquat behandelt: hk|k 0 i sollte nach
unseren bisherigen Ableitungen eine komplexe Zahl sein und nicht etwa eine Distribution - speziell eine Deltafunktion - definieren. Die Relation besagt ja gerade, dass hk|k 0 i = ∞ ist; somit ist |ki nicht normierbar und fällt
damit nicht in den von uns normalerweise betrachteten Bereich. Um diese Fälle einzuschließen, lassen wir wie
schon früher Normierung auf Dirac’sche Deltafunktionen zu.)
Die oben angeführten Beispiele von Eigenwertproblemen ergeben reelle Eigenwerte. Das ist allgemeingültig:
45
SATZ: Hermitesche Operatoren besitzen nur reelle Eigenwerte.
Beweis:
Sei λ ein Eigenwert; ψ ein zugehöriger Zustand. Dann ist: L̂ψ = λ · ψ; also: hψ|L̂|ψi = λhψ|ψi = λ; damit ist λ
ein Messwert und daher reell. (q.e.d.)
SATZ: Sei L̂ ein hermitescher Operator; ψ ein Eigenzustand von L̂ zum reellen Eigenwert λ; c eine komplexe
Zahl. Dann ist auch c · ψ ein Eigenzustand von L̂ zum Eigenwert λ:
L̂(cψ) = c · L̂(ψ) = c · λ · ψ = λ(c · ψ)
Wenn ψ̃ ein zweiter Eigenzustand von L̂ zum Eigenwert λ ist, so ist auch αψ + β ψ̃ (α, β komplex) ein Eigenzustand von L̂ zum Eigenwert λ:
L̂(αψ + β ψ̃) = αL̂(ψ) + β L̂(ψ̃) = αλψ + βλψ̃ = λ (αψ + β ψ̃)
Wir können also fragen, wie viele linear unabhängige Eigenzustände ein Operator L̂ zu einem gegebenen Eigenwert λ besitzt; diese Anzahl f heißt Entartungsgrad von λ; λ heißt dann f -fach entartet. Zu einem 1-fach
entarteten Eigenwert existiert also nur ein normierter Eigenzustand. Ein 1-fach entarteter Eigenwert heißt auch
“nicht entartet“. Wir betrachten in unseren Beweisen meist nur den Fall, dass Eigenwerte endlich oft entartet
sind. Wenn ψ(hψ|ψi =
6 0) ein Eigenzustand zum Eigenwert λ ist, so ist dies auch |ψi hψ|ψi−1/2 . Mithin werden
wir unter Eigenzuständen in der Regel normierte Eigenzustände verstehen.
SATZ: Sei L̂ hermitescher Operator, λ, µ verschiedene Eigenwerte von L̂(λ 6= µ), dann ist für jeden Eigenwert
|ψi zum Wert λ und jeden Eigenzustand |Ψi zum Wert µ:
hψ|Ψi = 0
(Der Eigenraum zum Eigenwert λ steht “senkrecht“ auf dem Eigenraum zum Eigenwert µ.)
Beweis:
⊕
L̂|ψi = λ|ψi;
L̂|Ψi = µ|Ψi
hΨ|L̂|ψi = hΨ|L̂(ψ)i = λhΨ|ψi
⇒
0 = (λ − µ)hΨ|ψi
(3.14)
hL̂+ (Ψ)|ψi = hL̂(Ψ)|ψi = µhΨ|ψi
(λ−µ6=0)
⇒
hΨ|ψi = 0 q.e.d.
SATZ: Sei L̂ ein hermitescher Operator, λ ein Eigenwert von L̂, der f -fach entartet ist; f sei endlich, dann
existieren Eigenzustände |ri (r = 1, 2, 3, 4, . . . , f ) von L̂ zum Eigenwert λ, so dass hr|r0 i = δr,r0 ist.
Beweis:
Es ist zu einem komplexen f -dimensionalen linearen Vektorraum eine orthogonale Basis gesucht. Der Satz ordnet sich also als Spezialfall dem Satz unter, dass jeder endlich dimensionale Vektorraum eine orthonormale Basis
besitzt; aus einer beliebigen Basis kann man sie durch das Schmidt’sche Orthogonalisierungsverfahren erhalten2 .
Wir gehen aus von Eigenfunktionen zum Eigenwert λ, die in diesem Raum eine beliebige Basis aufspannen:
|λ; 1i,
|λ; 2i,
...
|λ; f i
Dann benutzen wir das Schmidt’sche Orthogonolasierungsverfahren und erhalten:
2 vgl.
H.J. Kowalski: Lineare Algebra: Verlag Walater de Gruyter, S. 129, 201
46
|1i =
|2i =
..
.
|ri
=
N1 |λ; 1i mit N1 = (hλ; 1|λ, 1i)−1/2 (> 0) (Normierungsfaktor)
N2 · {|λ; 2i − |1ih1|λ; 2i} (N2 Normierungsfaktor)
Nr ·
(
Nf ·
(
..
.
|f i =
|λ; ri −
|λ; f i −
r−1
X
υ=1
)
|υihυ|λ; ri
f
−1
X
υ=1
(3.15)
(Nr Normierungsfaktor)
)
|υihυ|λ; f i
|1i, |2i, . . . , |f i ist dann die gesuchte orthonormierte Basis, q.e.d.
|2;1
|1
|2
1;| λ;2
. |1
|2;2
Abb. 3.2:
Wir haben also gezeigt, dass
• Eigenzustände zu verschiedenen Eigenwerten ohnehin orthogonal sind
• Eigenzustände zu gleichen Eigenwerten stets orthogonal gewählt werden können.
Vollständigkeit eines Eigenfunktionssystems:
SATZ: Die Eigenfunktionen der in der Quantenmechanik auftretenden (linearen, hermiteschen) Operatoren bilden ein vollständiges System.
Der Beweis dieses Satzes soll hier nicht vorgeführt werden. Wir verweisen auf die Lehrbuch-Literatur der Funktionalanalysis. Wir möchten jedoch nochmals an die Definition der Vollständigkeit erinnern:
|ni sei ein diskretes oder kontinuierliches (oder auch gemischtes) Eigenfunktionssystem. Eine beliebige Zustandsfunktion ψ entwickelt man in N Funktionen des Eigenfunktionssystems:
ψN =
Z
N
X
n=1
Cn |ni
(3.16)
R
P
Das Symbol
bedeutet bei einem diskreten Index Summation, bei einem kontinuierlichen Index Integration
über n. Im letzteren Fall gibt N das Integrationsintervall an. Die Koeffizienten Cn (oder im kontinuierlichen
Fall die Funktion C(n)) werden so bestimmt, dass das folgende Integral ein Minimum erreicht:
MN =
Z
|ψ − ψN |2 dτ = M in
(ψN ist die orthogonale Projektion von ψ auf den von |1i, . . . |N i aufgespannten Raum.)
47
(3.17)
Bei Wellenfunktionen, die von mehr als einer Ortsvariablen abhängen, muss die Integration entsprechend modifiziert werden. Das Funktionssystem |ni ist dann vollständig, wenn zu jedem > 0 sich ein N finden lässt, so
dass, wenn nur N ≥ N gilt: MN < . In diesem Falle schreibt man:
ψ
Z
∞
X
=
n=1
,→ hm|ψi
Cn |ni
= Cm
Z
∞
X
=
|nihn|ψi
ψ
(3.18)
n=1
Vollständigkeitsrelation (gilt für alle vollständigen Systeme):
Diskretes Spektrum:
Z
X
|nihn| = I
∞
X
|nihn| =
n=1
∞
X
Un (~r)Un∗ (~r0 ) =
n=1
(3.19)
I
δ(~r − ~r0 )
(3.20)
Kontinuierliches Spektrum:
Z
Z
dL |LihL| = I
dL UL (~r)UL∗ (~r0 )
= δ(~r − ~r0 )
(3.21)
Die zweite Form von (3.20) und (3.21) wird z.B. durch folgende Überlegung bestätigt:
ψ(~r)
=
Z
X
n
=
=
=
Z
X
Zn
Z
|nihn|ψi
Un (~r)
dτ 0
Z
X
Z
dτ 0 Un∗ (~r0 )ψ(~r0 )
Un (~r)Un∗ (~r0 )ψ(~r0 )
(3.22)
n
dτ 0 (~r − ~r0 )ψ(~r0 )
= ψ(~r0 )
Berechnung von Messresultaten:
Wir möchten den Messwert L(ψ) und seine Verteilung im Zustand ψ bestimmen. Wir benutzen als vollständiges
Orthonormalsystem die Eigenfunktion zu L̂.
L̂|ni = Ln |ni
(3.23)
Hierbei kann Ln diskrete oder kontinuierliche Werte annehmen.
|ψi =
Cn
=
Z
X
n
Z
R3
|nihn|ψi =
Z
X
n
dτ Un∗ (~r) · ψ(~r)
48
|niCn
(3.24)
Die Normierung von ψ bestimmt auch die Normierung von Cn :
1 = hψ|ψi =
Z
Z
X
X
hψ|nihn|ψi =
|Cn |2
n
(3.25)
n
Der mittlere Messwert berechnet sich zu:
L̄(ψ)
=
=
X
Z
ψ|L̂|ψ =
hψ|ni n|L̂|m hm|ψi
Z
X
m,n
n,m
Cn∗ hn|miLm Cm =
Z
X
n
|Cn |2 Ln
(3.26)
Diskretes Spektrum:
L̂(ψ) =
X
w(n)Ln
(3.27)
dL ρ(L)L
(3.28)
n
Kontinuierliches Spektrum:
L̄(ψ) =
Z
Hierbei ist
w(n) = |Cn |2
(3.29)
die Wahrscheinlichkeit, den Zustand ψ im Eigenzustand |ni zu finden. Die Wahrscheinlichkeitsdichte
ρ(L) = |C(L)|2
(3.30)
gibt die Wahrscheinlichkeit an, ψ im Einheitsintervall bei L zu finden (ρ(L)∆L = Wahrscheinlichkeit, ψ in den
Zuständen ψL bis ψL+∆L zu finden).
w(L n)
Ln
Abb. 3.3: Diskretes Spektrum:
ρ̃(L) =
Z
X
n
ρ̃(L)dL
=
P∞
n=1
w(Ln ) = 1
x(Ln )δ(L − Ln ) + ρ(L)
(3.31)
1
Gemischte Gesamtheit:
Die obigen Überlegungen gelten nur, wenn man einen Zustand eines Systems durch eine einzige Wellenfunktion
49
(L)
L
Abb. 3.4: Kontinuierliches Spektrum:
R
dL ρ(L) = 1
(L)
L
Abb. 3.5: Diskretes und kontinuierliches Spektrum (wie beim H-Atom oder in der Kernphysik)
beschreiben kann (reine Gesamtheit). Dies hieße, dass ein Teilchenstrahl aus einem Beschleuniger (Elektronen
oder Protonen usw.) durch
ψ(x, t) = C ei(kx−ωt)
(3.32)
beschrieben werden kann. Doch genau wie beim Licht gilt auch nicht zwischen allen Teilchen, die beschleunigt
werden, eine starre Phasenbeziehung. Die beschleunigten Teilchen werden sich in einzelne Gruppen aufteilen. In
der Gruppe sind die Teilchen kohärent. Sie besitzen eine feste Phasenbeziehung im Sinne von Gl. (3.32) zwischen
den verschiedenen Gruppen ist keine Interferenz möglich, sie sind inkohärent. Die kohärenten Gruppen lassen
sich durch je eine Wellenfunktion ψα mit dem relativen Gewicht Pα beschreiben.
Wir möchten nun den mittleren Messwert L̄ einer Größe L berechnen. Für die reine Gesamtheit ψα gelten die
Gl. (3.26) bis (3.28):
L̄(α)
=
Z
X
n
mit: Cn(α)
|Cn(α) |2 Ln
= hn|ψα i
Für ein diskretes Spektrum schreibt sich der mittlere Messwert der gemischten Gesamtheit:
50
(3.33)
X
L̄ =
Ln w(n) =
n
X
=
Pα
X
Ln Pα wα (n)
n,α
wα (n)Ln
(3.34)
n
α
=
X
X
Pα L̄(α)
α
Für ein kontinuierliches Spektrum erhält man:
L̄
=
=
Z
dL L ρ(L) =
X
Pα
α
=
X
Z
XZ
dL L Pα ρα (L)
α
dL L ρα (L)
(3.35)
Pα L̄(α)
α
Die Gl. (3.34) und (3.35) beinhalten das anschauliche Resultat, dass in der gemischten Gesamtheit jede reine
Gesamtheit, aus der diese besteht, gemäß ihrem Gewicht Pα berücksichtigt werden muss.
3.2
Gleichzeitige Messung zweier Observabler
Am Beispiel des freien Wellenpaketes haben wir im 2. Kapitel gesehen, dass Ort und Impuls in diesem Beispiel
gleichzeitig nicht beliebig genau gemessen werden können. Es gilt zwischen Ihnen die Unschärferelation:
(∆p) · (∆x) ≥ ~
(3.36)
Hierbei wurde die Orts- und die Impulsunschärfe, ∆x und ∆p, als die halbe Breite der Gauß’schen Glockkurve
beim 1/e-Abfall definiert. Die Unschärferelation (3.36) hängt damit zusammen, dass Ort und Impuls nicht
vertauschen.
[x, px ] ≡ x
~ ∂
~ ∂
−
x = i~ 6= 0
i ∂x
i ∂x
(3.37)
Wir wollen in diesem Kapitel zeigen, dass zwei Observable gleichzeitig beliebig genau gemessen werden können,
wenn ihre Operatoren vertauschen, und dass sonst eine “Unschärferelation“ für die Messwerte der beiden Operatoren (siehe z.B. (3.36)) gilt. Hierzu beweisen wir erst den folgenden Satz:
SATZ: Notwendig und hinreichend, dass die Observablen zweier Operatoren gleichzeitig beliebig genau gemessen
werden können (beide gute Quantenzahlen sind), ist ihre Vertauschbarkeit.
L̂, M̂ = 0
(3.38)
Es gibt ein vollständiges System |ni von Eigenvektoren von L̂ mit:
L̂|ni = Ln |ni
M̂ |ni = Mn |ni
Der obige Satz besagt, dass aus (3.38) die Gl. (3.39) folgt und umgekehrt.
Wir zeigen zuerst, dass aus der Voraussetzung Gl. (3.39) die Behauptung Gl. (3.38) folgt. Beweis:
51
(3.39)
− M̂ L̂|ni =
+ L̂ M̂ |ni =
⇒ L̂M̂ − M̂ L̂ |ni =
Mn Ln |ni
Ln Mn |ni
0
Da |ni ein vollständiges System bildet, gilt stets:
L̂M̂ − M̂ L̂ ≡ L̂, M̂ = 0 q.e.d.
Wir zeigen nun, dass aus der Voraussetzung Gl. (3.38) die Behauptung Gl. (3.39) folgt. Beweis:
L̂|ni =
Ln |ni
L̂M̂ |ni =
M̂ L̂|ni = Ln M̂ |ni
(3.40)
Hieraus folgt, dass M̂ |ni eine Eigenfunktion von L̂ zum Eigenwert Ln ist. Für den Fall, dass Ln nicht entartet
ist, muss M̂ |ni proportional |ni sein:
M̂ |ni = Mn |ni q.e.d.
Im Falle der f -fachen Entartung (f wird hier endlich angenommen. Die Struktur des Beweises ändert sich bei
unendlicher Erwartung jedoch nicht.) des Eigenwertes Ln mit den Eigenfunktionen |n, ki (k = 1, . . . , f )
L̂|n, ki = Ln |n, ki
gilt wegen (3.40):
M̂ |n, ki =
f
X
i=1
|n, iihn, i|M̂ |n, ki
Die allgemeine Vollständigkeitsrelation
X
n,k
|n, kihn, k| = I
(3.41)
reduziert sich auf die Summe über die entarteten Eigenfunktionen von L̂ zum Eigenwert Ln , weil M̂ |n, ki
Eigenfunktion zu L̂ mit dem Eigenwert Ln sein muss. Um auch gleichzeitig ein Eigensystem zu M̂ zu erhalten,
transformieren wir im Raum der entarteten Funktionen unitär:
|n, αi =
Unitarität
X
k
|n, kihnk, nαi
P
P α hnk|nαihnα|nii = δi,k
k hnα|nkihnk|nβi = δα,β
(3.42)
Die unitäre Transformation soll so gewählt werden, dass die neuen Funktionen auch Eigenfunktionen zu M̂ sind:
M̂ |n, αi = Mnα |n, αi
52
(3.43)
Multipliziert man von links mit hn, k| und benutzt man (3.42), so erhält man:
(
)
f
X
n, k|M̂ |n, i − Mnα δk,i hni|nαi = 0
(3.44)
i
Dies ist ein f -dimensionales Eigenwertproblem, um die Eigenwerte Mnα und die Eigenvektoren hni|nαi, die die
Transformation (3.42) bilden, zu finden. Nach Lösung von (3.44) hat man auch für entartete Zustände unter der
Voraussetzung der Vertauschbarkeit von M̂ und L̂ ein gemeinsames Eigenfunktionssystem |n, αi konstruiert.
Die Messwerte sind gleichzeitig “scharf“. (q.e.d.)
3.2.1
Unschärferelation:
Wir wollen nun untersuchen, was passiert, wenn die Operatoren nicht kommutieren.
[L, M ] = i~Ĉ;
Ĉ 6= 0
(3.45)
Der Faktor i (imaginäre Einheit) wurd eingeführt, damit auch Ĉ mit L̂ und M̂ hermitesch ist (Voraussetzung:
L̂ = L̂+ ; M̂ = M̂ + ).
+
i~Ĉ
−i~Ĉ +
Ĉ +
=
L̂, M̂
+
= M̂ L̂ − L̂M̂ = −i~Ĉ
(3.46)
= C
Der Faktor ~ (Planck’sches Wirkungsquantum dividiert durch 2π) wurde eingeführt, um zu betonen, dass im
klassischen Grenzfall (~ → 0) die beiden Operatoren kommutieren.
Als Maß für die Abweichung der Messungen vom Mittelwert
L̄ =
ψ|L̂|ψ = L̂
(3.47)
führen wir die Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung ein (siehe G. (3.10)).
∆L
∆M
1
12
2 2
def 2 2
= L̂ − L̄
=
L̂ − L̄
1
12
2 2
def 2 2
= M̂ − M̄
=
M̂ − M̄
(3.48)
Zur Vereinfachung der Formeln führen wir den Operator für die Differenz zum Mittelwert ein
e def
L
≡
def
f ≡
M
L̂ − L̄
M̂ − M̄
(3.49)
Da jeder lineare Operator mit einer Konstanten (hier: L̄ und M̄ ) vertauscht, gilt:
e M
f = i~Ĉ
L,
(3.50)
Wir benutzen nun die Schwarz’sche Ungleichung, die in jedem linearen Vektorraum mit positiv definitem Skalarprodukt gilt. Dass der Hilbert-Raum diese Bedingungen mit dem Skalarprodukt
hm|ni
53
(3.51)
und der Norm
12
hm|mi
(3.52)
erfüllt, wird im nächsten Abschnitt gezeigt. Die Schwarz’sche Ungleichung im drei-dimensionalen Raum R3
|~r1 · ~r2 | ≤
~r1 · ~r1 ~r2 · ~r2
1
2
(3.53)
drückt nur die triviale Tatsache aus, dass der Cosinus eines reellen Winkels stets kleiner oder gleich eins ist.
Wir machen nun in der Schwarz’schen Ungleichung (3.53) die folgenden Ersetzungen:
~r1
~r2
Damit ergibt Gl. (3.53) quadriert:
e
→ L|ni
f|ni
→ M
2 2
2
e
f
e
f
| n|L · M |n ≤ n|L |n
n|M |n = (∆L)2 · (∆M )2
(3.54)
Für das letzte Gleichheitszeichen wurden die Gl. (3.48) und (3.49) benutzt. Die linke Seite von (3.54) trennen
wir in einen symmetrischen und antisymmetrischen Anteil.
eM
f|n
n|L
1
=
2
1
e
f
f
e
e
f
f
e
n|LM + M L|n +
n|LM − M L|n
2
(3.55)
Benutzt man den Kommutator (3.45) und setzt man (3.55) an Stelle der linken Seite der Schwarz’schen Ungleichung (3.54) ein, so erhält man:
~2
1
2
e
f
f
e
| n|LM + M L|n | +
| n|Ĉ|n |2 ≤ (∆L)2 (∆M )2
4
4
(3.56)
eM
f+M
fL
e als auch Ĉ (Gl. (3.46)) hermitesch
Hierbei wurde benutzt, dass sowohl L
+
f+ L
eM
f+ M
fL
e
e+ + L
e+ M
f+ = L
eM
f+M
fL
e
=M
L
und damit die entsprechenden Erwartungswerte reell sind. Vernachlässigt man den ersten Term in Ungleichung
(3.56), so gilt sie a fortiori.
Unschärferelation (von Heisenberg):
~
∆L · ∆M ≥ | n|Ĉ|n |
2
(3.57)
Für Ort und Impuls ergibt sich hieraus als Spezialfall:
[x, px ] =
∆ · ∆px
≥
i~;
~
2
Ĉ ≡ 1
Hierbei sind jetzt im Gegensatz zu Gl. (3.36) die Unschärfen als Wurzeln aus der mittleren quadratischen
Abweichung definiert.
54
def
∆x ≡
def
≡
∆px
s
s
2
x − x̂
p̂x − p̂x
2
Das Gleichheitszeichen in der Unschärferelation kann nur gelten, wenn das Gleichheitszeichen in der Schwarz’schen
eM
f+ M
fLi
e verschwindet. Das Gleichheitszeichen in der Schwarz’schen Ungleichung
Ungleichung (3.54) gilt und hL
e
f|ni kollinear sind.
gilt, wenn die beiden Zustandsvektoren L|ni
und M
e
f|ni
L|ni
=CM
Hieraus folgt
eM
f+M
fL|n
e
n|L
2
= (C + C) n|M̂ |n = 0
∗
Die komplexe Konstante Ĉ muss rein imaginär sein. Das Gleichheitszeichen in der Heisenberg’schen Unschärferelation gilt nur, wenn
L̂ − L̄ |ni = iγ M̂ − M̄ |ni
mit γ = reell gilt.
FOLGERUNG: Zur Charakterisierung eines quantenmechanischen Systems beschaffe man sich den maximalen
Satz vertauschbarer Operatoren. Das System kann dann durch die Eigenwerte (Quantenzahlen) dieser Operatoren beschrieben werden. Dies sind die gleichzeitig beliebig genau messbaren Observablen.
3.3
Der Hilbert-Raum
Im Kapitel 3.1 wurden lineare Operatoren definiert und ihre Eigenfunktionen untersucht. Wir haben dabei
gesehen, dass in der Physik nur eine spezielle Klasse von linearen Operatoren von Bedeutung ist, nämlich die
hermiteschen Operatoren; nur diese ergeben reelle Erwartungswerte. Die Eigenfunktionen hermitescher Operatoren haben einige wichtige Eigenschaften:
a) Alle Eigenfunktionen können orthogonal und normiert gewählt werden. Für diskrete Eigenwerte gilt:
hλ|µi = δµλ
b) Die Eigenfunktionen bilden ein vollständiges System:
X
µ
|uihµ| = 1
Aufgrund der Vollständigkeit können wir die Eigenfunktion |ψi eines hermiteschen Operators nach einem
vollständigen System entwickeln:
|ψi =
X
µ
|µihµ|ψi =
X
|µi · Cµ
wobei Cµ im Allgemeinen eine komplexe Zahl ist. Speziell von dieser Entwicklung sieht man eine starke Analogie
~ im Ortsraum darstellen durch seine
zum dreidimensionalen Vektorraum. Wir können einen beliebigen Vektor A
drei Komponenten in x, y, z-Richtung:
55
~ = Ax · ~ex + Ay · ~ey + Az · ~ez =
A
3
X
i=1
Ai · ~ei
Dabei bilden die drei Einheitsvektoren eine vollständige, orthogonale Basis:
~ei · ~ej = δij
Das dyadische Produkt |iihi| der Einheitsvektoren ist:

1
 0  (1 0 0) =
0
 
0
 1  (0 1 0) =
0
 
0
 0  (0 0 1) =
1

Für die Summe ergibt sich die Einheitsmatrix

1
 0
0

1
 0
0

0
 0
0

0
 0
0

0 0
0 0 
0 0

0 0
1 0 
0 0

0 0
0 0 
0 1

3
0 0
X
1 0 →
|iihi| = 1
0 1
i=1
Diese Analogie zum dreidimensionalen Raum ist nun tatsächlich vollständig vorhanden, anstelle des reellen
Raumes hat man das Konzept des Vektorraumes ins Komplexe hin zu verallgemeinert und gelant somit zum
“unitänre“ Raum Un , falls unser hermitescher Operator gerade n Eigenfunktionen besitzt. Im Allgemeinen werden wir unendlich viele Lösungen haben, z.B. beim harmonischen Oszillator, und gelangen so in einen komplexen
Raum mit unendlich vielen Dimensionen. Dieser Raum wurd von David Hilbert (1862 - 1943) untersucht; man
nennt ihn deshalb “Hilbert-Raum“. Die mathematische Bedeutung liegt darin, dass man die Quantentheorie in
gewissem Sinne “anschaulich“ in diesem Vektorraum darstellen kann. Im Folgenden sollen nun die wichtigsten
Eigenschaften des Hilbert-Raumes zusammengestellt werden und einige Beispiele für Hilbert-Räume besprochen
werden.
Ein Hilbert-Raum ist durch folgende vier Axiome definiert:
I. H ist ein linearer Vektorraum über dem Körper der komplexen Zahlen, d.h. die Vektoren des unitären
Raumes sollen die aus der gewöhnlichen Vektorrechnung bekannten Gesetze erfüllen.
a) |f i, |gi ∈ H ⇒ α|f i + β|gi ∈ H
b) |f i + |gi = |gi + |f i (Kommutativität)
c) |f i + (|gi + |hi) = (|f i + |gi) + |hi (Assoziativität)
d) C(|f i + |gi) = C|f i + C|gi (Distributivgesetz)
e) Zu jedem |f i existiert ein Inverses (−|f i), so dass gilt: |f i + (−|f i) = 0
f) Es gilt für 1 ∈ CI (komplex) 1|f i = |f i
II. In H ist ein Skalarprodukt hf |gi definiert:
Dabei ist hf | der duale Vektor von |f i. Falls |f i = λ1 |n1 i + λ2 |n2 i + . . . gilt für den dualen Vektor
hf | = hn1 |λ∗1 +hn2 |λ∗2 +. . . . Im Gegensatz zum gewöhnlichen Vektorraum ist hier die Reihenfolge wesentlich:
hf |gi = a, wobei a eine komplexe Zahl ist.
a) hg|f i = a∗ = hf |gi∗
b) hf |g + hi = hf |gi + hf |hi (Distributivgesetz)
56
c) hf |αgi = αhf |gi
∗
d) hf α|gi = hg|αf i = (αhg|f i)∗ = α∗ hf |gi
e) hf |f i ≥ 0 (für alle |f i ∈ H; wegen a) ist hf |f i reell)
f) hf |f i = 0 (nur für das 0-Element)
Alle diese Bedingungen werden von den Eigenfunktionen eines linearen hermiteschen Operators in der
Ortsdarstellung erfüllt:
def
hf |gi =
⇒ hg|f i
=
Z
f ∗ (~r) g (~r) d~r
R3
Z
∗
g (~r) f (~r) d~r =
R3
Z
∗
g (~r) f (~r) d~r
R3
!∗
Wegen der Forderung e) können wir eine Länge oder Norm eines Vektors |f i definieren:
def p
hf |f i Norm
||f || =
(3.58)
||f − g|| ≤ ||f || + ||g||
(3.59)
Wir wollen zeigen, dass diese Definition der Norm auch sinnvoll ist. Dazu betrachten wir den Abstand
zweier Vektoren |f i und |gi der gerade als die Norm ||f − g|| definiert ist. Für den Abstand und damit
die Norm gilt die Dreiecksungleichung:
Zum Beweis, dass unsere Definition der Norm die Dreiecksungleichung erfüllt, benötigen wir die Schwarz’sche
Ungleichung:
|hg|f i| ≤ ||f || · ||g||
(3.60)
Beweis: (Schwarz’sche Ungleichung)
Diese Beziehung ist trivial für das normale Skalarprodukt. Für diesen verallgemeinerten Fall zerlegen wir
f in zwei zueinander senkrechte Anteile:
|f i = |hi + |gi
hg|f i
||g||2
(3.61)
Wenn wir Gl. (3.61) mit hg| durchmultiplizieren, sehen wir, dass |hi senkrecht auf |gi steht.
hg|f i = hg|hi +
hg|gi
hg|f i ⇒ hg|hi = 0
||g||2
Wir multiplizieren Gl. (3.61) mit f und erhalten
hf |f i = ||f ||2 = hf |hi +
Aus Gl. (3.61) folgt mit hg|hi = hh|gi = 0:
57
|hf |gi|2
||g||2
(3.62)
hf |hi = hh|f i ≥ 0
(3.63)
und die Kombination von Gl. (3.62) und Gl. (3.63) ergibt gerade Gl. (3.60):
||f || · ||g|| ≥ |hf |gi| (q.e.d.)
(3.64)
Damit sind wir in der Lage, die Gültigkeit der Dreiecksungleichung für unsere Definition der Norm zu
beweisen:
||f − g||2 = hf − g|f − gi = hf |f i + hg|gi − hf |gi − hg|f i
(3.65)
hf |gi + hg|f i = hf |gi + hf |gi∗ = 2Rehf |gi
(3.66)
Wegen
(da der Realteil einer komplexen Größe kleiner gleich ihrem Betrag ist) gilt zusammen mit der Schwarz’schen
Ungleichung:
2Rehf |gi ≤ 2|hf |gi| ≤ 2||f || · ||g||
(3.67)
Aus den Gl. (3.65) und (3.67) folgt sogleich die Ungleichung:
||f − g||2 ≤ (||f || + ||g||)2
(3.68)
Diese Beziehung ist nach dem Wurzelziehen identisch mit der Dreiecksungleichung. q.e.d.
Das dritte Axiom des Hilbert-Raumes lautet:
III. H ist vollständig, d.h. jede Cauchy-Folge konvergiert gegen einen Vektor (Element) aus H. Eine CauchyFolge |fn i ist eine Folge, die das Cauchy Kriterium erfüllt: Zu jedem > 0 lässt sich eine ganze Zahl N ()
finden; so dass
||fn+p − fn || < für alle n > N ()
und alle positiven ganzzahligen Werte p gelten.
IV. H ist von abzählbar unendlicher Dimension
Abzählbar unendlich bedeutet, dass man die unabhängigen Vektoren aus H mit Hilfe der natürlichen
Zahlen numerieren kann und diese Vektoren im Raum U∞ darstellt, z.B. harmonischer Oszillator. Die
~ 2 = l(l + 1) sind ein Beispiel für einen endlich-dimensionalen HilbertEigenfuntkionen zum Drehimpuls L
Raum U2L+1 .
Kontinuierliche Eigenfunktionen spannen keinen Hilbert-Raum auf, da sie nicht normierbar sind, z.B. ebene
~
Wellen eik~r . Überlagerungen von kontinuierlichen Eigenfunktionen |ξi bilden im Allgemeinen dagegen einen
Hilbert-Raum (z.B. Wellenpakete):
|wi = N
Z
ξ2
λ(ξ)|ξidξ
ξ1
58
Beispiele für Hilbert-Räume:
H1 : Menge aller Spaltenvektoren mit endlicher Norm.


a1


|ai =  a2 
..
.
Ein Element aus H1 ist ein unendlich langer Spaltenvektor, wobei im Allgemeinen die ai komplexe Zahlen sind.
Zusätzlich gilt:
∞
X
υ=1
a∗υ aυ < ∞
Wir zeigen nun, dass die Axiome des Hilbert-Raumes erfüllt sind:
I. Die Vektoren spannen einen linearen Raum auf:

 
 
a1 + b 1
b1
a1

 
 

z.B.: |ai + |bi =  a2  +  b2  =  a2 + b2  = |bi + |ai
..
..
..
.
.
.

II. Es muss ein Skalarprodukt definiert sein:
ha|bi =
∞
X
a∗υ bυ
υ=1
Beweis für die Endlichkeit des Skalarproduktes:
Es gilt:
Daraus folgt:
und wegen
∞
X
(|aυ | − |bυ |)2 =
υ=1
∞
X
υ=1
∞
X
υ=1
|aυ ||bυ | ≤
a∗υ bυ ≤
∞
X
υ=1
1X
2
∞
X
υ=1
υ
|aυ |2 + |bυ |2 − 2|aυ ||bυ | ≥ 0
(|aυ |2 + |bυ |2 ) < ∞
|aυ ||bυ | < ∞
ist die Existenz des Skalarproduktes bewiesen.
III. Die Vollständigkeit ist gewährleistet, da jede Cauchy-Reihe komplexer Zahlen wieder gegen eine komplexe
Zahl konvergiert.
IV. Durch Definition ist der Raum von abzählbar unendlicher Dimension.
R
Ein weiteres Beispiel für einen Hilbert-Raum ist der Raum aller quadratintegrablen Funktionen. ( R3 |f (~r)|2 dτ ≤
∞)
3.4
Projektionsoperatoren
Bei konkreten Problemen ist es im Allgemeinen nicht möglich, den gesamten Hilbert-Raum in die Rechnung mit
einzubeziehen. In der Kernphysik hat man sich z.B. in vielen Fällen auf einige wenige gebundene Zustände zu
beschränken, da sonst die Rechnungen nicht mehr numerisch durchführbar sind. In solchen Fällen spaltet man
den Hilbert-Raum in zwei Teilräume auf:
59
Handlicher
Teil
Abb. 3.6:
H = U + Ū
wobei Ū der zu U komplementäre Raum ist. Jeder Vektor |gi besitzt nun eine Projektion |gu i in U und |gū i in
Ū :
|gi = |gu i + |gū i
~ in die Komponenten Az und Axy zerlegt denken.
Im dreidimensionalen Raum können wir den Vektor A
z
A
Az
y
Axy
x
Abb. 3.7:
Die Projektion im Hilbert-Raum kann durch einen Operator durchgeführt werden, der wie folgt definiert ist:
def
Pu |gi = |gu i
Wir nennen Pu einen Projektionsoperator.
Eigenschaften von Pu
a) Pu ist hermitesch, d.h. Pu+ = pU .
Beweis:
hf |Pu |gi =
=
hf |gu i = hfu |gu i
hfu |gi = hPu f |gi
b) Pu ist eine Observable mit höchstens den Eigenwerten 0 und 1.
Beweis:
Eine Basis in U sei {|ui} u = 1, 2 . . . N . Eine Basis für H sei
{|ni} = {|ui} + {|ri}
60
(3.69)
wobei {|ri} den zu {|ui} komplementären Raum aufspannt. Ein Vektor |gi aus H kann entwickelt werden:
|gi =
N
X
u=1
au |ui +
∞
X
r=N +1
ar |ri
Der Vektor |gi ist nur Eigenfunktion zu Pu , wenn gilt:
a)
|gi ∈ U ⇒ Pu |gi = 1 · gi
b)
|gi ∈ Ū ⇒ Pu |gi = (P − P 2 )|gi = 0 · |gi
Damit sind die beiden möglichen Eigenwerte 0 oder 1. q.e.d
Die explizite Form von Pu lautet:
Pu =
N
X
u=1
|uihu|
Daraus folgt sogleich der Satz: Pu2 = Pu . Beweis:
Pu |gi =
X
Pu2 |gi =
Pu
u
au |ui
X
u
X
|au |ui =
au |ui
u
SATZ: Jeder lineare hermitesche Operator mit P 2 = P ist ein Projektionsoperator. Der Unterraum, auf den er
projiziert, ist der Raum seiner Eigenfunktionen mit dem Eigenwert 1.
Beweis:
Die Eigenwerte und Eigenfunktionen sind gegeben durch:
P |pi =
P 2 |pi =
p|pi
p2 |pi
Wegen P 2 = P gilt (P 2 − P )|pi = 0 = (p2 − p)|pi.
Damit ergbibt sich für die Eigenwerte p =
1
.
0
Die Eigenfunktionen zu diesen beiden Eigenwerten lauten:
a) zu p = 1:
P |gi denn P (P |gi) = P 2 |gi = 1 · (P |gi)
b) zu p = 0:
(1 − P )|gi denn P (1 − P )|pi = 0 = (p2 − p)|pi
61
Jeder beliebige Vektor |f i kann nach den Eigenfunktionen von P entwickelt werden:
|f i = P |f i + (1 − P )|f i
Die beiden Eigenfunktionen zu P sind orthogonal aufeinander:
(hf |P ) (1 − P )|f i = hf |(P − P 2 )|f i = 0
Damit wurde gezeigt, dass “P“ und “(1 − P )“ auf zwei orthogonale Unterräume projizieren, deren Summe
gerade H ist. Der Eigenwert von P |f i für den Operator P ist gleich “1“. Somit sind alle Operatoren mit der
Eigenschaft P 2 = P Projektionsoperatoren.
3.5
3.5.1
Bewegungsgleichung für Hilbert-Raum-Vektoren
Schrödinger- und Heisenberg-Bild
Wir fragen nach der Bewegungsgleichung für Hilbert-Raum-Vektoren. Zur Zeit t0 wird der Zustand des Systems
beschrieben durch einen Vektor |n, t0 i, wobei gelten soll
L̂ − Ln |n, t0 i = 0
(3.70)
d.h. |n, t0 i ist Eigenvektor zu L̂. Den Zustand, der sich zum Zeitpunkt t > t0 daraus entwickelt hat, nennen wir
|n, t0 ; ti; dieser Zustand ist im Allgemeinen nicht mehr Eigenzustand zu L̂:
L̂ − Ln |n t0 ; ti =
6 0
(3.71)
Wegen der Interpretation als Wahrscheinlichkeit muss aber die Norm erhalten bleiben:
hnt0 |nt0 i = hn, t0 ; t|n, t0 ; ti = 1
(3.72)
Die zeitliche Entwicklung kann aber durch Anwendung eines Operators “zeitliche Entwicklung“ beschrieben
werden:
|n, t0 ; ti = U (t, t0 )|n, t0 i
(3.73)
Wegen Gl. (3.72) muss U ein unitärer Operator sein. Weitere Eigenschaften von U sind:
U (t0 , t0 )|n, t0 i = |n, t0 i;
U (t0 , t0 ) = 1
(3.74)
und
U (t, t0 ) = U (t, t0 )U (t0 , t0 )
Eine infinitesimale Änderung in der Zeit wird beschrieben durch
U (t0 + dt, t0 ) = U (t0 , t0 ) + δU (t) = 1 + δU (t)
(3.75)
Aufgrund der Unitarität folgt
U +U = 1
= 1 + δU (t) + δU + (t)
62
(3.76)
⇒ δU + (t)
= −δU (t)
(3.77)
Operatoren, die die Eigenschaft von Gl. (3.77) haben, nennt man antihermitesch. Ein antihermitescher Operator
ergibt sich aus einem hermiteschen durch Multiplikation mit i. Daher machen wir für δU (t) den folgenden Ansatz:
δU (t) =
−i
H(t)dt
~
(3.78)
(Wir benötigen ~, um δU dimensionslos zu machen.)
Herleitung der Bewegungsgleichung für (t, t0 ):
U (t + ∆t, t0 ) − U (t, t0 )
∆t
U (t + ∆t, t)U (t, t0 ) − U (t, t0 )
∂U (t, t0 )
=
∆t
∂t
lim∆t→0
= lim∆t→0
(3.79)
Wegen Gl. (3.75) und Gl. (3.78) ergibt sich
i~
∂U (t, t0 )
= H(t)U (t, t0 )
∂t
(3.80)
Hieraus folgt durch “Multiplikation“ mit |n, t0 i:
i~
∂
U (t, t0 )|n, t0 i = U (t)U (t, t0 )|n, t0 i
∂t
(3.81)
Mit Gl. (3.73) ergibt sich die gesuchte Bewegungsgleichung für den Hilbert-Raum-Vektor |n, t0 i:
i~
∂
|n, t0 ; ti = H(t)|n, t0 ; ti
∂t
(3.82)
Dies ist die abstrakte Formulierung der Schrödinger-Gleichung.
Für den Fall, dass H nicht explizit von der Zeit abhängt, kann man die Gl. (3.80) lösen.
dU (t, t0 )
i
= − H dt
U (t, t0 )
~
(3.83)
Die Lösung lautet:
i
U (t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 )
(3.84)
Für den Zustandsvektor ergibt sich dann
i
|n, t0 ; ti = e− ~ H(t−t0 ) |n, t0 i
(3.85)
Falls |n, t0 i Eigenfunktionen zu H sind, reduziert sich dieser Ausdruck zu:
i
|n, t0 ; ti = e− ~ En (t−t0 ) |n, t0 i
(3.86)
Der Erwartungswert eines Operators A ist gegeben durch
hn, t0 ; t|A|n, t0 ; ti
(3.87)
Dabei verändern sich die Vektoren gemäß der soeben hergeleiteten Bewegungsgleichung, während die Operatoren, abgesehen von einer eventuellen expliziten Zeitabhängigkeit, sich zeitlich nicht verändern. Diese Art der
Darstellung: zeitlich veränderliche Vektoren und zeitlich konstante Operatoren, bezeichnet man als
63
3.5.2
Schrödinger-Bild
Wir können die Zeitabhängigkeit der Vektoren aber auch auf die Operatoren rüberwälzen:
hn, t0 |U + (t, t0 )AU (t, t0 )|n, t0 i
(3.88)
indem wir zeitabhängige “Heisenberg-Operatoren“ definieren. Wir unterscheiden die Operatoren hier durch den
Index H bzw. S.
AH (t, t0 ) = U + (t, t0 )AS U (t, t0 )
(3.89)
Jetzt sind die Vektoren zeitlich konstant und die Operatoren verändern sich gemäß der folgenden Gleichung:
ȦH = U̇ + AU + U + AU̇
(3.90)
Dabei haben wir angenommen, dass A nicht noch explizit von der Zeit abhängt. Mit Gl. (3.80) folgt dann:
i~
dAH (t, t0 )
= AH (t, t0 ), HH (t)
dt
(3.91)
Diese Form der Darstellung nennt man Heisenberg-Bild. Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, dass man
auch eine gemischte Darstellung wählen kann, das sog. Wechselwirkungsbild. Die Wahl der Darstellung hängt
immer von dem speziellen Problem ab und ist eine reine Frage der Zweckmäßigkeit.
Zum Abschluss soll der Zusammenhang zwischen der abstrakten Formulierung und der Wellenmechanik hergestellt werden. Wir bilden das Skalarprodukt des Vektor |n, ti mit dem Bra h~r|:
ψn (~r, t) = h~r|n, ti
(3.92)
Die bekannte Wellenfunktion ist die Ortsdarstellung des Hilbert-Raum-Vektors |n, ti. Wir multiplizieren Gl.
(3.80) von links mit h~r| durch
i~
∂
h~r|n, ti = h~r|H(t)|n, ti =
∂t
Z
d~r0 h~r|H|~r0 ih~r0 |n, ti
(3.93)
Die “Matrixelemente“ H~r,~r sind aber bekannt:
h~r|H|~r0 i = −
∂2
~2
δ(~r − ~r0 ) 2 + V ~r, ~r0 )
2m
∂~r
(3.94)
Wenn V nur von einer Koordinate abhängt, dann nennen wir es “lokal“, d.h. V (~r, ~r0 ) = V (~r) δ (~r − ~r0 ) und wir
erhalten die uns bekannte Schrödinger’sche Wellengleichung:
i~
3.6
∂
ψ(~r, ti = H (~r, t) ψ (~r, t)
∂t
(3.95)
Zeitliche Änderung mechanischer Größen
Es wird hier die Änderung des Erwartungswertes eines Operators L mit der Zeit untersucht und wir werden
dabei die Form des Operators L̂ (= totale zeitliche Änderung der Observablen L̂) herleiten. Es geht also i.f.
nicht um die Ableitung einer Bewegungsgleichung wie etwa für die zeitabhängigen Heisenberg-Operatoren im
letzten Paragraphen, sondern lediglich darum: Welche Form besitzt der Operator L̂, der die zeitliche Änderung
der mechanischen Größe L beschreibt; bzw. wie kann ich L̄˙ ausrechnen?
Situtation beim Versuch (Zustand werde durch |ψ(t)i beschrieben)
64
1. Wir messen die Größe L zum Zeitpunkt t und erhalten als Resultate Eigenwerte von L̂. Der Mittelwert (bei
vielen gleichzeitig durchgeführten Messungen = Erwartungswert) wird dann sein L̄(t) = hψ(t)|L̂|ψ(t)i.
2. Bei t0 = t + ∆t erhalten wir dieselben Messwerte (falls L̂ nicht explizit von der Zeit abhängt). Aber die
Wahrscheinlichkeit (= relative Häufigkeit bei vielen gleichzeitig durchgeführten Messungen), den Eigenwert
Ln zu messen, ist im Allgemeinen wegen der Zeitabhängigkeit von |ψ(t)i verschieden von der in 1), und
damit ändert sich auch der Mittelwert im Laufe der Zeit.
3. Falls L explizit von t abhängt, ändern sich auch die Eigenwerte L1 , L2 , . . . von L̂.
Die Änderung des Mittelwertes ist gegeben durch
d
L̄(t + ∆t) − L̄(t)
(L̄) = lim
∆t→0
dt
∆t
und wir erhalten:
d
L̄ =
dt
=
=
+ *
+ *
+
*
∂
∂
∂
ψ|L̂|ψ =
ψ|L̂|ψ + ψ|
L̂|ψ + ψ|L̂|
ψ
∂t
∂t
∂t
+ *
+ *
+
1
∂
1
Ĥψ|L̂|ψ + ψ|
L̂|ψ + ψ|L̂| Ĥψ (Schrödinger-Gleichung)
i~
∂t
i~
+
*
1
∂
1
L̂|ψ +
ψ|Ĥ L̂|ψ + ψ|
ψ|L̂Ĥ|ψ
−
i~
∂t
i~
d
dt
*
Also gilt:
¯
∂¯L̂
1
dL̄
=
+ [L̂, Ĥ] ·
dt
∂t
i~
Die zeitliche Änderung des Erwartungswertes
setzen deshalb:
dL̄
dt
ist der Erwartungswert des Operators
(3.96)
∂ L̂
∂t
+
∂ L̂
1
dL̂
=
+
L̂, Ĥ
dt
∂t
i~
1
i~
[L̂, Ĥ]. Wir
(3.97)
Das ist nicht die zeitliche Differentiation des Operators L̂, sondern es ist die Observable “zeitliche Veränderung
von L“.
3.6.1
Konstante der Bewegung
L hängt nicht explizit von der Zeit ab. Dann vereinfachen sich (3.96) und (3.97) zu:
dL̂
dL̄
1
1
[L̂, Ĥ] bzw.
L̂, Ĥ
=
=
dt
i~
dt
i~
(3.98)
Der Erwartungswert L̄ ändert sich somit nicht; d.h. L̄ ist eine Konstante der Bewegung, falls L̂ mit Ĥ kommutiert. Wir wollen zeigen, dass dann nicht nur der Erwartungswert L̄ konstant ist, sondern auch wn , die
Wahrscheinlichkeit, den Wert Ln zu messen.
Sei also [L̂, Ĥ] = 0. Dann gibt es ein gemeinsames System {|ni} von Eigenvektoren zu L̂ und Ĥ
L̂|ni = Ln |ni bzw. Ĥ|ni = En |ni
Insbesondere sind die |ni also stationäre Zustände, und mit der Schrödinger-Gleichung folgt:
65
iEn
|n; ti = |ni · e− ~·t
Wir entwickeln nach dem System {|ni}:
|ψ(t)i
=
X
n
=
X
X
cn (t)|ni = U (t) ψ(0) = U (t)
cn (0)|ni
X
cn (0)U (t) (|ni) =
n
cn (0)|n; ti =
cn (0)e−
iEn
~
n
n
n
X
t
|ni
Also folgt:
cn (t) =
iEn
n|ψ(t) = cn (0)e− ~
t
und somit:
wn (t) = |cn (t)|2 = |cn (0)|2 = konstant! (q.e.d.)
Beachte bei dem Beweis, dass L als nicht explizit zeitabhängig vorausgesetzt wurde und somit die |ni’s für alle
Zeiten Eigenvektoren zu L̂ mit Eigenwert Ln sein müssen. Für kontinuierliche Eigenwerte folgt natürlich ganz
iE
genauso wie w(L)(t)dL = |C(L) · e− ~ t |2 ist zeitunabhängig.
Beispiele:
1. Ĥ =
ṗ2
2m
freies Teilchen
Der Impuls ist eine Konstante der Bewegung, denn
d
d
d
ṗx , Ĥ =
ṗx = p̂y , Ĥ =
ṗy = p̂z , Ĥ =
ṗz = 0
dt
dt
dt
Die ebenen Wellen bilden ein gemeinsames System
ψ~k (r, t) =
1
~
3
(2π) 2
ei(k~r−ωt)
Für diesen Eigenzustand gilt natürlich h~
pi = ~~k.
2. Ĥ = L̂
konservatives System (Energie hängt nicht explizit von der Zeit ab)
Die Energie ist eine Konstante der Bewegung, denn
dĤ
∂ Ĥ
1
Ĥ, Ĥ = 0
=
+
dt
∂t
i~
66
3.7
Der lineare harmonische Oszillator
Wir wollen in diesem Abschnitt am Beispiel des linearen harmonischen Oszillators zeigen, wie man Probleme
der Quantenmechanik im abstrakten Hilbert-Raum lösen kann.
2
ṗ
2 2
+m
Die Energie ist gegeben durch Ĥ = 2m
2 ω x̂ , wobei die Operatoren x̂, p̂ die Vertauschungsrelation [x̂, p̂] = i~
erfüllen. Wir definieren den dimensionslosen, nichthermiteschen Operator
b
(mit adj. Op.) b+
=
1
√
2~
√
i
mω x̂ + √
p̂
mω
=
1
√
2~
√
i
mω x̂ − √
p̂
mω
!
!
Dann gilt, wie man sofort ausrechnet:
[b, b+ ]
= 1
r
sowie x̂
=
p̂
=
(3.99)
~
(b + b+ )
2mω
r
1 ~mω
(b − b+ )
i
2
Also kann ich auch Ḣ durch b und b+ ausdrücken:
1
Ḣ = ~ω b+ b +
2
!
Aufgabe ist die Berechnung der Eigenwerte von H bzw. von b+ b = û. Dazu berechnen wir zunächst einige
Kommutatoren.
[bn , û] = bn b+ b − b+ bbn = nbn
(3.100)
Hierzu benutzten wir die vollständige Induktion:
[b, û] = 1 · b;
[b2 , û] = 2b2
und: [ÂB̂, Ĉ] = Â[B̂, Ĉ] + [Â, Ĉ]B̂
Ferner erhält man:
(b+ )n , û = −n(b+ )n (für alle natürlichen Zahlen n)
Berechnung der Eigenwerte von b+ b: Zu dem hermiteschen Operator û = b+ b existiert ein reeller Eigenwert n0 .
Sei |n0 i ein normierter Eigenvektor zu n0 : û|n0 i. Dann folgt aus Gl. (3.100):
û(bn |n0 i)
=
=
bn û|n0 i−]bn , û]|n0 i
bn n0 |n0 i − nbn |n0 i = (n0 − n)(bn |n0 i)
bn |n0 i ist Eigenvektor zu (n0 − n) mit dem Normquadrat:
67
||bn |n0 i||2
= hn0 |(b+ )n bn |n0 i = hn0 |(b+ )n−1 ûbn−1 |n0 i
= hn0 |(b+ )n−1 bn−1 û − (b+ )n−1 [bn−1 , û]|n0 i
= hn0 |(b+ )n−1 bn−1 n0 |n0 i − hn0 |(b+ )n−1 (n − 1)bn−1 |n0 i
=
n0 − (n − 1) hn0 |(b+ )n−1 bn−1 |n0 i
n0 − (n − 1) n0 − (n − 2) hn0 |(b+ )n−2 bn−2 |n0 i
=
= · · · = n0 − (n − 1) n0 − (n − 2) . . . (n0 − 1)n0
Da diese Zahl ≥ 0 sein muss, muss also der Eigenwert n0 eine ganze Zahl ≥ 0 sein! Außerdem ist bn0 |n0 i ein
Eigenvektor von û zum Eigenwert 0 (mit Norm größer 0). Sei also ohne Beschränkung der Allgemeinheit n0 = 0;
d.h. wir gehen im Folgenden aus von einem Eigenvektor von û (normiert) zum Eigenwert 0:
û|0i = 0|0i
und
= b|0i = 0
Nun rechnet man mit b+ und (3.7) genau wie oben mit b und (3.100) und erhält:
û (b+ )n |0i
=
=
(b+ )n û|0i − (b+ )n , û |0i
(b+ )n 0|0i + n(b+ )n |0i = n (b+ )n |0i
(b+ )n |0i ist Eigenvektor von û zum Eigenwert n mit Normquadrat:
||(b+ )n |0i||2
=
=
h0|bn (b+ )n |0i = h0|bn−1 bb+ (b+ )n−1 |0i
h0|bn−1 (û + 1)(b+ )n−1 |0i = · · · = n!
Ergebnis:
Die Eigenwerte des Operators û = b+ b sind gerade die ganzen Zahlen n ≥ 0 und für die zugehörigen Eigenvektoren |ni gilt:
1
|ni = √ (b+ )n |0i
n!
Die Vektoren |ni spannen nun unseren Hilbert-Raum auf; und für die Operatoren b und b+ auf diesem HilbertRaum gilt:
√
1
b+ |ni = 1 √ (b+ )n+1 |0i = n + 1 |n + 11i
n1
(3.101)
1
1
b|ni = 1 √ b(b+ )n |0i = 1 √ bb+ (b+ )n−1 |0i
n!
n!
n (b+ )n−1 |0i
u + 1 + n−1
|0i = 1 √ p
= 1 √ (b )
n
n!
(n − 1)!
√
=
n |n − 1i (insb. b|0i = |0i)
(3.102)
hn0 |b+ |ni =
√
√
n + 1 hn0 |n + 1i = n + 1 δn0 , n + 1
68
(3.103)
hn0 |bni =
√
√
n hn0 |n − 1i = n δn0 , n − 1
(3.104)
Physikalische Interpretation der Ergebnisse
1
En = ~ω n +
2
!
Wir erhalten äquidistante Energieniveaus und interpretieren den angeregten Zustand |3i, z.B. als einen Zustand
mit 3 Oszillatorquanten.
n=7
n=6
n=5
n=4
hω
n=3
n=2
n=1
n=0
Abb. 3.8:
Der Grundzustand |0i hat eine Nullpunktsenergie E0 = 21 ~ω, eine Folge der Heisenberg’schen Unschärferelation.
Der Abgabe bzw. Vernichtung eines Oszillatorquantes entspricht gerade die Anwendung von b (auf |ni ∼ |n−1i),
deshalb heißt b Vernichtungsoperator. Der Aufnahme bzw. Erzeugung eines Quantes im Oszillator entspricht
gerade die Anwendung von b+ , deshalb heißt b+ Erzeugungsoperator. Die Erzeugung und Vernichtung von
Quanten ist Gegenstand der Quantenfeldtheorie.
Zum Abschluss berechnen wir noch die Matrixelemente hn0 |x̂|ni und hn0 |p̂|ni der Observablen x̂ und p̂ in der
Energiedarstellung. Damit lassen sich dann auch alle anderen Erwartungswerte berechnen, denn jede mechanische Größe ist eine Funktion in x und p (und t).
hn0 |x̂|ni
=
=
hn0 |p̂|ni
=
=
*
+
~
n0 |
(b + b+ )|n (wegen (3.103) und (3.104))
2mω
r
√
√
~
n δn0 , n−1 + n + 1 δn0 , n+1
2mω
+
*
r
~mω
1
(b − b+ )|n
n0 |
i
2
r
√
1 ~mω √
n δn0 , n−1 − n + 1 δn0 , n+1
i
2
r
Darstellung in Matrizenform:
69
(xn0 , n )
(pn0 , n )
√
0
1 √0 . . .
√
r
 1 0
2 √0 . . .
√
~ 
 0
=
2
0
3 √0 . . .
√
2mω 
 0
0
3 0
4 0 ...
...
√

1 √0 . . .
0
r
√
1 ~mω 
1
0
2 √0 . . .
−

√
=
i
2  0
− 2 0
3 0 ...
...











Damit haben wir also gezeigt, wie man allein mit Hilbert-Raum-Algebra ein Problem lösen kann. Fassen wir
noch einmal zusammen:
Ĥ =
m 2
ṗ2
+
x̂
2m 2ω 2
haben wir umgeschrieben in
Ĥ = ~ω(b+ b + 1)
mit den Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren b, b+ , die die Kommutatorrelation [b, b+ ] = 1 erfüllen. Mit
Hilfe dieser Operatoren lässt sich Ĥ diagonalisieren, d.h. wir erhalten die Eigenwerte und das vollständige
System von Eigenvektoren |ni zu Ĥ.
70
Herunterladen