Angewandte Geometrie

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Technische Universität München
Zentrum Mathematik
Prof. Dr. J. Hartl
SS 2015
Blatt 5
Angewandte Geometrie
1. Sei c die Raumkurve in E 3 mit der Parametrisierung


t
~x(t) =  4 − 3t2 
6t3
(t ∈ R)
a) Man bestimme
— die Bogenlänge s,
— das begleitende Dreibein {~t, ~n, ~b} (Tangenten-, Hauptnormalen- und
Binormalenvektor),
— die Krümmung κ und die Torsion τ
von c in Abhängigkeit von t.
Lösung:
Bogenlänge s:
Z
s(t) =
t
|~x˙ (τ )| dτ
(a ∈ R fest)
a


1
~x˙ =  −6t  ⇒ ~x˙ 2 = 1 + 36t2 + 182 t4 = (1 + 18t2 )2
18t2
Z t
⇒ s(t) =
(1 + 18τ 2 ) dτ = t + 6t3
0
Begleitendes Dreibein (~t, ~n, ~b):


1
˙
1
~t = ~x =  −6t  ·
1 + 18t2
|~x˙ |
18t2
˙ ¨
~b = ~x × ~x
|~x˙ × ~x¨|
1


0
~x¨ =  −6 
36t
 2



6t (−36 + 18)
−18t2
 = 6  −6t 
−36t
~x˙ × ~x¨ = 
−6
−1
(~x˙ × ~x¨)2 = 36 · (1 + 18t2 )2 (wie bei ~x˙ 2 )


−18t2
1
~b =  −6t  ·
1 + 18t2
−1

 

−18t2
1
1
~n = ~b × ~t =  −6t  ×  −6t  ·
=
(1 + 18t2 )2
2
−1
18t




2
−6t
−6t(18t + 1)
1
1
 −1 + (18t2 )2  ·
=  18t2 − 1  ·
2
2
(1 + 18t )
1 + 18t2
6t
6t(18t2 + 1)
Krümmung κ:
κ(t) =
|~x˙ × ~x¨|
6 · (1 + 18t2 )
6
=
=
2
3
(1 + 18t )
(1 + 18t2 )2
|~x˙ |3
Torsion τ :
...
det(~x˙ , ~x¨, ~x )
τ (t) =
|~x˙ × ~x¨|2


1
0 0
...
det(~x˙ , ~x¨, ~x ) = det  −6t −6 0  = −6 · 36 ⇒
18t2 36t 36
−6 · 36
= −κ(t)
τ (t) =
36 · (1 + 18t2 )2
b) Man zeige, dass c eine Böschungslinie ist und bestimme die zugehörige
Böschungsrichtung und den Böschungswinkel.
Lösung:
Die Kurve c ist eine W-Punkt-freie C ω -Kurve. Da nach a) der Quotient
τ
= −1 konstant ist, ist c eine Böschungslinie.
κ
Böschungsrichtung:
Der Darboux-Vektor τ ~t+κ~b hat Böschungsrichtung ⇒ (−~t+~b)·(18t2 +1)
hat Böschungsrichtung ⇒




−1 − 18t2
−1

 = (1 + 18t2 ) ·  0 
0
−18t2 − 1
−1
2
hat Böschungsrichtung ⇒


−1
1
~r :=  0  · √
2
−1
hat Böschungsrichtung.
Böschungswinkel: sin α = ~r · ~t =
α=
−1
√
2
(da ~r 2 = ~t 2 = 1) ⇒
π
= 45◦
4
(da 0 < α < π2 ).
2. Eine Expedition startet auf dem Äquator und wandert mit konstanter
Geschwindigkeit stets exakt nach Nordosten. Man berichte über das Schicksal
der Expedition.
Lösung:
Parameterdarstellung der Sphäre:


cos α cos ϕ
~x(α, ϕ) =  cos α sin ϕ 
sin α




− sin α cos ϕ
− cos α sin ϕ
~xα =  − sin α sin ϕ  , ~xϕ =  cos α cos ϕ 
cos α
0
~xα 2 = 1, ~xϕ 2 = cos2 α, ~xα · ~xϕ = 0
Ges.: Flächenkurve ~x(α(s), ϕ(s)) (der Einfachheit halber s Bogenlänge), so
dass gilt:
π
∠(~xα α0 + ~xϕ ϕ0 , ~xα ) = ∠(~xα α0 + ~xϕ ϕ0 , ~xϕ ) = ,
4
also so, dass
1
√ = ~xα 2 α0 + ~xϕ~xα ϕ0 = α0
2
und
2
2
1 = (~xα α0 + ~xϕ ϕ0 )2 = α0 + cos2 αϕ0 ,
also
Damit ist
1
1
α0 = √ und ϕ0 = √
.
2
2 cos α
1
α = √ · s.
2
Die Expedition erreicht den Nordpol, wenn α = π2 , also wenn s = √π2 . Die
Steigung von ϕ als Funktion von s wächst bis dahin über alle Grenzen.
Die Expedition läuft unendlich oft um den Nordpol herum, in immer kleineren
Abständen, und kommt nach endlicher Zeit dort an.
3
3. Im dreidimensionalen euklidischen Raum E 3 sei eine reguläre W-Punkt-freie
C r -Kurve c (r ≥ 2) gegeben durch eine auf ihre Bogenlänge s bezogene Parameterdarstellung ~x:
c : ~x(s)
(s ∈ I)
Dabei sei I ein offenes Intervall. Für alle s ∈ I und h ∈ R, für die s + h ∈ I,
sei φ(s, h) der Winkel der Tangenten von c an den Stellen s und s + h sowie
ψ(s, h) der Winkel der Schmiegebenen von c an den Stellen s und s + h. Man
zeige: Für alle s ∈ I gilt:
a)
φ(s, h)
= κ(s),
h→0
h
lim
Lösung:
sin2 φ(s, h) = (~x 0 (s) × ~x 0 (s + h))2
Ableiten nach h und Division durch 2 liefert:
sin(φ(s, h)) cos(φ(s, h))
∂φ
(s, h) =
∂h
(~x 0 (s) × (~x 0 (s + h) − ~x 0 (s))) · (~x 0 (s) × ~x 00 (s + h))
Das Einfügen von −~x 0 (s) auf der rechten Seite liefert eine Addition von
Null.
Division durch h liefert:
sin(φ(s, h) φ(s, h)
∂φ
·
cos(φ(s, h) (s, h) =
φ(s, h)
h
∂h
~x 0 (s + h) − ~x 0 (s)
(~x (s) ×
) · (~x 0 (x) × ~x 00 (s + h))
h
Da φ(s, 0) = limh→0 φ(s, h) = 0, ist
0
lim
h→0
(∗)
φ(s, h)
φ(s, h) − φ(s, 0)
∂φ
= lim
=
(s, 0).
h→0
h
h−0
∂h
Daher liefert in (*) der Grenzübergang h → 0:
φ(s, h)
φ(s, h)
· 1 · lim
= (~x 0 (s) × ~x 00 (s))2 ,
h→0
h→0
h
h
1 · lim
also wegen φ(s, h) ≥ 0 für h ≥ 0 und (~x 0 (s) × ~x 00 (s))2 = κ(s)2 die
Behauptung.
b)
ψ(s, h)
= |τ (s)| falls r ≥ 3.
h→0
h
lim
Lösung:
4
sin2 ψ(s, h) = (~b(s) × ~b(s + h))2 = (~b(s) × (~b(s + h) − ~b(s)))2
Division durch h2 liefert:
~
~
sin2 ψ(s, h) ψ(s, h)2
~b(s) × b(s + h) − b(s) )2 .
·
=
(
ψ(s, h)2
h2
h
Der Grenzübergang für h → 0 liefert:
ψ(s, h) 2
) = (~b(s) × ~b 0 (s))2 .
h→0
h
12 · (lim
Wegen ~b 0 (s) = −τ (s) · ~n(s) folgt die Behauptung.
4. Eine Gerade g des E 3 wird um die Achse a (6= g) verschraubt.
a) Man überlege sich: Im E 3 lässt sich ein kartesisches Koordinatensystem
{O; x, y, z} ohne Einschränkung so wählen, dass die Schraubachse a mit
der z-Achse übereinstimmt und die Gerade g in ihrer Anfangslage die
positive x-Achse in rechtem Winkel schneidet. (Dabei zählt hier der
Ursprung O zur positiven x-Achse.)
Lösung:
Beh.: Es gibt ein kart. (o.E. Rechts-)KS in E3 , so dass gilt:
• Schraubachse a = z-Achse,
• g schneidet die positive x-Achse rechtwinklig.
Bew.: 1. Fall: g nicht k a ⇒ Es gibt genau ein Gemeinlot l von g und a.
2. Fall: g k a ⇒ Es gibt ein Gemeinlot l von g und a.
Die x-Achse liegt notwendig auf einem Gemeinlot l von a und g. Der
Schnitt von l mit a ist der Koordinatenursprung O. Im 1. Fall ist der
Koordinatenursprung eindeutig bestimmt, im zweiten Fall beliebig auf a.
Die Orientierung der z-Achse ist zweideutig bestimmt. Die Orientierung
der x-Achse ist eindeutig bestimmt und geht von O nach l ∩ g, falls
g ∩ a = ∅, sonst zweideutig. Die y-Achse ist das Gemeinlot von a und
l. Ihre Orientierung ist eindeutig bestimmt, wenn das KS ein Rechts-KS
sein soll, sonst zweideutig.
b) Man wähle das Koordinatensystem gemäß den Vorgaben in a). Unter Verwendung des Schraubparameters p, des Abstandes b := d(a, g) = d(O, g)
von a und g sowie des Richtungsvektors ~r = (0, r2 , r3 )T von g gebe
man eine Parameterdarstellung ~x(u, v) der von g überstrichenen Strahlschraubfläche Ψ an.
Lösung:
5
g in der Ausgangslage:



 

b
0
b
~x(t) =  0  + t  r2  =  tr2 
0
r3
tr3
Parameterdarstellung der Schraubfläche:


 

cos ϕ − sin ϕ 0
b
0
Ψ : ~z(t, ϕ) =  sin ϕ cos ϕ 0   tr2  +  0  =
0
0
1
tr3
pϕ


cos ϕ · b − sin ϕ · tr2
 sin ϕ · b + cos ϕ · tr2 
tr3 + pϕ
c) Im Fall b = r3 = 0, p 6= 0 (Wendelfläche) ermittle man eine implizite
Gleichung f (x, y, z) = 0 für Ψ.
Lösung:
b = r3 = 0, p 6= 0 : Wendelfläche


− sin ϕ · tr2
Ψ : ~z(t, ϕ) =  cos ϕ · tr2 
pϕ
x = − sin ϕ · tr2
y = cos ϕ · tr2
z = pϕ
Gesucht: Ein Ausdruck in x, y, z, der identisch verschwindet. Der naheliegende Versuch mit x2 + y 2 führt nicht zum Ziel. Aber:
cos ϕ · x + sin ϕ · y = 0 und ϕ = zp . Also:
Ψ : x · cos
z
z
+ y · sin = 0.
p
p
Zumindest erfüllt jeder Punkt der Parameterdarstellung diese Gleichung.
Umgekehrt erhält man jeden Punkt, der diese Gleichung erfüllt mit einem geeigneten Paar (t, ϕ) aus der Parameterdarstellung (denn r2 ist
notwendig 6= 0).
d) Welche Fläche(n) erhält man für p = 0 (Drehung von g um a)?
Lösung:
p = 0: Drehfläche:
x = cos ϕ · b − sin ϕ · tr2
y = sin ϕ · b + cos ϕ · tr2
6
z = tr3
x2 = cos2 ϕ · b2 + sin2 ϕ · t2 r22 − 2 cos ϕ sin ϕ · btr2
y 2 = sin2 ϕ · b2 + cos2 ϕ · t2 r22 + 2 cos ϕ sin ϕ · btr2
z 2 = t2 r32
x2 + y 2 = b2 + t2 r22 ⇒
x2 + y 2 − b2 = t2 r22 und z 2 = t2 r32 ⇒
Ψ : r32 (x2 + y 2 ) − r22 z 2 = b2 r32 .
Das ist die Gleichung eines einschaligen Drehhyperboloids, falls b 6=
0, r2 6= 0, r3 6= 0.
Falls b = 0 erhält man einen Drehkegel mit den Entartungsfällen: xyEbene (falls r3 = 0) und z-Achse (falls r2 = 0).
Falls b 6= 0 gibt es die Entartungsfälle Drehzylinder (falls r2 = 0) und die
xy-Ebene, aus der ein Kreis um O mit dem Radius b herausgenommen
ist.
e) Im weiteren sei g windschief und nicht senkrecht zu a (b 6= 0, r2 6= 0, r3 6=
0). Für den Schraubparameter p gelte:
p=
r3
· b(6= 0).
r2
Man zeige:
Die Schnittkurve k von Ψ mit der xy-Ebene ist eine Kreisevolvente.
Lösung:
Nach b) hat die Tangente der Bahnschraublinie eines Punktes von Ψ den
Richtungsvektor


− sin ϕ · b − cos ϕ · tr2
~zϕ (t, ϕ) =  cos ϕ · b − sin ϕ · tr2 
p
speziell:

 
0
~zϕ (0, 0) =  b  = 
p



0
0
b
b  =  r2 
r2
r3
·b
r3
r2
Ψ ist die Tangentenfläche der Bahnschraublinie c des Punktes
 
b
~z(0, 0) =  0 
0
Die Tangenten von c haben dieselbe konstante Steigung wie c, also
bei gleicher Länge des Grundrisses dieselbe Bogenlänge oder auch bei
7
gleicher Höhendifferenz von Punkten dieselbe Bogenlänge zwischen den
Punkten, gemessen auf c oder auf der Tangente.
Tafelskizze dazu
Kurze Rechnung:


cos ϕ · b − sin ϕ · tr2
Ψ : ~z(t, ϕ) =  sin ϕ · b + cos ϕ · tr2 
tr3 + rr32 bϕ
Schnittkurve k mit der xy-Ebene: 0 = z = tr3 +
r3
bϕ
r2
⇒ t = − rb2 ϕ
Parameterdarstellung von k als ebene Kurve:
~k(ϕ) = b cos ϕ − ϕ · b − sin ϕ =
sin ϕ
cos ϕ
cos ϕ
− sin ϕ
b·(
−ϕ
)
sin ϕ
cos ϕ
• Mathematik ist nicht alles, aber ohne Mathematik ist alles nichts.
Hans-Olaf Henkel,
damals Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), in
einem Interview der Süddeutschen Zeitung, 1.9.2000, auf die Frage ” Worin
besteht das wichtige Wissen? “, hier zitiert nach dem Vieweg Berufs- und
Karriere-Planer Mathematik 2001, S. 12
• Ich bin kein potentieller Selbstmörder und sehe deshalb ein: mit den Wölfen
muß man heulen. Aber die Forderung, mit den Hühnern zu gackern, erscheint
mir denn doch ein bißchen hybrid . . .
H. Eisenreich,
gefunden in FOR M extra 02/24 vom 15.03.1982, S. 2 unter der Überschrift
”Meine kleine wirre Welt“
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