insights – TRADERS´ Talk www.traders-mag.com 08.2016 Dr. Gerd Kommer Gewinner des Deutschen Finanzbuchpreises 2016 TRADERS´ Talk ETF – das Produkt für kurzfristig orientierte, aktive Anleger Wir sprachen mit Dr. Gerd Kommer, Leiter der Londoner Niederlassung eines deutschen AssetManagement-Unternehmens und Gewinner des von der Citigroup und der Börse Frankfurt gestifteten Deutschen Finanzbuchpreises 2016. Er erklärte uns, warum Exchange Traded Funds immer interessanter werden und weshalb gerade kurzfristig orientierte, aktive Anleger gerne damit handeln. » TRADERS´: Anfang 2016 konnten Sie den Deutschen Finanzbuchpreis mit der Neuauflage Ihres Buches „Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs“ abräumen. Warum ausgerechnet ETFs? Und wie investiert der Privatanleger damit „souverän“? Das Attribut „souverän“ hat in dem Buchtitel zwei Be­ Kommer: Warum ausgerechnet ETFs? Ganz einfach, weil gangssprachliche im Sinne von „gekonnt investieren“. deutungen. Die eine Bedeutung ist „unabhängig“ in dem Sinne, wie auch ein „souveräner Staat“ unabhängig von Dritten agiert; die zweite Bedeutung ist die eher um­ langfristig über 80 Prozent aller aktiv investierenden Aktien­anleger und über 90 Prozent aller aktiven Anleihe­ anleger bei Berücksichtigung von Risiko, Kosten und TRADERS´: Woher kam die Intention zur Neuauflage – hat sich so viel geändert? Steuern unterhalb einer korrekt gewählten Benchmark Kommer: Das Buch ist ein Longseller. Die erste Auflage er­ liegen. Das sollte jedem rationalen Anleger zu denken schien schon Mitte 2002, also vor 14 Jahren. Alle Neuauf­ geben. Noch mehr nachdenken sollte ein Anleger aller­ lagen wurden vollständig überarbeitet. Die Grundaussage dings hierüber: Die Zusammensetzung der Minderheit des Buches blieb jedoch über die Jahre hinweg unverän­ der Outperformer ist nicht verlässlich prognostizierbar dert, nämlich: „Sei smart und investiere passiv auf Buy- und wechselt von Zeitfenster zu Zeitfenster. Zwar gibt es and-Hold-Basis.“ Da sich die Produktlandschaft bei Ex­ in jedem Zeitraum diese Minderheit, wer in Zukunft aber change Traded Products (ETPs) laufend weiterentwickelt dazugehören wird, wissen nur die Götter. und auch die Wissenschaft nicht stehenbleibt – denken Sie 16 D08_TradersTalk.indd 16 13.07.2016 12:15:52 insights – TRADERS´ Talk an Smart Beta Investing –, würde ein solches Buch ohne periodische Aktualisierung nach einigen Jahren veralten. TRADERS´: Können auch kurzfristige Trader von ETPs profitieren oder sind sie eher längerfristig ausgelegt? Kommer: Ja, auch kurzfristige Trader können ETPs ein­ TRADERS´: Ist Ihr Buch auch für Leser geeignet, die etwas über ETFs lernen möchten, oder sollte man sich bereits mit den Produkten und dem Finanzmarkt auskennen? setzen. Hier muss ich allerdings für einen Moment aus­ Kommer: Ja, das Buch kann auch von einem Einsteiger „passivem Investieren“ oder „Indexing“ verkauft. Das ist gelesen werden – vorausgesetzt er oder sie weiß schon, Nonsens. Die meisten ETF-Anleger sind kurzfristig ori­ was eine Aktie, eine Anleihe, eine Börse und ein Bör­ entierte, aktive Anleger. Sie machen Market Timing mit senindex ist. Es ist gleichwohl kein Buch à la „Aktien für ETFs, zum Beispiel Daytrading oder computergesteuer­ Dummies“, das heißt, aktives Mitdenken beim Lesen ist tes High Frequency Trading. Generell kann man mit ETFs erforderlich, sonst macht das Buch keinen Spaß. sowohl aktiv als auch passiv, sowohl kurzfristig als auch holen. Das phänomenale Wachstum von ETFs in den zu­ rückliegenden gut 15 Jahren wird oft als Siegeszug von langfristig investieren. Aktiv und kurzfristig dominiert TRADERS´: Vor Kurzem knackte die globale ETP-Branche die 3-Billionen-US-Dollar-Grenze. Warum werden ETPs immer beliebter und was sind die Vorteile dieser Produkte? dabei deutlich. Die sehr niedrigen Transaktionskosten Kommer: Der größte Teil der ETPs sind Exchange Traded ausgerichtete Strategien. von ETFs oder ETPs machen sie zu idealen Produkten für Market-Timing-Strategien, insbesondere auch kurzfristig Funds, also ETFs. Die beiden anderen wesentlichen ETP- tend. Deutschland mag sich da ein wenig unterscheiden, TRADERS´: Wenn Sie auf die kommende zweite Jahres­ hälfte blicken: Welche Märkte würden Sie selbst handeln und wovon würden Sie eher die Finger lassen? weil es hier eine international ungewöhnlich große Zerti­ Kommer: Bei dieser Frage muss ich passen. Ich bin ein fikateindustrie, also ETNs gibt. ETFs wurden schon oft als überzeugter, radikaler Buy-and-Holder. Vor etwa 20 Jah­ die wichtigste Finanzinnovation der letzten 30 Jahre be­ ren habe ich angefangen, in Aktienindexfonds zu inves­ Typen sind Exchange Traded Commodities (ETCs) und No­ tes (ETNs). Die beiden sind global gesehen weniger bedeu­ zeichnet. Sie sind preisgünstige börsengehandelte Index­ tieren – von Anfang an mit einer Asset-Allokation, die mir fonds; man könnte auch Asset-Klassen-Fonds sagen. Der ein globales Weltmarkt-Exposure zu möglichst niedrigen Anleger verschafft sich hiermit präzises Exposure zu einer Kosten ermöglicht hat. Ich habe das damals „Weltportfo­ wohl definierten Asset-Klasse bei niedrigen Transaktions- lio“ genannt, bewusst ohne Sektor- oder Regionenwet­ und laufenden Kosten. Es gibt zum Beispiel Aktien-ETFs mit ten. Verkauft habe ich in diesen 20 Jahren nie oder nur laufenden Kosten von unter zehn Basispunkten. Für aktive zum Switchen, wenn ein deutlich preisgünstigerer ETF Anleger haben ETFs den Vorteil, dass sie mit ihnen alles ma­ auf den Markt kam – und nur sofern das ohne schädli­ chen können, was man auch mit einer Aktie machen kann, chen Steuereffekt ging. Mit diesem Ansatz bin ich gut zum Beispiel Leerverkäufe, Leveraging (hebeln) und Margin gefahren. Zum Multimillionär hat er mich allerdings nicht Trades. Das ginge mit traditionellen Indexfonds nicht. gemacht. ETCs und ETNs unterscheiden sich allerdings in ihrer kate bezeichnet. Sie sind rechtlich Bankschuldverschrei­ TRADERS´: Erhalten Sie auch Feedback von Lesern, die am Markt gescheitert sind? Was sind die häufigsten Fehler und wie könnte man diese vermeiden? bungen mit einem jeweils eigenen Pay-Off-Profil, anders Kommer: Ja, ich bekomme recht oft solches Feedback. Ich als bei einer gewöhnlichen Bankschuldverschreibung. glaube sogar ein großer Teil der Leserschaft von „Sou­ ETNs sind keine „Sondervermögen“ wie ETFs oder ETCs. verän Investieren“ sind Privatanleger, die sich vorher bei Letztere sind mit physischen Rohstoffen oder Edelmetal­ aktivem Anlegen die Finger verbrannt haben und nun ei­ len besicherte ETF-ähnliche Sondervermögen, die sich nen anderen risikoärmeren, wissenschaftlicheren Ansatz aber rechtlich von konventionellen ETFs auf Aktien- oder ausprobieren wollen. Einer der häufigsten Fehler: „Perfor­ Anleihenindizes unterscheiden. Bei ETCs ist die interna­ mance Chasing“, das heißt, den Trends der vorhergehen­ tionale Sprachregelung nicht einheitlich. Es existieren den zwölf bis 24 Monate hinterher zu investieren. Überwie­ auch andere ETC-Definitionen. Die drei Produktkategori­ gend bedeutet das, zu spät und zu teuer einzusteigen oder en gemeinsam in den großen Topf der „ETPs“ zu werfen, zu spät und zu billig auszusteigen, nämlich kurz vor Beginn birgt bei weniger informierten Anlegern die Gefahr von der Erholung. Mit Buy-and-Hold oder antizyklischem In­ Missverständnissen. vestieren würde das nicht passieren. « rechtlichen und technischen Struktur erheblich von ETFs. ETNs werden in Deutschland üblicherweise als Zertifi­ 17 D08_TradersTalk.indd 17 13.07.2016 12:15:52